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Kammermusik-Abo 1 Isabelle Faust Mittwoch 23. September 2015 20:00

Mittwoch 23. September 2015 20:00 - Kölner Philharmonie · 6 Sonata für Violine solo Nr. 1 g-Moll BWV 1001 Die Sonate Nr. 1 in g-Moll beginnt mit einem Adagio, das wie eine Improvisation

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Kammermusik-Abo 1

Isabelle Faust

Mittwoch23. September 201520:00

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Bitte beachten Sie:

Ihr Husten stört Besucher und Künstler. Wir halten daher für Sie an den Garderoben Ricola-Kräuterbonbons bereit und händigen Ihnen Stoff taschen tücher des Hauses Franz Sauer aus.

Sollten Sie elektronische Geräte, insbesondere Mobiltelefone, bei sich haben: Bitte schalten Sie diese unbedingt zur Vermeidung akustischer Störungen aus.

Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet sind.

Wenn Sie einmal zu spät zum Konzert kommen sollten, bitten wir Sie um Verständnis, dass wir Sie nicht sofort einlassen können. Wir bemühen uns, Ihnen so schnell wie möglich Zugang zum Konzertsaal zu gewähren. Ihre Plätze können Sie spätestens in der Pause einnehmen.

Bitte warten Sie den Schlussapplaus ab, bevor Sie den Konzertsaal verlassen. Es ist eine schöne und respektvolle Geste gegenüber den Künstlern und den anderen Gästen.

Mit dem Kauf der Eintrittskarte erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihr Bild möglicherweise im Fernsehen oder in anderen Medien ausgestrahlt oder veröffentlicht wird.

Vordruck/Lackform.indd 2-3 11.07.14 11:16

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Kammermusik-Abo 1

Isabelle Faust Violine

Mittwoch 23. September 2015 20:00

Pause gegen 21:20 Ende gegen 23:10

19:00 Einführung in das Konzert durch Bjørn Woll

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PROGRAMM

Johann Sebastian Bach 1685 – 1750Sonata für Violine solo Nr. 1 g-Moll BWV 1001 (1720)AdagioFuga. AllegroSicilianaPresto

Partita für Violine solo Nr. 1 h-Moll BWV 1002 (1720)AllemandaDoubleCouranteDouble. PrestoSarabandeDoubleTempo di BoreaDouble

Sonata für Violine solo Nr. 2 a-Moll BWV 1003 (1720)GraveFugaAndanteAllegro

PAUSE

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Johann Sebastian Bach Partita für Violine solo Nr. 3 E-Dur BWV 1006 (1720)PreludioLoureGavotte en RondeauMenuett IMenuett IIBourréeGigue

Sonata für Violine solo Nr. 3 C-Dur BWV 1005 (1720)AdagioFuga. Alla breveLargoAllegro assai

Partita für Violine solo Nr. 2 d-Moll BWV 1004 (1720)AllemandeCouranteSarabandeGigueChaconne

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ZU DEN WERKEN

»Eine ganze Welt von tiefsten Gedanken …« – Johann Sebastian

Bachs Sonaten und Partiten für Violine solo

Viele seiner bedeutendsten Instrumentalwerke schrieb Johann Sebastian Bach in den Jahren 1717 bis 1723, als er Kapellmeis-ter in Köthen war. Eine Erklärung für diese Tatsache liegt sicher darin, dass der Köthener Fürstenhof dem reformierten, von Ulrich Zwingli und Johannes Calvin begründeten Bekenntnis anhing. Musik spielte im reformierten Gottesdienst eine weitaus gerin-gere Rolle als im lutherischen, und so hatte Bach in Köthen kaum geistliche Kantaten zu komponieren. Umso mehr gab das Hof-leben Anlass zur weltlichen Musikpflege: Fürst Leopold selbst war musikalisch hoch gebildet; er spielte Violine, Gambe und Cembalo.

Von den sechs Sonaten und Partiten für Violine solo hat sich ein kalligraphisch besonders wertvolles eigenhändiges Manu-skript Bachs erhalten. Der Titel lautet: Sei Solo à Violino senza Baßo accompagnato. Libro Primo. da Joh: Seb. Bach. anno 1720. Die Reinschrift der Violinwerke fällt also etwa in die Mitte von Bachs Köthener Jahren – was allerdings nicht aussschließt, dass er die Werke bereits früher komponiert oder zumindest begon-nen haben könnte. In jedem Fall ist über einen konkreten Anlass ebenso wenig bekannt wie über einen möglichen Auftraggeber oder Widmungsträger – die sorgfältige Handschrift scheint ja immerhin auf eine besondere Bestimmung der Stücke hinzudeu-ten. Auch weiß man nicht sicher, was es mit der Bezeichnung Libro Primo (Erstes Buch) auf sich hat. Plante Bach etwa ein zwei-tes Buch unbegleiteter Violinwerke? Ist eine solche Serie viel-leicht sogar ausgeführt worden und später verloren gegangen? Als wahrscheinlicher gilt heute, dass Bach auf die sechs Suiten für Violoncello solo (BWV 1007 – 1012) anspielte, die ja ein ver-gleichbares Kompendium der Cellokunst darstellen. Von ihnen existierte vermutlich auch einmal eine Reinschrift, das »Libro Secondo«. Und vielleicht könnte man ja die in einer Abschrift von etwa 1722/23 erhaltene Flöten-Partita BWV 1013 als Beginn eines dritten Buches ansehen.

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Ungeklärt ist weiterhin die Frage, wer die außerordentlich schwierigen Solowerke wohl gespielt haben könnte. Mögli-che Kandidaten wären die Köthener Geiger Friedrich Marcus und Josephus Spieß, außerdem der Dresdner Konzertmeister Johann Georg Pisendel, der selbst Werke für unbegleitete Vio-line schrieb und seit 1710 persönlich mit Bach bekannt war. Im Übrigen beherrschte zweifellos auch Bach selbst die Violine gut genug, um die Stücke aufführen zu können. Die Zeitgenossen kannten ihn zwar in erster Linie als glänzenden Orgel- und Cem-balovirtuosen, doch seine erste Anstellung hatte er 1703 als Gei-ger (und Lakai) am Weimarer Hof gefunden. Noch 1775 berichtete sein Sohn Carl Philipp Emanuel dem Göttinger Musikhistoriker Johann Nikolaus Forkel: »In seiner Jugend bis zum ziemlich her-annahenden Alter spielte er die Violine rein und durchdringend und hielt dadurch das Orchester in einer größeren Ordnung als er mit dem Flügel [gemeint ist das Cembalo] hätte ausrichten können. Er verstand die Möglichkeiten aller Geigeninstrumente vollkommen.« Außerdem enthält Bachs Manuskript vereinzelt Fingersätze von seiner Hand – er kann sie wohl nur für den eige-nen Gebrauch eingetragen haben.

In ihrem Gesamtaufbau zeigen die Sei Solo à Violino die für Bach so charakteristische planvolle zyklische Anordnung: Auf eine Sonate folgt jeweils eine Partita – oder »Partia«, wie es im Auto-graph heißt. Den Begriff »Partia« verwendete Bach synonym mit der Bezeichnung »Suite«; gemeint ist also eine Folge von Tanz-sätzen, üblicherweise Allemande, Courante, Sarabande und Gigue, die manchmal durch ein Präludium eingeleitet oder durch Modetänze, sogenannte »Galanterien«, ergänzt werden. Die For-men der italienischen Sonate und der französischen Suite, jener beiden wichtigsten Kammermusikgattungen des Barock, ver-stand Bach aber keineswegs als starre Schemata. Vor allem die Suite oder Partita erscheint in drei deutlich unterschiedlichen Ausprägungen, wogegen im Falle der drei Sonaten die forma-len Varianten im Detail liegen. Generell folgen alle Sonaten der viersätzigen Anlage der italienischen Kirchensonate: langsam – schnell – langsam – schnell.

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Sonata für Violine solo Nr. 1 g-Moll BWV 1001

Die Sonate Nr. 1 in g-Moll beginnt mit einem Adagio, das wie eine Improvisation über einer vorgegebenen Harmoniefolge wirkt. Tatsächlich wurden in der Barockzeit ähnliche langsame Sätze meist aus dem Stegreif mit Ornamenten ausgeschmückt, doch Bach schrieb hier einmal sämtliche Triller und Doppel-schläge, alle auf- und absteigenden Läufe, dissonanten Vorhalte und manches mehr sorgfältig aus. An zweiter Stelle folgt, wie in den beiden anderen Sonaten auch, eine Fuge. Es bilden also die beiden ersten Sätze jeder Sonate ein sich ergänzendes Paar, wie man es auch aus Bachs Orgelschaffen oder dem Wohltem-perierten Klavier kennt: Präludium (bzw. Fantasie, Toccata) und Fuge, auf freies Schweifen folgt strenger Kontrapunkt. Bachs Kunst, Polyphonie auf einem Instrument zu verwirklichen, das seinem Wesen nach einstimmig ist, erreicht in den Fugensätzen der Violinsonaten ihren Höhepunkt. Offenbar empfand er gerade die spieltechnischen Einschränkungen der Geige als beson-dere Herausforderung: Sie zwangen ihn, bis an die Grenzen des Machbaren zu gehen. Die Fuge der g-Moll-Sonate existiert im Übrigen auch in Transkriptionen Bachs für Laute (BWV 1000) und für Orgel (BWV 539). Der dritte Satz, wiederum langsam, ist eine Siciliana. Diese Tanzgattung (meist in männlicher Form als »Sici-liano« geschrieben) ist gekennzeichnet durch einen wiegenden Rhythmus im ⁶/₈- oder ¹²/₈-Takt. Bach legt seine Siciliana, wie bereits die Fuga, konsequent mehrstimmig an. Dafür ist jedoch das abschließende Presto ein durchgehend einstimmiges »Motu perpetuo«, das nur durch hohes Tempo und Registerwechsel die Illusion von Mehrstimmigkeit erzeugt.

Partita für Violine solo Nr. 1 h-Moll BWV 1002

Die Partita Nr. 1 h-Moll besteht aus vier Satzpaaren: Drei der vier Suiten-Stammsätze sind vertreten, nämlich Allemanda, Courante

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und Sarabande; den vierten, die Gigue, ersetzt eine Bourrée – bzw. ein Tempo di Borea, denn Bach verwendet in den ersten beiden Partiten vorwiegend italienische Satzbezeichnungen. Die Charaktere der im Barock geläufigen Tänze hat der Ham-burger Musiktheoretiker und Komponist Johann Mattheson (1681 – 1764) in seinem Der vollkommene Capellmeister (1739) tref-fend beschrieben: Die Allemande, so meint er, sei »eine aufrich-tige Teutsche Erfindung« und »eine gebrochene, ernsthaffte und wol ausgearbeitete Harmonie, welche das Bild eines zufriede-nen oder vergnügten Gemüths trägt, das sich an guter Ordnung und Ruhe ergetzet.« Die Courante oder Corrente »suchet ihrem Namen durch immerwährendes Laufen ein völliges Recht zu tun, doch so, dass es lieblich und zärtlich zugehe«. Während ihr vorherrschender Affekt »süße Hoffnung« ist, prägen »Ehrsucht«, »Grandezza« und »Ernsthaftigkeit« die Sarabande. Von der Bour-rée schließlich heißt es, »daß ihr eigentliches Abzeichen auf der Zufriedenheit, und einem gefälligen Wesen beruhe, dabey gleichsam etwas unbekümmertes oder gelassenes, ein wenig nachläßiges, gemächliches und doch nichts unangenehmes vermacht ist.« In Bachs Partita enthält jedes Satzpaar als zweites Glied ein Double, also eine Variation des zuerst gespielten Tan-zes. Dessen Harmoniefolgen bleiben im Double jeweils erhalten, aber die punktierten Rhythmen der Allemande oder die Akkorde der Sarabande und der Bourrée lösen sich in flüssige Figuratio-nen auf und das Tempo steigert sich. Die Bourrée bietet im Übri-gen noch eine Besonderheit: Während die Tänze einer Suite in der Regel aus zwei zu wiederholenden Teilen bestehen, nähert sich Bach hier durch eine freie Reprise des ersten Teils der später üblichen dreiteiligen Sonatenform an.

Sonata für Violine solo Nr. 2 a-Moll BWV 1003

Die Sonate Nr. 2 in a-Moll beginnt mit einem dreiteiligen Grave, dessen Figurationen langsam wechselnde Harmonien aus-schmücken. Ähnlich dem Eröffnungsstück der ersten Sonate wirkt auch dieser Satz wie eine kunstvolle Improvisation mit

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ausgeschriebenen Verzierungen. Über das knappe Thema der folgenden Fuga schrieb Bachs Kollege Mattheson: »Wer sollte wohl dencken, daß diese achte kurtze Noten so fruchtbar wären, einen Contrapunct von mehr als einem Bogen, ohne sonderbare Ausdehnung, gantz natürlich hervorzubringen? Und dennoch hat solches der künstliche, und in dieser Gattung besonders glückli-che Bach jedermann vor Augen geleget: ja, noch dazu den Satz hin und wieder rücklings eingeführet.« In der Tat setzt Bach etwa ab der Mitte der Fuge neben dem originalen Thema auch dessen Umkehrung ein – das heißt, aufsteigende Tonschritte werden zu gleich großen absteigenden und umgekehrt. Der zweite lang-same Satz, ein Andante in der Paralleltonart C-Dur, unterschei-det sich merklich vom eröffnenden Grave: Die Melodie bleibt hier fast unverziert, erhält dafür aber eine Begleitung aus pochen-den Achtelnoten. Ein dramatisch-virtuoses Allegro schließt die Sonate ab.

Partita für Violine solo Nr. 3 E-Dur BWV 1006

In Isabelle Fausts Programm wechselt aus dramaturgischen Gründen die Partita Nr. 3 in E-Dur mit Nr. 2 in d-Moll den Platz. Nr. 3 ist leichter, galanter im Ton als die übrigen Partiten und ins-gesamt wohl das modernste Stück der ganzen Serie. Ein groß-angelegtes Preludio steht am Anfang; es ist bis heute außeror-dentlich populär und gefiel offenbar auch Bach selbst besonders gut: Er bearbeitete es später für Orgel und Orchester und ver-wendete es in zwei seiner Kantaten (Nr. 29 und Nr. 120a). Von den vier Standardsätzen der Suite ist nur einer in der E-Dur-Partita enthalten – nämlich die Gigue, eine Tanzform, von dem Matthe-son schreibt, sie zeige »einen hitzigen und flüchtigen Eifer, einen Zorn, der bald vergehet«. Die übrigen Sätze sind Galanterie-stücke, in denen der Tanzcharakter direkter zum Ausdruck kommt als in den stärker stilisierten Sätzen anderer Suiten: Im feierlich gemessenen ⁶/₄-Metrum erscheint die Loure, für die laut Matthe-son »ein stoltzes, aufgeblasenes Wesen« typisch ist. Dagegen ordnet der Musikgelehrte der Gavotte »eine rechte jauchzende

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Freude« und ein »hüpfendes Wesen« zu sowie dem Menuett eine »mäßige Lustigkeit«. Die übliche zweiteilige Form dominiert in diesen Tänzen, allerdings ist die Gavotte »en Rondeau« angelegt: Das Hauptthema kehrt mehrmals wieder. Zwischen seinen Auf-tritten liegen kurze, thematisch verwandte Episoden, sodass der Satz insgesamt dem Muster A-B-A-C-A-D-A folgt.

Sonata für Violine solo Nr. 3 C-Dur BWV 1005

Ein Adagio, das vor allem durch seine harmonischen Kühnheiten fasziniert, eröffnet die Sonate Nr. 3 in C-Dur. Schon im achten Takt erreicht Bach das von der Grundtonart weit entfernte H-Dur; nach C-Dur kehrt er nur kurz und erst gegen Ende des Satzes wie-der zurück, um dann doch mit der Dominante G-Dur zur unmit-telbar folgenden Fuga überzuleiten. Diese ist mit einem Umfang von 354 Takten nicht nur die komplexeste der drei Violinfugen, sondern überhaupt eine der längsten Fugen in Bachs gesam-tem Schaffen. Ihrem Hauptthema, das dem Beginn des Chorals »Komm Heiliger Geist« ähnelt, ist eine in Halbtönen absteigende Linie unterlegt, die fast die Funktion eines Gegenthemas erhält. Vier fugierte Teile, getrennt durch freiere Zwischenspiele, las-sen sich unterscheiden. Der erste stellt das Thema in gewohnter Weise vor: Stimmeinsätze in der Grundtonart und auf der fünften Stufe wechseln sich ab. Der zweite Teil arbeitet mit der Technik der Engführung: Die jeweils neue Stimme beginnt das Thema, bevor die vorangegangene es abgeschlossen hat. Im dritten Teil führt Bach (wie bereits in der a-Moll-Fuge) die Umkehrung des Themas ein – »al reverso« notiert er an dieser Stelle des Manu-skripts. Der vierte Teil schließlich bietet eine nur wenig verän-derte Wiederaufnahme des ersten, sodass das Satzganze einen großen Bogen bildet. Ein knappes, wunderbar melodisches Largo in F-Dur und virtuoses, in zwei zu wiederholende Teile geglieder-tes Allegro assai runden die Sonate ab.

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Partita für Violine solo Nr. 2 d-Moll BWV 1004

Im Unterschied zur dritten Partita enthält die Partita Nr. 2 in d-Moll kein Präludium, dafür aber alle vier Stammsätze der Suite: die mäßig schnelle, geradtaktige Allemande, die lebhafte Courante, mit viel Laufwerk und im Dreiermetrum, die langsame, feierliche Sarabande und die schnelle, springende Gigue. Doch anders als sonst üblich, ist mit der Gigue das Werk noch nicht zuende. Es folgt nämlich noch die Chaconne – vielleicht der berühmteste Satz der ganzen Serie und zweifellos ein Gipfelpunkt in der Ent-wicklung der deutschen Geigenschule, die in der Barockzeit für ihr Akkordspiel bekannt war. Eine Ausnahmestellung nimmt das Stück aber noch in anderer Hinsicht ein: Die Chaconne ist der längste Satz in Bachs Werk für Violine solo. Als Chaconne bezeichnet man laut Johann Gottfried Walthers Musicalischem Lexicon von 1732 einen »Tanz, und eine Instrumentalpièce, deren Baß-Subjectum oder thema gemeiniglich aus vier Tacten in ³/₄ bestehet, und, so lange als die darüber gesetzte Variationes oder Couplets währen, immer obligat, d.i. unverändert bleibet.« Bachs Chaconne geht insofern über das traditionelle Muster hinaus, als sich ihr harmonisches Schema im Verlauf der 64 Variationen ständig verändert.

Durch den Wechsel von d-Moll über D-Dur zurück nach d-Moll gliedert sich das Stück in drei Teile, die jeweils in sich eine ein-drucksvolle Steigerungs-Dramaturgie aufweisen. Die Chaconne faszinierte schon im 19. Jahrhundert zahlreiche Musiker, die allerdings oft glaubten, dem Stück noch zusätzliche Facetten abgewinnen zu können, indem sie es für Tasteninstrumente oder Ensembles einrichteten: Felix Mendelssohn und Robert Schu-mann schrieben Klavierbegleitungen, Ferruccio Busoni schuf eine eigene Version für Klavier, und andere Bearbeiter versuch-ten sich an Orchesterfassungen. Dagegen führen viele neuere Bach-Kommentatoren die monumentale Wirkung der Chaconne gerade auf den offensichtlichen Widerspruch zwischen hohem kompositorischen Anspruch und bescheidenen instrumentalen Mitteln zurück, auf die vollständige Ausschöpfung der Möglich-keiten mehrstimmigen Spiels auf der Violine. Dieser Meinung

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war offenbar auch Johannes Brahms, der seiner Begeisterung in einem Brief an Clara Schumann Ausdruck gab: »Die Chaconne ist mir eines der wunderbasten, unbegreiflichsten Musikstücke. Auf ein System, für ein kleines Instrument schreibt der Mann eine ganze Welt von tiefsten Gedanken und gewaltigsten Empfindun-gen. Wollte ich mir vorstellen, ich hätte das Stück machen, emp-fangen können, ich weiß sicher, die übergroße Aufregung und Erschütterung hätte mich verrückt gemacht …«

Jürgen Ostmann

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BIOGRAPHIE

Isabelle FaustAls Preisträgerin des Leopold-Mozart-Wettbewerbs in Augsburg und des Paganini-Wettbewerbs in Genua musi-zierte Isabelle Faust bereits in jungen Jahren mit bedeutenden Orchestern in aller Welt, so u. a. mit den Berliner Philharmonikern, dem Boston Sym-phony Orchestra, dem NHK Symphony Orchestra Tokyo, dem Freiburger Barockorchester und dem Chamber Orchestra of Europe.

Isabelle Faust spielt ein Repertoire, das von Johann Sebas-tian Bach bis hin zu Werken zeitgenössischer Komponisten wie György Ligeti, Helmut Lachenmann und Jörg Widmann reicht. Ihre künstlerische Aufgeschlossenheit eröffnet ihr Wege zu viel-fältigen musikalischen Partnerschaften. Neben den großen sin-fonischen Violinkonzerten führt sie beispielsweise Brahms’ und Mozarts Klarinettenquintette mit historischen Instrumenten auf.

Regelmäßig arbeitet sie mit Dirigenten wie Frans Brüggen, Mariss Jansons, Giovanni Antonini, Philippe Herreweghe, Daniel Harding, Bernard Haitink und Andris Nelsons zusammen. Eine besonders enge Beziehung verband sie in den letzten Jahren (bis zu dessen Tod 2014) mit Claudio Abbado, mit dem sie in mehreren Ländern konzertierte und eine mehrfach preisgekrönte CD mit den Violinkonzerten Beethovens und Bergs einspielte. Die Aufnahme mit dem Orchestra Mozart wurde mit dem Diapason d’or, einem ECHO Klassik, dem Gramophone Award 2012 und dem japanischen Record Academy Award ausgezeichnet.

Mit ihrem Kammermusikpartner Alexander Melnikov hat sie zahl-reiche Alben eingespielt. Die jüngste Aufnahme des Duos mit Sonaten für Violine und Klavier von Brahms erscheint in diesem Monat. Im August 2015 wurde außerdem die zweite Folge der Schumann-Trilogie mit Alexander Melnikov, Jean-Guihen Quey-ras, dem Freiburger Barockorchester und Pablo Heras-Casado veröffentlicht, mit Schumanns Klavierkonzert und dem Klaviertrio

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Nr. 2 op. 63. Die dritte und letzte Einspielung umfasst Schumanns Cellokonzert und das Klaviertrio Nr. 1, sie wird im Frühjahr 2016 erscheinen. Isabelle Faust spielt die »Dornröschen«-Stradivari von 1704, eine Leihgabe der L-Bank Baden-Württemberg.

In der Kölner Philharmonie war sie zuletzt im Januar dieses Jah-res mit dem Ensemble Il Giardino Armonico unter der Leitung von Giovanni Antonini zu Gast.

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KölNMUsIK-VORscHAU

September

FR25 20:00

Mark Padmore Tenor Kristian Bezuidenhout Klavier

Lieder von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und Franz Schubert

Liederabende 1

SA26 20:00

Anja Petersen Sopran Marie Henriette Reinhold Alt Markus Francke Tenor Detlef Roth Bariton

Kartäuserkantorei Köln

Bochumer Symphoniker Paul Krämer Dirigent

Felix Mendelssohn Bartholdy Paulus op. 36 Oratorium nach Worten der heiligen Schrift für Soli, gemischten Chor, Orchester und Orgel

Netzwerk Kölner Chöre gemeinsam mit KölnMusik

Kölner Chorkonzerte 1

MI3020:00

Denis Kozhukhin Klavier

Joseph Haydn Sonate für Cembalo D-Dur Hob. XVI:24

Sonate für Cembalo h-Moll op. 14,6 Hob. XVI:32

Johannes Brahms Thema mit Variationen d-Moll für Klavier. Arrangement des 2. Satzes des Streichsextetts op. 18

Alban Berg Sonate für Klavier op. 1

Béla Bartók Szabadban (Im Freien) Sz 81 für Klavier

Sergej Prokofjew Sonate für Klavier Nr. 8 B-Dur op. 84

19:00 Einführung in das Konzert

Piano 1

Oktober

DO 0120:00

Rebekka Reister SopranDaniel Kluge Tenor

Württembergisches Kammerorchester HeilbronnPhilipp Pointner Dirigent

Jochen Kowalski Moderation, Countertenor

»Das ist die Berliner Luft« … Ohrwürmer aus Operetten und Musicals von Eduard Künneke, Franz Léhar, Paul Abraham, Paul Lincke und Kurt Weill

Operette und ... 1

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SA 0320:00

Tag der Deutschen Einheit

Emile Parisien Quartet Emile Parisien sax Julien Touéry p Ivan Gélugne b Mario Costa dr

Der französische Saxophonist Emile Parisien, der 2014 mit dem renommier-ten Preis »Victoires du Jazz« ausge-zeichnet wurde, gehört zu den besten Stimmen im europäischen Jazz. Nicht zuletzt mit seinem Quartett sorgt er seit rund zehn Jahren für aufregende Jazz-Abenteuer, bei denen Fans und internationale Kritik ins gemeinsame Schwärmen geraten. Gespickt mit einem sehr eigenen Humor erzählt die Band Jazz-Geschichten, die voller Experimentierfreude, überschäumender Kreativität und ansteckender Grooves sind.

Jazz-Abo Soli & Big Bands 2

MI 0720:00

Hille Perl Viola da GambaJaroslav Roucek TrompeteHannes Rux TrompeteCharlie Fischer Pauken

Freiburger BarockorchesterGottfried von der Goltz Leitung

Werke von Jean-Baptiste Lully, Marin Marais, Michel-Richard de Lalande, André Campra und Jean-Féry Rebel

Nach 72 Jahren Regentschaft schloss am 1. September 1715 Louis XIV. für immer die Augen. Das Freiburger Barockorchester erinnert an dieses geschichtsträchtige Datum vor 300 Jahren und lädt gemeinsam mit renom-mierten Solisten zu einem Besuch nach Versailles ein, wo Haus- und Hofkom-ponisten wie Jean-Baptiste Lully und Marin Marais den musik- und tanzbe-geisterten Sonnenkönig mit festlichen Klängen hochleben ließen.

Baroque ... Classique 1

IHR NäcHstEs ABONNEMENt-KONZERt

MO09

November20:00

Scharoun Ensemble Berlin

Johannes Brahms / Detlev Glanert Variationen über ein Thema von Schumann op. 9 (1854, arr. 1996)arrangiert für Oktett

György Kurtág Hommage à R. Sch. op. 15d (1990)für Klarinette (auch große Trommel), Viola und Klavier

Mark-Anthony Turnage This silence (1992)für Klarinette, Horn, Fagott und StreichquartettKompositionsauftrag der KölnMusik

Johannes Brahms Sextett für zwei Violinen, zwei Violen und zwei Violoncelli Nr. 2 G-Dur op. 36 (1864 – 65)

19:00 Einführung in das Konzert durch Bjørn Woll

Kammermusik-Abo 2

Der Aboverkauf geht weiter: Sparen Sie bis zu 35 %!

Abo-Hotline 0221 20 40 82 04

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Redaktion: Sebastian LoelgenCorporate Design: hauser lacour kommunikationsgestaltung GmbHTextnachweis: Der Text von Jürgen Ostmann ist ein Original beitrag für dieses Heft.Fotonachweise: Detlev Schneider S. 12

Gesamtherstellung: adHOC Printproduktion GmbH

Kulturpartner der Kölner Philharmonie

Philharmonie-Hotline 0221 280 280 koelner- philharmonie.deInformationen & Tickets zu allen Konzerten in der Kölner Philharmonie!

Herausgeber: KölnMusik GmbHLouwrens LangevoortIntendant der Kölner Philharmonie und Geschäftsführer der KölnMusik GmbHPostfach 102163, 50461 Köln koelner- philharmonie.de

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Tanja Tetzlaff Violoncello

Die Deutsche Kammer-philharmonie BremenPaavo Järvi Dirigent

Antonín DvořákKonzert für Violoncello und Orchester h-Moll

Igor StrawinskyConcerto in Es für Kammerorchester

Johannes BrahmsSinfonie Nr. 3 F-Dur

Foto

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koelner-philharmonie.de 0221 280 280 koelner-philharmonie.de 0221 280 280

Sonntag27. September 2015 20:00