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AUS DEM INHALT Eine starke Wirtschaft braucht einen starken Finanzplatz Von Karl von Rohr B1 Wo Innovation stattfindet, boomt der Immobilienmarkt Von Helge Scheunemann B4 Vom regionalen Institut zum internationalen Player Von Dr. Stefan Schmittmann B2 Überraschungen der kommenden Dekade meistern Von Hans Joachim Reinke B5 Europas ETF-Handel gedeiht in Frankfurt Von Dr. Martin Reck B2 Mehr als nur der EU-Austritt Großbritanniens Von Stefan Stieger B5 IT und Digitalisierung – Existenzfrage für Banken Von Dr. Cornelius Riese B3 Wesentlich mehr als nur die Finanzmetropole Von Dr. Ulrich Kater B6 Finanzplatz Frankfurt wird nachhaltiger Von Dr. Gertrud Traud und Ulrike Bischoff B4 Finanzplatz Frankfurt Eine starke Wirtschaft braucht einen starken Finanzplatz Um uns international zu behaupten, ist mehr Europa notwendig und nicht weniger – Klare politische Entscheidungen und gute Infrastruktur erforderlich platzes Frankfurt mitverantwortich, wir sind auf das Engste mit ihm verbunden. Wir sind dort seit 134 Jahren vertreten, seit mehr als 60 Jahren sogar mit unserer Zentra- le. Und wir haben im Zuge des Bre- xit weitere Funktionen und Arbeits- plätze von London nach Frankfurt verlegt, etwa im Geschäft mit insti- tutionellen Kunden. In einem Boot Gleichzeitig sind auch jetzt, im neu- en Jahrzehnt, die politischen Rahmen- bedingungen maßgeblich für den Erfolg des Finanzplatzes. Dabei geht es nicht nur um den Wettbewerb mit anderen Standorten innerhalb der EU, sondern auch um die Konkurrenz mit anderen globalen Finanzzentren. Und hier sitzen wir mit Paris oder Amster- dam in einem Boot, da wir bei aller Rivalität nur als Netzwerk erfolgreich sein können. Ich bin davon überzeugt: Um uns international zu behaupten, brauchen wir mehr Europa, nicht weniger. Die Europäische Union muss hand- lungsfähiger und selbstbewusster werden. Und wir müssen Standort- faktoren bei politischen Entschei- dungen konsequenter im Blick haben – nicht zuletzt im Finanzsektor. Zwar wichtiger Schritte, damit die Finanz- plätze in Deutschland und Europa nicht an Boden verlieren. Vier Punkte sind zentral: Erstens: Wenn die EU-Staaten internationale Vorschriften in euro- päisches und nationales Recht umsetzen, darf das nicht zu Nachtei- len für hier ansässige Banken und Unternehmen führen. Anders formu- liert: Wir müssen die europäischen Verhältnisse und Bedürfnisse berücksichtigen – etwa bei Basel III beziehungsweise Basel IV. Laut der EU-Bankenaufsichtsbehörde EBA werden die jüngsten Basel-Vorschrif- ten die risikogewichteten Aktiva für europäische Großbanken um mehr als ein Viertel erhöhen. Unter anderem werden Unterneh- men ohne externes Kredit-Rating automatisch mit einem erhöhten Risikogewicht belastet. Das betrifft gerade den Mittelstand in Deutsch- land – obwohl in diesem Segment die Ausfallraten bei Krediten traditionell vergleichsweise niedrig, die Kredite also relativ sicher sind. Auch in ande- ren Bereichen haben EU-Banken Wettbewerbsnachteile. So werden bei uns Software-Investitionen vom regulatorischen Eigenkapital abge- zogen – anders als in Amerika oder der Schweiz. Zweitens: Europa muss die Ban- kenunion vollenden. Wir unterstüt- zen dieses Ziel der Bundesregierung. Der US-Finanzsektor hat allein schon durch die Größe des einheitlichen Heimatmarktes einen klaren Wettbe- werbsvorteil. In der EU arbeiten dagegen immer noch verschiedene nationale und europäische Aufseher nebeneinander. Die Kapitalanforde- rungen an die Banken sind nicht in allen Staaten gleich, zudem setzt die Regulierung häufig auf Einzelinsti- tuts- statt auf Konzernebene an. Das führt zu Ineffizienzen und höheren Kosten und verhindert, dass die Ban- ken ihr Kapital bestmöglich einset- zen können. Deshalb befürworten wir eine weitere Integration. So wird ein europäisches Einlagensiche- rungs-System zum Gesamtpaket einer vollendeten Bankenunion gehören müssen. Wir brauchen zudem weniger Fragmentierung bei der Berechnung von Kapitalpuffern: Als systemisch relevante Bank müssen wir sowohl den international festgelegten Stan- dard (G-SIB) als auch nationale Anforderungen einhalten. Diese wer- den unterschiedlich berechnet, sodass Banken immer den höheren Standard erfüllen müssen. Hier wäre Fortsetzung Seite B3 haben die vielen neuen und ver- schärften Regeln, die Europa in den zurückliegenden zehn Jahren beschlossen hat, die Banken insge- samt robuster und sicherer gemacht. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Kernkapitalquote der Deutschen Bank hat sich seit der Finanzkrise von unter 10 auf deutlich mehr als 13 % gesteigert – bei einer gleichzeitig deutlich strengeren Definition für diese Kapitalquote. Wir arbeiten heu- te also ebenso wie der Bankensektor insgesamt mit erheblich höheren Sicherheitspuffern. Es bedarf aber „Der US-Finanzsektor hat allein schon durch die Größe des einheitlichen Heimatmarktes einen klaren Wettbewerbs- vorteil. In der EU arbeiten dagegen immer noch verschiedene nationale und europäische Auf- seher nebeneinander.“ Börsen-Zeitung, 4.3.2020 Das neue Jahrzehnt ist gerade einmal zwei Monate alt, aber schon die ers- ten Wochen haben deutlich gezeigt: Deutschland und Europa stehen vor enormen wirtschaftlichen und politi- schen Herausforderungen – vom Handelskonflikt über die digitale Dis- ruption bis zum Klimawandel. Die Finanzbranche in Europa kann einen wichtigen Beitrag leisten, die anste- henden Aufgaben zu lösen, wenn sie von einem wettbewerbsfähigen Finanzplatz aus operiert. Dafür bleibt aber noch einiges zu tun. Die Ausgangslage ist von zahlrei- chen Risikofaktoren geprägt: Erstens gefährdet der Konflikt zwischen den USA und China nicht zuletzt auch das deutsche Erfolgsmodell. Wir wären einer der größten Verlierer, wenn das System der offenen Märkte und der internationalen Handelsregeln zum Kollateralschaden der angespannten Lage zwischen den Akteuren würde – und diese Gefahr ist auch nach Abschluss des sogenannten Phase-1- Abkommens zwischen den beiden Ländern nicht gebannt. Zweitens droht Europa bei der tech- nologischen Revolution immer weiter zurückzufallen. Die Rangliste der bör- sennotierten Unternehmen wird ganz klar von Technologieunternehmen dominiert, und nur ein deutsches Unternehmen schafft es überhaupt unter die Top 100. Drittens belasten extrem niedrige Zinsen nicht nur Ban- ken, sondern führen zu einer gravie- renden gesellschaftlichen Umvertei- lung – es ist ein in der Geschichte einzigartiges Experiment mit unge- wissem Ausgang. Und viertens ver- langt der Klimawandel einen tiefgrei- fenden Umbau der Wirtschaft. Wettbewerbsfähig bleiben Von all diesen Herausforderungen sind der europäische und der deut- sche Finanzsektor betroffen. Gleich- zeitig ist die Bankenindustrie aber auch ein entscheidender Teil der Lösung. Starke Banken können Unternehmen im internationalen Handel begleiten und Investitionen möglich machen – im Heimatmarkt und rund um den Globus. Sie finan- zieren die Infrastruktur, die für Inno- vationen notwendig ist. Fintechs wie etablierte Banken gestalten den digi- talen Wandel mit. Und Banken sind aktiver Treiber, wenn es darum geht, nachhaltiger zu arbeiten, sowohl in ihrem eigenen Haus als auch bei der Finanzierung der grünen Transfor- mation der Wirtschaft. Kurzum: Deutschland und Europa brauchen in der kommenden Dekade wettbewerbsfähige Banken, damit die Wirtschaft insgesamt wettbe- werbsfähig bleibt. Da sind zuallererst die Banken selbst gefordert. Sie müs- sen ihre Geschäftsmodelle an die neue Zeit anpassen. Gleichzeitig ist es auch an der Politik, Europas Finanzbranche als Schlüsselindus- trie im globalen Wettbewerb zu begreifen. Der Brexit, der die Kapital- markt-Metropole London von der EU trennt, verschärft die Situation zusätzlich und birgt Chancen wie Risiken. Dem Finanzplatz Frankfurt kommt hierbei große Bedeutung zu, nicht nur für Deutschland. Der Standort hat sehr gute Voraussetzungen – von der zentralen Lage über hervorragend qualifi- zierte Mitarbeiter und einer jahrhundertelan- gen Tradition mit Geld- geschäften bis hin zu einer exzellenten Ban- ken-Infrastruktur inklu- sive der leistungsfähi- gen Deutschen Börse. So haben nicht nur die Europäische Zen- tralbank (EZB), der Ein- heitliche Aufsichtsme- chanismus SSM und die Europäi- sche Versicherungsaufsicht EIOPA hier ihren Sitz. Die Stadt verfügt auch über eine Vielzahl von speziali- sierten Dienstleistern, etwa Anwaltskanzleien und Beratungs- firmen. Gleichzeitig hat sich ein enger Austausch mit Berlin als einer der Fintech-Hauptstädte Europas etabliert, was die Innovationskraft der deutschen Finanzbranche stärkt. Dabei verlief der Aufstieg zu Deutschlands bedeutendstem Finanzplatz aber keineswegs geradli- nig. Die Geschichte zeigt vor allem die Bedeutung politischer Rahmen- bedingungen. So war Frankfurt dank der Messe und der schon 1585 gegründeten Börse bereits in der frü- hen Neuzeit ein wichtiger Finanz- platz. Doch im Vorfeld der Gründung des Deutschen Reichs verlagerte sich die politische Macht immer stärker nach Berlin – und mit ihr auch die Rolle als dominierender Finanzstand- ort. Es ist kein Zufall, dass die Deut- sche Bank vor 150 Jahren im März 1870 nicht in Frankfurt gegründet wurde, sondern eben in Berlin. Erst 16 Jahre später eröffnete die Bank ihre dritte Inlandsfiliale in Frankfurt – nach Hamburg und Bremen. Die Politik war es allerdings auch, die für den Finanzstandort Frankfurt nach dem Zweiten Weltkrieg die Wei- chen für den Wiederaufstieg stellte. Dass die „Bank deutscher Länder“ im März 1948 ihren Sitz am Main bezog, war eine Entscheidung von enormer Tragweite. Nur wenige Monate spä- ter siedelte sich die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Frankfurt an, weitere Institutionen wie die Aus- fuhrkredit AG (AKA) folgten. Spätestens in den 80er Jahren war Frankfurt innerhalb der Bundesre- publik zum Finanzstandort Nummer eins aufgestiegen. Und mit der Ent- scheidung, Frankfurt zum Sitz der Europäischen Zentralbank zu machen, sorgten die damals noch zwölf EU-Mitgliedstaaten 1993 für einen zusätzlichen Schub für die internationale Bedeutung des Stand- orts. Durch den Brexit erhält Frank- furt noch mehr Gewicht in der EU. Bund und Land haben dem Standort in dieser kritischen Phase den Rücken gestärkt, beispielsweise durch ein flexibleres Arbeitsrecht für Top-Verdiener im Finanzsektor. Auch wir als Deutsche Bank füh- len uns für den Erfolg des Finanz- Von Karl von Rohr Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bank AG Foto: Mario Andreya Unsere Initiativen für mehr Kundennähe: Beratung vor Ort. Expertise weltweit. Mit der Kraft der Gemeinschaft stärkt die DZ BANK das Geschäft von rund 850 Genossenschaftsbanken in ganz Deutschland. So verbinden wir regionale Kundennähe mit globaler Finanzmarktexpertise und bieten ein flächende- ckendes Allfinanzangebot. Mehr erfahren Sie unter dzbank.de Mittwoch, 4. März 2020 SONDERBEILAGE Börsen-Zeitung Nr. 44 B1

Mittwoch, 4. März 2020 Börsen-Zeitung Nr. 44 SONDERBEILAGE ...€¦ · der Fintech-Hauptstädte Europas etabliert, was die Innovationskraft der deutschen Finanzbranche stärkt

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Page 1: Mittwoch, 4. März 2020 Börsen-Zeitung Nr. 44 SONDERBEILAGE ...€¦ · der Fintech-Hauptstädte Europas etabliert, was die Innovationskraft der deutschen Finanzbranche stärkt

AUS DEM INHALTEine starke Wirtschaft braucht einen starken FinanzplatzVon Karl von Rohr B1

Wo Innovation stattfindet, boomt der ImmobilienmarktVon Helge Scheunemann B4

Vom regionalen Institut zum internationalen PlayerVon Dr. Stefan Schmittmann B2

Überraschungen der kommenden Dekade meisternVon Hans Joachim Reinke B5

Europas ETF-Handel gedeiht in FrankfurtVon Dr. Martin Reck B2

Mehr als nur der EU-Austritt GroßbritanniensVon Stefan Stieger B5

IT und Digitalisierung – Existenzfrage für BankenVon Dr. Cornelius Riese B3

Wesentlich mehr als nur die FinanzmetropoleVon Dr. Ulrich Kater B6

Finanzplatz Frankfurt wird nachhaltigerVon Dr. Gertrud Traud und Ulrike Bischoff B4

Finanzplatz FrankfurtEine starke Wirtschaft braucht einen starken Finanzplatz

Um uns international zu behaupten, ist mehr Europa notwendig und nicht weniger – Klare politische Entscheidungen und gute Infrastruktur erforderlichplatzes Frankfurt mitverantwortich, wir sind auf das Engste mit ihm verbunden. Wir sind dort seit 134 Jahren vertreten, seit mehr als 60 Jahren sogar mit unserer Zentra-le. Und wir haben im Zuge des Bre-xit weitere Funktionen und Arbeits-plätze von London nach Frankfurt verlegt, etwa im Geschäft mit insti-tutionellen Kunden.

In einem Boot

Gleichzeitig sind auch jetzt, im neu-en Jahrzehnt, die politischen Rahmen-bedingungen maßgeblich für den Erfolg des Finanzplatzes. Dabei geht es nicht nur um den Wettbewerb mit anderen Standorten innerhalb der EU, sondern auch um die Konkurrenz mit anderen globalen Finanzzentren. Und hier sitzen wir mit Paris oder Amster-dam in einem Boot, da wir bei aller Rivalität nur als Netzwerk erfolgreich sein können. Ich bin davon überzeugt: Um uns international zu behaupten, brauchen wir mehr Europa, nicht weniger.

Die Europäische Union muss hand-lungsfähiger und selbstbewusster werden. Und wir müssen Standort-faktoren bei politischen Entschei-dungen konsequenter im Blick haben – nicht zuletzt im Finanzsektor. Zwar

wichtiger Schritte, damit die Finanz-plätze in Deutschland und Europa nicht an Boden verlieren. Vier Punkte sind zentral:

Erstens: Wenn die EU-Staaten internationale Vorschriften in euro-päisches und nationales Recht umsetzen, darf das nicht zu Nachtei-len für hier ansässige Banken und Unternehmen führen. Anders formu-liert: Wir müssen die europäischen Verhältnisse und Bedürfnisse berücksichtigen – etwa bei Basel III beziehungsweise Basel IV. Laut der EU-Bankenaufsichtsbehörde EBA werden die jüngsten Basel-Vorschrif-ten die risikogewichteten Aktiva für europäische Großbanken um mehr als ein Viertel erhöhen.

Unter anderem werden Unterneh-men ohne externes Kredit-Rating automatisch mit einem erhöhten Risikogewicht belastet. Das betrifft gerade den Mittelstand in Deutsch-land – obwohl in diesem Segment die Ausfallraten bei Krediten traditionell vergleichsweise niedrig, die Kredite also relativ sicher sind. Auch in ande-ren Bereichen haben EU-Banken Wettbewerbsnachteile. So werden bei uns Software-Investitionen vom regulatorischen Eigenkapital abge-zogen – anders als in Amerika oder der Schweiz.

Zweitens: Europa muss die Ban-kenunion vollenden. Wir unterstüt-zen dieses Ziel der Bundesregierung. Der US-Finanzsektor hat allein schon durch die Größe des einheitlichen Heimatmarktes einen klaren Wettbe-werbsvorteil. In der EU arbeiten dagegen immer noch verschiedene nationale und europäische Aufseher nebeneinander. Die Kapitalanforde-rungen an die Banken sind nicht in allen Staaten gleich, zudem setzt die Regulierung häufig auf Einzelinsti-tuts- statt auf Konzernebene an. Das führt zu Ineffizienzen und höheren Kosten und verhindert, dass die Ban-ken ihr Kapital bestmöglich einset-zen können. Deshalb befürworten wir eine weitere Integration. So wird ein europäisches Einlagensiche-rungs-System zum Gesamtpaket einer vollendeten Bankenunion gehören müssen.

Wir brauchen zudem weniger Fragmentierung bei der Berechnung von Kapitalpuffern: Als systemisch relevante Bank müssen wir sowohl den international festgelegten Stan-dard (G-SIB) als auch nationale Anforderungen einhalten. Diese wer-den unterschiedlich berechnet, sodass Banken immer den höheren Standard erfüllen müssen. Hier wäre

Fortsetzung Seite B3

haben die vielen neuen und ver-schärften Regeln, die Europa in den zurückliegenden zehn Jahren beschlossen hat, die Banken insge-samt robuster und sicherer gemacht.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Kernkapitalquote der Deutschen Bank hat sich seit der Finanzkrise von unter 10 auf deutlich mehr als 13 % gesteigert – bei einer gleichzeitig deutlich strengeren Definition für diese Kapitalquote. Wir arbeiten heu-te also ebenso wie der Bankensektor insgesamt mit erheblich höheren Sicherheitspuffern. Es bedarf aber

„Der US-Finanzsektor hat allein schon durch die Größe des einheitlichen Heimatmarktes einen klaren Wettbewerbs­-vorteil. In der EU arbeiten dagegen immer noch verschiedene nationale und europäische Auf­-seher nebeneinander.“

Börsen-Zeitung, 4.3.2020 Das neue Jahrzehnt ist gerade einmal zwei Monate alt, aber schon die ers-ten Wochen haben deutlich gezeigt: Deutschland und Europa stehen vor enormen wirtschaftlichen und politi-schen Herausforderungen – vom Handelskonflikt über die digitale Dis-ruption bis zum Klimawandel. Die Finanzbranche in Europa kann einen wichtigen Beitrag leisten, die anste-

henden Aufgaben zu lösen, wenn sie von einem wettbewerbsfähigen Finanzplatz aus operiert. Dafür bleibt aber noch einiges zu tun.

Die Ausgangslage ist von zahlrei-chen Risikofaktoren geprägt: Erstens gefährdet der Konflikt zwischen den USA und China nicht zuletzt auch das deutsche Erfolgsmodell. Wir wären einer der größten Verlierer, wenn das System der offenen Märkte und der internationalen Handelsregeln zum Kollateralschaden der angespannten Lage zwischen den Akteuren würde – und diese Gefahr ist auch nach Abschluss des sogenannten Phase-1-Abkommens zwischen den beiden Ländern nicht gebannt.

Zweitens droht Europa bei der tech-nologischen Revolution immer weiter zurückzufallen. Die Rangliste der bör-sennotierten Unternehmen wird ganz klar von Technologieunternehmen dominiert, und nur ein deutsches Unternehmen schafft es überhaupt unter die Top 100. Drittens belasten extrem niedrige Zinsen nicht nur Ban-ken, sondern führen zu einer gravie-renden gesellschaftlichen Umvertei-lung – es ist ein in der Geschichte einzigartiges Experiment mit unge-wissem Ausgang. Und viertens ver-langt der Klimawandel einen tiefgrei-fenden Umbau der Wirtschaft.

Wettbewerbsfähig bleiben

Von all diesen Herausforderungen sind der europäische und der deut-sche Finanzsektor betroffen. Gleich-zeitig ist die Bankenindustrie aber auch ein entscheidender Teil der Lösung. Starke Banken können Unternehmen im internationalen Handel begleiten und Investitionen möglich machen – im Heimatmarkt und rund um den Globus. Sie finan-zieren die Infrastruktur, die für Inno-vationen notwendig ist. Fintechs wie etablierte Banken gestalten den digi-talen Wandel mit. Und Banken sind aktiver Treiber, wenn es darum geht, nachhaltiger zu arbeiten, sowohl in ihrem eigenen Haus als auch bei der Finanzierung der grünen Transfor-mation der Wirtschaft.

Kurzum: Deutschland und Europa brauchen in der kommenden Dekade wettbewerbsfähige Banken, damit die Wirtschaft insgesamt wettbe-werbsfähig bleibt. Da sind zuallererst die Banken selbst gefordert. Sie müs-sen ihre Geschäftsmodelle an die neue Zeit anpassen. Gleichzeitig ist

es auch an der Politik, Europas Finanzbranche als Schlüsselindus­-trie im globalen Wettbewerb zu begreifen. Der Brexit, der die Kapital-markt-Metropole London von der EU trennt, verschärft die Situation zusätzlich und birgt Chancen wie Risiken.

Dem Finanzplatz Frankfurt kommt hierbei große Bedeutung zu, nicht nur für Deutschland. Der

Standort hat sehr gute Voraussetzungen – von der zentralen Lage über hervorragend qualifi-zierte Mitarbeiter und einer jahrhundertelan-gen Tradition mit Geld-geschäften bis hin zu einer exzellenten Ban-ken-Infrastruktur inklu-sive der leistungsfähi-gen Deutschen Börse. So haben nicht nur die Europäische Zen­-tralbank (EZB), der Ein-heitliche Aufsichtsme-

chanismus SSM und die Europäi-sche Versicherungsaufsicht EIOPA hier ihren Sitz. Die Stadt verfügt auch über eine Vielzahl von speziali-sierten Dienstleistern, etwa Anwaltskanzleien und Beratungs-firmen. Gleichzeitig hat sich ein enger Austausch mit Berlin als einer der Fintech-Hauptstädte Europas etabliert, was die Innovationskraft der deutschen Finanzbranche stärkt.

Dabei verlief der Aufstieg zu Deutschlands bedeutendstem Finanzplatz aber keineswegs geradli-nig. Die Geschichte zeigt vor allem die Bedeutung politischer Rahmen-bedingungen. So war Frankfurt dank der Messe und der schon 1585 gegründeten Börse bereits in der frü-hen Neuzeit ein wichtiger Finanz-platz. Doch im Vorfeld der Gründung des Deutschen Reichs verlagerte sich die politische Macht immer stärker nach Berlin – und mit ihr auch die Rolle als dominierender Finanzstand-ort. Es ist kein Zufall, dass die Deut-sche Bank vor 150 Jahren im März 1870 nicht in Frankfurt gegründet wurde, sondern eben in Berlin. Erst 16 Jahre später eröffnete die Bank ihre dritte Inlandsfiliale in Frankfurt – nach Hamburg und Bremen.

Die Politik war es allerdings auch, die für den Finanzstandort Frankfurt nach dem Zweiten Weltkrieg die Wei-chen für den Wiederaufstieg stellte. Dass die „Bank deutscher Länder“ im März 1948 ihren Sitz am Main bezog, war eine Entscheidung von enormer Tragweite. Nur wenige Monate spä-ter siedelte sich die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Frankfurt an, weitere Institutionen wie die Aus-fuhrkredit AG (AKA) folgten.

Spätestens in den 80er Jahren war Frankfurt innerhalb der Bundesre-publik zum Finanzstandort Nummer eins aufgestiegen. Und mit der Ent-scheidung, Frankfurt zum Sitz der Europäischen Zentralbank zu machen, sorgten die damals noch zwölf EU-Mitgliedstaaten 1993 für einen zusätzlichen Schub für die internationale Bedeutung des Stand-orts. Durch den Brexit erhält Frank-furt noch mehr Gewicht in der EU. Bund und Land haben dem Standort in dieser kritischen Phase den Rücken gestärkt, beispielsweise durch ein flexibleres Arbeitsrecht für Top-Verdiener im Finanzsektor.

Auch wir als Deutsche Bank füh-len uns für den Erfolg des Finanz-

VonKarl von Rohr

Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bank AGFo

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Unsere Initiativen für mehr Kundennähe:Beratung vor Ort. Expertise weltweit.

Mit der Kraft der Gemeinschaft stärkt die DZ BANK das Geschäft von rund850 Genossenschaftsbanken in ganz Deutschland. So verbinden wir regionaleKundennähe mit globaler Finanzmarktexpertise und bieten ein flächende-ckendes Allfinanzangebot. Mehr erfahren Sie unter dzbank.de

Mittwoch, 4. März 2020 SONDERBEILAGE Börsen-Zeitung Nr. 44 B1

Page 2: Mittwoch, 4. März 2020 Börsen-Zeitung Nr. 44 SONDERBEILAGE ...€¦ · der Fintech-Hauptstädte Europas etabliert, was die Innovationskraft der deutschen Finanzbranche stärkt

Europas ETF-Handel gedeiht in FrankfurtExchange Traded Funds feiern ihren 20. Geburtstag – Fest etablierte Anlageklasse – Trend zu passiven Investments ist ungebrochen

dazu zählen etwa Gebühren und Provisionen, die dem Anleger direkt in Rechnung gestellt werden, – und den impliziten Handelskosten einer Transaktion, die sich aus der Geld-Brief-Spanne und dem zugrundelie-genden Volumen ergeben. Letztere sind nur bedingt nachvollziehbar, denn sie sind von der Lage im Order-buch abhängig und werden nicht direkt ausgewiesen. Dennoch sind sie für Investoren in der Regel sogar wichtiger: Denn innerhalb eines Handelstags können sie um bis zu 30 % variieren.

Dies zeigt das Intraday-Xetra-Li-quiditätsmaß (iXLM), das die Deut-sche Börse im vergangenen Jahr ein-geführt hat und für alle ETFs kosten-frei zur Verfügung stellt. Investoren können hieraus ableiten, in welchem Zeitraum die Handelskosten eines ETF besonders günstig waren, und diese Information in zukünftige Ent-scheidungen einfließen lassen. Das Intraday XLM wird in Basispunkten angegeben und bietet einen Liquidi-tätsvergleich für alle rund 1 500 ETFs innerhalb des Handelstags. Im Halb-stundentakt wird der günstigste Han-delszeitpunkt auf Basis historischer Daten ermittelt.

Wertvolle Orientierungshilfe

Die Ergebnisse sind für viele Marktteilnehmer eine wertvolle Orientierungshilfe bei der Orderplat-zierung: So war bei US-Aktien-ETFs auf Xetra der günstigste Handelszeit-punkt für eine Transaktion in der letzten Stunde des Handelstags – also von 16.30 Uhr bis 17.30 Uhr. Zur ersten halben Stunde nach der Markteröffnung in Frankfurt (9.00 bis 9.30 Uhr) und New York (15.30 bis 16.00 Uhr) waren die Kosten hin-gegen am höchsten. Der Zeitpunkt der Orderausführung ist aufgrund der Liquiditätsentwicklung also ein wichtiges Kriterium.

Liquidität spielt auch bei einem weiteren Argument für das kontinu-

ierliche Wachstum von Passivinvest-ments eine besondere Rolle. Die Liquidität von Anleihen, die einst als sicher galt, schwindet. Gerade für große Transaktionen setzen Investo-ren deshalb verstärkt auf ETFs statt auf einzelne Titel. 2019 war somit ein besonders erfolgreiches Jahr für Renten-ETFs im Xetra-Handel. Das verwaltete Vermögen stieg um 33 % auf 187 Mrd. Euro an, 56 Produkte kamen neu hinzu.

Insgesamt ist das Angebot mit jeweils über 180 neuen Produkten in den vergangenen zwei Jahren enorm gestiegen. Der Fokus hierbei liegt vor allem auf Faktor-Strategien und Nachhaltigkeit, der mit Abstand wohl erfolgreichsten ETF-Kategorie des vergangenen Jahres. So ist das verwaltete Vermögen von nachhalti-gen ETFs auf Xetra um 217 % auf 23 Mrd. Euro gestiegen, 62 neue Pro-dukte lassen die Auswahl für Investo-ren auf fast 150 wachsen. Ein Zehntel aller handelbaren ETFs fokussiert sich demnach auf Nachhaltigkeit. Der Hang zu nachhaltigen Invest-ments scheint unter europäischen Investoren besonders ausgeprägt zu sein – auch wenn die Gesamtbetrach-tung immer noch ein niedriges Niveau von 3 % des gesamten verwal-teten Vermögens aufweist.

Dass sich nachhaltige Investments aber nicht negativ auf die Rendite auswirken müssen, zeigen die ETFs am Beispiel des MSCI World Index: Ein Blick auf die Gebühren zeigt, dass die 15 Produkte mit der nachhaltigen Index-Variante im Schnitt 3 Basis-punkte günstiger sind als die 17 Nicht-ESG-ETFs auf diesen Index.

Hohes Anlegerinteresse gibt es auch bei neuen Themen- und Bran-chen-ETFs: Der erste europäische ETF mit Fokus auf die medizinische Cannabis-Industrie, der im Januar mit seinem primären Listing in Frankfurt gestartet ist, hat täglich dreistellige Transaktionszahlen generiert. Das ist einerseits unge-wöhnlich für ein neues Produkt,

kontinuierlich ihr Innovationspoten-zial bewiesen. Neben neuen Services wie dem Intraday XLM oder Weiter-bildungsangeboten für professionel-le wie private Investoren und Finanz-berater hat insbesondere die Einfüh-rung der neuen Handelstechnologie T7 im Jahr 2017 einen bedeutenden Fortschritt gebracht. Durch den Ein-satz von T7 hat sich erneut die Latenz im Handel verringert, zudem hat die Harmonisierung der Technologie an den Börsen Xetra und Eurex zu Synergieeffekten sowie zu einem geringeren Entwicklungs- und War-tungsaufwand für Teilnehmer geführt, die an beiden Märkten aktiv sind. Damit können auch regulatori-sche Anforderungen und technische Weiterentwicklungen schneller und effizienter in das Handelssystem integriert werden.

Ein Beispiel sind die mit Mifid II (Markets in Financial Instruments Directive) eingeführten regulatori-schen Anforderungen zur Ausführung von großvolumigen Orders. Mit Xetra EnLight ist dies seit dem vergangenen Jahr außerhalb des Xetra-Orderbuchs über eine Preisanfragefunktionalität (Request for Quote Workflow, RFQ Workflow) möglich. Das integrierte Clearing ermöglicht zudem das Net-ting von Transaktionen innerhalb und außerhalb des Orderbuchs. Xetra EnLight ist für alle Exchange Traded Products und Aktien verfügbar.

Trotz aller Neuerungen und regu-latorischer Einflüsse muss eines wei-terhin gelten. Einfach, transparent und flexibel – was für ETFs gilt, soll auch Zeichen für die Attraktivität des Handels am Finanzplatz Frankfurt sein, für Emittenten, professionelle Investoren und Privatanleger. Die Gruppe Deutsche Börse wird auch in den kommenden Jahren ihren Bei-trag dazu leisten. Eine Spitzentech-nologie über die gesamte Wertschöp-fungskette hinweg und die Fähigkeit, Antworten auf die Fragen der Zeit zu haben, werden auch in Zukunft das Fundament bilden.

Börsen-Zeitung, 4.3.2020Sie gelten als einfach, transparent und flexibel: Exchange Traded Funds – kurz ETFs – feiern am 11. April ihren 20. Geburtstag. Mit gerade zwei Produkten und einem verwalte-ten Vermögen von 400 Mill. Euro hat die Deutsche Börse den ETF-Handel damals nach Europa gebracht. Seit-dem ist der Frankfurter Xetra-Handel führend in einem stark wachsenden

Markt. Der Trend zu passiven Invest-ments ist ungebrochen.

Die beiden börsengehandelten Indexfonds des Emittenten Merrill Lynch International ermöglichten Anlegern vor zwei Jahrzehnten erst-mals, kostengünstig in die Wertent-wicklung der beiden Indizes Euro Stoxx 50 sowie Stoxx Europe 50 zu investieren. Heute haben institu-tionelle Investoren wie Privatanleger die Wahl zwischen mehr als 1 500 ETFs auf Xetra. Auch das verwaltete Vermögen im ETF-Segment von mitt-lerweile über 710 Mrd. Euro ist auf Rekordniveau – ETFs haben sich als Anlageklasse fest etabliert.

Nicht nur in Europa

Und zwar nicht nur in Europa: Das Anlageverhalten verändert sich welt-weit. Investments in Passivfonds werden immer wichtiger. Eine Mor-ningstar-Studie hat gezeigt, dass das Vermögen passiver Fonds, die in

US-Aktien­ investieren, im August vergangenen Jahres erstmals das der aktiven Fonds übertroffen hat. In den zurückliegenden zehn Jahren hatten aktiv gemanagte US-Aktienfonds Abflüsse in Höhe von 1,3 Bill. Dollar und ihre passiven Pendants fast 1,4 Bill. Dollar an Zuflüssen. In Europa und Deutschland sind aktive Fonds-manager zwar immer noch die domi-nierenden Akteure, aber auch hier

bevorzugen inzwischen immer mehr Anleger passive Investments.

Dass sich diese Ent-wicklung fortsetzen wird, hat unterschiedli-che Gründe. Ein wichti-ger Aspekt ist, dass ETFs aufgrund ihrer Flexibili-tät zunehmend auch als Baustein in Portfolien eingesetzt werden, deren Anlageziel darin be­steht, den Gesamt-markt zu übertreffen – sie sind als passives

Kerninvestment also Bestandteil einer aktiven Anlagestrategie.

Des Weiteren spielt der Kostenas-pekt eine wichtige Rolle, der erheb-liche Auswirkungen auf die Rendite eines Investments hat. Einerseits geht es dabei um die Kostenstruktur des Produkts selbst, denn im Zuge des Wettbewerbs innerhalb der Branche haben die Anbieter auch kräftig an der Kostenschraube gedreht. Andererseits ist die Liqui-dität im Handel von hoher Bedeu-tung. Liquidität ist eines der zentra-len Kriterien, um die Marktqualität im Wertpapierhandel beurteilen zu können. Investoren und Handels-teilnehmer profitieren von liquiden Märkten, indem sie Wertpapiere sofort und zu geringen Kosten han-deln können.

Dabei ist zu unterscheiden zwi-schen den expliziten Handelskosten einer Transaktion, die durch die Abwicklung des Auftrags durch Banken und Börsen entstehen –

VonMartin Reck

Managing Director Cash Market bei der Deutsche Börse AG

andererseits zeigt es das große Inte-resse an Themen, die zuvor noch nicht über ETFs investierbar waren. Aber auch andere Themen-ETFs wie zum Beispiel Automation and Robo-tics – die nach Anzahl der Orders zu den zehn meistgehandelten ETFs des vergangenen Jahres zählten – oder Cybersicherheit erzielten zuletzt hohe Transaktionszahlen.

Das größte Interesse bei ETFs liegt jedoch weiterhin bei den klassischen

Benchmark-Indizes wie dem Dax, Euro Stoxx 50 und S&P 500. Darüber hinaus spielen Investments in breit diversifizierte europäische und glo-bale Indizes wie etwa der Stoxx Eu­-rope 600 oder der MSCI World ganz vorne mit. Sie dienen nach wie vor häufig als Basis-Investment für die langfristige Vermögensanlage und sind ein beliebtes Underlying für ETF-Sparpläne von Privatanlegern.

Um den Führungsanspruch im europäischen ETF-Handel zu ver-deutlichen und die Handelsbedin-gungen auf Xetra fortlaufend attrak-tiver zu gestalten, hat die Deutsche Börse in den vergangenen Jahren

„Einfach, transparent und flexibel – was für ETFs gilt, soll auch Zeichen für die Attraktivität des Handels am Finanzplatz Frankfurt sein, für Emittenten, pro­fes­-sionelle Investoren und Privatanleger. Die Gruppe Deutsche Börse wird auch in den kom­-menden Jahren ihren Beitrag dazu leisten.“

Vom regionalen Institut zum internationalen PlayerCommerzbank, seit 150 Jahren „Die Bank an Ihrer Seite“ – Die Historie spiegelt die deutsche Politik- und Wirtschaftsgeschichte wider

wesens erforderlich. Dies führte dazu, dass die Bank in den 1930er Jahren teilverstaatlicht wurde. 1936/37 wurden die staatlichen Anteile reprivatisiert, und 1940 erhielt die Bank ihren heutigen Namen: „Commerzbank Aktienge-sellschaft“.

Lange Zeit hat sich die Bank mit der Aufarbeitung ihrer Rolle wäh-rend des Nationalsozialismus schwergetan. Zum 150-jährigen Jubiläum und 80. Namenstag der Commerzbank Aktiengesellschaft erscheint nun eine wissenschaftliche Untersuchung zur Geschichte unse-res Hauses. Darin wird die Tätigkeit der Bank in der nationalsozialisti-schen Zeit umfassend, kritisch und differenziert betrachtet.

Auch die Commerzbank hat durch ihre Geschäftspolitik und Personal-maßnahmen an der Verfolgung und Entrechtung der Juden mitgewirkt und davon profitiert. Nach der Machtübernahme mussten die jüdi-schen Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstandes ihre Ämter nie-derlegen. Bis Anfang 1938 hatten alle jüdischen Mitarbeiter die Bank verlassen müssen.

An der Arisierung jüdischer Unter-nehmen war die Bank in großem Umfang durch Vermittlung und Finanzierung der Übernahme durch neue Geschäftsinhaber beteiligt. Die Studie geht von mehr als 1 000 „Ari-sierungsfällen“ aus. Hinzu kommen die Liquidationen jüdischer Unter-nehmen und Geschäfte; auch daran war die Commerzbank beteiligt. Seit 1938 kam es dann zu einem regel-rechten „Arisierungswettlauf“ zwi-schen den Großbanken, an dem sich auch die Commerzbank beteiligt hat. Nach den Novemberpogromen von 1938 hat die Bank durch Sperrung der Wertpapierdepots ihrer jüdi-schen Kunden dazu beigetragen, die zynisch als „Sühneleistung“ be­-zeichnete „Judenvermögensabgabe“ durchzusetzen.

In den seit 1938 annektierten und den danach im Krieg besetzten Gebieten hat auch die Commerz-bank ihre Expansion betrieben. In den Niederlanden übernahm sie eine Tochtergesellschaft des jüdi-schen Bankhauses Hugo Kaufmann & Co., in dessen Direktion unser

jüdisches Vorstandsmitglied Ludwig Berliner bereits 1933 wechseln musste. Das Bankhaus Hugo Kauf-mann wurde aufgelöst, Kaufmann und Berliner wurden 1942 nach Auschwitz deportiert.

Die Mitwirkung unseres Hauses an der Verfolgung und Entrechtung der Juden erfüllt mich mit tiefer Trauer und großer Scham. Der Bundespräsi-dent hat in seinen Reden zum 75. Jahrestag der Befreiung des Kon-zentrationslagers von Auschwitz die Verantwortung beschworen, die wir Deutsche tragen. Wir müssen die Erinnerung wachhalten, damit nie wieder geschieht, was damals geschah. Ich bekenne mich im Namen der Commerzbank zu dieser Verantwortung.

Wiederaufbau nach dem Krieg

Mit dem Kriegsende 1945 und der Teilung Deutschlands durch die Sie-germächte begann ein neues Kapitel für die Commerzbank. Der Neube-ginn der Geschäftstätigkeit nach 1945 stand unter dem Vorzeichen des Verlustes der Filialen in Mittel- und Ostdeutschland. Von den 359 Geschäfts- und Zweigstellen, die die Bank 1940 besessen hatte, befanden sich 161, das heißt knapp 45 %, auf dem Gebiet der sowjetischen Besat-zungszone. In den drei Westzonen führte die von den alliierten Militär-regierungen betriebene Dezentrali-sierung der Großbanken zur Aufsplit-terung der Commerzbank in neun Filialgruppen.

Erst durch die Einführung der D-Mark entwickelte sich mit dem beginnenden Wiederaufbau in der „alten“ Bundesrepublik wieder eine normale Banktätigkeit. Danach ging es rasch voran. Die Nachfolgeinstitu-te durften sich nach und nach wieder zusammenschließen. Im November 1958 wurde das neu gegründete Kre-ditinstitut unter dem alten Namen „Commerzbank AG“ im Handelsre-gister eingetragen.

Die Zeit des Wirtschaftswunders mit dem sich schnell entwickelnden Massenkonsum eröffnete auch für die Commerzbank neue Chancen und Geschäftsfelder. Neben dem Firmenkundengeschäft geriet der Privatkundenbereich – zunächst

mit Kleinkrediten – verstärkt in den Fokus. Besonders erfolgreich war dann die Baufinanzierung, in der die Bank führend war und ist. Ab den 70er Jahren erlangte das Invest-ment Banking aufgrund der Öff-nung der Kapitalmärkte zunehmen-de Bedeutung.

Auch im Ausland war die Commerz-bank im Zuge der europäischen Inte­-gration und der Internationalisierung des Finanzsektors aktiv. Schon in den 50er und 60er Jahren wurden die ers-ten Repräsentanzen in Südamerika, Südafrika und Japan eröffnet. 1971 folgte – als erste Filiale eines deut-schen Kreditinstituts in den USA – New York. Die bisherigen Hauptver-waltungen wurden 1970 in Frankfurt am Main zentralisiert. Dort befindet sich seit 1990 auch der juristische Sitz der Bank. Mit dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung Deutschlands taten sich ab 1990 für die Bank neue Chancen in der ehemaligen DDR und in Osteuropa auf. Die Commerzbank war früh im Osten vertreten und spiel-te dort eine wichtige Rolle bei der Finanzierung des wirtschaftlichen Aufbaus. Mit Blick auf Osteuropa ist insbesondere die Übernahme der Mehrheitsanteile an der BRE Bank – heute mBank – zu Beginn der 2000er Jahre hervorzuheben. Die mBank hat sich zwischenzeitlich zu einer der weltweit führenden Digitalbanken entwickelt.

Im August 2008 übernahm die Commerzbank die Dresdner Bank. Kurz danach kam es zum Zusammen-bruch von Lehman Brothers. In der darauf folgenden Finanzmarktkrise musste auch die Commerzbank staat-liche Hilfe in Anspruch nehmen. Die stillen Einlagen haben wir komplett zurückgezahlt, aber wir sind auch heute noch dankbar für diese Unter-stützung. Geblieben sind uns mit gut 15 % ein von uns geschätzter Aktio-när sowie viele Kunden und Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter der „grü-nen“ Bank. Mit der schnellen und erfolgreichen Integration der Dresd-ner Bank konnten wir unsere Markt-position stärken.

Ausblick – Die Commerzbank hat sich immer wieder neu organisiert und weiterentwickelt, um angesichts gewachsener Anforderungen auch in der Zukunft bestehen zu können.

Börsen-Zeitung, 4.3.2020Vor 150 Jahren wurde die Commerz-bank als „Commerz- und Disconto-Bank in Hamburg“ gegründet. Es gibt nur wenige Unternehmen, die auf eine so lange Geschichte zurückbli-cken und über so viele Jahre ihre Unabhängigkeit haben bewahren können. Zu verdanken haben wir dies nicht nur dem Management des Unternehmens, sondern der gesam-

ten Belegschaft, die bis heute erfolg-reich für unsere Bank und ihre Kun-den gearbeitet hat.

Die Geschichte der Commerzbank ist ein Spiegel deutscher Politik- und Wirtschaftsgeschichte. Bei der Grün-dung am 26. Februar 1870 war der Aufstieg von einer regionalen Bank zu einem auch international tätigen Institut noch nicht absehbar. Mit dem Namenszusatz „in Hamburg“ wurde zunächst die lokale Ausrich-tung der Bank betont. Das neue Insti-tut sollte den Hamburger Kaufleuten die nötigen Finanzmittel für ihre Handelsgeschäfte, insbesondere den Überseehandel, zur Verfügung stellen. Deshalb schlossen sich bekannte Handelshäuser mit Mer-chant-Bankern und renommierten Privatbankiers zusammen, um eine Universalbank in der Form einer Aktiengesellschaft zu errichten. Das Interesse der Anleger war so groß, dass das zur öffentlichen Zeichnung vorgesehene Kapital 135-fach über-zeichnet wurde.

Hamburg galt schon damals als „Tor zur Welt“. Durch den Übersee-hafen verfügte die Stadt über welt-umspannende internationale Bezie-hungen. Die bürgerlich geprägte Hamburger Kaufmannschaft stand

für Freihandel, Liberalität und offene Grenzen. Diese Weltoffenheit sollte auch Merkmal der neuen Bank sein. Der Aufbau des internationalen Geschäfts durch enge Beziehungen zum aufstrebenden Finanzplatz New York und die Beteiligung an der Lon-don and Hanseatic Bank in London gehörten zu den ersten Schritten der Commerz- und Disconto- Bank.

Nach der Reichsgründung 1871 stieg das Deutsche Reich in nur wenigen Jahren zu einer der füh-renden Industrienatio-nen auf. Im Zuge der Industrialisierung und der wirtschaftlichen Expansion knüpfte die Bank enge Beziehun-gen zu allen Industrie-zweigen. Die Bank begab darüber hinaus staatliche und städti-sche Anleihen deut-scher und europäischer Emittenten.

Der weitere Aufstieg der Bank erforderte deren Präsenz an anderen wichtigen Finanzstandorten. So erwarb die Bank 1897 das Bankhaus J. Dreyfus & Co mit Niederlassungen in Berlin und Frankfurt am Main. Aufgrund dieser räumlichen Expan-sion verzichtete die Bank auf den Namenszusatz „in Hamburg“. Durch die Verlegung des Hauptsitzes von Hamburg in die Reichshauptstadt Berlin im Jahr 1905 machte die Com-merz- und Disconto-Bank ihren nationalen Anspruch vollends deut-lich. Mit der Übernahme von 45 Regionalbanken und Privatbankhäu-sern zwischen 1900 und 1923 war sie aktiver Treiber der Konsolidie-rung im deutschen Bankwesen.

Die Weimarer Republik

Die Bank firmierte nach 1920 als „Commerz- und Privat-Bank Aktien-gesellschaft“ und verfügte nach der Fusion mit der Mitteldeutschen Cre-ditbank im Jahr 1929 über 350 Filia-len und damit über das größte Filial-netz in der Weimarer Republik. Die Weltwirtschaftskrise und die folgen-de Bankenkrise von 1931 machten eine umfassende Reorganisation und Sanierung des deutschen Bank-

VonStefan Schmittmann

Aufsichtsrats-vorsitzender der Commerzbank AGFo

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Heute stehen wir vor gleich mehre-ren anspruchsvollen Herausforde-rungen unserer Geschichte. Das dauerhafte Niedrigzinsumfeld belas-tet unsere Zinsmargen und damit unsere Ertragsseite erheblich. Gleichzeitig werden die Eigenkapi-talanforderungen an Banken konti-nuierlich erhöht. Hinzu kommen neue Wettbewerber aus den Berei-chen Fintech und Big Tech, die teil-weise massive Vorteile genießen, da sie anders als Banken weniger regu-liert werden und insbesondere zwi-schen Zahlungsverkehrsdienstleis-tern und Banken kein Level Playing Field herrscht.

Um diese Herausforderungen zu meistern, investiert die Commerz-bank massiv in die Digitalisierung. Durch die Konzentration auf das Kerngeschäft und das gezielte

Wachstum in den vergangenen Jah-ren hat die Commerzbank es trotz der geschilderten Herausforderun-gen geschafft zu bleiben, was sie schon immer war: Begleiter und Finanzierer des Mittelstands sowie großer internationaler Unterneh-men. Sie fokussiert sich weiter auf das Geschäft mit Unternehmerkun-den und ist Spezialist für die gesamte Palette an Finanzmarktprodukten von Privatkunden. Die regionale Ver-wurzelung und Internationalität sind nach wie vor unsere Stärken. Mit einem risikoarmen Profil der Bank gilt dabei weiterhin die kaufmänni-sche Vorsicht. Die Commerzbank hat aber auch den Mut zur aktiven Gestaltung der Zukunft. So sind wir seit 150 Jahren „Die Bank an Ihrer Seite“ und werden dies auch zukünf-tig sein.

„Die Commerzbank hat sich immer wieder neu organisiert und weiter­-entwickelt, um ange­-sichts gewachsener Anforderungen auchin der Zukunft bestehen zu können.“

B2 Börsen-Zeitung Nr. 44 SONDERBEILAGE Mittwoch, 4. März 2020

Page 3: Mittwoch, 4. März 2020 Börsen-Zeitung Nr. 44 SONDERBEILAGE ...€¦ · der Fintech-Hauptstädte Europas etabliert, was die Innovationskraft der deutschen Finanzbranche stärkt

IT und Digitalisierung – Existenzfrage für BankenFür die Weiterentwicklung von Unternehmenskulturen gibt es kein vorgefertigtes Konzept – Von Tech-Unternehmen lernen, aber die Zukunft selbst gestalten

ein, an dem 20 große Banken in Euro-pa gemeinsam arbeiten.

Aber nicht nur die digitalen Zukunftsvisionen treiben Banken um. Es sind auch ganz operative Themen: Viele Banken kämpfen mit dem Erbe ihrer IT-Architekturen. Prozessorien-tierung, Skalierbarkeit, Flexibilität, Modularisierung und Service-Fähig-keit sind die Anforderungen an moderne IT-Architekturen. In den meisten Fällen ist „intelligenter Rück- und Umbau“ die Devise. Die Legacy-Kernbanksysteme werden schrittwei-se zurückgeführt und sind nunmehr die effiziente Buchungsmaschine im Hintergrund. Wir beschäftigen uns seit Jahren intensiv mit den „richti-gen“ Ansätzen zur Transformation der IT-Architektur in der DZ Bank Gruppe und sehen uns auf einem guten Weg. Eines ist evident: Es gibt kein unifor-mes „one size fits all“.

Ein Blick in die IT-Entwicklung und -Organisation zeigt: Die interdis-ziplinäre Zusammenarbeit von Fach- und IT-Bereichen ist eine altbekann-te Herausforderung und immer geboten. Die Diskussion wird gleich-wohl oftmals dogmatisch geführt: „Agil“ ist positiv und „Wasserfall“ ist negativ. Meine Überzeugung ist, dass Banken unterschiedliche Liefermo-delle beherrschen müssen. In vielen Themenfeldern sind kleinere, agile, autonome Teams mit viel Freiraum unter Nutzung moderner Arbeits-organisationsmethoden (zum Bei-spiel Scrum) sinnvoll. Unter ande-rem in unserem Innovation Lab – mit fast 100 Projekten in den vergange-nen Jahren – praktizieren wir dies intensiv.

Bei anderen Transformationshe-rausforderungen ist eine stärkere übergreifende Programmplanung

durchaus von Nutzen. So haben wir beispielsweise die IT-Systeme der ehemaligen WGZ Bank nur 14 Monate nach dem Fusionsstichtag auf die Systeme der DZ Bank migriert­. Ich war sehr froh, dass wir hier auch auf klassische Projektma-nagement-Verfahren zurückgreifen konnten. Die Kunst liegt in einer ausgewogenen Balance aus Zentra-lität und Dezentralität und einem situativen Einsatz unterschiedlicher Methoden.

Permanenter Wettlauf

IT-Sicherheit und regulatorische Compliance werden ebenfalls künf-tig eine wachsende Bedeutung haben. Ich rate jedem, sich einen Einblick in die stündlichen Angriffe auf unsere Infrastrukturen zu ver-schaffen. Deren zunehmende Ver-netzung und Professionalität ist teils beeindruckend und damit gleichzei-tig alarmierend. Es ist ein permanen-ter Wettlauf. Die Kunden haben die Erwartung, dass wir ihn jeden Tag gewinnen. Insofern ist es nur zu logisch, dass das Thema in allen sei-nen Facetten eines der Kernthemen im aktuellen Prüfungsuniversum der Aufsicht und Regulatoren ist.

Bei all den genannten Herausfor-derungen ist die vornehmste Aufga-be, digital affine Menschen für die eigene Organisation, ihre Werte und ihre Zukunft zu gewinnen und zu begeistern. Wie fördern wir Ini-tiative, Verantwortung und unter-nehmerisches Denken? Wie errei-chen wir eine hohe Attraktivität im Arbeitsmarkt der digitalen Commu-nity? Das ist sicher nicht sehr spezi-fisch für Banken – in einer Branche, in der Begriffe wie „Bankbeamter“,

tiven zu Paypal und Apple Pay eta­-bliert hat. Häufig wird dabei jedoch vergessen, dass die Girocard ein deutschlandweit führendes Verfah-

ren für bargeldlose Zahlungen bietet. Nicht in vielen europäischen Ländern gibt es vergleichbare bankgestützte Systeme. Derzeit arbeiten wir als deutsche Banken und Sparkassen daran, die bestehenden Verfahren zusammenzuführen.

Europaweite Lösungen

Um auch künftig im Zahlungsver-kehr erfolgreich zu sein, brauchen wir aber vor allem europaweite Lösungen und Kooperationen. Des-halb bringen wir uns gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken in das europäische Zahlungssystem

„Sämtliche dieser Herausforderungen bringen letztendlich auch neue Anforderungen an Führungskräfte mit sich. Die Bankenbranche hat hier noch einen langen, aber sehr wichtigen Weg vor sich. Klar ist, dass Partizipation, direkte Kommunikation und Personalentwicklung wichtiger werden.“

„Hierarchie“, „Arbeitsteilung und Silodenken“ noch sehr präsent sind, aber umso mehr eine Herausforde-rung. Interessanterweise ist es oft-mals – außer in Spezialfunktionen –

noch schwieriger, Young Professio-nals an ein Unternehmen zu binden, als Talente zu gewinnen. Das Bewusstsein für die mangelnde Durchlässigkeit von Organisationen bildet sich gerade nach zwei bis vier Jahren Betriebszugehörigkeit.

Sämtliche dieser Herausforderun-gen bringen letztendlich auch neue Anforderungen an Führungskräfte mit sich. Die Bankenbranche hat hier noch einen langen, aber sehr wichti-gen Weg vor sich. Klar ist, dass Parti-zipation, direkte Kommunikation und Personalentwicklung wichtiger werden. Für die Weiterentwicklung von Unternehmenskulturen gibt es allerdings kein vorgefertigtes Rezept. Und es soll auch nicht darum gehen, den Ansatz der Tech-Unter-nehmen zu kopieren. Lernen können wir von ihnen. Gestalten müssen wir unsere Zukunft selbst.

„Bei all den genannten Herausforderungen ist die vornehmste Aufgabe, digital affine Menschen für die eigene Organisation, ihre Werte und ihre Zukunft zu gewinnen und zu begeistern.“

Eine starke Wirtschaft . . .mindestens ein einheitliches euro-päisches Vorgehen nötig.

Drittens: Wir müssen die Kapital-marktunion vorantreiben. Gerade nach dem Brexit müssen wir die Frag-mentierung der EU-Finanzmärkte verringern – und bestenfalls über-winden. Derzeit gibt es noch viel zu häufig unterschiedliche Regeln in den 27 EU-Mitgliedstaaten, etwa bei den Vorschriften für Insolvenzen und im Verbraucherschutz. Wer Anleihen aus verschiedenen EU-Ländern erwerben will, muss sich mit unter-schiedlicher nationaler Regulierung auseinandersetzen. Ohne einen liquiden europäischen Kapitalmarkt tun sich Unternehmen schwerer, Investitionen zu finanzieren, und Banken haben weniger Möglichkei-ten, ihre Bilanzen zu entlasten – was ihren Spielraum für neue Kredite ein-schränkt.

Und viertens: Wir müssen bestehende Regeln darauf überprü-fen, welchen Nutzen sie stiften – und welche teils unbeabsichtigten Kos-ten und Nebenwirkungen sie verur-sachen. Die anstehende Revision der Mifid-II-Regeln bietet die Chance,

Fortsetzung von Seite B1 kostenträchtige und arbeitsintensi-ve Regularien zu streichen, die den Verbrauchern wenig nützen. Seit der Einführung von Mifid dauert es drei- bis fünfmal so lange, bis ein Kunde eine Wertpapierorder abset-zen kann. Man muss also schon viel Geduld mitbringen, um das zu tun, was alle immer fordern – sein Geld klug anzulegen, um für später vor-zusorgen.

Es braucht also klare politische Entscheidungen, eine gute Infra-struktur und natürlich auch starke, zukunftsfeste Banken, um den Finanzplatz Frankfurt nach vorne zu bringen. Essenziell ist zudem ein weiterer, eher weicher Faktor: Wir brauchen eine positive Grundein-stellung zu Banken und zum Finanz-sektor insgesamt. In der Öffentlich-keit hat der Ruf seit der Finanzkrise erheblich gelitten – und das nicht zu Unrecht. Aber die Banken haben aus ihren Fehlern gelernt. Wir müs-sen jetzt durch Wort und Tat Über-zeugungsarbeit leisten: Damit Deutschland und Europa die Zukunftsaufgaben meistern und die Transformation der Wirtschaft finanzieren können, brauchen wir einen starken Finanzstandort.

Börsen-Zeitung, 4.3.2020IT und Technologie sind seit langem Kernbestandteile des Bankgeschäfts. Banken gehörten oft genug selbst zu Vorreitern technologischer Innova-tionen. Doch inzwischen dringen Unternehmen ins Bankgeschäft vor, für die Technologie nicht nur Mittel zum Zweck ist, sondern Kernge-schäft. Zugleich haben sich die Kun-denbedürfnisse massiv verändert

und in der Folge auch die Anforde-rungen an Banken.

Das hat dreierlei Auswirkungen – auf unser Geschäftsmodell im digita-len Umfeld, auf den handwerklichen Umgang mit unserer IT und auf die Umsetzung dieser Transformation in unseren Organisationen. Wie wir im Umfeld dieser digitalen Umwälzung relevant bleiben, stellt also die Exis-tenzfrage für Banken dar.

Kundenfreundlicher werden

Dabei geht es nicht in erster Linie darum, ob oder wie schnell wir es schaffen, selbst zum reinen Techno-logieunternehmen zu werden. Ban-ken sind und bleiben Banken. Von Technologieunternehmen können wir jedoch viel lernen, gerade wenn

es um Kundenfokus, Geschwindig-keit und Arbeitsweisen geht. Wer sich vor Augen führt, dass die Markt-einführung des ersten iPhones erst zwölf Jahre her ist, erkennt, welcher Geschwindigkeit wir uns bei der Entwicklung disruptiver Produkte und Technologien gegenübersehen. Hier haben wir immer noch Nach-holbedarf. Wir müssen kunden-freundlicher, schneller und effizien-ter ­werden.

Der Erfolg digitaler Lösungen für unsere Kunden ist vor allem begrün-det in hervorragenden Datenma-nagement-Fähigkeiten verbunden mit einer hohen Kundenorientie-rung. Hinzu kommen Technologie-trends wie Spracherkennung, bio-metrische Identifikationsverfahren und maschinelles Lernen, die es uns künftig noch einfacher machen, mit Kunden in Kontakt zu treten. Ort der

Begegnung sind immer häufiger digitale Platt-formen unterschied-lichsten Charakters, die in und außerhalb der Finanzbranche an Be­-deutung gewinnen. Die Frage, welchen Platz Banken in diesem Umbruch einnehmen, stellt sich mit entspre-chender Dringlichkeit.

Dabei haben wir Ban-ken gute Voraussetzun-gen, wenn wir unsere Stärken nutzen. Finan-

zen sind unser Kerngeschäft, wir betreiben es seit langer Zeit, und unsere Kunden vertrauen uns. Wir werden als kompetenter Berater und Risikomanager wahrgenommen und haben viele natürliche Kontaktpunk-te zum Kunden. Das sind klare Vortei-le gegenüber unseren Wettbewer-bern. Es muss uns noch stärker gelin-gen, neue Technologien konsequent in das eigene Angebot zu integrieren, unsere Kundenkontaktpunkte besser zu nutzen und selbst zum Betreiber von Plattformen zu werden.

Die genossenschaftliche Finanz-gruppe hat hier große Chancen – wir können unsere digitalen und regiona-len Kompetenzen gut miteinander verknüpfen. Ein Beispiel ist das Thema Bauen und Wohnen: Mit der Präsenz der Volks- und Raiffeisenbanken vor Ort – ergänzt um weitere Plattform-Angebote zum Beispiel der Bauspar-kasse Schwäbisch Hall – sind wir auf dem richtigen Weg. Ein weiteres Bei-spiel ist die Plattform finledger, über die wir gemeinsam mit DekaBank, dwpbank und Helaba seit 2019 die vollständig digitale Abwicklung von Schuldscheinen ermöglichen.

Digital und persönlich

Sowohl im Kontakt mit Privat- als auch mit Firmenkunden stellen wir fest, dass neben digitalen Lösungen nach wie vor persönliche Beratung geschätzt wird. Häufig beginnt die Kundenreise digital, mündet aber im persönlichen Kontakt. Die Aufgabe ist es, beides intelligent zu verbin-den. Dabei helfen uns Smart-Data-Lösungen, mit denen wir das Verhal-ten und die Bedürfnisse des Kunden besser prognostizieren können als allein durch das persönliche Gespräch. Das ist auch im Sinne des Kunden, dessen Toleranz gegenüber intransparenten Produkten und Preismodellen, mühsamen Antrags-prozessen und redundanten Prozess-schleifen immer weiter abnimmt.

Auch im Zahlungsverkehr steht der Kunde bei allen Überlegungen mehr denn je im Fokus. Zwar wird unserer Branche oftmals vorgewor-fen, dass sie nicht rechtzeitig Alterna-

VonCornelius Riese

Co-Vorstands­-vorsitzender der DZ Bank AG

„Sowohl im Kontakt mit Privat- als auch mit Firmenkunden stellen wir fest, dass neben digitalen Lösungen nach wie vor persönliche Beratung geschätzt wird. Häufig beginnt die Kundenreise digital, mündet aber im persönlichen Kontakt. Die Aufgabe ist es, beides intelligent zu verbinden.“

Werte, die bewegen.

Was Sie voranbringt? Verlässlichkeit.Eine Expertise, die mit jeder Herausforderung Schritt hält: Besonderes Markenzeichen der Helaba ist dielangjährige Betreuung von Unternehmen, ganz gleich, ob Sie sich auf bekanntes oder anspruchsvollesTerrain wagen. Den wichtigsten Maßstab hierfür bilden eine gewissenhafte Marktanalyse und ehrlicheRisikoeinschätzung. Unsere Kunden und Partner dauerhaft voranzubringen, dafür stehen wir mit unserenWerten – regional verwurzelt und international verankert.

Mittwoch, 4. März 2020 SONDERBEILAGE Börsen-Zeitung Nr. 44 B3

Page 4: Mittwoch, 4. März 2020 Börsen-Zeitung Nr. 44 SONDERBEILAGE ...€¦ · der Fintech-Hauptstädte Europas etabliert, was die Innovationskraft der deutschen Finanzbranche stärkt

Wo Innovation stattfindet, boomt der ImmobilienmarktIm Konzert der Weltmetropolen spielt Frankfurt bezüglich Innovation noch nicht die erste Geige – Nachholbedarf definiert aber erfolgversprechende Potenziale

Finanzplatz Frankfurt wird nachhaltigerAuf dem Weg zu einer herausragenden Position des hiesigen Finanzstandortes in puncto Nachhaltigkeit ist jedoch noch einiges zu tun

Börsen-Zeitung, 4.3.2020 Nachhaltigkeit – das Wort taucht mittlerweile in unzähligen Ver­-anstaltungen, Werbebotschaften sowie Presseberichten auf und ist im Supermarkt wie am Finanzmarkt gleichermaßen präsent. Doch es ist mehr als ein Wort in aller Munde. Der ursprünglich 1713 in einem Buch über die Waldwirtschaft geprägte Begriff erlebt seine Renais-sance und wird oftmals schon infla-tionär gebraucht. Nachhaltiges Agieren wird immer mehr zu einer nachhaltigen Entwicklung welt-

weit. Denn ernsthafte Sorgen um die Zukunft der Erde mit all ihren Ressourcen sind ins kollektive Bewusstsein gedrungen. Dabei gilt der Klimawandel derzeit als eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, die einen radika-len Umbau der Weltwirtschaft erfordern.

Auf der UN-Konferenz in Paris Ende 2015 wurde erstmalig von 195 Ländern eine rechtsverbindliche Kli-maschutzvereinbarung getroffen zur Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius. Die Europäische Union will Europa bis spätestens 2050 zum ersten klima-neutralen Kontinent machen. Mit dem „Green Deal“ soll der Transfor-mationsprozess hin zu einem moder-nen, ressourceneffizienten und wett-

bewerbsfähigen Wirtschaftssystem bewerkstelligt werden. Auch in der Finanzbranche ist Nachhaltigkeit mittlerweile ein zentrales Thema, das unter Anlagegesichtspunkten wichtig ist und damit auch immer stärker die internationale Wettbe-werbsfähigkeit eines Finanzstandor-tes mitbestimmt.

Kreativität gefragt

Wie sieht die Entwicklung am Finanzplatz Deutschland beim wich-tigen Trend der nachhaltigen Finan-

zierung aus? Hierbei spielt zum einen die Dynamik im zentralen Segment der Green Bonds eine Rolle. Zum anderen sollten Finanz-institute, Politik, Auf-sichtsbehörden und Standortmarketing aktiv für eine gute Positionie-rung des hiesigen Finanzstandortes in puncto Nachhaltigkeit eintreten. So ist von allen Finanzplatzakteu-ren Kreativität und Inno-

vationskraft gefragt. Auch in unse-rem Research gehen wir verstärkt auf diese Themen ein.

Green Bonds dienen vorwiegend zur Finanzierung von Projekten in den Bereichen erneuerbare Ener-gien, energieeffiziente Immobilien und Transport. Weltweit kommen immer mehr Emittenten hinzu, und das aus immer mehr Ländern. Ausge-hend von einem weltweiten Neu-emissionsvolumen von 807 Mill. Dol-lar 2007 folgt dieses Segment einem kräftigen Aufwärtstrend, wie Daten der internationalen Organisation Cli-mate Bonds Initiative (CBI) belegen. 2019 betrug das jährliche Neuemis-sionsvolumen weltweit fast 258 Mrd. Dollar – ein neuer Rekord. Dies bedeutet einen Anstieg um über 50 % gegenüber dem Vorjahr. Für die

Von Gertrud Traud . . .

BankdirektorinChefvolkswirtin und Leitung Research der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen

kommenden Jahre sind weitere deut-liche Zuwächse bei Green Bonds zu erwarten.

Im Ranking der weltweit aktivsten Länder im Green-Bond-Markt führen die USA, China und Frankreich. Darauf folgen Deutschland, die Nie-derlande und supranationale Orga-nisationen. Hierzu zählt die Europäi-sche Investitionsbank (EIB), die als Pionier in diesem Segment 2007 ihre erste Klimaschutzanleihe auflegte. Unter den Regionen führt Europa vor Asien/Pazifik und Nordamerika. Mit seinem hohen Marktanteil und gleichzeitig rasanten Wachstum bei Green Bonds war Europa zuletzt Haupttriebkraft der globalen Ent-wicklung. Dabei standen Frankreich (mit einem Anteil von 26 %), Deutschland (16 %) und die Nieder-lande (13 %) zusammen für mehr als die Hälfte des europäischen Marktes für grüne Anleihen 2019. Großbri-

tannien als größter Konkurrent Deutschlands im Finanzplatz-Wett-bewerb kam mit einem Neuemis-sionsvolumen von gut 2 Mrd. Dollar lediglich auf 2 % europäischen Marktanteil.

Klarer Aufwärtstrend

Wenngleich das Neuemissionsvo-lumen in Deutschland über die ver-gangenen Jahre gewisse Schwan­-

kungen aufwies, bewegt es sich im Trend klar aufwärts und erreichte 2019 fast 19 Mrd. Dollar. Seinen innerhalb Europas zweiten Platz verdankt­ Deutschland vor allem der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): Die staatseigene Ent­-wicklungsbank war 2019 der zweit-größte Emittent von Green Bonds rund um den Globus (9 Mrd. Dollar, nach der US-Hypothekenbank Fan-nie Mae mit 23 Mrd. Dollar). Gleich-wohl hat sich der Markt für grüne Anleihen in Deutschland während der zurückliegenden Jahre weiter-entwickelt.

Vielfältiges Engagement

Über die Emission von Green Bonds hinaus zeigt der hiesige Finanzplatz mittlerweile ein vielfäl-tiges Nachhaltigkeitsengagement. Ziel der Bundesregierung ist es,

Deutschland als führen-den Standort für Sustai-nable Finance zu etab-lieren. Die geplante erstmalige Emission einer grünen Bundesan-leihe in der zweiten Jah-reshälfte 2020 dürfte dabei Signalkraft haben. Von den zahlrei-chen Initiativen für nachhaltige Finanzen hierzulande sind insbe-sondere zwei von Bedeutung: auf natio-naler Ebene der Sustai­-

nable-Finance-Beirat (SFB) und auf regionaler Ebene das Green and Sus-tainability Cluster Germany.

Der SFB agiert seit Mitte 2019 als Beratungsgremium der Bundesregie-rung, um eine nationale Strategie für das nachhaltige Finanzwesen zu ent-wickeln und auf diese Weise Deutschland als Finanz- und Wirt-schaftsstandort langfristig zu stär-ken. In Frankfurt als dem Herzstück des deutschen Finanzwesens wurde

. . . undUlrike Bischoff

Spezialistin für Finanzplatz-Research der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen

Städte verorten. In dieser Untersu-chung wurden weltweit 109 Städte sowohl hinsichtlich ihrer innovativen Attribute * als auch in Bezug auf die Förderung von qualifizierten Arbeits-kräften (Talent) untersucht.

Als Innovationsstandort Num-mer 1 platzierte sich San Francisco, das mit seiner Bay Area das Silicon Valley beheimatet. Entsprechend hat es auch das angrenzende San Jose in die Top Ten geschafft. Den zweiten Rang sichert sich Tokio, das sich vor allem bei den Patentanmeldungen hervortut. Die höchstgewertete euro-päische Stadt im JLL-Ranking ist Lon-don, das seine Position vor allem sei-nen Universitäten von Weltrang ver-dankt. Entsprechend führt die Stadt in der Kategorie Talents auch die Weltrangliste an. Paris findet sich ebenfalls in den Top Ten der Innova-tiven, die allerdings durch US-ameri-kanische und asiatische Standorte dominiert wird.

Frankfurt im vorderen Drittel

Und wie schneidet Frankfurt im globalen Vergleich ab? Die Stadt am Main belegt im Bereich Talent den Rang 43, im Bereich Innovation den Rang 37. Damit findet sich Frankfurt immerhin noch im vorderen Drittel des Rankings unter anderem auf-

*) Dies sind im Einzelnen:

Innovation:n ausländische Direktinvesti-

­tionen in Hightech-Branchenn Anziehungskraft für

Risikokapital und Start-up-Gründungen

n Forschungs- und Entwicklungsausgaben

n Patentanmeldungen

Talent:n Qualität von Einrichtungen

der höheren Bildungn Akademisierungsgradn Anteil der 20- bis 39-Jährigen

an der Gesamtbevölkerungn Beschäftigungsanteil in

Hightech-Branchen

einiges am deutschen Finanzstand-ort zu tun. Schließlich gibt es euro-päische Wettbewerber, die schon weiter sind im nachhaltigen Trans-formationsprozess: London und Paris als Hauptkonkurrenten haben vor Frankfurt spezielle Initiativgrup-pen ins Leben gerufen, die durch gezielte Aktivitäten den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit an ihrem Finanzstandort fördern. Gerade Luxemburg und die Niederlande haben sich stark dem Thema Nach-haltigkeit verschrieben.

Auch wurden in mehreren euro-päischen Staaten bereits in den ver-gangenen Jahren grüne Staatsanlei-hen begeben. Daher gilt es die hierzu-lande angestoßenen Aktivitäten stringent und zügig weiterzuverfol-gen. Politisches Engagement und eine Regulierung mit Augenmaß können den Wandel unterstützen. Für den Finanzplatz Deutschland und seine Akteure ist es wichtig, die-sen Megatrend mitzugehen und mit-zugestalten. Nachhaltigkeit wird zu einem immer wichtigeren Wettbe-werbsfaktor im internationalen Finanzplatzgefüge.

im Frühjahr 2018 mit dem Green and Sustainability Cluster Germany eine Branchenplattform zur Bündelung der nachhaltigkeitsbezogenen Finanzmarktexpertise geschaffen,

die auf Geschäftsführerebene mit dem SFB verbunden und im In- wie Ausland gut vernetzt ist.

Auf dem Weg zu einer herausra-genden Position in der nachhaltigen Finanzierung ist allerdings noch

„London und Paris als Hauptkonkurrenten haben vor Frankfurt spezielle Initiativgruppen ins Leben gerufen, die durch gezielte Aktivitäten den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit an ihrem Finanzstandort fördern.“

© Börsen-Zeitung Quellen: Climate Bonds Initiative, Helaba Volkswirtschaft/Research

Neuemissionsvolumen in Mrd. DollarDeutschlands Green-Bond-Markt im Aufwärtstrend

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2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

Börsen-Zeitung, 4.3.2020Standortentscheidungen von Unter-nehmen und Investitionsentschei-dungen von Anlegern orientierten sich bislang in erster Linie an den klassischen Indikatoren wie Brutto-inlandsprodukt, Bevölkerungs­-wachs­tum oder Beschäftigtenzahlen. Das erscheint mittlerweile überholt und bedarf einer zumindest graduel-

len Nachjustierung. Auch in Frank-furt am Main. Themen wie Nachhal-tigkeit, Verfügbarkeit von bezahlba-rem Wohnraum oder quantitativ häufig nicht messbare Indikatoren

wie Lebensqualität nehmen eine immer höhere Gewichtung ein. Und in diesen Reigen hat sich im Verlauf der vergangenen Jahre auch das The-ma „Innovation” als Erfolgsfaktor par

excellence eingereiht. Innovative Städte haben in einer technologiege-triebenen Welt einen Wettbewerbs-vorteil gegenüber anderen Städten und erweisen sich als widerstandsfä-higer gegenüber exogenen Schocks.

Auch die Immobilienbranche kann sich diesem Trend nicht verschlie-ßen, lassen sich doch kausale Zusam-menhänge hinsichtlich der Perfor-

mance von Innovation und Talent auf der einen und immobilienmarkt-bezogenen Parametern auf der anderen Seite finden. Hotspots für Innovation sind für die Immobilienwirtschaft relevant, weil dort in aller Regel auch die Wirtschaft stark ist. Gutes Personal und vor-handenes Know-how bringen Unternehmen und damit Arbeitsplätze in die Städte. Attraktive

Jobs ziehen wiederum neue Einwoh-ner an. Firmen brauchen Geschäfts-räume, Menschen Wohnungen, und wer in einer Stadt lebt, der wiederum kauft dort auch ein, was die Asset-klasse Retail beflügelt. Und da auch ortsnah produziert oder zumindest gelagert werden muss, strahlt das letztlich auf Logistikimmobilien ab. Dieser Effekt zeigt sich nicht nur in Zeiten wirtschaftlichen Auf-schwungs.

Mit dem allgegenwärtigen Thema des Fachkräftemangels erscheint es für Unternehmen wichtiger denn je, sich auf Städte zu fokussieren, die ein positives Klima für Innovation, Start-ups und Forschungseinrichtun-gen aufweisen und damit hoch quali-fizierten Arbeitskräften ein attrakti-ves Umfeld bieten. Pauschal lässt sich sagen: Wo Innovation stattfindet, boomt der Immobilienmarkt. Das gilt überall auf der Welt.

Innovationsfähigkeit ist ein kriti-scher volkswirtschaftlicher Faktor geworden, der sich auf lokaler Ebene als Wirtschaftsmotor auswirkt. Das strahlt in die Immobilienwirtschaft aus, und zwar ganz gewaltig: In den vergangenen zehn Jahren ließen sich 37 % des internationalen Transak-tionsvolumens bei den neun globalen Innovationschampions der JLL-Stu-die Innovation Geographies der

VonHelge Scheunemann

Head of Research bei JLL Deutschland

„Mit dem allgegen­-wärtigen Thema des Fachkräftemangels erscheint es für Unter­-nehmen wichtiger denn je, sich auf Städte zu fokussieren, die ein positives Klima für Innovation, Start-ups und Forschungseinrichtungen aufweisen und damit hoch qualifizierten Arbeitskräften ein attraktives Umfeld bieten.“

grund der hohen Volumina ausländischer Direktinvesti-tionen, insbesondere in den Bereichen IKT (Informa-tions- und Kommunika-tionstechnologie) sowie Internet-Infrastruktur, und aufgrund der hohen Investi-tionen im Bereich For-schung und Entwicklung. Die ausländischen Direktin-vestitionen summierten sich im Zeitraum 2015 bis 2018 auf 1,6 Mrd. Dollar und lagen damit höher als in Ber-lin oder München.

Bezüglich des Kriteriums „Talent“ liegt Frankfurts starke Position in einer bedeutenden Hochschul-landschaft und einem relativ hohen Anteil an Beschäftig-ten in Hightech-Branchen begründet. Ungünstig auf die Positionierung wirkt sich dagegen die vergleichsweise geringe Zahl an Start-ups und damit verbunden ein niedriges Volumen an Ri­-sikokapitalfinanzierungen aus. Vor dem Hintergrund, dass Frankfurt das führende Finanzzen­-trum Kontinentaleuropas ist, mag das überraschen. Im Start-up-Seg-ment Fintech profitiert Frankfurt allerdings von seiner Bankenland-schaft und dem Sitz der Regulierer. Viele Fintechs suchen gezielt die Nähe dieser Institutionen und finden Unterstützung von verschiedenen (auch städtischen) Initiativen.

Hinter den Erwartungen zurück bleibt Frankfurt hinsichtlich des niedrigen Niveaus an Patentanmel-dungen, geschuldet vermutlich der starken Konzentration des Finanz-sektors. Während einige wenige Ban-ken am Standort Frankfurt expandie-ren, befindet sich der Finanzsektor insgesamt unter dem Strich in einer Konsolidierungsphase. Die Helaba erwartet, dass in Frankfurt der Zenit der Bankbeschäftigung im Jahr 2021 erreicht sein wird. Der Anteil des Finanzsektors an der Gesamtbe-schäftigung sinkt aber bereits seit rund 15 Jahren. Im laufenden Jahr 2020 wird dieser Sinkflug auf einem Level von rund 10 % voraussichtlich ein Ende haben und langfristig rela-tiv stabil bleiben.

Da die Beschäftigungszahlen in Frankfurt in den kommenden Jah-ren insgesamt wachsen werden, dürfte der Effekt der Finanzbranche zumindest quantitativ überkompen-siert werden. Ebenfalls ungünstig wirkt sich – ähnlich wie in anderen europäischen Märkten – das recht geringe demografische Wachstum der Altersgruppe zwischen 20 und 40 Jahren aus. Und schließlich ist der Anteil der Beschäftigten mit Hochschulabschluss mit 34 % rela-tiv niedrig, verglichen mit dem Durchschnitt von 41 % in den ande-ren europäischen Märkten.

Zusammenspiel wesentlich

Die solide Einordnung Frankfurts bei den Kriterien Innovation und Talent spiegelt sich auch auf dem Immobilienmarkt wider: So rangier-te Frankfurt beim Investmentvolu-men beispielsweise in den zurücklie-genden drei Jahren kontinuierlich unter den globalen Top-30-Märkten.

Für die entwickelten Volkswirt-schaften mit einem nur noch gerin-gen bis mäßigen Wirtschaftswachs-tum sind Innovation und Talentkon-

zentrationen essenzielle Wachstumsfaktoren. Beide, Innovation (durch technische Errungenschaften und Verbes-serungen) und Talent (durch Forschungs- und Erfinder-geist), können einen positiven Einfluss auf die Produktivität nehmen. Dabei ist das Zusam-menspiel der Akteure vor Ort (Unternehmen, Behörden, Forschungseinrichtungen) we­-sentlich. Hierdurch entstehen Netzwerke und ein innovatives Umfeld, das neue Talente anzieht, aus- und weiterbildet.

Und bei Städten, die in Bezug auf die administrative Fläche eingeschränkt sind – und Frankfurt zählt durchaus zu diesen Städten – darf der Stadtbegriff nicht an den Grenzen enden. Vielmehr ist in regionaler Dimension zu denken, denn ein Klein-Klein mit lokaler Kirchturmpolitik vergeudet Mainhattans Chan-cen, im Konzert der Großen wirklich mitzumischen. Zukunftsrelevante Themen

wie die Verbesserung der Verkehrs-infrastruktur in der Metropolregion zur Verdichtung von Lebens- und Arbeitszyklen blieben so außen vor. Mit der Folge, dass Leben und Arbeiten immer weiter auseinan-

derdriften, ein krasser Widerspruch zu dem, was innovative Städte eigentlich ausmachen sollte. Der Nachholbedarf in diesem Bereich definiert aber auch die Potenziale von Stadt und Region. Sie sollten genutzt werden.

© Börsen-Zeitung Quelle: JLL

Top 20 der weltweit innovativsten StädteInnovation

San FranciscoTokioSingapurPekingLondonSan JoseParisNew YorkBostonSeoulSchanghaiLos AngelesMünchenShenzhenSeattleSydneyTorontoBerlinAmsterdamStockholm

Talent-PoolLondonSan FranciscoWashington DCSan JoseSeattleBostonSydneyParisOsloMelbourneZürichAustinDenverHelsinkiEdinburghBerlinNew YorkStockholmTokioMünchen

Amerika Asien/Pazifik Europa

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„Bezüglich des Kriteriums ‚Talent‘ liegt Frankfurts starke Position in einer bedeutenden Hochschullandschaft und einem relativ hohen Anteil an Beschäftigten in Hightech-Branchen begründet.“

B4 Börsen-Zeitung Nr. 44 SONDERBEILAGE Mittwoch, 4. März 2020

Page 5: Mittwoch, 4. März 2020 Börsen-Zeitung Nr. 44 SONDERBEILAGE ...€¦ · der Fintech-Hauptstädte Europas etabliert, was die Innovationskraft der deutschen Finanzbranche stärkt

Überraschungen der kommenden Dekade meisternGroße vor uns liegende Gemeinschaftsaufgaben bedürfen der Unterstützung vieler – Assetmanager können hierzu wertvolle Beiträge leisten

die Rettung des Bankensystems in Europa zu einer Staatsschuldenkrise geführt. Die Notenbanken reagierten mit massiven Zinssenkungen, die die Kapitalmärkte befeuerten. So ver-doppelte sich der MSCI Welt bis Ende 2019 ein weiteres Mal.

4G bestimmen 2020er Jahre

Es zeigt sich also, dass jedes Jahr-zehnt seine eigenen Überraschungen bereithält, die sich schwerlich prog-nostizieren lassen. Fest steht jedoch, dass wir mit dem Übergang in die 2020er Jahre weiterhin vor großen Herausforderungen stehen werden. Und dies gilt nicht nur auf der gesell-schaftspolitischen und wirtschaftli-chen Ebene, sondern auch für die gesamte Finanzdienstleistungsbran-che. Es sind vor allem die anhaltende Regulierung durch den Gesetzgeber, der Niedrigzins beziehungsweise Strafzins der Notenbank, der die Geschäftsmodelle der Banken, aber auch Versicherer und Bausparkassen unter enormen Druck setzt. Hinzu kommt, dass durch die Digitalisie-rung Fintechs wie Pilze aus dem Boden geschossen sind und versu-chen, die Wertschöpfungskette der Banken zu ergänzen.

Deutlich erfreulicher verläuft bis-lang hingegen die Entwicklung der Assetmanagement-Branche. Der offene Investmentfonds mit seinen diversen Vorzügen, fungibel und insolvenzgeschützt in verschiedenste Anlageklassen investieren zu kön-nen, gewinnt seit Jahren zunehmend

an Beliebtheit bei den Anlegern – institutionellen wie privaten. Dem BVI zufolge erhöhte sich das verwal-tete Vermögen der im deutschen Ver-band registrierten Fondsgesellschaf-ten in den 2010er Jahren um 1 Bill. Euro. Allein Union Investment hat den Bestand in diesem Zeitraum um rund 200 Mrd. Euro steigern können.

Insgesamt erhöhte sich das vom BVI ausgewiesene Vermögen um 68 %, während das von Union Investment sogar um 108 % zulegte. Dennoch herrscht auch in der Assetmanage-ment-Branche nicht nur eitel Sonnen-schein. Schon seit Jahren weisen Unternehmensberatungen wie McKinsey darauf hin, dass weltweit zwar das Wachstum der verwalteten Fondsvermögen weiter steigt, jedoch zugleich die Gewinne schrumpfen.

Wie sehen also die Rahmenbedin-gungen zu Beginn der neuen Dekade aus, und was lässt sich für Assetmana-ger daraus ableiten? Ich beschreibe diese Bedingungen mit „4G“: Geopoli-tik, globale Konjunktur, Geldpolitik und Green Deal. In der Geopolitik ist die Phase der Friedensdividende nach der Beendigung des Kalten Kriegs längst vorbei. Multilaterale Abkom-men verlieren an Bedeutung, nationa-le Interessen stehen wieder stärker im Vordergrund. Zwischen den USA und China ist ein hegemonialer Macht-kampf entbrannt. Der Handelskonflikt zwischen beiden Staaten ist dabei nur ein Ausdruck des Kampfes um die glo-bale Vormachtstellung. Die zwischen-zeitliche Befriedung des Konflikts beruhigt einerseits die Märkte und kommt beiden Parteien derzeit tak-tisch entgegen.

Man darf jedoch davon ausgehen, dass sich zukünftig Phasen der Beruhi-gung mit Phasen erneuter Eskalation abwechseln werden. Dies wird die Volatilität an den Märkten verstärken, womit wir bei der globalen Konjunk-tur sind. Die zunehmenden Handels-streitigkeiten zwischen den großen Wirtschaftsregionen verunsichern

naturgemäß Unternehmen, so dass sich das Investitionsklima eintrübt. Der globale Wachstumspfad wird wohl intakt bleiben, wenn auch in abgeschwächter Form. Zusätzliche exogene Faktoren wie das sich derzeit epidemisch ausbreitende Coronavirus können solche Trends verstärken.

In der Geldpolitik hat die langan-haltende Phase der Niedrigzinsen für konjunkturelle Unterstützung und Entspannung an den Kapitalmärkten gesorgt. Es ist fraglich, ob dies ewig funktionieren kann. Deshalb dürften Zentralbanken mit weiteren Zinssen-kungen eher vorsichtig sein. Damit bleibt die Herausforderung des zementierten Niedrigzinses für Zins-sparer auch in der nächsten Dekade erhalten. Niedrigzinsen taten bislang nicht allzu weh, aber Minuszinsen tun dies schon. Kognitives Verstehen ist für den Anleger etwas anderes, als es wirklich zu erleben.

Fondssparplan neues Sparbuch

So denken auch immer mehr Men-schen neu über das Sparen nach. Inzwischen halten es 49 % der Bun-desbürger für sinnvoll, zumindest einen kleinen Teil ihres Geldes auch in chancenreichen Anlagen zu spa-ren. Vor fünf Jahren waren es erst 32 %. Und dieser Trend dürfte sich weiter fortsetzen. Dies bedeutet für die Fondsindustrie enorme Chancen, denn für viele Menschen wird so der Fondssparplan zum neuen Sparbuch.

Beim Green Deal geht es um nicht weniger als die Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltig-keit, um die ehrgeizigen Ziele der CO2-Neutralität in Europa bis spä-testens 2050 zu erreichen. Die Ver-zahnung von Ökonomie und Ökolo-gie wird dabei notwendiger denn je. Das Thema der nachhaltigen Trans-formation der Wirtschaft bestimmt schon heute vielfach die Schlagzei-len und die politische Diskussion ebenso wie die breite Öffentlichkeit.

Sie wird die nächste Dekade maß-geblich prägen, auch in der Geldan-lage. Dabei sind zwei Dimensionen für Assetmanager entscheidend: die Haltung der Anleger und unsere Verantwortung als Investor.

Ökologie braucht Finanzierung

Fondsgesellschaften sind Treu-händer und handeln im Auftrag ihrer Kunden. Insofern ist Nachhaltigkeit kein Selbstzweck, sondern eine Lösung, die sich aus dem Bedarf der Anleger ableitet – und das nicht erst seit gestern. Klar wird das am Bei-spiel der genossenschaftlichen Kir-chenbanken und ihrer Sparer, deren Gelder wir seit 30 Jahren nach nach-haltigen Kriterien anlegen. Während sich das Interesse an nachhaltigen Anlagen lange vor allem in diesem Bereich und bei institutionellen Kun-den zeigte, ist die Nachfrage im ver-gangenen Jahr auch bei privaten Sparern angesprungen.

Uns ist dabei in der Beratung wich-tig, die Bedarfsermittlung und die Anlageziele weiter in den Mittel-punkt zu stellen. Denn als Treuhän-der haben wir in erster Linie den Auftrag, die Kundengelder zu erhal-ten und zu mehren. Hinzu kommt die zweite Dimension, unsere Ver-antwortung als Investor. Ein Blick auf das große Vorhaben der Transforma-tion der Wirtschaft offenbart: Ökono-mie braucht Nachhaltigkeit, und Ökologie braucht Finanzierung. Des Weiteren müssen jedoch auch die Renditen erwirtschaftet werden, um das Altersvorsorgesystem privat zu stützen und Kapital für große Infra-strukturprojekte bereitzustellen.

Fest steht in jedem Fall: Vor uns liegen große Gemeinschaftsaufgaben, die der Unterstützung vieler bedürfen. Assetmanager können in ihrer Rolle als Intermediär hierzu wertvolle Bei-träge leisten. Damit sollten sich auch die Überraschungen der kommenden Dekade meistern lassen.

Mehr als nur der EU-Austritt Großbritanniens

Hohe Dynamik in der Mainmetropole bei Stellenausschreibungen

Börsen-Zeitung, 4.3.2020 Das Jahr 2020 wird Banken und Finanzdienstleistern eine aufregen-de Zeit bescheren. Mit Beginn der neuen Dekade ist der EU-Austritt Großbritanniens beschlossene Sache, der Fachkräftemangel wird sich aufgrund des demografischen Wandels weiter zuspitzen und Berufsbilder wandeln sich im Zuge der Digitalisierung. Wirtschaftsex-perten sind sich einig: Technik, Per-sonal und Organisation des deut-schen Bankenmarktes werden sich weiter verändern.

Der Finanzplatz Frankfurt rückt dabei im internationalen Kontext vermehrt in den Blickpunkt. Große Herausforderungen und interessante Projekte erwarten die Bankangestell-ten in der Stadt am Main. Internatio-nale Kreditinstitute verlagern neue Standorteinheiten nach Frankfurt, um näher am europäischen Kunden zu sein. Der Aufbau eines solchen Standorts sowie einer entsprechen-den Organisationsstruktur steht im Mittelpunkt der strategischen Maß-nahmen. Frankfurt als zentral gele-gener Verkehrsknotenpunkt mit internationaler Anbindung ist für viele Auslandsbanken attraktiv geworden – ausgelöst durch, aber mittlerweile unabhängig von der Brexit-Debatte.

Durch die Entscheidung für den Brexit und somit zum Ausstieg Groß-britanniens aus der Europäischen Union (EU) zum 31. Januar hat der deutsche Bankenmarkt mit seinem führenden hessischen Finanzstand-ort die lang ersehnte Gewissheit. Plädierten viele Institute in der Ver-gangenheit für einen Verbleib in der EU, um große Umstrukturierungen zu vermeiden, so begrüßen sie nun die finale Entscheidung und Pla-nungssicherheit. Bemerkbar macht sich dieser Umstand durch eine deutliche Zunahme an Stellenaus-schreibungen.

Neben Investment-Banking-Ana-lysten stehen derzeit vor allem Risk-Manager und Manager im Compli-ance-Bereich hoch im Kurs. Dabei konzentriert sich die Suche auf Mit-arbeiter zur Bekämpfung von Geld-wäsche (Anti-Money Laundering Compliance Officer), Capital-Mar-kets-Spezialisten und MaRisk-Ex-perten (Mindestanforderungen an das Risikomanagement). Auch bre-xitbedingte Einstellungen werden weiterhin eine große Rolle spielen, bei Auslandsbanken und bei inter-national agierenden Kreditinstitu-ten, die schon in Frankfurt ansässig sind – respektive es noch werden. Um den strenger werdenden Regu-larien der Bundesanstalt für Finanz-

dienstleistungsaufsicht (BaFin) gerecht zu werden, benötigt auch der Fachbereich Regulatory-Repor-ting hochqualifizierte Fachkräfte. Nahezu jede Bank in der Mainme­-tropole hat auf diesem Gebiet Posi-tionen besetzt – von Analysten über Associates und Vice Presidents bis hin zum Director-Level.

Gleichzeitig vollzieht sich ein Struk-turwandel hinsichtlich der Berufsan-

forderungen im Bank- und Finanzwe-sen. Der Trend geht weg von Mitarbei-tern mit konventioneller Bankausbil-dung, hin zu mehr Spezialisten mit akademischem Abschluss. Klassische Stellenangebote werden reduziert und vermehrt Fach- und Führungs-kräfte mit ausgeprägtem technischem Verständnis und Know-how gesucht: Softwareingenieure, IT-Experten und IT-Berater.

Im vergangenen Jahr verzeichnete Frankfurt das größte Stellenwachs-tum in der IT & Telekommunikation (plus 31 % im Jahresvergleich). Auch Kandidaten aus den MINT-Bereichen (Mathematik, Informatik, Naturwis-senschaft und Technik) sind stark nachgefragt. Inländische Banken, vor allem Retailbanken, aber auch die Großbanken, suchen zudem ver-mehrt Digitalisierungs- und Trans-formationsexperten.

Die gesuchten Fach- und Füh-rungskräfte sollten sich neben schneller Verfügbarkeit, vor allem flexibel und anpassungsfähig zeigen. Deswegen greifen Banken und Finanzdienstleister verstärkt auf Interim Manager zurück. Diese sind meist sehr kurzfristig verfügbar, kön-nen Engpässe gut überbrücken und innovative Geschäftsprozesse zügig im Unternehmen einführen. Gerade wenn es um Innovationen geht, hat ein externer Manager mit unabhän-gigem Blick einen entscheidenden Vorteil: Er kann Spezialwissen ein-bringen, das im Unternehmen nicht vorhanden ist oder nur bedingt zur Verfügung steht. Zudem behalten sich die Institute mit diesem Schritt eine große Flexibilität bei, um auf

kurzfristige Veränderungen im Markt zu reagieren.

Eine weitere immer öfter zu beob-achtende Strategie der Bank- und Finanzhäuser ist das Verknüpfen von interner Erfahrung mit externen Digi-talisierungsspezialisten. Diese pro-jektbasierte Arbeit rückt bei vielen Unternehmen in zunehmendem Maße auf die Agenda, schult das hauseigene Personal in digitalen

Angelegenheiten und zahlt somit nachhaltig auf die strategische Aus-richtung ein. Interne Weiterbildungsmaßnah-men werden aufgrund der zunehmenden Tech-nologisierung ohnehin immer wichtiger.

Ein Blick auf die Gehaltsentwicklungen im Bereich Banking & Financial Services zeigt, dass diese relativ stabil bleiben. Nur hochspe-zialisierte Fachkräfte,

zum Beispiel aus den Bereichen Com-pliance, Accounting, Tax und Regu-latory, können mit einem Zuwachs bei ihren Jahreshältern von rund 10 % rechnen. In den übrigen Berei-chen sind Erhöhungen von 5 % zu erwarten.

Nicht zuletzt sollten die Banken und Finanzinstitute den Wettbe-werb im Blick behalten. Tech-Kon-zerne wie Apple und Google sowie aufstrebende Finanz-Start-ups expandieren aufgrund der stabilen Wirtschaftslage nach wie vor sehr stark und möchten ihren Marktan-teil weiter ausbauen. Sie versuchen, potenzielle Bewerber mit Innovatio-nen, zukunftsfähigen Technologien sowie neuen und spannenden Kon-zepten zu überzeugen. Damit ste-hen sie in direkter Konkurrenz zu den großen Bankhäusern, die für den digitalen Wandel etwas mehr Zeit benötigen.

Noch immer ist es so, dass begehr-te IT-Kandidaten sich eher für das Jungunternehmen als für das eta­-blierte Geldhaus entscheiden. Diese gelten vielfach als zu unattraktiv, auch aufgrund einer überkommenen Infrastruktur und IT-Altsystemen.

Ein besseres Image würde den meisten Banken gut zu Gesicht ste-hen. Dafür bedarf es aber an sinnvol-len Investitionen in das Employer Branding. Was nach außen verspro-chen wird, sollte aber intern auch mit Leben gefüllt werden. Das glaubhaft zu transportieren, ist eine große Herausforderung. Denn falsche Ver-sprechungen hinsichtlich agiler Arbeitsmethoden und hoher Eigen-

Fortsetzung Seite B6

VonStefan Stieger

Manager bei der internationalen Personalberatung Robert Walters in FrankfurtFo

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Börsen-Zeitung, 4.3.2020Der 1. Januar 2020 markierte nicht nur einen Jahreswechsel, sondern den Aufbruch in eine neue Dekade. So stellt sich die Frage, welche Trends wohl die kommenden Jahre prägen werden. Politisch, wirtschaft-lich und gesellschaftlich ist vieles im Umbruch. Selten zuvor wurden die Menschen mit so vielfältigem Wan-del in so kurzer Zeit konfrontiert.

Dabei mag der Rückblick auf die letz-ten Dekaden helfen, die Chancen und Herausforderungen des neuen Jahr-zehnts zu verstehen. Jedoch sollte man stets das geflügelte Wort „Prog-nosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen“, im Auge behalten.

Wer hätte Anfang der 1980er Jah-re gedacht, dass am Ende des Jahr-zehnts der Kalte Krieg beendet sein und der Kommunismus in Trümmern liegen würde? Die 1980er Jahre waren bei allen damaligen Ängsten

dabei ein hervorragendes Jahrzehnt an den Börsen, in dem sich der MSCI Welt mehr als verdreifachte. Nach dem Ende des Kalten Kriegs schien klar zu sein, dass sich das westliche Gesellschaftssystem marktwirt-schaftlicher Prägung verbunden mit einer demokratischen, auf Privat-eigentum basierenden Gesellschaft weltweit durchsetzen würde. Die Globalisierung erhielt einen großen

Schub und die Ausbrei-tung des Internets beschleunigte diese Ent-wicklung. Und trotz Russland- und Asienkri-se kletterten die Kurse gegen Ende der 1990er Jahre massiv nach oben und der MSCI Welt stieg nochmals um deutlich mehr als das Doppelte.

Umso so ernüchtern-der begann das erste Jahrzehnt des 21. Jahr-hunderts. Das Platzen der Dotcom-Blase be­-

gleitet vom Terroranschlag am 11. September 2001 erschütterten das Vertrauen in globalpolitisch befrie-dete Verhältnisse und die Kapital-märkte. Die nächste, noch größere Erschütterung durch die Subprime-krise und dem Fall von Lehman Bro-thers brachte das globale Finanzsys-tem ins Wanken. Und obwohl der MSCI Welt über die gesamten 2000er Jahre gesehen rund 10 % nachgab, gab es innerhalb des Jahrzehnts von 2003 bis 2007 eine Hausse. Als dann das letzte Jahrzehnt begann, hatte

VonHans Joachim Reinke

Vorstandsvorsitzender von Union Investment

Gemeinsam für einen starken Finanzplatz

Interessengemeinschaft Frankfurter Kreditinstitute GmbHwww.ifk-frankfurt.de

13. Finanzplatztagder WM Gruppe

Mittwoch, 4. März 2020 SONDERBEILAGE Börsen-Zeitung Nr. 44 B5

Page 6: Mittwoch, 4. März 2020 Börsen-Zeitung Nr. 44 SONDERBEILAGE ...€¦ · der Fintech-Hauptstädte Europas etabliert, was die Innovationskraft der deutschen Finanzbranche stärkt

Mehr als nur der EU-Austrittverantwortung führen dazu, dass neu gewonnene Fach- und Führungs-kräfte das Unternehmen schnell wie-der verlassen.

Ein weiteres Problem für die Ban-kenbranche sind die sich schnell ver-ändernden Kundenerwartungen. Um ihre Customer Experience zu ver-bessern, werden Banken und Finanz-dienstleister nicht umhinkommen, ihre Filialmodelle grundlegend zu überdenken, neue Technologien anzubieten und verstärkt auf BDAI-Anwendungen (Big Data und Künst-liche Intelligenz) zu setzen.

Fortsetzung von Seite B5 Das könnte neue Bankmodelle auf den Plan rufen. Sprich: Die Branchen-größen müssen sich wohl oder übel überlegen, ob sie nicht vermehrt auf ein Zusammenspiel mit der Konkur-renz setzen sollten. Auf diese Weise könnte der Kosten- und Wettbewerbs-druck etwas eingedämmt, Ressourcen geteilt und dem Kunden bessere Ser-vices angeboten werden. Ob solche strategischen Partnerschaften in naher Zukunft zu erwarten sind, bleibt fraglich. Aber wer den Umbruch erfolgreich bewältigen will, muss sich zumindest Gedanken darüber machen und entsprechende Teams und Fähig-keiten im Unternehmen aufbauen.

Wesentlich mehr als nur die FinanzmetropoleDie Abhängigkeit von Themen wie digitaler Strukturwandel oder Brexit-Zuzug ist geringer, als die Skyline der Frankfurter Bankentürme vermuten lässt

tungszweige ähnliche Cluster wie die Industrie, wenn auch aus ande-ren Gründen. In der Industrie waren es traditionell eher Zuliefererket-ten, die Agglomerationen zur Sen-kung von Transportkosten hervor-riefen. Auf diese Weise sind in der Vergangenheit industrielle Zentren entstanden, die bis heute nachwir-ken, selbst wenn das Transportkos-tenargument heute kaum mehr eine Rolle spielt. Dabei sind es eher mitt-lere Städte, die noch auf Industrie-anteile an der Wertschöpfung von über 50 % (zum Beispiel Schwein-furt, Böblingen) oder bis hin zu 75 % (Wolfsburg) kommen.

Direkter Kontakt unverzichtbar

Dienstleistungssektoren weisen andere Agglomerationsvorteile als die Industrie auf. In einer Branche wie zum Beispiel dem Finanzdienstleis-tungssektor, der vom Informationsaus-tausch lebt, ist der direkte Kontakt der Menschen untereinander unverzicht-bar – und daran haben bisher auch alle Entwicklungen in der Kommunika-tionstechnik erstaunlicherweise nicht viel geändert. Neben dem stetigen Aus-tausch von Informationen ist die räum-liche Konzentration auch wesentlich für die Bildung großer branchenweiter Arbeitsmärkte. Je größer diese sind, umso mehr ermöglichen sie die Ausbil-dung von Spezialistentum.

Finanzmetropolen tendieren gegenüber anderen Städten gleicher Größenordnung jedoch nicht unbe-dingt zu einem systematisch größe-ren Dienstleistungssektor insgesamt. Zwar zeichnet den „Finanzstandort“ tatsächlich ein höheres Gewicht von Banken und Versicherungen aus. So liegt der Anteil in Frankfurt bei 16 %. Dem steht in den übrigen der „Big Seven“ unter den deutschen Städten nur ein Anteil von 3 bis 5 % gegen-über. Und trotzdem besitzen Ham-burg und Berlin über alle Dienstleis-tungsbranchen hinweg einen gleich

großen Sektor wie Frankfurt. In Ham-burg ist es der Handel, in Berlin die überragende Bedeutung der öffentli-chen Verwaltung, die den Servicesek-tor insgesamt auf über 80 % der hei-mischen Wertschöpfung anhebt.

Was den Frankfurtern die Ban-ken, ist den Hamburgern gewisser-maßen der Hafen und den Berlinern die Bundesregierung – zumindest statistisch gesehen. Gewisse Bran-chenspezialisierungen strahlen zwar auf andere Dienstleistungssek-toren aus. So zieht zum Beispiel das Kapitalmarktgeschäft eine Fülle von weiteren spezialisierten Leistungen nach sich, von juristischer Beratung, IT-Unterstützung bis hin zu Überset-zungen. Doch diese erweiterte Nachfrage trifft nicht nur für die Finanzmetropole Frankfurt zu, son-dern auch für die Handelsmetropole Hamburg oder die Regierungsme­-tropole Berlin. Von einer einseitigen Abhängigkeit Frankfurts von einer einzelnen Branche kann deswegen nicht die Rede sein.

Unter den „Big Seven“ in Deutsch-land stechen da ganz andere Struk-turrisiken ins Auge. Die größte Sek-torkonzentration unter den großen deutschen Städten weist Stuttgart mit einem Anteil des verarbeitenden Gewerbes von 29 % auf. München kommt hier ebenfalls noch auf 21 %. Das sind größere Abhängigkeiten gegenüber der Industrie, als Frank-furt sie gegenüber dem Finanzsektor hat. Was auf den ersten Blick als willkommener Kontrast zu den „nichtmateriellen“ Dienstleistungs-ökonomien wirkt, entpuppt sich dabei oft als Risiko. Das zeigen die Strukturprobleme in der deutschen Automobilindustrie deutlich. Die Orte, an denen in Deutschland bei einem an sich gesunden Arbeits-markt gegenwärtig die Arbeitslosig-keit steigt, sind die industriellen Hochburgen des Landes.

Nicht im nationalen, wohl aber im internationalen Vergleich der

Finanzplätze fällt Frankfurt trotz-dem durch eine vergleichsweise hohe Bedeutung der Industrie auf. Das verarbeitende Gewerbe hat in Städten wie Paris oder London mit einem Anteil von 6 beziehungsweise 2 % nahezu keine Bedeutung mehr. In Frankfurt schlägt die Güterpro-duktion immerhin noch mit 12 % der lokalen Wertschöpfung zu Buche und ist damit eher ein willkommenes Diversifizierungselement. Finanz-unternehmen haben übrigens in London (15 %) und in Paris (8 %) keine höhere Bedeutung als in Frankfurt. Hier sind es die Zusam-menballungen der übrigen Business Services, die den Dienstleistungen insgesamt ihr überproportionales Gewicht verleihen.

Robuste Wirtschaftsstruktur

Gänzlich ohne Risiken ist ein hoher Anteil des Finanzsektors allerdings auch in Frankfurt nicht zu haben. Dass etwa die Finanzinstitute der Skyline

ihre charakteristische Gestalt geben, ist ein anschaulicher Hinweis auf ihr starkes Gewicht am gewerblichen Immobilienmarkt: Mit etwa einem Drittel des Flächenumsatzes liegt die Bedeutung des Finanzsektors für den gehobenen Bürosektor ebenso hoch wie in London oder in Luxemburg. Dies ist wohl die empfindlichste Abhängigkeit, die diese Branche der lokalen Wirtschaft beschert.

Mit dieser Ausnahme präsentiert sich die Wirtschaftsstruktur in Frank-furt jedoch als sehr robust. Es handelt sich um eine wohlausgewogene Mischung zwischen industriellen und dienstleistungsorientierten Branchen – insbesondere, wenn man zusätzlich die benachbarten Unter-zentren im Rhein-Main-Gebiet mit ihren weiteren Diversifikationsmerk-malen mit einbezieht. Die „Abhän-gigkeit“ der Stadt von Themen wie Brexit-Zuzug oder digitaler Struktur-wandel ist am Ende doch geringer, als die Skyline der Bankentürme es vermuten lässt.

Börsen-Zeitung, 4.3.2020Frankfurt, Stadt der Finanzen. So tönt es durch die Republik und darü-ber hinaus. Sehr zum Leidwesen vie-ler Einwohner, Beschäftigter und lokal Verantwortlicher, die sich unter diesem Label übergangen fühlen, denn die Stadt sei eben doch wesent-lich mehr als nur die Finanzmetropo-le. Wäre die Stadt wirklich so abhän-gig von der Finanzbranche, wie das

Klischee es beschreibt, dann hinge die Stadt am Tropf von Börsencrash, Brexit und Blockchain.

Ja, der Banken- und Versiche-rungssektor macht in Frankfurt mit 16 % einen größeren Anteil an der regionalen Wertschöpfung aus als in anderen Städten. Aber die Vor-stellung einer monostrukturellen Wirtschaft ist dennoch grundfalsch. Denn 84 % der lokalen Wertschöp-fung in Frankfurt entstammen eben nicht dem Finanzsektor im engeren Sinn. Andere Branchen prägen das wirtschaftliche Antlitz der Stadt ähnlich stark, wie etwa Handel und Transport (14 %), das verarbeiten-de Gewerbe (12 %), die öffentliche Verwaltung (10 %) oder die Infor-mations- und Kommunikations-branche (9 %). Das Kennzeichen dieser Wirtschaftsstruktur ist eher, dass eben gerade keiner dieser Sek-toren ein außergewöhnliches Gewicht beansprucht. Dies spiegelt

sich auch in der Beschäftigtenstatis-tik wider, wo der Finanzsektor einen Anteil von 10,5 % an allen Beschäftigten ausmacht.

Alle großen Städte in Deutschland sind Dienstleistungszentren. Das ist nachvollziehbar in einer Volkswirt-schaft, die zwar unter den Industrie-staaten tatsächlich noch einen der größten Industriesektoren unterhält, der jedoch mittlerweile auch auf einen

Anteil von 23 % an der Wertschöpfung gesun-ken ist. Diese Entwick-lung hin zu Dienstleistun-gen geschieht nicht etwa, weil immer weniger Industriegüter produ-ziert werden, sondern weil diese durch techni-schen Fortschritt immer effizienter erstellt wer-den, so dass die Ressour-cen der Volkswirtschaft in die Produktion nicht-materieller Leistungen fließen und so den Wohl-

stand weiter steigern können.Auf den ersten Blick ist die räum-

liche Konzentration von Dienstleis-tungen kaum nachzuvollziehen. Denn Dienstleistungen haben die Eigenschaft, dass sie häufig erst zusammen mit oder am Kunden erstellt werden können – am Bei-spiel medizinischer Versorgung wird dies unmittelbar deutlich. Dies ist auch der Grund, warum die Dienstleistungsproduktion zu einem großen Teil dezentral ist – Filialnetze im Einzelhandel oder im Finanzwesen und die breite regio-nale Streuung von selbständigen Büros, Praxen oder Kanzleien ver-deutlichen dies anschaulich.

Dennoch gibt es im Dienstleis-tungssektor Konzentrationsvortei-le, nämlich bei den sogenannten Backoffice-Tätigkeiten, also den Teilen der Wertschöpfung, die ohne die physische Mitarbeit der Kunden auskommen. Hier bilden Dienstleis-

Von Ulrich Kater

Chefvolkswirt der DekaBank

Seit 2008 ist Frankfurt Main Finance die Finanzplatzinitiative des führendenFinanzplatzes in Deutschland und der Eurozone. Für seine derzeit 68 Mitgliederengagiert sich der Verein für die internationale Bedeutung des FinanzplatzesFrankfurt am Main. Sie finden uns auf dem Finanzplatztag am 4. und 5. März 2020in der Frankfurter Industrie- und Handelskammer.

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B6 Börsen-Zeitung Nr. 44 SONDERBEILAGE Mittwoch, 4. März 2020