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MPR Medizin Produkte Recht Herausgeber Peter von Czettritz Dr. Peter Dieners Dr. Thilo Räpple Joachim M. Schmitt 2/ 2008 Jahrgang 8 | Seiten 29–56 ISSN 1618-9027 Nomos www.nomos.de Inhalt MPR Aktuell I Aufsätze | Berichte | Stellungnahmen Die „berechtigten Sicherheitserwartungen“ an Herzschrittmacher und Defibrillatoren im Sinne von § 3 Abs. 1 ProdHaftG Dr. Ben Backmann und Christoph Wagner 29 Arzneiwirkstoffe und REACH: Unter Umständen doch betroffen? Michael Wimmer 32 Rechtsprechung Zahnbleichmittel sind nicht als Kosmetika, sondern als Medizinpro- dukte zu bewerten VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 02.01.2008 36 Vergleichende Werbung für orthopädische Produkte, die sich ohne sachliche Rechtfertigung an den guten Ruf des Konkurrenten an- lehnt, ist unlauter OLG Köln, Urt. v. 31.08.2007 42 Gesetzliche Mitteilungspflicht des Hochschullehrers bei Veröffent- lichung von Diensterfindungen „selbststabilisierendes Kniegelenk“ verfassungsgemäß BGH, Urt. v. 18.09.2007 45 Gesetze/Verordnungen/Richtlinien/Mitteilungen TRBA 250 – Verletzungssichere Instrumente werden zur Regel ohne Ausnahme 49 Neuregelung der EU-Richtlinie für Medizinprodukte verpflichtet auch Softwareentwickler zur lückenlosen Dokumentation 50 Neu: „MedTech-Kompass“ für eine gute und transparente Zusammenarbeit zwischen Industrie und Kliniken 51 Das DIMDI liefert Informationen über Hochrisiko-In-vitro-Diagnostika auf dem deutschen Markt 52 EU-Beschluss: Verschiebung der Umsetzung der EMF-Richtlinie 52 Heilmittel-Report 2008: Sprachtherapie früher ansetzen 53 Änderung der europäischen Medizinprodukte-Richtlinien: „Nationale Umsetzung bis Ende 2008 vorgesehen“ 53 Die Bedeutung der CE-Kennzeichnung auf Medizinprodukten 55 pmi Verlag www.pmi-verlag.de Zeitschrift für das gesamte Medizinprodukterecht Technologie | Ökonomie | Innovation

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MP R MedizinProdukte Recht

HerausgeberPeter von Czettritz

Dr. Peter Dieners

Dr. Thilo Räpple

Joachim M. Schmitt

2/2008Jahrgang 8 | Seiten 29–56ISSN 1618-9027

Nomoswww.nomos.de

Inhalt

MPR Aktuell I

Aufsätze | Berichte | StellungnahmenDie „berechtigten Sicherheitserwartungen“ an Herzschrittmacher und Defi brillatoren im Sinne von § 3 Abs. 1 ProdHaftGDr. Ben Backmann und Christoph Wagner 29

Arzneiwirkstoffe und REACH: Unter Umständen doch betroffen?Michael Wimmer 32

Rechtsprechung Zahnbleichmittel sind nicht als Kosmetika, sondern als Medizinpro-dukte zu bewertenVGH Baden-Württemberg, Urt. v. 02.01.2008 36

Vergleichende Werbung für orthopädische Produkte, die sich ohne sachliche Rechtfertigung an den guten Ruf des Konkurrenten an-lehnt, ist unlauterOLG Köln, Urt. v. 31.08.2007 42

Gesetzliche Mitteilungspfl icht des Hochschullehrers bei Veröffent-lichung von Diensterfi ndungen „selbststabilisierendes Kniegelenk“ verfassungsgemäßBGH, Urt. v. 18.09.2007 45

Gesetze/Verordnungen/Richtlinien/MitteilungenTRBA 250 – Verletzungssichere Instrumente werden zur Regel ohne Ausnahme 49

Neuregelung der EU-Richtlinie für Medizinprodukte verpfl ichtet auch Softwareentwickler zur lückenlosen Dokumentation 50

Neu: „MedTech-Kompass“ für eine gute und transparente Zusammenarbeit zwischen Industrie und Kliniken 51

Das DIMDI liefert Informationen über Hochrisiko-In-vitro-Diagnostika auf dem deutschen Markt 52

EU-Beschluss: Verschiebung der Umsetzung der EMF-Richtlinie 52

Heilmittel-Report 2008: Sprachtherapie früher ansetzen 53

Änderung der europäischen Medizinprodukte-Richtlinien: „Nationale Umsetzung bis Ende 2008 vorgesehen“ 53

Die Bedeutung der CE-Kennzeichnung auf Medizinprodukten 55

pmi Verlagwww.pmi-verlag.de

Zeitschrift für das gesamte Medizinprodukterecht

Te c h n o l o g i e | Ö k o n o m i e | I n n o v a t i o n

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MPR AKTUELL

Medizintechnik-Kurse bei TÜV-NordDe TÜV NORD Akademie hat eineneue Seminarreihe im Bereich Medizin-technik gestartet. Neben einem umfas-senden Kursangebot für Hersteller vonMedizinprodukten werden auch Kursefür Betreiber und Anwender von Medi-zinprodukten angeboten. Bei allen Se-minaren steht die Sicherheit der Patien-ten im Mittelpunkt.

Häufige Verletzungen durch InjektionsnadelnZu den häufigsten Arbeitsunfällen beiÄrzten und medizinischem Personalzählen laut einer aktuellen Studie derUniklinik Frankfurt Nadelstichverlet-zungen. Allein in Deutschland kommtes jährlich zu 500.000 Fällen von NSVund dadurch verursachten Kosten vonrund 50 Millionen Euro.

Wenn die Nadeln mit Blut oder ande-ren Körperflüssigkeiten kontaminiert

Hyperthermie wieder entdecktHeiße Steine, Heusäcke, Wärmflaschenoder Kirschkern-Kissen: Lange Zeitfristeten alte Hausmittel ein Nischen-dasein. Doch nun finden sich immermehr Belege für die Behandlung mitWärme.

Britische Forscher konnten jetzt aberzeigen, wie die sanfte Hitze im KörperSchmerzen verringert: Temperaturenüber 40 Grad aktivieren Wärmesenso-ren. Daraufhin senden diese Signaleaus und blockieren andere Sensoren,die dem Gehirn Schmerzen melden.

Der Leiter der Arbeitsgruppe am Uni-versity College in London, Brian King,erklärt: „Die Wärme vermittelt nichtnur Wohlbefinden oder einen Placebo-Effekt � sie bekämpft den Schmerz aufeiner molekularen Ebene ähnlich wieein Schmerz-Medikament“. ChefarztAndre-Michael Beer von der Modell-abteilung für Naturheilkunde an derKlinik Blankenstein in Hattingen er-klärt: „Aus der Praxis bei uns wissen

MPR 2/2008 I

Rund um Zulassungsfragen für medizi-nische Geräte und andere Medizinpro-dukte geht es in den Kursen für Mitar-beiter aus der Industrie. Neben denAnforderungen für den europäischenMarkt werden aber auch internatio-nale Zulassungen von Medizinproduk-ten behandelt. So sind Kurse zu denAnforderungen in den USA, Japan,

sind, besteht das Risiko einer viralen,durch Blut übertragbaren Infektion mitHepatitis-B-, Hepatitis-C- oder Aids-Viren.Im Jahre 2005 arbeiteten im Gesund-heitswesen etwa 4,3 Millionen Men-schen und damit jeder neunte Beschäf-tigte. Obwohl ein Großteil davontäglich der Gefahr einer NSV ausge-setzt ist, besteht keine Meldepflicht.Schätzungsweise 90 Prozent der welt-

wir, dass viele Patienten Schmerzmitteleinsparen können, wenn sie einen wär-menden Heusack auflegen“.

Der geringere Schmerzmittelverbrauchsoll nun beziffert werden. Zusammenmit der Ruhr-Universtät Bochum läufteine Studie. In ihr werden einige Hun-dert konventionell versorgte Rücken-schmerz-Patienten der Uniklinik mitden naturheilkundlich Behandeltenverglichen. Traditionell kommt Wärmezum Einsatz bei chronischen Be-schwerden im Bewegungsapparat wieNacken- oder Rückenschmerzen,Rheuma, Muskel- oder Sehnenerkran-kungen.

An der Uniklinik Heidelberg bestrahl-ten Chirurgen nach großen Bauch-Operationen die Wunde mit wasserge-filtertem Infrarot-Licht. „Die Wärmedringt tief in das Gewebe ein, aber sieerhitzt oder irritiert die Hautoberflä-che nicht“, erläutert der zuständigeArzt. Alle 46 Patienten der Infrarot-

China und anderen wichtigen Märktenim Angebot.

Besonders um Betreiberpflichten fürMedizinprodukte geht es in den Kur-sen für Mitarbeiter aus Krankenhäu-sern, Alten- und Pflegeheimen undanderen Einrichtungen des Gesund-heitswesens.

weiten NSV werden nach Auskunft derFrankfurter Mediziner nicht dokumen-tiert.Eine Umfrage im Frankfurter Uniklini-kum ergab, dass innerhalb der letzten12 Monate 31,5 Prozent der Befragtenmindestens eine NSV erlitten hatten.Die Experten weisen mit Nachdruckdarauf hin, dass der berufliche Um-gang mit Blut ein häufiges und ernst zunehmendes Problem bedeutet.

gruppe klagten seltener über Schmer-zen und verließen im Schnitt die Klinikzwei Tage früher. Die tiefen Wundenheilten besser und schneller.

Wärme verbessert die Durchblutung,Schmerz erzeugende Substanzen wer-den durch den vermehrten Blutflussweggespült und der hohe Sauerstoffge-halt regt die Produktion von Proteinenund Zellen an, die die Wunde verschlie-ßen. Sogar Krebskranken hilft Wärme.Hier sprechen die Wissenschaftler vonder Hyperthermie. Mit ihr will die Me-dizin die Schlagkraft der Chemo- undStrahlentherapie verstärken.

Beide Therapien zerstören schnellwachsende Zellen, die bösartige Tumo-ren kennzeichnen. Die Wärmestrahlenwerden gezielt auf das Krebsgewebeausgerichtet, das dadurch besserdurchblutet wird.

Mit Mikrowellen erwärmen die Ärztedas Tumorgewebe kurz vor der Strah-lentherapie auf 43 Grad Celsius. Die

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MPR Aktuell

Mikrowellen dringen nicht sehr tief inden Körper ein und eignen sich deshalbzur Behandlung von Tumoren, diedicht unter der Haut liegen, etwa imBereich von Kopf, Hals oder Brust-wand, und auch oftmals bei Kindernauftreten. Um tiefer gelegene Krebs-

Elektro-Altgeräte-Register (EAR) hatEffizienz-Test bestanden„Die Verwaltungsgebühren für dieEntsorgung von gebrauchten Elektro-und Elektronikgeräten werden um 40Prozent reduziert werden“, sagteHans-Joachim Kamp, Vorsitzender desgemeinsamen ZVEI-/BITKOM-Vor-standskreises Entsorgung von Elektro-und Elektronik-Altgeräten. Wegen dessystematisch genutzten Wettbewerbsunter den Beteiligten sind die Abho-lung der Altgeräte und das Recyclingin Deutschland deutlich kostengünsti-

Diagnostica-Industrie erwartet nurverhaltenes WachstumDie Hersteller von Diagnosesystemenund Reagenzien für das ärztliche Labormüssen sich auf erhebliche Verände-rungen einstellen. Darauf hat heute(30.) der Vorsitzende des Verbands derDiagnostica-Industrie (VDGH), Dr.Jürgen Schulze, in Berlin hingewiesen.

Auf dem VDGH-Diagnostica-Forumsagte er, die Zahl der Abnehmer

ImpressumSchriftleiter: Peter Hoffmann (ViSdP) Die Zeitschrift, sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sindRA Prof. Dr. Klaus Letzgus urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechts-

gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Namentlich ge-Manuskripte erbeten an:kennzeichnete Artikel müssen nicht die Meinung der Herausgeber/Redaktion wiederge-Karin Hoffmann � pmi Verlag AG �ben. Unverlangt eingesandte Manuskripte � für die keine Haftung übernommen wirdOberfeldstraße 29 � 60439 Frankfurt/Main� gelten als Veröffentlichungsvorschlag zu den Bedingungen des Verlages. Es werdenTelefon 069/548000-0nur unveröffentlichte Originalarbeiten angenommen. Die Verfasser erklären sich mit ei-Fax 069/548000-66ner nicht sinnentstellenden redaktionellen Bearbeitung einverstanden.E-Mail [email protected]: 6mal jährlichDruck und Verlag:

Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Bezugspreis 2007:Waldseestraße 3-5 � D-76530 Baden-Baden Jährlich 190,� c. Alle Preise zzgl. Vertriebs-/Direktbeorderungsgebühren inkl. MwSt.Telefon 07221/2104-0 � Fax 07221/2104-27 Bestellungen nehmen entgegen:Anzeigen: Der Buchhandel und der Verlag; Abbestellungen mit Drei-Monats-Frist zum Kalenderjah-sales friendly Verlagsdienstleistungen resende. Zahlungen jeweils im Voraus an: Nomos Verlagsgesellschaft, Postbank Karls-Siegburger Str. 123 � 53229 Bonn ruhe, Konto 73636-751 (BLZ 66010075) und Stadtsparkasse Baden-Baden, Konto 5-002266Telefon 0228/978980 � Fax 0228/9789820 (BLZ 66250030).E-Mail [email protected] ISSN 1618-9027

II MPR 2/2008

herde zu erreichen, haben Medizin-techniker Geräte für die Tiefen-Hyper-thermie entwickelt, die mit Radio-wellen oder Infrarot-Strahlen arbeiten.Noch sind die Verfahren in Deutsch-land überwiegend im Versuchsstadiumund gehören selten zur Standard-

ger als in anderen Ländern Europas.Kamp weiter: „Nach Abschluss derAufbauphase ist die für die Steuerungzuständige Stiftung Elektro-Altgeräte-Register (EAR) nun in der Lage, ihreAblauf- und Kosten-Effizienz auchsichtbar unter Beweis zu stellen.“

Mit einem Etat von weniger als sechsMillionen Euro steuert das EAR einenEntsorgungsmarkt von mehreren hun-dert Millionen Euro.

schrumpfe durch Zusammenschlüsseund Übernahmen. Dies betreffe sowohldie Labore in Krankhäusern als auchLabore in niedergelassenen Arztpra-xen. Zusätzlich sei ein starker Trendzur Internationalisierung und Konzent-ration bei den medizinischen Laborenzu beobachten. Der Wettbewerb zwi-schen den Laboren werde hierdurch

Behandlung. Doch der Durchbruchscheint nah. Der Präsident der Deut-schen Krebsgesellschaft, Professor Mi-chael Bamberg, bezeichnet die Hyper-thermie neben der Chirurgie, Strahlen-und Chemotherapie als vierte Säuleder Krebsbehandlung.

Mit der im Dezember 2007 im Bundes-gesetzblatt veröffentlichten innerhalbvon zwei Jahren zweiten Änderung derKostenverordnung zum Elektro- undElektronikgerätegesetz hat das Bundes-umweltministerium auf die verbesserteKostenstruktur des Elektro-Altgeräte-Registers reagiert. Die Gebührenwurden um ca. 40 Prozent gesenkt.Hiervon profitieren alle Hersteller undImporteure von Elektro- und Elektro-nikgeräten.

härter. Diese Entwicklung habe Aus-wirkungen auf Struktur- und Umsatz-entwicklung der Branche.

Bereits seit Jahren verzeichnet die La-bordiagnostik ein nur verhaltenesWachstum. Daran ändert sich auch imlaufenden Jahr nichts. Darauf deutetdie aktuelle Marktschätzung für dasJahr 2007 hin, die der VDGH-Vorsit-

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MPR Aktuell

zende auf dem Diagnostica-Forum vor-legte. Schulze geht davon aus, dass derGesamtmarkt an Laborsystemen undReagenzien in diesem Jahr um 2,8 Pro-zent auf 2,095 Milliarden Euro wach-sen wird.

Hinter diesen Zahlen steht ein erhebli-cher struktureller Wandel. Die bisheri-gen Wachstumsträger � Schnelltests,

Augenoptische Industrie 2007 mit Umsatzplusvon 2,4 ProzentDie deutsche augenoptische Industrieerzielte 2007 ein Umsatzplus von 2,4Prozent auf 3,77 Milliarden Euro(2006: 3,68 Mrd. Euro). Im Inlandstieg der Umsatz um 2,8 Prozent auf1,85 Milliarden Euro (2006: 1,80Mrd. Euro), im Ausland um 2,1 Pro-zent auf 1,92 Milliarden Euro (2006:1,88 Mrd. Euro). Die Exportquote lagdamit bei 51 Prozent. Die Zahl der Be-schäftigten der augenoptischen Indust-rie legte um gut ein Prozent auf 21.520zu. Die Ausgaben für Forschung undEntwicklung betrugen 2007 sechs Pro-zent des Umsatzes. Für 2008 erwartetdie augenoptische Industrie ein Plusvon 3 Prozent.

Brillengläser aus Kunststoff werdendank weiterer Produktionsverfeinerun-gen mit höchsten Genauigkeits- undOberflächenanforderungen zu einemwahren Stück Hightech: Noch leichter,noch dünner, extrem ästhetisch und

4.000 Risikomeldungen zu MedizinproduktenDie Veranstaltung zu „Arzneimittel-kontrolle im Spannungsfeld aktuellerregulatorischer Anforderungen“ fandals Nachsymposium im Rahmen derJahrestagung der Deutschen Pharma-zeutischen Gesellschaft (DPhG) in Er-langen am 12. und 13. Oktober 2007statt. Sie wurde von dem Vorsitzenden

MPR 2/2008 III

die die Patienten selbst anwenden �verlieren ihre Dynamik, während dasbisherige Sorgenkind, die klassischeLabordiagnostik, wieder leicht zulegenkann. Warteten die Schnelltests, die Be-kanntesten dürften die Diabetes-Test-streifen sein, noch vor zwei Jahren mitzweistelligen Wachstumsraten auf, sokommen sie mit einem Umsatz von755,6 Millionen Euro im Jahr 2007 ge-rade noch auf ein Plus von 1,0 Prozent.

absolut individuell auf jedes Auge zu-geschnitten. Bei den Kontaktlinsenwerden die beliebten Austauschsys-teme, sprich Tages-, Wochenoder

Monatslinsen, immer sauerstoffdurch-lässiger und komfortabler. Auf der an-deren Seite schwören die Insider weiterauf die konventionellen Hart- undWeichlinsen, die mit allergrößter Per-fektion auf das individuelle Auge zuge-schnitten werden können. Und deshalbauch von den Spitzensportlern hochgeschätzt werden. In der Fernoptik,sprich bei Ferngläsern und Spektiven,wächst aktuell die Beobachtungskom-ponente mit den Digitalkameras zumsogenannten „Digiscoping“ zusam-men.

Insgesamt tragen in Deutschland 40,4Millionen Erwachsene (älter als 16Jahre) und damit 63,7 Prozent dieserAltersgruppe eine Brille, sowie 2,2 Mil-lionen Kontaktlinsen. Hinzu kommen

der Fachgruppe, Professor Di-. Her-mann Wätzig, organisiert und geleitet.

Ein Thema war dieQualität von Medi-zinprodukten. Dr. Kornelia Eggert-Bury vom Zentralen Institut des Sani-tätsdienstes der Bundeswehr in Mün-chen

Die klassische Labordiagnostik, die imJahr 2006 nur um 0,6 Prozent gewach-sen war, legt voraussichtlich um3,8 Prozent auf 1,340 Milliarden Eurozu. Schwach entwickelt sich auch dasin beiden Zahlen enthaltene Geschäftmit Analysegeräten, das vermutlich um1,3 Prozent auf 278,3 Millionen Eurozulegt. Im Jahr 2006 hatte das Plusnoch bei 7,0 Prozent gelegen.

1,6 Millionen Kinder zwischen 2 und15 Jahren, die eine Brille tragen.Der Deutsche Industrieverband für op-tische, medizinische und mechatroni-sche Technologien e.V. (SPECTARIS)vertritt Unternehmen aus den Bran-chenbereichen Consumer Optics (Bril-lenfassungen, Brillengläser, Kontaktlin-sen, Optische Geräte, Ferngläser),Photonik und Präzisionstechnik (Laser,Lichtmikroskope, Analyseverfahren,Datenübertragung) sowie Medizin-technik. Die bei SPECTARIS organi-sierten Branchen erzielen einen Ge-samtjahresumsatz von knapp 40Milliarden Euro und beschäftigenmehr als eine viertel Million Men-schen. Seine rund 400 überwiegendmittelständischen Mitgliedsunter-nehmen unterstützt SPECTARIS so-wohl durch politische Vertretung undÖffentlichkeitsarbeit als auch durchein aktives Branchenmarketing im In-und Ausland und diverse Serviceange-bote wie Schulungen und Seminare.

sprach zum Thema „Qualitätsprüfungvon Medizinprodukten aus der Sichteines akkreditierten Prüflabors“. Me-dizinprodukte werden üblicherweisenach Vorgaben von Normen, Arznei-büchern und der DIN EN 15017025geprüft. Dazu stellte Eggert-Bury ei-nige ihrem Institut zur Verfügung

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MPR Aktuell

stehende Geräte, unter anderem eineUniversalprüfmaschine für Reißfestig-keitsprüfungen, vor und erläuterte de-tailliert die Qualitätsprüfung von me-dizinischen Einmalhandschuhen.

Kritisch beurteilte sie die wesentlichweniger strenge Überwachung bei Me-

Wie wird die Medizintechnik in Deutschlandzukunftsfähig?Qualifizierte Beschäftigte sind inzwi-schen ein entscheidender Wettbewerbs-faktor der stark exportorientierten Me-dizintechnikbranche in Deutschland.Um auf globalenMärkten mit innovati-ven Produkten weiterhin eine führendePosition einzunehmen, ist eine immerbessere und größtenteils fachübergrei-fende Qualifizierung der Beschäftigtenauf allen Qualifikationsebenen nötig:vom Fachangestellten und -arbeiterüber Meister bzw. Techniker bis hinzum akademischen Personal.

Neben den fachlichen Qualifikationensind zunehmend soziale, personale undkommunikative Kompetenzen gefragt.Das zeigen die Ergebnisse eines durchdie Hans-Böckler-Stiftung gefördertenForschungsprojekts, in dem das InstitutArbeit und Technik (IAT/Gelsenkir-chen) in Kooperationmit der Ruhr-Uni-

Ausnahmeliste für arzneimittelähnlicheMedizinprodukte beim GBA � BVMedVon der Erstellung einer Ausnahme-liste zu arzneimittelähnlichen Medizin-produkten durch den GemeinsamenBundesausschuss (GBA) sind Verband-mittel nicht betroffen. Darauf hat derBundesverband Medizinprodukte,BVMed, hingewiesen. Auch bei arznei-mittelbeschichteten Verbandmittelnund Verbandmitteln in flüssiger, gelar-tiger oder Sprühform handelt es sichnach Ansicht des BVMed um Verband-mittel im Sinne des Sozialgesetzbuches.Der MedTech-Verband regte beimGBA in dieser Frage eine Klarstellungan, da sonst befürchtet werden muss,dass die Krankenkassen diese Produkteentgegen der bisherigen Regelung nicht

IV MPR 2/2008

dizinprodukten im Vergleich zu Arz-neimitteln. Teilweise sei lediglich eineSelbsteinschätzung der Risiken durchden Hersteller erforderlich.Dies führe in manchen Fällen zu einerUnterschätzung der Risiken, außerdemwürden zu wenige Prüfkriterien be-rücksichtigt.

versität Bochum (RUB) regionale Inno-vations- und Qualifizierungsstrategienin der Medizintechnikbranche unter-suchte.

In Expertengesprächen mit verschiede-nen Akteuren auf Hersteller- und An-wenderseite der Medizintechnik, mitVerbandsvertretern, Wissenschaftlernsowie in einer schriftlichen Vollerhe-bung von Unternehmen und Anwen-dern in vier Untersuchungsregionen inDeutschland stellte sich ein stetigerQualifizierungsbedarf von Mitarbei-tern in der Aus- und Weiterbildung he-raus. Erweiterte Aufgabenspektren cha-rakterisieren die Jobs von morgen.Nach Einschätzung ist die Entwicklungneuer Berufsbilder derzeit aber nicht ge-eignet, den Anforderungen der Branchewirkungsvoll und nachhaltig zu begeg-nen. Im Gegenteil: neue Berufe würden

mehr erstatten. Hintergrund ist, dassnach dem 2007 in Kraft getretenen„Gesetz zur Änderung medizinpro-dukterechtlicher und anderer Vor-schriften“ der GBA für die Zeit nachdem 1. Juli 2008 festlegen muss, inwelchen medizinisch notwendigen Fäl-len so genannte arzneimittelähnlicheMedizinprodukte ausnahmsweise indie Arzneimittelversorgung einbezogenwerden können. Betroffen von der Re-gelung sind Stoffe und Zubereitungenaus Stoffen, die als Medizinprodukte(nach § 3 Nr. 1 oder 2 Medizinproduk-tegesetz) zur Anwendung am oder immenschlichen Körper bestimmt sind.Dies können nach Angaben des

Heute gibt es in Deutschland fast 4000Risikomeldungen zu Medizinproduk-ten pro Jahr, mit steigender Tendenz.Zudem gebe es erste Hinweise auf Fäl-schungen von Medizinprodukten.Hier liege ein weiterer wichtiger Grundfür die Notwendigkeit der Ausweitungder Medizinprodukte-Prüfung.

den ohnehin unübersichtlichen„Dschungel“ an Qualifikationen weiterverstärken und eher zu einer Ab- als zueiner Aufwertung insbesondere derdualen und fachschulischen Ausbildun-gen führen.

Die zukünftigen Qualifizierungsstrate-gien in der Medizintechnikbranchekönnen mit der Reformierung undWei-terentwicklung der bestehenden Berufs-bilder bewerkstelligt werden. Nebender Sicherstellung einer breitgefächerten Grundausbildung kristal-lisieren sich ein bedarfsgerechtes,branchenspezifisches Fort- und Weiter-bildungssystem sowie die Weiterent-wicklung von regionalen Netzwerkenals Handlungsfelder heraus, um den zu-künftigenHerausforderungen der Bran-che im Bereich Qualifizierung kon-struktiv zu begegnen.

BVMed bei bestimmten Indikationenbeispielsweise Hyaluronsäure, isotoni-sche Kochsalzlösung oder Citrate sein.Das Antragsverfahren zur Aufnahmein die Ausnahmeliste will der GBA of-fiziell erst zum 1. Juli 2008 eröffnen.Zur Erstellung einer Rohliste bittet derGBA aber die Hersteller, deren Medi-zinprodukte nach eigener Einschät-zung in die Ausnahmeregelung einzu-ordnen wären, Informationen mitfundierter Begründung zu übermitteln.Bei Verbandmitteln (nach § 31 Abs. 1S. 1 SGB V) ist jedoch kein Antrag zustellen, da sie von der Regelung nichterfasst und wie bisher vergütet bzw. er-stattet werden.

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MPR 2/2008Zeitschrift für das gesamte Medizinprodukterecht 8. Jahrgang, Seiten 29�56

Herausgeber: Peter von Czettritz, Rechtsanwalt, München � Dr. Peter Dieners, Rechtsanwalt, Düsseldorf �Dr. Thilo Räpple, Rechtsanwalt, Frankfurt � Joachim M. Schmitt, BVMed e.V., Berlin

Herausgeberbeirat: Dr. Ehrhard Anhalt, Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V., Bonn � Maximilian Guido Broglie, Rechtsanwalt,Wiesbaden � Hans-Peter Bursig, ZVEI-Fachverband Elektromedizinische Technik, Frankfurt � Dr. med. vet. Volker Daum, Aesculap AG,Tuttlingen/Donau � Prof. Dr. med. Dr. jur. Alexander P.F. Ehlers, Rechtsanwalt, München � Dr. med. Peter W. Gaidzik, Rechtsanwalt,Hamm � Dr. med. Dr. rer. nat. Hans-Peter Graf, Freiburger Ethikkommission International, Freiburg � Dr. Horst Hasskarl, Rechtsanwalt,Ludwigshafen � Rainer Hill, Rechtsanwalt, BVMed, Berlin � Hans-Georg Hoffmann, Rechtsanwalt, Köln � Dr. med Christian Jäkel,Rechtsanwalt, Berlin � Prof. Dr. Thomas Klindt, Rechtsanwalt, München � Dr. med. Dr. iur. Adem Koyuncu, Rechtsanwalt, Köln � DierkMeyer-Lüerßen, Rechtsanwalt, VDGH, Frankfurt � Prof. Dr. med. Lothar Rabenseifner, Klinikum Offenburg, Offenburg � Ministerialrat,MinR Wilfried Reischl, Bonn � Dr. Axel Sander, Rechtsanwalt, Frankfurt � Professor Dr. med. Gerhard Schultze-Werninghaus, Bochum �Burkhard Sträter, Rechtsanwalt, Bonn � Prof. Dr. Jochen Taupitz, Universität Mannheim � Prof. Dr. Wolfgang Voit, Sprecher derForschungsstelle für Pharmarecht der Philipps-Universität, Marburg � Herbert Wartensleben, Rechtsanwalt, Stolberg � Marcus Wenzel,ZVEI, Frankfurt � Hans-Georg Will, Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Bonn

Schriftleiter: Peter Hoffmann, Oberfeldstraße 29, 60439 Frankfurt/MainRechtsanwalt Prof. Dr. Klaus Letzgus, Waldseestraße 3�5, 76530 Baden-Baden

AUFSÄTZE � BERICHTE � STELLUNGNAHMEN

Die „berechtigten Sicherheitserwartungen“an Herzschrittmacher und Defibrillatoren im Sinnevon § 3 Abs. 1 ProdHaftGDr. Ben Backmann und Christoph Wagner

1. Einführung

Herzschrittmacher üben nicht selten eine lebenserhaltendeFunktion für den Patienten aus. Umso schwerer wiegt es,wenn sie Funktionsstörungen aufweisen, indem beispiels-weise Impulse nicht rechtzeitig oder gar nicht an das Herzabgegeben werden. Herzschrittmacher werden daher ge-mäß den Klassifizierungsregeln in § 13 Abs. 1 Medizinpro-duktegesetz1 i.V.m. Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWGder Klasse III und damit den Medizinprodukten mit beson-ders hohem Risikopotential zugerechnet.

Folgerichtig hat ein Patient entsprechend hohe Sicherheits-erwartungen an ein ihm implantiertes Gerät. Ob dieseSicherheitserwartungen enttäuscht werden, wenn ein Her-steller, beispielsweise im Rahmen eines Sicherheitsinforma-tionsschreibens, auf die Möglichkeit einer Funktionsbeein-trächtigung hinweist, soll im Folgenden behandelt werden.

MPR 2/2008 29

2. AusgangslageIn der Vergangenheit haben Hersteller von Herzschrittma-chern und implantierbaren Defibrillatoren in Erfüllung ih-rer gesetzlichen Pflichten Sicherheitsinformationsschreibenzu ihren Produkten herausgegeben. In diesen wird auf ei-nen möglichen Fehler des Gerätetyps hingewiesen und dieWahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Funktionsbeein-trächtigung, in der Regel mit einem Wert von überwiegendunter 0,1 Prozent, angegeben. Immer dann, wenn Patientendiesen Umstand zum Anlass für einen operativen Aus-tausch des Gerätes nehmen, stellt sich die Frage nach etwa-igen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchengegen das Herstellerunternehmen und/oder seine Vertriebs-gesellschaft. Während Ansprüche aus deliktischer Produ-zentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB zumindest gegen dieVertriebsgesellschaft mangels Herstellereigenschaft aus-

1 Im Folgenden MPG.

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AUFSÄTZE � Backmann/Wagner, Die „berechtigten Sicherheitserwartungen“ an Herzschrittmacher

scheiden und eine Inanspruchnahme des Herstellers ange-sichts seiner Niederlassung im Ausland bereits aus prozes-sökonomischen Gründen in der Regel unterlassen wird,rückt das Produkthaftungsgesetz2 mit seiner Möglichkeitin den Vordergrund, gegen die entsprechende deutsche Ver-triebsgesellschaft vorzugehen (§ 4 Abs. 2 ProdHaftG) undneben dem Anspruch auf Schadenersatz über den seit Juni2002 im Produkthaftungsgesetz neu eingeführten § 8Satz 2 ProdHaftG auch die Zahlung von Schmerzensgeldzu verlangen.

Im Mittelpunkt der juristischen Auseinandersetzung stehtregelmäßig die Frage, ob bereits eine Fehlerwahrscheinlich-keit von unter 0,1 Prozent ausreicht, um einen Fehler imSinne des § 3 ProdHaftG zu begründen, ohne dass ein Gut-achter eine tatsächliche Funktionsbeeinträchtigung des imkonkreten Fall betroffenen Gerätes nachweisen konnte.3

3. Fehler im Sinne des § 3 ProdHaftGDie Definition des „Fehlers“ nach § 3 ProdhaftG macht dieSchwierigkeit einer Subsumtion dieser oben beschriebenenAusgangslage unter den Fehlerbegriff deutlich:

Nach § 3 ProdHaftG weist ein Produkt einen Fehler auf,wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichti-gung aller Umstände berechtigter Weise erwartet werdenkann. Damit ersetzt das Gesetz den Fehlerbegriff durch ei-nen anderen, unbestimmten Rechtsbegriff, nämlich denje-nigen der „berechtigten Sicherheitserwartungen“.4 DerenBestimmung und Konkretisierung bedarf einer wertendenBetrachtung unter Berücksichtigung der in § 3 Abs. 1 lit.a) bis c) ProdHaftG genannten Kriterien und weiterer rele-vanter Umstände.5

Zahlreiche von Rechtsprechung und Literatur in der Ver-gangenheit herausgearbeiteten Maßstäbe für eine wertendeBetrachtung zur Bestimmung der berechtigten Sicherheits-erwartungen, wie beispielsweise das Erfordernis eines Zu-sammenwirkens von Hersteller und Konsument im Inte-resse der Schadensminderung, der Preis des Produktessowie eine vorzunehmende Kosten-Nutzen-Analyse6, ver-mögen im vorliegenden Fall nicht weiterzuhelfen. Wederwird ein Patient seine Sicherheitserwartungen gegenüberseinem Herzschrittmacher an dessen Preis festmachen wol-len noch erscheint eine Kosten-Nutzen-Analyse eines Her-stellers bei der Konstruktion des Gerätes vertretbar nochsind viele Konstellationen denkbar, in denen der Patientdurch ein bestimmtes Verhalten einen Einfluss auf dieFunktionstüchtigkeit des Gerätes hat. Ebensowenig hilf-reich sind Grundsätze, wie der, dass „die Orientierung desSicherheitsstandards am Durchschnittsnutzer erfolgt“. DerHersteller von lebenserhaltenden Medizinprodukten derKlasse III kann seinen Sicherheitsstandard bei der Konstruk-tion und Fabrikation des Gerätes nämlich nur an höchstenMaßstäbe ausrichten. Sich bei der Wahl des Sicherheitsstan-dards an den „Erwartungen eines durchschnittlichen ver-ständigen Konsumenten oder Drittbetroffenen“, wie es vieleFormulierungen vorschreiben zu orientieren7, kommt ausnahe liegenden Gründen nicht in Betracht.

Trotz dieser kompromisslos erscheinenden Sicherheitsstan-dards beim Herzschrittmacher oder einem anderen Medi-

30 MPR 2/2008

zinprodukt der Klasse III gilt allerdings ebenso unumstrit-ten der Grundsatz, dass eine absolute Sicherheit imRahmen des Produkthaftungsgesetzes weder nach der de-liktischen Produzentenhaftung noch nach dem Produkthaf-tungsgesetz verlangt werden kann.8

Dies bedeutet, dass der Hersteller sein „Bestmögliches“ tunmuss. Wenn trotzdem Funktionsbeeinträchtigungen auftre-ten, handelt es sich hierbei nicht automatisch um einenFehler im Sinne des § 3 ProdHaftG, aus dessen Vorliegenheraus gleichsam automatisch Ansprüche des Geschädigtenauf Schadensersatz und Schmerzensgeld entstehen.

Zusammenfassend kann daher zunächst festgehalten wer-den, dass die durch Rechtsprechung und Literatur zur Aus-legung des Fehlerbegriffs des § 3 ProdHaftG für andere alsdie hier behandelten Geräte, in der Regel Konsumgüter,aufgestellten Maßstäbe nicht ohne Weiteres herangezogenwerden können, wenn es um die Frage nach der Fehlerhaf-tigkeit bei Medizinprodukten geht. Daher muss der Blickin benachbarte und verwandte Rechtsnormen gelenkt wer-den. Dies ist erforderlich, was im Folgenden geschehensoll.

3.1 §§ 84, 5 Arzneimittelgesetz9

Zur Auslegung des Begriffs der „berechtigten Fehlererwar-tungen“ lässt sich zunächst und zuvorderst § 84 AMG he-ranziehen.

Ebenso wie bei § 3 ProdHaftG handelt es sich bei § 84AMG um ein Gefährdungsdelikt.10 Trotz dieser dogmati-schen Gemeinsamkeit gehen beide Fehlerbegriffe von un-terschiedlichen Empfängerhorizonten aus. Während derprodukthaftungsrechtliche Fehlerbegriff, wie zuvor ausge-führt, durch die Erwartungen der Verbraucherschaft defi-niert und daher als „anwenderbezogener Fehlerbegriff“ an-gesehen wird11, steht dagegen bei der Bestimmung des

2 Im Folgenden ProdHaftG.3 Eine allgemeine Darstellung der rechtlichen Situation findet sich in

Backmann/Wagner, Sicherheitsinformationen zu Herzschrittmachernund implantierbaren Defibrillatoren im Lichte der Produzenten- undProdukthaftung, MPR, Heft 2/2007, S. 29 ff. sowie KHR, Heft 3/2007,S. 57 ff..

4 Produkthaftungshandbuch, v. Westphalen, 2. Auflage (1997), Rn. 11 zu§ 74; Kullmann/Pfister (2008), Produzentenhaftung; S. 94.

5 Schmidt-Salzer/Hollmann, Produkthaftungsgesetz in Deutschland, 3.Auflage (1994), Bd. 1 Art. 6 Rn. 46; Produkthaftungshandbuch, v. West-phalen, a. a.O. Fn. 4, Rn. 11 zu § 74.

6 MüKo/Wagner, Kommentar zum BGB, 5. Auflage (2006), Rn. 576 zu§ 823 BGB.

7 So beispielsweise Produkthaftungshandbuch, v. Westphalen, vgl. Fn. 4,Rn. 14 zu § 74; Staudinger/Oechsler, Kommentar zum BGB (2006), Rn.24; Brüggemeier/Reich, WM 1986, S. 149.

8 Palandt/Thomas, Kommentar zum BGB, 66. Auflage (2007), Rn. 8;MüKo/Wagner, a. a.O. Fn. 6, Rn. 6 zu § 3 ProdHaftG.

9 Im Folgenden AMG.10 Die rechtsdogmatische Einordnung ist nicht ganz unumstritten. So

wird § 84 AMG von einem Teil der Literatur und vom Gesetzgeber alsGefährdungsdelikt angesehen. Ein anderer Teil der Literatur wiederumsieht jedoch in ihm eine objektive Fehlerhaftung. Eine dritte Ansichtqualifiziert die spezialgesetzliche Arzneimittelhaftung als verschul-densunabhängige Unrechtshaftung. Hierbei handelt es sich jedoch umeinen rein dogmatischen Streit, der hinsichtlich der weiteren Überle-gungen im Rahmen dieser Betrachtung außen vor gelassen werdenkann.

11 Hart, in Reform des arzneimittelgesetzlichen Haftungsrechts, S. 710,728.

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Backmann/Wagner, Die „berechtigten Sicherheitserwartungen“ an Herzschrittmacher � AUFSÄTZE

Fehlerbegriffs des § 84 AMG primär der Sicherheitsstandder medizinischen Wissenschaft im Vordergrund. Sicher-heitsinteressen des Verbrauchers werden lediglich mittelbarberücksichtigt. Angesichts der vergleichbaren komplexenStrukturen und Wirkungsmechanismen zwischen Arznei-mitteln und Medizinprodukten wird bei der Auslegung desFehlerbegriffs des § 3 ProdHaftG der Stand von Wissen-schaft und Technik zumindest im Zusammenhang mit Me-dizinprodukten ebenfalls vorrangig Berücksichtigung fin-den. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass esbei Medizinprodukten insoweit an einer gesonderten Spezi-alregelung, wie sie § 84 AMG für Arzneimittel darstellt,fehlt.

Obwohl nicht verkannt wird, dass es sich bei § 84 AMGum eine Sonderregelung gegenüber dem ProdHaftG han-delt, erscheint eine ergänzende Auslegung des Fehlerbe-griffs des § 3 ProdHaftG anhand des § 84 AMG im Zu-sammenhang mit Medizinprodukten geboten, die wiefolgt aussieht:

Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG muss die von demkonkret genutzten Präparat ausgehende Gefährdung desPatienten über ein nach den Erkenntnissen der medizini-schen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.

Damit wird an die Definition des „bedenklichen Arznei-mittels“ in § 5 AMG angeknüpft. Die Bedenklichkeit be-ruht dabei auf mehrfachen Abwägungen, die zunächst ei-nen Verdacht voraussetzen, wobei ein bloß vager Verdachtnicht genügt.12 Die medizinische Vertretbarkeit wird somitaufgrund einer Abwägung festgestellt, wonach der thera-peutische Wert den möglichen schädlichen Wirkungen desArzneimittels gegenüber gestellt wird.13 Entsprechend die-ser Nutzen-Risiko-Analyse gelten die schädlichen Wirkun-gen als unvertretbar und damit das Arzneimittel als fehler-haft im Sinne von § 84 AMG, wenn die Risiken desstreitgegenständlichen Arzneimittels dessen Nutzen über-wiegen. Ist hingegen der Nutzen höher einzustufen als dieArzneimittelrisiken, fällt die Bilanz positiv aus und dieschädlichen Wirkungen sind vertretbar.14

Für die Beurteilung wird nach überwiegender Auffassungeine nachträgliche Prognose angestellt. Danach ist das imZeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorhan-dene Wissen auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens zu-rückzuprojezieren.15

Nimmt man die zuvor dargestellte Nutzen-Risiko-Analysebei Herzschrittmachern und Defibrillatoren vor, wäre auchhier angesichts der zu erwartenden Ausfallrate von unter0,1 Prozent und dem erheblichen gesundheitlichen Nutzendas Vorliegen eines Fehlers nach § 3 ProdhaftG abzuleh-nen. Dies ergibt sich nicht nur bei einer Beurteilung der„Bedenklichkeit“ des Arzneimittels oder Medizinproduk-tes zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens, da in diesemZeitpunkt keinerlei Anzeichen für ein Risiko des Patientenersichtlich waren, sondern ebenso bei Zugrundelegung derstrengeren Auffassung, die auf eine nachträgliche Prognoseabstellt und von Funktionsstörungen- und ausfällen bei 0,1Prozent der auf dem Markt befindlichen Geräte ausgeht.

MPR 2/2008 31

3.2 § 4 Medizinproduktegesetz (MPG)

In gleicher Weise ist § 4 MPG als Pendant zu §§ 5, 84AMG geeignet, Hinweise darüber zu geben, was berechtig-ter Weise an Sicherheit bei Herzschrittmachern erwartetwerden kann. § 4 MPG orientiert sich an § 5 AMG, sodass zu seiner Auslegung auf die obigen Ausführungen zu§§ 5, 84 AMG verwiesen werden kann. Ergänzend sei je-doch noch Folgendes ausgeführt:

§ 4 Abs. 1 MPG knüpft mit seinem Wortlaut an Art. 2 derRiL 93/42/EWG an. Während jedoch die RiL 93/42/EWGdas „Vorliegen einer Gefährdung“ voraussetzt, geht § 4Abs. 1 MPG von strengeren Maßstäben aus und verlangteinen „begründeten Gefahrenverdacht“.16 Dieser ist, wiebei § 5 AMG, anhand einer Nutzen-Risiko-Abwägung zuermitteln.17 Dabei ist der Abwägungsmaßstab der medizi-nischen Wissenschaft zu entnehmen, weshalb die Nutzen-Risiko-Analyse nur mit entsprechenden Kenntnissen er-stellt werden kann. Auf Grundlage des jeweiligen Standesvon Wissenschaft und Technik ist nunmehr die Abwägungvorzunehmen, die zwingend einen Risikovergleich zwi-schen Medikamenten und Medizinprodukten desselbenTherapieanspruchs beinhalten muss.18

Dieser Risikovergleich ist gerade deshalb in der hier zu-grunde liegenden Fallkonstellation von Interesse, weil na-hezu alle vergleichbaren Produkte wiederholt Gegenstandvon Sicherheitshinweisen ihrer Hersteller sind. Zwar fin-den sich Unterschiede in der Aufarbeitung und Bewälti-gung der damit verbundenen juristischen Auseinanderset-zungen, jedoch sind die technischen und medizinischenHintergründe und Fehlerprognosen nahezu identisch. Einerhöhtes Risiko zwischen den Medizinprodukten desselbenTherapieanspruchs verschiedener Hersteller lässt sich da-her nicht erkennen.

4. ZusammenfassungDie Unbestimmtheit des Fehlerbegriffs des § 3 Abs. 1 Prod-HaftG macht seine Auslegung anhand von Rechtsnormenerforderlich, die sich in einem verwandten Rechtsgebietfinden und eine vergleichbare Materie behandeln. Folge-richtig sind Grundlagen aus dem MPG (vgl. § 4 MPG) unddie bereits entwickelten Auslegungsmaßstäbe zu §§ 84, 5AMG zu Rate zu ziehen. Die zum Arzneimittelrecht ge-wonnen Erkenntnisse sind dabei auch auf Medizinpro-dukte anwendbar, da die hierbei anzustellenden Überlegun-gen bei Arzneimitteln und Medizinprodukten nichtwesentlich verschieden sind. Ein Querverweis zu benach-barten Gesetzen ist auch mangels gesetzlicher Alternativengeboten, da der Gesetzgeber keine Vorgaben in Form von

12 Deutsch/Lippert, Kommentar zum Arzneimittelgesetz, 2. Auflage 2006,Rn. 3 zu § 5 AMG; Kloesel, Cyran (2007), § 5, Anm. 1.

13 Kullmann/Pfister, vgl. Fn. 4, S. 3800.14 BT-Drucksache 7/3060, S. 45.15 Kullmann, PharmaR 1981, S. 116. Eine andere Ansicht stellt auf den Zeit-

punkt des Inverkehrbringens ab, da es sich beim § 84 AMG nicht umein Gefährdungs-, sondern um ein Verschuldensdelikt handle, so Weit-nauer, PharmInd 1979, 427.

16 Rehmann/Wagner, MPG (2005), Rn. 4 zu § 4 MPG.17 Kloesel/Cyran, vgl. Fn. 12, Rn. 31 ff. zu § 5 AMG.18 OVG Berlin v. 16.5.1990, Az. 5 S 124/89 � Arteparon.

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AUFSÄTZE � Wimmer, Arzneiwirkstoffe und REACH

Gesetzen oder Richtlinien gegeben hat, aus denen sichMaßstäbe für die Beurteilung von Sicherheitserwartungenfür Nutzer von Medizinprodukten der Klasse III entneh-men ließen.19

Folglich ist anhand der vorgeschlagenen Nutzen-Risiko-Anlayse zu ermitteln, ob die schädlichen Wirkungen unver-tretbar sind und der medizinische Nutzen den schädlichenRisiken unterliegt. Dabei ist auf technische und medizini-sche Kenntnisse sowie auf Vergleichswerte mit gleicharti-gen Medizinprodukten abzustellen, die zum Zeitpunkt derletzten mündlich Verhandlung gewonnen wurden.

Der Nutzen eines Herzschrittmachers und Defibrillatorsliegt auf der Hand und ist in seinem Ausmaß von demGrad der Schrittmacherabhängigkeit eines jeden Patientenabhängig.

Mit Hinblick auf die Risikokomponente wird in § 4 Abs. 1MPG ein „begründeter Gefahrenverdacht“ verlangt. DieseSchwelle ist bei festgestellten Ausfallraten von Herzschritt-machern und Defibrillatoren von unter 0,1 Prozent nichterreicht. Hinzu kommt, dass die körperlichen Folgen einesGeräteausfalles vom Grad der Schrittmacherabhängigkeiteines jeden Patienten abhängen. Nicht jeder Geräteausfallist daher zwingend mit einem Zusammenbruch des Herz-Kreislaufsystems verbunden. Die Konkretheit der Gefahreinerseits und der mögliche Schadensumfang andererseits

Arzneiwirkstoffe und REACH:Unter Umständen doch betroffen?Michael Wimmer

I. EinführungDie Verordnung (EG) 1907/2006 des Europäischen Parla-mentes und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulas-sung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH)1 istam 1. Juni 2007 in Kraft getreten.

Die hiermit verbundene Neufassung des Chemikalienrechtsin Europa hat unmittelbare und mittelbare Auswirkungenauf die pharmazeutische Industrie2.

Stoffe in Arzneimitteln sind von den Titeln II, V, VI undVII3 der REACH-VO ausgenommen. Es besteht weitge-hend Einigkeit darüber, dass nicht nur Wirkstoffe als sol-che, sondern auch Hilfsstoffe ausgenommen sind, soweitdiese unverändert im Endprodukt enthalten und nachweis-bar sind. Auch sind sämtliche Synthesestoffe zur Wirkstoff-herstellung und Prozessstoffe, die keinen Eingang in dasEndprodukt finden, registrierungspflichtig. Eine weiter ge-fasste Auslegung, dass auch Synthesestoffe letztendlich inArzneimitteln verwendet werden, dürfte vom Wortlaut desArtikel 2 Abs. 5 lit. a) REACH-VO nicht erfasst sein. Syn-thesestoffe werden vielmehr für Arzneimittel verwendet4,sie sind aber nicht das Arzneimittel. Dieses wird begrifflichvon den enthaltenen, also im Endprodukt nachweisbaren,Einzelstoffen oder Zubereitungen auf Stoffen bestimmt.

32 MPR 2/2008

sind somit maßgebliche Kriterien im Rahmen der vorzu-nehmenden Abwägung.20

Anhand dieser Überlegungen und Abwägungen, die denBesonderheiten des Arzneimittel � und Medizinprodukte-rechts Rechnung tragen, lässt sich der Begriff der „berech-tigten Sicherheitserwartungen“ in § 3 ProdHaftG auslegen.Die Auslegung wird regelmäßig zu dem Ergebnis führen,dass bei der hier zugrunde gelegten Konstellation ein Feh-ler nach § 3 ProdHaftG zu verneinen ist.

19 Dies gilt insbesondere bei dem Sachverhalt, dass die gesetzlich vorge-gebenen und durch CE Zertifizierung bestätigten Sicherheitsstandardseingehalten worden sind (vgl. hierzu die Entscheidung des LG Düssel-dorf, Urt. v. 30 November 2005, Az. 10 O 144/04, VersR 2006, 1650).

20 So auch das LG Arnsberg in seinem Urteil vom 6. Mai 2003, Az. 5 S176/02. Ebenso in anderem Zusammenhang OLG Hamm, Urteil vom16. Mai 2007, Az. 8 U 4/06.

Anschrift der Verfasser:Dr. Ben BackmannChristoph WagnerK&L GatesMarkgrafenstraße 4210117 BerlinTel.: 030/220029-115Fax: 030/[email protected]

Dennoch stellen sich für pharmazeutische Unternehmeroder Hersteller von Medizinprodukten in der Praxis grund-legende Fragen, wenn sie ihre eigene Betroffenheit prüft.Wie sind Arzneimittelanteile in Medizinprodukten zu beur-teilen? Gilt hier formal der reine Wortlaut, wonach derStoff nicht „in einem Arzneimittel“ verwendet wird, son-dern in einem Medizinprodukt enthalten ist? UnterfallenArzneimittel, die in der EU allein für den Export hergestelltwerden und den europäischen Markt gar nicht betretensollen, auch REACH? Wie sind Stoffe in Rezepturarznei-mitteln betroffen?

Letztendlich stellt sich die zentrale Frage: Inwieweit sindREACH und das europäische Arzneimittelrecht tatsächlichaufeinander abgestimmt, und wo lassen sich bereits jetztpraktische Probleme vorhersagen?

1 ABl. L 396 vom 30. Dezember 2006 in der Fassung der BerichtigungABl. L 136, S. 3.

2 Vgl. hierzu Wimmer MPJ 2/07 S. 64ff. und MPJ 3/07 S. 119ff.; ders.REACH-Navigator 10/2007; Sunder-Plassmann Pharm.Ind. 69, Nr. 8,(2007), Seite 937ff.; Brixius/Maur PharmR 7/2007 S. 277ff.; Bauer/LachPharmR 10/2007 S. 408ff.

3 Titel II: Registrierung; Titel V: Nachgeschaltete Anwender; Titel VI: Zu-lassung; Titel VII Beschränkung.

4 So auch Weiß/Sander REACH in der Praxis 2.3.1.1.

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Wimmer, Arzneiwirkstoffe und REACH � AUFSÄTZE

Aktuelle Einschätzungen mit REACH befasster Behördenzu diesen Fragestellungen bereiten hier Sorge, da sie mitun-ter Aussagen enthalten, welche in direktem Widerspruchmit dem (europäischen) Arzneimittelrecht und dem Medi-zinprodukterecht stehen.

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Auslegungder REACH-Verordnung aus der Sicht der pharmazeuti-schen und Medizinprodukteindustrie. Es wird geprüft, in-wieweit REACH-Verordnung, Richtlinie 2001/83/EG (Ge-meinschaftskodex für Humanarzneimittel) und Richtlinie93/42/EWG (Medizinprodukterichtlinie) aufeinander ab-gestimmt sind. So werden dann die Auswirkungen vonREACH auf Arzneimittel, Medizinprodukte mit Arznei-mittelanteil und Exportarzneimittel betrachtet.

II. Arzneimittel im Anwendungsbereichder Richtlinie 2001/83/EG

Artikel 2 Abs. 5 lit. a) REACH-VO nimmt Stoffe von denTiteln II, V, VI und VII aus, soweit sie in Human- oderTierarzneimitteln im Anwendungsbereich der Verordnung(EG) Nr. 726/2004, der Richtlinie 2001/82/EG und derRichtlinie 2001/83/EG verwendet werden. Es besteht weit-gehend Einigkeit, dass hiervon Wirkstoffe und solche(Hilfs-)Stoffe erfasst sind, die ohne weitere chemische Ver-änderung Eingang in das Arzneimittel finden5. Der Verord-nungsgeber der REACH-VO hat zutreffend erkannt, dassim Zulassungsverfahren eines Arzneimittels die Umweltas-pekte hinreichend geprüft werden. Die Bewertungen mögli-cher Umweltrisiken sind notwendige Voraussetzung für dieErteilung einer Zulassung6 und erfolgen auf Grundlage desAnhanges I Abschnitt 1.6 der Richtlinie 2001/83/EG. Einedoppelte Umweltprüfung wird durch die Ausnahme vonArzneimitteln daher vermieden.

Jedoch wird bei genauerer Betrachtung deutlich, dassREACH-VO und Richtlinie 2001/83/EG nicht exakt aufei-nander abgestimmt sind.

Artikel 1 Nr. 2 Richtlinie 2001/83/EG definiert als Arznei-mittel „alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die alsMittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Verhütungmenschlicher Krankheiten bestimmt sind“. Der Gemein-schaftskodex stellt bei dieser Definition nicht darauf ab,ob eine Zulassung des Arzneimittels vorliegt. Im Umkehr-schluss bedeutet dies, dass auch (noch) nicht zugelasseneArzneimittel und nicht zulassungspflichtige Arzneimittel„Arzneimittel“ im Sinne der Richtlinie 2001/83/EG sind.

Artikel 2 Abs. 1 Richtlinie 2001/83/EG regelt den Anwen-dungsbereich des Gemeinschaftskodex. Hiernach ist dieRichtlinie grundsätzlich anwendbar auf solche Arzneimit-tel, die in den Mitgliedstaaten in den Verkehr gebrachtwerden sollen7. Eine eigene Definition des „Inverkehrbrin-gens“ ist im Gemeinschaftskodex indes trotz erheblicherBedeutung nicht enthalten8.

Der Richtlinie 2001/83/EG unterfallen somit alle Stoffe,von denen beabsichtigt wird, sie als Mittel mit Eigenschaf-ten zur Heilung von Krankheiten am Menschen in denMitgliedstaaten in den Verkehr zu bringen, ohne dass es

MPR 2/2008 33

auf eine bereits erteilte europäische oder nationale Zulas-sung eines Arzneimittels ankommt.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Zulassunggem. Artikel 6 Abs. 1 Richtlinie 2001/83/EG lediglich einnotwendiger formeller Akt ist, der das Inverkehrbringendes Arzneimittels erlaubt: Das Arzneimittel wird erst durchdie Zulassung verkehrsfähig. Die Zulassung macht aber imUmkehrschluss ein Arzneimittel nicht erst zu einem Arznei-mittel. Die Arzneimitteleigenschaft begründet sich vielmehrin den möglichen heilenden, vorbeugenden etc. Wirkungen.Wären diese nicht vorhanden, wäre ein Arzneimittel nur„irgendein“ Stoff oder „irgendeine“ Zubereitung aus Stof-fen.

Zulassungspflichtige und nicht zulassungspflichtigeArzneimittel

Sowohl zulassungspflichtige als auch nicht zulassungs-pflichtige Arzneimittel unterfallen daher dem Anwen-dungsbereich des Gemeinschaftskodex, da es hierfür, wiegesehen auf eine bereits erteilte Zulassung nicht ankommt.

Hier ergibt sich jedoch eine Lücke zwischen der Intentiondes REACH- Verordnungsgebers und dem Wortlaut derAusnahmeregelung in Artikel 2 Abs. 5 lit. a) REACH-VO:Der Grund für eine Privilegierung war nämlich gerade dieTatsache, dass Umweltbetrachtungen im Rahmen der Zu-lassung angestellt werden. Der Wortlaut des Artikels 2Abs. 5 lit. a) REACH-VO nimmt aber einen größeren Kreisan Arzneimitteln von den Titeln II, V, VI und VII aus alsnur zugelassene Arzneimittel.

Man könnte mutmaßen, ob hier eine gewollte oder unge-wollte Lücke vorliegt. In Artikel 2 Abs. 6 lit. a) REACH-VO, der die Ausnahme einzelner Produktgruppen von TitelIV9 regelt, hat der REACH- Verordnungsgeber auf „Fertig-erzeugnisse für den Endverbraucher“ abgestellt. DerREACH- Verordnungsgeber war sich also bewusst, dass„Arzneimittel im Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/83/EG“ und Arzneimittel in Form von „Fertigerzeugnissenfür den Endverbraucher im Anwendungsbereich der Richt-linie 2001/83/EG“ unterschiedliche Dinge sind. Nur letz-tere haben das Zulassungsverfahren durchlaufen, dessenUmweltbetrachtung zur Privilegierung von Arzneimittelngeführt hat. Es wäre daher leicht gewesen, dieselbe Formu-lierung auch für eine Befreiung von der Registrierungs-pflicht zu verwenden.

Keine Sicherheitslücke

Grundsätzlich könnte daher von einer Sicherheitslückeausgegangen werden. Bei der Schaffung des Gemein-schaftskodex ist der Richtliniengeber davon ausgegangen,

5 Vgl. hierzu Wimmer a.a.O.; Brixius/Maur a.a.O.; Enderle/Thoms inREACH-Handbuch 2.2 S. 4; REACH-net Dialog Nr. 5549.

6 vgl. Artikel 8 Abs. 3 lit. ca) Richtlinie 2001/83/EG.7 Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftskodex wer-

den in Artikel 3 Richtlinie 2001/83/EG geregelt.8 Die Frage des Inverkehrbringens spielt in der Richtlinie 2001/83/EG

noch eine weitere entscheidende Rolle im Rahmen der sog. „SunsetClause“, Artikel 24 Abs. 4 Richtlinie 2001/83/EG.

9 Informationen in der Lieferkette (Sicherheitsdatenblatterfordernis etc.)

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AUFSÄTZE � Wimmer, Arzneiwirkstoffe und REACH

dass ein Hersteller ein Arzneimittel auch tatsächlich in denVerkehr bringen will. In der Mehrheit der Fälle wird daherauch ein Zulassungsverfahren durchlaufen.

Nicht zulassungsbedürftige Arzneimittel durchlaufen die-ses Verfahren und die damit verbundenen Umweltprüfun-gen indes nicht. Die eigentliche Rechtfertigung einer Aus-nahme von Arzneimitteln von REACH ist daher in dieserKonstellation nicht gegeben.

Dennoch liegt hier eine Lücke in dem Schutzsystem, dasder Gemeinschaftskodex und die REACH-VO aufstellen,nicht vor: Selbst wenn kein formelles Zulassungsverfahrennotwendig ist10, müssen beispielsweise homöopathischeArzneimittel bei den zuständigen nationalen Arzneimittel-behörden angezeigt und registriert werden.

Dem Antrag auf Registrierung homöopathischer Arznei-mittel sind � zumindest in Deutschland � mit wenigenAusnahmen die gleichen Unterlagen beizufügen, die auchbei einer Zulassung erforderlich sind. § 38 Abs. 2 Satz 1AMG verweist hierzu auf § 22 AMG, der in Absatz 3c Un-terlagen zu möglichen Umweltrisiken und Risikomanage-mentempfehlungen zu deren Vermeidung fordert. DieseUnterlagen werden im Rahmen des Registrierungsverfah-rens durch die zuständige Bundesbehörde geprüft. DasSchutzniveau ist folglich auch bei nicht zulassungspflichti-gen Arzneimitteln gewahrt.

III. Kombinationsprodukte: Medizin-produkte mit Arzneimittelanteil

Der an Arzneimittel im Anwendungsbereich der Richtlinie2001/83/EG anzulegende Maßstab für Umweltbetrachtun-gen spielt noch an einer anderen Stelle eine entscheidendeRolle.

Stoffe in Medizinprodukten sind � anders als Stoffe inArzneimitteln � nicht von REACH ausgenommen. DasKonformitätsbewertungsverfahren, welches vor dem Inver-kehrbringen von Medizinprodukten stets durchzuführenist, sieht eine Umweltprüfung im engen Sinne nicht vor.Stoffe in Medizinprodukten sind daher in vollem Umfangund ohne Ausnahmen registrierungspflichtig. Formal be-trachtet ist daher ein arzneilicher Wirkstoff, der in einemMedizinprodukt enthalten ist, ebenfalls registrierungs-pflichtig.

Dieses Ergebnis ist allerdings nicht sachgerecht und wirdder Praxis nicht gerecht.

Abgrenzung Arzneimittel � MedizinproduktDie Abgrenzung von Arzneimitteln zu Medizinproduktenmit Arzneimittelanteil wird über die beabsichtigte Haupt-wirkweise des Gesamtprodukts vorgenommen. Wirkt dasProdukt auf pharmakologische oder immunologische Artund Weise oder durch Metabolismus, so ist das Gesamt-produkt als Arzneimittel einzustufen. Ist die intendierteHauptwirkweise hingegen eine andere, beispielsweise einephysikalische Wirkweise, und beschränkt sich die arzneili-che Wirkung auf eine bloße unterstützende Wirkung, sounterfällt das Gesamtprodukt gemäß Artikel 1 Abs. 3

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zweiter Unterabsatz Richtlinie 93/42/EWG dem Medizin-produkterecht11.

Medizinprodukte mit Arzneimittelanteil unterliegen somithinsichtlich der Frage des Inverkehrbringens der Richtlinie93/42/EWG (Medizinprodukte, MDD). Die verwendetenArzneimittel unterfallen allerdings dem oben beschriebe-nen Arzneimittelbegriff des Gemeinschaftskodex. Würdeder Arzneimittelbestandteil also gesondert verwendet wer-den, so unterfiele er unmittelbar dem Arzneimittelrecht12.

Die Einstufung des Gesamtprodukts als Medizinprodukthat aber keine Auswirkung auf die Eigenschaft des Arznei-mittelanteils als solchem. Dieser bleibt Arzneimittel imSinne der Richtlinie 2001/83/EG, da es hierfür auf eine Zu-lassung nicht ankommt. Die Unterwerfung unter das Medi-zinprodukterecht betrifft lediglich die Frage des Inverkehr-bringens des Gesamtprodukts. Das enthaltene Arzneimittelhört deswegen nicht auf, Arzneimittel zu sein. Der Arznei-mittelanteil soll auch nach wie vor arzneilich wirken13.Wäre hier eine andere als eine arzneiliche Wirkung beab-sichtigt, wäre der Stoff � wie bereits oben beschrieben �mangels notwendiger Eigenschaften zur Heilung vonKrankheiten des Menschen gar kein Arzneimittel. Der Un-terschied zu einem (zugelassenen) Arzneimittel ist lediglich,dass die arzneiliche Wirkung hinter der beabsichtigtenHauptwirkweise des Medizinprodukts zurücktritt und nurHilfsfunktion ausübt.

Ob streng genommen der Arzneimittelanteil im Medizin-produkt ferner in den Mitgliedstaaten in den Verkehr ge-bracht, somit sogar Arzneimittel im Anwendungsbereichder Richtlinie 2001/83/EG sein könnte14 und aus diesemGrund von REACH auszunehmen wäre, kann allerdingsdahin stehen.

Denn auch aus einem anderem Grund ist es nicht notwen-dig, den Arzneimittelanteil bei Medizinprodukten REACHzu unterwerfen:

Medizinprodukte bedürfen vor dem Inverkehrbringen ei-nes Konformitätsbewertungsverfahrens, das die Überein-stimmung des Produkts mit den Anforderungen der ein-schlägigen Richtlinie prüft. Medizinprodukte mitArzneimittelanteil sind regelmäßig als Klasse III15 einge-stuft. Dies hat zur Folge, dass bei dem Bewertungsverfah-ren eine benannte Stelle mitzuwirken hat, die die durch den

10 § 38 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz AMG.11 Vgl. Anhalt/Dieners Handbuch des Medizinprodukterechts § 3 Rn. 24 ff.12 Anhang I Abschnitt 7.4 der Richtlinie 93/42/EWG sagt hierzu: „Gehört

zu den festen Bestandteilen eines Produkts [eines Medizinprodukts,Anm. des Verfassers] ein Stoff, der bei gesonderter Anwendung alsArzneimittel im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 2001/83/EG geltenkann […]“.

13 So soll ein Antibiotikum, das einem Knochenzement beigemischt wird,selbstverständlich weiterhin antibiotisch, also pharmakologisch, wir-ken. Der Schwerpunkt des Gesamtproduktes liegt indes auf der physi-kalischen Wirkweise des Zementes, der nach Aushärtung die Knochenbzw. Implantate stabilisiert, so dass das Gesamtprodukt als Medizin-produkt einzustufen und nach den entsprechenden Vorschriften desMedizinprodukterechts in Verkehr zu bringen ist.

14 Die Richtlinie 2001/83/EG stellt allein auf ein Inverkehrbringen ab,ohne zu statuieren, unter welchem Rechtsregime das Inverkehrbrin-gen erfolgt.

15 Vgl. Anhang IX Regel 13 Richtlinie 93/42/EWG.

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Wimmer, Arzneiwirkstoffe und REACH � AUFSÄTZE

Hersteller eingereichten Unterlagen prüft. Der Arzneimit-telanteil wird hierbei in einem sog. Konsultationsverfahrenvon einer Arzneimittelzulassungsbehörde geprüft, welchedurch die benannte Stelle einzubeziehen ist. Diese Prüfungist Pflicht, Anhang I Abschnitt 7.4 Richtlinie 93/42/EWG:

„Gehört zu den festen Bestandteilen eines Produkts einStoff, der bei gesonderter Anwendung als Arzneimittel imSinne des Artikels 1 der Richtlinie 2001/83/EG gelten kannund der in Ergänzung zu dem Produkt eine Wirkung aufden menschlichen Körper entfalten kann, sind die Qualität,die Sicherheit und der Nutzen dieses Stoffes analog zu denin der Richtlinie 2001/83/EG Anhang I genannten Verfah-ren zu überprüfen.

Für die in Absatz 1 genannten Stoffe ersucht die benannteStelle nach Überprüfung des Nutzens des Stoffes als Be-standteil des Medizinprodukts und unter Berücksichtigungder Zweckbestimmung des Produkts eine der zuständigenvon den Mitgliedstaaten benannten Behörden oder die Eu-ropäische Arzneimittel-Agentur (EMEA), vertreten insbe-sondere durch ihren gemäß Verordnung (EG) Nr. 726/2004 tätigen Ausschuss, um ein wissenschaftliches Gutach-ten zur Qualität und Sicherheit des Stoffes, einschließlichdes klinischen Nutzen-/Risiko-Profils der Verwendung desStoffes in dem Produkt. Bei der Erstellung des Gutachtensberücksichtigt die zuständige Behörde oder die EMEA denHerstellungsprozess und die Angaben im Zusammenhangmit dem Nutzen der Verwendung des Stoffes in dem Pro-dukt, wie von der benannten Stelle ermittelt.“

Arzneimittelbestandteile in Medizinprodukten werdenfolglich nach denselben Maßstäben geprüft wie „normale“Arzneimittel. Insbesondere werden die möglichen Umwelt-risiken geprüft, so dass auch hier das hohe Schutzniveaugewährleistet ist, das das Zulassungsverfahren von Arznei-mitteln fordert und was ausschlaggebender Grund für eineAusnahme von Arzneimitteln von den Titeln II, V, VI undVII der REACH-VO war.

Ein sachlich gerechtfertigter Grund, Arzneimittelbestand-teile in Medizinprodukten anders zu behandeln und regist-rieren zu müssen, besteht somit nicht. Daher ist es sinnvoll,auf das Registrierungserfordernis der verwendeten Arznei-mittelbestandteile zu verzichten.

IV. Exportarzneimittel:Stoffe doch registrierungspflichtig?

Es stellt sich die Frage, wie Arzneimittel im Sinne derRichtlinie 2001/83/EG, die ausschließlich für den Exportbestimmt sind, zu behandeln sind. Problematisch ist, dassdem Gemeinschaftskodex eine eigene Definition des Inver-kehrbringens fehlt, so dass diese Lücke durch Auslegungzu schließen ist.

Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung des Ge-meinschaftskodex in das deutsche Arzneimittelgesetz(AMG) das Inverkehrbringen umfassend als „das Vorrätig-halten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhal-ten, das Feilbieten und die Abgabe an andere“ definiert,§ 4 Abs. 17 AMG.

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Zwar ist umstritten, ob das Vorrätighalten zum Verkaufund Inverkehrbringen außerhalb des Geltungsbereichs desAMG eine Zulassungspflicht in Deutschland zur Folgehat16. Ein Inverkehrbringen im Sinne des AMG ist hier je-doch unstreitig gegeben.

Auf den Anwendungsbereich des Gemeinschaftskodexübertragen bedeutet dies, dass Arzneimittel � auch wennsie nur für den Export in Nicht-EU-Staaten hergestellt wer-den � allein aufgrund des Lagerns und Bereithaltens zurAbgabe an Dritte bereits in den Verkehr gebracht sind. Ex-portarzneimittel unterfallen daher dem Anwendungsbe-reich der Richtlinie 2001/83/EG und sind somit von derAusnahmeregelung des Artikel 2 Nr. 5a REACH-VO er-fasst. Die in Exportarzneimitteln enthaltenen Stoffe dürf-ten daher insbesondere nicht registrierungspflichtig sein.

Es wird erkennbar, dass die Frage der Ausnahme von derRegistrierungspflicht für Stoffe in Exportarzneimitteln es-sentiell davon abhängt, wie der Anwendungsbereich undinsbesondere das Inverkehrbringen im Sinne der Richtlinie2001/83/EG definiert wird. Legt man den Begriff des Inver-kehrbringens entgegen der vorstehend vorgeschlagenen Artund Weise aus und stellt auf die Abgabe an Dritte auf demjeweiligen (Ziel-)Markt ab, so wären Exportarzneimittelnicht „in den Mitgliedstaaten“ im Verkehr. Dann unterfie-len sie aber auch nicht der Richtlinie 2001/83/EG. Dannaber wären die in ihnen enthaltenen Stoffe vollumfänglichregistrierungspflichtig. Ein pharmazeutischer Hersteller,der ein und denselben Wirkstoff sowohl für die EU alsauch für das Nicht-EU-Ausland herstellt, müsste daher ei-nen Teil der Jahreswirkstoffmenge registrieren, sofern die1-t-Grenze überschritten wird. Dieses Ergebnis ist wenigpraktikabel und aus Sicht des Autors nicht sinnvoll.

V. Rezepturarzneimittel:Auch hier Registrierungspflicht?

Ebenfalls nicht ohne Probleme ist die Einordnungvon Rezeptur-Arzneimitteln (sog. formula magistralis undformula officinalis). Diese sind gemäß Artikel 3 Nr. 1 und2 der Richtlinie 2001/83/EG von den Bestimmungen desGemeinschaftskodex ausgenommen. Rezeptur-Arzneimit-tel unterfallen daher nicht dem Anwendungsbereich derRichtlinie 2001/83/EG und bedürfen auch keiner europäi-schen oder deutschen Zulassung.

Folglich greift aber auch die Ausnahmeregelung aus Arti-kel 2 Abs. 5 lit. a) REACH-VO nicht. Konsequenz hierauswiederum ist, dass Stoffe, welche von einem pharmazeuti-schen Unternehmen erstellt und zum Zwecke der Rezeptur-Herstellung an Apotheken geliefert werden, grundsätzlichregistriert werden müssen. Werden also dieselben Wirk-und Hilfsstoffe einerseits zur Herstellung von Fertigarznei-mitteln, welche das Zulassungsverfahren durchlaufen, ver-wendet, andererseits aber auch an Apotheken zur Rezep-tur-Herstellung geliefert, so sind diese betreffenden Stoffedann registrierungspflichtig, wenn bei der Lieferung anApotheken die Mengengrenze von 1 t/Jahr überschritten

16 verneinend Kloesel/Cyran Arzneimittelrecht Kommentar § 21 A 1.0Nr. 23 und 25; bejahend Sander Arzneimittelrecht § 21 Anm. 4.

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wird und es sich bei den gelieferten Wirkstoffen nicht umbereits zugelassene Arzneimittel handelt.

Auch dieses Ergebnis ist wenig praktikabel. Es ist sinnvoll,hier ebenfalls auf das Erfordernis einer Registrierung vonWirkstoffen in Rezepturarzneimitteln zu verzichten, da die-selben Stoffe in Fertigarzneimitteln verwendet und im dor-tigen Zulassungsverfahren ohnehin auf ihre möglichenUmweltrisiken geprüft werden. Mit der Verwendung dieserWirkstoffe in Rezepturarzneimitteln ändert sich an diesenRisiken nichts.

VI. Zusammenfassung:Bei der Beurteilung, ob die pharmazeutische Industrie vonREACH ausgenommen ist und inwieweit die Ausnahmere-gelungen gelten, wird deutlich, dass eine sehr differenzierteBetrachtung angezeigt ist. Das europäische Arzneimittel-recht, das Medizinprodukterecht und REACH sind nichtvollständig auf einander abgestimmt. Es ergeben sich Dys-balancen, vor allem im Bereich der Medizinprodukte mit

RECHTSPRECHUNG

Zahnbleichmittel sind nicht als Kosmetika, sondern alsMedizinprodukte zu bewertenMPG §§ 2 Abs. 5 Nr. 2, 34 Abs. 1; LMBG § 4

1. Nach § 34 Abs. 1 MPG hat das Regierungspräsidium alszuständige Behörde dem Hersteller auf Antrag für dieAusfuhr eine Bescheinigung über die Verkehrsfähigkeit ei-nes Medizinproduktes in Deutschland auszustellen.

2. Der Anspruch setzt voraus, dass es sich bei den fragli-chen Erzeugnissen um Medizinprodukte handelt unddiese in Deutschland verkehrsfähig sind.

3. Gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 2 MPG gilt das Medizinproduk-tegesetz nicht für kosmetische Mittel im Sinne des§ 4 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes� LMBG �.

4. Die Begriffsdefinitionen stehen in einem Ausschließ-lichkeitsverhältnis zueinander, so dass ein Erzeugnis nurentweder ein kosmetisches Mittel oder ein Medizinpro-dukt sein kann.

VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 02.01.2008 � 9 S 2089/06

SachverhaltDie Klägerin begehrt die Erteilung einer Exportbescheini-gung nach § 34 Abs. 1 des Gesetzes über Medizinproduktevom 02.08.1994 (BGBI. l S. 1963, zuletzt geändert durchGesetz vom 14.06.2007, BGBI. l S. 1066; Medizinproduk-

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Arzneimittelanteil und bei Rezepturarzneimitteln. Unge-klärt ist auch die Beurteilung von Exportarzneimitteln. Jenach Auslegung der REACH-VO und der Richtlinie 2001/83/EG können sich im Bereich der pharmazeutischen In-dustrie Konstellationen ergeben, in denen die Ausnahmere-gelung des Artikels 2 Abs. 5 lit. a) REACH-VO nicht grei-fen wird, weil Arzneimittel nicht gleich Arzneimittel sind.Die pharmazeutische Industrie ist also auch in diesem Be-reich von REACH stärker betroffen, als dies auf den erstenBlick erscheinen mochte.

Eine praxisorientierte Auslegung und Anwendung derREACH-VO an den Schnittstellen zwischen REACH-VOund Arzneimittelrecht ist notwendig. Die Feinheiten desArzneimittelrechts dürfen in diesem Zusammenhang nichtunterschätzt werden.

Anschrift des Verfassers:RA Michael WimmerBundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. � BAHUbierstraße 71�7353173 BonnE-Mail: [email protected]

tegesetz � MPG �) für die Ausfuhr zweier von ihr herge-stellter Zahnbleichmittel.

Die Klägerin ist eine in Baden-Württemberg ansässigeGmbH, die Dentalprodukte herstellt, darunter auch diestreitgegenständlichen Zahnbleichmittel „Illumine hörne“und „Illumine office“. Bei „Illumine hörne“ handelt es sichausweislich der Patienteninformation um ein „Bleichgel fürdie Anwendung zuhause“, das allein oder im Anschluss aneine Bleichtherapie in der Praxis verwendet werden kann.Das Produkt enthält als Wirkstoff Carbamidperoxid undwird in zwei verschiedenen Konzentrationen angeboten,nämlich mit 10% und mit 15% � was einem Wasserstoff-peroxidgehalt von rund 3,6% bzw. von rund 5,4% ent-spricht. Als Anwendungsgebiet sehen die Herstelleranga-ben folgende Indikationen vor:

1. Zahnverfärbungen, verursacht durch:

� Ablagerungen durch Nahrungsmittel, Getränke und Ta-bak mit Penetration in die Zahnsubstanz

� Altersbedingte degenerative Veränderungen

� Tetracyclinverfärbungen (ersten und zweiten Grades)oder Minocyclin-Medikamentation

� Fluorosis, vor allem braune Pigmentierung

� Pulpennekrose und/oder endodontische Behandlung.

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2. Maskierung von Schmelzflecken.

3. Genetisch bedingte dunkle Zähne.

4. Aufhellen von verfärbten Zähnen vor einer restaurati-ven und/oder prothetischen Maßnahme, z.B. Veneers.

Dabei werden die besten Resultate ausweislich der Ge-brauchsanweisung bei Patienten erzielt, deren Zähne zugelb, orange oder hellbraun verfärbt sind. Die Anwendungerfolgt durch Anbringen des Zahngels auf die Außenflächeder zu behandelnden Zähne sowie der Gel-Schiene, diewährend der Nacht oder nach Anweisung des Zahnarzteszu tragen ist.

„Illumine´ office“ ist als „professionelles Aufhellungssystemfür die Praxis“ deklariert und für denselben Anwendungs-bereich vorgesehen. Die Anwendung soll ausschließlichdurch den Zahnarzt erfolgen, der hierzu eine 15-prozentigeWasserstoffperoxidlösung verwendet. Die Lösung wirdvom Zahnarzt aus einem gelieferten Spritzenset zubereitet,das aus einer Spritze mit einer 30-prozentige Wasserstoff-peroxidlösung und einer Spritze mit Pulver besteht. NachHerstellung wird das Material in eine Mundschiene ge-presst und diese dem Patienten für 30 bis 60 Minuten ein-gesetzt.

Beide Produkte sind mit einer CE-Kennzeichnung versehenund von der Klägerin als Medizinprodukte der Klasse llain den Verkehr gebracht worden. Die hierfür erforderlicheAnzeige nach § 25 Abs. 1 MPG nahm die Klägerin mitSchreiben vom 23.07.2001 bzw. vom 16.12.2003 vor; da-bei war jeweils eine Kopie der Konformitätserklärung desTÜV München als Benannte Stelle beigefügt.

Mit Schreiben vom 28.04.2004 beantragte die Klägerin fürinsgesamt 15 ihrer Produkte die Ausstellung einer Ausfuhr-bescheinigung gemäß § 34 Abs. 1 MPG. Mit Bescheid vom03.06.2004 erteilte das Regierungspräsidium die Exportbe-scheinigung für 13 Produkte, lehnte jedoch die Ausstellungfür „Illumine hörne“ und „Illumine office“ ab. Bei derarti-gen Zahnbleichmitteln handle es sich nicht um Medizin-produkte sondern um Kosmetika, so dass die Verkehrsfä-higkeit als Medizinprodukt auch nicht bescheinigt werdenkönne.

Die Klägerin hat am 30.06.2004 Klage zum Verwaltungs-gericht Freiburg erhoben und beantragt, das beklagte Landzur Erteilung einer Ausfuhrbescheinigung für die Produkte„Illumine hörne“ und „Illumine office“ nach Jordanien zuverpflichten. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vor-getragen, entgegen der Auffassung des Beklagten handle essich bei den streitigen Produkten um Medizinprodukte. Siewürden zur Behandlung von Zahnverfärbungen ange-wandt, die krankheits- oder altersbedingt, genetisch oderdurch Lebensmittel verursacht würden. Damit diene dasProdukt einem medizinischen Zweck, weil eine farblicheZahnveränderung ein Körperschaden sei. Darüber hinaussie auch der in der Gebrauchsanweisung ausgewiesene An-wendungsbereich weitgehend medizinischer Natur, weilnicht nur nahrungs- oder altersbedingte Zahnverfärbungenbehandelt werden könnten, sondern insbesondere auchkrankhafte und genetisch bedingte Pigmentierungen. DieBehandlung erfolge unter zahnärztlicher Betreuung, wobei„Illumine office“ nur in der Zahnarztpraxis, „Illumine

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hörne“ unter zahnärztlicher Aufsicht auch zu Hause ange-bracht werde. Das als Wirkstoff eingesetzte Wasserstoff-peroxid wirke nicht nur äußerlich, sondern dringe in denZahn ein und nehme dort eine mineralische Umwandlungder kristallinen Zahnsubstanz vor. Durch diese oxidativeVeränderung der die Verfärbung hervorrufenden Molekülewerde die Aufhellung bewirkt. Bereits diese Wirkungsweiselege nahe, dass es sich nicht um ein kosmetisches Produkthandeln könne. Darüber hinaus sei angesichts des hohenWasserstoffperoxidgehalts die aus der Einstufung als kos-metisches Mittel folgende unkontrollierbare Abgabe im Su-permarkt nicht vertretbar. Völlig zu Recht habe das OVGNordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 14.08.2003 (� 13A 5022/00�, ZLR 2004, 208) daher ein vergleichbares Pa-rallelprodukt als Medizinprodukt eingestuft. Die Richtig-keit dieses Ergebnisses folge im Übrigen schon daraus, dassdie Produkte andernfalls in Deutschland nicht verkehrsfä-hig seien. Denn angesichts des Wasserstoffperoxidgehaltsvon weit mehr als 0,1% sei der einschlägige Grenzwert ausder Kosmetikverordnung weit überschritten.

Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und zur Be-gründung ausgeführt, bei den streitgegenständlichen Zahn-bleichmitteln handle es sich nicht um Medizinprodukte.Die abweichende Entscheidung des OVG Nordrhein-West-falen gehe von einer unzutreffenden Definition der kosme-tischen Mittel aus. Denn das Tatbestandsmerkmal „äußer-lich“ in § 4 Abs. 1 LMBG beziehe sich lediglich auf dieAnwendung am Menschen, nicht aber auf die nachfolgendgeregelte Anwendung in dessen Mundhöhle. Dies ergebesich bereits aus der Satzstruktur der Vorschrift, insbeson-dere aber auch aus dem englischsprachigen Originaltextder Kosmetik-Richtlinie. Im Übrigen führe die Ablehnungder Eigenschaft als kosmetisches Mittel noch nicht zur An-nahme eines Medizinprodukts; hierfür sei vielmehr eineSubsumption unter die Kriterien des § 3 MPG erforderlich.Diese Möglichkeit bestehe jedoch nicht, weil die klinischeBleichung von Zähnen keine Behandlung oder Linderungvon Krankheiten darstelle. Eine produktspezifische Be-trachtung ergebe nichts anderes, weil die kosmetische Indi-kation klar überwiege. Dem stehe die Verabreichung durchden Zahnarzt im Falle des Produkts „Illumine office“ nichtentgegen. Dies werde durch den Parallelfall von Schön-heitsoperationen belegt, bei denen etwa zur Hautglättungärztliche Eingriffe wie Säure-Peelings, Botox-Verabrei-chungen, Lasern oder Unterspritzungen vorgenommenwürden. Auch insoweit erfolge also die Intervention einesArztes ohne medizinische Notwendigkeit. Schließlich seivon der Europäischen Kommission seit Jahren geplant,Zahnbleichmittel als kosmetische Mittel zu regeln und aufeinen maximalen Gehalt von 6% Wasserstoffperoxid zubegrenzen. Auch dies belege, dass es sich bei den Produk-ten nicht um Medizinprodukte handeln könne.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom27,06.2006 abgewiesen und zur Begründung im Wesentli-chen ausgeführt: Ein Anspruch auf Ausstellung der bean-tragten Exportzertifikate bestehe nicht, weil es sich bei denZahnbleichmitteln der Klägerin nicht um Medizinpro-dukte, sondern um Kosmetika handle. Zu Recht habe derBeklagte dabei darauf hingewiesen, dass der Begriff „äu-ßerlich“ in Art. 1 Abs. 1 der Kosmetik-Richtlinie 76/768

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sich nur auf die Anwendung am Körper, nicht aber auf dieAnwendung in der Mundhöhle beziehe. Zur Abgrenzungzwischen Medizinprodukten einerseits und Kosmetika an-dererseits sei auf die Zweckbestimmung abzustellen, diesich aus der stofflichen Zusammensetzung des Präparates,seiner Aufmachung und Darreichungsform sowie aus derArt seines Vertriebs erschließe. Entscheidend für den maß-geblichen Verwendungszweck sei demnach die in den Ge-brauchsanweisungen aufgeführte Indikation. Danachwerde die Anwendung der Produkte bei Zahnverfärbungenvorgesehen, deren Ursachen von den behandelten Personenin der Mehrzahl nicht als krankheitsbedingt wahrgenom-men werden würden. Da es nur um das Aussehen, nichtaber um die Funktionsfähigkeit oder Schmerzlosigkeit derZähne gehe, stehe der ästhetische Aspekte im Vordergrund.Zwar könne das Produkt � insbesondere bei der Behand-lung extremer Zahnverfärbungen � auch der Linderungvon Zahnkrankheiten dienen. Dieser Einsatz könne jedochnicht als Hauptanwendungsgebiet der streitgegenständli-chen Produkte betrachtet werden. Vielmehr ergebe sich be-reits aus der Reihenfolge der in den Gebrauchsanweisun-gen aufgeführten Indikationen, dass Zahnverfärbungen,die durch Nahrungsmittel, Getränke und Tabak verursachtworden sind, an erster Stelle stünden und als Hauptanwen-dungsgebiet der Produkte betrachtet werden könnten. Dadas Vorliegen eines Medizinproduktes somit nicht zurÜberzeugung des Gerichts vorliege, müsse die Klage abge-wiesen werden.

Gegen das ihr am 04.08.2006 zugestellte Urteil hat die Klä-gerin am 31.08.2006 die vom Verwaltungsgericht zugelas-sene Berufung eingelegt und diese am 02.10.2006 begrün-det.

Aus den GründenDie vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeu-tung der Rechtssache zugelassene und auch sonst zulässigeBerufung, über die der Senat mit Einverständnis der Betei-ligten gemäß §§125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO ohnemündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet.Das Verwaltungsgericht hätte die Klage nicht abweisendürfen, weil der Klägerin ein Anspruch auf die Ausstellungeiner Bescheinigung über die Verkehrsfähigkeit ihrer Pro-dukte „Illumine hörne“ und „Illumine office“ als Medizin-produkte in Deutschland für die Ausfuhr nach Jordanienzusteht.

Nach § 34 Abs. 1 MPG hat das Regierungspräsidium � alsdie gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung des Sozialministeri-ums, des Wirtschaftsministeriums und des MinisteriumsLändlicher Raum über Zuständigkeiten nach dem Arznei-mittelgesetz, dem Gesetz über die Werbung auf dem Ge-biete des Heilwesens, dem Transfusionsgesetz, dem Medi-zinproduktegesetz, dem Gesetz über das Apothekenwesenund dem Betäubungsmittelgesetz vom 17. Oktober 2000(GBI. S. 694, zuletzt geändert durch Verordnung vom 21.Juli 2006, GBI. S. 277) zuständige Behörde � dem Herstel-ler auf Antrag für die Ausfuhr eine Bescheinigung über dieVerkehrsfähigkeit des Medizinproduktes in Deutschlandauszustellen. Der Anspruch setzt daher voraus, dass es sich

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bei den fraglichen Erzeugnissen um Medizinprodukte han-delt und diese in Deutschland verkehrsfähig sind.

1. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat,wäre dies nicht der Fall, wenn die von der Klägerin herge-stellten Zahnbleichmittel als Kosmetika zu bewerten wä-ren. Denn gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 2 MPG gilt das Medizin-produktegesetz nicht für kosmetische Mittel im Sinne des§ 4 des Lebensmittel-und Bedarfsgegenständegesetzes �LMBG �. Die Begriffsdefinitionen stehen damit in einemAusschließlichkeitsverhältnis zueinander, so dass ein Er-zeugnis nur entweder ein kosmetisches Mittel oder ein Me-dizinprodukt sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom18.12.1997 � 3 C 46.96 �, BVerwGE 106, 90). Diese Sys-tematik entspricht den europarechtlichen Vorgaben ausArt. 1 Abs. 5 Ziffer d) der Medizinprodukte-Richtlinie 93/42 (Richtlinie des Rates vom 14.06.1993 über Medizinpro-dukte, ABI.EG Nr. L 169 vom 12.07.1993, S. 1). Der Ver-weis auf § 4 des zwischenzeitlich außer Kraft getretenenLMBG ist durch § 4 Abs. 1 des Gesetzes über den Über-gang auf das neue Lebensmittel- und Futtermittelgesetzvom 01.09.2005 (BGBI. l S. 2653) übergeleitet und gilt alsVerweis auf § 2 Abs. 5 des nunmehr anzuwendenden Le-bensmittel-und Futtermittelgesetzbuches vom 01.09.2005(BGBI. l S. 2618, zuletzt geändert durch Gesetz vom05.11.2007, BGBI. l S. 2558; � LFGB �). Die hier proble-matische Abgrenzung zwischen Medizinprodukten einer-seits und kosmetischen Mitteln andererseits hat daher nachMaßgabe des § 2 Abs. 5 LFGB zu erfolgen. Wenn die hie-rin statuierten Voraussetzungen für die Annahme eineskosmetischen Mittels erfüllt sind, unterfällt das Produktnicht dem Geltungsbereich des Medizinproduktegesetz, sodass eine Ausfuhrbescheinigung nach § 34 Abs. 1 MPGauch nicht ausgestellt werden kann.

2. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 5 Satz 1 LFGBsind kosmetische Mittel Stoffe oder Zubereitungen ausStoffen, die ausschließlich oder überwiegend dazu be-stimmt sind, äußerlich am Körper des Menschen oder inseiner Mundhöhle zur Reinigung, zum Schutz, zur Erhal-tung eines guten Zustandes, zur Parfümierung, zur Verän-derung des Aussehens oder dazu angewendet zu werden,den Körpergeruch zu beeinflussen. Diesen Merkmalen ent-sprechen die Zahnbleichmittel der Klägerin indes nicht.

a) Entgegen der Auffassung des OVG Nordrhein-Westfa-len (Beschluss vom 14.08.2003 � 13 A 5022/00�, ZLR2004, 208) ergibt sich dies jedoch nicht bereits daraus,dass Zahnbleichmittel nicht dazu bestimmt sind, „äußer-lich am Menschen oder in seiner Mundhöhle angewendetzu werden“.

aa) Allerdings ist fraglich, ob dies schon daraus folgt, dassdas Wort „äußerlich“ in der in § 2 Abs. 5 LFGB enthalte-nen Formulierung: „äußerlich am Körper des Menschenoder in seiner Mundhöhle“ nicht auf die Mundhöhle bezo-gen ist, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat.Hierfür könnte zwar der Wortlaut der Bestimmung spre-chen, denn das Merkmal „äußerlich“ wird nur im Zusam-menhang mit der Anwendung am Körper des Menschen,nicht jedoch mit der Anwendung „in seiner Mundhöhle“gebraucht. Die sprachliche Auslegung führt allerdingsnicht zu einem eindeutigen Ergebnis, weil die Formulierung

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durchaus die Deutung zulässt, dass sich die eingrenzendeBestimmung „äußerlich“ auch auf den nachfolgenden Satz-teil bezieht. Dem einengenden Verständnis könnte indesauch ein Sinn zukommen, weil die Anwendung eines Mit-tels in der Mundhöhle gerade nicht äußerlich am Körpererfolgt und daher eine eigenständige Aufzählung erforder-lich macht. Bei der ausdrücklich geregelten Anwendung ei-nes Mittels in der Mundhöhle könnte es sich daher um eineAusnahme zu dem zuvor genannten Grundsatz der äußerli-chen Anwendung handeln (so Reinhart, in: Meyer/Streinz,LFGB-Kommentar, 2007, §2 Rdnr. 103).

Gegen diese Interpretation sprechen jedoch Sinn und For-mulierung der Begriffsdefinition in Art. 1 Abs. 1 der Kos-metik-Richtlinie 76/768 (Richtlinie des Rates vom27.07.1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften derMitgliedstaaten über kosmetische Mittel; ABI.EG Nr. L262 vom 27.08.1976, S. 169). Die Vorschrift lautet:

„Kosmetische Mittel sind Stoffe oder Zubereitungen, diedazu bestimmt sind, äußerlich mit den verschiedenen Tei-len des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem,Nägel, Lippen und intime Regionen) oder mit den Zähnenund den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zukommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwie-genden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aus-sehen zu verändern und/oder den Körpergeruch zu beein-flussen und/oder um sie zu schützen oder in gutem Zustandzu halten.“

Auch in dieser Bestimmung wird zwar das Attribut „äußer-lich“ ausschließlich im Zusammenhang „mit den verschie-denen Teilen des menschlichen Körpers“ verwendet, nichtaber in Bezug auf die Anwendung an „den Zähnen undden Schleimhäuten der Mundhöhle“. Bereits die nachfol-gende Formulierung des „in Berührung kommens“ deutetindes darauf hin, dass hiermit grundsätzlich eine äußerlicheAnwendung gemeint ist � und die ausdrückliche Erwäh-nung im ersten Satzteil daher nur bestätigende Bedeutunghat. Insbesondere aber wird diese Zielsetzung der gemein-schaftsrechtlichen Begriffsbildung unmissverständlich inden Erwägungsgründen zum Ausdruck gebracht. Denn inAbsatz 5 der Erwägungsgründe der Kosmetik-Richtlinie76/768 wird ausdrücklich klargestellt, dass „Mittel, diedazu bestimmt sind, eingenommen, eingeatmet, einge-spritzt oder in den menschlichen Körper eingepflanzt zuwerden, nicht in den Bereich der kosmetischen Erzeugnissegehören“. Das Einspritzen eines Mittels in das Zahninnereerfüllt demnach die Voraussetzungen des „mit den Zähnenin Berührung kommens“ im Sinne des Art. 1 Abs. 1 derKosmetik-Richtlinie 76/768 nicht.

Da die in § 2 Abs. 5 LFGB enthaltende Definition der Um-setzung der Kosmetik-Richtlinie 76/768 dient (vgl. BT-Drs.15/3657, S. 59), ist nach Möglichkeit eine Auslegung derVorschrift zu vermeiden, die zu unterschiedlichen Ergebnis-sen führen würde. Dem dient die Erstreckung des Wortes„äußerlich“ auf die Anwendung eines Mittels in derMundhöhle, weil damit deutlich wird, dass Einspritzungenu.a. hiervon nicht erfasst sind.

bb) Die Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Ent-scheidung, weil die streitgegenständlichen Zahnbleichmit-tel äußerlich mit den Zähnen in Berührung kommen (vgl.

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Art. 1 Abs. 1 der Kosmetik-Richtlinie 76/768) bzw. äußer-lich in der Mundhöhle des Menschen angewendet werden(vgl. § 2 Abs. 5 LFGB). Die gegenteilige Auffassung desOVG Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 14.08.2003(� 13 A 5022/00�, ZLR 2004, 208) verkennt, dass hierfürnur die Art der Anwendung, nicht jedoch die Wirkungs-weise ausschlaggebend sein kann. Die Tatsache, dassZahnbleichmittel, die den Wirkstoff Wasserstoffperoxidenthalten, ihre Wirkung nicht äußerlich, sondern im Zahnselbst entfalten, ist daher unerheblich.

Dies ergibt sich zunächst aus dem insoweit eindeutigenWortlaut des § 2 Abs. 5 LFGB, der ausdrücklich von derBestimmung spricht, äußerlich „angewendet“ zu werden.Äußerliche Anwendung einerseits und äußerliche Wirkungandererseits aber sind bereits vom Begriffsverständnis herdeutlich unterschiedene Termini. Insbesondere aber lässtsich die vom OVG Nordrhein-Westfalen vertretene Auffas-sung mit dem Begriffsverständnis der Kosmetik-Richtlinie76/768 nicht vereinbaren. Dies gilt zunächst hinsichtlichdes Wortlauts der Begriffsdefinition in Art. 1 Abs. 1 derRichtlinie, in der maßgeblich auf ein „in Berührung kom-men“ abgestellt wird. Noch deutlicher als im Falle derWortwahl des § 2 Abs. 5 LFGB wird mit dieser Formulie-rung veranschaulicht, dass es insoweit auf die Frage, wound wie das Mittel seine Wirksamkeit entfaltet, nicht an-kommen kann. Denn unabhängig von der Frage des Wir-kungsortes, werden die wasserstoffperoxidhaltigen Zahn-bleichmittel jedenfalls äußerlich aufgebracht und kommendaher mit den Zähnen in Berührung. Deutlich wird die In-tention der gemeinschaftsrechtlichen Begriffsbildung je-doch insbesondere in dem bereits zitierten Absatz 5 derErwägungsgründe der Kosmetik-Richtlinie 76/768, in demklargestellt wird, dass „Mittel, die dazu bestimmt sind, ein-genommen, eingeatmet, eingespritzt oder in den menschli-chenKörper eingepflanzt zuwerden, nicht in denBereich derkosmetischen Erzeugnisse gehören“.Maßgeblich für die mitden Begriffsbestimmungen angestrebte „deutliche Tren-nung“ zwischen kosmetischen Erzeugnissen und anderenMitteln ist daher, dass Kosmetika mit Haut, Behaarungssys-tem, Nägeln, Lippen, intimen Regionen, Zähnen oder denSchleimhäuten der Mundhöhle von außen her in Berührungkommen. Nicht vom kosmetischen Anwendungsbereich er-fasst sind dagegen Stoffe, die dazu bestimmt sind, in denmenschlichen Körper eingeführt zu werden (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht-Kommentar, Stand: Juli 2007, C101, Art. 2 Rdnr. 103).

Dass die Einwirkung des Mittels auf innere Körperteile derEinstufung als Kosmetikum nicht entgegensteht, wird über-dies durch das Gesamtregelungssystem der Kosmetik-Richt-linie 76/768 belegt. Denn die in Art. 1 Abs. 2 i.V.m. An-hang I der Richtlinie beispielhaft genannten kosmetischenMittel entfalten ihre Wirkung teils erst durch Einwirkungund damit nicht „äußerlich“ (vgl. etwa die dort aufgeführtenHautpflegecremes, Schönheitsmasken, ohne Sonneneinwir-kung bräunenden Mittel, Hautbleichmittel oder Antifalten-mittel). Auch die systematische Betrachtung der Kosmetik-Richtlinie 76/768 zeigt daher, dass die Einwirkung einesMittels auf innere Körperteile der Einstufung als kosmeti-sches Mittel nicht entgegensteht, sofern dieses äußerlich an-gewendet wird.

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Schließlich entspricht diese Einordnung der herrschendenAuffassung in der wissenschaftlichen Literatur (vgl. Rein-hart, in Meyer/Streinz, LFGB-Kommentar, 2007, § 2 Rdnr.102; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht-Kommentar, Stand:Juli 2007, C 101, Art. 2 Rdnr. 106) und den aus der Recht-sprechung des Europäischen Gerichtshofs zu entnehmendenHinweisen. Denn im Urteil „Upjohn“ ist ausdrücklich fest-gestellt worden, dass es bestimmteKosmetika gebe, die zwarauf denmenschlichenKörper einwirken, sich aber nicht nen-nenswert auf den Stoffwechsel auswirken (vgl. EuGH,Urteilvom 16.04.1991 � C-112/89�, Slg. 1991, 1-1703, Rdnr.22). Diese Aussage setzt aber voraus, dass die „Einwirkung“immenschlichenKörper derQualifizierung als kosmetischesMittel nicht entgegensteht.

Unabhängig von der Frage, wie und wo die Zahnbleichmit-tel ihre Wirkung entfalten, erfüllen sie daher die für die Ein-ordnung als kosmetisches Mittel erforderliche äußerlicheAnwendung bzw. das äußerliche in Berührung kommen,weil die streitgegenständlichen Produkte entweder unmittel-bar oder durch das Aufbringen der Mundschiene von außenher auf die zu behandelnden Zähne aufgebracht werden.

b) Gleichwohl erfüllen die von der Klägerin hergestelltenZahnbleichmittel nicht die Voraussetzungen für die An-nahme eines kosmetischenMittels.

aa) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassungfolgt dies jedoch nicht bereits daraus, dass andernfalls fürihre Zahnbleichmittel ein völliges Vertriebsverbot inDeutschland bestehen würde. Jedenfalls ergibt sich derarti-ges nicht aus der Tatsache, dass in Anhang III Nr. 12 derKosmetik-Richtlinie 76/768Mundpflegemittel nur bis zu ei-nem Wasserstoffperoxidgehalt von 0,1% zugelassen sind.Denn bei den streitgegenständigen Zahnbleichmitteln han-delt es sich nicht um „Mundpflegemittel“, so dass insoweitauch nicht die für diese aufgestellten Wasserstoffperoxid-höchstgrenzen gelten (vgl. hierzu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.08.2003 � 13 A 5022/00 �,ZLR 2004, 208). Dieses Ergebnis liegt auf der Hand, weildie jeweils zulässige Höchstkonzentration je nach Anwen-dungsgebiet und/oder Verwendung differiert. Dass aber fürein Mundpflegemittel, das eine andere Zweckbestimmungaufweist, unterschiedlich angewendet und regelmäßig auchmit den Mundschleimhäuten in Verbindung gebracht wer-den wird, andere Bedingungen gelten als für Zahnbleichmit-tel, ist offenkundig (vgl. auch EuGH,Urteil vom29.04.2004� C-150/00 �, Rdnr. 75 zur Abhängigkeit der Grenzwertevon der bestimmungsgemäßen Anwendungsweise).

bb) Zu Recht hat das beklagte Land auch darauf hingewie-sen, dass die Einstufung der streitigen Zahnbleichmittel alsMedizinprodukt nicht zwingend daraus folgt, dass diese -je-denfalls im Falle von „Illumine office“ � durch einen Zahn-arzt angewendet werden. Denn die Kriterien für die Einstu-fung eines Produktes einerseits und einer Tätigkeitandererseits sind nicht identisch. Es entspricht vielmehrständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,dass die kosmetische Zielsetzung eines Eingriffs in den Kör-per die Bewertung nicht ausschließt, der Eingriff sei der Aus-übung der Heilkunde zumindest gleichzustellen und damiterlaubnispflichtig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.06.2007� 3 B 82/06 �, NVwZ-RR 2007, 686). Maßgeblich hierfür

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ist die Erkenntnis, dass auch Eingriffe, die zu ästhetischenZwecken vorgenommen werden, gesundheitliche Schädi-gungen verursachen können und daher dem Schutzzweckdes Heilpraktikergesetzes unterfallen. Schönheitskorrektu-ren, die ihrer Methode nach der ärztlichen Krankenbehand-lung gleichkommen und ärztliche Fachkenntnisse vorausset-zen sowie gesundheitliche Schädigungen verursachenkönnen, unterliegen daher der Erlaubnispflicht des Heil-praktikergesetzes (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.10.1958 �1 C25/56 �, NJW1959, 833; Urteil vom18.12.1972 � 1 C2/69 �, NJW 1973, 579; Urteil vom 11.11.1993 � 3 C 45/91 �, BVerwGE 94, 269 sowie Beschluss des erkennendenSenats vom 10.07.2006 � 9 S 519/06 �, ESVGH 57, 27).Diese Schlussfolgerung ist jedoch an der Gefährlichkeit desEingriffs orientiert und damit auf die Tätigkeit bezogen. Sieergibt daher nichts für die Einstufung der bei einem Eingriffverwendeten Instrumente und Produkte; jedenfalls kann ausder Tatsache, dass die Produkte auch von Ärzten gebrauchtwerden, nicht gefolgert werden, es handle sich umMedizin-produkte (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.09.1965 � 1 C 105/63 �, NJW 1966, 418). Die Tatsache, dass die streitgegen-ständlichen Produkte� jedenfalls teilweise� nur vonZahn-ärzten verwendet werden sollen, führt daher nicht zwangs-läufig zur Einstufung als Medizinprodukt.

3. Es fehlt aber an der für die Annahme eines kosmetischenMittels erforderlichen überwiegend kosmetischenZweckbe-stimmung.

a) Maßgeblich für die Einordnung eines Stoffes als kosmeti-sches Mittel ist nach der insoweit übereinstimmenden For-mulierung in § 2 Abs. 5 LFGB und Art. 1 Abs. 1 der Kosme-tik-Richtlinie 76/768 seine Zweckbestimmung. Diesebestimmt sich nach einem abstrakt-objektivenMaßstab (ab-weichend von der in § 3 Nr. 1 MPG � in Übereinstimmungmit Art. 1 Abs. 1 Ziffer a) der Medizinprodukte-Richtlinie93/42 (Richtlinie des Rates vom 14.06.1993 über Medizin-produkte, ABI.EG Nr. L 169 vom 12.07.1993, S. 1) � ge-troffenenRegelung, nach der für die Einstufung alsMedizin-produkt maßgeblich auf die subjektive Zweckbestimmungdes Herstellers abzustellen ist). Ebenso wie für die Qualifi-zierung als Arzneimittel in § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG (vgl.hierzu BVerwG, Urteil vom 24.11.1994�2 C 2.93�,BVerwGE 97, 132 [135]) ist daher entscheidend, wie dasProdukt einem durchschnittlich informierten Verbrauchergegenüber in Erscheinung tritt (vgl. EuGH, Urteil vom15.11.2007 � C-319/05 �, Rdnr. 47; Zipfel/Rathke, Le-bensmittelrecht-Kommentar, Stand: Juli 2007, C 101, Art. 2Rdnr. 95: „allgemeine Verkehrsauffassung“). Für die Ab-grenzungsentscheidung sind daher alle Merkmale des Er-zeugnisses, insbesondere seine Zusammensetzung, seine Ei-genschaften, die Modalitäten seines Gebrauchs, die äußereForm und Aufmachung, der Umfang seiner Verbreitung,seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, dieseine Verwendungmit sich bringen kann, zu berücksichtigen(vgl. EuGH, Urteil vom 09.06.2005 � C-211/03 u.a. �, Slg.2005, 1�5141, Rdnr. 30).

b) Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auf-fassung lässt sich ein Überwiegen der kosmetischen Zweck-bestimmung nicht aus den in den Gebrauchsanweisungender Zahnbleichmittel aufgeführten Indikationen entneh-men.

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RECHTSPRECHUNG

aa) Dies ergibt sich bereits aus dem rechtlichen Maßstab.Denn das Verwaltungsgericht hat es für erforderlich gehal-ten, dass der Einsatz der streitgegenständlichen Zahnbleich-mittel zur Linderung von Zahnkrankheiten das „Hauptan-wendungsgebiet“ der Produkte sei (vgl. S. 9 f.). DieseEinordnung ist mit § 2 Abs. 5 LFGB jedoch nicht vereinbar,da nach dieser Bestimmung vielmehr umgekehrt eine „aus-schließliche oder überwiegende“ Bestimmung für kosmeti-sche Zwecke Voraussetzung für die Annahme eines kosmeti-schenMittels ist.

bb) Unabhängig hiervon folgt der Senat auch den angestell-ten Subsumtionserwägungen des Verwaltungsgerichts nicht.Denn entgegen der in der Entscheidung vertretenen Auffas-sung, kann der Reihenfolge der in der Gebrauchsanweisungaufgeführten Indikationen keine quantitative Bedeutung zu-gemessen werden. Die Annahme, die an erster Stelle der Ge-brauchsanweisung benannten Zahnverfärbungen, die durchNahrungsmittel, Getränke und Tabak verursacht wordensind, müssten auch als Hauptanwendungsgebiet der streit-gegenständlichen Produkte betrachtet werden, entbehrt ei-ner tragfähigen Grundlage. Dies folgt im Übrigen schon al-lein daraus, dass neben der vom Verwaltungsgerichtherausgegriffenen Indikation der Ablagerung durch Nah-rungsmittel, Getränke und Tabak insgesamt sieben weitereAnwendungsbereiche benannt sind und der bloßen Reihen-folge sicherlich nicht entnommen werden kann, dass der anerster Stelle genannteVerwendungszweck häufiger anzutref-fen sei, als alle nachfolgenden.

Auch die weitere Annahme, es spreche einiges dafür, dassZahnbleichmittel vor allem bei leichten Zahnverfärbungenangewendet würden, entbehrt einer nachvollziehbaren Tat-sachengrundlage, Ausweislich der Gebrauchsanweisungwerden die besten Resultate vielmehr bei Patienten erzielt,deren Zähne zu gelb, orange oder hellbraun verfärbt sind.Jedenfalls die vom Verwaltungsgericht zur Begründung he-rangezogenenHerstellerangaben geben deshalb nichts dafürher, dass die Zahnbleichmittel überwiegend nur zur Korrek-tur leichter Zahnverfärbungen dienen würden.

cc) Unbeschadet der Tatsache, dass statistisches Materialzur quantitativenAufschlüsselung des tatsächlichenEinsatz-bereichs entsprechender Zahnbleichmittel nicht vorhandenist, lässt sich den in der Gebrauchsanweisung aufgeführtenIndikationen jedenfalls nichts für ein Überwiegen der kos-metischen Zweckbestimmung entnehmen. Ausweislich derHerstellerangaben sind vielmehr mehrere Anwendungsbe-reiche benannt, die der Linderung von Zahnerkrankungendienen und damit medizinischer Natur sind. Die aufgeführ-ten Indikationen sprechen daher eher dafür, dass bei einemdurchschnittlich informierten Verbraucher der Eindruckentsteht, dass die Produkte in Anbetracht ihres Verwen-dungsbereichs medizinische Eigenschaften haben müssenund der Einsatzbereich daher nicht überwiegend nur kosme-tischer Natur ist.

Darüber hinaus kann auch dieWertung des § 1Abs. 3 Satz 2des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde in derFassung der Bekanntmachung vom 16.04.1987 (BGBl. IS. 1225, zuletzt geändert durch Gesetz vom 31.10.2006,BGBl. I S. 2407) nicht außer Betracht bleiben, wonach alsKrankheit jede von der Norm abweichende Erscheinung im

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Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehenist. Jedenfalls Zahnverfärbungen von nicht unerheblichemAusmaß können daher nicht von vornherein und grundsätz-lich aus dem Bereich medizinischer Indikation ausgeschlos-sen werden, selbst wenn sie durch Ablagerungen von Nah-rungsmittel, Getränken oder Tabak begründet sind (vgl.Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht-Kommentar, Stand: März2007, A 1.0 Arzneimittelgesetz, §2 Rdnr. 159 „Zahnwei-ßer“). Gerade auf derartige Verfärbungen „zu gelb, orangeoder hellbraun“ zielt die Patienteninformation aber ab. Dementspricht auch der hohe Wasserstoffperoxidgehalt der vonder Klägerin hergestellten Produkte, der für die Behandlungleichter Verfärbungen nicht erforderlich wäre (vgl. Anhalt/Dieners, Handbuch des Medizinprodukterechts, 2003, § 3Rdnr. 48).

c) Gegen die Annahme einer überwiegend kosmetischenZweckbestimmung der von derKlägerin hergestelltenZahn-bleichmittel sprechen jedoch insbesondere die neben demAnwendungsbereich zu berücksichtigenden weiteren Krite-rien.

aa) Dies gilt zunächst für die Zusammensetzung des Präpa-rats. Denn das von der Klägerin bei ihren Produkten alsWirkstoff verwendete Wasserstoffperoxid ist jedenfalls indieser Konzentration mit nicht ganz unerheblichen Gesund-heitsgefahren verbunden. Das Bundesinstitut für Risikobe-wertung kam in seinem Tagungsbericht vom 16. Juli 2003diesbezüglich zu demErgebnis, dass gesundheitliche Risikenbei Anwendung durch den Verbraucher nicht ausgeschlos-sen werden könnten. Wasserstoffperoxid habe ein schwachkanzerogenes Potential, darüber hinaus könne auch ein ge-notoxisches Potential nicht ausgeschlossen werden. Jeden-falls für bestimmte Risikogruppen � wie insbesondere An-wendermit vorgeschädigterMundschleimhaut, Alkoholikerund Raucher � sei die Anwendung des Präparates daherauszuschließen. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangte auchder von der Europäischen Kommission eingesetzte Wissen-schaftliche Ausschuss „Konsumgüter“ (SCCP) in seinem„Gutachten zu Wasserstoffperoxid in Zahnbleichmitteln“aus dem Jahr 2005 (SCCP/0844/04). Auch dort wird auf dieschwach krebsfördernde Wirkung von Wasserstoffperoxidhingewiesen, sowie darauf, dass erhöhte Zahnempfindlich-keit undReizungen imMundraumhäufig unerwünschteNe-benwirkung einer Behandlung mit Zahnbleichmitteln sei.Nach bestehenden Schätzungen gehe man davon aus, dass25% des beim Bleichen der Zähne angewendeten Wasser-stoffperoxids geschluckt werde. Ab einer Wasserstoffper-oxidkonzentration von 0,1% sei das Zähnebleichen dahermehr als nur eine einfache kosmetische Anwendung. InÜbereinstimmung hierzu hat der Europäische Gesetzgeberdie zulässige Höchstkonzentration von Wasserstoffperoxidfür kosmetische Mittel im Anhang III Nr. 12 der Kosmetik-Richtlinie 76/768 reglementiert und begrenzt.

bb) Gegen ein Überwiegen der kosmetischen Zweckbestim-mung sprechen auch Eigenschaften und Wirkungsweise derstreitgegenständlichen Zahnbleichmittel. Denn anders alsrein abrasiv wirkende Zahnweißer entfalten wasserstoffper-oxidhaltige Zahnbleichmittel eine Wirkung im Zahn selbst.Das bereits benannte SCCP-Gutachten führt hierzu aus, dassPeroxide in den Zahn eindringen und mit den zahnverfär-benden Molekülen reagieren. Wasserstoffperoxid durch-

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dringe den Zahnschmelz relativ leicht und gelange so in dasZahnbein und die Zahnpulpa. Verschiedentlich komme esdabei zu leichten Entzündungen der Zahnpulpa, gesundeZähne seien hiervon jedoch im Allgemeinen nicht betroffen.Dies liege voraussichtlich daran, dass der Wasserstoffper-oxidgehalt der Produkte für eine Schädigung nicht ausrei-che. Schädigungen im Zahnschmelz würden in den meistenStudien nicht berichtet, gelegentlich sei der Zahnschmelzjedoch poröser geworden, was zu Kerben, Kratzern undMi-neralverlust der Zahnsubstanz führen könne. Auch die Ei-genschaften und diemit demGebrauch der streitgegenständ-lichen Zahnbleichmittel verbundenen Risiken sprechendaher jedenfalls nicht für die Einstufung als kosmetischesMittel.

cc) Gleiches gilt � jedenfalls für das zur Verabreichungdurch den Zahnarzt vorgesehene Zahnbleichmittel „Illu-mine office“ � auch für die Gebrauchsmodalitäten. Dennwenngleich die Applikation durch einen Arzt oder Zahnarztzwar�wie oben ausgeführt� nicht zwingend der Annahmeeines kosmetischen Mittels entgegensteht, spricht diese An-wendungsform jedoch auch nicht für das Vorliegen eineskosmetischen Mittels. Vielmehr dürfte dieser Umstand ausder Sicht des betroffenen Verbrauchers in nicht unerhebli-chem Maße für eine Einordnung jenseits bloßer Kosmetiksprechen. Dementsprechend führen auch die alternativ zuden Zahnbleichmitteln durchführbaren Behandlungsalter-nativen jedenfalls im Falle starker Zahnverfärbung zur Not-wendigkeit einer zahnärztlichen Behandlung (vgl. Anhalt/Dieners, Handbuch des Medizinprodukterechts, 2003, § 3Rdnr. 49 unter Hinweis auf die Einfügung von Blendschalenoder Kronen).

dd) Schließlich kann bei der Abgrenzung nicht unberück-sichtigt bleiben, dass die Klägerin eine CE-Kennzeichnungeingeholt und die Präparate selbst als Medizinprodukteklassifiziert hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.12.1996 �3 C 16/95 �, Buchholz 418.32 AMG Nr. 28; Stumpf, ZLR2004, 221 <223>). Auf diese Einstufung durch den Her-steller selbst hat auch derGesetzgeber des Lebensmittel- undFuttermittelgesetzbuchs rekurriert, und� derHerstellerpra-xis folgend � Reinigungs- und Pflegemittel von Zahnersatznicht mehr als kosmetische Mittel deklariert (vgl. BT-Drs.15/3657, S. 59).

Vergleichende Werbung für orthopädische Produkte, diesich ohne sachliche Rechtfertigung an den guten Ruf desKonkurrenten anlehnt, ist unlauterUWG §§ 3, 6 Abs. 2 Nr. 4, 8 Abs. 1, 9

1. Die Unlauterkeit der Werbung resultiert nicht schondaraus, dass Bestandteil der angegriffenen Werbebro-schüre ein umfassender und als solcher auch bezeichneter„Sortimentsvergleich“ ist.2. Auch ein ganze Sortimente einschließender Warenver-gleich ist nämlich nicht grundsätzlich unzulässig. Ihre be-

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ee) Bei der für die Abgrenzungsentscheidung maßgeblichenGesamtschau aller Merkmale der streitigen Zahnbleichmit-tel der Klägerin kann daher jedenfalls das nach § 2 Abs. 5LFGB erforderliche Überwiegen der kosmetischen Zweck-bestimmung nicht festgestellt werden. Die Versagung der be-gehrten Ausfuhrbescheinigung kann somit nicht auf denAusschlusstatbestand des § 2 Abs. 5 Nr. 2 AMG gestütztwerden.

4. Die streitgegenständlichen Zahnbleichmittel erfüllenauch die Voraussetzungen für die Annahme eines Medizin-produkts. Es handelt sich bei „Illumine hörne“ und „Illu-mine office“ um Gegenstände, die vom Hersteller zur An-wendung für Menschen mittels ihrer FunktionsfähigkeitzumZwecke der Behandlung oder Linderung vonKrankhei-ten zu dienen bestimmt sind (vgl. § 3 Nr. 1 a MPG bzw.Art. 1 Abs. 2 Ziffer a) der Medizinprodukte-Richtlinie 93/42). Ausweislich der Feststellungen des OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 14.08.2003 � 13 A 5022/00�,ZLR 2004, 208) kommt derartigen Produkten einepharmakologischeWirkung (die zur Annahme eines Arznei-mittels zwingen würde) auch nicht zu (ebenso Kloesel/Cy-ran, Arzneimittelrecht-Kommentar, Stand: März 2007,A 1.0Arzneimittelgesetz, §2 Rdnr. 159 „Zahnweißer“). Ab-weichende Anhaltspunkte sind von den Beteiligten wedervorgetragen worden noch sonst in Literatur oder Rechtspre-chung ersichtlich; insbesondere kommt den Zahnbleichmit-teln keine Wirkung zu, mit der die Funktionsbedingungendes menschlichen Körpers nennenswert beeinflusst werdenkönnten (vgl. EuGH, Urteil vom16.04.1991� C-112/89�,Slg. 1-1703, Rdnr. 22). Die von der Klägerin hergestelltenZahnbleichmittel sind daher als Medizinprodukte anzuse-hen.

Sie erfüllen auch die weitere in § 34 Abs. 1 MPG aufgestell-ten Voraussetzungen der Verkehrsfähigkeit, weil sie mit ei-ner CE-Kennzeichnung versehen sind und die Einhaltungder grundlegenden Anforderungen durch die Konformitäts-erklärung einer Benannten Stelle bescheinigt worden ist (vgl.§ 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1MPG).

Da sonstige Anhaltspunkte, die dem Anspruch der Klägerinentgegenstehen könnten weder vorgetragen noch sonst er-sichtlich sind, ist der Beklagte daher verpflichtet, der Kläge-rin die beantragte Ausfuhrbescheinigung auszustellen. �

sondere Unlauterkeit erfahrt die Rufanlehnung aufgrunddes Umstands, dass die umfassende Produktgegenüber-stellung nicht durch ein Bedürfnis des (Fach-) Verkehrsnach Information und Aufklärung gerechtfertigt wird.

OLG Köln, Urt. v. 31.08.2007 � 6 U 42/07

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SachverhaltDie Parteien sind unmittelbare Wettbewerber bei dem Ver-trieb therapeutischer Orthopädieprodukte, unter anderemvon Bandagen und Orthesen. Die Klägerin hält die nach-folgend eingeblendete Broschüre „Hilfsmittelinformation“(Anlage K 8) der Beklagten unter mehreren Aspekten füreinen nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG unzulässi-gen Werbevergleich und nimmt die Beklagte auf Unterlas-sung, Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellungin Anspruch:

pp.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltswird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichenFeststellungen in dem Urteil des Landgerichts vom25.01.2007, mit welchem dieses der Klage insgesamt statt-gegeben hat, Bezug genommen. Mit ihrem Rechtsmittelverfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung unterWiederholung und Vertiefung ihres Rechtsstandpunktesweiter.

Aus den GründenDie Berufung ist zulässig. In der Sache bleibt sie ohne Er-folg. Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass dievorstehend wiedergegebene Werbung der Beklagten wett-bewerblich unlauter i.S. der §§ 3, 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG unddie Klage deshalb gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 9UWG begründet ist.

1. Es steht außer Frage, dass die auf die Klägerin und ihreProdukte unmittelbar namentlich Bezug nehmende Wer-bung einen Vergleich i.S. des § 6 Abs. 1 UWG darstellt.Nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG ist vergleichende Werbungunzulässig, wenn sie die Wertschätzung des von einem Mit-bewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weiseausnutzt oder beeinträchtigt. Die Verwendung von Unter-scheidungszeichen eines Mitbewerbers im Rahmen verglei-chender Werbung stellt allerdings für sich gesehen trotz derdamit einhergehenden Anlehnung an Ruf und Verkaufser-folg des Konkurrenten noch keine unlautere Rufausnut-zung in diesem Sinne dar, weil dieser Hinweis Vorausset-zung für einen wirksamen Wettbewerb auf dem fraglichenMarkt sein kann (vgl. EuGH GRUR 2002, 354, 356, Rn.53, 54 � Toshiba/Katun; BGH GRUR 2003, 444,445 �Ersetzt; BGH GRUR 2005, 163, 165-Aluminiumrä-der). Das wettbewerbsrechtliche Unwerturteil kann erstdann gerechtfertigt sein, wenn die Nennung fremder Mar-ken, Produkte oder sonstiger Unterscheidungszeichen beiden angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck hervor-ruft, dass diese Verkehrsteilnehmer den guten Ruf der Er-zeugnisse des Konkurrenten auf die Waren des verglei-chend Werbenden übertragen (EuGH a.a.O. Rn. 60 -Toshiba/Katun; BGH GRUR 2004, 607, 611 � Genealogieder Düfte). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist im Ein-zelfall insbesondere im Hinblick auf die Präsentation derWerbung, aber auch mit Blick auf die angesprochenen Ver-kehrskreise zu beurteilen, weil eine Rufübertragung imfraglichen Sinne bei Endverbrauchern wahrscheinlicher istals bei Fachkreisen (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 60 � Toshiba/Katun; BGH GRUR a.a.O. � Genealogie der Düfte).

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Der Senat folgt der Klägerin in ihrer Behauptung, dass ihrevon der Beklagten vergleichend in Bezug genommenen Wa-ren sich eines guten Rufs erfreuen (a). Nach Maßgabe dereingangs dargestellten Kriterien ist die angegriffene Wer-bung sodann als unzulässig zu beurteilen, weil sie die Wert-schätzung der klägerischen Produkte unlauter ausnutzt (b).

a) Die Klägerin ist für sämtliche Voraussetzungen einer i.S.des § 6 Abs. 2 UWG unzulässigen vergleichenden Werbungdarlegungspflichtig (BGH GRUR 2007, 605, 606 � Um-satzzuwachs), also auch und insbesondere dafür, dass ihrevon der Beklagten vergleichend in Bezug genommenen Wa-ren sich eines guten Rufs erfreuen. Dieser Darlegungs-pflicht ist sie nachgekommen.

Sofort auf der ersten Seite der angegriffenen Werbung unddort an erster und zweiter Stelle stellt die Beklagte ihreneigenen Knie- bzw. Sprungsgelenksbandagen unter aus-drücklicher Benennung die entsprechenden Aktivbandagen„H.“ und „N.“ der Klägerin gegenüber. Ihre Behauptung,Marktführerin bei Aktivbandagen zu sein, hat die Klägerinunter Bezugnahme auf diese beiden einschlägigen Produkteund unter Vorlage eines Auszugs aus dem „MarktberichtBandagen 2005“ (Anlage K 2) durch Vortrag gestützt zuden abgesetzten Stückzahlen in den Jahren 2000�2005(„H.“ von 631.531 Stück in 2000 bis 806.756 Stück in2005; „N.“ von 358.058 Stück in 2000 bis 427.059 in2005) und zu den Marktanteilen dieser Jahre („H.“ von68,2% in 2000 bis 53,7% in 2005; „N.“ von 77% in2000 bis 63,5% in 2005). Von geringfügigen Rundungs-unterschieden abgesehen stimmen diese Zahlen überein mitden in einem zwischen den Parteien geführten früherenVerfahren (31 O 273/02 LG Köln) gemachten Angaben,die die Beklagte als Anlage B 13 in Bezug genommen hat.

Auf der Grundlage dieses vorgetragenen erheblichen Ab-satzes und der hierdurch bedingten Marktanteile der Ak-tivbandagen lässt sich von dem Verkaufserfolg ohne weite-res auch auf einen guten Ruf der klägerischen Produkteschließen, wobei an diesem sodann auch die sonstigen Ban-dagen und Orthesen aus dem Sortiment der Klägerin teil-haben.

Soweit die Beklagte die klägerischen Marktanteile mitNichtwissen bestreitet, wertet der Senat dieses Bestreitenals unzulässig.

Nach eigenem Bekunden ist sie seit Jahrzehnten auf dem-selben Markt wie die Klägerin tätig. Schon nach allgemei-nen Erfahrungsgrundsätzen liegt deshalb die Annahmenahe, dass sie Kenntnis davon hat, wer von ihren Mitbe-werbern der Marktführer ist, auch wenn sie nicht überexaktes Zahlenmaterial verfügen mag. Sie erhält überdiesdieselbe anonymisierte Markterhebung der Herstellerverei-nigung „F.“, von der auch die Klägerin ihre mitgeteiltenMarktanteile ableitet. Soweit die Klägerin den Marktanteilder Beklagten an den fraglichen Aktivbandagen auf unter7% geschätzt hat, hat die Beklagte dies unwidersprochengelassen.

Hinzu kommt der auffällige Widerspruch zwischen ihremBestreiten der klägerischen Marktanteile mit Nichtwissen,womit zugleich eine Leugnung der Marktbedeutung derKlägerin in diesem Prozess einhergeht, und dem Umstand,

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dass die Beklagte sich trotz eines vorhandenen Mitbewer-berfelds, vgl. etwa die Auflistung in der Anlage K 2, inihrem sehr weitgehenden Produkt- und Sortimentsvergleichallein auf die Klägerin und deren Produkte bezieht. Es liegt,wie schon die Kammer bemerkt hat, auf der Hand, dassder gute Ruf und Markterfolg der klägerischen ProdukteAnlass für die Wahl dieser Werbeform gewesen sein muss;kein Wettbewerber kann nämlich ein Interesse daran ha-ben, sich auf eine ausdrückliche Gegenüberstellung dervorliegenden Art mit Waren eines im Markt schwächeroder sogar schlechter präsentierten Konkurrenten einzulas-sen.

b) Die Beklagte lehnt sich in unlauterer Weise an den gu-ten Ruf der klägerischen Produkte an.

aa) Die Unlauterkeit resultiert allerdings nicht schon da-raus, dass Bestandteil der angegriffenen Werbebroschüreein umfassender und als solcher auch bezeichneter „Sorti-mentsvergleich“ ist. Auch ein ganze Sortimente einschlie-ßender Warenvergleich ist nämlich nicht grundsätzlich un-zulässig (vgl. EuGH GRUR 2007, 69, 72, Rn. 30 zurWerbung von Supermarktketten).

Der Senat neigt der Auffassung zu, dass der angegriffeneWerbevergleich überdies auch nicht deshalb unlauter ist,weil Produkte unterschiedlicher Güte miteinander vergli-chen würden, wobei offen bleiben kann, ob dies tatsächlichder Fall ist. Soweit die Beklagte neun eigenen Produktenunter der Angabe „Produktalternative zu [folgt der klägeri-sche Waren-Markenname] v. B.“ unmittelbar ein Erzeugnisder Klägerin vergleichend zuordnet, liegt hierin zwar dieBehauptung einer Gleichwertigkeit der Waren, bezogen aufderen „wesentliche, relevante, nachprüfbare und typischeEigenschaften“ (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 39 � Toshiba/Ka-tun; BGH a.a.O. � Ersetzt). Im Hinblick darauf, die Wer-bung sich an Fachkreise wie Apotheker, Sanitätshäuser undÄrzte richtet, welche grundsätzlich um die Bedeutung vonQualitätsunterschieden auch bei für identische Anwen-dungsgebiete gedachten Mitteln wissen, und dass zudemunstreitig die jeweils verglichenen Waren in identische Ru-briken des „Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelverzeichnis-ses“ (nachfolgend: HMVZ) der Spitzenverbände der Kran-kenkassen eingeordnet sind, wird der angesprochenefachkundige Verkehrsteilnehmer die in dem Vergleich lie-gende Gleichwertigkeitsaussage aber ausschließlich auf die� unstreitig gegebene � funktionale Gleichwertigkeit be-ziehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte einen quali-tativen Vergleich vornehmen würde, enthält die Werbungnämlich nicht. Mit der Bezeichnung „Produktalternative“will sie auch nach dem Verständnis der Klägerin gerade aufdas nach Produktgruppen und Anwendungsgebieten unter-scheidende HMVZ anspielen und die Assoziation desFachpublikums wecken, dass das klägerische Produkt (nur)aufgrund der in seiner technisch-medizinisch identischenFunktion gleichwertigen eigenen Ware mit dieser substitu-iert werden kann.

bb) Letztlich kann dieser Gesichtspunkt aber dahin stehen.Ihre besondere Unlauterkeit erfährt die Rufanlehnungnämlich aufgrund des Umstands, dass die umfassende Pro-duktgegenüberstellung nicht durch ein Bedürfnis des(Fach-)Verkehrs nach Information und Aufklärung ge-

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rechtfertigt wird. Sie ist für diesen nicht notwendig undaufgrund der branchenspezifischen Besonderheiten auchnicht besonders nützlich. Die angegriffene Werbung unter-scheidet sich insoweit grundlegend von den Fallkonstella-tionen, in denen in zulässigerweise fremde Unternehmens-kennzeichen vergleichend in Bezug genommen werdenkönnen: Die in den Entscheidungen „Ersetzt“ des BGH(a.a.O.) bzw. „Toshiba/Katun“ (a.a.O.) und „Siemens/VIPA“ � GRUR 06, 345 des EuGH zu beurteilenden Wer-bevergleiche betrafen der vergleichend gegenübergestelltenHauptware zugeordnete Ersatzteile. Wie der Bundesge-richtshof in der Sache „Aluminiumräder“ (a.a.O.) unterausdrücklicher Bezugnahme auf diese Entscheidungen be-tont hat, war die grundsätzliche Zulässigkeit dieser Ver-gleiche von der Erwägung getragen, dass im Bereich derErsatzteile, Verbrauchsmaterialien oder des Zubehörs „aufdie Hauptware Bezug genommen werden darf, wenn dieszur Aufklärung des Publikums über die bestimmungsge-mäße Verwendung des Ersatzteils oder Zubehörs sachlichgeboten ist“. Solcherart ist das Marktverhältnis der Par-teien im Streitfall aber nicht. Die Beklagte bietet Warengleicher Art wie die Klägerin an und nicht etwa Austausch-oder Ersatzteile, weshalb das bei derartigen Produkten an-zunehmende Informationsbedürfnis des beworbenen Ver-kehrs hier ausscheidet.

Die vorliegende Sachlage ist auch nicht der Konstellationvergleichbar, über die der BGH in der Entscheidung „Ge-nealogie der Düfte“ (a.a.O.) zu entscheiden hatte. Auchdort bestand ähnlich wie bei den Ersatzteil-Vertreibern einan dem Bedürfnis des Handels orientiertes Interesse desWerbenden, auf die originalen Markenparfums fremderHersteller hinzuweisen, denen die eigenen Düfte (zulässig)nachgebildet waren, da die Verkäuflichkeit der eigenenWaren im Wesentlichen auf der Ähnlichkeit der Duftanmu-tung beruhte.

Derartige das Unlauterkeitsurteil ausschließende Besonder-heiten fehlen im Streitfall. Die Beklagte ist nicht darauf an-gewiesen, zum Zwecke eines effektiven Wettbewerbs ge-zielt auf Produkte der Klägerin � oder auch eines anderenMitbewerbers � hinzuweisen, um ihre eigenen orthopädi-schen Hilfsmittel zu vertreiben. Anders als im Ersatzteilge-schäft oder auf dem Markt der Duftnachahmungen bestehtnämlich keine Notwendigkeit, die beworbenen fachkundi-gen Verkehrsteilnehmer über die Substituierbarkeit derProdukte aufzuklären. Die unmittelbare Gegenüberstellungvon neun besonders herausgehobenen Produkten bzw. demgesamten Produktsortiment zielt, wie ausgeführt, daraufab, die funktionale Gleichwertigkeit i.S. des HMVZ zu be-tonen. Insoweit wäre es aber keineswegs nötig, die Unter-nehmensbezeichnung der Klägerin und die Markennamenvon deren (erfolgreichsten) Produkten zu benennen, weilsich die Austauschbarkeit und Gleichwertigkeit schon ausden � in der Werbung ausdrücklich aufgeführten � Num-mern des HMVZ selbst ergibt. Dem Fachverkehr ist näm-lich bekannt, dass die dort in einer Produktgruppe aufge-führten Erzeugnisse untereinander austauschbar sind.

Bezweckt die in der vergleichenden Verwendung fremderUnternehmenszeichen liegende Rufanlehnung aber aus-schließlich einen Imagetransfer, ohne dass zugleich einemBedürfnis des Verkehrs nach Aufklärung über die Aus-

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tauschbarkeit von Waren Rechnung getragen würde, liegendie Voraussetzungen einer i.S. des § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWGunzulässigen Werbung vor. Die Kammer hat insoweit wei-ter zutreffend in die Beurteilung einbezogen, dass auch diegrafische Gestaltung der Werbebroschüre keine andere Be-urteilung erlaubt. Es mag sein, dass rot eine der Unterneh-mensfarben der Beklagten ist. Nicht dargetan und für denSenat auch nicht ersichtlich ist indes, dass der angespro-chene (Fach-)Verkehr diese angebliche Bezugnahme in derkonkreten Verwendung erkennen könnte. Vielmehr spricht

Gesetzliche Mitteilungspflicht des Hochschullehrersbei Veröffentlichung von Diensterfindungen„selbststabilisierendes Kniegelenk“ verfassungsgemäßArbNErfG § 42 Nr. 1; GG Art. 5 Abs. 3, Art. 73 Abs. 1 Nr. 9

1. Die Regelung in § 42 Nr. 1 ArbNErfG in der Fassung desGesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitnehmer-erfindungen vom 18. Januar 2002 (BGBl. 2002 I S. 414) hältsich im Rahmen der aus-schließlichen Gesetzgebungs-kompetenz des Bundes nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 GG.2. Die Regelung der „positiven Publikationsfreiheit“ desHochschulleh-rers in § 42 Nr. 1 ArbNErfG in der Fassungdes Gesetzes zur Ände-rung des Gesetzes über Arbeitneh-mererfindungen vom 18. Januar 2002 (BGBl. 2002 I S. 414)verstößt nicht gegen Art. 5 Abs. 3 GG.

BGH, Urt. v. 18.09.2007 � X ZR 167/05

SachverhaltDer Kläger ist habilitierter beamteter Direktor der Abtei-lung Kieferorthopädie des Klinikums der beklagten Univer-sität. Der Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Tätigkeitliegt auf dem Gebiet der Biomechanik. Er hat bereits meh-rere Erfindungen aus diesem Bereich zum Patent angemel-det. Während seiner dienstlichen wissenschaftlichen Tätig-keit entwickelte er ein selbststabilisierendes Kniegelenk. ImApril 2002 erklärte er gegenüber der Beklagten, er sei nichtbereit, entsprechend der im Februar 2002 in Kraft getrete-nen Neuregelung des Hochschulerfinderrechts (§ 42 Nr. 1ArbNErfG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzesüber Arbeitnehmererfindungen vom 18.1.2002, BGBI. IS. 414; nachfolgend: n.F.) der Universität Erfindungen an-zuzeigen, weil er durch die Neuregelung im Gesetz in sei-nen Grundrechten verletzt sei. Die Beklagte kündigte fürden Fall des Unterbleibens erforderlicher Anzeigen dienst-rechtliche Konsequenzen und die Prüfung von Schadenser-satzansprüchen an.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er nicht verpflich-tet sei, die Offenbarung seiner Erfindung der Beklagten an-zuzeigen oder zu melden. Das nach Verweisung durch dasvom Kläger ursprünglich angerufene Verwaltungsgerichtmit der Sache befasste Landgericht hat das Verfahren zu-nächst nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt, um eine Ent-

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alles dafür, dass die Verwendung der Signalfarbe rot geradebei der vergleichenden Kernaussage „Produktalternative zu… v. B.“ auf die Ruf Übertragung gezielt hinlenken soll.2. Nach dem Gesagten sind auch die geltend gemachtenAnsprüche auf Auskunftserteilung und Schadenersatzfest-stellung, § 9 UWG i.V.m. § 242 BGB, berechtigt. Eine zeit-liche Begrenzung der Annexansprüche durch die vomGläubiger nachgewiesene erste Verletzungshandlung hatnicht zu erfolgen (BGH � l ZR 93/04 �, Urteil v.19.07.2007). �

scheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Gültig-keit der Regelung in § 42 Nr. 1 ArbNErfG n.F.herbeizuführen (Vorlagebeschluss abgedruckt in Mitt.2004, 74 m. Anm. Beyerlein und in NdsVBI. 2004, 110).Das Bundesverfassungsgericht hat die Richtervorlage fürunzulässig erklärt (BVerfG, Kammerbeschluss, NVwZ2004, 974 � BVerfGK 3, 93). Das Landgericht hat darauf-hin (in anderer Besetzung) die Klage abgewiesen. Die Beru-fung des Klägers ist erfolglos geblieben (OLG Braun-schweig Mitt. 2006, 41 m. Anm. Beyerlein � GRUR-RR2006, 178). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelasse-nen Revision verfolgt der Kläger sein erstin-stanzliches Be-gehren weiter.

Aus den GründenDie zulässige Revision bleibt ohne Erfolg.

I. Die Klage ist, wie dies die Vorinstanzen zutreffend ange-nommen haben, zulässig. Insbesondere ist das nach § 256Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse schon des-halb gegeben, weil die Beklagte dem Kläger für den Fall derNichtanzeige seiner Absicht, die Erfindung zu offenbaren,dienstrechtliche und finanzielle Konsequenzen angedrohthat. Aus der Weigerung des Klägers, die Erfindung der Uni-versität anzuzeigen, wie aus der Androhung von Konse-quenzen seitens der Beklagten folgt zugleich, dass beideParteien die Erfindung als Diensterfindung ansehen. DerKläger beabsichtigt nach den Feststellungen im Berufungs-urteil, die Erfindung im Rahmen seiner Lehrtätigkeit denStudierenden vor Ablauf der durch die Anzeige regelmäßigin Lauf gesetzten Zweimonatsfrist zugänglich zu machen.Er hat deshalb ein rechtliches Interesse daran, gerichtlichklären zu lassen, ob ihn gegenüber der Hochschule die Ver-pflichtung trifft, die Offenbarung der Erfindung zu unter-lassen, solange er seine Offenbarungsabsicht nicht ange-zeigt hat. Mit seiner Klage verfolgt der Kläger auch nichtnur unzulässigerweise ein von der Anwendung der Normabstrahierendes Feststellungsbegehren, denn seine Klagestellt auf das Bestehen der Anzeigepflicht bezüglich der Of-

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fenbarungsabsicht der Erfindung „selbststabilisierendesKniegelenk“ ab (vgl. hierzu OVG Münster WissR 1994,310).

Das Feststellungsinteresse des Klägers ist schließlich nichtdadurch entfallen, dass die Beklagte aus der Klage Kennt-nis von einer Veröffentlichungsabsicht des Klägers hat.Denn die prozessuale Geltendmachung einer Rechtsposi-tion kann einer Anzeige nach §42 Nr. 1 ArbNErfG n.F.nicht gleichgesetzt werden.

II. Der Klage muss jedoch der Erfolg versagt bleiben. DerKläger ist verpflichtet, dem Dienstherrn seine Absicht, dieDiensterfindung im Rahmen seiner Lehr- und Forschungs-tätigkeit zu offenbaren, rechtzeitig zuvor anzuzeigen (§ 42Nr. 1 ArbNErfG n.F.).

1. Der Kläger zieht zu Recht nicht in Zweifel, dass die sichaus der geltenden gesetzlichen Regelung ergebenden Vo-raussetzungen für das Bestehen einer Anzeigepflicht er-füllt sind.

2. Die Bedenken, die der Kläger gegen die Verfassungsmä-ßigkeit dieser Regelung vorbringt, greifen im Ergebnisnicht durch.

a) Die in § 42 Nr. 1 ArbNErfG n.F. getroffene Regelungist nicht in formeller Hinsicht verfassungswidrig, denn siefällt in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Der Senattritt insoweit der in den Gesetzgebungsverfahren (Gesetzes-begründung BT-Drucks. M/1648, S. 14f. � BIPMZ 1957,226; BT-Drucks. 14/5975, S. 8 und Regierungsentwurf BR-Drucks. 583/01, S. 13) geäußerten Auffassung bei (vgl.auch Sannwald in Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl.2004, Rdn. 119 zu Art. 73).

aa) (1) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für dengewerblichen Rechtsschutz folgt (ganz allgemein) ausArt. 73 Abs. 1 Nr. 9 GG (vgl. auch BVerwG, Urt. v.18.6.1997, 4 C 8/95, NVwZ 1998, 614 � Allround-Ge-rüst, juris-Tz. 23), die Vorrang vor den Kompetenzzuwei-sungen mit schwächerer Wirkung hat (Maunz in Maunz/Dürig/Herzog, GG, Rdn. 147 zu Art. 73; vgl. T. M. Spran-ger in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Aktualisie-rung Dezember 2006, Rdn. 18 zu Art. 73 Nr. 9). Damiterfasst sie auch die Nebengesetze des gewerblichen Rechts-schutzes wie das Gesetz über Arbeitnehmererfindungenselbst unter dem Gesichtspunkt, dass bei den in diesem Ge-setz getroffenen Regelungen auch arbeits- und dienstrecht-liche Belange von Gewicht sind.

Die Kritik, die diese Einschätzung erfahren hat (insbeson-dere bei Hübner, Erfindungen von Beschäftigten an Hoch-schulen, 2003, zugl. Diss. Münster 2002, S. 79 � S. 86;vgl. auch Volz, Das Recht der Arbeitnehmererfindung imöffentlichen Dienst, 1985, S. 21ff.), ist jedenfalls im Er-gebnis nicht gerechtfertigt. Sie beachtet schon nichthinreichend, dass die Ausgestaltung des Arbeitnehmerer-finderrechts im Grenzbereich zwischen arbeits- und dienst-rechtlichen Grundsätzen und Erfinderrecht noch keine ein-deutige und ausschließliche Zuordnung zu den Materiendes Arbeits- und des Dienstrechts rechtfertigt.

In der Sache regelt das Gesetz über Arbeitnehmererfindun-gen bestimmte Aspekte des Erfinderrechts, nämlich die Zu-ordnung der Erfindung zu bestimmten Personen, die damit

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zusammenhängenden verfahrensrechtlichen Fragen undvermögensrechtliche Verhältnisse in Bezug auf von abhän-gig Beschäftigten gemachte Erfindungen, und damit Mate-rien, die jedenfalls auch erfinderrechtlicher Natur sind.Was die Zuordnung und die vermögensrechtlichen Verhält-nisse betrifft, ist die Regelung mit der in den Bestimmun-gen der §§ 6 und 8 PatG vergleichbar. Dabei handelt essich um Regelungen, die genuin � und nicht nur kraftSachzusammenhangs � dem gewerblichen Rechtsschutzzuzurechnen sind (vgl. Reetz, Erfindungen an Hochschu-len, Diss. Köln 2006, S. 290). Daran ändert sich auchdadurch nichts, dass � etwa für das Bestehen von Übertra-gungsansprüchen � auf allgemeine Grundsätze des bürger-lichen Rechts zurückgegriffen werden muss. Für diearbeits- und dienstrechtlichen Bezüge im Arbeitnehmerfin-derrecht gilt im Ergebnis nichts Anderes.

(2) Dem entspricht die Behandlung des Arbeitnehmererfin-derrechts in der bisherigen Rechtsprechung. So hat auchdas Bundesverfassungsgericht das Arbeitnehmererfinder-recht dem Erfinderrecht und damit dem gewerblichenRechtsschutz zugeordnet, wenn es von einem „Eigentums-schutz des allgemeinen Erfinderrechts“ gesprochen hat(BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 24.4.1998 � 1 BvR 587/88, NJW 1998, 3704; 24f. unter Hinweis auf BVerfGE 36,193, 202f. � NJW 1974, 356; Reetz, Erfindungen anHochschulen, Diss. Köln 2006, S. 290).

(3) Die Zuordnung des Arbeitnehmererfinderrechts zumgewerblichen Rechtsschutz entspricht auch der überwie-genden Praxis in den Rechtsordnungen in Europa. DieMehrzahl der europäischen Staaten (abweichend insbeson-dere die skandinavischen Länder, Belgien und die Schweiz)hat dies � ohne dass sich bei ihnen wie in DeutschlandProbleme der Kompetenzabgrenzung durch ein föderalesSystem ergeben � dadurch zum Ausdruck gebracht, dasssie das Arbeitnehmererfinderrecht im Patentgesetz selbstgeregelt hat, so Bulgarien (in Art. 13 Abs. 3, 15 des Patent-gesetzes), Estland (in § 12 des Patentgesetzes), Frankreich(in Art. L 611-7 des Code de la Propriete Intellectuelle),Griechenland (in Art. 6 des Gesetzes Nr. 1733/1987), Ir-land (in See. 16 Patents Act 1992), Italien (in Art. 64 desCodice della proprieta industriale), Kroatien (in Art. 11Abs. 2 des Patentgesetzes 2004), Litauen (in Art. 8 des Pa-tentgesetzes), Luxemburg (in Art. 13 des Patentgesetzesvom 24.5.1998), die Niederlande (in Art. 12 des Reichspa-tentgesetzes 1995), Österreich (in §§ 6 � 19 PatG), Polen(in Art. 11 Abs. 3, 5, Art. 22, 23 des Rechts des gewerbli-chen Eigentums), Portugal (in Art. 59 Codigo da Proprie-dade Industrial), Rumänien (in Art. 5, 44 des Patentgeset-zes), die Slowakei (in § 11 des Patentgesetzes 2001),Serbien (in Art. 100, 108 � 119 des Patentgesetzes 2004),Spanien (in Ley de Patentes, Titulo IV.), die TschechischeRepublik (in §§9, 10 des Patentgesetzes), die Türkei (inArt. 16-26 der Verordnung (Gesetzesdekret) Nr. 551 überden Patentschutz vom 27.6.1995), Ungarn (in Art. 9 � 16des Patentgesetzes 1995) und das Vereinigte Königreich(insbesondere in See. 39 -43 Patents Act).

bb) Ob sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundesauch auf die beamtenrechtliche Begründung von Dienst-pflichten bezieht, ist in Zweifel gezogen worden (Pahlow/Gärditz, WissR 2006, 48, 61). Dies lässt jedoch die aus

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Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 GG abzuleitende arbeitnehmererfin-derrechtliche Begründung der Mitteilungspflicht unberührt(vgl. Pahlow/Gärditz, a.a.O.).

b) Die gesetzliche Regelung verletzt den Kläger nicht inseinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG.

Der Senat tritt der Auffassung des Berufungsgerichts imErgebnis bei, dass § 42 Nr. 1 ArbNErfG n.F. keinen Ein-griff in die in Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Wissenschafts-freiheit darstellt, die auch die positive Publikationsfreiheitdes Hochschullehrers erfasst. Die negative Publikations-freiheit des Wissenschaftlers, die schon auf Grund der Re-gelung in § 42 Nr. 2 ArbNErfG n.F. durch das Gesetz nichtberührt wird, ist, wie sich aus den klarstellenden Ausfüh-rungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vordem erkennenden Senat ergibt, nicht Gegenstand des Fest-stellungsbegehrens.

aa) (1) Dabei kann es zunächst keinem Zweifel begegnen,dass die für den Hochschullehrer im Jahr 2002 neu einge-führte Verpflichtung, vor der lehr-oder forschungsbezoge-nen Publikation (vgl. hierzu BVerfG, Kammerbeschluss indieser Sache, NVwZ 2004, 974 � BVerfGK 3, 93) vonErkenntnissen, die einer Erfindung zugrunde liegen, einegewisse Zeit zuzuwarten, diesen in seiner Wissenschafts-freiheit berührt. Die Erfindung des Hochschullehrers warnach der zuvor geltenden Rechtslage eine freie Erfindung,die grundsätzlich keiner Mitteilungspflicht gegenüber derHochschule unterlag. Die Beeinträchtigung, die der Hoch-schullehrer durch die neu eingeführte Verpflichtung erlei-det, mag zwar im Allgemeinen eher gering und in vielenFällen nicht oder kaum spürbar sein, es kommen jedochauch Sachverhalte in Betracht, in denen für den Hoch-schullehrer eine schnelle, wenn nicht sogar umgehendePublikation bedeutsam ist, an der ihn die Verpflichtung zurrechtzeitigen Anzeige hindern kann. Beachtet dieser die ge-setzliche Vorgabe nicht, läuft er Gefahr, gegen gesetzlichgeregelte Verpflichtungen zu verstoßen. Dadurch wird derHochschullehrer in seinem Grundrecht betroffen (BVerfGE35, 79, 112ff. � NJW 1973, 1176 („Hochschulurteil“);BVerfGE 47, 327, 367f. � NJW 1978, 1621; vgl. Scholzin Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 Rdn. 83, 101f., 108f.;Fehling in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 2004,Art. 5 Abs. 3 Rdn. 7; Barten-bach/Volz, Arbeitnehmerer-findergesetz, 4. Aufl. 2002, Rdn. 58; Hübner, WissR 2005,34; Reetz, a.a.O., S. 212ff., 222). Dies zeigen auch dievom Berufungsgericht angesprochenen Fälle, soweit sie die„wissenschaftliche“ und nicht eine „kommerzielle“, nichtvon Art. 5 Abs. 3 GG erfasste, Konkurrenz betreffen (vgl.hierzu Haase/Lautenschläger, WissR 2006, 137, 139f.).

(2) Die Freiheit von Forschung und Lehre gebietet es aller-dings nicht, dass der Hochschullehrer auch Inhaber derVerwertungsrechte an seinen Forschungsergebnissen zusein oder zu bleiben hat (so zutreffend die Gesetzesbegrün-dung BT-Drucks. 14/5975, S. 5; vgl. Leuze in Reimer/Schade/Schippel, Das Recht der Arbeitnehmererfindung,7. Aufl. 2000, Rdn. 16 zu § 42). Die wirtschaftliche Zu-ordnung von geistigen Leistungen des Hochschullehrersfällt in den Normbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG,nicht des Art. 5 Abs. 3 GG (vgl. nur BVerfGE 36, 280, 291� GRUR 1974, 142).

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(3) Weiter berührt die Anzeigepflicht als solche den Klägernoch nicht in seiner Wissenschaftsfreiheit (vgl. BVerfG,Kammerbeschluss in dieser Sache, NVwZ 2004, 974 �BVerfGK 3, 93). Ist dieser gehalten, bestimmte Erkennt-nisse anzuzeigen, so besagt dies nichts darüber, ob und wieer diese gewinnen und wie er später mit ihnen verfahrenkann. Der Kläger ist auch nicht gehindert, frei über diePublikation dieser Erkenntnisse zu entscheiden, wenn ernur die selbst im Regelfall relativ kurze Wartefrist einhält.Der Hochschullehrer kann zudem nicht angewiesen wer-den, auf Erfindungen Bedacht zu nehmen (vgl. Bartenbach/Hellebrand, Mitt. 2002, 165, 167). Auch ein durch dieGrundrechtsnorm geschütztes Interesse des Hochschulleh-rers, sich nicht durch Patente, sondern ausschließlich durchvon ihm publizierte Erfindungen in der Fachwelt einen Na-men zu machen, wird schon deshalb nicht berührt, weiler, wenn er nicht mit der Patentanmeldung in Verbindunggebracht werden will, seine Nichtnennung in den Patent-veröffentlichungen herbeiführen kann (§ 63 Abs. 1 Satz 3PatG; Regel 18 der Ausführungsordnung zum EPÜ).

bb) (1) Die Wissenschaftsfreiheit steht zwar � von der hiernicht einschlägigen Treueklausel abgesehen � nicht untereinem Gesetzesvorbehalt. Aber auch ohne Vorbehalt ge-währte Freiheitsrechte müssen im Rahmen gemeinschafts-gebundener Verantwortung gesehen werden (BVerfGE 47,327, 368ff. � NJW 1978, 1621). Art. 5 Abs. 3 GG nor-miert nicht nur ein Individual-grundrecht, die Bestimmungist vielmehr darüber hinaus eine das Verhältnis der Wissen-schaft zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatz-norm. Danach hat der Staat im Bereich des mit öffentlichenMitteln eingerichteten und unterhaltenen Wissenschaftsbe-triebs durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafürzu sorgen, dass das Grundrecht der freien wissenschaftli-chen Betätigung soweit unangetastet bleibt, wie das unterBerücksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der Wis-senschaftseinrichtungen und der Grundrechte der verschie-denen Beteiligten möglich ist (BVerfGE 35, 79, 112, 115� NJW 1973, 1176; BVerfGE 54, 363, 389ff. � NJW1981, 163; BVerfGE 93, 85, 95 � NVwZ 1996, 709;BVerfGE 111, 333, 353 � NVwZ 2005, 315). Die verfas-sungsrechtliche Garantie der Institution der Hochschuleund ihrer Funktionsfähigkeit erlaubt jedoch die in der Re-gelung in §42 ArbNErfG n.F. liegende Beeinträchtigungder grundrechtlich geschützten Rechte des Hochschulleh-rers, wenn diese Beeinträchtigung jeweils so gering wiemöglich gehalten und auf dasjenige beschränkt wird, wasnotwendig ist, um der Hochschule die Möglichkeit zu er-halten, ein Schutzrecht zu erlangen. Dies folgt daraus, dassder Staat funktionsfähige Institutionen eines freien Wissen-schaftsbetriebs zur Verfügung stellen muss (BVerfGE 35,79, 115 � NJW 1973, 1176; BVerfGE 93, 85, 95 �NVwZ 1996, 709). Die Wissenschaftsfreiheit schützt näm-lich den einzelnen Grundrechtsträger aufgrund des Zusam-menwirkens mit anderen Grundrechtsträgern nicht vor Be-schränkungen, die im Wissenschaftsbetrieb unvermeidbarsind (BVerfGE 111, 333, 354 � NVwZ 2005, 315; vgl.BVerfGE 55, 37, 68f. � NJW 1981, 741). Bereits darausergibt sich, dass die Grundrechtsgewährleistung in dieserBestimmung immanenten Schranken unterliegt (vgl. nurBVerfGE 83, 130, 142 � NJW 1991, 1471 � Josefine

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Mutzenbacher, zur Kunstfreiheit). Der Staat kann daherunter Beachtung der besonderen Wertentscheidungen desGrundgesetzes andere legitime Aufgaben der Hochschulenberücksichtigen (vgl. BVerfGE 35, 79, 115 � NJW 1973,1176; weitere Nachweise bei Hübner WissR 2005, 34, 45Fn. 58). Diese Aufgaben müssen allerdings, um berücksich-tigt werden zu können, mit Verfassungsrang ausgestatteteRechtswerte darstellen (Hübner, WissR 2005, 34, 44f., vgl.Fehling in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Rdn. 159zu Art. 5 Abs. 3). Dies ist hier indessen der Fall, denn dieMittelaufbringung der Hochschule auch aus dem Fundusder an ihr getätigten schutzfähigen Erfindungen betrifft de-ren mit Verfassungsrang ausgestattete Funktionsfähigkeit.Kriterium für eine verfassungsgemäße Hochschulorganisa-tion ist, ob mit ihr „freie“ Wissenschaft möglich ist undungefährdet betrieben werden kann (BVerfGE 93, 85, 95� NVwZ 1996, 709). Dies gilt nicht nur für die organisa-torische Ausgestaltung der Institution Hochschule, sondernauch für die Regelung des Finanzaufkommens der Hoch-schule. Auch insoweit kommt der Funktionsfähigkeit derInstitutionen des Wissenschaftsbetriebs Verfassungsrangzu. Die im Jahr 2002 neu eingeführte Regelung trägt demfiskalischen Interesse der öffentlichen Hand Rechnung, denHochschulen aus der Verwertung der bei diesen anfallen-den Erfindungen Mittel zu erschließen (vgl. Bericht desRechtsausschusses des Deutschen Bundestags, BT-Drucks.14/7573, S. 2). Insoweit gilt im Ergebnis nichts Anderes alsbei der Mittelverteilung, bei der die Anknüpfung an dieBewertung wissenschaftlicher Qualität legitim ist (vgl.BVerfGE 111, 333, 359 � NVwZ 2005, 315). Entgegender Auffassung von Hübner, der (a.a.O., S. 53) von einemzweifelhaften Mittel der Selbstdarstellung (der Hoch-schule) spricht, haftet dieser Art der Mittelerschließungnichts Illegitimes an, vielmehr ist die Mittelerschließungaus Erfindungen der Hochschulangehörigen grundsätzlichgeeignet, die Autonomie der Hochschulen zu stärken.

(2) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden,dass es dem Ermessen des Gesetzgebers überlassen ist, wieer die Organisation der Hochschulen regelt (BVerfGE 93,85, 95ff. � NVwZ 1996, 709; vgl. BVerfGE 111, 333,353ff. � NVwZ 2005, 315). Wenn er den Hochschulendie wirtschaftliche Ausnutzung der Hochschulerfindungenauch in einem Bereich zuweist, der zuvor als freie Erfin-dung nicht der Verwertung durch die Hochschule unterlag,ist dies unter dem Gesichtspunkt des Art. 5 Abs. 3 GGgrundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Nichtan-nahmebeschluss der Kammer, NJW 1998, 3704 � Mitt.1999, 61, 63). Denn auch die wirtschaftliche Zuweisungder Erfindung an den Arbeitgeber/Dienstherrn nach Art. 9ArbNErfG stellt unter dem Gesichtspunkt des Art. 14Abs. 1 GG eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigen-tums dar (BVerfG NJW 1998, 3704 � Mitt. 1999, 61, 63).Für die Regelung in § 42 Abs. 1 ArbNErfG n.F. kann imErgebnis nichts Anderes gelten.

(3) Dem Gesetzgeber war es demnach grundsätzlich nichtverwehrt, Regelungen zu treffen, ohne die es der Hoch-schule unmöglich wäre, ein Schutzrecht zu erlangen. DaMaterial, das bei der Anmeldung eines Patents oder Ge-brauchsmusters bereits öffentlich zugänglich ist, grundsätz-lich der Erteilung eines Schutzrechts entgegensteht (§ 3

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Abs. 1 PatG; Art. 54 Abs. 1, 2 EPÜ; § 3 Abs. 1 GebrMG,dort allerdings anders als im Patentrecht durch die weiter-hin vorgesehene Neuheitsschonfrist gemildert; vgl. Beyer-lein (Entscheidungsanmerkung), Mitt. 2004, 75; A. vonFalck/Schmaltz, GRUR 2004, 469, 470), lag es somit ohneWeiteres im Bereich zulässiger Gestaltung durch den Ge-setzgeber, eine Regelung vorzusehen, durch die ein vorzeiti-ges Bekanntwerden einer Erfindung verhindert werdenkonnte. Eine derartige Regelung hat der Gesetzgeber in§ 42 Nr. 1 ArbNErfG n.F. getroffen. Zur Sicherung der Po-sition der Hochschule war die getroffene Regelung aucherforderlich, denn ohne sie wäre die Möglichkeit, ein Pa-tent zu erlangen, mit dem allein (gegenüber dem höchstens10 Jahre laufenden Gebrauchsmuster, das zudem nicht alleBereiche der Technik abdeckt) eine wirtschaftliche Ausnut-zung der Erfindung über einen langen Zeitraum möglichist, jedenfalls im Regelfall vereitelt worden.

cc) (1) Damit könnte sich ein unzulässiger Eingriff in dieWissenschaftsfreiheit des Klägers zunächst allenfalls da-raus ergeben, dass der Staat einem Grundrechtsträger be-stimmte Verhaltensweisen, die von der Forschungs- undWissenschaftsfreiheit erfasst sind, verwehrt oder in erhebli-cher Weise erschwert. Das hat er jedoch nicht getan. Ineiner „Verschiebung“ oder „Verlagerung“ des Forschungs-auftrags der Universitäten von der zweckfreien Grundla-genforschung zur mit aktuellem wirtschaftlichem Nutzenverbundenen Forschung liegt jedenfalls solange noch keinEingriff in grundrechtlich geschützte Positionen des Klä-gers (so aber Leuze, WissR 2002, 348, 351f.), solange die-sem nicht angesonnen wird, Grundlagenforschung nichtmehr oder lediglich eingeschränkt zu betreiben und sichbestimmten anderen, einer wirtschaftlichen Verwertung(besser) zugänglichen Vorhaben zuzuwenden. Ein derarti-ges Ansinnen ist der Regelung in § 42 ArbNErfG n.F. in-dessen nicht zu entnehmen.

(2) Zudem verstößt die Regelung in ihrer konkreten Aus-gestaltung nicht gegen das Übermaßverbot. Zunächst lässtsich schon aus der gesetzlichen Regelung eine längere War-tezeit als eine solche von zwei Monaten nicht herleiten. De-ren Wortlaut schlösse es allerdings nicht aus, im Einzelfallauch eine längere Wartezeit unter den Rechtsbegriff „recht-zeitig“ zu subsumieren. Dem steht aber entgegen, dass einealtersrangsichernde Behandlung der Erfindung innerhalbvon zwei Monaten nach ihrer Mitteilung immer möglichsein wird, denn hierfür reicht es aus, die Erfindung, so wiesie bisher formuliert worden ist und veröffentlicht werdensoll, beim Deutschen Patent- und Markenamt oder bei ei-nem Patentinformationszentrum mit Angaben einzurei-chen, die dem Anschein nach als Beschreibung anzusehensind (§ 35 Abs. 2 PatG). Die Prüfung der Hochschule, obeine Anmeldung erfolgen soll, wird sich jedenfalls in derRegel zunächst darauf beschränken können, ob Maßnah-men zur Zeitrangsicherung als geboten angesehen werden(vgl. Fleuchaus/Braitmayer; GRUR 2002, 653, 655 sowieKörting/Kummer, RdA 2003, 279, 284; a.A. Beyerlein,NZA 2002, 1020, 1022 und in seiner Anm. zum Beru-fungsurteil Mitt. 2006, 44 sowie BartenbachA/olz, GRUR2002, 743, 751 und Hoeren, WissR 2003, 131, 137). Da-durch wird allerdings im Grundsatz auch der Rahmen des-sen abgesteckt, was der Hochschulwissenschaftler im Rah-

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GESETZE/VERORDNUNGEN/RICHTLINIEN/MITTEILUNGEN

men seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit offenbaren darf,ohne gegen Verpflichtungen aus § 42 Nr. 1 ArbNErfG n.F.zu verstoßen: Die Publikation muss sich im Rahmen dessenhalten, was der Hochschule mitgeteilt worden ist und vondieser somit zum Gegenstand der Zeitrangsicherung ge-macht werden kann.

(3) Weiter steht einer Grundrechtsbeeinträchtigung entge-gen, dass sich die Regelfrist schon nach den Vorgaben desGesetzes verkürzen kann, und zwar auch auf wenige Tageoder gar auf Stunden. Darauf hat im Grundsatz auch dasBundesverfassungsgericht bereits hingewiesen (BVerfG,Kammerbeschluss in dieser Sache, NVwZ 2004, 974 �BVerfGK 3, 93). Die Verkürzung der Regelfrist tritt dabeibei Vorliegen entsprechender Umstände, die sie erforder-lich machen, ohne weiteres ein, so dass es einer Erklärungdes Dienstherrn hierfür nicht bedarf (vgl. Leuze, GRUR2005, 27, 28). Dies bürdet dem Erfinder zwar im Einzelfall

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TRBA 250 � Verletzungssichere Instrumente werden zurRegel ohne AusnahmeAm 14. Februar 2008 hat die Bundesanstalt für Arbeits-schutz und Arbeitsmedizin eine weitere Verschärfung der„Technischen Regel für Biologische Arbeitstoffe (TRBA)250“ veröffentlicht. Bisher durfte ein Arbeitgeber auf ver-letzungssichere Instrumente verzichten, wenn er unteranderem Arbeitsabläufe festlegte, die das Verletzungsri-siko minimieren. Diese Klausel ist aus dem Regelwerk ge-strichen. Denn nach Einschätzung des Ausschusses fürBiologische Arbeitsstoffe (ABAS) schützen nur Sichere In-strumente verlässlich vor Nadelstichverletzungen. Ledig-lich Patienten mit bekannt negativem Infektionsstatusdürfen weiterhin mit konventionellen Instrumenten be-handelt werden.

Seit vergangenem Jahr schreibt die TRBA 250 vor, dassTätigkeiten, bei denen „Körperflüssigkeiten in infektions-relevanter Menge übertragen werden können“, mit verlet-zungssicheren Instrumenten durchgeführt werden müssen.Außerhalb der Hochrisikobereiche waren unter anderemAusnahmen möglich, wenn der Arbeitgeber risikomini-mierende Arbeitsabläufe festlegte, „die auch in Notfallsi-tuationen nicht umgangen werden“. Dies ist im prakti-schen Arbeitsalltag jedoch nicht zu gewährleisten, so dieEinschätzung des ABAS. „In Situationen, die von der fest-gelegten Arbeitsroutine abweichen, schützen nur SichereInstrumente verlässlich vor Nadelstichverletzungen“, er-klärt Dr. Stefan Dreller von der Deutschen GesetzlichenUnfallversicherung und Mitglied des zuständigen Arbeits-kreises im ABAS.

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das Risiko auf zu bestimmen, ob die Wartefrist zwei Mo-nate oder weniger beträgt (vgl. hierzu Hübner, WissR2005, 34, 42), gibt ihm aber gleichzeitig die Möglichkeit,auf besondere Situationen flexibel zu reagieren (vgl. Beyer-lein, NZA 2002, 1020, 1022), etwa dann, wenn sich imVerlauf einer wissenschaftlichen Tagung die Notwendigkeitergibt, bisher nicht veröffentlichte Forschungsergebnisseschnell publik zu machen. Der Gefahr, dass hierdurch eineerfolgreiche Schutzrechtsanmeldung unmöglich wird, wirdgerade unter den Möglichkeiten, die der elektronische Ver-kehr heute eröffnet, durch geeignete Maßnahmen, auch desHochschulerfinders, Rechnung getragen werden können.

c) Gesichtspunkte, die im vorliegenden Fall ausnahms-weise zu einer Verkürzung der Wartefrist oder gar zu derenWegfall führen könnten, hat der Kläger nicht vorgebracht.Sie ergeben sich auch nicht aus dem festgestellten oder revi-sionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt. �

Gemäß der jetzigen Fassung der TRBA 250 wird diesichere Arbeitsweise bei Verwendung von Instrumentenohne Schutzvorrichtung nur vermutet, wenn der Infekti-onsstatus des Patienten bekannt ist und keine blutüber-tragbare Krankheit vorliegt.

„Gerade bei Blutentnahmen gehen wir davon aus, dassroutinemäßig nur noch verletzungssichere Instrumenteverwendet werden“, so Dr. Dreller weiter. „Für die weni-gen Ausnahmen, in denen der Infektionsstatus des Patien-ten vollständig bekannt ist, wird sich eine doppelte La-gerhaltung nicht mehr lohnen.“

Zum Rechtsstatus der TRBA 250Die „TRBA 250“ enthält entsprechend dem aktuellen Standvon Wissenschaft und Technik Vorgaben zum betrieblichenArbeitsschutz beim Umgang mit biologischen Arbeitsstof-fen. Sie konkretisiert damit die Biostoffverordnung, ohneselber unmittelbar verbindliche Rechtsvorschrift zu sein. Ar-beitgeber können daher theoretisch von den Vorgaben derTRBA abweichen, wenn sie einen gleichwertigen Schutz ih-rer Mitarbeiter vor Nadelstichverletzungen garantieren unddies nachweisen. Dieser Nachweis muss sich jedoch amSorgfaltsmaßstab der TRBA 250 messen lassen. Wer dieTRBA 250 nicht kennt oder einfach ignoriert, handelt derBiostoffverordnung zuwider. Die vollständige Version derTRBA 250 finden Sie auf der Internetseite der Bundesanstaltfür Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) �

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Neuregelung der EU-Richtlinie fürMedizinprodukte verpflichtet auch Softwareentwicklerzur lückenlosen Dokumentation2007 hat das Europäische Parlament die Änderung der EU-Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte beschlossen.Den neuen Vorgaben entsprechend zählt auch „vom Her-steller speziell zur Anwendung für diagnostische und/odertherapeutische Zwecke bestimmte und für ein einwand-freies Funktionieren des Medizinprodukts eingesetzte Soft-ware“ zu Medizinprodukten. Damit müssen auch Entwick-ler künftig nachweisen, dass sie die in der Richtlinieenthaltenen grundlegenden Gesundheits- und Sicherheits-anforderungen eingehalten haben. Die Anforderungen anDokumentation und Variantenmanagement steigen.

Die Entscheidung, ob eine Software ein Medizinproduktist und damit den Bestimmungen der EU-Richtlinie überMedizinprodukte unterliegt, blieb bislang zu großen Teilenden Softwareherstellern überlassen. Diesen Spielraum solldie geplante Neufassung der Richtlinie 93/42/EWG, die inDeutschland über das Medizinproduktegesetz umgesetztwird, erheblich eingrenzen. So hält das Europäische Parla-ment in einer Stellungnahme fest: „Es ist eine Klarstellungerforderlich, dass Software als solche, wenn sie spezifischvom Hersteller für einen oder mehrere der in der Definitionvon Medizinprodukt genannten medizinischen Zwecke be-stimmt ist, ein Medizinprodukt ist.“ Und weiter: „Berück-sichtigt man die zunehmende Bedeutung von Software fürMedizinprodukte � entweder als eigenständiges Elementoder als Bestandteil eines Medizinprodukts � sollte auchdie Validierung von Software in Übereinstimmung mit demStand der Technik zu den grundlegenden Anforderungengehören.“

Die Übergangsfrist für die Umsetzung der Änderungen inden EU-Mitgliedsstaaten gilt bis zum 29. Juni 2008, dasheißt, bis zu diesem Termin müssen die entsprechenden Ge-setze an die Änderungen angepasst werden. In Deutschlandbetrifft dies neben dem Medizinproduktegesetz unter ande-rem die Medizinprodukteverordnung, die Medizinpro-dukte-Betreiberverordnung und die Medizinprodukte �Sicherheitsplanverordnung.

Für die verschiedenen Anwendungsbereiche der Richtliniewerden unterschiedliche Übergangsregelungen gelten, sodass Hersteller von Medizingeräten Zeit haben, sich aufdie neuen Maßgaben einzustellen. Je eher dies geschieht,um so besser die Chancen, konkurrenzfähig zu bleiben undsich im Wettbewerb durchzusetzen.

Entsprechend ihrem Gefährdungspotenzial werden Medi-zinprodukte in die Klassen I, IIa, IIb und III eingestuft. Je

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nach Einstufung kommen unterschiedliche Verfahren derKonformitätsbewertung zur Anwendung: Reicht im ein-fachsten Fall eine Erklärung des Herstellers darüber aus,dass das Produkt den einschlägigen Bestimmungen derRichtlinie entspricht, müssen ab Klasse IIa zusätzlich ent-weder Produkt oder Produktion einer Qualitätssicherungunterzogen werden bzw. muss ein vollständiges QM-Sys-tem implementiert sein. Damit kommt in Bezug auf die Do-kumentationspflicht ein erheblicher Mehraufwand aufHersteller zu, die noch nicht zertifiziert sind.

Besonders relevant für die Sicherheit der Produkte ist dasManagement der unterschiedliches Produkt-Releases- undAdaptionen. Hier kam es in der Vergangenheit schon zuschweren Unfällen: So führten nachträgliche Anpassungenund Korrekturen an der Software des BestrahlungsgerätesTherac-25 zu teils lethalen Verstrahlungen der Patienten.Diese sollten sich eigentlich einer Krebs-Therapie unterzie-hen. Selbst nachdem der Fehler festgestellt worden war, re-sultierte die Kombination aus mangelnder Dokumentationder Software, der Unfähigkeit des kanadischen HerstellersAECL, Auftreten und Art der Fehler zu rekonstruieren, so-wie dem Fehlen jeglicher Managementprozesse zum Um-gang mit solchen Vorfällen noch zwei Jahre später inschweren Unfällen mit teils tödlichem Ausgang.

„Das Beispiel zeigt wie wichtig eine transparente Doku-mentation und festgelegte Handlungsroutinen für das Si-cherheitsmanagement sind“, sagt Dirk Assmann-Staudt,selbst Informatiker und IT-Berater. Im Auftrag des Soft-wareentwicklers newTrust betreut er Unternehmen bei derEinführung von Anwendungen für das Variantenmanage-ment. Seine Erfahrung: „In kleineren Unternehmen, die vielZeit und Arbeit in ihre Produkte und wenig in bürokrati-sche Abläufe investieren, spielen Dokumentationen vonReleases und Updates meist eine untergeordnete Rolle.Viele Chefs verlassen sich darauf, dass ihre Mitarbeiter denProduktlebenszyklus der verschiedenen Entwicklungen ausdem Gedächtnis nachvollziehen können.“ � Höchst be-denklich bei einem so komplexen und sicherheitsrelevantenProdukt wie Medizingerätesoftware.

Existiert kein transparentes Variantenmanagementsystem,fällt es Mitarbeitern aus Entwicklung, Vertrieb und Kun-denservice schwer, den Überblick über Produktvarianten,Funktionalitäten und Updates zu behalten. Im Garantiefallmuss der Hersteller nachweisen können, dass er sich beiEntwicklung und Produktion an gesetzliche Vorschriftengehalten hat. �

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Neu: „MedTech-Kompass“ für eine gute und transparenteZusammenarbeit zwischen Industrie und KlinikenDer Bundesverband Medizintechnologie, BVMed, will mitder neuen Informationskampagne „MedTech-Kompass“Orientierung für eine transparente und gute Zusammen-arbeit zwischen der Industrie und medizinischen Einrich-tungen und den Ärzten geben. Mit einer eigenen Web-seite, einem Informationsflyer und regelmäßigenNewslettern wirbt der BVMed anhand von klaren Prinzi-pien und Praxisbeispielen für die bestehenden Hand-lungsempfehlungen zur Zusammenarbeit im Gesund-heitsmarkt. Alle Informationen können im Internet unterwww.medtech-kompass.de abgerufen werden.

Das Thema ist für MedTech-Unternehmen und die Klini-ken von besonderer Bedeutung, da die Zusammenarbeitzwischen Medizinischen Einrichtungen, Ärzten und der In-dustrie Voraussetzung für den medizinischen Fortschrittist. Die Zusammenarbeit ist auch politisch erwünscht. Ge-meinsam mit den Partnern in den Kliniken und der Ärzte-schaft bemüht sich der BVMed seit vielen Jahren darum,der Kooperation im Gesundheitsmarkt eine sichere undtransparente Grundlage zu geben.

Um klare Handlungsempfehlungen für eine gute und trans-parente Zusammenarbeit zu geben, hat der BVMed ge-meinsam mit den Partnern im Gesundheitsmarkt den „Ko-dex Medizinprodukte“, den „Gemeinsamen Standpunkt“und zahlreiche Musterverträge entwickelt. „Die Inhaltedieser Handlungsempfehlungen werden vielerorts tagtäg-lich gelebt. Doch in der Praxis gibt es oft Fragen und Unsi-cherheiten. Deshalb engagieren wir uns mit einer Informa-tionskampagne für dieses wichtige Thema, um Antwortenauf diese Fragen und Sicherheit im Alltag zu geben. DerMedTech-Kompass hilft, sich zu orientieren und Kurs zuhalten“, so der BVMed.

In einem 12-seitigen Informationsflyer werden die wich-tigsten Eckpfeiler einer guten und transparenten Zu-sammenarbeit zusammengefasst. Und in einer Depeschewerden vierteljährlich Experten aus Medizinischen Einrich-tungen und den Unternehmen zu Wort kommen, Praxisbei-spiele geben und Schwerpunktthemen näher beleuchten.Die erste Ausgabe, die mit dem Kampagnenstart erschienenist, enthält beispielsweise ein Interview mit dem General-sekretär der Universitätskliniken Deutschlands, RüdigerStrehl, und dem Direktor für Health Care Compliance beiJohnson & Johnson, Manfred Mieskes. Schwerpunkt-

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thema der Erstausgabe sind wissenschaftliche Fort- undWeiterbildungen.

Die Informationen im Rahmen des MedTech-Kompassesrichten sich an alle Akteure im Gesundheitswesen � ausWirtschaft und Wissenschaft, Kliniken und medizintechni-schen Unternehmen, Politik und Medien.

Grundlage einer guten und transparenten Zusammenarbeitzwischen Industrie, Medizinischen Einrichtungen und denÄrzten sind nach Auskunft des BVMed folgende vier Prin-zipien:

Trennungsprinzip: Wir setzen uns für die strikte Trennungvon Zuwendung und Umsatzgeschäft ein. Konkret heißtdas: Wer zum Beispiel eine medizinische Veranstaltung nurdann sponsert, wenn ihm dafür der Kauf medizintechni-scher Produkte zugesichert wird, handelt unrechtmäßig.

Transparenzprinzip: Jede Zuwendung und Vergütung mussoffengelegt werden. Die Konsequenz: Alle Leistungen aneine medizinische Einrichtung oder an einen Arzt müssendem Arbeitgeber mitgeteilt und schriftlich fixiert werden.

Äquivalenzprinzip: Leistung und Gegenleistung müssen ineinem angemessenen Verhältnis stehen. Wenn beispiels-weise ein Arzt eine medizintechnisch relevante Studie fer-tigt, muss das Honorar seinem Aufwand angemessen sein.

Dokumentationsprinzip: Alle Leistungen müssen schrift-lich festgehalten werden. In den schriftlichen Vereinbarun-gen wird detailliert festgelegt, welcher Art etwa die Zuwen-dung ist, welchen Zweck sie hat und welche Leistungenkonkret erbracht werden.

Wertvolle Links zum Thema:

Alle wichtigen Musterverträge von der Beratung bis zurForschung und Entwicklung:www.medtech-kompass.de/service

Eine Auswahl spezialisierter Rechtsanwälte:www.medtech-kompass.de/anwaelte

Depesche:www.medtech-kompass.de/depesche

Wichtige Dokumente zur Kooperation im Gesundheitsmarkt:Kodex Medizinprodukte:www.medtech-kompass.de/kodex

Gemeinsamer Standpunkt:www.medtech-kompass.de/gemeinsamer−standpunkt

Musterberufsordnung der Ärzte:www.medtech-kompass.de/musterberufsordnung �

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Das DIMDI liefert Informationenüber Hochrisiko-In-vitro-Diagnostika auf demdeutschen Markt

Europäische Anzeigen zu Hochrisiko-In-vitro-Diagnostikastehen beim DIMDI den für Medizinprodukte zuständi-gen Behörden in Deutschland zur Verfügung. Rund 500Datenbankdokumente hat das Institut aus den ihm gelie-ferten Anzeigen von europäischen In-vitro-Diagnostika-Herstellern und -Bevollmächtigten erfasst. Zukünftig wer-den alle Anzeigen ab dem Jahr 2000 bis heute in dieDatenbank aufgenommen.

Die europäischen Hersteller und Bevollmächtigten vonIn-vitro-Diagnostika (IVD) sind nach Artikel 10 Absatz6 der Richtlinie 98/79/EG verpflichtet, ihre Anzeigen zumerstmaligen Inverkehrbringen ihrer Produkte vorüberge-hend den Behörden derjenigen Mitgliedsstaaten zuzulei-ten, auf deren Markt die Produkte eingeführt werden.Dies gilt bis zur Einrichtung einer entsprechenden euro-päischen Datenbank. In Deutschland nimmt das DIMDIim Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit vorü-bergehend diese Anzeigen entgegen. Insgesamt sind rund10.000 europäische IVD-Anzeigen beim DIMDI einge-gangen. Das Institut archiviert die Anzeigen und stellt sie

EU-Beschluss:Verschiebung der Umsetzung der EMF-Richtlinie

Das Europäische Parlament und der Europäischen Rathaben die Verschiebung der Umsetzung der EU-Richtlinie2004/40/EG über elektromagnetische Felder beschlossen.Damit bleibt jetzt Zeit, eine gründliche Folgenbewertungdieser Richtlinie vorzunehmen und notwendige Änderun-gen anzustoßen. Diese Folgenabschätzung ist heute fürEU-Richtlinien vorgeschrieben. Für diese Richtlinie ist dieFolgenbewertung wegen der langen Beratungszeit aberunterblieben.

Die sogenannte „EMF-Richtlinie“ zum Schutz von Ar-beitnehmern vor elektromagnetischen Feldern hat in ihreraktuellen Form in verschiedenen Bereichen unbeabsich-tigte, negative Auswirkungen. So wird die Richtlinie denEinsatz von Magnetresonanz-Tomographen (MRT) in dermedizinischen Diagnostik stark behindern. MRT-Geräteerzeugen mittels starker Magnetfelder ohne Röntgen-strahlung dreidimensionale Bilder aus dem Inneren desmenschlichen Körpers. Vor allem medizinisches Bedien-personal und Servicetechniker könnten sich nach den vor-gesehenen Vorschriften der Richtlinie nur noch einge-schränkt in der Nähe der Geräte aufhalten. Ihre Arbeitwäre damit stark behindert. Sogar die Nähe des Arzteszum Patienten während der Untersuchung wäre einge-schränkt.

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den deutschen zuständigen Behörden auf Anfrage zurVerfügung.

Bei den erfassten europäischen Anzeigen sogenannterHochrisiko-IVD handelt es sich um die Labortests, diezur Prüfung der Unbedenklichkeit oder Verträglichkeitvon Blut- oder Gewebespenden bestimmt sind oder diehelfen, gefährliche Infektionskrankheiten, z.B. AIDS zuerkennen. Das DIMDI schätzt die Gesamtzahl der inDeutschland angezeigten Hochrisiko-IVD aus den ande-ren Mitgliedsstaaten auf über 2000.

Ursprünglich war die elektronische Erfassung der europä-ischen IVD-Anzeigen in Deutschland nicht vorgesehen.Doch der Aufbau der europäischen Datenbank mit denAnzeigen aller auf dem europäischen Markt befindlichenMedizinprodukte verzögert sich. Die nun vorhandeneelektronische Verfügbarkeit der europäischen Hochrisiko-IVD, die sich auf dem deutschen Markt befinden, erhöhtdie Sicherheit der Marktüberwachung durch die deut-schen zuständigen Behörden. Nur diese Behörden habenZugriff auf die Daten. �

Die MRT hat sich in den letzten Jahren als wichtigesdiagnostisches Werkzeug für die moderne Medizin etab-liert. Die Entdecker des Verfahrens sind im Jahr 2003mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet worden.Deutsche Forscher und Mitgliedsunternehmen des ZVEIsind bei der Weiterentwicklung der MRT weltweit füh-rend. „Diese Forschung und ihre Nutzung würden durchdie Umsetzung der Richtlinie in ihrer jetzigen Fassunggefährdet“, erläutert Gerlach. Ebenfalls betroffen seienIndustriebereiche, die mit hohen Stromstärken oder star-ken Elektromotoren arbeiten. Dazu gehören z.B. Elektro-stahlwerke und industrielle Schweißanlagen.

Die Richtlinie sieht zum Schutz der Arbeitnehmer starreGrenzwerte für die Magnetfelder vor, denen Arbeitneh-mer ausgesetzt werden können. Die Einhaltung derGrenzwerte kann aber nicht direkt gemessen werden.Darüber hinaus fehlt ein wissenschaftlicher Beleg, dasselektromagnetische Felder überhaupt zu gesundheitlichenAuswirkungen führen. Bei rund 500 Millionen Untersu-chungen mit MRT-Geräten, die weltweit bisher durchge-führt worden sind, sind die vermuteten gesundheitlichenAuswirkungen nie beobachtet worden.

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Durch den jetzt verabschiedeten Beschluss des Europä-ischen Parlaments und die bevorstehende Annahme durchden Europäischen Rat wird die Umsetzung der Richtlinievier Jahre später erforderlich. Die Europäische Kommis-sion wird zusätzliche wissenschaftliche Untersuchungenberücksichtigen und Vorschläge für eine sachgerechteUmsetzung der Richtlinie vorlegen.

Heilmittel-Report 2008:Sprachtherapie früher ansetzenDie Verordnungsmengen von Ergo- und Sprachtherapienbei Kindern sind in den vergangenen Jahren ständig ge-stiegen. 2006 haben bei AOK-Versicherten unter densechsjährigen Jungen jeder Fünfte eine Sprachtherapieund jeder Siebte eine Ergotherapie erhalten. Das zeigt derHeilmittel-Report 2008, den das Wissenschaftliche Insti-tut der AOK (WIdO) gemeinsam mit Professor HaraldBode von der Universität Ulm herausgibt.

„Der Heilmittel-Report 2008 macht deutlich, dass Ergo-und Sprachtherapientherapien helfen können, Defizite derkindlichen Umwelt zu bewältigen“, so Helmut Schröder,Forschungsbereichsleiter im WIdO. Dringend notwendigseien präventive Maßnahmen, damit Gesundheitsstörun-gen rechtzeitig vorgebeugt werden können. Denn nachEinschätzung von Experten setzt die logopädische Be-

Änderung der europäischen Medizinprodukte-Richtlinien:„Nationale Umsetzung bis Ende 2008 vorgesehen“Das Gesetzgebungsverfahren zur nationalen Umsetzungder geänderten europäischen Medizinprodukte-Richtliniensoll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Das berich-tete Dr. Günter Siegemund, Referent Medizinprodukte imBundesgesundheitsministerium (BMG), auf der BVMed-Konferenz „Richtlinie 2007/47/EG: Die neuen Änderun-gen der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG“ am13. Februar 2008 in Königswinter. Die Umsetzung solleauch „Entbürokratisierungsaspekte mit berücksichtigen“.Die Beteiligung aller Betroffenen werde sichergestellt, soder BMG-Experte.

Die neue europäische Richtlinie trat am 11. Oktober2007 in Kraft und änderte die Medizinprodukte-Richt-linien 90/385/EWG (aktive Implantate), 93/42/EWG(sonstige Medizinprodukte � außer In-vitro-Diagnostika)und 98/8/EG (Biozide). Während die Änderung der Richt-linie 98/8/EG nur die rechtliche Abgrenzung zwischenIn-vitro-Diagnostika und Biozid-Produkten betrifft, ent-halten die Änderungen der Richtlinien 90/385/EWG und

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Der Branchenverband ZVEI will sich gegenüber den zustän-digen Ministerien in Deutschland sogar für eine Ausnahmevon Medizinprodukten von der Richtlinie einsetzen. Darü-ber hinauswird der ZVEI gemeinsammit seinen Partnern imBrüsseler EuropeanCenter of the Electronics Industry die In-teressen der betroffenen Branchen gegenüber allen beteilig-ten europäischen Institutionen vertreten. �

handlung zu spät ein. Sie fordern den Einsatz der Thera-pien bereits für drei- bis vierjährige Kinder und nicht erstbeim Umstieg vom Kindergarten in die Grundschule.

Im Heilmittel-Report 2008 werden die 237 MillionenHeilmittelbehandlungen aus dem Jahr 2006 für die insge-samt 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherte analy-siert und beschrieben. Die Ausgaben für Heilmittel habensich im Jahr 2006 auf 3,9 Milliarden Euro belaufen.Damit hat im Durchschnitt jeder gesetzlich Krankenversi-cherte 3,5 Heilmittelbehandlungen erhalten.

Neben Kindern erhalten vor allem ältere Menschen mitRückenproblemen Heilmittelbehandlungen. Mehr als jedevierte Frau über 60 Jahre hat 2006 eine Krankengymnas-tik oder Massage erhalten, im Vergleich zu nahezu jedemfünften Mann über 60. �

93/42/EWG umfangreiche redaktionelle und inhaltlicheNeuerungen des europäischen Medizinprodukterechts.

Die wichtigsten Änderungen fasst BVMed-Geschäftsfüh-rer Joachim M. Schmitt zusammen: Änderung und Er-weiterung der Grundlegenden Anforderungen; Höherklas-sifizierung bestimmter Produkte; Verschärfung derKonformitätsbewertungsverfahren für Produkte der Klas-sen IIa und IIb; Verschärfung der Anforderungen an dieklinische Bewertung; Kennzeichnungspflicht für be-stimmte Medizinprodukte, die unter Verwendung vonKunststoffweichmachern hergestellt wurden; Pflicht, überbekannte Risiken der Wiederverwendung von Einmalpro-dukten aufzuklären.

Die Richtlinie verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten, biszum 21. Dezember 2008 die erforderlichen Rechts- undVerwaltungsvorschriften zur nationalen Umsetzung derÄnderungsrichtlinie zu erlassen und zu veröffentlichen.Zu diesem Zweck muss das deutsche Medizinproduktege-setz (MPG) Ende 2008 novelliert werden. Erst ab dem21. März 2010 sind die neuen Vorschriften von Herstel-

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lern mit Sitz im Europäischen Wirtschaftraum (EWR)national anzuwenden.

BMG-Experte Dr. Günter Siegemund berichtete, dass sichaus der Richtlinie die Pflicht für die Behörden ergebe, einSystem zum Informationsaustausch über klinische Studienaufzubauen. Hier gebe es allerdings kein Zeitlimit, sodassdie Behörden der Mitgliedsstaaten vermutlich auf die Ein-satzfähigkeit der europäischen Datenbank EUDAMEDwarten werden. In Deutschland werden fast 50 Prozentaller klinischen Studien mit Medizinprodukten in Europadurchgeführt. In der Mehrzahl der relevanten EU-Staatenmüssen klinische Studien mit Medizinprodukten geneh-migt werden, so Dr. Siegemund. In Deutschland seienjedoch kaum Informationen über die Untersagung vonklinischen Prüfungen verfügbar. Auch gebe es bisherkaum Meldungen über Vorkommnisse in klinischen Prü-fungen

Dr. Jürgen Berndt von 3M Medica bewertete die Ände-rung der Konformitätsbewertungsverfahren aus Herstel-lersicht. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es noch schwierig,alle Auswirkungen der Neuerungen abschließend zu be-werten. Die Interpretationen der Neuerungen, die Überar-beitung der bestehenden MEDDEV-Leitlinien und mögli-cherweise neue Leitlinien würden hierzu entscheidendbeitragen. Sein Rat: „Alle Hersteller sollten die neue Ver-sion der Direktive sorgfältig lesen und die sie betreffen-den Änderungen und neuen Anforderungen herausfiltern.Mit diesem Wissen sollten sie einen ausführlichen Imple-mentierungsplan entwickeln, der sicherstellt, dass alleneuen Anforderungen bis März 2010 effektiv implemen-tiert sind.“ Denn ab dem 21. März 2010 müssten fürdie Produkte, die noch nicht im Markt sind, die zutref-fenden CE-Konformitätsbewertungsverfahren durchge-führt werden. Die Benannten Stellen werden voraus-sichtlich spätestens ab 21. März 2010 die neuenKonformitätsbewertungsverfahren für die Klassen IIa undIIb durchführen. Ansonsten sei die Verkehrsfähigkeit desMedizinprodukts gefährdet.

Eine Bewertung der Änderung der Konformitätsbewer-tungsverfahren aus Sicht einer Benannten Stelle nahmHarald U. Rentschler vor. Er ist Geschäftsführer der mdcmedical device certification GmbH, einer BenanntenStelle in Stuttgart. Aus seiner Sicht ergeben sich aus denÄnderungen der Richtlinie zahlreiche zusätzliche Forde-rungen im Rahmen der Konformitätsbewertung. Diesebetreffen beispielsweise die Definition „Medizinprodukt“,die Änderung der Klassifizierung, die Zuordnung derKonformitätsbewertungsverfahren, die GrundlegendenAnforderungen, die klinische Bewertung, aber auch über-

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schneidende Anforderungen mit der Richtlinie über per-sönliche Schutzausrüstungen sowie der Maschinenricht-linie. Aus den Änderungen ergebe sich auch dieNotwendigkeit einer intensiveren Überprüfung der Tech-nischen Dokumentation und ein verbesserter Nachweisder Kontrolle von Unterauftragnehmern bzw. Lieferanten.

Die Grundlagen der klinischen Bewertung aus Hersteller-sicht beleuchtete Dr. Martin Abel, Leiter Medical undRegulatory Affairs bei der Lohmann & RauscherGmbH & Co. KG. Eine klinische Bewertung beruht aufklinischen Daten und muss zwingend für jedes Medizin-produkt durchgeführt werden. Die klinische Bewertungmuss die Eignung des Produkts für den vorgesehenenZweck belegen. Sie belegt die Produktaussagen durch Li-teratur und eigene Untersuchungen und bietet Hinweiseauf Nebenwirkungen und Risiken im Rahmen einer Nut-zen-/Risiko-Bewertung. Die klinische Bewertung sollte„bedarfsadaptiert und situationsangepasst“ sein und indie Technische Dokumentation vom Anfang bis zumEnde des Lebenszyklus eines Produkts eingepasst sein.Die klinische Bewertung müsse auch Bestandteil der Risi-komanagement-Akte sein und aktualisiert werden � an-gepasst an das Produkt und seine Risiken. Für Implantateund Medizinprodukte der Klasse III müssen grundsätzlichklinische Prüfungen durchgeführt werden.

Dr. Joachim Wilke, Manager Regulatory, Quality & Cli-nical Affairs bei der Medtronic GmbH, schilderte dieAnforderungen an die Kennzeichnung von Medizinpro-dukten. Die Kennzeichnung sei ebenso wie die Ge-brauchsanweisung Teil der Produktinformation der Her-steller. Erst durch die in der Produktinformationfestgelegte Zweckbestimmung werde ein Produkt zumMedizinprodukt. Unter „Kennzeichnung“ des Medizin-produkts sei jede geschriebene, gedruckte oder grafischeInformation auf einem Medizinprodukt oder einem seinerBehältnisse oder sonstigen Verpackungen zu verstehen,die sich auf die Identifizierung, technische Beschreibungund Verwendung des Medizinprodukts bezieht. Alterna-tive Produktinformation in elektronischer Form fokussie-ren sich nach Auskunft von Dr. Wilke auf die Gebrauchs-anweisung, nicht auf die Kennzeichnung. Wenn eineGebrauchsanweisung im Internet zur Verfügung gestelltwerde, müsse der Hersteller spezielle Anforderungen be-achten. Der Hersteller müsse beispielsweise ein Systeminstallieren, das gewährleistet, dass die Gebrauchsanwei-sung in Papierform zur Verfügung gestellt werden kann.Dies müsse „auf Anfrage und ohne zusätzliche Kosten,in einer angemessenen Zeitspanne und in der gesetzlichvorgeschriebenen Sprache des Landes, in dem das Gerätverkauft wurde, geschehen“, so Dr. Wilke. �

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Die Bedeutung der CE-Kennzeichnung aufMedizinproduktenWichtige Informationen für Händler und Einkäufer, Betreiber und Anwender, PatientenStand: März 2008

Was sind Medizinprodukte?Medizinprodukte sind alle Produkte, z.B. Instrumente, Ap-parate, Vorrichtungen, Stoffe, zugehörige Software oderandere Gegenstände, die zur Erkennung, Verhütung, Über-wachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierungvon Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen fürden Menschen bestimmt sind.

Hierzu zählen auch Produkte für Untersuchungen, den Er-satz oder die Veränderung des anatomischen Aufbaus odereines physiologischen Vorgangs und zur Empfängnisrege-lung, sowie die In-vitro-Diagnostika, die als Labordiagnos-tika oder als Selbstteste in Laienhand in den Verkehr ge-bracht werden.

Alle Medizinprodukte unterliegen dem Medizinprodukte-gesetz (MPG), das zusammen mit seinen Verordnungen dieeuropäischen Richtlinien 90/385/EWG (aktive Implantate),93/42/EWG (Medizinprodukte) und 98/79/EG (In-vitro-Diagnostika) in deutsches Recht umsetzt. Alle Medizinpro-dukte unterliegen den strengen, umfangreichen grundle-genden Anforderungen und Qualitätssicherungsmaßnah-men, die in den genannten Richtlinien detailliert festgelegtsind.

Die Einhaltung der umfassenden gesetzlichen Anforderun-gen garantiert einen hohen Grad an

� Gesundheitsschutz,

� Leistungsfähigkeit und

� Sicherheit,

also Qualität für Patienten, Anwender oder Dritte.

Was beinhaltet die CE-Kennzeichnung aufeinem Medizinprodukt?Mit der CE-Kennzeichnung seiner Produkte dokumentiertder Hersteller die lückenlose Konformität mit den gesetz-lichen Bestimmungen. Abhängig von der jeweiligen Risiko-einstufung des Medizinproduktes muss eine BenannteStelle eingeschaltet werden, deren Kennnummer der CE-Kennzeichnung beigefügt ist.

Die Erfüllung aller Anforderungen wird in einem Konfor-mitätsbewertungsverfahren nachgewiesen, das für ein Me-dizinprodukt insbesondere bedeutet:

Sicherheit

� Risiken und Nebenwirkungen analysieren, bewertenund minimieren

� Biologische Verträglichkeit sicherstellen, Infektionsrisi-ken reduzieren oder ausschalten

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� Mechanische, elektrische und elektromagnetische Si-cherheit gewährleisten

� Produktkombinationen erlauben oder untersagen

� Sicherheits- und Gebrauchsanweisung auf Vollständig-keit und Verständlichkeit prüfen.

Leistungsfähigkeit und Nutzen

� Medizinprodukte klinisch oder diagnostisch bewerten

� Ausgelobte Produkteigenschaften und Spezifikationeneinhalten

� Therapeutischen oder diagnostischen Nutzen sicherstel-len

� Messsicherheit gewährleisten

Überwachung

� des Herstellers

� des Medizinprodukts

und zwar während des gesamten Produktlebenszyklus.

Wer ist dafür verantwortlich, dass dieCE-Kennzeichnung hält, was sie verspricht?Hersteller

Verantwortlicher für das Inverkehrbringen, für die Erfül-lung einschlägiger gesetzlicher Anforderungen, für das Be-stellen eines Sicherheitsbeauftragten, für die Beobachtungseiner Produkte im Markt und das Beauftragen sachkom-petenter Medizinprodukteberater.

Wer überwacht, dass dieCE-Kennzeichnung hält, was sie verspricht?Landesbehörden

Die zuständigen Behörden (z.B. Regierungspräsidien, Ge-werbeaufsichtsämter) überwachen die Hersteller und ihreProdukte, aber auch die beruflichen Anwender.

Benannte Stellen

Neutrale Auditier-, Zertifizier- und Prüfstellen für Produkt-und Qualitätsmanagementprüfungen bestimmter Medizin-produkte.

ZLG und ZLS

Die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz beiArzneimitteln und Medizinprodukten und die Zentralstelle

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der Länder für Sicherheitstechnik sind die Akkreditier- undÜberwachungsbehörden der Benannten Stellen.

BfArM und PEI

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukteund das Paul Ehrlich-Institut (für bestimmte IVD) sind zu-ständig für die Erfassung, Bewertung und Abwehr von Ri-siken bei Medizinprodukten.

Zusätzliche Zeichen für Medizinproduktemit CE-Kennzeichnung?� Zusätzliche Zeichen zur Qualität, Sicherheit und Funk-

tionstüchtigkeit bedeuten zusätzliche Prüfungen (Dop-pel- und Mehrfachprüfungen) und zusätzliche Überwa-chungen,

� zusätzliche Prüfungen bedeuten zusätzliche Kosten,

� zusätzliche Kosten bedeuten nur eine Verteuerung derMedizinprodukte, jedoch keinen zusätzlichen Nutzen.

Fazit

Zusätzliche Zeichen zur Qualität, Sicherheit und Funk-tionstüchtigkeit bei Medizinprodukten neben der CE-Kennzeichnung können verwirren und sind, weil sie nichtmehr als die CE-Kennzeichnung aussagen, unnötig.

Sie führen nicht zu erhöhtem Gesundheitsschutz,

nicht zu verbesserter Leistungsfähigkeit,

nicht zu höherer Sicherheit für Patienten, Anwender oderDritte.

Damit ist die rechtmäßig auf Medizinprodukte ange-brachte CE-Kennzeichnung ein Zeichen ihrer Qualität, Si-cherheit und Funktionstüchtigkeit. Gerade durch denNachweis der Sicherheit und der therapeutischen oder di-agnostischen Leistungsfähigkeit ist die Qualität der Medi-zinprodukte belegt. Diese Produkte heben sich daher deut-lich von anderen Produkten mit einer anders definiertenCE-Kennzeichnung ab.

Amtliche Begründung zu § 9 MPG

„Ein Medizinprodukt darf nach dem von der EuropäischenKommission herausgegebenen ,Leitfaden für die Umset-zung der nach dem neuen Konzept und dem Gesamtkon-zept verfassten Richtlinien‘ nur dann mit zusätzlichen Zei-chen versehen sein, wenn diese eine andere Funktion alsdie CE-Kennzeichnung erfüllen. Dies ist der Fall, wenn mitihnen ein zusätzlicher Nutzen im dem Sinne verbunden ist,dass sie die Konformität mit Zielen zum Ausdruck bringen,die sich von den Zielen der CE-Kennzeichnung unterschei-den. Zulässig sind damit z.B. zusätzliche Zeichen, die aufUmweltaspekte abstellen, die in den für Medizinproduktemaßgeblichen Richtlinien nicht berücksichtigt werden. Injedem Fall ist eine Diskreditierung der CE-Kennzeichnungzu vermeiden.“

56 MPR 2/2008

Herausgeber

BAHBundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V., Bonnwww.bah-bonn.de

BPIBundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V., Berlinwww.bpi.de

BVMedBundesverband Medizin-technologie e.V., Berlinwww.bvmed.de

SPECTARISDeutscher Industrieverband für optische, medizinischeund mechatronische Technologien e.V., Berlinwww.spectaris.de

VDDIVerband der Deutschen Dental Industrie e.V., Kölnwww.vddi.de

VDGHVerband der Diagnostica- Industrie e.V., Frankfurtwww.vdgh.de

ZVEIFachverband Elektromedizinische Technik im Zentralver-bandElektrotechnik- undElektronikindustrie e.V., Frankfurtwww.zvei.de/medtech

Nähere Informationen sind bei den genannten Verbändenerhältlich. Stand: März 2008 �