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Mobile Learning 2.0

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Probleme, Chancen und Potenziale einer globalen, mobilen Kultur werden hier im Hinblick auf moderne Lernszenarien diskutiert. Inhalte:# Worum geht es?# Gadget-Faszinosum# Faszination des Mobilen# Mobile Nutzung# Interkulturelle Unterschiede# Das 2.0-Zeitalter# Mobile 2.0# Transformation des Lernbegriffes# Mobile Lernen# User generated Mobile Content# Leben im Information Overload# Fazit

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KAPITEL 11 ­ MOBILE LEARNING 2.0

Theoretisch und praktisch könnten die meisten Schreib­tischmenschen mobil arbeiten ­ weit effektiver und we­sentlich zufriedener. Dennoch lebt jeder siebte EU­Bür­ger/in in einer Fernbeziehung. Warum? Weil für das Gros der Arbeitnehmer/innen solch mobile Arbeitsformen ein Wunschtraum bleibt. Drei Viertel der von Bitkom1 befragten Deutschen findet Telearbeit gut, 10 Prozent praktizieren es und 62 % wünschten, es gäbe flexible­re Arbeitsbedingungen. Und damit ist zumeist nur eine Verlagerung des Schreibtisches von der Firma in private Räumlichkeiten gemeint ­ Telearbeit eben, die räumlich wie zeitlich klar definiert ist.

An diesem Arbeitsbegriff orientiert sich auch der Lern­begriff ­ man geht irgendwo hin, meist eine Bildungs­institution oder setzt sich alternativ an den eigenen Schreibtisch, um zu lernen. Ist dies heute noch in dieser Stringenz erforderlich? Technologisch sind doch weit flexiblere Modelle denkbar. Was fehlt, ist eine sozio­kulturelle Selbstverständlichkeit, solche Modelle nicht als Ausnahme, sondern als Regelfall zu leben. In diesem Sinne soll hier das Kunstwort „Mobile Learning 2.0“ diskutiert werden. Hier ist die Rede vom Lernen der Zu­kunft, wie es sich bereits in Ansätzen abzeichnet.

Worum geht es?

Lassen Sie mich kurz mit einer kleinen Anekdote starten: Vor einigen Tagen saß ich wartend auf dem U­Bahnsteig und beantwortete eine Anfrage auf meinem mobilen Endgerät. Ich tippte auf der herausgefahrenen Tastatur meines G1­Handys, während sich langsam eine Mutter mit Kind in mein Sichtfeld schob. Ich sah auf und erblickte ein kleines Mäd­chen, es mag ca. 3 Jahre alt gewesen sein, die ihre Mutter am Arm Richtung meines G1 zog, bis es das Köpfchen direkt über den Bildschirm beugen und mit 10 cm Abstand meinem Tippen folgen konnte. Die Mutter schimpfte derweil laut­stark mit ihrer Tochter und versuchte sie weiterzutreiben. Das Mädel aber sträubte sich mit aller verfügbaren Macht und blickte während des Fortgehens konsequent auf mein Handy. Es versuchte sich loszureissen und zurück zu laufen ­ die Mutter hielt dagegen und zog das Kind immer weiter fort ­ und bald schon erlöste uns alle die eintreffende U­Bahn.

Diesen Moment der quasi­natürlichen Faszination an einem technologischen Gerät versuche ich seitdem zu begreifen. Was begeistert ein Kleinkind an solch einem Gadget? Wo­her kommt diese fast magnetische Ausstrahlungskraft ei­ner Technologie, die vielen anderen ähnelt, aber offenbar eine allgemeine Anziehung ausübt? Spielt es eine Rolle,

dass Mutter wie Tochter einen asiatischen Background hatten? Und steckt in dieser Faszination nicht auch ein un­glaubliches Potenzial für unser aller Weiterentwicklung?

Gadget­Faszinosum

Ein Gadget, so lehrt uns Wikipedia2, ist der englische Be­griff für eine technische Spielerei. Damit ist ein technisches Werkzeug oder Gerät bezeichnet, „mit cleverer oder bisher so nicht bekannter Funktionalität und einem in der Regel außergewöhnlichen Design. Es ist traditionellerweise klein und handlich und zum Mitführen konzipiert. Eine große Rolle spielt der Spaßfaktor eines Gadgets: Geräte, die sich als Gadget definieren, sind oft Grenzgänger zwischen sinn­voller Funktionalität und Verspieltheit.“ Und Anton Waldt fügt im de:bug­Magazin hinzu, Gadgets seien heute die neuen Popstars, physische Realitäten einer ansonsten flüchtigen, nicht greifbaren Digitalisierung3. Was aber lässt Gadgets für eine bestimmte Zeit zu einem Popstar heran­reifen? Donald A. Norman unterscheidet aus Design­Sicht drei Ebenen, wie Produkte auf den User wirken.4

!" Auf der viszeralen Ebene reagieren die Sinne auto­matisch auf starke emotionale Signale der Umwelt. Dieser natürliche Umgang mit Angeboten erfolgt un­bewusst meist ausgelöst durch das Aussehen, das pro­vozierte Gefühl oder die Tonlage. Ein Design mit einer ansprechenden Ästhetik kann hier mit interkulturell gültigen Prinzipien wirken.

!" Auf der Verhaltensebene wirkt die konkrete Nutzung eines Produktes ­ allen voran die Performance. Hier wird die Mensch­Maschine­Interaktion provoziert und beeinflusst. Ein gutes Design wird auf dieser Ebene von vier Komponenten beeinflusst: Funktion, Ver­ständnis, Usability und dem physikalischen Gefühl.

!" Auf der reflektierenden Ebene rückt die Botschaft, die Kultur und Bedeutung eines Produktes oder seines Gebrauchs in den Vordergrund. Während Attraktivi­tät auf der viszeralen Ebene wirkt, kommt Schönheit von der reflektierenden Ebene. Der Einfluss eines Pro­duktes auf eine Person erfolgt durch die retrospektive Erinnerung und Aufwertung. Hier wirken kulturelle Differenzierungen, modische Trends und das Bedürf­nis nach kontinuierlicher Fluktuation.

Ästhetik, Interaktion und Reflexion sind also die drei Kom­ponenten, die vom menschlichen Gehirn bei der Verarbei­tung eines Designs zu bewältigen sind. Alle drei Ebenen sind in jedem Design eines jeden (Produkt­)Angebotes ent­halten, lassen sich unter Gestaltungsgesichtspunkten aber

DIE AUTORIN

ANJA C. WAGNER

Anja C. Wagner lebt und arbeitet in Berlin unter ihrem Label edu­Future (http://edufuture.de).

Selbstverständnis als Kreative im Bereich „Knowledge Media Design“. Thematischer Fokus auf interdisziplinärer Erfor­schung moderner Informati­onsumgebungen und Lernsze­narien ­ besonders unter Berücksichtigung interaktiver Aspekte.

Aktuelles Thema aufgrund Pro­motionsvorhaben: „User Expe­rience in benutzergenerierten, digitalen Lernumgebungen. Gestaltungsspielräume für glo­bale Bildung“.

Lehrbeauftragte und Resear­cherin v.a. für die (F)HTW Berlin ­ selbst konzipiertes und be­treutes, aktuelles (Haupt­)Pro­jekt: „eVideo 2.0 ­ Neue Medien für moderne Kommunikation“ (http://evideo.htw­berlin.de).

Bildungsberatung und Prozess­begleitung für Aufbau moder­ner Lernszenarien.

Mobile Learning 2.0von Anja C. Wagner

1http://www.bitkom.org/de/presse/30739_59013.aspx2http://de.wikipedia.org/wiki/Gadget3Waldt, A., 2009. Gadget Mad: Maschinen sind die neuen Popstars. In De:Bug Magazin: http://www.de­bug.de/mag/6210.html4Norman, D.A., 2003. Emotional Design: Why We Love (or Hate) Everyday Things, Basic Books.

Mobiles Arbeiten und Lernen ist heute eine Selbstverständlichkeit, denkt man. Rei­sen, Spaziergänge, Theater­ oder Museumsbesuche, Konferenzen und Kundenvertrieb sind Raum­Zeit­Verbindungen, die fernab des stationären Wirkens am Heim­ oder Bü­roschreibtisch erfolgen. Zudem haben mobile Endgeräte und Notebooks, Breitbandver­bindungen und vielfältige kollaborative Tools die Individuen unabhängiger gemacht.

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Sonderdruck aus:

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nicht gleichermaßen berücksichtigen. Je nach Zielsetzung und avisierter Zielgruppe muss das Design je unterschied­liche Schwerpunkte setzen und die einzelnen Ebenen je verschieden bedienen. Soll zudem ein Joy­of­Use entste­hen, spielen alle drei Ebenen zusammen5: Voraussetzung ist eine gute, bestimmungsgemäße, einfach zu bedienen­de Funktionalität. Dann müssen auf der emotionalen Ebe­ne die im Zusammenhang der Aufgabe angemessenen Gefühle evoziert werden. Und schließlich drückt die Pro­duktsprache einen gewissen Lifestyle des Users aus. Ein Gadget, so die sich herausschälende These, ist ein Produkt­design, das auf allen drei Ebenen wirkt ­ mit einem Fokus auf der reflektierenden Ebene. Die Bedeutung einer konti­nuierlichen Fluktuation der sozio­subkulturellen Codes ent­lang möglichst neuer Lifestyle­Produkte mündet in einer kurzen Halbwertzeit einzelner Gadget­Generationen. Dies korrespondiert mit Persönlichkeitsmerkmalen, die Voraus­setzung sind für die Wahrnehmung potenzieller Gadgets.

Folgen wir Mihaly Czikszentmihalyi mit seinem Flow­Kon­zept, so entsteht Ordnung im Bewusstsein eines Menschen, wenn wachsende Herausforderungen der Aneignung im­mer neuer Fähigkeiten bedürfen, um die jeweilige Situati­on selbstvergessen zu meistern. Wenn Personen in ihren Handlungen aufgehen, empfinden sie ein Flow­Gefühl, sie treiben in einer eigenen Zeitdimension und empfinden bei positivem Feedback rückblickend Glück.6 Hier schließt die Gadget­Faszination problemlos an: Aufgrund ihrer neu­artigen Funktionalität und ihres ungewöhnlichen Designs vermögen Gadgets die Aufmerksamkeit der Menschen zu gewinnen ­ sie fordern sie spaßvoll heraus. Neue Fähig­keiten sind gefordert, um das Gadget in den Lebensalltag zu integrieren. Ermuntert die spezifische Struktur der bereitgestellten Informationen zum fortwährenden Erfor­schen neuartiger Features, hält die Faszination an. Erst wenn die Neugierde medial wie sozial befriedigt ist, die Kreativität nicht weiter gefordert ist, wenden sich Men­schen aufgrund des selbstverständlichen Alltagsgebrauchs von dem, bislang auch Sinn stiftenden, Gadget ab und sind bereit für die nächste technologische Eroberung.

Faszination des Mobilen

Vorreiter, Sinnbild und Benchmark aller Gadgets sind die kleinen, mobilen Apple­Produkte, im iPhone gipfelnd und langsam das Gadget aus der Nische in den Mainstream führend. Hier spiegeln Design und spezifische Interaktions­formen eine kultige Lebensart wieder, die in ihrem Glanz auf die Nutzer/innen abstrahlt und ihnen das Gefühl einer glamourösen Modernität gibt. Apple ist mit seinem holi­stischen Design­Konzept zum Sinnbild einer ästhetischen Revolution aufgestiegen, an der sich viele, wenn auch nicht alle Produktanbieter orientieren. Wie bekannt, setzt Google mit seinem Open­Source­Ansatz dem proprietären Apple­Konzept ein ähnlich attraktives Angebot gegenüber, wobei sich die persönliche Präferenz entlang einer unter­schiedlichen Gewichtung der drei Wirkungsebenen von Produktdesigns entscheidet.

Nirgendwo wird das Gadget­Faszinosum greifbarer als im Hype um neue Handygenerationen. Der Zwei­Jahres­Turnus der Mobilfunk­Gesellschaften forciert zudem die Erwartungshaltung an ein neues Spielzeug. In der Entwick­lung von klassischen Mobiltelefonen über die Smartphone­/

Blackberry­Apparaturen bis hin zur neuen Generation der multimedialen, mobilen Endgeräte spiegelt sich nicht nur eine sozio­kulturelle Geschichte wieder, sondern oftmals auch eine persönliche. Steht man heute vor einer kon­kreten Kaufentscheidung, spielen die oben benannten drei Entscheidungsebenen eine wesentliche Rolle: Zunächst schwingt in der konkreten Auswahl eines bestimmten Ge­rätes die funktionale Ausrichtung der Kaufentscheidung und die persönliche Wirkung des spezifischen Designs mit. Welche dieser beiden Ebenen kaufentscheidend ist, hängt von der Persönlichkeitsstruktur ab, dokumentiert aber in fast allen Fällen einen speziellen Lifestyle. Wer jetzt ehr­lich in den Spiegel schaut und überlegt, welche Kriterien für das aktuelle Endgerät entscheidend waren, wird sich ir­gendwo in diesem magischen Dreieck von Design, Funktio­nalität und Lifestyle, also Zugehörigkeit zu einer speziellen Subkultur, wieder finden.

Zwar gibt in einer Studie von Continental Research7 die große Mehrheit vor, keinen Wert auf Style und Technologie zu le­gen. Doch die Forderung nach Abwesenheit vordergründig komplexer Funktionen stellt auch eine technologische Ent­scheidungsgrundlage dar, die sich in der minimalistischen Style­Orientierung an sozio­kulturellen Peer­Groups orien­tiert. Eine vergleichbare These lässt sich für die vorgebliche Bedeutungslosigkeit des Styles bei Personen aufstellen, die primär Wert auf Technologie legen. Auch diese möchten die technologische Dominanz sichtbar machen, für sich und für andere. Der Style des Gerätes spiegelt den imaginierten Life­style der Nutzer/innen wieder. Denn die Motivation, sich für ein konkretes Produkt zu entscheiden, liegt auch in sozio­kulturellen Prozessen begründet, in denen sich die zentralen Peer Groups bewegen und die von außen auf das konkrete Nutzungsszenario einwirken.

Welches Kriterium auch immer ausschlaggebend war für die Anschaffung eines konkreten Endgerätes, ist nach der Entscheidung letztlich zweitrangig. So haben z.B. nach Nielsen‘s iPhone­Statistik8 35 Prozent aller Nutzer/innen das iPhone aufgrund der Technologien und Funktionen gewählt. 26 % verlangten nach der Marke Apple und 29 % sagten, dass das Design und der Stil des iPhones den Ausschlag gaben. Interessant an diesen Zahlen ist die ver­hältnismäßige Gleichverteilung der drei Ebenen, auf denen Produktdesigns wirken. Apple ist es mit seiner Produkt­palette geglückt, alte Nutzer/innen auf der reflektierenden Ebene an sich zu binden und neue über die ästhetische und interaktive Ebene anzusprechen. Inwiefern sich in der iPhone­Gemeinde auch Personen wieder finden, die keinen Wert auf Technologie oder Style legen, wäre die spannende Frage. Folgen wir Norman in seiner Argumenta­tion, kann sich niemand von diesen drei Wirkungsebenen des Produktdesigns freimachen. Das bedeutet, bei gleicher Kostenstruktur ist davon auszugehen, dass im Zusammen­spiel der drei Ebenen eine persönliche Entscheidung zu­gunsten eines spezifischen Gerätes gefällt wird.

Im Kontext von Mobile Learning 2.0 ist allerdings nicht das einzelne Endgerät entscheidend, sondern die spezifische Nutzung. In der Continental Research­Studie gab die Mehr­heit der UK­Handybesitzer/innen an, ein problemloser Inter­netzugang sei für sie nicht kaufentscheidend.9 Doch wohin die mobile Reise geht, deutet Japan mit seiner mobilen Nutzung an: 2007 gingen bereits 83 % aller Internetnutzer/

5Reeps, I.E., 2006. Joy­of­Use: Ästhetik, Emotion und User Experience für interaktive Produkte, Vdm Verlag Dr. Müller.6Czikszentmihalyi, M., 2008. Flow. Das Geheimnis des Glücks, Stuttgart: Klett­Cotta.7http://www.nma.co.uk/opinion/dont­ignore­the­biggest­group­of­mobile­users/36864.article8http://www.presseportal.de/pm/53252/1232877/the_nielsen_company

Flow Konzept

Folgen wir Mihaly Czikszentmiha­lyi mit seinem Flow­Konzept, so entsteht Ordnung im Bewusstsein eines Menschen, wenn wach­sende Herausforderungen der Aneignung immer neuer Fähig­keiten bedürfen, um die jeweilige Situation selbstvergessen zu meistern. Wenn Personen in ihren Handlungen aufgehen, empfinden sie ein Flow­Gefühl, sie treiben in einer eigenen Zeitdimension und empfinden bei positivem Feedback rückblickend Glück

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innen auch mobil ins Internet10, während erst 16 % aller US­Amerikaner/innen Mitte 2008 mobil online unterwegs wa­ren11. Die Frage, die sich hier aufdrängt, ist die, ob eine op­timierte User Experience eine global wirkende, spezifische Nutzung nahelegen könnte ­ und falls ja, welche Praktiken sich dann voraussichtlich in den Vordergrund schieben.

Mobile Nutzung

Nach Auswahl eines konkreten Gerätes beginnt die zielgerich­tete oder autotelische Phase, in der den neuen Herausforde­rungen der technologischen Nutzung nachgespürt und mit einer entsprechenden Anpassung der Fähigkeiten begegnet wird, bis das neue Gerät zumindest ansatzweise beherrscht wird. Dabei geht es nur vordergründig um die Technologie (Sicherheit, Navigation, Spiele, Contentaufnahme). Viel wich­tiger sind die dahinter liegenden Funktionen, v.a. die der so­zialen Kontaktaufnahme. Bei Jugendlichen stellt diese soziale Anbindung die zentrale Bedeutung des mobilen Endgerätes her. Sei es synchron, um mit Familie, Freunden oder Geschäfts­partnern in ein auditives oder textuelles Gespräch einzutre­ten (Anruf, SMS, MMS, Chat, Beep) ­ oder sei es asynchron, um mit dem sozialen Netzwerk, den Weak Ties, in Kontakt zu bleiben (eMail, Foto­/Video­/Tonaufnahme, (Micro­)Blogging, Social Networks, Spiele o.ä.). Eine Überlagerung der physika­lischen Welt durch mediale Artefakte verbindet jetzt die On­ und Offlinewelt. Beide sind real und beide ergänzen sich. Vor allem junge Menschen können problemlos die konnektierte Welt als selbstverständliche weitere Ebene des sozialen Le­bens akzeptieren. Gleichzeitig ergreift diese soziale Strömung über das Gagdet­Faszinosum die Early Adopters älterer Gene­rationen und reicht hinein in den Mainstream. So belegt eine Comscore­Studie über den Vergleich der durchschnittlichen Nutzung von Smartphones und iPhones die sozio­kulturelle Entwicklung hin zur medialen Überlagerung, mit einem wach­senden Anteil an sozialen Features12.

Smartphone­Nutzung iPhone­NutzungInternet­Browsing 48% 80%eMailing 35% 76%Mobile Musik 40% 66%Social Networking 30% 55%Websuche 31% 55%

Wie sich unschwer an den Zahlen ablesen lässt: Das iPhone hat das mobile Nutzungsprofil nachhaltig verändert. Die Nutzung erstreckt sich zunehmend auf Bereiche, die bis­lang traditionellen Computern oder anderen Geräten (z.B. MP3­Player) vorbehalten war. Nach einer Untersuchung von Morgan Stanley13 können verschiedene tägliche Ver­arbeitungsroutinen bei iPhone­Nutzer/innen festgestellt werden, die sich grob in vier Kategorien einordnen lassen:

1. Kommunikation (eMail, SMS, Social Networking)

2. Mediennutzung (Musik, Web­/iTunes­Video, Games, Podcasts, eBooks)

3. Informationsrecherche (Web, Maps, Feeds)

4. Persönliches Informationsmanagement (Kalender, Kontakte)

Interessant an dieser Untersuchung ist der geringe Anteil klassischer Content­Nutzung. Abgesehen von Musiknut­zung, die jederzeit unterbrochen und auf einer wenig reflektierten Ebene genutzt werden kann, scheinen grö­ßere Contenteinheiten nur einen geringen Aufmerksam­keitsgrad zu erlangen. Dies obwohl Teenager zunehmend mobilen Videocontent nutzen. Für diese Nutzergruppe berechnete The Nielsen Company für das erste Quartal 2009 durchschnittlich 6,5 Stunden mobile Videonutzung im Monat. Insgesamt ist damit die mobile Videonutzung in den USA um 52 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen.14 Al­leine durch die quantitative Zunahme von mobilen Daten­flatrate­Tarifen, von diversen Großveranstaltungen mit pro­fessionellem Event­Marketing und durch die Ausbreitung vielfältiger Open Content­Angebote wird die mobile Con­tent­Nutzung weiter zunehmen. Cisco hofft im eigenen In­teresse mit einem Anstieg des Videocontents auf 64 % des mobilen Internetverkehrs bis zum Jahre 201315. Dies sind satte Zahlen, die sich jedoch angesichts der persönlichen, mobilen Nutzungspräferenzen relativieren. Zudem deuten die thematischen Präferenzen (Wetter und Comedy) auf eher leichte Kost im mobilen Kontext. Es lässt sich festhal­ten, dass konzentrierte Aktionen im mobilen Nutzungskon­text über einen über den Moment hinausgehenden Impuls nicht gewünscht sind.

Interkulturelle Unterschiede

Die Informations­ und Kommunikationstechnologien (IKT) wurden als ein wichtiger Schlüssel identifiziert, um die Mil­lenium Development Goals (MDG) zu erreichen. Für Ende 2008 rechnete die International Telecommunication Union (ITU) mit vier Milliarden mobilen Handytarifen. Damit sind statistisch gesehen 61 % der Weltbevölkerung mobil un­terwegs (gegenüber 12 % im Jahre 2000) ­ allerdings sind Mehrfachnutzungen eines Handys oder mehrere Handys pro Person im Einzelfall in die Statistik hineinzuinterpretieren. Zurückzuführen ist das immense Wachstum auf die Vielzahl junger Menschen in den BRIC­Schwellenländern (Brasilien, Russland, Indien und China). Alleine diese vier Staaten werden mit 1.3 Mrd. Handytarifen geführt.16 Den größten Markt weltweit stellt China dar (mit 600 Mio.), die größten Zuwachsraten weist Afrika auf.17 Hier eröffnen mobile Tech­nologien zudem die Türen zum m­Commerce und als Micro­Zahlmittel mit Prepaid­Karten. Die Nutzungskonzepte wach­sen über die klassischen medialen Zusammenhänge hinaus.

Um verschiedene Kulturen hinsichtlich ihrer Nutzungstypen voneinander abgrenzen zu können, hat Geert Hofstede ein Kulturmodell entworfen, das in Designkreisen aufgrund sei­ner Berechenbarkeit häufig herangezogen wird. Nach sei­nen Analysen können Kulturen entlang fünf verschiedener Indizes unterschieden werden: 18

1. Der Index der Machtdistanz drückt aus, wie weit sich Personen von der Macht im Land entfernt fühlen und inwiefern ungleiche Machtverhältnisse in einer Kultur akzeptiert werden. Dieses Gefühl schlägt sich in einem differenzierten Interaktionsverhalten der verschiedenen Kulturen nieder ­ und in unterschied­lichen Anforderungen an das Design, diesem Ver­

mediale Artefakte

Bei Jugendlichen stellt diese soziale Anbindung die zentrale Bedeutung des mobilen Endge­

rätes her. Sei es synchron, um mit Familie, Freunden oder Geschäfts­

partnern in ein auditives oder textuelles Gespräch einzutreten

(Anruf, SMS, MMS, Chat, Beep) ­ oder sei es asynchron, um mit

dem sozialen Netzwerk, den Weak Ties, in Kontakt zu bleiben (eMail,

Foto­/Video­/Tonaufnahme, (Mi­cro­)Blogging, Social Networks, Spiele o.ä.). Eine Überlagerung

der physikalischen Welt durch mediale Artefakte verbindet jetzt

die On­ und Offlinewelt. Beide sind real und beide ergänzen sich. Vor

allem junge Menschen können pro­blemlos die konnektierte Welt als

selbstverständliche weitere Ebene des sozialen Lebens akzeptieren.

9Vgl. http://www.nma.co.uk/opinion/dont­ignore­the­biggest­group­of­mobile­users/36864.article10MEEKER, M., 2008. MORGAN STANLEY: TECHNOLOGY / INTERNET TRENDS. VORTRAG AUF DEM WEB 2.0 SUMMIT 2007 IN SAN FRANCISCO, CA11HTTP://MINDYMCADAMS.COM/TOJOU/2008/40­MILLION­AMERICANS­USE­MOBILE­INTERNET/12http://blog.mjelly.com/2009/04/iphone­usage­statistics­2009.html13http://telecompk.net/2008/06/26/iphone­usage­shows­what­mobile­users­want/14Nielsen Company, 2009. A2/M2 Three Screen Report. 1st Quarter 200915http://www.techcrunch.com/2009/06/09/cisco­by­2013­video­will­be­90­percent­of­all­consumer­ip­traffic­and­64­percent­of­mobile/16http://www.itu.int/newsroom/press_releases/2008/29.html 17http://www.itu.int/newsroom/press_releases/2008/10.html18Vgl. Koch, R., 2006. Interkulturelle Aspekte bei Nutzung und Design mobiler Anwendungen und vgl. Kamentz, E., 2006. Adaptivität von hypermedialen Lernsystemen. Hildesheim.

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halten entgegen zu kommen. Eine Kultur mit einer niedrigen Machtdistanz wird z.B. eher unterstützende Meldungen erwarten als eine Kultur mit hohem Wert, die eher strikte und restriktive Meldungen benötigt. Auch das Look & Feel der gesamten Anwendung und die verwendeten Metaphern und Hierarchien lassen auf die Machtdistanz einer Kultur zurück schliessen.

2. Der Individualismus­Index bildet das Beziehungsge­füge und das soziale Verhalten der Mitglieder unter­einander ab. Ein hoher Individualismus­Index zeigt die Wertschätzung von Selbstverwirklichung, indivi­dueller Leistung, Freiheit oder Wettbewerb. Dagegen stehen in kollektivistischen Gesellschaften die har­monischen Interessen der sozialen Gruppe im Vorder­grund. Entsprechend können die Verhaltensformen unterschieden werden zwischen einerseits kollektiv und beziehungsorientiert und andererseits individuell und aufgabenorientiert. In der Nutzung eines Mobil­telefons tendieren Kulturen mit einer hohen sozialen Bindung eher zu persönlichen Sprachdiensten und so­zialen Netzwerken, während Länder mit einem hohem Individualismus­Index eher schriftlich kommunizieren oder einzelne Websites zur Informationsrecherche ansteuern. Individuell ausgerichtete Kulturen legen das mobile Endgerät auch einmal weg oder schalten es aus – im Gegensatz zu Kulturen mit einem hohen kollektivistischen Index.

3. Der Maskulinitäts­Index zeigt, wie sehr die Geschlech­terrollen voneinander abgegrenzt sind und welche Wertemodelle betont werden. Während maskuline Kulturen eher dem Prinzip „leben, um zu arbeiten“ fol­gen, orientieren sich femininere Kulturen eher an dem Leitsatz „arbeiten, um zu leben“. Dieser Index spie­gelt sich im kulturspezifischen Design wieder, wie z.B. bei den Farben, Formen oder der Navigationsauswahl. Auch bei der Gerätenutzung werden Unterschiede sichtbar: Während maskuline Kulturen im Produkt eher das funktionale Arbeitsgerät sehen, nutzen fe­minine Kulturen eher den dadurch bedingten sozialen Kontext.

4. Als vierten Index führt Hofstede die Unsicherheits­vermeidung an, die das Ausmaß anzeigt, inwiefern unklare oder mehrdeutige Situationen zu Verunsiche­rung und Ängsten führen. Ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Regeln und Gesetzen kennzeichnet Kulturen mit einer starken Unsicherheitsvermeidung. Dagegen sind Risikobereitschaft und Offenheit gegenüber Ambigu­ität, Neuem und Zufälligem typische Charakteristika von Kulturen mit schwachem Unsicherheitsfaktor. Dieser Index spiegelt sich im Design­Bereich im In­teraktionsverhalten der Nutzer wieder: Für Kulturen mit einer hohen Unsicherheitsvermeidung sind sehr detaillierte Meldungen und Anweisungen seitens des Systems erforderlich. Die Benutzer/innen wollen we­niger intuitiv handeln und ausprobieren können als in Kulturen mit einem niedrigen Wert.

5. Der fünfte Index ist die Langzeitorientierung, der auf dem kulturell unterschiedlichen Zeitverständnis beruht und das langfristige Denken bewertet. Das Denken, der Umgang mit Erfahrungen und die Stra­tegie zur Problemlösung sind von der Wahrnehmung der Zeit betroffen. Bei der Nutzung eines Gerätes be­nötigen z.B. Kulturen mit einem niedrigen Index ein rasches Ergebnis. Sie müssen immer eine genaue Po­sitionsbestimmung vornehmen können, während Kul­turen mit längerfristigem Denken eher am Endergeb­

nis orientiert sind als an schnellen Zwischenschritten. Insofern haben diese kulturellen Erwartungen auch Einfluss auf das Navigationsdesign.

Alle Kulturen variieren entlang dieser fünf Index­Dimensi­onen. Für jedes Land könnte man eine durchschnittliche Matrix erstellen, wie sich die dortige Kultur ausprägt. Gleichzeitig könnten sicherlich globale Subkulturen iden­tifiziert werden, die sich aufgrund ihrer vernetzten, inter­nationalen Praxis in ihrem Wertesystem angleichen. Viel Forschungsarbeit ist in diesem Bereich erforderlich, um mobile Nutzungsszenarien im Rahmen interkultureller Ein­flussfaktoren zu verstehen. Was bleibt, ist eine Analysema­trix, die individuelle Nutzungskonzepte verständlich macht und unterschiedliche Lehr­/Lernstile verdeutlicht.

Das 2.0­Zeitalter

Seit 2004 die erste Web 2.0 Expo­Konferenz des O‘Reilly­Verlages debütierte, werfen die Diskussionen rund um den 2.0­Begriff gewaltige Wellen. Die Frage, ob das Web einer neuen Versionsnummer bedurfte oder nicht, beschäftigt bis heute viele Expert/innen. Wenn dieses „2.0“ jedoch weniger als Versionierung, sondern eher als Erinnerung verstanden würde, die neuen sozio­technologischen Mög­lichkeiten gegen den Strich zu analysieren, wären viel­leicht neue Perspektiven möglich. Nicht vom bestehenden System aus zu starten, sondern zuzulassen, die zukünftige Geschichte losgelöst von bestehenden Grenzen gedank­lich zu entwickeln. Beginnen wir demnach mit einer Be­standsaufnahme der Umwälzungen, für die der 2.0­Begriff letztlich steht. Es fällt auf: Je nachdem, von welchem ana­lytischen Standpunkt auf das Geschehen geblickt wird, un­terscheiden sich die Umschreibungen doch gewaltig.

!" Aus ökonomischer Perspektive rückt die Dynamik des Social Software­Marktes in den Vordergrund, begleitet von einer Aufwertung der Dateninformationen, der Nutzung kollektiver Intelligenz, der Entwicklung ge­räteübergreifender Angebote und der Bereitstellung individualisierbarer Dienste.19

!" Aus sozialer Perspektive stehen im Social Web die Nutzer/innen in den Mittelpunkt, die eine Bottom­up­Netzstruktur geschaffen haben mit Social Feedback und einem Fokus auf der Informationsstruktur, die eine gruppenorientierte Kommunikation bevorzugen und personale Verbindungen sichtbar machen.20

Vor allem die mobilen Möglichkeiten unterstützen diesen „digitalen Klimawandel“, indem sie Information Worker und digitale Nomaden in prekären, agilen Projektteams mental begleiten und Verhaltensweisen qualitativ unter­stützen, die sich lernend mit verschiedenen, gleichzeitigen Aufgaben beschäftigen.21 Insofern flexible Filterprozesse erforderlich sind, um multiple Informationskanäle zu bündeln, fordert diese mediale Vernetzung eine langzeit­orientierte, kollektivistische Kultur mit schwachem Un­sicherheitsfaktor und einer niedrigen Machtdistanz, die sich eher feminineren Werten der intrinsischen Motivation zuwendet. Autoritäre, klar strukturierte, am kurzfristigen Erfolg oder Karrieredenken orientierte, individualistische Ansätze haben im Social Web an Boden verloren ­ das „Me­dium ist die Botschaft“ (nach Marshall McLuhan) generiert eine vernetzte Online­Gesellschaft, die quer zu tradierten, interkulturellen Werten eine neue globale Kultur entstehen lässt. Insofern ist die Dominanz sozialer, kommunikativer

19O‘Reilly, T., 2005. What Is Web 2.0. O‘Reilly Media: http://www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/news/2005/09/30/what­is­web­20.html20vgl. Hajo Hippner zit. n. Baumgartner, P. & Himpsl, K., 2008. Auf dem Weg zu einer neuen Lernkultur. Was die Schule vom Web 2.0 lernen kann ... Log In, (152), 11­15.21Lindner, M., 2008. Micromedia Flow Experience Design. In Microlearning and Capacity Building. Conference Series der Microlearning Conference. S. 37­56.

Das Zeitalter der Social Software

Schließlich kommunizieren im Zeitalter der Social Software die Gegenstände selbst miteinander. Das Internet der Dinge bedarf nicht zwangsläufig der humanen Aufbereitung, sondern die Verbindungen selbst sind zuneh­mend lernfähig. So könnten Menschen mit Herzschrittma­cher kontextsensitiv gewarnt werden, wenn sie an spannungs­geladene Orte gelangen. Oder mobile Endgeräte automatisch auf stationäre Aufladestati­onen in der Nähe aufmerksam gemacht werden.

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Aktivitäten im mobilen Netz nicht primär aus der techno­logischen Entwicklung hin zur Social Software abzuleiten, sondern diese verhält sich dialektisch zur Genese neuer sozio­kultureller Praktiken im so genannten Social Web.

Gleichzeitig entstehen durch neue technologische Ange­bote erstmals Nutzungskonzepte, die sich nicht bottom­up generieren, sondern als abstrakte Möglichkeit an die Nut­zer/innen herantreten, die erst einen Umgang für potenti­elle Nutzungsszenarien finden müssen, um neue sozio­kul­turelle Codes zu entwickeln. Genau in diesem Prozess der Auseinandersetzung von unterschiedlichen (Sub­)Kulturen und globaler Medienkultur mit den neuen technologischen Entwicklungen und emergenten sozio­kulturellen wie so­zio­ökonomischen Wandlungsprozessen bewegen wir uns derzeit. Dieser Umbruch wird offensichtlich in der gegen­wärtigen Krise epochalen Ausmaßes, die letztlich Ausdruck einer radikalen, technologisch bedingten Re­Konfiguration der globalen, kulturellen Codes und Praktiken ist.

Mobile 2.0

Bei der Diskussion um Mobile Learning (2.0) geht es nicht mehr um die technische Aufbereitung von Inhalten für kleinere Displays. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, sämtliche Inhalte für alle nur denkbaren Mobile Devices bereitzustellen. Aber das betrifft nur die Aufbereitung von Inhalten, die ­ wie wir gesehen haben ­ verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit am mobilen Endgerät erlangen und nur bedingt dem Charakter der offenen, emergenten Netz­struktur und Nutzungsphilosophie entsprechen. Wichtiger sind die interaktiven Potenziale klassischer Web­Angebote und zusätzliche mobile Applikationen, die einen gezielten Weg zu den präferierten Nutzungskategorien weisen. Wenn wir das Mobile nicht nur als Distributionswerkzeug denken wollen, sondern von einer zukünftigen Perspektive aus betrachten, dann ermöglichen diese neuen Entwicklungen auch neue Nutzungsansprüche im 2.0­Zeitalter, die über die Zweitverwertung per Mobile Device hinaus gehen.

Beginnen wir mit der Begriffsklärung von „Mobile 2.0“. Unter Mobile 2.0 kann man verstehen, aktuelle Webtech­nologien um zusätzliche mobile Features zu erweitern und die Potenziale mobiler Endgeräte in die Anwendung zu integrieren. Das impliziert auch die digitale und mobi­le Abbildung sozialer Aspekte. Dabei wirkt das Mobilgerät als Schnittstelle zwischen virtuellem Leben und physika­lischem Alltag. Über diesen Weg entstehen neue Verbin­dungen zwischen Personen und Objekten. Es existieren eine ganze Reihe möglicher Szenarien, die durch diese mo­bilen Endgeräte ermöglicht werden.

!" Kann das mobile Endgerät den Standort der Person identifizieren, lassen sich kontextsensitive Informati­onen anzeigen. Wichtig ist dabei, dass die Informati­onen v.a. auf dem mobilen Endgerät lesbar sind. Eine für das Endgerät optimierte Version wird hier zum Maßstab der Gestaltung ­ das Design sollte sich nicht mehr von klassischen Desktops ableiten. Eher wird der mobile Zugang zum Ausgangspunkt der Aktivi­täten, nicht mehr als Notlösung, sondern als zentrale Instanz, der man auch per klassischem Rechner bei­wohnen kann.

!" Auch das Verlinken von Informationen im öffent­lichen Raum, das so genannte Mobile Tagging ist ein sehr interessanter Punkt. In Japan erfreuen sich QR­Codes, zweidimensionale Barcodes, einer wachsen­den Beliebtheit. So könnte jeder kleine Einzelhändler maschinenlesbar seine Öffnungszeiten im Schaufen­

ster platzieren und vielleicht zudem auf den Online­shop verweisen.

!" Umgekehrt sollte es einfach möglich sein, digitale In­formationen per Audio, Text und Video direkt online zu publizieren oder bestehende Contenteinheiten zu re­mixen und qualitativ anzureichern. Die aktive Ein­bindung mobiler Information Worker in das Informa­tions­ und Diskursangebot generiert neue Meta­Infor­mationen, die im Sinne David Weinbergers (die Lösung für Information Overload sind mehr Informationen) das Web immer weiter verdichten und erweitern. Das Potenzial von human gefilterten, realen Bezügen, die just­in­time in kontextsensitive Informationsangebote integriert werden, ermöglicht einen Echtzeit­Kreis­lauf, der Informationen kontinuierlich entlang der be­teiligten Objekte und Personen qualifiziert.

Schließlich kommunizieren im Zeitalter der Social Software die Gegenstände selbst miteinander. Das Internet der Din­ge bedarf nicht zwangsläufig der humanen Aufbereitung, sondern die Verbindungen selbst sind zunehmend lernfä­hig. So könnten Menschen mit Herzschrittmacher kontext­sensitiv gewarnt werden, wenn sie an spannungsgeladene Orte gelangen. Oder mobile Endgeräte automatisch auf stationäre Aufladestationen in der Nähe aufmerksam ge­macht werden.

Transformation des Lernbegriffes

In dem Lernbegriff schwingen, je nach persönlicher Schu­lerfahrung, unterschiedliche Konnotationen mit. Von den wenigsten als positive Erfahrung verbucht, erfährt das persönliche „Lernen“ im deutschen Sprachraum einen negativen Beigeschmack. Die funktionale Anbindung des Lerndiskurses an betriebswirtschaftliche oder normative Wertvorstellungen (Human Resources vs. Bildungsbür­gertum) verstellt den Blick auf die persönliche Weiterent­wicklung, so dass Lernen als Mittel zum Zweck und nicht als Selbstzweck wahrgenommen wird. Bildung, Erziehung und Lernen stellen letztlich drei Diskurse dar, die je nach kultureller Hegemonie der Zielsetzung gesellschaftlich do­minieren. So herrscht derzeit eine Kompetenzdebatte vor, die persönliche Lernerfolge als Voraussetzung für sozio­ökonomische Teilhabe setzt und Bildung lediglich als Inno­vationsmotor wahrnimmt.

Was ist überhaupt Lernen? Wenn wir nicht aus einer bil­dungsbürgerlichen Sichtweise darauf schauen, sondern aus der Perspektive der Lernenden, dann können wir sa­gen, dass Lernen entweder den Erwerb von Kenntnissen, Fertigkeiten oder Fähigkeiten meint oder den Verände­rungsprozess von altem Verhalten, Denken oder Gefühlen kennzeichnet. Klassischerweise wird dieser Lernprozess von einem Lehrendenkollektiv vermittelt, gesteuert oder man könnte auch sagen: kontrolliert, indem ­ im ganz konventionellen Sinne ­ vorne ein Vortragender steht und den Menschen einen Monolog hält. Sicherlich existieren v.a. in den Schulen eine Vielzahl konstruktivistischere Ansätze, die sich mit spannenden Projekten und interes­santen Exkursionen verbinden lassen. Die Initiative für das Lernszenario erfolgt aber zumeist durch die Lehrenden. Dieses Szenario erklärt die Dominanz des pädagogischen Diskurses, wenn es um die Themen Bildung, Erziehung und Lernen geht. Strukturelle Fragen, die bildungspolitisch oder ­soziologisch die sozio­kulturellen, globalen Entwicklungen analysieren und für den Bildungsdiskurs aufbereiten, wer­den kaum gestellt. Die Bedeutung der IKT­Technologien für die verschiedenen Globalisierungswellen, die aktuell in der „Globalisierung 3.0“ (nach Thomas L. Friedman) mündeten,

Netzwerkgesellschaft

Die entstandene Netzwerkgesell­schaft wird dominiert von einer

Ideologie, die viele Personen schlichtweg ausgrenzt, weil sie

für die systemische Aufrechter­haltung keine Rolle mehr spielen.

Eine Chance, sich als Person wieder ins Spiel zu bringen,

erfahren die Menschen nur, wenn sie sich selbst aktiv in die Gestal­

tung der Netzwerkgesellschaft einbringen. Lernen ­ in diesem Kontext verstanden ­ wird zur

Überlebensstrategie. Nicht um sich dem herrschenden System anzubiedern, sondern um sich

als intelligenter Netzwerkknoten aktiv einzubringen.

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und von einer personell klar zu identifizierenden Informati­onselite dominiert wird, bedarf einer konstruktiv kritischen wie offenen Analyse.

Die entstandene Netzwerkgesellschaft wird dominiert von einer Ideologie, die viele Personen schlichtweg ausgrenzt, weil sie für die systemische Aufrechterhaltung keine Rolle mehr spielen. Eine Chance, sich als Person wieder ins Spiel zu bringen, erfahren die Menschen nur, wenn sie sich selbst aktiv in die Gestaltung der Netzwerkgesellschaft einbringen. Lernen ­ in diesem Kontext verstanden ­ wird zur Überle­bensstrategie. Nicht um sich dem herrschenden System an­zubiedern, sondern um sich als intelligenter Netzwerkknoten aktiv einzubringen. Ein Diskurs, der lediglich gesellschaftlich geforderte Fähigkeiten schult, greift an den Notwendig­keiten vorbei. Das Humboldt‘sche Ideal eines Raumes, in dem zukünftige Entscheidungsträger gesellschaftlich un­gebunden forschen und sich entwickeln können, gilt es zu sozialisieren. Jedem Menschen können heute die Zugangs­voraussetzungen zugebilligt werden, die erforderlich sind, um sich selbst entlang seiner persönlichen Interessen und Gewichtungen auszubilden. Problemlösungs­ und Gestal­tungsfähigkeiten setzen weit vor den sozio­ökonomischen Erfordernissen an ­ sie könnten sich mit kollektiver Intelli­genz und kollaborativer Medienunterstützung im Diskurs entfalten ­ nicht als passiver Mob, sondern als aktive Bürger/innen. In diesem Sinne verstanden, bedeutet Learning 2.0, dass die Lernenden die Kontrolle über ihren eigenen Lern­prozess erhalten. Sie konfigurieren sich ihre persönlichen Inhalte in den verschiedenen, durch Web 2.0­Technologien unterstützten Settings und erarbeiten sich gemeinsam die Inhalte, die sie persönlich interessieren und die im Sinne eines sozialen Lernens relevant sind.

Frei zugängliche, offen verfügbare und urheberrechtlich adaptierbare Inhalte und Systeme sind dabei eine logische Folgerung des sozio­technologischen Wandels seit der Einführung des Internets. Lernen als Netzwerkaktivität verbindet Individuen, Communities of Practice und medi­ale Artefakte als Netzwerkknoten miteinander ­ und das sowohl technologisch flexibel als auch global unbegrenzt. Das bildungspolitisch gesetzte, externe Ziel verflüchtigt sich in diesem Umwandlungsprozess. Individuelles Lernen fügt sich hier in den unplanbaren, holistischen Prozess des sozialen, vernetzten Lernens ein. Dabei kann der Kommu­nikationscode der inhärenten Eigendynamiken nur von innen heraus verstanden und mitgestaltet werden. Nicht als standardisierter Effekt, vielmehr individualisieren sich die Lernprozesse ­ proprietäre oder gar gestaltete Umge­bungen machen immer weniger Sinn. In dieser Perspektive vollzieht sich Lernen als kontinuierliche Anpassung der Fähigkeiten an je neue Herausforderungen, die emergent aus dem Vernetzungszusammenhang an die Person he­rangetragen werden. Flow entsteht, wenn dieser Prozess in Szene gesetzt wird und sich einfügt in eine globale Dis­kurskultur mit Wissenszirkulation. Individuelles Lernen und vernetztes Lernen verbinden sich hier zu einer Dynamik, die auch gesellschaftliche Problemstellungen innovativ überwinden helfen kann.

Mobiles Lernen

Was bedeutet nun Mobile Learning 2.0, wenn wir uns die mobilen Entwicklungen und Transformationen des Lern­begriffs vergegenwärtigen? Bislang versteht man unter

Mobile Learning die Überwindung klassischer Präsenzver­anstaltungen. Durch die wichtigen Entwicklungen flexibler Lehrszenarien, sei es in Form von interaktiver Einbindung externer Studierender und Expert/innen in die Präsenz­veranstaltung oder in Form des Live­Streamings von Ver­anstaltungen mit Aufzeichnungsoption, die man für ver­schiedene Mobile Devices passgenau zum Download bereit stellen kann ­ letztlich geht es bei diesen mobilen Lehr­ szenarien primär um klassische Stoffvermittlung. Ler­nende können sich in diesem Szenario, je nachdem welches Device sie mitbringen, den Vortrag anschauen und anhö­ren, der dargereicht wurde.22 Diese Form der gesteuerten Darreichung entspricht aber altem Denken ­ präsentiert mit modernster Technik.

Wie könnte modernes mobiles Lernen der Zukunft aus­schauen? Hoffentlich anders als heutzutage. Zunächst ein­mal blicken wir nicht mehr patriarchal auf die Lernenden, sondern gewähren ihnen das alleinige Recht zur Gestaltung ihrer Lernumgebung. Alle Menschen verfügen idealerweise über die Kompetenz, sich je nach ihren persönlichen Inte­ressen und Notwendigkeiten selbstständig aus­ und weiter­zubilden. Ohne Vormund und ohne Vorherrschaft, sondern jede einzelne Person entscheidet selbst, welche Interessen sie in diesem Moment verfolgen möchte. In der Konsequenz entscheiden die Lernenden selbst, welche Inhalte sie sich kommunikativ und interaktiv erarbeiten möchten. Da zu­nehmend offenere Angebote zum Abruf bereit stehen, sei es per Open Access, seien es Open Educational Resources oder sei es User generated Content, kann jederzeit frischer Input individualisiert eingeholt und in Social­Learning­Sze­narien weiterentwickelt werden. Da jeder Netzwerkknoten gleichberechtigt Micro­Content einstellen kann, entscheiden die Meta­Informationen, wie spezifischer Inhalt dynamisch per RSS­Feed an einzelne Personen mit spezifischen Inte­ressensstrukturen gelangt. Gegebenenfalls auch unter Zu­hilfenahme eines Coaches, aber gelenkt von den eigenen Prämissen. Insofern macht es wenig Sinn, Inhalte in One­size­fits­all­Settings aufzubereiten. Vielmehr reichern sich die Meta­Informationen durch ihre kontinuierliche Verarbei­tung in den Social Media­Umgebungen immer weiter an. Die sozio­kulturelle Entwicklung befindet sich hier im ständigen Work­in­Progress und richtet ihre Anpassung idealerweise an den gesellschaftlichen Notwendigkeiten aus.

Dieser vernetzte Lernprozess der Schwarmintelligenz ist Kennzeichen von Learning 2.0. Als emergenter Prozess bedarf er entsprechend kompetenter Personen, die me­dientechnologisch relativ schnell auf den Stand zu bringen sind, nicht aber hinsichtlich ihrer Selbstlernfähigkeiten und Social­Learning­Skills. Diese Fertigkeiten gilt es gesamtge­sellschaftlich aufzubauen ­ wie, bedürfte eingehender Ana­lysen und eines umfassenden Diskurses, der sich nicht an Bestandswahrung orientiert, sondern sich den zukünftigen Herausforderungen stellt. Über welchen technologischen Zugang dieses vernetzte Lernen dann schließlich prakti­ziert wird, ist sekundär. Wichtig ist lediglich die selbstver­ständliche Integration des Lernprozesses in die Alltagsum­gebungen. Insofern das mobile Endgerät eine geeignete Schnittstelle zwischen alltäglicher Praxis und Netzwerk­gesellschaft zu sein scheint, gleichzeitig aufgrund seiner Gadget­Faszination technologisch wie Lifestyle­bedingt nicht an Attraktivität verlieren wird, können sich solche mobilen Szenarien voraussichtlich durchsetzen.

22vgl. dazu unsere Ausführungen in Cycon, H.L. u. a., 2007. Modern teaching scenarios using distributed multimedia communication systems. In Diverse. Conference proceedings. Glasgow, S. 177­185.

Kommunikationscode

Lernen als Netzwerkaktivität ver­bindet Individuen, Communities of Practice und mediale Artefakte als Netzwerkknoten miteinander ­ und das sowohl technologisch flexibel als auch global unbe­grenzt. Das bildungspolitisch gesetzte, externe Ziel verflüchtigt sich in diesem Umwandlungspro­zess. Individuelles Lernen fügt sich hier in den unplanbaren, holistischen Prozess des sozialen, vernetzten Lernens ein. Dabei kann der Kommunikationscode der inhärenten Eigendynamiken nur von innen heraus verstan­den und mitgestaltet werden. Nicht als standardisierter Effekt, vielmehr individualisieren sich die Lernprozesse ­ proprietäre oder gar gestaltete Umgebungen machen immer weniger Sinn.

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KAPITEL 11 ­ MOBILE LEARNING 2.0

User generated Mobile Content

Spannend wird das mobile Thema dann, wenn die Menschen selbst als Akteure tätig werden, auch über User generated Content ­ sei es über Twitter, Videoblogs, mobile Content­Collection, Interaktion in verteilten Netzwerken oder son­stige pervasive Aktivitäten. Das ganze selbstverständlich mit allen technologischen Features angereichert (GPS, In­ternetanbindung, QR­fähige Kamera o.ä.) führt dies zu einer Selbstentfaltung an Kreativität, die dann wiederum entlang multipler Meta­Tags gefiltert und aggregiert werden kann ­ von jeder einzelnen Person je unterschiedlich.

Wie könnten mobile Lernszenarien ausschauen? Eine An­strengung, derer es im Zeitalter des Social Webs bedarf, ist die Integration von User generated Content in die Anlage von Lernszenarien. „Learning by doing“ ­ diese Forderung gilt es dann auch medientechnologisch zu unterstützen. Von einfachen Workflows, wie eigene Texte, Audios, Bilder oder Videos als Bausteine in bestehende 2.0­Umgebungen integriert werden können, über interaktive Möglichkeiten innerhalb bestehender Content­Einheiten bis hin zu kom­plexer Projektarbeit und kommunikativer Teilhabe. Alles ist heute auch mobil denkbar und muss nicht länger in geschlossenen Klassenräume eingeübt werden. Die Mobi­lität der Menschen, politisch gefordert und individuell ger­ne wahrgenommen, lässt Menschen neugierig in die Welt hinausgehen ­ dieses Potenzial kann genutzt werden, in­dem alte Denktraditionen der Bildung hinterfragt und an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. Die derzeit in den neuen sozialen Medien aktive Informationselite lebt es vor: Lernen wird hier als selbstverständlicher, individueller, alltäglicher Prozess gelebt ­ im diskursiven, oft mobilen Austausch mit anderen ­ sowohl online wie offline. Mobile Learning 2.0 ist vernetztes Lernen ­ u.a. mit mobilen End­geräten. Es bedarf lediglich einiger technologischer Wei­terentwicklungen und individueller Kompetenzen, um das vorhandene Potenzial vollends zu nutzen.

Leben im Information Overload

Information Overload ist ein Empfinden, das viele Men­schen des alten Denkens und Arbeitens befällt bei der ex­ternen Ansicht auf moderne Workflows des Social Webs. Um diese konstruktiv zu nutzen für persönliche Lernpro­zesse, sei es nun für den Erwerb neuer Fertigkeiten, die man sich persönlich aneignen möchte oder für die Verän­derung des Verhaltens oder alter Gewohnheiten, bedarf es einer konstruktiven Struktur mit Filterprozessen, die Ler­nende sich sukzessive selbst setzen. Hier schließen Perso­nal Learning Environments (PLE) an, die es den Menschen ermöglichen, für sich sinnvolle Workflows zu definieren, welche Inhalte in welchem Kontext aufgenommen, weiter­verarbeitet und wieder veröffentlicht werden sollen. Dazu zählen kontextsensitive Informationen ebenso wie vielfäl­tige mobile Schnittstellen und temporäre Selbstlernnetz­werke, die Menschen just­in­time zusammenbringen, nicht als externes Angebot, sondern als selbstgeneriertes Pro­jekt. Eine Möglichkeit, solche PLEs im sozialen Lernver­

bund sich aufzubauen, bestünde darin, thematische Netz­werke oder Communities of Practice zu bilden, und sich darüberhinaus mittels diverser Web 2.0­Technologien viel­fältig miteinander zu verknüpfen, so dass ein gemeinsamer Diskurs möglich und ggf. dauerhaft etabliert werden kann. Dies schliesst die Integration mobiler Aktivitäten ein bzw. sollte der Diskurs unabhängig von Raum und Zeit konse­quent möglich sein. Das Potenzial von Mobile Learning 2.0 ist nicht nur angesichts der technologischen Durchdrin­gung der Welt mit mobilen Endgeräten extrem hoch einzu­stufen: Es geht heute meines Erachtens primär darum, die Menschen vielfältig in Kontakt miteinander zu bringen bzw. sie zu ermächtigen, selbst ihre Netzwerke sich zu bilden. Insofern wird sich mit dieser Entwicklung alles verändern: die Lernkulturen, die Unternehmenskulturen, die Business­modelle und die gesellschaftliche Kultur sowieso.

Und diese Entwicklung wird nicht aufzuhalten sein ­ der Freiheitsdrang und die zunehmende „Zeit­Raum­Kompres­sion“ (nach David Harvey) machen es notwendig, die tech­nologischen Erweiterungen der Kontrolle des Menschen anzuvertrauen und sie als Cyborgs selbstverständlich wahrzunehmen. Nicht der Mensch muss sich den diskursi­ven Praktiken an speziellen Orten zu vorgegebenen Zeiten annähern, sondern die Diskurse sind an die Menschen zu heften. Sie lösen sich von spezifischen Orten, seien sie nun physikalischer oder virtueller Natur. Indem die Menschen die neuen Technologien einfach nutzen und diverse Ein­satzkonzepte ausprobieren, von denen sie sich persönlich einen Mehrwert erhoffen, wird sich die mobile Alltäglich­keit immer weiter verfeinern. Zunächst im Freizeitbereich, dann sukzessive in den beruflichen Kontext einfliessend ­ oder umgekehrt. Es liegt in der Natur der technologischen und innovativen Sache: Die Menschen möchten spielen (oh, ein neues Gadget), sich kreativ austauschen (schau, wie ich deinen Content weiterverarbeitet habe) und nach Interessensschwerpunkten sozial verbinden (ach, Sie inte­ressieren sich auch für Mobile Learning 2.0 ­ dann lassen Sie uns einen mobilen Tag in Berlin verbringen und die Po­tenziale erproben). Und da diese kreative Medienarbeit ein­fach weltweit Spaß macht, unabhängig von der tradierten Kultur, sondern beeinflusst durch die globale, vernetzte Kultur, vermögen solche Szenarien die Menschen von Re­striktionen zu befreien, die ihnen bislang fremdbestimmt auferlegt wurden.

Fazit

Den mobilen Technologien steckt eine sozio­kulturelle Fas­zination inne, die sie antreibt, sich immer intensiver mit den Möglichkeiten der modernen Medien zu beschäftigen. Die im asiatischen Raum bereits reale Dominanz des mo­bilen Internets sucht sich gerade ihre Wege quer über den Erdball. Die Vorteile zeit­ und raumüberwindender Kommu­nikation und Vernetzungen werden auch die Lernkulturen verändern ­ ob innerhalb oder außerhalb gesellschaftlicher Institutionalisierungen, hängt von der Anpassungsfähig­keit der Institutionen ab. Skepsis ist angebracht ­ aber die informelle Macht der Individuen wird es richten.

Haugan, J. und Hopmann, S. (2004) Die allgemeine Didaktik im Zeitalter von Online­Lernen: Digitale Zukunft…analoge Vergangenheit?. In U. Rinn und D. M. Meister, Hrsg Didaktik und Neue Medien – Konzepte und Anwendungen in der Hochschule. Waxmann Verlag, S. 72­83

Schulmeister, R. (2006) eLearning: Einsichten und Aussichten. Oldenbourg Verlag

Wedekind, J. (2007) Lernen mit interaktiven Visualisierungen. In P.Baumgartner & G. Reinmann, Hrsg. Überwindung von Schranken durch eLearning, Festschrift für Rolf Schulmeister, Innsbruck [u.a.]: Studien Verlag, S. 57­76.

Literatur

KONTAKTAnja C. Wagner

eduFutureBlog2.0

[email protected]: +49 (0) 172­61 75 693

Personal Learning Environments

Information Overload ist ein Emp­finden, das viele Menschen des

alten Denkens und Arbeitens be­fällt bei der externen Ansicht auf

moderne Workflows des Social Webs. Um diese konstruktiv zu

nutzen für persönliche Lernpro­zesse, sei es nun für den Erwerb neuer Fertigkeiten, die man sich

persönlich aneignen möchte oder für die Veränderung des Verhal­

tens oder alter Gewohnheiten, bedarf es einer konstruktiven

Struktur mit Filterprozessen, die Lernende sich sukzessive selbst setzen. Hier schließen Personal

Learning Environments (PLE) an, die es den Menschen ermögli­

chen, für sich sinnvolle Workflows zu definieren, welche Inhalte in

welchem Kontext aufgenommen, weiterverarbeitet und wieder veröffentlicht werden sollen.