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Mobilität und Wachstum Vorschläge der Automobilindustrie für die 19. Legislaturperiode

Mobilität und Wachstum - VDA · Inhalt 3 Inhalt Automobilindustrie in Deutschland – Motor für Wertschöpfung, Wachstum und Arbeitsplätze 4 Wirtschafts- und Klimaschutzpolitik

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Mobilität und WachstumVorschläge der Automobilindustrie für die 19. Legislaturperiode

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Inhalt 3

Inhalt Automobilindustrie in Deutschland – Motor für Wertschöpfung, Wachstum und Arbeitsplätze 4

Wirtschafts- und Klimaschutzpolitik 8

Mobilität nachhaltig gestalten – für einen effizienten Klimaschutz im Verkehrssektor 9Internationale handelspolitik – Schranken abbauen 10Energiekosten begrenzen – eine Frage der Standortattraktivität 11Fachkräftebedarf sichern 12Rohstoffversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen sicherstellen 13

Steuer- und Rechtspolitik 14

Steuererhöhungen vermeiden und wettbewerbsfähiges Steuerrecht schaffen 15Steuerrecht an niedrigzinspolitik anpassen 16Reformstau auflösen und nachhaltige Strukturreformen umsetzen 17Eins-zu-eins-Umsetzung von EU-Recht – keine Überregulierung zulasten des deutschen Standorts 18Keine Verschärfung des kollektiven Rechtsschutzes in Deutschland 19

Verkehrspolitik und Verkehrssicherheit 20

Infrastrukturpolitik – zentrale wirtschaftspolitische aufgabe 21Verkehrspolitik – Ko-Modalität statt Verkehrsverlagerung 22nutzerfinanzierung im Straßenverkehr – anreize statt Verteuerung 23Regelbetrieb von lang-lkw weiter ausbauen 24Busse – moderne Verkehrsmittel im nah- und Fernverkehr 25Verkehrssicherheit – auf allen Straßen fördern 26Urbane Mobilität – gemeinsam innovative Konzepte umsetzen 27

Vernetztes und automatisiertes Fahren 28

anforderungen an die Infrastruktur 29Kein Unterlassungsanspruch aus standardessenziellen Patenten 30harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen 31Daten – Bestimmungen für Zugang und nutzung 32It-Sicherheit und Datenschutz 33

Technik und Umwelt 34

Elektromobilität – Mobilitätswandel bietet neue Chancen 35Erdgas – eine unterschätzte antriebsform 36Umgebungsluft – immer sauberer 37

Impressum 38

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4 aUtoMoBIlInDUStRIE In DEUtSChlanD – MotoR FÜR WERtSChöPFUng, WaChStUM UnD aRBEItSPlätZE4 aUtoMoBIlInDUStRIE In DEUtSChlanD – MotoR FÜR WERtSChöPFUng, WaChStUM UnD aRBEItSPlätZE

Automobilindustrie in Deutschland – Motor für Wertschöpfung, Wachstum und Arbeitsplätze

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aUtoMoBIlInDUStRIE In DEUtSChlanD – MotoR FÜR WERtSChöPFUng, WaChStUM UnD aRBEItSPlätZE 5

Sowohl die deutschen hersteller von Personen- und lastkraftwagen, transportern und Bussen als auch die Zulieferer für teile und Zubehör sowie die hersteller von anhängern und aufbauten haben den anspruch und Ehrgeiz, die Mobilität von morgen zu gestalten. Der Wirtschaftsstandort Deutschland mitsamt seinen industriellen Fertigungsstätten kann dabei nur mit antworten erfolgreich sein, die ökonomisch, ökologisch und sozial tragfähig sind. Diesen Dreiklang in der Balance zu halten, ist eine der zentralen politischen aufgaben hierzulande. Beispielsweise sollten klima- politische langzeitpläne mindestens von einer realistischen Folgeabschätzung für Wirtschaft und gesellschaft flankiert sowie international abgestimmt werden. Ideo-logisch getriebene alleingänge hingegen bleiben zwangsläufig auch für die Umwelt wertlos, wenn sie ökonomisch nicht darstellbar sind oder zu sozialen Verwerfungen führen. Für komplexe herausforderungen gibt es keine einfachen antworten – weder regulatorisch noch technologisch.

heute ist noch nicht absehbar, welche antriebsform in 15 oder 20 Jahren angesagt sein wird. Daher forciert die deutsche automobilindustrie die Weiterentwicklung effizienter antriebe konsequent auf ganzer Breite: Moderne, besonders schadstoffarme Dieselmotoren erachten wir aufgrund ihres geringen Verbrauchs mittelfristig weiter-hin als einen unverzichtbaren Mobilitätsbaustein. auch beim ottomotor, betrieben mit Benzin oder Erdgas, sehen wir weiterhin Effizienzpotenzial, das wir nutzen wollen. Zugleich erforschen wir intensiv die Perspektive, die konventionellen antriebs- technologien mit hochwertigen und kompatiblen synthetischen oder biogenen Kraft-stoffen Co2-neutral zu betreiben. auch die verbliebenen herausforderungen bei der luftqualität werden mit zunehmender Marktdurchdringung moderner Euro-6- technologien und durch die Einführung von Straßentests (RDE) gelöst.

Das Automobil befindet sich inmitten des größten Umbruchs seiner Geschichte. Die digitale Vernetzung und die Globalisierung forcieren kontinuierlich den weltweiten Innovationswettlauf um die besten Technologien. Das Wettbewerbsfeld ist höchst attraktiv, denn auf sämtlichen Kontinenten wächst der Mobilitätsbedarf – sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Entsprechend gefragt sind kluge und nachhaltige Mobilitätskonzepte.

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6 aUtoMoBIlInDUStRIE In DEUtSChlanD – MotoR FÜR WERtSChöPFUng, WaChStUM UnD aRBEItSPlätZE

Zugleich ist klar, dass der elektrische antrieb künftig eine immer wichtigere Rolle spielt. Er emittiert lokal weder Schadstoffe noch Co2. Zudem ist er leiser und trägt somit entscheidend zur luft- und lebensqualität in Städten bei. Um den alternativen antrieben zum Durchbruch zu verhelfen, wird die deutsche automobilindustrie allein bis zum Jahr 2020 insgesamt 40 Milliarden Euro investieren.

Zugleich gilt aber auch: Ein vorzeitiges, politisch erzwungenes Ende des Verbrennungs- motors würde die wertvolle technologiekompetenz unserer Unternehmen und ihrer hoch qualifizierten Beschäftigten leichtfertig brach legen. aktuell vereint die automobilindustrie über 810.000 arbeitnehmer in den Stammbelegschaften ihrer Betriebe in Deutschland – ein Rekordwert. gemeinsam sollten wir alles daransetzen, diese beachtliche soziale Sicherheit langfristig zu gewährleisten. Es ist der wertvolle Verbund aus Premium- und Volumenproduktion, der uns von anderen Produktions- standorten unterscheidet.

Eine zweite strategische Schlüsselrolle im automobilen Innovationswettbewerb – neben den umweltfreundlichen antrieben – wird dem vernetzten und automatisierten Fahren zuteil. Dieser digitale transformationsprozess wird hauptsächlich evolutionär verlaufen. auf der grundlage etablierter Fahrerassistenzsysteme werden automatisierte Funktionen schrittweise weiterentwickelt. Damit wächst auch ihre akzeptanz bei Verkehrsteilnehmern und Fahrzeugnutzern. Die deutsche automobilindustrie ist gewappnet: Seit 2010 sind weltweit die meisten Patente im Bereich des automatisierten Fahrens deutschen autoherstellern und Zulieferern erteilt worden. Insgesamt hat Deutschland einen anteil von 58 Prozent der Patente auf diesem Feld.

Die Unternehmen gehen die großen herausforderungen mit Entschlossenheit an. Mit jährlich über 30 Milliarden Euro investiert die deutsche automobilindustrie wie keine andere Branche hierzulande in Forschung und Entwicklung. Diese F&E-aus-gaben, die für den künftigen wirtschaftlichen Erfolg unabdingbar sind, bedürfen verlässlicher politischer Rahmenbedingungen. Eine intelligente, innovationsfördernde Regulierung folgt dabei dem grundsatz der technologie- und Wettbewerbsneutralität. Ebenso wichtig ist ein freier und fairer Welthandel. Mit großer Sorge beobachten wir in vielen Weltregionen zunehmende protektionistische tendenzen. Entschlossen sollte sich Deutschland auf europäischer Ebene für die Chancen einer offenen und fairen handelspolitik einsetzen.

abschließend muss klar sein: Die Migrationsströme aus den Krisengebieten, die Bedrohung durch terror, der Strukturwandel in China, protektionistische tendenzen in den USa, das Votum der Briten für den EU-austritt und weitere nationalistische Bestrebungen im fragilen europäischen haus – um diese herausforderungen bewäl-tigen zu können, braucht unser land eine enorme wirtschaftliche leistungskraft und ein stabiles industrielles Fundament. Die wirtschaftliche leistungskraft dient letztlich allen: dem Staat, dem Bürger und den Industriestandorten Deutschland und Europa.

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aUtoMoBIlInDUStRIE In DEUtSChlanD – MotoR FÜR WERtSChöPFUng, WaChStUM UnD aRBEItSPlätZE 7

Die deutsche Automobilindustrie empfiehlt:

Integrität einer innovationsfreundlichen und wettbewerbsfähigen Europäischen Union stärken, verlässlich orientiert am Subsidiaritätsprinzip

EU-Binnenmarkt stärken und unbürokratisch weiterentwickeln

EU: Verbindlichkeit des Rechts mehr geltung verschaffen, um die Währungsunion zu festigen

Klimaschutz und die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Europa sinnvoll ausbalancieren

Sinnvolle anreize für alternative antriebstechnologien und regenerative Kraftstoffe setzen, um technologieoffen den Entwicklungsprozess von Innovationen zu ermöglichen

Mit einem modernen und straffen Rechtsrahmen die Chancen der Digitalisierung erschließen

Freier handel, faire Wettbewerbsbedingungen und abbau von Protektionismus als politische Maximen der handelspolitik

notwendige Flexibilitäten auf dem arbeitsmarkt erhalten und das Sozialsystem zukunftsfest gestalten, erzielte Reformfortschritte nicht zurückdrehen

Energiepolitik an den gleichrangigen Zielen Versorgungssicherheit, Sauberkeit und Bezahlbarkeit ausrichten

Steuerpolitik an der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie ausrichten

Infrastruktur bedarfsgerecht modernisieren und ausbauen

alle Verkehrsträger über ein integriertes gesamtkonzept stärken

Mobilitätskosten sozial verträglich gestalten – individuelle Mobilität muss bezahlbar bleiben

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8 WIRtSChaFtS- UnD KlIMaSChUtZPolItIK8 WIRtSChaFtS- UnD KlIMaSChUtZPolItIK

Wirtschafts- und Klimaschutzpolitik

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WIRtSChaFtS- UnD KlIMaSChUtZPolItIK 9

Mobilität nachhaltig gestalten – für einen effizienten Klimaschutz im Verkehrssektor

Klimaneutrale Mobilität – so lautet das ausdrückliche Ziel der deutschen automobilindustrie. Sowohl bei Pkw als auch bei nutzfahrzeugen haben stetige Effizienzfortschritte und damit einhergehende Einsparungen von Co2 höchste Priorität. Ent-sprechend investieren unsere hersteller und Zulieferer jährlich zweistellige Milliardensummen in die gesamte Bandbreite umweltfreundlicher antriebe.

Um die Mobilitätswende langfristig erfolgreich zu gestalten, sollte der politische Rahmen gewährleisten, dass sich die besten lösungen im technologieoffenen Wettbewerb durchsetzen können. Pauschale Verbote für Verbrennungstechnologien, Quoten für alter-native antriebe etc. sind hingegen kein intelligentes Mittel in einer Marktwirtschaft. Klimaschutzmaßnahmen im automobilsektor sollten sich vielmehr darauf konzentrieren, ökologischen Ehrgeiz mit industrieller Wettbewerbsfähigkeit und bezahlbarer Mobilität in Einklang zu bringen. auch müssen klimapolitische Zielvor-gaben zwingend die physikalischen und technischen grenzen sowie volkswirtschaftliche abwägungen berücksichtigen.

Um der ungewissen Entwicklung von Batteriekosten und ladeinfrastruktur Rechnung zu tragen, sollten bei der europä-ischen Co2-Regulierung für Pkw nach dem Jahr 2020 künftige grenzwerte abhängig vom Markthochlauf für Fahrzeuge mit

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Co2-Vermeidungskosten sowie die physikalischen und technischen grenzen weiterer Verbrauchsreduktionen stärker berücksichtigen

Im Rahmen eines integrierten ansatzes sämtliche Effizienzpotenziale ausschöpfen, die zum Beispiel eine digitale Infrastruktur (Stauvermeidung) oder spritsparendes Fahren bieten

Um einen gleichklang mit den bereits beschlossenen Klimaschutzzielen sicherzustellen, ist die zukünftige Regulierung für Pkw ebenfalls auf das Jahr 2030 auszurichten

Co2-Zielwerte an den realen Markterfolg alternativer antriebe anpassen und abhängig vom tatsächlich erfolgten ausbau der Infrastruktur gestalten

grundsatz der technologieneutralität beachten

Um die Potenziale regenerativ erzeugter Kraftstoffe zu nutzen, müssen öffentliche hand und Privatwirtschaft die Investitionen in F&E verstärken

Im nutzfahrzeugsektor muss die transparenz über den Spritverbrauch weiter verbessert werden; transparenz ist hier der bessere Effizienztreiber als eine starre Verbrauchsregulierung

große Variantenvielfalt der nutzfahrzeuge, die zudem meist von kleinen und mittelständischen aufbau- herstellern komplettiert werden, berücksichtigen

nationaler Klimaschutzplan: keine unrealistischen Ziele, Klimaschutz nur im internationalen Kontext und unter Berücksichtigung der internationalen Wettbewerbs- fähigkeit

alternativen antrieben definiert werden. Darüber hinaus sollte die bestehende Regulierungsmethodik reformiert und auf eine umfassende gesamtstrategie erweitert werden. neben der reinen Effizienz von neufahrzeugen sollten auch die bisher ungenutzten Potenziale gehoben werden, die die Bestandsflotte, das Fahrerverhalten und die Fahrleistung bieten. Dadurch ließen sich sogar kurzfristig Co2-Emissionen reduzieren. Parallel zum raschen hochlauf der Elektromobilität ist die Einführung klima- neutral hergestellter, regenerativer Kraftstoffe eine wirksame Maßnahme, der aktuell aber noch steuerliche und regula- torische hürden im Wege stehen.

neben der Entwicklung innovativer technologien bedarf es zwingend auch einer leistungsfähigen digitalen Verkehrs- infrastruktur. Eine flächendeckende Konnektivität bietet gerade im innerstädtischen Bereich die Möglichkeit, Staus und Park-platzsuchverkehr zu vermeiden. Der großflächige Einsatz intelli-genter Verkehrssysteme und die optimale Vernetzung einzelner Verkehrsträger bieten deutlich größere Effizienzpotenziale als allein fahrzeugbezogene Maßnahmen. Entsprechend begrüßt die automobilindustrie die Pläne der EU-Kommission, künftig einen solchen umfassenden ansatz zu verfolgen. Dies sollte auch von nationaler Ebene politisch unterstützt werden.

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10 WIRtSChaFtS- UnD KlIMaSChUtZPolItIK

Internationale Handelspolitik – Schranken abbauen

Die deutsche automobilindustrie verfolgt erfolgreich eine Zwei-Säulen-Strategie: Export der Produkte aus den heimischen Werken einerseits sowie auf- und ausbau der Fertigung vor ort andererseits. Die Präsenz der Unternehmen in den Wachstums-regionen stärkt ihre Wettbewerbsfähigkeit und sichert wichtige Marktanteile. Davon profitiert auch der Industriestandort Deutschland. als Faustregel gilt: Drei arbeitsplätze im ausland sichern oder schaffen einen arbeitsplatz im Inland.

Mehr als 70 Prozent der in Deutschland gefertigten Fahrzeuge werden exportiert. Diese Exporte werden jedoch über Zölle, Steuern und nichttarifäre handelshemmnisse erschwert. noch immer schotten viele länder ihre Märkte mit hohen Einfuhrzöllen ab – mitunter über besonders hohe abgaben von mehr als 100 Prozent. auch nichttarifäre handelshemmnisse, wie etwa besondere technische Vorschriften, verursachen zusätzlich hohe Kosten für unsere Unternehmen. Zunehmend werden hindernisse beim Marktzugang unverhohlen mit dem industriepolitischen Ziel verknüpft, Wertschöpfung im eigenen land zu binden.Entsprechend sehen sich auch deutsche Betriebe Zwängen ausgesetzt, ihre Produktion ins ausland zu verlagern.

auch innerhalb der EU ist ein abgestimmtes level-Playing-Field nicht mehr unumstritten – das hat das Brexit-Votum gezeigt. Zahlreiche europäische oEM produzieren in großbritannien

für Export nach Deutschland, in die EU und weltweit. Der bri-tische Pkw-Markt ist mit einem Volumen von gut 2,6 Millionen neuzulassungen pro Jahr der zweitgrößte EU-Markt. Der Markt-anteil der deutschen Konzernmarken in großbritannien liegt bei über 50 Prozent. Damit stellt es das wichtigste Exportland für die deutschen automobilstandorte dar. Die deutsche automobil- industrie hat ein großes Interesse daran, dass schnell lösungen gefunden werden, die den intensiven handel mit großbritannien und die damit verbundene Wertschöpfung weiterhin ermöglichen. Der Zusammenhalt der EU und der Erhalt des EU-Binnenmark-tes sind grundlage und Voraussetzung für eine Verständigung.

Für unsere Unternehmen – wie für die gesamte exportorientierte deutsche Wirtschaft – sind offene Märkte von herausragender Bedeutung. Für Investitionen und arbeitsplätze in Deutschland ist es unerlässlich, handelshemmnisse weltweit abzubauen. Der Industriestandort Deutschland sollte alle Chancen nutzen, die globalisierung konstruktiv mitzugestalten. Dabei müssen die Sorgen und Bedenken von Bürgern und Stakeholdern natür-lich berücksichtigt werden. Klar muss aber sein: Es ist äußerst leichtfertig, übertriebene ängste zu schüren – wie zuletzt geschehen während der Verhandlungen über das trans- atlantische handels- und Investitionsabkommen (ttIP). Denn pauschale Vorurteile gegen den Freihandel ebnen den Weg zu Protektionismus und abschottung.

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Die globalisierung konstruktiv mitgestalten und die internationale Zusammenarbeit intensivieren

Zugang zu wichtigen Märkten für die deutsche und europäische automobilindustrie sichern und verbessern

Protektionismus und handelshemmnisse vermeiden und abbauen; der multilaterale ansatz bleibt der Königsweg: Doha-Runde ausgewogen beenden

Welthandelsorganisation (Wto) als Institution und in ihren Verfahren stärken

Mit ausgewählten Partnern faire und ausgeglichene Freihandelsabkommen abschließen (vor allem USa, Indien, aSEan-Staaten)

Bei Verhandlungen über bilaterale handelsabkommen auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Zollabbau und dem abbau von nichttarifären handelshemmnissen achten

Regulatorische Zusammenarbeit mit wichtigen handels- partnern vertiefen; UnECE-Regelwerk sowie die für die weltweite harmonisierung der Fahrzeugregulierung zuständige Working Party 29 stärken

Beim austritt großbritanniens aus der EU möglichst schnell Planbarkeit herstellen und die Kontinuität des Binnenmarktes mit den vier grundfreiheiten anstreben

auslandsmesseprogramm der Bundesregierung als wirksame Unterstützung von KMU bei der Inter- nationalisierung ausbauen

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WIRtSChaFtS- UnD KlIMaSChUtZPolItIK 11

Die Energiekosten sind für Fahrzeughersteller und ihre Zulieferer ein zunehmend wichtiges Kriterium bei der Wahl ihrer Pro-duktionsstätten. Der internationale Vergleich der Energiepreise zeigt, dass der deutsche Industriestandort hier einen echten Wettbewerbsnachteil hat. Unsere Stromkosten sind mehr als doppelt so hoch wie in den USa. auch im europäischen Ver-gleich zählen die deutschen Energiepreise zu den höchsten. Der oftmals wiederholte hinweis auf sinkende Strompreise über-sieht, dass die steigenden Steuern, abgaben und Entgelte diese Entlastungen weit übertreffen. Entscheidend ist der gesamt-preis, der unter dem Strich je Kilowattstunde zu entrichten ist.

Mit den steigenden inländischen Energiepreisen wächst das Risiko, industrielle Wertschöpfung an konkurrierende Standorte mit weniger ambitionierten Umwelt- und Klimavorschriften zu verlieren. Dies schadet dem Beschäftigungs- und Wohlstands- niveau hierzulande – und letztlich auch der Umwelt.

Daher gilt es, rasch ein ganzheitliches Energiekonzept zu entwickeln, das eine bezahlbare und verlässliche Versorgung sicherstellt. Die Energiewende bedarf eines realistischen Zeit- und Kostenmanagements und ist dringend in den Kontext der europäischen Energieversorgung einzubetten.

Die diversen Instrumente und Ziele von Energie-, Klima- und Umweltpolitik auf europäischer und nationaler Ebene sind nur unzureichend aufeinander abgestimmt und erzeugen gravierende

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Energiepolitisches gesamtkonzept rasch entwickeln und EEg und netzentgelte grund- sätzlich reformieren

Industriellen Mittelstand vor unverhältnismäßigen abgaben (weiter) schützen

Eine einzige deutsche Stromregelzone errichten

Wettbewerb bei Produktion und Verteilung von Strom und gas fördern

Ineffizienzen. Die vorhandenen Zielkonflikte werden nicht nur zulasten des privaten Verbrauchers, sondern auch zulasten der Industrie ausgetragen. So summieren sich die Stromsteuer, die abgaben für das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, die Konzes-sionsabgabe, der Co2-Emissionshandel und die netzentgelte zu insgesamt erheblichen Belastungen. Insbesondere letztere steigen exorbitant: Die beabsichtigte Preiserhöhung eines Be-treibers um 80 Prozent ist ein herausragendes Beispiel.

gravierend sind auch die Mehrkosten durch das gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien (EEg). Die Umlage wurde zum Jahresbeginn erneut angehoben, weitere Steigerungen sind absehbar. Im Jahr 2016 erzeugte das EEg Kosten in höhe von mehr als 23 Milliarden Euro für eine Strommenge, deren Markt-wert lediglich wenige Milliarden Euro betrug. Einzelne VDa- Mitgliedsunternehmen zahlen bereits einen dreistelligen Millionen-betrag nur für diese Umlage. abhilfe ist dringend geboten.

Die vorhandenen Bestimmungen zum Schutz des industriellen Mittelstands in Deutschland sind beizubehalten. Weitere Markthemmnisse wie die Stromregelzonen verschiedener netzbetreiber sind abzubauen. Ferner gilt es, den Wettbewerb bei Produktion und Verteilung von Strom und gas zu forcieren. Schließlich sollte ein breiter Mix von Energieträgern beibehalten werden, um die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Schon Spannungsabfälle von einigen Millisekunden führen in den Werkshallen zu Maschinenschäden und Stillstand.

Energiekosten begrenzen – eine Frage der Standortattraktivität

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12 WIRtSChaFtS- UnD KlIMaSChUtZPolItIK

Fachkräftebedarf sichern

Die deutsche automobilindustrie ist im internationalen Innovati-onswettbewerb führend. Um auch zukünftig neue technologien entwickeln und vorantreiben zu können, sind die Unternehmen auf qualifizierte – akademische und nichtakademische – arbeits-kräfte angewiesen. Dies gilt auch für die zunehmend automati-sierten Fertigungstechniken der Industrie 4.0.

Bereits heute ist jedoch ein gravierender Mangel an Fachkräften festzustellen. Für den wichtigen MInt-Bereich (Mathematik, Informatik, naturwissenschaft und technik) gilt dies in beson- derem Maße. Mitte 2016 fehlten hierzulande bereits rund 171.400 MInt-Fachkräfte. aufgrund der demografischen Ent-wicklung wird die Zahl der absolventen von MInt-ausbildungs-berufen bis zum Jahr 2025 um mehr als 135.000 Personen allein unter dem Ersatzbedarf liegen.

Der Fachkräftemangel bedroht insbesondere unsere mittel- ständischen Unternehmen, denn sie können ihr Personal in der Regel nicht transnational akquirieren. Zudem können die KMU als „hidden Champions“ – anders als große Konzerne – kaum von der Bekanntheit ihres namens oder ihrer Marken profitieren.

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Rente mit 63 abschaffen bzw. Rentenübergang weiter flexibilisieren

Eltern in Berufstätigkeit unterstützen durch den ausbau von bedarfsgerechten Betreuungs- einrichtungen für Kinder

MInt-Bildung in hochschulen durch den ausbau und die Finanzierung von MInt-Studienplätzen stärken

Willkommenskultur und die attraktivität Deutsch- lands für ausländische Fachkräfte weiter verbessern

Dieser potenziellen Wachstums- und Innovationsbremse muss entgegengesteuert werden. Die deutsche automobilindustrie ist bestrebt, die Fachkräfte möglichst lange im arbeitsprozess zu halten. Die Erfahrung und das Know-how älterer arbeitnehmer sind für unsere Unternehmen äußerst wertvoll.

aber auch zusätzliche Fachkräfte müssen aktiviert und neue nachwuchspotenziale erschlossen werden. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollte daher weiter vereinfacht werden. Modernisierungen des Zuwanderungsrechts, wie sie beispiels-weise vor wenigen Jahren mit der Einführung der Bluecard sowie der novellierung der deutschen Beschäftigungsverordnung vorgenommen wurden, haben die Zuwanderung von Fachkräften, auch aus dem außereuropäischen ausland, bereits erleichtert. Es gibt aber noch Verbesserungspotenzial, beispielsweise beim Zugang über das Bildungssystem für (nichtakademische) ausbildungsberufe. auch ist der Verwaltungsprozess bei der Vergabe von Visa und aufenthaltstiteln für die Erwerbs- und Bildungsmigration für hiesige Unternehmen, die arbeitnehmer suchen, und Bewerber aus Drittstaaten teilweise noch intrans-parent und zeitaufwendig.

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WIRtSChaFtS- UnD KlIMaSChUtZPolItIK 13

Rohstoffversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen sicherstellen

Die deutsche automobilindustrie ist bei nahezu allen verwen-deten Rohstoffen auf Importe angewiesen. Verstärkte Recy-clingbemühungen, Substitution und ein bereits sehr effizienter Ressourcenansatz haben die notwendigkeit nicht wesentlich mindern können, Rohstoffe zumeist aus ländern außerhalb der Europäischen Union einzuführen. technologietrends wie Elektromobilität und das vernetzte und automatisierte Fahren werden die Situation in den nächsten Jahren weiter verschärfen.

Seit mehreren Jahren entwickeln sich die Preise für Industrie-rohstoffe sehr volatil und tendenziell ansteigend. Ursächlich ist zum einen die wachsende nachfrage aus den aufstrebenden Volkswirtschaften. Zum anderen sind massive politische Eingriffe in den globalen Rohstoffhandel zu beobachten. Eine große Zahl von ländern beschränkt gezielt die ausfuhr von Rohstoffen oder subventioniert deren Einfuhr, um die eigene Rohstoffver-sorgung zu sichern und eigenen Unternehmen Vorteile im inter-nationalen Wettbewerb zu verschaffen. Derzeit gibt es weltweit über 800 Maßnahmen, die einen freien handel mit Rohstoffen beschränken oder ganz unterbinden. Das führt in aller Regel zu stark verzerrten Preisen. Der deutschen automobilindustrie, die sich im globalen Wettbewerb befindet, entstehen erhebliche zusätzliche Kosten. auch handelspolitische Instrumentarien sollten mit augenmaß und Umsicht eingesetzt werden. Mangeln-de Verfügbarkeit und fehlende preisliche Wettbewerbsfähigkeit

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Rohstoffstrategie in Deutschland und Europa kurz- fristig weiterentwickeln mit dem Ziel, die Verfügbarkeit und preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern

außen- und Entwicklungspolitik auch auf die Ein- haltung von Sozial- und Umweltstandards in rohstoff- reichen Entwicklungsländern und die Festigung „guten Regierungshandelns“ fokussieren

Wto-Regeln hinsichtlich Exportbeschränkungen verbessern und deren Einhaltung einfordern/ g-20-Ebene anbinden

Rohstoffverfügbarkeit in die strategischen Diskussionen zu Elektromobilität sowie zum vernetzten und automatisierten Fahren aufnehmen und die bestehenden Instrumente des Rohstoffmonitorings und -risikomanagements weiterentwickeln

können sich auch negativ auf die Marktdurchdringung neuer technologien und die Produktion am Standort Deutschland aus-wirken. Beispielsweise haben die Materialkosten für Rohstoffe wie lithium, Kobalt, nickel oder naturgrafit einen anteil von 65 Prozent an den gesamten herstellungskosten für die Batterie- zellen der Elektrofahrzeuge.

hinzu kommt, dass die weltweit agierenden Rohstoffunter-nehmen stark konzentriert sind und damit eine ausgeprägte Marktmacht besitzen. Die Dominanz weniger gruppen belastet die Funktionsfähigkeit der Rohstoffmärkte.

Die Rohstoffstrategie der Bundesregierung und die rohstoff- politischen Bemühungen der Europäischen Union stellen bereits einen guten Instrumentenkasten bereit. Die gewählten ansätze, zum Beispiel die Rohstoffpartnerschaften der Bundesrepublik mit anderen ländern, entfalten allerdings eher längerfristig Wirkung. Umso wichtiger ist es, bereits heute die Weichen zu stellen, um die Rohstoffversorgung des Industriestandorts Deutschland dauerhaft zu sichern. hierzu ist es auch notwendig, die Rohstoffverfügbarkeit in den strategischen Diskussionen zu Elektromobilität sowie zum vernetzten und automatisierten Fahren zu betrachten und die bestehenden Instrumente des Rohstoff-monitorings und -risikomanagements weiterzuentwickeln.

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14 StEUER- UnD REChtSPolItIK14 StEUER- UnD REChtSPolItIK

Steuer- und Rechtspolitik

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StEUER- UnD REChtSPolItIK 15

Steuererhöhungen vermeiden und wettbewerbsfähiges Steuerrecht schaffen

Die Steuereinnahmen von Bund, ländern und gemeinden befinden sich aktuell auf Rekordniveau. Prognostiziert ist ein weiterer anstieg. Vor diesem hintergrund sind zusätzliche Steuererhöhungen weder erforderlich noch angemessen. Im gegenteil: Insbesondere eine Substanzbesteuerung durch die Wiedereinführung einer Vermögen-steuer wäre mit nicht vertretbaren Risiken für die heimischen Unternehmen und vor allem für die zahlreichen mittelständischen Betriebe verbunden.

Für die exportorientierte Branche der automobilhersteller und -zulieferer hat die Umsetzung der BEPS-Maßnahmen (BEPS = Base Erosion and Profit Shifting), die die oECD- und g-20-Staaten beschlossen haben, eine besondere Bedeutung. Die Maß-nahmen sollten hierzulande mit augenmaß umgesetzt und Belastungsnachteile für deutsche Unternehmen vermieden werden. Doppelbesteuerungsrisiken und adminis-trativer aufwand müssen begrenzt und nachteilige Folgen für das Steuersubstrat in Deutschland verhindert werden.

Darüber hinaus gilt es, das internationale Steuerrecht weiterzuentwickeln und zu verbessern. Dies betrifft insbesondere die überfällige Reform der geltenden hinzu- rechnungsbesteuerung. Diese ist notwendig, um deutsche Unternehmen mit ihren auslandsinvestitionen in ausländische tochtergesellschaften nicht zu benachteiligen.

angesichts zunehmender internationaler Besteuerungskonflikte steigen die damit verbundenen Doppelbesteuerungsrisiken für die Unternehmen. Deshalb ist es not-wendig, Streitbeilegungsmechanismen wie bilaterale Verständigungsverfahren und EU-Schiedsverfahren zu optimieren und ihre Effizienz weiterzuentwickeln. Insgesamt gilt es, die Planungs- und Rechtssicherheit im internationalen Kontext zu erhöhen.

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Steuerpolitik an der Maßgabe ausrichten, zusätzliche Belastungen zu vermeiden und mögliche Entlastungen zu prüfen

Belastungsnachteile im BEPS-Prozess vermeiden und international wettbewerbsfähiges Steuerrecht schaffen

hinzurechnungsbesteuerung entschärfen

Rechtssicherheit durch effektive Verständigungsverfahren schaffen

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16 StEUER- UnD REChtSPolItIK

Steuerrecht an Niedrigzinspolitik anpassen

Die Dauerniedrigzinsphase hält an – und voraussichtlich wird sich der von der Bundesbank ermittelte Rechnungszins in den kommenden Jahren weiter reduzieren.Daraus ergeben sich für die Unternehmen erhebliche negative auswirkungen. Bei der Verzinsung von staatlichen Steueransprüchen (Steuernachforderungen oder Steuererstattungen) führt der einheitliche Zinssatz in höhe von 6 Prozent p. a. (§§ 233a, 238 ao) zu einer Mehrbelastung für die Unternehmen, die angesichts der aktuellen niedrigzinsphase nicht mehr vertretbar ist. Daher ist es überfällig, diesen Zinssatz an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen und für eine realistische Verzinsung von Steuernachzahlungen zu sorgen.

Erhebliche Folgen der niedrigzinsphase ergeben sich auch im Bereich der betrieb-lichen altersvorsorge. Diese wird nur dann langfristig für die Unternehmen attraktiv bleiben, wenn auch die steuerlichen Bewertungsregeln für Pensionsrückstellungen (§ 6a EStg) mit Blick auf das aktuelle Zinsniveau angepasst werden. Der geltende abzinsungssatz in höhe von 6 Prozent ist zu hoch und muss abgesenkt werden.

Beim lohnsteuerabzug hat sich der aufwand für die arbeitgeber in der jüngeren Vergangenheit stetig erhöht – damit verbunden stiegen auch haftungsrisiken. Für die Unternehmen ist entscheidend, dass das lohnsteuerliche Massenverfahren praxis-tauglich ist. Insbesondere benötigen arbeitgeber Rechtssicherheit hinsichtlich der Besteuerung, wenn Entgeltmodelle (zum Beispiel altersteilzeitmodelle) für eine Viel-zahl von arbeitnehmern verabschiedet werden. Die lohnsteueranrufungsauskunft (§ 42e EStg) reicht hierfür nicht aus, da sie nicht für jedes Finanzamt verbindlich ist. Die Bindungswirkung der lohnsteueranrufungsauskunft muss daher gesetzlich so ausgestaltet werden, dass sie auch für die jeweilige Einkommensteuererklärung des arbeitnehmers gilt.

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Verzinsung von Steuernachzahlungen und -erstattungen anpassen

Pensionsrückstellungen angemessen bewerten

Rechtssicherheit für lohnsteuerabzug der arbeitgeber schaffen und Bindungswirkung der lohnsteueranrufungsauskunft herstellen

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StEUER- UnD REChtSPolItIK 17

Reformstau auflösen und nachhaltige Strukturreformen umsetzen

angesichts des zunehmenden internationalen Wettbewerbsdrucks sollte hierzulande die Chance zu strukturellen Steuerreformen genutzt werden. aktuelle tendenzen, die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage über eine hinzurechnung von Mieten, Pachten und leasingraten auszuweiten (§ 8 nr. 1d, e gewStg), sollten künftig wieder vermieden werden. Eine gewerbesteuerliche hinzurechnung von Kosten, die im Rahmen von gemischten Verträgen enthalten sind (zum Beispiel kurzfristige anmietung von Messeflächen oder andere Dienstleistungen), muss gesetzlich begrenzt werden.

Vor dem hintergrund, dass zahlreiche länder in der EU mittlerweile eine steuerliche Forschungsförderung geschaffen haben, sollte Deutschland gleichziehen und eine volumenbasierte Steuergutschrift für alle Unternehmen einführen, die F&E-tätigkeiten vornehmen. Die deutsche automobilindustrie investiert massiv in Forschung und Entwicklung (F&E). Im Jahr 2015 erhöhte sie die weltweiten aufwendungen auf 38,6 Milliarden Euro – ein Zuwachs von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

auf der steuerpolitischen tagesordnung bleiben muss auch eine Modernisierung der Unternehmensbesteuerung. Erforderlich ist es insbesondere, das deutsche System zur Besteuerung von Konzernen im Rahmen von organschaften zu überarbeiten. Formale hürden wie das Erfordernis eines gewinnabführungsvertrags müssen hierbei beseitigt werden. Durch eine weitere harmonisierung der Umsatzsteuer innerhalb der Europäischen Union sollten zunehmende Compliance- bzw. Umsatzsteuerrisiken wieder reduziert werden.

Die Automobilindustrie empfiehlt:

gewerbesteuerliche hinzurechnungen begrenzen

Steuerliche anreize für F&E-Investitionen in Deutschland setzen

Unternehmenssteuerrecht weiter reformieren und Regeln der ertragsteuerlichen organschaft modernisieren

Umsatzsteuer harmonisieren und rechtssicher ausgestalten

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18 StEUER- UnD REChtSPolItIK

Eins-zu-eins-Umsetzung von EU-Recht – keine Überregulierung zulasten des deutschen Standorts

Die harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen in der EU ist wichtig für einen gut funktionierenden Binnenmarkt, denn dieser gewährleistet ein wettbe-werbsfähiges Umfeld für die deutsche automobilindustrie. Damit aber eine euro-päische harmonisierung gelingen kann, ist es unabdingbar, dass sich der deutsche gesetzgeber darauf beschränkt, nur Regelungen umzusetzen, die für die europa-rechtlichen Vorgaben erforderlich sind. nur eine solche Umsetzungspolitik kann eine Wettbewerbsverzerrung innerhalb der europäischen automobilindustrie zulasten der Wertschöpfung an deutschen hersteller- und Zulieferstandorten verhindern und den Rechtsstandort Deutschland für die automobilbranche stärken.

Vernachlässigt der gesetzgeber das Prinzip der Eins-zu-eins-Umsetzung von EU-Richtlinien, entstehen für die heimischen Unternehmen gravierende lasten. Ein zentrales Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist die Umsetzung der Zahlungs-verzugsrichtlinie, bei der der deutsche gesetzgeber mit der Regelung des Zahlungs-ziels von 30 tagen deutlich über den Rahmen der zugrunde liegenden EU-Richtlinie hinausgegangen ist. auch bei der anpassung des Datenschutzrechts an die Daten-schutz-grundverordnung ist zu befürchten, dass der eigentliche Zweck der Ver-ordnung, das Datenschutzrecht in der Europäischen Union zu harmonisieren, nicht erreicht wird. Denn durch die geplanten Sonderregelungen für Deutschland wird das Datenschutzrecht in Europa wieder zulasten des deutschen Standorts fragmentiert.

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Im Zuge der europaweiten harmonisierung rechtlicher Rahmen- bedingungen dürfen heimische Betriebe keine unnötigen Wettbewerbsnachteile erleiden

Überregulierungen vermeiden durch Eins-zu-eins-Umsetzung von EU-Vorgaben

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StEUER- UnD REChtSPolItIK 19

Keine Verschärfung des kollektiven Rechtsschutzes in Deutschland

Das System der individuellen Rechtsverfolgung ist in Deutschland gut ausgebaut. Im Bereich des Verbraucherschutzes wird der Rechtsschutz durch Verbandsklagen um-fassend ergänzt: Das Unterlassungsklagegesetz erlaubt klagebefugten Verbänden, bei Verstößen gegen Verbraucherrechte gegen Unternehmen zu klagen. Daneben gewährleisten ombudsleute und Schlichtungsstellen angemessene Konfliktlösungen im außergerichtlichen Bereich. Damit gehört Deutschland im Bereich des Zugangs zum Recht weltweit zu den führenden Staaten. Demgegenüber könnte der volks-wirtschaftliche Schaden, der durch Sammelklagen entsteht, unverhältnismäßig hoch ausfallen.

Der anwendungsbereich des Unterlassungsklagegesetzes wurde mit der Datenschutz-verbandsklage erheblich erweitert. Zusätzliche Verbandsklagearten sind daher nicht erforderlich. Zudem ist die Einführung von Sammelklagen nach US-amerikanischem Muster und auch von entsprechenden einzelnen Elementen des US-Prozessrechts nachdrücklich abzulehnen. hierzu gehören nicht konkretisierte Massenansprüche, ausforschungsbeweise, Erfolgshonorare, Strafschadensersatz und die aufgabe des grundsatzes der Kostentragung durch die unterlegene Partei. Ein derartiges System ist mit enormen Missbrauchsrisiken behaftet. Zudem ist der nutzen für die geschädigten meist überschaubar.

auch die Einführung einer Musterfeststellungsklage für Verbände im zivilrechtlichen Bereich birgt erhebliche Risiken und ist daher abzulehnen. So bestehen erhebliche Bedenken hinsichtlich ihrer nützlichkeit für die Förderung von Verbraucherinteressen und bezüglich ihrer auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft, insbesondere auf kleine und mittlere Unternehmen. Kostenträchtige geschäftsmodelle für Prozess-vertreter dürfen damit nicht entstehen. Ebenso dürfen nicht Verbände etwa auch in Verbindung mit anwaltsorganisationen einen anreiz darin sehen, ihre tätigkeit mit Musterklagen zu finanzieren. gerade kleine und mittlere Unternehmen des Einzel-handels und des handwerks wie zum Beispiel auch Kfz-Betriebe könnten sich gegen Verbandsklagen kaum effektiv zur Wehr setzen. Das Kfz-gewerbe unterhält als angebot an seine Kunden daher seit über 40 Jahren ein Streitschlichtungsverfahren, das von den automobilkunden auch umfänglich angenommen worden ist.

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Sammel- oder Musterfeststellungsklagen in der EU nicht einführen

Weitere Verschärfungen des kollektiven Rechtsschutzes bergen erhebliche Missbrauchsrisiken, die nicht im Verhältnis stehen zum begrenzten nutzen für Verbraucher

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20 VERKEhRSPolItIK UnD VERKEhRSSIChERhEIt20 VERKEhRSPolItIK UnD VERKEhRSSIChERhEIt

Verkehrspolitik und Verkehrssicherheit

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Infrastrukturpolitik – zentrale wirtschaftspolitische Aufgabe

Die Verkehrswege sind die lebensadern unserer gesellschaft. Dennoch blieben die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur lange hinter dem Bedarf zurück. als Folge kommt es allein auf den Bundesautobahnen zu Staus von mehr als einer Million Kilometern im Jahr. Staus und zäh fließender Verkehr erhöhen aber den Kraftstoffverbrauch um ein Vielfaches und machen so die anstrengungen zur Verbesserung der Energieeffizienz der Fahrzeuge zum teil wieder zunichte.

Der nachholbedarf bei der Sanierung der Verkehrswege ist enorm. Schadhafte Straßen stellen ein Risiko für die Ver- kehrssicherheit dar und erhöhen die lärmemissionen. Der Investitionshochlauf in der 18. legislaturperiode war daher ein richtiger anfang. Daran muss in der nächsten legislatur- periode angeknüpft werden.

Infrastrukturinvestitionen sind teil der staatlichen Daseins-vorsorge. Ihre Finanzierung ist eine gesamtgesellschaftliche aufgabe. Sie kann deshalb nicht allein den nutzern überlassen werden. Dies gilt auch für die Straßeninfrastruktur, der eine allgemeine Erschließungsfunktion für alle zukommt. Ein völliger Rückzug des Staates etwa aus der Finanzierung der Bundesfernstraßen wäre daher nicht angemessen. Bei der Verwendung der verfügbaren Mittel müssen zudem die richtigen Schwerpunkte gesetzt werden. Es gilt, die Mittel für Projekte auszugeben, die den höchsten nutzen für den Verkehr stiften.

Die Automobilindustrie empfiehlt:

haushaltsmittel für Infrastrukturinvestitionen auf bedarfsgerechtem niveau verstetigen

Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur weiter als aufgabe der staatlichen Daseinsvorsorge begreifen

Bei der Umsetzung der Bundesverkehrswegeplanung 2030 Priorität auf Erhaltung, Engpassbeseitigung und großräumig bedeutsame Projekte durchhalten

Effizienzgewinne durch Bundesfernstraßengesellschaft nutzen, Schnittstellen zu landesverwaltungen optimal gestalten, Mehrbelastungen für Straßennutzer verhindern

Keine Privatisierung der Bundesfernstraßen, öPP projektbezogen nutzen

Möglichkeiten ausschöpfen, die bestehende Infrastruktur (zum Beispiel Verkehrsmanagement- maßnahmen) effizient zu nutzen

Die Bundesverkehrswegeplanung 2030 hat mit ihrem Fokus auf Erhaltungsmaßnahmen, die Engpassbeseitigung und großräumig bedeutsame Projekte die richtigen akzente gesetzt. Diese Priorisierung muss jetzt auch bei der Umsetzung durchgehalten werden.

Zu mehr Effizienz bei der Fernstraßeninfrastruktur kann auch die geplante Bundesgesellschaft bei einer entsprechenden ausgestaltung beitragen. Der gesellschaft sollten die Maut- einnahmen direkt zufließen. Zudem sollte sie zusätzlich zweck- gebundene Steuermittel zugewiesen bekommen. Die gesell-schaft sollte dabei wie die Infrastruktur in Bundeseigentum verbleiben. Projektbezogen können öffentlich-private Partner-schaften (öPP) jedoch sinnvoll sein. Eine Bundesfernstraßen-gesellschaft darf nicht zu zusätzlichen Belastungen für die Straßennutzer führen (etwa durch steigende Finanzierungs-kosten). Zudem muss die Schnittstelle zwischen Bundesge-sellschaft und landesverwaltungen so gestaltet sein, dass die Kenntnisse vor ort und Synergien zwischen Bundes- und landesstraßenbau weiter genutzt werden können.

Effizienzpotenziale gilt es jedoch nicht nur beim Infrastruktur-bau, sondern auch bei der Infrastrukturnutzung weiter zu heben. Bestehende Verkehrsmanagementsysteme sollten harmonisiert, weiter ausgebaut und noch besser mit- einander vernetzt werden. Mittelfristig kann auch die Kommunikation von Fahrzeugen untereinander und mit der Infrastruktur hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

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Verkehrspolitik – Ko-Modalität statt Verkehrsverlagerung

allen Prognosen zufolge wird der Verkehr und insbesondere der güterverkehr in Deutschland und Europa weiter zunehmen, denn Wirtschaftswachstum und Wertschöpfung bedeuten Bewegung von gütern. Um die damit verbundenen heraus- forderungen bewältigen zu können, ist der Einsatz aller Verkehrsträger unverzichtbar. Kein Verkehrsträger allein kann den künftigen transport- und Mobilitätsanforderungen genügen. Insbesondere haben die einzelnen Verkehrsträger ganz unter-schiedliche leistungsprofile. Sie sind für viele transportaufgaben nicht untereinander austauschbar.

Deswegen sind pauschale Ziele zur Verkehrsverlagerung oder politische Vorgaben zum Modal Split nicht sinnvoll. Es kann auch nicht die aufgabe von Verkehrspolitik sein, einzelne Ver-

Die Automobilindustrie empfiehlt:

optimierungsmöglichkeiten bei allen Verkehrsträgern gleichermaßen nutzen

auf staatliche Vorgaben für den Modal Split und auf Verlagerungsziele verzichten

Vernetzung zwischen den Verkehrsträgern weiter verbessern

Kombinierten Verkehr weiterentwickeln

kehrsträger zu bevorzugen – sei es bei den Infrastruktur- investitionen oder bei den ordnungspolitischen Rahmen- bedingungen. Vielmehr müssen alle Verkehrsträger gleicher-maßen in die lage versetzt werden, ihren Beitrag zu leisten, um den wachsenden Mobilitätsbedarf zu befriedigen. Daher gilt es, Potenziale zur Effizienzsteigerung bei allen Verkehrs- trägern – einzeln und in Kombination – zu erschließen.

Zudem ist es erforderlich, die Vernetzung zwischen den Verkehrs- trägern weiter zu verbessern. Der Begriff „Vernetzung“ bezieht sich dabei sowohl auf die physische Infrastruktur (zum Beispiel Kombiverkehrsterminals) als auch auf die virtuelle Infrastruktur (zum Beispiel multimodale Plattformen zur durchgängigen Ver-kehrsinformation, Buchung und Bezahlung).

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Nutzerfinanzierung im Straßenverkehr – Anreize statt Verteuerung

Der Straßenverkehr wird in Deutschland schon heute mit über 50 Milliarden Euro jährlich an spezifischen Steuern und abgaben belastet. Ein weiteres Drehen an der abgabenschraube würde die gefahr mit sich bringen, dass individuelle Mobilität für teile der gesellschaft kaum mehr bezahlbar wäre. Damit würden manche Menschen von der sozialen teilhabe ausgeschlossen. Für die Wirtschaft sind die transport- und logistikkosten zudem ein wichtiger Standortfaktor, der die internationale Wettbewerbs-fähigkeit mitbestimmt. Daher sollte eine eventuelle ausdehnung der nutzerfinanzierung für die Straße grundsätzlich mit entspre-chenden steuerlichen Entlastungen an anderer Stelle einher-gehen. auch ist bei einer Debatte über nutzerfinanzierung zu beachten, dass die derzeit noch nicht bemauteten Fahrzeug- segmente wie Pkw, lkw unter 7,5 tonnen und Busse ihre Wege-kosten bereits heute über Steuern tragen. Eine Bemautung wäre daher zumindest ohne eine entsprechende Kompensation, zum Beispiel über die Kfz-Steuer, eine ungerechtfertigte Doppelbe-lastung. Eine Doppelbelastung wäre auch die – zumindest auf

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Zusatzbelastungen im Verkehr vermeiden und Möglichkeiten zur finanziellen Entlastung prüfen

lkw-Maut nicht auf lkw unter 7,5 tonnen und Busse ausdehnen

Sinnhaftigkeit einer Pkw-Vignette noch einmal prüfen

Keine anrechnung von Staukosten in der Maut

lkw-Maut nutzen für Förderung der nachhaltigkeit im Straßengüterverkehr durch aufkommensneutrale Differenzierung nach Co2-ausstoß und durch Berück- sichtigung des zulässigen gesamtgewichts

Enge Zweckbindung der Mauteinnahmen für die Straßeninfrastruktur beibehalten

EU-Ebene immer wieder diskutierte – Einrechnung von Stau- kosten in Mautsätze. Staukosten in Form von Zeitverlusten werden schon heute von den nutzern getragen.

In jedem Fall ist die enge Zweckbindung von Mauteinnahmen für die Straßeninfrastruktur beizubehalten. Eine Verwendung der Maut für Bereiche außerhalb des Straßenverkehrs würde dem grundgedanken der nutzerfinanzierung widersprechen und gegen das grundprinzip der Kostenwahrheit im Verkehr verstoßen.

Chancen bietet die Weiterentwicklung der bestehenden lkw-Maut. So kann eine aufkommensneutrale Differenzierung der Maut nach Co2-ausstoß zusätzliche anreize zur Investition in entsprechend verbrauchs- und emissionsarme Fahrzeuge bzw. technologien setzen. Eine Berücksichtigung auch des zuläs-sigen gesamtgewichts des Fahrzeugs bei der Festlegung der Mautsätze kann zudem die Fehlanreize vermeiden, die bei der bestehenden Staffelung allein nach achszahl entstehen können.

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Regelbetrieb von Lang-Lkw weiter ausbauen

heute und auf absehbare Zeit wird der Straßengüterverkehr das Rückgrat der logistischen Wertschöpfungsketten bilden. Deshalb kommt es hier in besonderer Weise darauf an, sämtliche Poten-ziale zu nutzen, um Effizienz und Umweltfreundlichkeit stetig zu steigern. lang-lkw sind dafür ein wichtiges Instrument.

Die positiven Erfahrungen im fünfjährigen Feldversuch haben zum Regelbetrieb von lang-lkw in Deutschland geführt. Damit sind wichtige Einsparungen sowohl bei der Zahl der Fahrten wie auch beim Kraftstoffverbrauch und damit bei den Co2-Emissionen zu verzeichnen. lang-lkw sind sicher und absolut unauffällig im

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Regelbetrieb mit lang-lkw weiter konstruktiv begleiten und das zugelassene Streckennetz (Positivnetz) bedarfsgerecht erweitern

Umweltpotenzial innovativer nutzfahrzeugkonzepte weiter erkunden und verantwortungsbewusst nutzen

optionen zum grenzüberschreitenden Einsatz von lang-lkw auf Basis der in Deutschland geltenden Bestimmungen schaffen

Straßenverkehr unterwegs. Zudem hat sich gezeigt, dass sie keine Konkurrenz zur Bahn darstellen. Vielmehr arbeiten die Bahn und der lang-lkw vollkommen reibungslos zusammen und steigern damit gemeinsam die Effizienz im güterverkehr.

Um weitere Effizienzsteigerungen im Straßengüterverkehr zu ermöglichen, sollten lang-lkw künftig auch grenzüber- schreitend eingesetzt werden. grundlage dafür sollten bilate-rale Vereinbarungen mit den nachbarstaaten auf Basis der in Deutschland geltenden Bestimmungen sein.

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Busse – moderne Verkehrsmittel im Nah- und Fernverkehr

Busse sind die umweltfreundlichen Innovationsträger der auto- mobilindustrie. Kein anderes Verkehrsmittel ist bei höchster Qualität so flexibel und bietet ein für jedes transportbedürfnis optimal zugeschnittenes Konzept wie der omnibus.

Busse leisten heute fast die hälfte des Verkehrsaufkommens im öffentlichen Personennahverkehr. Sie tragen wesentlich zu einer positiven Umweltbilanz bei: allein in den vergangenen zehn Jahren ist der Kraftstoffverbrauch weiter um fast 15 Prozent zurückgegangen. Schadstoff- und Partikelemissionen konnten bei modernen Euro-VI-Bussen auf lediglich 2 bis 5 Prozent der ursprünglichen Emissionen minimiert werden. Damit die Belastungen insbesondere in den Innenstädten weiter sinken, ist eine rasche Modernisierung der Busflotten angezeigt, die auch durch anreize und Förderung unterstützt werden sollte. Den

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Schrittweise Erneuerung und Modernisierung der Busflotten befördern

Wirksame anreize oder Förderprogramme für eine rasche Marktdurchdringung moderner Euro-VI- Fahrzeuge schaffen

alternative antriebe im öPnV stärken und ausschreibungen vereinfachen

Fernbuslinienverkehr durch attraktive Bus-terminals in den Städten unterstützen

wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Busbetreiber muss dabei angemessen Rechnung getragen werden.Mit dem Inkrafttreten des novellierten Personenbeförderungs-gesetzes (PBefg) ist der Fernbuslinienmarkt zum 1. Januar 2013 liberalisiert worden. Dieser in Deutschland junge Markt hat in den vergangenen Jahren schnell an Dynamik gewonnen. heute ist der Fernbus mit attraktiven liniennetzen ein fest etabliertes Mobilitätsangebot. nunmehr kommt es darauf an, die erforder-lichen Bus-terminals in den Innenstädten zu modernisieren und für die wachsende nachfrage zu ertüchtigen. Dabei sollten die bestehenden Infrastrukturen so weit wie möglich genutzt und eine leistungsfähige Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern sichergestellt werden. Eine bedarfsgerechte Zahl moderner wie gut gelegener und vernetzter Bus-terminals wird wesentlich zum Image des Fernbuslinienmarktes beitragen.

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Verkehrssicherheit – auf allen Straßen fördern

Die Verkehrssicherheit stetig zu verbessern, hat für die auto-mobilindustrie höchste Priorität. Deshalb lassen die hersteller und Zulieferer nicht nach in ihren anstrengungen, neue und erweiterte Sicherheitssysteme zu entwickeln.

In allen Fahrzeugsegmenten – von der Premiumklasse bis zum Kleinwagen, vom transporter bis zum Fernverkehrs-lkw – halten neue techniken Einzug, die mögliche gefahren im Um- feld des Fahrzeugs erfassen können und somit helfen, einen Unfall zu vermeiden oder zumindest dessen Folgen erheblich zu mindern. Moderne assistenzsysteme können Informationen mit anderen Fahrzeugen und mit der Infrastruktur austauschen. Verfügbaren Echtzeitinformationen kommt dabei eine entschei-dende Rolle zu.

hohe Fahrleistungen und hohes Verkehrsaufkommen verlan-gen auch eine leistungsfähige Infrastruktur. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass situationsabhängige Maßnahmen, zum Beispiel zeitlich begrenzte tempolimits und Warnhinweise bei hohem Verkehrsaufkommen oder schlechten Wetterverhältnissen, deutlich zielführender sind als starre Vorgaben.

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Unterstützung für die beschleunigte Marktdurch- dringung von modernen Sicherheitssystemen bei Kraft- fahrzeugen schaffen und entsprechende begleitende verkehrserzieherische Maßnahmen initiieren

Integrierten ansatz in der Verkehrssicherheit (Mensch – Fahrzeug – Infrastruktur) umsetzen

Bundesautobahnen und Kraftfahrstraßen verstärkt mit aktiven Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen ausrüsten, um Verkehrsströme besser zu steuern

Standardisierte, rechtliche und technische Voraus- setzungen für eine Fahrzeug-Infrastruktur- und Fahr- zeug-Fahrzeug-Kommunikation in Echtzeit schaffen

Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Bundes- autobahnen beibehalten

Unterstützung der Rettungsdienste, um die sogenannte golden hour zur Rettung von Menschenleben im Fall der Fälle nutzen zu können

allgemeine tempolimits für spezielle Fahrzeugkategorien hingegen müssen gut begründet werden, um die erforderliche allgemeine akzeptanz zu finden. Dies gilt insbesondere für autobahnen – sie sind bekanntlich die sichersten Straßen in Deutschland.

Die weitere Verbesserung des Rettungsdienstes ist nach wie vor ein wichtiges Ziel. Die automobilindustrie unterstützt dabei mit den Rettungsdatenblättern für alle Fahrzeuge. Ein weiterer wichtiger Baustein ist das EU-weite System eCall.

Die Verkehrssicherheit der nächsten Jahre muss sich an den vier Eckpfeilern der Sicherheit im Straßenverkehr orientieren: Fahrzeugsicherheit, Infrastrukturplanung, Verkehrserziehung und Unfallrettung. allein solche Maßnahmen, die die Balance zwischen diesen vier Faktoren berücksichtigen, werden langfristig helfen, die Zahl der Unfälle und der Verkehrsopfer weiter zu reduzieren.

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Urbane Mobilität – gemeinsam innovative Konzepte umsetzen

Seit 2007 leben weltweit mehr Menschen in Städten als auf dem land. auch in den nächsten Jahrzehnten wird der anteil der städtischen Bevölkerung weiter zunehmen und bis 2050 über 70 Prozent erreichen. In Deutschland sind schon heute drei von vier Einwohnern Städter.

Urbane Räume stehen vor einer Vielzahl von herausforde-rungen. Es gilt, die lebensqualität der Menschen weiter zu verbessern, dabei die Mobilität der Bürger zu gewährleisten und die Effizienz des lieferverkehrs zu erhöhen. Emissionen des Verkehrs müssen weiter reduziert, die lärmbelastung minimiert, die Verkehrssicherheit gewährleistet und die Flächen- inanspruchnahme durch den Verkehr mit konkurrierenden nutzungszwecken in Einklang gebracht werden.

neue technologien wie Elektromobilität und andere alternative antriebe sowie automatisiertes und vernetztes Fahren können einen wesentlichen Beitrag leisten, die Städte bei der Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen.

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Intensivierte Zusammenarbeit zwischen Städten und Industrie zur Umsetzung innovativer Mobilitätslösungen

Rechtsrahmen (zum Beispiel im Personenbeförderungs- gesetz) anpassen, um neue Mobilitätsangebote zu ermöglichen

Carsharing-Regelungen auf Bundes- und länderebene einheitlich umsetzen

notwendige Infrastruktur schaffen, insbesondere für die Elektromobilität sowie für die Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Verkehrsinfrastruktur (V2I)

Erprobungsräume für urbane Mobilität und logistik schaffen, Förderprogramme erweitern, Förderstruktur an die Bedürfnisse der Städte anpassen, Programme stärker auf dauerhafte Umsetzung, Markteinführung und Skalierbarkeit von lösungsansätzen ausrichten

Konzertierte aktion der länder zur Bestandserneuerung der kommunalen Verkehrsinfrastruktur

neue Mobilitätskonzepte, multimodale lösungen und tech-nische Innovationen haben aber zur Folge, dass die heraus-forderungen urbaner Mobilität und logistik immer weniger von nur einem urbanen Stakeholder allein zu bewältigen sind. Erforderlich ist vielmehr eine sektorübergreifende Zusammen-arbeit. Dies gilt sowohl zwischen verschiedenen Industrien aufseiten der anbieter von Mobilitätslösungen als auch für die Kooperation mit der Stadt, etwa bei der Berücksichtigung der stadtplanerischen Bedürfnisse. Die deutsche automobil- industrie hat daher ihre Kooperation mit den Städten weiter intensiviert. gemeinsames Ziel ist, konkrete lösungen für die urbane Mobilität umzusetzen.

auch morgen wird Mobilität in der Stadt auf bedarfsgerechte Infrastrukturen angewiesen sein. Fast 80 Prozent des deutschen Straßennetzes entfallen auf Stadt-, gemeinde- und Kreis- straßen. gerade dort besteht erheblicher nachholbedarf insbesondere bei der Erhaltung.

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Vernetztes und automatisiertes Fahren

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Anforderungen an die Infrastruktur

Die Zahl der Fahrerassistenzsysteme ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Beispiele sind das aBS, der abstands- geregelte tempomat, der Spurhalteassistent oder der Spur- wechselassistent. aufbauend auf diesen Systemen werden schrittweise automatisierte Fahrfunktionen eingeführt.

automatisiertes Fahren wird voraussichtlich zuerst auf der autobahn und autobahnähnlichen Straßen sowie in Parkhäusern Realität. In diesen Szenarien ist das Umfeld strukturiert und für Fahrzeuge und ihre Sensorik technisch beherrschbar. Dafür ist ein guter ausbaustandard der Straßeninfrastruktur (inklusive Fahrbahnmarkierungen, Beschilderung etc.) unerlässlich.

Über eine leistungsfähige Kommunikationstechnologie können zusätzliche Informationsquellen erschlossen und damit die „Sichtweite“ der automatisierten Fahrzeuge deutlich erweitert werden. Diese Kommunikation kann zwischen Fahrzeugen (V2V), zwischen Fahrzeugen und der Verkehrsinfrastruktur (V2I) sowie zwischen Fahrzeugen und It-Backend (V2B) stattfinden. Durch die V2X-Kommunikation können zum Beispiel Informationen über Verkehrs- oder Wetterlage frühzeitig ins Fahrzeug übermittelt werden. Die V2X-Kommunikation kann mit verschiedenen tech-nologien realisiert werden, die je nach anwendung spezifische Vorteile haben.

Mit der Verabschiedung der Europäischen Strategie für koope-rative, intelligente Verkehrssysteme (C-ItS) durch die EU-Kom-mission wurde ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer kooperativen, vernetzten und automatisierten Mobilität erreicht.

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Bestandserhalt der Straßeninfrastruktur sicherstellen

Flächendeckende ausstattung mit dynamischen und temporären Verkehrsschildern sowie ampeln mit Kommunikationstechnologie

Rasche Einführung von 5g als erster Schritt zu einer vollumfänglichen abdeckung des BaB-netzes für V2B- Kommunikation

EU-weiten Quality-of-Service-Standard innerhalb des 5g-netzes einführen

Verkehrsrelevante Informationen für alle Verkehrsteil- nehmer unter Beachtung der grundsätze der netz- neutralität im weiteren Sinn bereitstellen

Definition technischer Standards zur Datenübermittlung im hinblick auf die It-Sicherheit inklusive der Definition der zu übertragenden Daten und Übertragungstechno- logien in enger Zusammenarbeit mit der Industrie

gemäß dem Prinzip der technologieneutralität sollte die technologieauswahl im Markt nicht regulatorisch, sondern auf Basis technischer und ökonomischer Vorteile erfolgen

Die deutsche automobilindustrie begrüßt die Ziele und die dahinterliegende Strategie.

Im Bereich der Kommunikationstechnologie ist in der Strategie ein hybrider Kommunikationsmix verankert. Damit sollen die anforderungen von europaweitem harmonisiertem und inter- operablem Senden und Empfangen aller verkehrssicherheits- und effizienzrelevanten Informationen erfüllt werden. Dieser Mix kombiniert ergänzende und verfügbare Kommunikationstechnolo-gien, wie die automotive-Wlan-gestützte nahbereichskommuni-kation (EtSI ItS-g5, basierend auf IEEE 802.11p) und vorhandene Mobilfunknetze. Zusätzlich kann der hybride Mix flexibel genug sein, um künftige technologien (zum Beispiel 5g) aufzunehmen. Soweit angebracht, wird die Kommunikation nach dem grundsatz der komplementären nutzung betrieben. Deshalb unterstützen wir auch die Erweiterungen des ltE-Mobilfunkstandards (ltE-V) und die rasche Entwicklung und Einführung von 5g.

Darüber hinaus befürworten wir die netzneutralität im weiteren Sinn, abhängig von den derzeit bestehenden Möglichkeiten. Dies gilt sowohl für das Mobilfunknetz als auch für die leitungsgebun-dene Übertragung von Daten. Daten sollten je nach Kategorie (zum Beispiel telefonie, Musikstreaming, automatisiertes Fahren) mit unterschiedlicher Dienstgüte übertragen werden können. Jedoch sollte innerhalb einer Kategorie eine gleich-berechtigte Datenübertragung erfolgen. Die Kategorien sollten so weit standardisiert werden, dass die jeweilige leistung zu vergleichbaren Rahmenbedingungen von unterschiedlichen netzbetreibern eingekauft werden kann.

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Kein Unterlassungsanspruch aus standardessenziellen Patenten

Durch die zunehmende Vernetzung moderner Fahrzeuge halten immer mehr Mobilfunktechnologien Einzug in die Fahrzeuge. Damit die einzelnen teilnehmer im „Internet of things“ kommu-nizieren können, müssen diese Mobilfunktechnologien stan-dardisiert werden. Die in diesem Zuge integrierten Innovationen sind – wie in der Vergangenheit auch – patentrechtlich geschützt. Solche Schutzrechte werden als standardessenziell bezeichnet. In der telekommunikationsbranche ist der Umgang mit diesen standardessenziellen Patenten (SEP) geprägt von der Pflicht eines SEP-Inhabers, Patente unter FRanD-Bedingungen (FRanD = Fair, Reasonable and non-Discriminatory) zu lizenzieren. Im gegensatz dazu ist es in der automobilindustrie bislang über- wiegende Praxis, dass Standards entweder vollständig schutz-rechtsfrei sind oder dass im Einzelfall die Patente, die zur Imple-mentierung einer norm notwendig sind, kostenlos oder zu vorab klar definierten Bedingungen zur Verfügung gestellt werden.

Die Rechtsprechung des Eugh wird in den nationalen Instanz-gerichten unterschiedlich ausgelegt und ist derzeit weder innerhalb Deutschlands noch in Europa vereinheitlicht. In diesem Zusammenhang wird der Unterlassungsanspruch, den

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Durchsetzbarkeit des im deutschen Patentgesetz vorgesehenen Unterlassungsanspruchs aus standardessenziellen Patenten begrenzen

EU-weit einheitliche Interpretation der Eugh- Rechtsprechung im Kontext von SEP-lizenzen gewährleisten

das deutsche Patentgesetz insbesondere einem Unternehmen einräumt, das SEP-Inhaber ist und nicht selbst Produkte herstellt (sogenannte nicht praktizierende Entitäten, nPE), als Standort-nachteil gegenüber Wettbewerbern angesehen, die den Schwer-punkt ihrer geschäftlichen tätigkeiten in anderen Rechtsordnun-gen haben (vergleiche USa).

Durch die Vernetzung sieht sich deshalb die automobilindustrie in naher Zukunft möglichen Unterlassungsansprüchen unter-schiedlichster SEP-Inhaber ausgesetzt. Die EU-Kommission hat sich der FRanD-lizenzierung von SEP bereits mit einer Mitteilung unter dem titel „Schwerpunkte der IKt-normung für den digitalen Binnenmarkt“ angenommen. Der deutsche gesetzgeber sollte sich in diesen Prozess gestaltend mit ein- bringen, um die Möglichkeit einer Unterlassung aus SEP von nPE für die automobilindustrie und andere zu begrenzen und die Innovation des vernetzten Fahrzeugs zu fördern.

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VERnEtZtES UnD aUtoMatISIERtES FahREn 31

Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen

Unterschiedliche internationale Rechtsrahmen bilden ein großes hindernis auf dem Weg zur Markteinführung automatisierter Fahrzeuge. Betroffen sind nicht nur nationale Rechtsfragen, sondern auch europäisches Recht sowie multilaterale völker-rechtliche Verträge. Über einheitliche rechtliche Rahmen- bedingungen gilt es, Rechtssicherheit und eine stabile Planungs- und Investitionsgrundlage für hersteller und Zulieferer zu schaffen. Es liegt auch im Interesse eines funktionierenden europäischen Binnenmarktes, auf EU-weit harmonisierte Vorschriften hinzuarbeiten.

auch in Deutschland sind anpassungen erforderlich. Die be- stehende Rechtslage (StVg, StVo) verbietet zwar nicht aus-drücklich, automatisierte Systeme zu nutzen, jedoch könnte dies als Pflichtverletzung des Fahrers angesehen werden. Die daraus folgende Rechtsunsicherheit ist der akzeptanz von automati-sierten Systemen nicht förderlich. So sollte künftig gesetzlich differenziert werden zwischen Fällen, in denen ein Fahrer existiert und teilweise das Fahren übernehmen muss/kann (auto- matisierte Systeme), und solchen Fällen, in denen der Fahrer nur Passagier ist bzw. es keinen Fahrer gibt (autonome Systeme).

Mit der im oktober 2015 erfolgten anpassung des Wiener Übereinkommens wurde eine gute Basis gelegt, um die nationalen gesetzgebungen weiterzuentwickeln und auto- matisiertes Fahren rechtlich zu ermöglichen. allerdings fordert

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Möglichst einheitlichen internationalen Rechtsrahmen sicherstellen, um die Wettbewerbsposition Deutsch- lands zu stärken

typgenehmigungsvorschriften (Un-R-Vorschriften) an die Erfordernisse des automatisierten und autonomen Fahrens anpassen

Erweiterung des Wiener Übereinkommens

nationales Verkehrs- und Verhaltensrecht anpassen, um den rechtssicheren Einsatz automatisierter Systeme zu ermöglichen; entsprechende gesetzesänderungs- vorhaben sollten bereits von Beginn an alle auto- matisierungsstufen umfassen

Im Verhaltensrecht (StVo) klarstellen, dass auto- matisiertes Fahren per se keine Sorgfaltswidrigkeit darstellt; Sorgfaltsrahmen während automatisierter Fahrt regeln

gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen für die verbindliche Einführung von Datenspeichern als Bestandteil von automatisierten und autonomen Fahrzeugfunktionen

Erhöhung der Fördermittel für Forschungsvorhaben im Bereich des automatisierten und vernetzten Fahrens

Prüfung der steuerlichen abzugsfähigkeit von Entwicklungs- und Forschungsaufwendungen

das Übereinkommen unverändert, dass jedes Fahrzeug einen Fahrer hat. Damit ist der Betrieb autonom fahrender Fahrzeuge in den Vertragsstaaten weiterhin nicht möglich. Daher ist es zu begrüßen, dass bereits an einer Weiterentwicklung des Über-einkommens mit Blick auf autonome Systeme gearbeitet wird.

auf der grundlage des Wiener Übereinkommens müssen weitere international geltende technische Regelwerke (Un-R-Vorschriften) überarbeitet werden, die wiederum die Basis für die Zulassungsfähigkeit automatisierter Fahrzeuge sind. Dies betrifft insbesondere die Un-Regelung für lenk- anlagen (Un-R 79), die derzeit automatisches lenken nur bis zu einer geschwindigkeit von 10 km/h vorsieht. Diese ge-schwindigkeitsbegrenzung sollte aufgehoben werden.

neben dem nationalen Verkehrs- und Verhaltensrecht und den internationalen typgenehmigungsvorschriften sind zudem rechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von Daten-speichern zu schaffen. Diese sind als begleitende technik erforderlich. Sie sollen bei Verkehrsverstößen und Unfällen aufklärung schaffen sowie der Produktbeobachtung, der Produktentwicklung und der Qualitätssicherung dienen. Damit leisten sie zugleich einen wesentlichen Beitrag zur akzeptanz solcher Systeme. Dazu ist eine einheitliche Regelung auf euro-päischer bzw. internationaler Ebene anzustreben.

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Daten – Bestimmungen für Zugang und Nutzung

Moderne Fahrzeuge besitzen bereits heute bis zu 100 soge-nannte on-Board-Control-Units, die fortwährend miteinander kommunizieren und den reibungslosen Betrieb des Fahrzeugs unterstützen. Mit steigender Konnektivität und Digitalisierung wird der Zugriff auf Fahrzeuge und Fahrzeugdaten von überall möglich. Dadurch entstehen neue Potenziale, aber auch neue Risiken und herausforderungen. Im Vergleich zu Smartphones oder anderen technischen geräten benötigt ein Fahrzeug wesentlich höhere Standards in Bezug auf ausfallwahrschein-lichkeit, Sicherheit und Datenschutz. Integrität und Sicherheit von Fahrzeug und Fahrer haben höchste Priorität und müssen jederzeit garantiert sein.

Im VDa haben hersteller und Zulieferer eine gemeinsame Position entwickelt, die die anforderungen an Sicherheit, Datenschutz sowie diskriminierungsfreie Innovation erfüllt. Jeder oEM übernimmt die Rolle eines Systemadministrators und damit die Verantwortung für einen sicheren transfer der im Fahrzeug generierten Daten zu einem standardisierten und gewarteten Business-to-Business-oEM-Interface (B2B). Dritte können direkt über dieses B2B-oEM-Interface oder über neu-trale Server, die die Daten des oEM-Servers zusammentragen, auf Fahrzeugdaten zugreifen. Der Zugriff auf Fahrzeugdaten über den oEM-Server unterliegt B2B-Vereinbarungen.

Um Risiken für den Kunden und die öffentliche Sicherheit zu vermeiden, wird kein direkter Zugriff auf das Fahrzeug durch Dritte zugelassen. Dieses Konzept für den transfer von im Fahrzeug generierten Daten ermöglicht jedoch zugleich einen völlig diskriminierungsfreien Zugriff und damit sowohl neue Innovationen als auch offenen und fairen Wettbewerb.

aufgrund der sehr hohen ökonomischen und gesellschaft-lichen Relevanz von Regeln für die Datennutzung strebt der VDa eine aktive Rolle in dieser Diskussion auf nationaler und EU-weiter Ebene an. Die Europäische Kommission hat eine Reihe von Initiativen ins leben gerufen, die sich auf dieses von Fahrzeugherstellern und -zulieferern gemeinsam erstellte Konzept beziehen. Besonders die Debatte zum thema C-ItS und die Initiative für freien Datenfluss (Free Flow of Data Initiative) betreffen die Frage, wie Fahrzeugdaten an Dritte übertragen werden können. gleichzeitig beeinflussen die Debatten und Entscheidungen rund um die Fahrzeugdaten die Interessen verschiedener anderer Unternehmen, beispielsweise aus der Versicherungsbranche.

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Verkehrsrelevante Mobilitäts- und geodaten der öffentlichen hand bereitstellen; dies muss aller- dings für alle gebietskörperschaften (also zum Beispiel auch für die Kommunen) gewährleistet sein

Faire Wettbewerbsbedingungen (level-Playing- Field) für alle Marktteilnehmer auf europäischer Ebene unter Berücksichtigung der anforderungen an Sicherheit und Datenschutz sichern und anschließende Übertragung auf Märkte weltweit

Einseitige Kosten- und nutzenverteilung zulasten der automobilindustrie verhindern

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IT-Sicherheit und Datenschutz

Die It-Sicherheit (Informations-/Cybersicherheit) und der Datenschutz werden ebenso wie die Fahrzeugsicherheit bereits in der Produktentwicklung berücksichtigt. Zum Zeitpunkt der Markteinführung neuer Fahrzeuge entsprechen die integrierten Schutzsysteme dem aktuellen Stand der technik. Der Miss-brauchs- und Manipulationsschutz wird regelmäßig überprüft und fortlaufend an den Stand der technik angepasst.

Mit zunehmender nutzung von automatisierten und vernetzten Fahrzeugfunktionen spielen entsprechende Schutzmaßnahmen künftig eine noch wichtigere Rolle. Entsprechend befürwortet der VDa eine umfassende Kooperation von Politik und Industrie sowie eine Bündelung aller thematisch betroffenen Behörden. Dies gilt auf nationaler, vor allem aber auch auf europäischer

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Definition von grundsätzen zum Schutz gegen nicht autorisierte Zugriffe und Einsteuerung in die Un-Wirtschaftskommission für Europa; diese grundsätze sollen als Richtschnur für die Fahr- zeughersteller und Zulieferer gelten, müssen aber herstellerindividuelle Produktlösungen ermöglichen

Etablierung einer internationalen norm zu automotive- Security unterstützen

nationale gesetze, die einen harmonisierten ansatz zum Datenschutz erschweren oder durch striktere Vorgaben einen Wettbewerbsnachteil für Deutsch- land darstellen, sollten vermieden werden

und internationaler Ebene. Politische grundsätze zum Schutz gegen nicht autorisierte Zugriffe sollten dabei auch weiterhin ermöglichen, herstellerindividuelle Sicherheitstechnologien und architekturen zu implementieren.

Bereits vor einigen Jahren hat der VDa grundsätze zum Daten- schutz für vernetzte Fahrzeuge mit den drei Kernprinzipien transparenz, Selbstbestimmung und Datensicherheit formuliert. Darüber hinaus hat sich der VDa zu den datenschutzrechtlichen Fragestellungen bei der nutzung vernetzter und nicht vernetzter Kraftfahrzeuge in einer gemeinsamen Erklärung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der länder und des Verbandes der automobilindustrie (VDa) positioniert.

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Technik und Umwelt

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Elektromobilität – Mobilitätswandel bietet neue Chancen

Die Elektromobilität ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahr-hunderts – viele Industriezweige und Dienstleistungsbereiche sind beteiligt. Deshalb ist es wichtig, dass zentrale teile der Wert-schöpfungskette in Deutschland gestärkt und aufgebaut werden.

In den nächsten vier Jahren investieren unsere Unternehmen ca. 40 Milliarden Euro allein in die Weiterentwicklung der Elektromobilität. Die deutsche automobilindustrie bietet derzeit 30 Fahrzeugmodelle an und gehört damit zu den leitanbietern. Weitere Modelle mit völlig neuen Fahrzeugarchitekturen und langstreckentauglichkeit werden dem Markt bereits ab diesem Jahr zur Verfügung stehen.

Die Bundesregierung hat 2016 entscheidende Rahmen- bedingungen geschaffen, die die Entwicklung der Elektromobilität fördern. Dazu gehören steuerliche und rechtliche Rahmen- bedingungen, der Umweltbonus, die Beschaffungsinitiative des

Bundes sowie die Förderung des aufbaus öffentlich zugäng-licher ladeinfrastruktur. Diese Maßnahmen unterstützen das Ziel, Deutschland auch zum leitmarkt für Elektromobilität zu machen, und sollen das hohe niveau der Beschäftigung entlang der gesamten Wertschöpfungskette und die Spitzenposition als Industrie-, Wissenschafts- und technologiestandort sichern.

Die Zusammenarbeit von Experten in der nationalen Plattform Elektromobilität mit all den damit verbundenen anstrengungen zahlen sich für Industrie, Politik und für den Standort Deutsch-land aus. Wir befinden uns im Markthochlauf. Verlässliche politische Rahmenbedingungen geben der Industrie Vertrauen und Planungssicherheit und veranlassen sowohl die anbieter als auch die Konsumenten zu Investitionen in die Elektromobilität. Damit entsteht ein solides Fundament für den Massenmarkt. gleichwohl sind zur Sicherung Deutschlands als Innovations- standort noch weitere anstrengungen erforderlich.

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Markthochlauf beobachten und Förderung bei Bedarf anpassen

Forschungsförderung in höhe von 360 Millionen Euro p. a. (2017 bis 2020) aus Bundeshaushalt sichern

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen des Industrie- standorts Deutschland gestalten, zum Beispiel zum aufbau einer Batterie- und Zellproduktion

öffentlich zugängliche sowie private ladeinfrastruktur bedarfsgerecht aufbauen

Rechtsrahmen weiterentwickeln, zum Beispiel anpassung des Bau- und Wohneigentumsrechts, ladesäulenverordnung

Rahmenbedingungen zur Elektrifizierung kommunaler und betrieblicher Flotten schaffen

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Erdgas – eine unterschätzte Antriebsform

Erdgas ist für die deutsche automobilindustrie ein wichtiger Baustein für die Mobilität von morgen. Denn neben technolo-gien zur Verbrauchsreduzierung und gänzlich neuen antrieben sollen auch die ölbasierten Kraftstoffe durch neue, klima- freundlichere Kraftstoffe ersetzt werden.

Deshalb bieten die deutschen Pkw-hersteller in nahezu allen Fahrzeugklassen attraktive Cng-Modelle mit besonders niedri-gen Co2-Emissionen an. auch bei den leichten nutzfahrzeugen begegnen wir dem dynamisch wachsenden Bedarf mit einer breiten Modellpalette. Für die schweren nutzfahrzeuge eröff-net verflüssigtes Erdgas (lng) eine echte langfristalternative zum derzeit noch dominanten Dieselkraftstoff.

Die vielen Vorteile von Erdgas liegen auf der hand: Der Co2-ausstoß ist deutlich niedriger als bei Diesel und Benzin. Zudem werden wesentlich weniger Stickoxide und Feinstaub-partikel freigesetzt.

auch ist die Versorgungssicherheit höher als bei den her-kömmlichen Kraftstoffen. Die gesicherten Erdgasreserven sind enorm. Während die Förderung weltweit seit Jahren kontinu-ierlich ansteigt, ist der gaspreis nach dem höchststand im Jahr 2005 deutlich gesunken. Erdgasmobilität ist aktuell die günstigste art, auto zu fahren.

Die Automobilindustrie empfiehlt:

ökologisch herausragende Stellung von Erdgas und Biomethan anerkennen

aufbau einer europaweit flächendeckenden Cng- und lng-tankstelleninfrastruktur vorantreiben

Verwendung von Cng/lng für den Fahrzeug- kunden weiterhin attraktiv gestalten

transparente Preisauszeichnung von Erdgas (Euro pro liter Benzinäquivalent)

Ein weiteres Plus ist die problemlose Beimischung von Biomethan oder synthetischem Erdgas (Sng) zum fossilen Erdgas. Bio- methan ist der beste heute verfügbare Biokraftstoff und stammt vollständig aus heimischer Produktion. Ebenfalls existieren heute bereits anlagen im industriellen Maßstab zur Produktion von synthetischem Erdgas aus überschüssigem Windstrom.

trotz dieser Vorzüge spielt Erdgas bislang nur eine unterge- ordnete Rolle im Markt. Das enorme Potenzial als ein Kraftstoff der Zukunft ist den Verbrauchern noch zu wenig bekannt. Daher ist es strategisch richtig und notwendig, dass Politik und Wirt-schaft diesen Energieträger gemeinsam weiter voranbringen.

Den tankstellenausbau zu fördern und die transparente Preis- auszeichnung für den Kunden umzusetzen – dies sind neben der fortgeschriebenen Energiesteuerbegünstigung die zentralen Stellschrauben einer unterstützenden Politik für das Erdgas. Denn nur mit einer flächendeckenden Infrastruktur und einem signifikanten Preisvorteil kann die akzeptanz von Erdgas und dessen Bedeutung im Verkehrssektor dauerhaft erhöht werden.

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Die deutsche automobilindustrie hat seit Ende der 1980er-Jahre erhebliche Erfolge bei der luftreinhaltung erzielen können. trotz stetig steigender Fahrleistungen konnten nicht nur die Co2-Emissionen, sondern auch die sogenannten limitierten Emissionen deutlich verringert werden. letztere umfassen beispielsweise flüchtige Kohlenwasserstoffe (hC), Partikel (PM) und Stickoxide (nox).

Zahlreiche technische Errungenschaften haben zu dieser positiven Entwicklung beigetragen: die Einführung des Kataly- sators, die Reduzierung von Betankungsemissionen, der Partikel- filter, die SCR-Systeme in Diesel-Pkw sowie die fortschreitende optimierung der Motorentechnik.

Moderne Fahrzeuge, die die künftig geltenden RDE-anforde-rungen erfüllen, belasten Mensch und Umwelt nur noch marginal. Das belegen unter anderem unabhängige Berechnungen des Forschungsinstituts aVISo zur Entwicklung der luftqualität in verkehrssensitiven gebieten. anhand des wissenschaftlich fundierten Modellrahmens lassen sich die sinkende tendenz der Schadstoffemissionen und die Verbesserung der luft-qualität quantifizieren. So verringern sich die Emissionen aus dem Straßenverkehr im Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 um eindrucksvolle größenordnungen: bei den Stickoxiden (nox)

Die Automobilindustrie empfiehlt:

Rasche Bestandserneuerung im Pkw- sowie im nutzfahrzeug-Bereich – einschließlich des öPnV – als wirksamstes Instrument für umweltgerechte Mobilität und logistik anerkennen und fördern

Einsparpotenziale der grünen Welle, eines verstetigten Straßenverkehrs und eines reduzierten Parkplatzsuch- verkehrs nutzen

Kraftstoffqualität weiter verbessern

Umweltzonen ausschließlich auf Basis von Euro- Standards, um eine Marktsegmentierung zu vermeiden

Bei weiteren regulatorischen Schritten den Bestands- kunden moderner Diesel-Fahrzeuge angemessenen Schutz gewährleisten

Umgebungsluft – immer sauberer

um 88 Prozent, bei flüchtigen Kohlenwasserstoffen (hC) und bei Partikeln (PM) sogar um jeweils 94 Prozent.

heute sind die Werte für Stickstoffdioxid in einigen Städten noch höher als erlaubt. hier hilft – wie Studien belegen – die rasche Durchdringung des Bestands mit den modernsten Fahrzeugen. Je eher neue umweltfreundliche und effiziente Euro-6-technologien in den Markt vordringen, desto mehr pro-fitieren die Städte von einer verbesserten luftreinhaltung. Dies ist der beste sozial verträgliche Weg, um die luftqualitätsziele der EU flächendeckend einzuhalten. Bis zu einer ausreichen-den Bestandsdurchdringung mit Euro-6-Fahrzeugen können verkehrliche Maßnahmen die Überschreitungshäufigkeiten mindern: Verkehrsverstetigung und die „intelligente“ grüne Welle können die nox-Emissionen kurzfristig um bis zu 30 Prozent senken. auch die Vernetzungstechnologie kann einen wertvollen Beitrag leisten, zum Beispiel indem sie den Parkplatzsuchverkehr in Städten deutlich reduziert.

Bei regulatorischen Maßnahmen, die zur Bestandserneuerung beitragen sollen, ist darauf zu achten, dass diese mit augenmaß erfolgen. So sind die Interessen der Kunden am Werterhalt ihrer Fahrzeuge im auge zu behalten. Entsprechend kommt es insbe-sondere auf verhältnismäßige Übergangslösungen an.

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Impressum

herausgeber Verband der automobilindustrie e. V. (VDa) Behrenstraße 35, 10117 Berlin www.vda.de

Koordination Dr. Kay lindemann Dr. Christoph Muhle

Copyright Verband der automobilindustrie e. V. (VDa)

Bildlizenzen titel: iStock.com/shansekala Seite 2: iStock.com/Kerrick Seite 39: iStock.com/deepblue4you

Satz/layout DangERoUS. Werbeagentur gmbh

Stand Februar 2017

Impressum

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