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Modelle f¨ ur Vorg¨ ange mit zuf¨ alligem Ergebnis und Kombinatorik Dr. Elke Warmuth Sommersemester 2018 1 / 58

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Modelle fur Vorgange mit zufalligem Ergebnisund Kombinatorik

Dr. Elke Warmuth

Sommersemester 2018

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Wahrscheinlichkeitsraum Modellbildung und distanzierte Rationalitat Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Kombinatorik

WahrscheinlichkeitsraumVorgang mit zufalligem ErgebnisErgebnismengeEreignisseWahrscheinlichkeitsverteilung

Modellbildung und distanzierte Rationalitat

Diskrete WahrscheinlichkeitsraumeGleichverteilung auf einer endlichen MengeWahrscheinlichkeit und relative Haufigkeit

KombinatorikZahlalgorithmusStandardzahlproblemeKomplexere Anwendungen

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Wahrscheinlichkeitsraum Modellbildung und distanzierte Rationalitat Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Kombinatorik

Vorgang mit zufalligem Ergebnis

Vorgang mit zufalligem Ergebnis

ist ein Vorgang, bei dem es im Allgemeinen mehrere moglicheErgebnisse gibt und bei dem vor Ablauf das Ergebnis nicht mitSicherheit vorhergesagt werden kann.

Beispiele

1. Wetter, Tageshochsttemperatur in Berlin-Dahlem am 02.02.2018

2. Fußballspiel, Ausgang des nachsten Bundesligaspiels von HerthaBSC

3. Geburten, Geschlecht des nachsten Babys ...

4. Wurfelwurf, Augenzahl

5. Weitsprung, Weite von Jakob (10 Jahre)

6. Wurfeln bis zur ersten Sechs, Anzahl der Wurfe

7. Ziehung 6 aus 49, Gewinnzahlen 3 / 58

Wahrscheinlichkeitsraum Modellbildung und distanzierte Rationalitat Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Kombinatorik

Ergebnismenge

1. Modellierungsschritt

Was wollen wir beobachten/beschreiben?

Beispiel

8. Werfen eines roten und eines blauen Wurfels

a) Ergebnis des roten und des blauen Wurfels interessiert →Ergebnis (r ; b)

b) Augensumme interessiert → Ergebnis r + b

Alle moglichen Ergebnisse bilden die Ergebnismenge.

DefinitionDie Ergebnismene Ω ist eine nichtleere Menge.

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Ergebnismenge

Beispiele

1. (Tageshochsttemperatur) Ω1 = R,Ω2 = [−50; +50]

2. (Hertha BSC)Ω1 = N,U, S,Ω2 = a : b mit a, b ∈ N ∪ 0

3. (Baby) Ω = m,w4. (Wurfelwurf) Ω = 1, 2, . . . , 65. (Weitsprung) Ω = [0; 5)

6. (erste Sechs) Ω1 = 1, 2, 3, . . .,Ω2 = 6, 06, 006, . . .7. (Lotto)

Ω = alle 6-elementigen Teilmengen von 1, 2, . . . , 498. (roter und blauer Wurfel)

a) Ω1 = (r ; b) : r , b ∈ 1, 2, . . . 6b) Ω2 = 2, 3 . . . 12

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Ereignisse

Bemerkungen

I Jedes mogliche Ergebnis wird durch genau ein Element von Ωreprasentiert.

I Ω kann endlich, abzahlbar unendlich oder uberabzahlbarunendlich sein.

I Schwerpunkt hier: endlicher Fall Ω = ω1, ω2, . . . , ωr

2. Modellierungsschritt

Welche Aussagen uber Ergebnisse wollen wir betrachten?

I Aussage uber Ergebnisse beschreibt Ereignis

I Ereignis kann als Teilmenge von Ω dargestellt werden

I Ereignisse – große lateinische Buchstaben

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Ereignisse

Beispiele

1. A :”Tageshochsttemperatur unter 0C“

A = [−∞; 0) ⊂ Ω1, A = [−50; 0) ⊂ Ω2

2. B :”Hertha gewinnt 1:0“

in Ω1 kein Ereignis, B = 1 : 0 ⊂ Ω2

C :”Hertha spielt unentschieden“

C = U ⊂ Ω1, C = a : a mit a ∈ N ∪ 0 ⊂ Ω2

3. D :”Madchen“

D = m ⊂ Ω

4. E :”Es fallt eine gerade Augenzahl“

E = 2, 4, 6 ⊂ Ω

U und m – sogenannte Elementarereignisse, unnotiger Begriff7 / 58

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Ereignisse

Beispiele

5. F :”Jakob springt weiter als 3m“

F = (3; 5] ⊂ Ω = [0; 5)

6. G :”spatestens im vierten Wurf fallt die erste Sechs“

G = 1, 2, 3, 4 ⊂ Ω1 = 1, 2, 3, . . .7. H :

”Meine Zahlen 1, 2, ..., 6 werden gezogen“

H = 1, 2, . . . , 6 ⊂ Ω

8. I :”Die Augensumme ist 5“

I = (1; 4), (2; 3), (3; 2), (4; 1) ⊂ Ω1, I = 5 ⊂ Ω2

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Ereignisse

Beispiel

Vorgang: Werfen eines roten und eines blauen WurfelsErgebnismenge: Ω = (r ; b) : r , b ∈ 1, 2, . . . 6Ereignis verbal: A :

”Die Augensumme ist 5“

Ereignis als Teilmenge: A = (1; 4), (2; 3), (3; 2), (4; 1) ⊂ Ω,

Sprechweisen:

I Ereignis A tritt ein, wenn ω ∈ A.

I Alle ω ∈ A heißen”gunstige“ Ergebnisse fur A.

I Die leere Menge ∅ heißt das unmogliche Ereignis. Es tritt nieein.

I Die Ergebnismenge Ω heißt das sichere Ereignis. Es trittimmer ein.

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Ereignisse

Operationen mit Ereignissen

I Vereinigung

A ∪ B tritt ein genau dann, wenn A oder B oder beideeintreten

A ∪ B = ω ∈ Ω : ω ∈ A oder ω ∈ B

A1 ∪ A2 ∪ . . . =∞⋃k=1

Ak

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Ereignisse

I Durchschnitt

A ∩ B tritt genau dann ein, wenn sowohl A als auch B eintritt

A ∩ B = ω ∈ Ω : ω ∈ A und ω ∈ B

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Ereignisse

I Differenzmenge

A \B tritt genau dann ein, wenn A eintritt und B nicht eintritt

A \ B = ω ∈ Ω : ω ∈ A und ω /∈ B

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Ereignisse

I Gegenereignis

A tritt genau dann ein, wenn A nicht eintritt

A = ω ∈ Ω : ω 6∈ A

A und B heißen unvereinbar (disjunkt), wenn A ∩ B = ∅

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Ereignisse

Nachster Modellierungsschritt – Ereignissen Wahrscheinlichkeitenzuordnen

Dazu Fallunterscheidung notwendig.

1. Fall: Ω hochstens abzahlbar (Ω diskret)

allen Teilmengen von Ω konnen Wahrscheinlichkeitenzugeordnet werden

A ⊂ Ω 7−→ P(A) ∈ [0; 1]

alle Teilmengen: 2Ω – Potenzmenge(Ω, 2Ω

)– messbarer Raum

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Ereignisse

2. Fall: Ω uberabzahlbar, z. B. Ω = R oder Ω = [a; b]

Die Menge der betrachteten Ereignisse muss eine σ-Algebrabilden.

DefinitionSei Ω 6= ∅. Eine Familie F von Teilmengen von Ω heißt σ-Algebra,wenn

1. Ω ∈ F2. Aus A ∈ F folgt A ∈ F .3. Aus A1,A2, . . . ∈ F folgt A1 ∪ A2 ∪ . . . ∈ F .

(Ω,F),A ∈ F 7−→ P(A) ∈ [0; 1]

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Ereignisse

Beispiel

F = 2Ω ist eine σ-Algebra.

Falls |Ω| = n, dann |2Ω| = 2n

Ω = a, b, c : 2Ω = ∅, a, b, c, a, b, a, c, b, c,Ω

Beispiel

Ω = R

F – kleinste σ-Algebra, die alle Intervalle [a; b], a, b ∈ R enthalt

F – Borelmengen

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Wahrscheinlichkeitsverteilung

DefinitionEs seien Ω eine nichtleere Menge und F eine σ-Algebra vonTeilmengen von Ω. Eine Wahrscheinlichkeitsverteilung P ist eineauf F definierte Funktion mit Werten in [0; 1], welche denfolgenden Bedingungen genugt:

1. P(A) ≥ 0 (Nichtnegativitat)

2. P(Ω) = 1 (Normiertheit)

3. Fur paarweise unvereinbare Ereignisse (Ak) gilt

P(A1 ∪ A2 ∪ . . .) = P(A1) + P(A2) + · · · (σ-Additivitat)

Bemerkung

Bis auf 2. kennen Sie diese Eigenschaften vom Flacheninhalt.17 / 58

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Wahrscheinlichkeitsverteilung

Bemerkung

Fur endliche Ω reduziert sich 3. auf3’. Fur unvereinbare Ereignisse A und B gilt

P(A ∪ B) = P(A) + P(B) (Additivitat)

Beispiel

Ω = 1, 2, . . . , r,F = 2Ω

A ∈ F : P(A) =|A||Ω|

=|A|r

(Laplace-Wahrscheinlichkeit)

Aufgabe

Begrunden Sie, dass tatsachlich eine Wahrscheinlichkeitsverteilungdefiniert wird. 18 / 58

Wahrscheinlichkeitsraum Modellbildung und distanzierte Rationalitat Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Kombinatorik

Wahrscheinlichkeitsverteilung

Beispiel

Ω = R,F = Borelmengen, Dichtefunktion f : f ≥ 0,+∞∫−∞

f (x)dx = 1

P([a; b]) =

b∫a

f (x)dx , a < b.

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Wahrscheinlichkeitsverteilung

P([a; b]) ≥ 0

P(Ω) = 1

P([a; b] ∪ [c ; d ]) = P([a; b]) + P([c; d ]), falls a < b < c < d .

Was fur Intervalle gilt, vererbt sich auf alle A ∈ F . Es gilt auch furabzahlbar viele Mengen.

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Wahrscheinlichkeitsverteilung

SatzIn einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,F ,P) gilt:

1. P(∅) = 0

2. P(A) = 1− P(A)

3. P(A \ B) = P(A)− P(A ∩ B)

4. P(A ∪ B) = P(A) + P(B)− P(A ∩ B)

Beweis.

2. A ∪ A = Ω.

A und A unvereinbar⇒ P(A) + P(A) = P(Ω) = 1.

1. P(∅) = 1− P(∅) = 1− P(Ω) = 1− 1 = 0.

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Wahrscheinlichkeitsverteilung

Beweis.

3. A = (A \ B) ∪ (A ∩ B)

A \ B und A ∩ B unvereinbar⇒ P(A) = P(A \ B) + P(A ∩ B)

⇒ P(A \ B) = P(A)− P(A ∩ B)

4. A ∪ B = (A \ B) ∪ (A ∩ B) ∪ (B \ A),

alle”Summanden“ sind paarweise unvereinbar⇒

P(A ∪ B) = P(A \ B) + P(A ∩ B) + P(B \ A)

= P(A)− P(A ∩ B) + P(A ∩ B) + P(B)− P(B ∩ A)

= P(A) + P(B)− P(A ∩ B).

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Wahrscheinlichkeitsraum Modellbildung und distanzierte Rationalitat Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Kombinatorik

I Das Tripel (Ω,F ,P) heißt Wahrscheinlichkeitsraum.Es ist unser Modell fur den Vorgang mit zufalligem Ergebnis.

I Frage: Kommt zufalligen Ereignissen eine objektive wahreWahrscheinlichkeit zu, etwa so wie ein Tisch eine objektiveLange hat?

I Begriff der wahren Wahrscheinlichkeit scheint mir – auch imUnterricht – nicht zielfuhrend.

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Wahrscheinlichkeitsraum Modellbildung und distanzierte Rationalitat Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Kombinatorik

I Standpunkt der distanzierten Rationalitat:

”Damit ist ein Verhalten gegenuber Sachgegebenheiten

gemeint, das sich nicht von deren etwaigen odervermeintlichen Eigengesetzlichkeiten leiten lasst, sondernihnen mit Entwurfen des Verstandes in der Form vonModellen, Hypothesen, Definitionen, Folgerungen,Alternativen, Analogien, also sozusagen aus der Distanz in derWeise partiellen, vorlaufigen, approximativen Begreifensgegenubertritt“.Quelle: D. W. Muller (1974), zitiert nach Dinges/Rost (1982)

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Wahrscheinlichkeitsraum Modellbildung und distanzierte Rationalitat Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Kombinatorik

I Allgemeine mathematische Kompetenz”K3 Mathematisch

modellieren“

I”den Bereich oder die Situation, die modelliert werden soll, in

mathematische Begriffe, Strukturen und Relationen ubersetzen,I in dem jeweiligen mathematischen Modell arbeiten,I Ergebnisse in dem entsprechenden Bereich oder der

entsprechenden Situation interpretieren und prufen.“

Quelle: vgl. KMK (2003), S. 8

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Wahrscheinlichkeitsraum Modellbildung und distanzierte Rationalitat Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Kombinatorik

(Ω, 2Ω,P) mit Ω = ω1, ω2, . . . , ωk , . . .

P ist durch eine Tabelle (endlich oder abzahlbar unendlich) derfolgenden Art eindeutig bestimmt:

Ergebnis ω1 ω2 . . . ωk . . .

Wahrscheinlichkeit p1 p2 . . . pk . . .

I 0 ≤ pk ≤ 1

I p1 + p2 + · · · =∞∑k=1

pk = 1

I pk = P(ωk)A ⊂ Ω : P(A) =

∑ωk∈A

pk

Wo kommen die pk her?26 / 58

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Beispiele

I In Mitteleuropa P(Junge) ≈ 0, 514

I In Deutschland 2011:

P(mannl. Neugeb. wird mind. 50 Jahre alt) ≈ 0, 957P(40jahriger Mann wird mind. 50 Jahre alt) ≈ 0, 978

I P(Im Lotto wird 1, 2, 3, 4, 5, 6 gezogen) =1

13983816I P(Pferd Brisanto gewinnt) = 0, 80

I Ein gefalschter Wurfel wirft drei Sechsen mitWahrscheinlichkeit 0, 23.

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Gleichverteilung auf einer endlichen Menge

Ω = ω1, ω2, . . . , ωr

P gegeben durch

Ergebnis ω1 ω2 . . . ωr

Wahrscheinlichkeit 1r

1r . . . 1

r

Aufgabe

I Ist das eine zulassige Tabelle?

I Geben Sie eine einfache Formel fur P(A) an!

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Gleichverteilung auf einer endlichen Menge

DefinitionSei Ω = ω1, ω2, . . . , ωr eine endliche Menge und alle Ergebnisseseien gleichwahrscheinlich. Die dadurch gegebeneWahrscheinlichkeitsverteilung

P(A) =|A|r

heißt Laplace-Wahrscheinlichkeit.

Bemerkungen

I Achtung: Die Gleichwahrscheinlichkeit ist eineModellannahme.

I Kurzform dieser Annahme: fairer Wurfel, echte Munze, fairesGlucksrad, . . .

I Wir werden nie wissen, ob unser Wurfel fair ist!29 / 58

Wahrscheinlichkeitsraum Modellbildung und distanzierte Rationalitat Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Kombinatorik

Gleichverteilung auf einer endlichen Menge

Beispiel

Problem der gerechten TeilungAnton und Punktchen spielen ein Spiel, bei dem es keinUnentschieden gibt. Der Sieger erhalt in jeder Runde einen Punkt.Beide haben immer dieselbe Gewinnchance 0,5.Gesamtsieger soll sein, wer zuerst 5 Punkte hat. Die Oma hat demGesamtsieger 8 e versprochen.Beim Stand von 3:2 fur Anton werden sie gestort und konnen dasSpiel nicht fortsetzen.Anton fordert den gesamten Einsatz fur sich ein, da er ja dem Siegdeutlich naher ist.Punktchen verlangt einen Anteil von 40% des Preises, da sie ja40% der Spiele gewonnen hat.

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Wahrscheinlichkeitsraum Modellbildung und distanzierte Rationalitat Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Kombinatorik

Gleichverteilung auf einer endlichen Menge

Aufgabe

Wurden Sie eher der Argumentation von Anton oder eher der vonPunktchen oder keiner von beiden folgen?Wenn Sie keiner folgen, nach welchem Prinzip wurden Sie denEinsatz aufteilen?

Mit diesem Problem beschaftigte man sich bereits im 15.Jahrhundert. Vollstandig gelost wurde es erst im 17. Jahrhundertdurch Blaise Pascal und Pierre Fermat.Viele bezeichnen den Zeitpunkt der Losung des Problems dergerechten Teilung als die Geburtsstunde derWahrscheinlichkeitsrechnung.

Losungsansatz: Aufteilen im Verhaltnis der Chancen auf denGesamtsieg

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Wahrscheinlichkeitsraum Modellbildung und distanzierte Rationalitat Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Kombinatorik

Gleichverteilung auf einer endlichen Menge

Modell fur das Problem der gerechten Teilung:

I Es steht 3:2 fur Anton. 5 Siegpunkte sind notig ⇒Nach spatestens 4 Spielen steht der Gesamtsieger fest.

I Wie konnen die nachsten 4 Spiele ausgehen?

I Ergebnismenge Ω =

AAAA AAAP AAPA AAPP

APAA APAP APPA APPP

PAAA PAAP PAPA PAPP

PPAA PPAP PPPA PPPP

I Ereignis Pg : Punktchen Gesamtsieger

Pg = APPP,PAPP,PPAP,PPPA,PPPP32 / 58

Wahrscheinlichkeitsraum Modellbildung und distanzierte Rationalitat Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Kombinatorik

Gleichverteilung auf einer endlichen Menge

I Ergebnismenge Ω =

AAAA AAAP AAPA AAPP

APAA APAP APPA APPP

PAAA PAAP PAPA PAPP

PPAA PPAP PPPA PPPP

I Ereignis Pg : Punktchen Gesamtsieger

Pg = APPP,PAPP,PPAP,PPPA,PPPPI Wahrscheinlichkeiten? Gleichverteilung auf Ω, d.h. jedes

Ergebnis bekommt die Wahrscheinlichkeit 116 . Warum?

I P(Pg ) = 516 . Punktchen bekommt 2,50 e, Anton 5,50 e.

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Wahrscheinlichkeit und relative Haufigkeit

viele unabhangige Wiederholungen eines Vorgangs unter dengleichen Bedingungen (Versuche)

Empirisches Gesetz der großen Zahlen

Die Erfahrung zeigt: Nach einer großen Zahl von Versuchen andertsich die relative Haufigkeit hn(A) eines Ereignisses A durch weitereVersuche in der Regel nur noch wenig....Die relative Haufigkeit hn(A) nach einer großen Zahl vonBeobachtungen dient als Schatzwert fur die WahrscheinlichkeitP(A) eines Ereignisses A in einem Modell.

I viele reale Erscheinungen zeigen statistische RegelmaßigkeitI Erfahrungstatsache – nicht beweisbarI Modellebene:

”Bernoullisches Gesetz der großen Zahlen“

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Wahrscheinlichkeitsraum Modellbildung und distanzierte Rationalitat Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Kombinatorik

Wahrscheinlichkeit und relative Haufigkeit

800”fortlaufende“ Ge-

burten im KrankenhausBerlin Kaulsdorf 1990

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Wahrscheinlichkeit und relative Haufigkeit

A. N. Kolmogorow (1933) in §2 Das Verhaltnis zur Erfahrungswelt:

Den Ereignissen A werden Wahrscheinlichkeiten P(A) zugeordnetmit folgenden Eigenschaften:

I. Man kann praktisch sicher sein, dass bei einer großen Anzahlvon Wiederholungen des Vorgangs die relative Haufigkeit vonA sich nur wenig von P(A) unterscheiden wird.

II. Wenn P(A) sehr klein ist, dann kann man praktisch sichersein, dass A bei einmaliger Beobachtung des Vorgangs nichteintreten wird.

Was heißt”praktisch sicher“ und

”nur wenig“????

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Wahrscheinlichkeit und relative Haufigkeit

Ω = ω1, ω2, . . . , ωr

n unabhangige Beobachtungen des Vorgangs unter den gleichenBedingungen

P gegeben durch

Ergebnis ω1 ω2 . . . ωr

Wahrscheinlichkeit hn(ω1) hn(ω2) . . . hn(ωr )

Aufgabe

I Ist das eine zulassige Tabelle?

I Geben Sie eine Formel fur P(A) an!

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Wahrscheinlichkeit und relative Haufigkeit

BeispielErgebnis A+ A- B+ B- AB+ AB- 0+ 0-

Wkeit 0,37 0,06 0,09 0,02 0,04 0,01 0,35 0,06

Quelle: www.blutspendedienst.come 38 / 58

Wahrscheinlichkeitsraum Modellbildung und distanzierte Rationalitat Diskrete Wahrscheinlichkeitsraume Kombinatorik

Wahrscheinlichkeit und relative Haufigkeit

Aufgabe

Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeit, mit der eine zufallig aus derBevolkerung ausgewahlte Person fur Sie Blut spenden konnte.

Quelle: www.blutspende-nordost.de

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