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Universität der Bundeswehr München Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik Institut für Thermodynamik Modellierung und numerische Simulation der zweiphasigen Strömungs- und Verbrennungsvorgänge in einem Staustrahltriebwerk mit Bor als Festtreibstoff Dipl.-Ing. Björn Hußmann Vollständiger Abdruck der bei der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik der Universität der Bundeswehr München zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) eingereichten Dissertation Vorsitzende: Prof. Dr.-Ing. Barbara Deml 1. Berichterstatter: Prof. Dr. rer. nat. Michael Pfitzner 2. Berichterstatter: Prof. Wolfgang Polifke, Ph. D. Diese Dissertation wurde am 19.06.2008 bei der Universität der Bundeswehr München, 85577 Neubiberg eingereicht und durch die Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik am 25.06.2008 angenommen. Tag der Prüfung: 14.10.2008

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Universität der Bundeswehr München Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik

Institut für Thermodynamik

Modellierung und numerische Simulation der zweiphasigen Strömungs- und Verbrennungsvorgänge

in einem Staustrahltriebwerk mit Bor als Festtreibstoff

Dipl.-Ing. Björn Hußmann

Vollständiger Abdruck der bei der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik

der Universität der Bundeswehr München zur Erlangung des akademischen Grades eines

Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.)

eingereichten Dissertation

Vorsitzende: Prof. Dr.-Ing. Barbara Deml 1. Berichterstatter: Prof. Dr. rer. nat. Michael Pfitzner 2. Berichterstatter: Prof. Wolfgang Polifke, Ph. D. Diese Dissertation wurde am 19.06.2008 bei der Universität der Bundeswehr München, 85577 Neubiberg eingereicht und durch die Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik am 25.06.2008 angenommen. Tag der Prüfung: 14.10.2008

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III

Vorwort

Die vorliegende Arbeit entstand am Institut fur Thermodynamik der Fakultat fur Luft- undRaumfahrttechnik der Universitat der Bundeswehr Munchen. Herrn Prof. Dr. rer. nat. MichaelPfitzner danke ich fur die Moglichkeit, die Arbeit an seinem Institut durchfuhren zu konnen, furdie interessanten Diskussionen und Vorschlage zum Thema sowie fur die Freiheit in der Bearbei-tung der mir gestellten wissenschaftlichen Aufgaben und das mir entgegengebrachte Vertrauen.

Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Wolfgang Polifke, Ph. D., fur die Ubernahme des Koreferatsund die grundliche Prufung der Dissertation sowie Frau Prof. Dr.-Ing. Barbara Deml fur dieUbernahme des Prufungsvorsitzes.

Fur die Hilfe Herrn Jean Meyers, der mich im Rahmen seiner Studien- und Diplomarbeit aufdem Gebiet partikelbeladener Uberschallstromungen unterstutzt und wichtige Beitrage gelieferthat, mochte ich mich herzlich bedanken.

Herrn PD Dr.-Ing. habil. Thomas Frank und Herrn Dr.-Ing. Thomas Esch von der FirmaAnsys Germany danke ich fur die gute Zusammenarbeit bei der Implementierung und Vali-dierung des Kollisionsmodells, Herrn Prof. Dr.-Ing. Bernd Rogg fur die Kooperation bei derBerechnung heterogener Oberflachenreaktionen mit Cosilab.

Nicht zuletzt sei auch Herrn Prof. Dr.-Ing. Christian Mundt und all meinen Kollegen amInstitut fur Thermodynamik fur die zahlreichen Diskussionen und Hinweise gedankt; das positiveKlima hat sehr zum Gelingen der Arbeit beigetragen.

Meiner Familie und meinen Freunden gebuhrt fur den stets vorhandenen Ruckhalt und diemoralische Unterstutzung großter Dank.

Die Arbeit entstand im Rahmen eines Kooperationsprojekts unter Forderung durch die Fir-ma Bayern-Chemie Protac, fur die ich mich an dieser Stelle ebenfalls bedanken mochte. Besonde-rer Dank gilt Herrn Goran Klose fur die Betreuung des Projekts und die zahlreichen fruchtbarenDiskussionen.

Munchen, im Oktober 2008

Bjorn Hußmann

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INHALTSVERZEICHNIS V

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis V

Formelzeichen VIII

1 Einleitung 1

2 Grundlagen 52.1 Erhaltungsgleichungen fur die Gasphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.2 Gasdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.3 Turbulenzmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.4 Modelle fur die Partikelphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.4.1 Euler-Euler-Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.4.2 Euler-Lagrange-Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

2.5 Verbrennungsvorgange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3 Stochastisches Partikel-Partikel-Kollisionsmodell 213.1 Algorithmus des stochastischen Partikel-Kollisionsmodells . . . . . . . . . . . . . 21

3.1.1 Aufruf der Unterroutine durch den Loser . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.1.2 Berechnung der Momentangeschwindigkeit des fiktiven Kollisionspartners 243.1.3 Stoßfrequenz und Stoßwahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263.1.4 Position des virtuellen Stoßpartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273.1.5 Deterministische Berechnung eines binaren Stoßes . . . . . . . . . . . . . 293.1.6 Schleife, bis die Berechnung der aktuellen Trajektorie beendet ist . . . . . 313.1.7 Mittelungsprozedur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

3.2 Validierungsfall I: Konvergenter Kanal nach Fohanno & Oesterle . . . . . . . . . 313.2.1 In der Simulation verwendete Teilmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333.2.2 Wahl des Zeitschritts und Netzverfeinerungsstudie . . . . . . . . . . . . . 353.2.3 Vergleich experimenteller und simulierter Ergebnisse, Diskussion . . . . . 373.2.4 Fazit der Validierungsrechnungen am Fall I . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

3.3 Validierungsfall II: Vertikale Rohrstromung nach Tsuji, Morikawa und Shiomi . . 463.3.1 In der Simulation verwendete Modelle und Randbedingungen . . . . . . . 493.3.2 Gegenuberstellung der Ergebnisse der Simulation mit den experimentellen

Daten, Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503.4 Validierungsfall III: Drallbehaftete Rohrstromung nach Zhou, Li, Chen und Xu . 53

3.4.1 Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533.4.2 Gegenuberstellung der Ergebnisse der Simulation mit den experimentellen

Daten, Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573.5 Energieerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643.6 Zusammenfassung zum Kollisionsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

4 Hochbeladene, transsonische Gas-Feststoff-Stromungen 694.1 Modellbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704.2 Ergebnisse von Beispielrechnungen anhand einer Lavalduse . . . . . . . . . . . . 76

5 Literaturrecherche zur Borverbrennung 835.1 Literatur ab 1969, ohne Gruppenzuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 835.2 Forschungsgruppe um A. Macek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 845.3 Forschungsgruppe um G.M. Faeth und S.R. Turns . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

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VI INHALTSVERZEICHNIS

5.4 Forschungsgruppe um M.K. King . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865.5 Forschungsgruppe um F.A. Williams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 875.6 Forschungsgruppe um D.E. Rosner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895.7 Forschungsgruppe um A. Gany . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895.8 Forschungsgruppe um S. Yuasa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 905.9 Forschungsgruppe um E.L. Dreizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 905.10 Forschungsgruppe um H. Krier und R.L. Burton . . . . . . . . . . . . . . . . . . 915.11 Arbeiten von D. Meinkohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 925.12 Forschungsgruppe um K.K. Kuo, Pennsylvania State University (PSU) . . . . . . 935.13 Forschungsgruppen um R.A. Yetter, F.L. Dryer, H. Rabitz, R.C. Brown und

C.E. Kolb (Princeton University/Aerodyne Research Inc.) . . . . . . . . . . . . . 965.14 Literatur nach dem Jahr 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

6 Borverbrennungsmodell der Princeton/Aerodyne-Gruppe 1016.1 Implementierte Reaktionsmechanismen fur die Bor-Gasphasenverbrennung . . . . 1036.2 Weitere Gasphasenreaktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1156.3 PA-Modell zur heterogenen Oberflachen-Borchemie . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

7 PSU-Verbrennungsmodell fur Bor-Einzelpartikel 1287.1 Beschreibung des Partikelabbrandmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

7.1.1 Aufheizphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1287.1.2 Erste Stufe der Verbrennung, Chemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1307.1.3 Erste Stufe der Verbrennung, Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1357.1.4 Zweite Stufe der Verbrennung, Chemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1377.1.5 Zweite Stufe der Verbrennung, Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1417.1.6 Numerisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

7.2 Kritikpunkte am Originalmodell der PSU-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1467.2.1 Schwachstellen und Unstimmigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1467.2.2 Gegenuberstellung von publizierten Profilen und Ergebnissen der Origi-

nalgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

8 Erweitertes Bor-Verbrennungsmodell 1528.1 Erste Stufe der Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1528.2 Neue Modellierung der physikalischen Effekte in der Umgebung von Einzelparti-

keln wahrend der zweiten Stufe der Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1538.3 Berucksichtigung der Verdunstung des Bors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1648.4 Konvektionseinfluss auf den Borabbrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1688.5 Chemische Reaktionsgeschwindigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

8.5.1 Reaktionsgeschwindigkeit der globalen Reaktion GR6 und deren Konzen-trationsabhangigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

8.5.2 Reaktionsgeschwindigkeit der globalen Reaktion GR7 . . . . . . . . . . . 1758.5.3 Limitierung der Geschwindigkeiten der Reaktionen GR7 und GR8 bei ver-

schwindendem Sauerstoffmolanteil an der Partikeloberflache . . . . . . . . 1778.6 Fur den Borpartikelabbrand zu losende Differentialgleichungen . . . . . . . . . . 181

8.6.1 Bilanzen fur die erste Stufe der Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . 1818.6.2 Bilanzen fur die zweite Stufe der Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . 183

8.7 Implementierung in MATLAB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1858.8 Validierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1908.9 Instationares Vergleichsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

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INHALTSVERZEICHNIS VII

8.9.1 Erhaltungsgleichungen in der Gasphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2018.9.2 Differentialgleichungen fur das Partikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2058.9.3 Algorithmus der gekoppelten Losung der instationaren Gleichungen . . . 2068.9.4 Vergleich zwischen quasistationarem und instationarem Modell . . . . . . 206

8.10 Implementierung in die CFD-Software ANSYS CFX . . . . . . . . . . . . . . . . 2128.10.1 Einschrankungen des Verbrennungsmodells in der CFD-Simulation . . . . 2138.10.2 Programmablauf und Kopplung mit globaler Gasphasenchemie . . . . . . 2168.10.3 Ergebnisse der Stromungssimulation mit mehrphasiger Verbrennung in

zwei- und dreidimensionalen Brennkammergeometrien . . . . . . . . . . . 2228.11 Chemie-Turbulenz-Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

8.11.1 Stand der Forschung 2007 zu reaktiven Mehrphasenstromungen . . . . . . 2288.11.2 Diskussion der Modellansatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2328.11.3 Einfluss der Stokes-Zahl und des turbulenten Zeitmaßes auf den Partikel-

abbrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

9 Zusammenfassung 239

A Kollisionsmodell – bereitzustellende Variablen 242

B Kollisionsmodell – Alternativer Zeitschritt 243

C Herleitung der Formeln fur einen binaren Stoß 245

D Stoffeigenschaften 248D.1 Thermophysikalische Stoffeigenschaften von Bor und Boroxid . . . . . . . . . . . 248D.2 Warmekapazitaten und Reaktionsenthalpien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248D.3 Diffusionskoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250D.4 Viskositat und Warmeleitfahigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251D.5 Dichte des Bors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254D.6 Literatur zu Stoffdaten und Reaktionskinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

E Herleitung der Differentialgleichungen fur Borpartikel 260E.1 Allgemeine Form der Enthalpiebilanz fur ein offenes Mehrkomponentensystem . . 260E.2 Allgemeine Form der Massenbilanz fur ein reagierendes Borpartikel . . . . . . . . 264

Literaturverzeichnis 265

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VIII FORMELZEICHEN

Formelzeichen

Dimensionslose Kennzahlen

Kennzahl Name

Bi Biot-ZahlDa Damkohler-ZahlKnP Partikel-KnudsenzahlMa, Marel Machzahl, Relativ-MachzahlMa Marangoni-ZahlNu NußeltzahlPr, Prt Prandtlzahl, turbulente PrandtlzahlRe, Ret Reynoldszahl, turbulente ReynoldszahlReP Partikel-ReynoldszahlSc, Sct Schmidtzahl, turbulente SchmidtzahlSh Sherwood-ZahlStt turbulente Stokeszahl

Mathematische Symbole, Indices und Abkurzungen

Zeichen Bedeutung

~a Vektorgroße

a, A Vektor- oder Tensorgroße

a lokaler zeitlicher Mittelwert der Große a

a lokaler Favre-Mittelwert der Große a6 ~a,~b Winkel zwischen den Vektoren ~a und ~b

~a×~b Kreuzprodukt der Vektoren ~a und ~b

∇ · ~a Divergenz des Vektorfelds ~a⟨~a,~b

⟩Skalarprodukt der Vektoren ~a und ~b

E Einheitstensor′ (Hochkomma) Schwankungsgroße oder Große nach erfolgtem Stoß′′ (Hochkommata) Favre-Schwankungsgroße oder flachenbezogene Große

⊥, ‖ senkrecht bzw. parallel zur Wand

δij Kronecker-SymbolDDt totales Differential

ax in axialer Richtungabs absolut, BetragCARS Coherent anti-Stokes-Raman SpektroskopieCFD Computational Fluid Dynamics

Fortsetzung auf der nachsten Seite

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FORMELZEICHEN IX

Mathematische Symbole, Indices und Abkurzungen (Fortsetzung)

Zeichen Bedeutung

DLR Deutsches Zentrum fur Luft- und RaumfahrtDNS direkte numerische Simulationeff effektivESEM Environmental scanning Elektronenmikroskopf, F Fluidg, G, Gas Gasphasei raumliche Koordinatenrichtungen 1, 2, 3; x, y, z oder n, t, k

bzw. Spezies iin am Eintritt in das Rechengebietj Partikel 1 oder 2 bzw. Reaktion j

L LuftLDA, LDV Laser Doppler Anemometry/VelocimetryLES Large Eddy Simulationntk in lokalen KoordinatenP PartikelPA-Modell Modell der Princeton Aerodyne GruppePDA Phasen-Doppler AnemometriePDF Probability density functionPIV Particle Image VelocimetryPSU-Modell Modell der Pennsylvania State University GruppePSV Particle Streak Velocimetryquer Querschnittref in der Referenzebene, Referenzgroßerel relativRANS Reynolds-averaged Navier-StokesRMS root mean square, quadratischer Mittelwerts an der OberflacheSST Shear Stress Transportstat statisch, stationartan in tangentialer Richtungtot totalW Wandxyz in globalen Koordinaten∞ in großer Entfernung zum Partikel

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X FORMELZEICHEN

Lateinische Buchstaben

Zeichen Bedeutung Einheit

a Temperaturleitfahigkeit m2

s

ag Schallgeschwindigkeit des Gases ms

ai Koeffizient in Differentialgleichung m

A Flache, Oberflache m2

Af Frequenzfaktor versch.

BT , BM Spalding-Transferzahlen bzgl. Warme- und Stofftransport –

c Koeffizientenfunktion in partieller Differentialgleichung –

ci Konzentration der Spezies i molm3

cM , cS , cVM Beiwerte der Magnus-, Saffman- bzw. virtuellen Massenkraft –

cP spezifische Warmekapazitat bei konstantem Druck Jkg K

cT Konstante in charakteristischer Wirbellebensdauer –

cv spezifische Warmekapazitat bei konstantem Volumen Jkg K

cW Widerstandsbeiwert –

~c, ~C Momentan- bzw. Schwankungsgeschw. der Molekule ms

C mittlere Molekul-Schwankungsgeschwindigkeit ms

C wahrscheinlichste Molekul-Schwankungsgeschwindigkeit ms

CM Verhaltnis des kritischen Widerstandsbeiwerts bei endlicherMachzahl zu demjenigen bei verschwindender Machzahl

Cµ, Cε1, Cε2 Konstanten aus k-ε-Turbulenzmodell –

dh hydraulischer Durchmesser m

dP , dPj Durchmesser eines Partikels bzw. des Partikels j m

D Rohrdurchmesser m

Dii Selbstdiffusionskoeffizient m2

s

Di,j , DAB binarer Diffusionskoeffizient m2

s

Di,m binarer Diffusionskoeffizient der Spezies i in der Mischung m2

s

Di,k Mehrkomponenten-Diffusionskoeffizient m2

s

Dz Drallzahl –

e Stoßzahl (Restitutionskoeffizient) –

EA Aktivierungsenergie calmol

f Schmelzfortschritt –

f Koeffizientenfunktion in partieller Differentialgleichung –

fc Stoßfrequenz 1s

Fortsetzung auf der nachsten Seite

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FORMELZEICHEN XI

Lateinische Buchstaben (Fortsetzung)

Zeichen Bedeutung Einheit

fGR6 Verhaltnis des O2-Molanteils an der Oberflache zum O2-Molanteil in großer Entfernung

~fk Korperkraft pro Masseneinheit ms2

fKn Cunningham-Faktor –

flim,O2Limitierungsfunktion fur GR7 und GR8 –

ftrans, frot, fvib Koeffizienten bei Berechnung der Warmeleitfahigkeit –

fUR Unterrelaxationsfaktor –

F externe Kraft N

FW , FP , FVM Widerstands-, Druck- bzw. virtuelle Massenkraft N

FB, FM , FS Basset-, Magnus-, bzw. Saffman-Kraft N

FG, FA Gewichts- bzw. Auftriebskraft N

FT , FM Korrekturfaktoren im Filmmodell –

g Gravitationsbeschleunigung ms2

G Gibbs’sche freie Enthalpie J

GF Massenstromdichte kgm2s

GM , HM Hilfsfunktionen, Korrelation nach Loth und Woo –

h, htot spezifische (totale) Enthalpie Jkg

h′′, h′ spezifische Enthalpie des Dampfes bzw. der Flussigkeit Jkg

hc konvektiver Warmeubergangskoeffizient Wm2K

∆h298f,i Standard-Bildungsenthalpie der Spezies i bei 298 K J

mol

∆Hm Schmelzenthalpie Jkg

∆H298R Standard-Reaktionsenthalpie bei 298 K J

mol

∆hv Verdampfungsenthalpie Jmol

H Enthalpie J

H Enthalpiestrom Js

H/R normierte Enthalpie im NASA-Format K

I Einheitstensor –

IP Tragheitsmoment eines Partikels kg m2

~J beim Stoß ubertragener Impuls kg ms

k spezifische turbulente kinetische Energie m2

s2

kads Adsorptionsgeschwindigkeitskonstante versch.

kf , kb, ki Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten versch.

kB Boltzmann-Konstante JK

Fortsetzung auf der nachsten Seite

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XII FORMELZEICHEN

Lateinische Buchstaben (Fortsetzung)

Zeichen Bedeutung Einheit

K Anzahl der Spezies –

KGGW Gleichgewichtskonstante versch.

K(t− τ, τ) Integralkern fur Bassset-Kraft –

K Flachenporositatstensor –

l, L charakteristische Lange m

l1 Richtungskosinus zwischen der ~n′- und der ~x-Achse –

le charakteristisches Wirbellangenmaß m

m Massenbeladung –

m Massenstrom kgs

m′′vap verdunstende Massenstromdichte kgm2 s

m1, m2, mP Masse von Partikel 1 bzw. 2, Partikelmasse kg

Mi Molmasse der Spezies i kgmol

n Zahler der Lagrange-Iterationen –

n molare Dichte der Oxidschicht molm3

n Temperaturexponent in Reaktionsgeschwindigkeitskonst. –

n, nP Anzahldichte, Partikelanzahldichte 1m3

nf , nb Ordnung der Hin- bzw. Ruckreaktion –

ni Molenstrom der Spezies i mols

n′′i Molenstromdichte der Spezies i molm2 s

nP Partikelanzahlrate 1s

N , NP absolute Partikelanzahl –

NA Avogadro-Konstante mol−1(~n,~t,~k

),(~n′,~t′,~k′

)lokale Koordinatensysteme, Basisvektoren m

O1, O2 Mittelpunkte von Partikel 1 bzw. 2 –

p Randbedingungsfunktion in partieller Differentialgleichung –

P Druck Pa

Pc Stoßwahrscheinlichkeit –

Pk Produktionsterm in k-Gleichung kgms3

Psat Sattigungsdampfdruck Pa

q Randbedingungsfunktion in partieller Differentialgleichung –~q Warmestromdichtenvektor W

m2

Q Warmestrom W

QL Warmestrom ins Tropfeninnere W

Fortsetzung auf der nachsten Seite

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FORMELZEICHEN XIII

Lateinische Buchstaben (Fortsetzung)

Zeichen Bedeutung Einheit

r Radius m

r, θ, φ Kugelkoordinaten m, –, –

R Radius oder Gaskonstante m, Jkg K

Rj Geschwindigkeit der Reaktion j molm2 s

Rkin, Rdiff kinetischer bzw. diffusiver Widerstand m2skg

Ru universelle Gaskonstante Jmol K

R (Stt) Korrelationsfunktion –

s molekulares Geschwindigkeitsverhaltnis –

s Koeffizientenfunktion in partieller Differentialgleichung –

s′′, s′ spezifische Entropie des Dampfes bzw. der Flussigkeit Jkg K

s0 Haftwahrscheinlichkeit bei Adsorption –

S/R normierte Entropie im NASA-Format –

Sm Massenquellterm kgm3s

SM , SP,I , SP,R Impulsquellterme kgm2s2

SE Energiequellterm kgms3

t Zeit s

∆t Lagrange-Zeitschritt s

T Temperatur K

T Drehmomentvektor Nm

Ts Schmelztemperatur K

TZnd Zundtemperatur K

u, uc Geschwindigkeit bzw. Geschwindigkeit auf der Rohrachse ms

urel Relativgeschwindigkeitsvektor zwischen Gas und Partikel ms

U = (u, v, w)T Geschwindigkeitsvektor ms

(ur, uθ, uφ)T Geschwindigkeitsvektor in Kugelkoordinaten ms

U Umfang m

U innere Energie J

v′′, v′ molares Volumen des Dampfes bzw. der Flussigkeit m3

mol

vEnd stationare Endgeschwindigkeit ms

vf , vGas, vP Fluid-, Gas- bzw. Partikelgeschwindigkeit ms

v′i, v′x, v′z Geschwindigkeitsfluktuationen in Quer- und in axialer Rich-

tung

ms

~vj , vj,i Momentangeschwindigkeit des Partikels j und deren i-teKomponente

ms

Fortsetzung auf der nachsten Seite

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XIV FORMELZEICHEN

Lateinische Buchstaben (Fortsetzung)

Zeichen Bedeutung Einheit

v′j,i i-te Komponente der Schwankungsgeschwindigkeit des Par-tikels j

ms

vrel Relativgeschwindigkeit zwischen Gas und Partikel ms

−−−→vP,rel Relativgeschwindigkeit der Partikelmittelpunkte ms

~vR Relativgeschwindigkeit im Kontaktpunkt M ms

~v∗1, ~v∗2 Geschwindigkeit des Partikels 1 bzw. 2 im Kontaktpunkt M ms

V Volumen m3

Vi,r, Vi,θ, Vi,φ Diffusionsgeschwindigkeit relativ zum Schwerpunkt ms

x Ortsvektor m

x, y, z globale kartesische Koordinaten m

~x, ~y, ~z Basisvektoren der globalen Koordinaten m

xP Oxidschichtdicke m

xPj , yPj , zPj Position des Partikels j in globalen Koordinaten m

x′P2, y′P2, z

′P2 Position des Partikels 2 im (O1, ~n

′,~t′,~k′)-System m

xP2, yP2, zP2 Position des Partikels 2, rotiert m

Xi Molanteil der Spezies i –

Yi Massenanteil der Spezies i –

YO2,lim Grenzwert d. O2-Massenanteils fur Limitierungsfunktion –

Z allgemeine Spezies, Zustandsfunktion oder Element-Massen-bruch

–, –, –

[Z] Konzentration der Spezies Z molm3

Zrot Rotationsrelaxations-Kollisionszahl –

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FORMELZEICHEN XV

Griechische Buchstaben

Zeichen Bedeutung Einheit

α Volumenporositat –

αi Volumenanteil der Phase i –

αi thermischer Diffusionskoeffizient der Spezies i kgm s

αj Verdampfungskoeffizient bzw. Reaktionswahrscheinlichkeitder Reaktion j

Γ gleichverteilte Zufallszahl –

Γi Diffusivitat der Spezies i kgm s

δ∗i reduziertes Dipolmoment C2

J m

δT , δM Filmdicken m

ε turbulente Dissipationsrate m2

s3

ε Emissivitat einer Oberflache –

ε Reaktionswahrscheinlichkeit –

εi Drittkorperstoßeffizienz oder Massenstromverhaltnis –

ε/kB Potentialtiefe K

ζ normalverteilte Zufallszahl –

η dynamische Viskositat oder Kolmogorov-Langenmaß kgm s , m

ηt turbulente Viskositat kgm s

θj Bedeckungsfaktor –

κ Isentropenexponent –

λ Warmeleitfahigkeit oder Luftzahl Wm K , –

µi elektrisches Dipolmoment Debye

µi chemisches Potential Jmol

µf,s Haftreibungsbeiwert –

µf,k Gleitreibungsbeiwert –

µW Verlustkoeffizient parallel zur Wand –

ν kinematische Viskositat m2

s

νi,j stochiometrischer Koeffizient der Spezies i in Reaktion j –

νj Hertz-Knudsen-Faktor in Reaktion j molm2 Pa s

νst stochiometrischer Koeffizient, auf Masse bezogen –

ν (Ma) Prandtl-Meyer-Funktion –

ξ normalverteilte Zufallszahl oder Mischungsbruch –, –

ρ Dichte kgm3

σ Stefan-Boltzmann-Konstante Wm2 K4

Fortsetzung auf der nachsten Seite

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XVI FORMELZEICHEN

Griechische Buchstaben (Fortsetzung)

Zeichen Bedeutung Einheit

σAB Lennard-Jones Kollisionsdurchmesser m

σdP Standardabweichung der Partikelgroßenverteilung m

σk, σε Konstanten aus k-ε-Turbulenzmodell –

σP,i i-te Komponente des lokal gemittelten Schwankungsanteilsder Geschwindigkeit

ms

σω,i i-te Komponente des lokal gemittelten Schwankungsanteilsder Rotationsgeschwindigkeit

1s

τ Spannungstensor oder Zeit kgms2 , s

τc Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Stoßen eines Parti-kels

s

τe charakteristische Wirbellebensdauer s

τint integrales Zeitmaß s

τR aerodynamische Partikelrelaxationszeit s

ϕ Winkelkoordinate oder allgemeine Variable rad, –

φ allgemeine Variable oder Aquivalenzverhaltnis –, –

Φ viskose Reibungsarbeit Wm3

Φi,j Koeffizienten bei Berechnung der Warmeleitfahigkeit –

χ normalverteilte Zufallszahl –

ψ gleichverteilte Zufallszahl –

Ψ Spharizitat –

ωrel Rotationsgeschwindigkeit des Partikels relativ zum Fluid 1s

~ωj , ωj,i Rotationsgeschwindigkeit des Partikels j und deren i-teKomponente

1s

ω spezifische Dissipationsrate, turbulente Frequenz 1s

ω reaktiver Umsatz kgm3s

ΩF = ∇× ~uF Rotation des Fluidgeschwindigkeitsfeldes 1s

ΩD Kollisionsintegral nach Neufield –

Ω(1,1)∗, Ω(2,2)∗ Kollisionsintegrale –

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1

1 Einleitung

Ziel der Entwicklung von Flugkorperantrieben ist ein Motor, der bei festgelegtem zur Verfugungstehenden Bauraum und moglichst geringem Gewicht maximalen Schub erzeugt. Als Kenngroßedient hierzu der spezifische Impuls, der die Anderung des Impulses pro Masseneinheit des Treib-stoffs ausdruckt. Meist ist eine zweite Anforderung eine hohe Reichweite des Systems, ohne dieNutzlast zu verringern.

Luftatmende Staustrahltriebwerke haben gegenuber herkommlichen Raketenantrieben einendeutlichen Vorteil, da sie den großten Teil des zur Verbrennung notwendigen Oxidationsmittelsnicht mit sich fuhren mussen und somit in großem Maße Volumen und Gewicht einsparen. Diesermoglicht eine schlankere Ausfuhrung des Flugkorpers und in der Folge hohere Geschwindigkeitund Wendigkeit oder alternativ die Erhohung des Einsatzradius durch Mitnahme einer großerenTreibstoffmenge.

Besonders geeignet fur diesen Anwendungstyp sind feste Brennstoffe, da sie in der Regel keinaufwendiges System zur Brennstoffbereitstellung erfordern und ihre Handhabung im Vergleichzu flussigen Treibstoffen einfach ist. Die lange Lagerfahigkeit dieser Brennstoffe ist entscheidendfur ihre Verwendung in Flugkorpern, die i.a. schon Jahre vor ihrem Einsatz hergestellt werdenund jederzeit kurzfristig einsatzbereit sein mussen.

Einen besonderen Stellenwert in der Reihe der moglichen Brennstoffe nimmt Bor ein, da esbei seiner Verbrennung bezogen auf sein Volumen und seine Masse mit die hochste Energiefrei-setzung, den Heizwert, aller Elemente bietet. Verglichen mit Kohlenwasserstoffen zeichnet Borvolumenbezogen ein dreifach so hoher Heizwert aus, siehe Abbildung 1. Das Diagramm zeigtauch, dass Beryllium auf die Masse bezogen sogar noch hohere Energiefreisetzung verspricht; eswird aber aufgrund seiner extremen Giftigkeit und der Gefahr im Umgang mit diesem Stoff nichteingesetzt. Bei Bor handelt es sich um einen Halbleiter, der deutlich metallische Eigenschaften

Abbildung 1: Volumen- und massenbezogener Heizwert einiger Elemente und von Kohlenwasserstoffen,die fur diese Anwendung geeignet sind; Diagramm aus [1].

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2 1 EINLEITUNG

Abbildung 2: Aufbau des Flugkorpers Meteor als Prinzipskizze, in Anlehnung an [2].

besitzt. Metalladditive sind in der Raketentechnik seit langem im Einsatz, in Feststoffraketenvor allem Aluminium. Die als Zusatz zu einer Matrix aus polymeren Kohlenwasserstoffen, Binde-mittel und eingebettetem Oxidationsmittel verwendeten Metallpartikel erhohen zum einen denspezifischen Impuls und zum anderen die Verbrennungsstabilitat. Die hohe Warmekapazitat derPartikel dampft die Temperaturschwankungen und fuhrt zu einem gleichmaßigeren Abbrand.

Ungunstigerweise sind die Zund- und Verbrennungseigenschaften von Bortreibsatzen sehrkomplex. Eine vollstandige Oxidation wird u.a. durch das Vorhandensein einer bei erhohtenTemperaturen flussigen Oxidschicht auf den Borpartikeloberflachen erschwert, indem hierdurchder molekulare Transport stark verlangsamt und somit der Abbrand erschwert wird. Bor zeigtdaher bei der Verbrennung ein zweistufiges Verhalten. Die erste Stufe umfasst das Aufheizenund den anschließenden Abbau der Oxidschicht, der bei Einzelpartikeln unter schwachem Glim-men verlauft und sich als Zundverzug außert. Sobald die hemmende Oxidschicht beseitigt ist,brennt das Borpartikel an Luft vehement und deutlich schneller, da der Sauerstoff die Oberflachenun ungehindert erreichen kann. Aufgrund der hohen Verdampfungstemperatur des Bors vonuber 3900 K bei 1 bar wird der Abbau des Materials durch heterogene Oberflachenreaktionenbestimmt und weniger durch Gasphasenreaktionen wie bei der Verbrennung von Kohlenwasser-stoffen ublich.

Der Einsatz von Bor in Staustrahltriebwerken ist der Firma Bayern-Chemie Protac trotzdieser erschwerenden Umstande gelungen, und die Erfahrungen mit erfolgreichen Testflugkor-pern seit den 1970er Jahren fließen derzeit in die Entwicklung und den Bau des Motors furden taktischen Luft-Luft-Flugkorper mittlerer Reichweite Meteor, engl. beyond visual rangeair-to-air missile (BVRAAM). Als zusatzliche Neuerung besitzt dieser Antrieb das Vermogen,den Durchsatz des festen Treibsatzes zu regeln, was eine deutlich erhohte Manovrierbarkeit undden Einsatz in niedrigen wie sehr großen Hohen ermoglicht.

Abbildung 2 zeigt eine Prinzipskizze des Meteor-Antriebskonzeptes. Nach der Beschleu-nigung des Flugkorpers auf etwa zweifache Schallgeschwindigkeit durch einen herkommlichen,sogenannten Booster-Treibsatz, der Oxidationsmittel fur die vollstandige Verbrennung enthalt,wird auf den Staustrahlantrieb umgeschaltet. Hierzu werden die Lufteinlasse und Port-Abdek-

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3

kungen geoffnet, die der in den Zulaufen durch gasdynamische Stoße verdichteten Luft dasEinstromen in die Staubrennkammer ermoglichen.

Der fur diese Phase verwendete Treibsatz besteht aus einem Agglomerat, in dem das Borin einer Kunststoffmatrix eingebettet ist. Eine Pyrolyse unter stochiometrisch fetten Verbren-nungsbedingungen im Gasgenerator bei hohem Druck setzt leichte, sauerstoffarme Kohlenwas-serstoffe sowie großtenteils unverbrannte Borpartikel frei. Das Gas-Partikel-Gemisch mit ca. 70%Massenanteil Feststoff stromt durch ein Regelventil in das Gasleitrohr, das die Verbindung zurStaubrennkammer darstellt. In dieser wird die aus den seitlichen Einlassen kommende gestauteLuft mit dem Brennstoff aus dem Gasleitrohr vermischt und verbrannt. Die heißen Gase ver-lassen die Brennkammer durch die Duse des Triebwerks. Der Druck in der Staubrennkammerhangt von der Flughohe, d.h. Umgebungsdruck und -temperatur, sowie von der Flug-Machzahlab, die das mogliche Verdichtungsverhaltnis bestimmt.

Um das Antriebskonzept des Staustrahltriebwerks mit Boragglomeraten als Festtreibstoffweiter zu verbessern, sind detaillierte Kenntnisse der Stromungs- und Verbrennungsvorgangein Gasleitrohr und Staubrennkammer erforderlich. Damit das energetische Potential des Bor-treibstoffs ausgeschopft werden kann, wird fur die Auslegung des Motors ein Simulationswerk-zeug benotigt, das die im Triebwerk ablaufenden Prozesse bei vertretbarem Rechenaufwandgut reproduzieren kann. Hierzu zahlt neben einer geeigneten Modellierung der dichten Gas-Feststoff-Stromung eine detaillierte Betrachtung des Abbrands von Bor-Einzelpartikeln und dieUmsetzung geeigneter Modelle in eine Software fur numerische Stromungssimulation. Die Be-reitstellung eines solchen Werkzeuges ist das Ziel dieser Arbeit.

Nach der Prasentation der fur die numerische Stromungssimulation von Zweiphasenstromun-gen benotigten Grundlagen in Kapitel 2 wird in Kapitel 3 ein Partikel-Partikel-Kollisionsmodellvorgestellt, das im Rahmen dieser Arbeit in die verwendete Stromungssimulationssoftware An-sys CFX implementiert und anhand von Experimenten aus der Literatur validiert wurde. Mitdiesem und weiteren, in Kapitel 4 prasentierten Modellen ist es moglich, hochbeladene, trans-sonische Gas-Feststoff-Stromungen zu simulieren, die am Regelventil sowie im Gasleitrohr desTriebwerks auftreten.

Im zweiten Teil der Arbeit, der sich der Borverbrennung widmet, werden zunachst in Kapitel5 die Ergebnisse einer umfangreichen Literaturrecherche zur Borpartikelverbrennung prasentiert.Die Zusammenstellung enthalt sowohl theoretische Modellansatze als auch Experimente, die furdie Validierung von Nutzen sein konnen.

Es haben sich vor allen anderen zwei umfassende Verbrennungsmodelle fur Bor-Einzelpar-tikel in der Literatur als vielversprechend herauskristallisiert. Das an der Princeton Universityund in der Firma Aerodyne entwickelte Modell ist das derzeit detaillierteste Modell mit hun-derten von Elementarreaktionen und genauer Betrachtung der physikalischen Prozesse in derPartikelumgebung. Dieser in Kapitel 6 gezeigte Ansatz liefert viele Informationen uber die imEinzelnen ablaufenden Vorgange, ist allerdings derzeit bei weitem zu aufwendig, um in einedreidimensionale Stromungssimulation umgesetzt werden zu konnen. Dennoch bietet dies einegute Vergleichsgrundlage fur einfachere Modelle und wurde daher in die VerbrennungssoftwareCosilab implementiert und um den parallel ablaufenden Methanabbau erweitert.

Das zweite, an der Pennsylvania State University entworfene und in Kapitel 7 beschriebeneModell basiert auf wenigen globalen Reaktionsgleichungen und wurde aus diesem Grund furgeeignet angesehen, auch in einer komplexen Stromungssimulation ohne exzessiven Aufwandverwendet werden zu konnen. Die Untersuchung der publizierten Gleichungen und Ergebnissedeckte jedoch einige Unstimmigkeiten und Fehler auf, die zum Anlass fur eine Uberarbeitungdes Modells genommen wurden.

Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit eingefuhrten Verbesserungen und Erweiterungendieses Modells werden in Kapitel 8 vorgestellt. Die Neuerungen umfassen eine komplett uberar-

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4 1 EINLEITUNG

beitete Beschreibung der physikalische Vorgange in der Partikelumgebung, vor allem der Mehr-komponentendiffusion, eine Berucksichtigung der Verdunstung des Bors sowie des Einflusses dererzwungenen Konvektion auf den Abbrand in Form eines iterativ zu losenden, quasistationarenAnsatzes. Des Weiteren wurden die Angaben zu den chemischen Reaktionsgeschwindigkeitenund die zu losenden Differentialgleichungen korrigiert.

Nach der Beschreibung des Algorithmus des in die Software Matlab implementierten er-weiterten Verbrennungsmodells fur Bor-Einzelpartikel zeigt eine umfangreiche Validierungsstu-die seine Moglichkeiten und Grenzen auf. Der Abschatzung des moglichen Einsatzbereichesdient auch das zum Vergleich herangezogenene, ebenfalls implementierte, aufwendigere insta-tionare Verbrennungsmodell. Anschließend wird die Einbettung des Partikelabbrandmodells inden Stromungsloser Ansys CFX dargestellt, die eine Kopplung mit der Gasphasenchemie erfor-dert, und Simulationsergebnisse anhand beispielhafter zwei- und dreidimensionaler Brennkam-mern ahnlich dem Meteor-Triebwerk prasentiert.

Als Ausblick werden im letzten Abschnitt des Kapitels 8 Grundlagen der Chemie-Turbulenz-Kopplung und dafur verwendete Ansatze aus der Literatur beschrieben und ihre Eignung fur dasvorliegende Problem diskutiert. Anhand des instationaren Vergleichsmodells wird der Einflussder turbulenten Stokes-Zahl auf das Folgevermogen der Partikel auf eine turbulente Anregungstudiert. Kapitel 9 fasst die Ergebnisse dieser Arbeit zusammen.

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5

2 Grundlagen

Bei dem untersuchten System handelt es sich um eine Gas-Feststoff-Stromung, die in Teilenhochbeladen ist und lokal transsonischen Charakter besitzt. Dieses Kapitel fasst die fur dienumerische Stromungssimulation, engl. computational fluid dynamics (CFD), verwendeten Glei-chungen zusammen, die in der Software Ansys CFX implementiert sind. Die im Rahmen dervorliegenden Arbeit entstandenen Erweiterungen dieser Software werden in den folgenden Ka-piteln beschrieben.

2.1 Erhaltungsgleichungen fur die Gasphase

Die fur die Berechnung einer reinen Gasphasenstromung verwendeten Navier-Stokes-Gleichun-gen sind auch fur das Gas in Zweiphasenstromungen gultig, fur die jedoch zusatzliche Kopp-lungsterme fur den Masse-, Impuls- und Energieaustausch zwischen den Phasen hinzukommen.Ausgehend von einer niedrig beladenen Mehrphasenstromung, in welcher der Volumenanteildes Feststoffs gering ist, bestehen die Erhaltungsgleichungen nach Navier-Stokes fur ein New-ton’sches Fluid aus der Kontinuitatsgleichung und drei Impulsgleichungen,

∂ρ

∂t+∇ · (ρU) = Sm (1)

∂ρU∂t

+∇ · (ρU U) = −∇P +∇ · τ + SM + SP,I + SP,R (2)

mit τ = η

[∇U + (∇U)T − 2

3(∇ ·U) E

], (3)

wobei Sm den zwischen Gas- und Feststoffphase ausgetauschten, volumenbezogenen Gesamt-massenstrom bezeichnet, τ den Spannungstensor, η die dynamische Viskositat der Gasphaseund E den Einheitstensor darstellt. Die Volumenviskositat als Widerstand gegen Kompressi-on und Entspannung wird mangels Modell vernachlassigt. Die Quellterme SM und SP,I in denImpulsgleichungen reprasentieren die Auswirkungen der außeren Krafte sowie den Impulsaus-tausch mit der Partikelphase, z.B. durch die Widerstandskraft. Der Term SP,R steht fur dendurch Stofftransport mittels heterogener Reaktionen und Verdunstung hervorgerufenen Impuls-austausch mit dem Gas.

Weiterhin muss eine Energie- oder Enthalpiegleichung gelost werden,

∂ρ htot

∂t− ∂P∂t

+∇· (ρUhtot)−∇·(

N∑i=1

Γi hi∇Yi

)= ∇· (λ∇T ) +∇· (U · τ) + U ·SM + SE (4)

hier die Gleichung fur die totale spezifische Enthalpie htot = h(T, P )+ 12U ·U eines Mehrkompo-

nentengemischs, d.h. einschließlich der kinetischen Energie der Stromung. Der letzte Term aufder linken Seite beschreibt den Energietransport durch Diffusionsprozesse nach dem Fick’schenGesetz mit der Diffusivitat Γi der Komponente i in der Mischung und der statischen Enthalpiehi dieser Spezies.

Der Faktor Γi entspricht dem Produkt aus Dichte und molekularem Diffusionskoeffizientender Spezies i, ρDi, wobei hier vereinfachend effektive binare Diffusionskoeffizienten angenom-men werden, d.h. jede Spezies diffundiert in der Mischung der jeweils ubrigen Komponenten,vgl. Anhang D.3.

Die Warmeleitung wird durch das Fourier’sche Gesetz beschrieben, der zweite Term auf derrechten Seite der Gleichung 4 steht fur die Arbeit, die durch viskose Spannungen verrichtetwird; der dritte Term reprasentiert die Arbeit durch externe Impulskrafte, welche derzeit in

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6 2 GRUNDLAGEN

CFX vernachlassigt wird. Der Quellterm SE stellt den Energieaustausch mit der festen Phasedar.

Obwohl in Verbrennungsvorgangen von großer Bedeutung, wurde die thermische Strahlungdes Gases im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht berucksichtigt, um die Komplexitat derModellierung nicht weiter zu erhohen; daher entfallt hier der Strahlungsterm in der Enthalpie-gleichung. Die Strahlung der Partikel ist in den Abbrandmodellen aus Kapitel 7 und 8 aberenthalten. Der Warmestrom aufgrund von Konzentrationsgradienten, der sogenannte Dufour-Effekt, geht aufgrund seiner geringen Relevanz ebenso wie sein Pendant des Stofftransportsaufgrund von Temperaturgradienten, der Soret-Effekt, nicht in die Modellierung ein.

Dazu kommen N − 1 Spezieserhaltungsgleichungen fur die Massenanteile Yi der N Kompo-nenten, wobei die Spezies N eine Komponente im Uberschuss sein soll, deren Anteil sich aus derForderung

∑Ni=1 Yi = 1 ergibt,

∂ρYi∂t

+∇ · (ρUYi) = ∇ · (Γi∇Yi) + ωi , (5)

dabei bezeichnet ωi den reaktiven Umsatz der Komponente i pro Volumen- und Zeiteinheit.Daruber hinaus wird eine thermische Zustandsgleichung benotigt, in dieser Arbeit immer

das ideale GasgesetzP = ρRT (6)

mit der Gaskonstanten des Gasgemischs R, sowie kalorische Zustandsgleichungen der Form

hi = ∆h0f,i +

T∫T0

cP,i dT , (7)

wobei fur ein ideales Gas keine Druckabhangigkeit der Enthalpie der Komponente i besteht undcP,i die spezifische Warmekapazitat sowie ∆h0

f,i die Bildungsenthalpie der Spezies i bezeichnet.Zur Losung dieses Systems partieller Differentialgleichungen ist die Angabe von Anfangs- und

Randbedingungen fur das zu berechnende Gebiet erforderlich. Da fur den allgemeinen Fall keineanalytische Losung moglich ist, wird das Problem numerisch gelost, indem das Rechengebietnach dem Finite-Volumen-Verfahren in einzelne Kontrollvolumina unterteilt und so durch einRechengitter reprasentiert wird.

Die zu losenden Gleichungen werden auf diesem Gitter diskretisiert, und an den Eckpunktender Zellen, den sogenannten Knoten des Netzes, werden Approximationen der Losung gesucht.Fur die Bestimmung einiger Großen sind zusatzlich Daten an den Flachenmittelpunkten derElemente sowie an zwischen Eck- und Flachenmittelpunkten gelegenen Integrationspunkten er-forderlich. Die Diskretisierung fuhrt auf ein System gekoppelter algebraischer Gleichungen, dasiterativ gelost werden kann. Da an einem Knoten in der Regel nur Informationen uber dieNachbarknoten benotigt werden, ist die Matrix dunn besetzt, was die Anwendung effizienterLosungsalgorithmen ermoglicht. Außerdem werden in Ansys CFX sogenannte Mehrgitterver-fahren eingesetzt, die zu einer deutlichen Konvergenzbeschleunigung fuhren.

Auch fur statistisch stationare Stromungen verwendet der implizite CFX-Loser einen Pseudo-Zeitschritt, der als eine Art Unterrelaxation interpretiert werden kann. Vorteile dieses CFD-Codes sind eine sehr gute Parallelisierbarkeit fur die Anwendung auf großen Rechenmaschinenund seine hervorragende Eignung fur die Losung von transsonischen und Uberschallstromungen.

2.2 Gasdynamik

Kompressible Stromungen unterliegen den Gesetzen der Gasdynamik. Dieses Gebiet beschreibtvor allem Anderungen der thermodynamischen Zustands- sowie der Stromungsgroßen in der Au-ßenaerodynamik und in Dusenstromungen bei im Verhaltnis zur Schallgeschwindigkeit mittleren

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2.2 Gasdynamik 7

und hohen Gasgeschwindigkeiten. Die Schallgeschwindigkeit ag als Ausbreitungsgeschwindigkeitisentroper Druckanderungen bzgl. der Dichte ist gegeben durch

ag =

√(∂p

∂ρ

)s

, (8)

woraus sich mit dem Isentropenexponenten κ fur ein kalorisch perfektes Gas ag =√κRT ergibt.

Setzt man die Stromungsgeschwindigkeit des Gases zur Schallgeschwindigkeit ins Verhaltnis,erhalt man als dimensionslose Kennzahl die Machzahl

Ma ≡ u

ag. (9)

Bei Uberschallstromungen mit Machzahlen großer eins konnen sogenannte Verdichtungsstoßeauftreten, die fast diskontinuierliche Zustandsanderungen des Gases auf einer Distanz von nur et-wa 100 nm darstellen. Diese werden in Staustrahlantrieben wie dem Meteor-Triebwerk genutzt,um die zugefuhrte Außenluft rein durch eine geeignete geometrische Anordnung der Einlasse oh-ne maschinelle Unterstutzung zu verdichten. Die Gestaltung der Luftzufuhrung ist nicht Gegen-stand dieser Arbeit, allerdings konnen solche Verdichtungsstoße auch in Dusenstromungen wieder durch das Regelventil des Meteor-Triebwerks auftreten, weshalb nachfolgend ein kurzerUberblick auf die wichigsten Zusammenhange gewahrt wird.

Vereinfachend wird i.a. von einer stationaren, reibungsfreien Stromung eines kalorisch per-fekten Gases, das eindimensional entlang einer Stromlinie betrachtet wird, ausgegangen. Imhaufig anzutreffenden Fall eines geraden Verdichtungsstoßes, d.h. senkrecht zur Stromung aus-gerichtet, wird das mit Uberschallgeschwindigkeit stromende Gas des Zustands 1 durch den Stoßstark auf Unterschallgeschwindigkeit verzogert, wodurch Druck, Dichte und Temperatur deut-lich ansteigen auf den Zustand 2 nach dem Stoß. Der Vorgang ist dadurch zu erklaren, dass sichInformationen im Gas nur mit Schallgeschwindigkeit stromaufwarts fortpflanzen konnen, unddaher das Gas auf eine Storung wie ein in der Stromung befindliches Objekt nicht rechtzeitigreagieren kann. Die schlagartige Verdichtung und Erhitzung ist auf die Umwandlung von kineti-scher in innere Energie zuruckzufuhren, d.h. von gerichteter in zufallige Bewegung der Molekule;dieser Prozess ist irreversibel.

Fur den senkrechten Verdichtungsstoß in einer solchen stationaren Stromung eines perfektenGases ist die Machzahl nach dem Stoß nur eine Funktion des Isentropenexponenten (κ = 1.4 furLuft) und der Machzahl vor dem Stoß

Ma22 =

1 + [(κ− 1) /2] Ma21

κMa21 − (κ− 1) /2

, (10)

wobei Ma2 immer kleiner eins ist, und das Verhaltnis aus Total- zu statischen Großen lasst sichebenfalls als Funktion nur dieser zwei Parameter schreiben, z.B. fur den Druck

Ptot

P=(

1 +κ− 1

2Ma2

1

) κκ−1

. (11)

Das Verhaltnis der Zustandsgroßen vor zu nach dem Stoß ist auch jeweils nur eine Funktionder Machzahl vor dem Stoß und des Isentropenexponenten, so ergibt sich fur das Druckverhaltnisz.B.

P2

P1= 1 +

2κκ+ 1

(Ma2

1 − 1)

(12)

und Beziehungen ahnlicher Form fur Temperatur-, Dichte- und Geschwindigkeitsverhaltnis. Derzweite Hauptsatz der Thermodynamik legt dabei die Richtung der Zustandsanderungen fest. Die

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8 2 GRUNDLAGEN

Entropie steigt bei diesem adiabaten Vorgang an, der Totaldruck sinkt, die Zustandsanderungist nicht reversibel.

Stromt das Gas in einer Berandung uber eine konkave, d.h. zur Stromung hinweisende Ecke,tritt als weiterer, nun zweidimensionaler Effekt ein schrager Verdichtungsstoß auf. Bei einerAnderung der Stromungsrichtung um einen Winkel θ entsteht an der Ecke ein schrager Verdich-tungsstoß unter dem Winkel β zur ursprunglichen Stromungsrichtung, wobei β > θ. Die zumStoß tangentiale Komponente der Geschwindigkeit tragt nicht zur Anderung der Zustandsgroßenbei, sondern nur die stoßnormale Komponente. Die Zustandsgroßen werden daher nach den obengenannten Gesetzen des geraden Verdichtungsstoßes mit der auf die normale Geschwindigkeits-komponente bezogene Machzahl berechnet.

Es ergibt sich eine komplizierte Beziehung der Form tan θ = fkt (Ma1, β), die auch graphischund in tabellierter Form verfugbar ist, [3]. Uberschreitet der Winkel θ einen Maximalwert, solost der Stoß ab und steht als bogenformiger Stoß vor der Ecke. Unterhalb des Maximalwinkelsgibt es zwei Losungen, die entweder zu einem starken oder – in der Natur haufiger – zu einemschwachen Verdichtungsstoß fuhren. Ein starker Stoß fuhrt auf Ma2 < 1, ein schwacher Stoß aufMa1 > Ma2 > 1.

Verdichtungsstoße konnen, vor allem in berandeten Stromungen, auch interagieren oder re-flektiert werden, wobei der Ausfallswinkel ungleich dem Einfallswinkel ist. Auf diese Thematikwird in der Literatur, z.B. in [4], ausfuhrlich eingegangen.

Als dritter wichtiger Fall ist die Prandtl-Meyer-Eckenstromung zu nennen, bei der die Stro-mungsberandung konvex, also von der ursprunglichen Stromungsrichtung um den Winkel θ weg-gerichtet ist. Dies fuhrt zu einer Expansion, die im Gegensatz zu den Stoßen kontinuierlich undisentrop verlauft. Die Zustandsanderungen lassen sich uber die Prandtl-Meyer-Funktion

ν (Ma) =

√κ+ 1κ− 1

tan−1

√κ− 1κ+ 1

(Ma2 − 1

)− tan−1[√

Ma2 − 1]

(13)

und mit θ = ν (Ma2)−ν (Ma1) bestimmen, indem man aus θ und Ma1 die Machzahl nach der Ex-pansion Ma2 berechnet. Wegen der isentropen Zustandsanderungen mit konstantem Totaldruckund konstanter Totaltemperatur erhalt man z.B. fur den Druck

P2

P1=P2/Ptot

P1/Ptot=

(1 + [(κ− 1) /2] Ma2

1

1 + [(κ− 1) /2] Ma22

)κ/(κ−1)

. (14)

In Dusenstromungen mit einem uberkritischen Druckverhaltnis zwischen Totaldruck unddem statischen Druck im engsten Querschnitt, als Kehrwert

P ∗

Ptot≤(

2κ+ 1

) κκ−1

, (15)

ist der Massenstrom begrenzt, eine sogenannte gesperrte Stromung, und im engsten Querschnittwird Schallgeschwindigkeit erreicht. Durch Anschließen eines divergenten Teils expandiert dieStromung und erreicht Uberschallgeschwindigkeit. Bei nicht-angepassten Dusen mit zu hohemGegendruck stromabwarts der Duse entsteht im divergenten Teil ein gerader Verdichtungsstoß.Ist die Duse korrekt ausgelegt, wird aber mit zu hohem Gegendruck betrieben, entstehen amDusenende gerade oder schrage Verdichtungsstoße (uberexpandierte Duse), bei einem Austritts-druck oberhalb des Umgebungsdrucks schließen sich Expansionsfacher an (unterexpandierteDuse).

Die Aero- und Gasdynamik wird detailliert in den Monographien [3], [4] und [5] behandelt,auf die hier verwiesen sei.

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2.3 Turbulenzmodellierung 9

2.3 Turbulenzmodellierung

Die Losung der im vorangegangenen Abschnitt angefuhrten Navier-Stokes-Gleichungen ist nichtunter allen Umstanden stabil. Minimale Storungen werden dann nicht mehr ausreichend ge-dampft, und es entsteht ein chaotisches Verhalten, das als Turbulenz bezeichnet wird. Auchbei stationaren Randbedingungen sind turbulente Stromungen per se immer instationar. DieSimulation turbulenter Stromungen ist bis heute Gegenstand der Forschung, es wurden jedochverschiedene Berechnungsmethoden entwickelt, solche Stromungen unter vereinfachenden An-nahmen zu beschreiben.

Direkte numerische SimulationAls direkte numerische Simulation (DNS) bezeichnet man die Anwendung der Navier-Stokes-Gleichungen, wenn alle turbulenten Langenmaße durch das Rechengitter und das kleinste tur-bulente Zeitmaß durch den Rechenzeitschritt aufgelost werden; dies ist die genauest moglicheSimulation eines Fluids als makroskopisches Kontinuum. Die großten turbulenten Skalen habenin etwa das Ausmaß der simulierten Geometrie, wohingegen die kleinsten Langen- und Zeitma-ße, benannt nach Kolmogorov, in einem Maßstab auftreten, in dem die kinetische Energie derSchwankungsbewegung der kleinsten Wirbel durch viskose Effekte in innere Energie des Fluidsdissipiert werden. Scherkrafte sind die Ursache fur die Zerteilung der großen Wirbel in immerkleinere.

Das Verhaltnis des integralen Langenmaßes L zum Kolmogorov-Langenmaß η ist eine Funk-tion der turbulenten Reynoldszahl

Ret =|u′| Lνg

(16)

mit der Schwankungsgeschwindigkeit |u′|. Es zeigt sich, dass die Anzahl der benotigten Gitter-knoten fur homogene, isotrope Turbulenz proportional zu Re9/4

t ist. Fur eine Kanalstromungmit einer eher niedrigen Kanal-Reynoldszahl von 40000 werden damit etwa 270 Mio. Knotenbenotigt, [6]. Diese gewaltigen Anforderungen an Rechenleistung und Speicherplatz zeigen, dassselbst mit heute vorhandenen Massiv-Parallelrechnern Probleme aus der technischen Anwendungnoch kaum mit dieser Methode behandelbar sind.

GrobstruktursimulationEine deutlich weniger Ressourcen benotigende Methode ist die Grobstruktursimulation, engl.Large Eddy Simulation (LES). Es kann gezeigt werden, dass die kinetische Energie der Schwan-kungsbewegung großer Wirbel um ein vielfaches großer ist als die kleinerer Wirbel, insbesonderesinkt die kinetische Energie uber den Kehrwert der Wirbelgroße außerhalb des Produktionsbe-reichs, der bei großen Wirbelabmessungen liegt, mit der Potenz -5/3. Zudem hat sich heraus-gestellt, dass die großskaligen Strukturen von der geometrischen Form des Berechnungsgebietsabhangen, wahrend fur die kleinen Skalen im Allgemeinen von isotropem Verhalten ausgegangenwird.

Dies legt die, zuerst in der Meteorologie verwendete, Vorgehensweise nahe, nur die grobenStrukturen mit einem Rechengitter und dem gewahlten Zeitschritt aufzulosen und die einfache-ren, als isotrop angenommenen kleinen Skalen unterhalb einer gewissen Filtergroße, die soge-nannten sub grid scales (SGS), zu modellieren. Der bekannteste Ansatz ist jener nach Smago-rinsky, [7].

Eine LES ist um Großenordnungen weniger aufwendig als eine direkte numerische Simulation,erfordert aber trotzdem noch Ressourcen, die an die Grenzen heutiger Rechner stoßen. Sie istallerdings eine Methode, die neben dem Bereich der Forschung zunehmend auch Verwendung inindustriellen Einrichtungen findet.

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10 2 GRUNDLAGEN

Reynolds-gemittelte Navier-Stokes-GleichungenDie seit Jahrzehnten ubliche Methode der Stromungsberechnung mit Hilfe der Reynolds-gemit-telten Navier-Stokes-Gleichungen, engl. Reynolds averaged Navier-Stokes (RANS), ist die amwenigsten aufwendige, liefert allerdings im Wesentlichen Informationen uber zeitliche oder En-semble-Mittelwerte und keine Auflosung der turbulenten Strukturen, was jedoch fur viele tech-nische Anwendungen ausreichend ist. Sogenannte Turbulenzmodelle beschreiben jedoch die Aus-wirkung der turbulenten Schwankungen auf die gemittelten Stromungsgroßen.

Die RANS-Gleichungen basieren auf einer Mittelung der betrachteten Großen, im einfachstenFall einer zeitlichen Mittelung, z.B. fur die Dichte

ρ (x) = lim∆t→∞

1∆t

∆t∫0

ρ (x, t) dt . (17)

Eine allgemeine Große ϕ setzt sich aus dem zeitlichen Mittelwert und einem Schwankungsanteilzusammen

ϕ (x, t) = ϕ (x) + ϕ′ (x, t) . (18)

In Stromungen mit starken Dichteanderungen wie bei den hier betrachteten transsonischenStromungen und bei Verbrennungsprozessen ist es zweckmaßiger, dichtegemittelte Großen zuverwenden,

ϕ =ρϕ

ρoder ρ ϕ = ρϕ , (19)

die sogenannte Favre-Mittelung, gekennzeichnet durch die Tilde fur den Mittelwert und zweiHochkommata fur den Schwankungsanteil

ϕ (x, t) = ϕ (x) + ϕ′′ (x, t) . (20)

Hauptgrund fur die Verwendung der Favre-Mittelung ist eine oft viel kompaktere Schreibweise,d.h. es handelt sich vor allem um eine mathematische Vereinfachung. Physikalisch wird die Favre-Mittelung bei der Ubertragung von Turbulenzmodellen fur Stromungen mit konstanter Dichteauf kompressible Stromungen genutzt. Das Mitteln der Schwankungsterme liefert

ϕ′ = 0 und ρϕ′′ = 0 . (21)

Fur instationare Stromungen ist das Mittelungsintervall endlich und beeinflusst daher das Er-gebnis. Bei sich im Bezug auf die turbulenten Schwankungen langsam andernden Mittelwertenist dies jedoch zulassig; besser fur instationare Vorgange ware jedoch eine aufwendige Ensemble-Mittelung uber eine große Anzahl wiederholter Rechnungen.

Die Gleichungen 1, 2, 4 und 5 fur die direkte numerische Simulation gehen damit bei Favre-Mittelung uber in die RANS-Formulierung

∂ρ

∂t+∇ ·

(ρ U

)= Sm (22)

∂ρ U∂t

+∇ ·(ρU U

)= −∇P +∇ ·

(τ − ρU′′U′′︸ ︷︷ ︸

A

)+ SM + SP,I + SP,R (23)

∂ρ htot

∂t− ∂P

∂t+ ∇ ·

(ρ U htot

)+∇ ·

(ρU′′ h′′tot︸ ︷︷ ︸

B

)−∇ ·

(N∑i=1

Γi hi∇Yi︸ ︷︷ ︸C

)

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2.3 Turbulenzmodellierung 11

= ∇ ·(λ∇T

)+∇ ·

(U · τ

)+ SE (24)

∂ρYi∂t

+∇ ·(ρ U Yi

)= ∇ ·

(ρDi∇Yi︸ ︷︷ ︸

D

)−∇ ·

(ρU′′ Y ′′i︸ ︷︷ ︸

E

)+ ωi . (25)

Man erkennt, dass die Form der Gleichungen ahnlich der ungemittelten Schreibweise ist, dassaber zusatzliche Terme auftauchen, die Produkte aus zwei oder mehr Schwankungsgroßen ent-halten. Diese sind unbekannt und mussen daher modelliert werden. Der Anteil −2

3 δ∇ ·U imSpannungstensor τ , Gleichung 3, wird in der RANS-Formulierung von CFX nicht berucksichtigt.

Der Ausdruck A in Gleichung 23 ist der Reynolds-Spannungstensor, der den Einfluss der Ge-schwindigkeitsschwankungen auf die Impulsgleichung beinhaltet. Zur Berechnung dieses Termswurden Turbulenzmodelle entwickelt, deren bekanntestes das k-ε-Modell von Launder und Spal-ding ist, [8]. Dies ist ein sogenanntes Zweigleichungsmodell, in dem je eine partielle Differential-gleichung fur die spezifische turbulente kinetische Energie k und deren Dissipationsrate ε gelostwerden. Die in der Stromung entstehenden Wirbel sorgen fur eine spurbare turbulente Viskositatηt, die definiert ist als

ηt ≡ Cµ ρk2

εmit ρk ≡ 1

2ρU′′U′′ , (26)

der Konstanten Cµ = 0.09 und den lokalen Werten von k und ε, deren Favre-gemittelte Glei-chungen

∂ρ k

∂t+∇ ·

(ρ U k

)= ∇ ·

[(η +

ηtσk

)∇k]

+ Pk − ρε (27)

∂ρ ε

∂t+∇ ·

(ρ U ε

)= ∇ ·

[(η +

ηtσε

)∇ε]

k(Cε1 Pk − Cε2ρε) (28)

lauten. σk, σε, Cε1 und Cε2 sind Modellkonstanten, siehe z.B. [9], und Pk stellt den Produkti-onsterm der turbulenten kinetischen Energie dar

Pk = ηt∇U ·[∇U +

(∇U

)T ]− 2

3∇ · U

(3ηt∇ · U + ρk

). (29)

Turbulente kinetische Energie entsteht z.B. in Scherschichten, wahrend Fluktuationen in Wand-nahe durch die geometrische Begrenzung unterdruckt werden. Der Reynolds-Spannungstensor alszeitlich gemittelte Geschwindigkeit des Impulstransports durch Turbulenz ist das grundlegendeProblem der RANS-Formulierung. Die Schließung dieses Terms

−ρU′′U′′ = ηt

[∇U +

(∇U

)T ]− 2

3ρk I (30)

durch in der Regel an bestimmte Stromungskonfigurationen angepasste und damit nicht allge-mein gultige Turbulenzmodelle beeintrachtigt die Gute der Losung.

Neben diesem Term in der Impulsgleichung treten auch in Enthalpie- und Spezieskonti-nuitatsgleichung Ausdrucke auf, die Produkte aus Schwankungsgroßen der Geschwindigkeit undder Konzentration oder Enthalpie enthalten, Terme B und E in Gleichung 24 bzw. 25. Nach derWirbeldiffusivitatshypothese kann man diese durch einen Gradiententransportansatz ausdrucken

−ρU′′ h′′tot =ηt

Prt∇htot und − ρU′′ Y ′′i =

ηtSct∇Yi , (31)

wobei Prt und Sct die turbulente Prandtl- bzw. Schmidt-Zahl bezeichnen, die bei 0.89 oder 0.90in der Grenzschicht und bei 0.50 in einer freien Scherstromung liegen.

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12 2 GRUNDLAGEN

Die totale Enthalpie in Gleichung 24 enthalt auch die kinetische Energie der Geschwindig-keitsschwankungen k: htot ≡ h(T, P )+ 1

2U·U+k. Der Enthalpietransport durch Mehrkomponen-tendiffusion fuhrt in der Gleichung 24 auf weitere ungeschlossene Terme, die Schwankungsgroßender Enthalpie, Konzentrationen und der Diffusionskoeffizienten enthalten. Da diese durch vor-handene Turbulenzmodelle nicht dargestellt werden konnen, wird auf ihre Berucksichtigung inAnsys CFX verzichtet.

Ublicherweise wird zur Vereinfachung angenommen, dass die Diffusivitat aller Spezies gleichist und auch dem Verhaltnis aus Warmeleitfahigkeit und spezifischer Warmekapazitat des Gasesentspricht, d.h. dass die Lewis-Zahl Le = 1 betragt. Zudem wird davon ausgegangen, dass dieViskositat des Gases gleich dem Produkt aus Dichte und Diffusionskoeffizient ist; damit hat dieSchmidt-Zahl den Wert eins

Lei =λ

cP ρDi= 1 und Sci =

η

ρDi= 1 ∀i . (32)

Unter diesen Voraussetzungen sind die Diffusionsterme fur alle Spezies und die Warmeleitungidentisch, was eine wesentlich schnellere Berechnung ermoglicht. Auf diese Weise lassen sichmolekularer und turbulenter Transport zusammenfassen, Terme B und C in Gleichung 24 sowieTerme D und E in Gleichung 25,

B + C =N∑i=1

cP+

ηtPrt

)hi∇Yi und D + E =

N∑i=1

cP+

ηtPrt

)∇Yi , (33)

wobei der turbulente Anteil in der Regel deutlich uberwiegt. Die Vereinfachung Le = 1 wird imRahmen dieser Arbeit fur eine schnellere Berechnung der Gasphasenstromung getroffen, bei derModellierung des Partikelabbrands in Kapitel 8 wird jedoch in der direkten PartikelumgebungLe 6= 1 zugelassen, da dort die großten Gradienten in den Spezies-Massenanteilen zu erwartenund somit die Diffusionsprozesse von großerer Bedeutung fur den Umsatz sind.

Auch fur die thermische Zustandsgleichung des idealen Gases musste man Schwankungenberucksichtigen

P = Ru

N∑i=1

(ρ T Yi + ρ T ′′ Y ′′i

) 1Mi

(34)

mit Ru als universeller Gaskonstante. Hier wird meist angenommen, dass die mittlere Molmasse

M =N∑i=1

YiMi

(35)

kaum fluktuiert, obwohl sie sich bei Verbrennungsvorgangen erheblich andern kann. Es ergibtsich zunachst

P = ρRu

MT +Ru

N∑i=1

(ρ T ′′ Y ′′i

) 1Mi

; (36)

weitere Vereinfachung fuhrt auf dieselbe Form wie fur eine laminare Stromung bzw. ein ruhendesGas

P = ρRu

MT , (37)

wenn man die gekoppelten Schwankungen der Temperatur und der Massenanteile vernachlassigt.Fur reaktive Stromungen muss daher ein gewisser Fehler bei Verwendung der Gleichung 37 inKauf genommen werden.

In Wandnahe andern sich die Stromungseigenschaften durch die Haftbedingung entschei-dend, die bei der Herleitung der Gleichungen fur k und ε getroffenen Annahmen gelten hier

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2.4 Modelle fur die Partikelphase 13

nicht mehr uneingeschrankt. Die ansonsten untergeordneten viskosen Spannungen konnen inder Grenzschicht die Große der turbulenten Spannungen ubertreffen. An dieser Stelle kommendaher spezielle Wandfunktionen zum Einsatz, welche die wandnahen Verhaltnisse turbulenterStromungen, d.h. viskose Unterschicht, Ubergangsbereich und logarithmisches Wandgesetz, inAbhangigkeit der Wandschubspannung τW und des dimensionslosen Wandabstandes Y + be-schreiben, siehe ebenfalls [10].

Das k-ε-Modell erzeugt in Wandnahe aufgrund der hohen Dissipation turbulenter kinetischerEnergie Probleme und beschreibt die Stromung nicht sehr gut. An der Wand ist daher das vonWilcox entwickelte k-ω-Modell uberlegen, das statt einer Gleichung fur die turbulente Dissipati-onsrate eine Gleichung fur die turbulente Frequenz ω lost, womit sich die turbulente Viskositatzu ηt = ρ k/ω ergibt.

Das k-ω-Modell zeigt wiederum Schwachen in der freien Stromung, weshalb Menter dassogenannte shear stress transport (SST) Modell entwickelt hat, das zwischen k-ε- und k-ω-Formulierung in Abhangigkeit vom Wandabstand uberblendet und in CFX empfohlen wird,siehe [9]. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kam daher meist das SST-Modell zum Einsatz.

Zweigleichungs-Turbulenzmodelle nach der Wirbelviskositatshypothese gehen von isotro-per Turbulenz aus, d.h. die Schwankungsgroßen haben in jeder Raumrichtung dieselbe Große.Wahrend diese Annahme in einer freien, gerichteten Stromung vertretbar ist, bricht sie in Drall-stromungen und allgemein Stromungen mit stark gekrummten Stromlinien zusammen, da ineinem solchen Fall z.B. Fluktuationen in Umfangsrichtung eine andere Großenordnung besit-zen als Schwankungen in der radialen oder axialen Komponente. Zudem erfolgt eine unphy-sikalische Erzeugung von Turbulenz durch die Unfahigkeit dieser Modelle, die Gradienten derStromungsgeschwindigkeit in einem Wirbel oder Staupunkt, die schon inkompressibel vorhan-den sind, von Gradienten in der Scherschicht zu unterscheiden. Durch die Ruckwirkung auf diemittleren Geschwindigkeiten wird der Drall auf diese Weise in der Regel zu stark gedampft.

Eine weitere Klasse von Turbulenzmodellen fur die RANS-Formulierung lost zur Abhilfe furjede der sechs unabhangigen Komponenten des symmetrischen Reynolds-Spannungstensors eineeigene partielle Differentialgleichung, [10]. Da die Dissipation der Fluktuationen auf den kleinstenSkalen nahezu isotrop erfolgt, wird fur die Dissipationsrate oder die Frequenz nur eine Gleichunggelost. Statt der zwei Gleichungen im k-ε-Modell mussen hierfur sieben gekoppelte partielleDifferentialgleichungen gelost werden, was nicht nur einen deutlichen Mehraufwand bedeutet,sondern auch zu Stabilitatsproblemen fuhrt und die Konvergenz verschlechtert. Teilweise lasstsich durch Reynoldsspannungs-Modelle jedoch eine wesentlich bessere Ubereinstimmung mitMessdaten erzielen.

Fur die Drallstromung aus Kapitel 3 wurde das in CFX empfohlene BSL-Reynoldsspannungs-Modell verwendet, das ahnlich dem SST-Modell zwischen ε- und ω-Gleichung uberblendet, [9].Eine sehr ausfuhrliche Darstellung der Turbulenzmodellierung findet sich im Buch von Wilcox,[10].

2.4 Modelle fur die Partikelphase

Fur die RANS-Modellierung von Mehrphasenstromungen gibt es zwei verbreitete Ansatze, dasdeterministische Zwei-Fluid-Modell und die stochastische Euler-Lagrange-Simulation.

2.4.1 Euler-Euler-Modellierung

Im sogenannten Zwei-Fluid- oder Euler-Euler-Modell werden beide Phasen als sich durchdringen-de Kontinua in einem ortsfesten Koordinatensystem betrachtet. Die Eigenschaften der dispersenPhase, d.h. in Gas-Feststoff-Stromungen diejenigen der Partikel, werden uber die Kontrollvolu-

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14 2 GRUNDLAGEN

mina gemittelt. Die Erhaltungsgleichungen beider Phasen haben die Form der Navier-Stokes-Gleichungen, die im vorangegangenen Abschnitt beschrieben wurden, wobei die Dichte der Phasei mit dem entsprechenden Volumenanteil αi = Vi/V multipliziert wird.

Diese Vorgehensweise ist insbesondere geeignet, hochbeladene Stromungen mit großen Volu-menanteilen der dispersen Phase zu simulieren, wie z.B. Wirbelschichtreaktoren und Haufwerkeoder geschichtete Gas-Flussig-Stromungen. Nachteile dieses Ansatzes sind die Schwierigkeiten,im mikroskopischen Bereich ablaufende wichtige Prozesse zu erfassen und durch Untermodellezu beschreiben. Dies betrifft vor allem die Wechselwirkungen zwischen den Phasen, die turbu-lente Dispersion der Partikel und Wandkollisionen von Partikeln. Daruber hinaus muss fur jedePartikelgroße ein eigener Satz Navier-Stokes-Gleichungen gelost werden, so dass der Vorteil desgeringeren Aufwands dieser Modellierungsweise nur bei monodispersen Partikeln greift, wahrendPartikelgroßenverteilungen schwierig abzubilden sind. Außerdem kann numerische Diffusion anPhasengrenzen zu Fehlern fuhren, was vor allem Gas-Flussig-Stromungen betrifft.

Eine Abwagung der Vor- und Nachteile beider Modellierungsweisen und das Interesse anden detaillierten Vorgangen am Einzelpartikel haben ergeben, dass im Rahmen der vorliegen-den Arbeit ausschließlich die nachfolgend beschriebene Euler-Lagrange-Methode zum Einsatzkommt.

2.4.2 Euler-Lagrange-Modellierung

Disperse Zweiphasenstromungen lassen sich sehr gut durch das Euler-Lagrange-Modell beschrei-ben, in dem fur die kontinuierliche Phase die Navier-Stokes-Gleichungen auf einem Rechengittergelost werden, wahrend die Bewegung der Partikel mit einem partikelfesten Koordinatensystemverfolgt wird.

Die Anzahl realer Partikel in technischen Anwendungen ist in der Regel so hoch, dass mit heu-tigen Rechnerkapazitaten nicht alle realen Partikel simuliert werden konnen. Man fasst daher einebestimmte Anzahl – fallabhangig, i.d.R. zwischen 102 und 105 – realer Partikel in reprasentative

”Pakete“ von Partikeln gleicher Eigenschaften zusammen, deren gemeinsame Bahn im Simula-tionsgebiet berechnet wird. Da außerdem die Turbulenz zu einem nicht-deterministischen Ver-halten fuhrt, handelt es sich um ein stochastisches Verfahren, in dem die berechneten Bahnennur Einzelereignisse darstellen. Um die gewunschte Aussage uber Mittelwerte treffen zu konnen,muss eine ausreichende Anzahl von Partikeln simuliert werden, damit eine breite statistischeBasis gegeben ist, d.h. mindestens mehrere Zehntausend.

Die Partikel werden als Punktmassen angesehen, so dass ihre Große deutlich unterhalb der-jenigen der Zellen des verwendeten Rechengitters liegen muss. In Standardimplementierungendes Euler-Lagrange-Verfahrens wie in Ansys CFX wird zudem angenommen, dass der Volumen-anteil der Partikel gering ist, so dass keine Verdrangungswirkung auf die kontinuierliche Phaseentsteht, [9]. Die Dichte in den Navier-Stokes-Gleichungen ist daher unverandert die Dichte derkontinuierlichen Phase.

Vorteil der Euler-Lagrange-Methode ist, dass alle an einem Partikel angreifenden Krafteund Momente physikalisch korrekt berucksichtigt werden konnen und dass jede beliebige Gro-ßenverteilung mit nur maßigem Mehraufwand – zur Gewahrleistung einer ausreichend gutenStatistik – wiedergegeben werden kann. Somit ist es vergleichsweise einfach, Vorgange auf mi-kroskopischer Ebene wie Partikel-Wand-Kollisionen, Partikelagglomeration und -aufbruch, Stoßezwischen Partikeln sowie Oberflachenreaktionen zu modellieren.

Eine hohe Partikelkonzentration bewirkt bei den Standard-Implementierungen oftmals Kon-vergenzprobleme, der man in statistisch stationaren Stromungen durch eine Unterrelaxationder ruckgekoppelten Quellterme entgegenwirken kann, was zudem meist zu einer Konvergenz-beschleunigung fuhrt. Der Berucksichtigung von Kollisionen zwischen den Partikeln bei hoher

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2.4 Modelle fur die Partikelphase 15

beladenen Gas-Feststoff-Stromungen widmet sich Kapitel 3.In Ansys CFX werden die Trajektorien aller Partikel sequentiell durch Losung ihrer Bewe-

gungsgleichungen

dxP

dt= uP (38)

mPduPdt

=∑i

Fi (39)

berechnet, wobei nach Newton die Summe aller am Partikel angreifenden Krafte, die im folgen-den beschrieben werden, gleich der Anderung seines Impulses ist. Wird zusatzlich die Rotationder Partikel berucksichtigt, was derzeit in CFX noch nicht moglich ist, so ist hierfur der Dreh-impulserhaltungssatz anzuwenden,

IPdωPdt

= −T (40)

mit dem Winkelgeschwindigkeitsvektor ωP , dem Tragheitsmoment des Partikels IP und demangreifenden Drehmoment T. Findet daruber hinaus wie bei den in dieser Arbeit untersuchtenVerbrennungsvorgangen Warme- und Stofftransport zwischen den Phasen statt, mussen auchgewohnliche Differentialgleichungen fur die Masse und die Enthalpie oder Temperatur jedesPartikels gelost werden.

Die Partikelbahnen werden in CFX mit einem expliziten Euler-Verfahren, d.h. erster Ord-nung, berechnet. Der Zeitschritt wird durch mehrere Kriterien begrenzt; vor allem werden injedem durchflogenen Kontrollvolumen mindestens zehn Zeitschritte ausgefuhrt, und auch Tur-bulenz und chemischer Umsatz beeinflussen den Zeitschritt.

Nach Abschluss der Berechnung aller Trajektorien mussen die Quellterme fur die Navier-Stokes-Gleichungen der kontinuierlichen Phase durch Aufsummieren der Wirkung aller in einemKontrollvolumen befindlichen Partikel bestimmt werden, sofern der Volumenanteil oberhalb vonetwa 10−6 liegt; man spricht dann von einer sogenannten Zwei-Wege-Kopplung, da die Partikeleine spurbare Ruckwirkung auf die kontinuierliche Phase besitzen. Die Ruckkopplung auf dieGasphase wird insbesondere bei statistisch stationaren Stromungen wie erwahnt meist unterre-laxiert. Nur bei noch geringeren Volumenanteilen ist die Ein-Wege-Kopplung zulassig, bei derdas Kontinuum durch die Gegenwart der Partikel unbeeinflusst bleibt.

Die ursprungliche Form der Bewegungsgleichung 39 eines festen, kugelformigen, nicht-rotie-renden und nicht deformierbaren Partikels in einer schleichenden Stromung basiert auf Arbeitenvon Basset, Boussinesq sowie Oseen und wird daher als BBO-Gleichung bezeichnet, [11]. Furdiesen speziellen Fall ist eine analytische Losung der Kraftbilanz durch Integration uber dieOberflache moglich, weil der nichtlineare konvektive Anteil vernachlassigt wird. Die Gleichungenenthalten die Stokes’sche Widerstandskraft, die Kraft durch Druckgradienten und die sogenann-te virtuelle Masse, den zeitabhangigen ”Basset History Term“, welcher die Vorgeschichte derPartikelbewegung berucksichtigt, die Gravitationskraft und den Archimedischen Auftrieb.

Die Anwendbarkeit der BBO-Gleichung unterliegt allerdings strengen Auflagen, insbesonderemuss die Partikel-Reynoldszahl, definiert als

ReP ≡dP |uF − uP |

νF, (41)

viel kleiner eins sein, ReP 1, was in technischen Stromungen meist nicht der Fall ist. DesWeiteren mussen die Partikel kleiner als das Langenmaß sein, das charakteristisch fur die Gradi-enten der Stromung ist, was Druck und Scherkrafte beeinflusst. Daher wurden in der Literatur

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16 2 GRUNDLAGEN

auf Basis der BBO-Gleichung halbempirische Funktionen und Koeffizienten eingefuhrt, die zu ei-ner Ubereinstimmung der mit der modifizierten Gleichung erhaltenen Ergebnisse mit Messdatenfuhren. Im folgenden werden die einzelnen in Gleichung 39 eingehenden Krafte beschrieben.

Die weitaus wichtigste auf ein Partikel wirkende Kraft ist die aerodynamische Wider-standskraft,

FW = cW12π

4d2P ρF |urel| urel , (42)

die sich aus einem Reibungs- und einem Druckwiderstand zusammensetzt und der Partikelbe-wegung entgegengerichtet ist, mit der Relativgeschwindigkeit urel. Der empirische Widerstands-beiwert cW hangt vor allem von der Partikel-Reynoldszahl ab und wird in CFX standardmaßigfur kugelformige Partikel nach der Korrelation von Schiller und Naumann berechnet, korrigiertfur das Regime oberhalb ReP = 1000,

cW = max

24ReP

(1 + 0.15Re0.687

P

), 0.44

. (43)

Diese Beziehung deckt alle Bereiche vom Stokes-Regime bei ReP < 1 bis zum Newton-Regimebei ReP = 2 · 105 ab. Daruber hinaus gibt es zahlreiche andere Korrelationen fur den Wider-standsbeiwert, die Abweichungen von der Kugelform oder den Einfluss der Relativ-Machzahlbeschreiben, auf letzteres wird in Kapitel 4 naher eingegangen.

Treten in der Stromung lokal starke Druckgradienten auf, z.B. in gasdynamischen Stoßen,muss die Druckkraft

FP = −mF

ρF∇P = −π

6d3P ∇P (44)

berucksichtigt werden; dabei steht mF fur die Masse des durch das Partikel verdrangten Fluids.Wegen der Haftbedingung an der Partikeloberflache reißt das Partikel das umgebende Fluid

mit sich, muss ggf. also auch das umgebende Fluid beschleunigen. Dieser zusatzliche Stromungs-widerstand wird als Einfluss der virtuellen Masse bezeichnet,

FVM = cVM12mF

(duFdt− duP

dt

). (45)

Teilt man die Partikelbewegungsgleichung durch die Partikelmasse, so enthalt die virtuelle Mas-senkraft das Dichteverhaltnis ρF /ρP als Vorfaktor, welcher fur Gas-Feststoff-Stromungen vielkleiner eins ist. Diese Kraft wird daher in der vorliegenden Arbeit gegenuber den anderen Kraftenvernachlassigt.

Die Basset-Kraft beschreibt die Zahigkeitskraft, die sich aus einer instationaren Beschleu-nigung des Partikels relativ zum Fluid ergibt,

FB = 3π dPρF νF

t∫−∞

K (t− τ, τ)d (uF − uP )

dτdτ ; (46)

K (t− τ, τ) =

[

4π (t− τ) νFd2P

]1/4

+

[π |uF (τ)− uP (τ)|3

dP νF f3B (Ret)

(t− τ)2

]1/2−2

;

fB (Ret) = 0.75 + 0.105 Ret (τ) ; Ret (τ) =dP |uF (τ)− uP (τ)|

νF.

Aufgrund der hohen Komplexitat dieses Ausdrucks und des Aufwands zu seiner Berechnung wirddiese Kraft meist nicht berucksichtigt. Fur Gas-Feststoff-Stromungen ist dies auch zulassig, dadiese Kraft fur ρF /ρP 1 kaum Einfluss auf die Bewegung besitzt.

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2.4 Modelle fur die Partikelphase 17

Eine weitere Kraft tritt auf, falls das Partikel rotiert, die sogenannte Magnus-Kraft. Wennsich ein Partikel parallel zum Fluid bewegt, fuhrt die Rotation durch die Haftbedingung anseiner Oberflache zu einer Beschleunigung des Fluids auf der einen und zu einer Verzogerungauf der gegenuberliegenden Seite. Der dadurch lokal verringerte bzw. erhohte Druck bewirkt diequer zur Stromung ausgerichtete Kraft

FM = cMπ

8ρF d

2P

|urel||ωrel|

(ωrel × urel) (47)

mit der Rotation ωrel des Partikels relativ zum Fluid und dem empirisch zu ermittelnden Beiwertder Magnus-Kraft cM . Da die Partikelrotation in Ansys CFX derzeit nicht berechnet werdenkann, wurde diese Kraft nicht berucksichtigt.

Analog ergibt sich bei einer Scherung der Stromung durch den Geschwindigkeitsgradientenebenfalls eine ungleichmaßige Druckverteilung und somit eine Querkraft auf das Partikel, dieSaffman-Kraft, in Richtung der großeren Relativgeschwindigkeit. Fur eine dreidimensionaleStromung ergibt sich mit dem aus Messungen zu ermittelnden Beiwert cS der Saffman-Kraft dieGleichung

FS = cS14ρF d

2P

√νF√ΩF

(urel ×ΩF ) (48)

mit der Rotation des Fluidgeschwindigkeitsfelds ΩF = ∇× uF . Diese Kraft ist derzeit nicht inCFX implementiert, spielt jedoch in Wandnahe oder am Rand von Freistrahlen eine Rolle.

Zusatzlich wirken auf das Partikel Volumenkrafte, hier vor allem die Gravitations- und diehydrostatische Auftriebskraft

FG + FA = mPg −mFg =π

6d3P (ρP − ρF ) g (49)

mit der Erdbeschleunigung g, wobei die Auftriebskraft in Gas-Feststoff-Stromungen wiederumvernachlassigbar ist. Weitere Volumenkrafte konnen durch elektromagnetische Felder sowiedurch die Thermophorese in Stromungen mit sehr großen Temperaturgradienten entstehen,die jedoch allesamt in der vorliegenden Arbeit keine Rolle spielen.

Der Einfluss der Turbulenz der kontinuierlichen Phase auf die Bewegung der Partikel, dieturbulente Dispersion, wird in Ansys CFX durch das folgende Modell berucksichtigt. Hier-in wird die Momentangeschwindigkeit des Fluids am aktuellen Partikelort benotigt, welche ausden RANS-Mittelwerten der Geschwindigkeit und der turbulenten kinetischen Energie der Ge-schwindigkeitsschwankungen gewonnen wird,

uF,i = uF,i + u′F,i mit u′F,i = ξ

√23k , (50)

wobei ξ eine normalverteilte Zufallszahl mit Mittelwert null und Standardabweichung eins be-zeichnet. An dieser Stelle wird die Unabhangigkeit der Fluktuationen in allen drei Raumdimen-sionen i angenommen, wodurch streng genommen die Kontinuitatsgleichung nicht erfullt wird.Diese Fluid-Momentangeschwindigkeit geht in die Bewegungsgleichung des Partikels ein undbewirkt aufgrund der zufalligen Schwankungen eine stochastische Bahnberechnung.

Im Modell ist die zufallige Generierung der Fluidgeschwindigkeitsschwankungen gleichbedeu-tend mit der Erzeugung eines turbulenten Wirbels der Große le und Lebensdauer τe,

le = C3/4µ

k3/2

ε, τe =

le√23 k

(51)

mit der Konstante Cµ = 0.09 aus dem k-ε-Turbulenzmodell, die das charakteristische Lan-genmaß mit der Wirbeldissipationslange korreliert. Die Fluidmomentangeschwindigkeit gilt aus

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18 2 GRUNDLAGEN

Abbildung 3: Zur Modellierung des Partikel-Wand-Stoßes in CFX.

Sicht des Partikels, solange die Verweilzeit des Partikels im Wirbel kleiner als τe und die relativzum Wirbel zuruckgelegte Strecke kleiner als le ist. Bei Uberschreitung eines dieser Kriterienwird ein neuer Wirbel generiert, der auf den lokalen Turbulenzeigenschaften der kontinuierlichenPhase basiert.

Nachteil dieses Dispersionsmodells ist, dass die raumliche und zeitliche Korrelation der tur-bulenten Geschwindigkeitsschwankungen der kontinuierlichen Phase entlang der Teilchenbahnnicht berucksichtigt wird. Außerdem wird von isotroper Turbulenz ausgegangen, eine Voraus-setzung, die jedoch bei Einsatz eines Reynolds-Spannungsmodells entfallen konnte, da in diesemFall Informationen uber die einzelnen Normalspannungen vorliegen.

Die Gegenwart der Partikel bewirkt auch eine Modulation der Turbulenz in der kontinuier-lichen Phase. Dabei kann die Turbulenzintensitat sowohl erhoht werden, indem vor allem beigroßeren Partikeln Nachlaufwirbel entstehen, als auch gedampft werden, da durch Anregung derFluktuation der Partikel durch das Fluid Arbeit verrichtet wird. Diese Effekte sind immer nochGegenstand aktueller Forschung und bisher nicht allgemein geklart; auch deshalb sind diese inCFX derzeit nicht implementiert.

Treffen Partikel auf feste Wande der Stromungsgeometrie, so unterliegen sie den inelastischenStoßgesetzen, siehe Abbildung 3. Die Software CFX enthalt ein sehr simples Wandstoßmodell, indas die Oberflachenrauhigkeit der Wand nicht eingeht. Es konnen lediglich die Stoßzahl bzw. derRestitutionskoeffizient e senkrecht zur Begrenzung und ein Verlustkoeffizient parallel zur WandµW

e =v′P,⊥vP,⊥

; µW =v′P,‖vP,‖

(52)

angegeben werden, aus denen die Geschwindigkeitskomponenten des kugelformigen Partikelsnach dem Stoß, gekennzeichnet durch ein Hochkomma, berechnet werden. Bei realen Partikel-Wand-Kollisionen werden die Partikel in Drehbewegung gesetzt und die Abprallrichtung unter-liegt aufgrund der Oberflachenrauhigkeit in gewissen Grenzen dem Zufall. Hierzu gibt es eineReihe komplexerer Modelle, z.B. von Sommerfeld, [12], die allerdings im Moment nicht in CFXverfugbar sind. Aus diesem Grund ist auch eine Berechnung der Partikelrotation in CFX nichtmoglich, vgl. Kapitel 3.

Der konvektive Warmeubergang zwischen Partikeln und Fluidphase wird nach der Kor-relation von Ranz und Marshall fur kugelformige Partikel, die durch Hughmark fur großereReynoldszahlen erweitert wurde,

Nu =hc dPλF

= 2 + 0.6 Re1/2P Pr1/3 fur ReP < 776 (53)

Nu = 2 + 0.27 Re0.62P Pr1/3 fur ReP ≥ 776 (54)

mit der Prandtl-Zahl Pr = λF / (ρ cP,F ) und dem Warmeubergangskoeffizienten hc berechnet.

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2.5 Verbrennungsvorgange 19

Weitergehende Erlauterungen und ergiebiges Datenmaterial zur Euler-Lagrange-Modellie-rung findet sich in den Habilitationsschriften von Sommerfeld, [12], und Frank, [11].

2.5 Verbrennungsvorgange

Bei technischen Verbrennungsprozessen spielt die Kopplung chemischer Reaktionen mit derStromung eine bedeutende Rolle. Die Chemie beschreibt die Oxidation der Brennstoffe undwird durch in der Regel sehr große Reaktionsmechanismen wiedergegeben, die zur Reduzierungdes Berechnungsaufwands meist vereinfacht werden. Verbrennung in einer turbulenten Stromungfuhrt zu einer Dichteanderung durch Warmefreisetzung und eventuell damit einhergehender Er-zeugung von Turbulenz.

Es werden vier grundlegende Flammentypen aufgrund spezifischer Charakteristika unter-schieden: Vorgemischte Flammen, bei denen Brennstoff und Luft vor der Verbrennung bereitsperfekt gemischt sind, und nicht-vorgemischte Flammen, wofur Brennstoff und Luft getrenntzugefuhrt werden und die Mischung und Verbrennung naherungsweise gleichzeitig erfolgt. Diesebeiden Typen werden weiter unterteilt in laminare und turbulente Verbrennung.

Laminare vorgemischte Flammen findet man z.B. an einem Bunsen- oder einem Flachflam-men-Brenner, turbulente vorgemischte Flammen in einem Otto-Motor mit Saugrohreinspritzungoder in stationaren Gasturbinen. Die Warmefreisetzung in laminaren Flammen ist dabei weitweniger intensiv. Laminare, nicht-vorgemischte Flammen entstehen z.B. an einer Kerze oder beieinem Holzfeuer, turbulente nicht-vorgemischte Flammen sind haufig im technischen Einsatz,vor allem bei der Kohlestaub-Verbrennung, der Flugzeug-Gasturbine, dem Diesel-Motor undauch in Raketen-Brennkammern mit Wasserstoff-Sauerstoff-Verbrennung oder beim im Rahmendieser Arbeit untersuchten Meteor-Triebwerk.

Bei chemischen Reaktionen zwischen mehreren Ausgangsstoffen, den Edukten, zu den Pro-dukten wird von einem stochiometrischen Mengenverhaltnis gesprochen, wenn die Molanteiledes Brennstoffs und des Oxidationsmittels in einem Verhaltnis vorliegen, dass beide im irre-versiblen Fall vollstandig verbraucht werden. Zwei wichtige Großen zur Charakterisierung derStochiometrie der Flamme sind die Luftzahl λ und ihr Kehrwert, das Aquivalenzverhaltnis φ,

λ =1φ

=XLuft

XBrennstoff(XLuft

XBrennstoff

)stochiometrisch

, (55)

mit denen zwischen magerer Verbrennung (λ > 1) und fetter Verbrennung (λ < 1) unterschiedenwird. Inerte Stoffe nehmen an den Reaktionen nicht teil.

In Vormischflammen ist die laminare Brenngeschwindigkeit von großer Bedeutung, die dasFortschreiten der Flammenfront beschreibt. Turbulente Vormischflammen erreichen hohere Tem-peraturen und die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen erfolgt weitgehend rußfrei, allerdingssind aufgrund der zundfahigen Mischung hohere Sicherheitsanforderungen zu erfullen. Der Um-satz wird fur vorgemischte Flammen meist durch eine Reaktionsfortschrittvariable beschrieben.

Die Flammenfronten bei nicht-vorgemischter Verbrennung sind komplexer, da das Aqui-valenzverhaltnis alle Zustande abdeckt, 0 ≤ φ ≤ ∞, d.h. man erhalt eine magere Verbrennung aufder Luft-Seite und eine fette auf der Brennstoffseite, wodurch diese Flammen zum Rußen neigen.Die leuchtende Flammenfront liegt bei φ = 1. Durch die Trennung von Brennstoff und Luft ist einBetrieb mit großerer Sicherheit moglich. Daruber hinaus gibt es teilweise vorgemischte Flammen,die z.B. in Diesel- oder Otto-Motoren mit Direkteinspritzung auftreten.

Bei nicht-vorgemischten Zweistromproblemen mit einem Brennstoff- und einem Luftstromkann man einen sogenannten Mischungsbruch einfuhren,

ξ ≡ Zi − Zi2Zi1 − Zi2

, (56)

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20 2 GRUNDLAGEN

der auf dem Massenbruch des Elements i beruht, wobei der Index 1 den Anteil im Brennstoff-strom, der Index 2 den Anteil im Luftstrom darstellt. Durch die Erhaltung der Elemente ist diezu losende partielle Differentialgleichung fur Zi eine Erhaltungsgleichung ohne Quellterm durchReaktionen. Nimmt man daruber hinaus an, dass alle Spezies und die Warme naherungsweisegleich schnell diffundieren, d.h. die Lewis-Zahl Le ≡ λ/cP

ρD = 1, gilt dieser Mischungsbruch furalle Elemente und die Enthalpie gleichermaßen.

Auf Basis des lokalen Werts des Mischungsbruchs kann man nun unter der Annahme – ver-glichen mit den Mischungsvorgangen – sehr schneller Reaktionen von einer sofortigen Einstel-lung des lokalen chemischen Gleichgewichts ausgehen, was i.a. eine Uberschatzung des Umsat-zes darstellt, oder aber in turbulenten Stromungen auch die sogenannte Flamelet-Modellierungwahlen. Hierfur wird davon ausgegangen, dass sich die turbulente Flammenfront aus einem En-semble kleiner laminarer Gegenstrom-Flammen zusammensetzt. Neben der Gleichung fur denMischungsbruch wird auch eine Gleichung fur seine Varianz aufgrund der turbulenten Schwan-kungen gelost, die zusammen auch Aussagen uber Nicht-Gleichgewichtsumsatz und Verloschungermoglichen, s. auch Abschnitt 8.11. Insgesamt ermoglichen turbulente reaktive Stromungendeutlich schnellere Mischungsprozesse und damit kleinere Abmessungen der Brennkammern.

Bei der Verbrennung von Partikeln sind heterogene Reaktionen an der Partikeloberflache vonentscheidender Bedeutung. Hierfur sind drei Schritte notwendig: Die Adsorption von Gasphasen-Spezies an einem freien Oberflachenplatz; die eigentliche Oberflachenreaktion, wobei die adsor-bierten Spezies auf der Oberflache beweglich sein mussen, da zu feste Bindungen die Reaktionverhindern und damit zur Vergiftung der Oberflache fuhren; sowie die Desorption der Produktein die Gasphase. Fur heterogene Reaktionen sind aufgrund der Komplexitat und schwierigen ex-perimentellen Verhaltnisse bisher nur weniger genaue Daten vorhanden, allerdings sind meist dieAdsorptions- und Desorptionsschritte geschwindigkeitsbestimmend, die sich besser untersuchenlassen.

Es ist bekannt, dass die Verbrennung von Partikelkollektiven zu durchaus anderen Ergeb-nissen fuhrt als diejenige von Einzelpartikeln. Wegen der komplexen Vorgange werden – auchim Rahmen der vorliegenden Arbeit – meist Prozesse am Einzelpartikel auf das Kollektiv ver-allgemeinert. Die gegenseitige Beeinflussung benachbarter Partikel durch Veranderung der sieumgebenden Konzentrationsfelder ist allerdings bei dichten Stromungen in der Realitat nicht zuvernachlassigen.

Die Modellierung von Verbrennungsvorgangen, insbesondere heterogener Oberflachenreak-tionen von Borpartikeln, ist ein Schwerpunkt dieser Arbeit. Die Gasphasenchemie als Teil desGesamtprozesses und der Einfluss der Turbulenz auf den chemischen Umsatz wird detailliert inden Abschnitten 8.10.2 und 8.11 behandelt. Einen Uberblick zu dieser Thematik findet man inder Literatur z.B. in [13] oder [14].

Als wichtige Kennzahl sei noch die Damkohler-Zahl eingefuhrt, die das Verhaltnis aus tur-bulentem zum chemischen Zeitmaß

Da =τturb

τchem(57)

darstellt, wofur unterschiedliche Definitionen zum Einsatz kommen. Im allgemeinen kann daschemische Zeitmaß viel starker variieren als das meist verwendete turbulente Makrozeitmaß,zumal bei einem Verbrennungsvorgang viele unterschiedlich schnelle Reaktionen parallel ablau-fen. Aus diesem Grund gilt es, das Zeitmaß der geschwindigkeitsbestimmenden Reaktionen zubetrachten. Bei nicht-vorgemischten Flammen, wie sie im Meteor-Triebwerk auftreten, mitDa 1 bestimmt die langsamere turbulente Mischung den Umsatz, so dass annahernd che-misches Gleichgewicht herrscht; es wird in diesem Fall von schneller Chemie gesprochen. FurDa 1 ist dagegen die Chemie langsamer als die turbulente Mischung, so dass die Reaktions-geschwindigkeiten entscheidend fur den Umsatz sind.

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21

3 Stochastisches Partikel-Partikel-Kollisionsmodell fur dichteGas-Feststoff-Stromungen

Im Anschluss an die Vorverbrennung des Treibsatzes im Gasgenerator, in dem durch Pyrolysedes Plexiglas-ahnlichen Bindermaterials Borpartikel freigesetzt werden und gasformige Kohlen-wasserstoffe entstehen, durchstromt das zweiphasige Gemisch ein Regelventil und das Gasleit-rohr, welches die Verbindung zur Staubrennkammer darstellt. Der Massenanteil der Partikelin dieser Stromung ist mit etwa 70% sehr hoch. Eine solch dichte Mehrphasenstromung kannvom herkommlichen Euler-Lagrange-Loser einer CFD-Software nicht hinreichend genau simu-liert werden, da keine Wechselwirkungen zwischen den Partikeln berucksichtigt werden.

Um die Stromung im Gasleitrohr des Meteor-Triebwerks dennoch abbilden zu konnen,wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit nach ausgiebiger Literaturrecherche das von Oe-sterle erstellte und von Sommerfeld erweiterte stochastische Partikel-Partikel-Kollisionsmodellfur Lagrange’sche Betrachtungsweise zur Implementierung in den verwendeten CFD-Code An-sys CFX ausgewahlt, da es einen guten Kompromiss aus Berechnungsaufwand und Genauigkeitdarstellt.

Nach der eigentlichen Implementierung des aus der Literatur bekannten Modells in den kom-merziellen Stromungsloser wurde die neue Routine anhand einfacher Beispielrechnungen auf ihrekorrekte Funktionsweise gepruft und zunachst vorhandene Fehler beseitigt. Anschließend wurdesie mittels Messdaten dreier ebenfalls aus der Literatur stammender Experimente validiert, umdie deutlich gesteigerte Realitatsnahe der mit Hilfe des Modells durchgefuhrten Simulationengegenuber den bisherigen Rechnungen ohne das Modell zu bestatigen.

Dieses Kapitel gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil wird der dem Modell zu Grundeliegende Algorithmus ausfuhrlich dargestellt und entspricht in dieser Form der Vorgehensweisebei der Implementierung in den Stromungscode. Im zweiten Teil werden die Ergebnisse derSimulationen mit dem Kollisionsmodell den Messdaten aus der Literatur fur drei Geometrien,die in besonderer Weise fur die Uberprufung des Modells geeignet sind, gegenubergestellt. DieResultate dieses Teils der Arbeit wurden auf der International Conference on Multiphase FlowICMF 2007 in Leipzig vorgestellt, [15].

3.1 Algorithmus des stochastischen Kollisionsmodells fur Partikel in disper-sen Gas-Feststoff-Stromungen

In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie das in Ansys CFX vorhandene Euler-Lagrange-Modell dahingehend erweitert wurde, dass auch hochbeladene disperse Gas-Feststoff-Stromungengemaß der Lagrange’schen Betrachtungsweise berechnet werden konnen. Die bisher verwendete,in der Software Ansys CFX implementierte Berechnungsmethode verfolgt die Partikeltrajekto-rien sequentiell, ohne dass die Bewegung der einzelnen Partikel von der Gegenwart der anderenPartikel beeinflusst wird. Folglich ist die Verwendung dieses Modells nur in verdunnten Zwei-phasenstromungen sinnvoll.

Hochbeladen in diesem Sinne bedeutet, dass zwar eine hohe Massenbeladung durch Partikelvorliegt, dass die volumetrische Beladung aber gering ist. Damit werden dichte Mehrphasen-stromungen, bei denen die Kontaktkrafte zwischen den Partikeln gegenuber den aerodynami-schen Kraften durch das Fluid dominieren, wie z.B. in Wirbelschichten oder Haufwerken, aus-geschlossen. Fur die meisten dispersen Mehrphasenstromungen, in denen die Partikeldichte vielgroßer als die Gasdichte ist, kann das unten beschriebene Modell aber verwendet werden. Hin-tergrund ist die Beschrankung auf Kollisionen zwischen nur zwei Partikeln, d.h. binare Stoße,welche moglich ist, wenn der mittlere Abstand zwischen den Partikeln viel großer als der Partikel-durchmesser ist, so dass sich das Partikel die meiste Zeit außerhalb des Einflusses benachbarter

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22 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Partikel befindet.Sowohl das Euler-Euler- als auch das ”klassische“ Euler-Lagrange-Modell konnen hoch-

beladene Gas-Feststoff-Stromungen nur grob annahern. Der in diesem Abschnitt vorgestell-te Algorithmus erweitert das Euler-Lagrange-Modell um ein stochastisches Partikel-Partikel-Kollisionsmodell, das die sogenannte Vier-Wege-Kopplung erlaubt. Mit dieser wird sowohl dergegenseitige Einfluss der Gasphase und der Partikel als auch die Beeinflussung der Partikel un-tereinander durch Stoße berucksichtigt. Mit diesem Modell werden die Vorteile der ”klassischen“Modelle vereinigt.

Das Kollisionsmodell, das auch unter dem Namen ”Iteratives Monte-Carlo-Verfahren“ be-kannt ist, wurde ursprunglich von Oesterle & Petitjean [16], [17] entwickelt und durch Som-merfeld [12],[18] verbessert. Die hier prasentierte Form basiert auf der Modellbeschreibung undDiskussion in der Habilitationsschrift von Frank [11]. Das Modell geht von kugelformigen Par-tikeln aus.

Die Grundidee des Modells ist, die Partikelbahnen sequentiell zu ermitteln und trotzdemInformationen uber andere Partikel zu besitzen, die es ermoglichen, Kollisionen zwischen Par-tikeln zu berechnen. Der Aufwand fur N Partikel ist lediglich linear in der Anzahl, O(N). Diesequentielle Vorgehensweise erfordert es, diese Informationen vor der Trajektorienberechnung zurVerfugung zu stellen. Hierfur werden nach Abschluss der Berechnungen aller Trajektorien einerLagrange-Iteration Mittelwerte benotigter Variablen, wie z.B. der Konzentration der Partikel-stromung oder der Teilchengeschwindigkeiten, und die Standardabweichung bestimmter Großen,z.B. der Geschwindigkeitskomponenten, in jeder Zelle des Rechengitters gebildet. Diese lokalenstatistischen Daten dienen in der darauffolgenden Iteration in jedem Schritt der Bahn als Basisfur die Generierung eines – jeweils neuen – virtuellen Kollisionspartners, dessen Eigenschaftengerade die lokalen Mittelwerte in der Umgebung des realen Partikels, ggf. erganzt durch einenstochastischen Schwankungsterm, widerspiegeln. Weiter wird aus den Daten die Wahrscheinlich-keit einer Kollision zwischen dem aktuell berechneten Partikel P1 und dem virtuell gebildetenPartikel P2 ermittelt. Eine Zufallsentscheidung entsprechend dieser Wahrscheinlichkeit bestimmtanschießend, ob eine Kollision erfolgt oder nicht. Findet sie statt, wird die Kollision determini-stisch entsprechend den Eigenschaften des realen und des virtuell erzeugten Partikels berechnet,und man erhalt die neuen Geschwindigkeiten des realen Partikels, wahrend das virtuelle Partikelnicht weiter benotigt und daher verworfen wird. Findet kein Stoßprozess statt, behalt das realePartikel seine Geschwindigkeit unverandert bei.

Eine simultane Verfolgung aller Bahnen wurde eine Uberprufung auf gegenseitige Kollisionenzwischen jedem einzelnen Partikelpaar notwendig machen. Dieser enorme Aufwand O

(N2)

wirddurch den Einsatz des stochastischen Kollisionsmodells vermieden. Nichtsdestoweniger enthaltdieses eine iterative Prozedur, so dass die Berechnung der Partikeltrajektorien mehrere Male mitdem sich daraus neu ergebenden Gasstromungsfeld wiederholt werden muss.

Im folgenden werden alle notwendigen Schritte des Algorithmus detailliert beschrieben. Dieeinzelnen Unterabschnitte reprasentieren dabei den Ablaufplan, der sich wie folgt zusammen-setzt, siehe Abbildung 4:

• Aufruf der Unterroutine durch den Loser, Ubergabe der Variablen.

• Berechnung der Momentangeschwindigkeit des virtuellen Kollisionspartners.

• Ermittlung der Stoßwahrscheinlichkeit und Entscheidung uber das Stattfinden einer Kol-lision.

– Erfolgt ein Stoß, so wird

∗ die Position des virtuellen Kollisionspartners bestimmt und

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3.1 Algorithmus des stochastischen Partikel-Kollisionsmodells 23

Abbildung 4: Flussdiagramm des Kollisionsmodell-Algorithmus.

∗ der binare Stoß deterministisch berechnet;

– erfolgt keine Kollision, bleiben die Geschwindigkeiten unverandert.

• Durchlaufen einer Schleife bis zur vollstandigen Berechnung der Bahn des aktuellen Par-tikels P1.

• Mittelungsprozedur durch den Loser nach der Berechnung aller Trajektorien.

Die Implementierung erfolgte in der Programmiersprache FORTRAN. In der hier dargestell-ten Form sind sowohl translatorische als auch rotatorische Bewegung der Partikel erlaubt. Inder Programmanwendung wurde von einer Berucksichtigung der Partikelrotation aufgrund deshoheren Implementationsaufwandes fur die Partikel-Wandkollisionen zunachst abgesehen. Diegegebenen Gleichungen vereinfachen sich dadurch an entsprechender Stelle, indem die Varia-blen der Partikelrotation und die Reibungsbeiwerte zu null gesetzt werden. Nach Aussagen vonFrank, [19], spielt die Partikelrotation bei Partikeln geringen Durchmessers wegen der die Rotati-on dampfenden viskosen Reibung im Fluid eine untergeordnete Rolle, so dass die oben genannteVereinfachung fur solche Stromungen in erster Naherung auch zulassig ist.

3.1.1 Aufruf der Unterroutine durch den Loser

Wahrend jeden Zeitschritts in der Berechnung der Partikeltrajektorien muss der Loser diePartikel-Partikel-Kollisionsroutine aufrufen und ihr die notwendigen Variablen ubergeben. Indieser Unterroutine wird entschieden, ob ein Stoß stattfindet oder nicht. Im Falle einer Kollisiongibt die Unterroutine die neuen Werte der Translations- und Rotationsgeschwindigkeiten desbetrachteten Partikels an den Loser zuruck.

Die fur das unten beschriebene Unterprogramm benotigten Variablen sind u.a. die lokalemittlere Translations- und Rotationsgeschwindigkeit des aktuellen realen Partikels und deren

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24 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

mittlere Schwankungsgroßen, die in der vorangegangenen Lagrange-Iteration vor dem aktuel-len Aufruf gemittelt wurden. Das bedeutet, dass die erste Lagrange-Iteration in einer solchenSimulation ohne Aufruf der Kollisionsroutine ausgefuhrt werden muss, damit die benotigtenMittelwerte bereitgestellt werden konnen, auf die anschließend zugegriffen werden soll.

Auch der lokale mittlere Partikeldurchmesser und dessen Standardabweichung sowie die loka-le Partikelanzahldichte mussen an die Routine ubergeben werden. Daruber hinaus benotigt manden Durchmesser, den Aufenthaltsort und die Momentangeschwindigkeit des aktuellen Partikels.Der Zeitschritt der Lagrange-Iteration muss der Unterroutine bekannt und durch sie veranderbarsein. Ruckgabewerte der Unterroutine sind die neue translatorische und Rotationsgeschwindig-keit des aktuellen Partikels. Ist eine Zufallszahl zwischen null und eins kleiner als die Kollisions-wahrscheinlichkeit, werden die Geschwindigkeiten nach dem Stoß bestimmt und an den Loserzuruckgegeben, andernfalls bleiben sie unverandert.

Anhang A enthalt eine vollstandige Ubersicht uber die zwischen Kollisionsroutine und Loserauszutauschenden Variablen.

3.1.2 Berechnung der Momentangeschwindigkeit des fiktiven Kollisionspartners

Bei der Berechnung der Momentangeschwindigkeit des virtuellen Stoßpartners wird eine moglicheKorrelation der turbulenten Schwankungsgeschwindigkeiten des realen und des fiktiven Partikelsberucksichtigt.

Zunachst wird die turbulente Stokeszahl Stt berechnet

Stt =τRτe

, (58)

wobei τe die charakteristische Wirbellebensdauer

τe = cTk

ε(59)

ist, die mit der turbulenten kinetischen Energie k und der turbulenten Dissipationsrate ε be-rechnet wird und die das integrale turbulente Zeitmaß der energiereichsten Wirbel darstellt,vgl. Formel 51 zur turbulenten Dispersion der Partikel. Die Konstante cT ∈ [0.135, 0.46] wird zu0.3 gewahlt, siehe [20],[21]; die Bestimmung ihres Wertes wird als kritischer Punkt des verwen-deten Turbulenzmodells angesehen, [21].

Je nach verwendetem Turbulenzmodell fur die Gasphase wird die Berechnung der Variablen-werte von k und ε angepasst, z.B. bei Verwendung eines Reynoldsspannungsmodells oder beiLosung der ω-Gleichung. Dies wird durch Ansys CFX automatisch vorgenommen.

τR ist die aerodynamische Partikelrelaxationszeit, die sich aus einer eindimensionalen Krafte-bilanz am Partikel unter der ausschließlichen Berucksichtigung der Tragheits- und Widerstands-krafte ergibt. Das Ergebnis lautet

τR =ρP d

2P

18 ρF νf=ρP d

2P

18 ηf. (60)

Kleine Partikel, die der Gasstromung folgen, haben eine turbulente Stokeszahl kleiner eins, tragePartikel haben turbulente Stokeszahlen großer als eins.

Mit Hilfe dieser Großen wird die Geschwindigkeitskorrelationsfunktion nach Sommerfeld,[12], berechnet

R (Stt) = exp(−0.55 St0.4

t

). (61)

Diese Korrelationsfunktion wurde in [18] durch Anpassung an Daten aus LES-Berechnungeneines homogenen isotropen Turbulenzfeldes, welches einen sehr einfachen Fall darstellt, durch

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3.1 Algorithmus des stochastischen Partikel-Kollisionsmodells 25

Lavieville, Deutsch und Simonin, [22], erhalten. Diese Grundlage des Modells muss berucksich-tigt werden, wenn es auf komplexere Stromungen angewendet werden soll.

Als nachstes wird die Schwankungsgeschwindigkeit des virtuellen Stoßpartners berechnet,

v′2,i = R (Stt) v′1,i + σP,i

√1−R (Stt)

2 ξ , (62)

wobei die Indices 1 and 2 fur das betrachtete reale bzw. das fiktive Partikel stehen. Der Indexi reprasentiert die drei Raumdimensionen. v′1,i ist die i-te Komponente der Fluktuationsge-schwindigkeit des realen Partikels, die aus dem Partikelturbulenzmodell resultiert. In diesemUnterabschnitt bezeichnet das Hochkomma eine Schwankungsgroße. Da die Software AnsysCFX durch den Loser die Momentangeschwindigkeit bereitstellt, erhalt man die Fluktuations-geschwindigkeit durch Subtraktion der lokal uber alle Partikel in der aktuellen Zelle gemitteltenGeschwindigkeit von der Momentangeschwindigkeit des Partikels

v′1,i

∣∣∣(n+1)

= v1,i|(n+1) − v1,i|(n) . (63)

Dabei steht (n + 1) fur die laufende Lagrange-Iteration und (n) fur die vorangegangene. DerQuerstrich uber einer Große kennzeichnet den Mittelwert dieser Große in der letzten Iteration.

σP,i stellt die i-te Komponente der lokal gemittelten Schwankungsgeschwindigkeit des Par-tikels dar, die in der vorangegangenen Iteration (n) bestimmt wurde

σP,i = v1,i|(n) − v1,i|(n−1) . (64)

Die Mittelungsprozedur muss durch den Loser nach Abschluss der Berechnung aller Trajektorieneiner Iteration durchgefuhrt werden, d.h. nach der vorherigen Iteration (n). Zu diesem Zeitpunktsind die Mittelwerte der Iteration (n− 1) noch bekannt. Jedes σP,i stellt eine Feldgroße fur eineGeschwindigkeitskomponente dar und muss durch den Loser an die Kollisionsmodellroutine inAbschnitt 3.1.1 ubergeben werden.

ξ ist eine normalverteilte Zufallszahl mit dem Mittelwert null und einer Standardabweichungvon eins. Es steht fur den unkorrelierten Teil der Schwankungsgeschwindigkeit des virtuellenStoßpartners.

Schlussendlich wird die Momentangeschwindigkeit des Kollisionspartners durch

v2,i = v1,i|(n) + v′2,i (65)

berechnet.Dieselbe Vorgehensweise muss auf die Rotationsgeschwindigkeit des fiktiven Stoßpartners an-

gewandt werden – mit einer Ausnahme: In erster Naherung sind die Rotationsgeschwindigkeitender beiden Partikel nicht korreliert. In der Literatur zu diesem Modell ist Genaueres zu diesemPunkt nicht angegeben. Primare Quelle fur die Partikelrotation sind jedoch Partikel-Wand-Stoßereignisse, die unkorreliert sind und nicht durch die turbulente Schwankungsbewegung desFluids hervorgerufen werden. Es wird daher angenommen, dass die momentane Rotationsge-schwindigkeit analog zu den Gleichungen 62, 64 und 65 berechnet werden kann

ω2,i = ω1,i|(n) + σω,i ζ , (66)

ohne einen Korrelationsterm, mit σω,i als i-ter Komponente des lokal gemittelten Schwan-kungsanteils der Rotationsgeschwindigkeit des Partikels, die in der vorangegangenen Iteration(n) bestimmt wurde

σω,i = ω1,i|(n) − ω1,i|(n−1) ; (67)

fur die Mittelung gilt wieder das oben Gesagte. ζ ist erneut eine normalverteilte Zufallszahl mitdem Mittelwert null und einer Standardabweichung von eins.

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26 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

3.1.3 Stoßfrequenz und Stoßwahrscheinlichkeit

Zur Berechnung der Stoßfrequenz benotigt man drei weitere Variablen: die Partikelanzahldichteund die Durchmesser der beiden kollidierenden Partikel.

Die Partikelanzahldichte nP ist eine Feldgroße, die die absolute Anzahl der Partikel in jedemKontrollvolumen des Rechengitters pro Einheitsvolumen

(NP /m3

)ausdruckt. Diese Große muss

durch den Loser nach Abschluss der Berechnung aller Trajektorien einer Lagrange-Iterationermittelt und an die Unterroutine ubergeben werden. Die Definition der Anzahldichte ist gegebendurch

nP,j =NP

1 m3=

1VZ,j

nTraj∑i=1

nP ∆τi,j , (68)

wobei die Anzahldichte nP,j im Kontrollvolumen j sich aus der Summe der Anteile jeder Tra-jektorie i der Partikelanzahlrate nP und der Verweilzeit der Trajektorie i, ∆τi,j , in der Zellej, geteilt durch das Volumen der Zelle j, zusammensetzt. Die Partikelanzahlrate ist dabei eineauf der Trajektorie gespeicherte Große, die die Anzahl der realen Partikel, die pro Sekunde aufdieser reprasentativen Trajektorie verlaufen, bezeichnet.

Der Durchmesser dP1 des betrachteten realen Partikels muss durch den Loser geliefert wer-den. Der entsprechende Wert des virtuellen Stoßpartners muss der aktuellen lokalen Durchmes-serverteilung entnommen werden, die durch einen mittleren Durchmesser und eine Standardab-weichung spezifiziert wird und sich z.B. durch lokale Entmischung großer und kleiner Partikelaufgrund von Tragheitskraften oder bei Anwendung eines Erosionsmodells andern kann. Siemuss nach der vorhergehenden Iteration berechnet werden, und man erhalt den Durchmesserdes Stoßpartners

dP2 = dP∣∣∣(n)

+ σdP χ , (69)

wobei dP∣∣∣(n)

der lokal gemittelte Partikeldurchmesser wahrend der letzten Lagrange-Iteration,

σdP die entsprechende Standardabweichung und χ ist eine normalverteilte Zufallszahl mit demMittelwert null und einer Standardabweichung von eins ist. Mit Vorhandensein dieser Datenkann die Stoßfrequenz in Analogie zur kinetischen Gastheorie, [16], berechnet werden

fc =π

4(dP1 + dP2)2 |~v1 − ~v2| nP , (70)

~v1 und ~v2 stellen in der Modellerweiterung nach Sommerfeld die in Abschnitt 3.1.2 erhaltenenMomentangeschwindigkeiten dar.

Als nachstes muss die Stoßwahrscheinlichkeit, die eine Funktion des Produktes aus Stoßfre-quenz und Zeitschritt der Lagrange-Iteration ∆t ist, berechnet werden

Pc = 1− exp (−fc ∆t) . (71)

Der Zeitschritt der Lagrange-Iteration muss durch den Loser an die Unterroutine ubergeben wer-den. Daruber hinaus muss die Kollisionsroutine in der Lage sein, den Zeitschritt zu beeinflussen.Um die Genauigkeit der Berechnung zu gewahrleisten, wird der maximal mogliche Zeitschrittbegrenzt

∆t ≤ 0.051fc

mit1fc

= τc , (72)

wobei τc die Zeitspanne zwischen zwei aufeinanderfolgenden Stoßen bezeichnet. Es ist anzumer-ken, dass diese Beeinflussung des Zeitschritts in der Implementierung nicht einfach vorzunehmenwar. Umgesetzt wurde in der ersten Version die Variante, dass eine Beschrankung des Zeitschritts

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3.1 Algorithmus des stochastischen Partikel-Kollisionsmodells 27

immer erst im nachsten Schritt zur Wirkung kommt, dies vereinfachte den Implementationsauf-wand. Das gewahlte Maximum fur den Zeitschritt erhalt man aus der Abschatzung des Feh-lers, der sich bei einer Vereinfachung der Formel fur die Kollisionswahrscheinlichkeit fur dengewunschten Fall, dass innerhalb eines Zeitschritts hochstens eine binare Kollision auftritt, er-gibt. Der relative Fehler liegt bei Wahl dieses Zeitschritts unter 2.5%. Eine genaue Herleitung istin [23] gegeben. Aus dem maximalen Zeitschritt folgt fur die Stoßwahrscheinlichkeit Pc < 0.0488.Unter dieser Bedingung konnen daher in hochstens 5% der Falle Kollisionen auftreten.

Nach der hier dokumentierten Testphase wurde das Kollisionsmodell fur die Version 12 derSoftware Ansys CFX fest in den Code eingebaut. Hierdurch ergab sich die Moglichkeit, dieZeitschrittsteuerung schon vor dem Aufruf der Berechnung des Stoßvorgangs einzubinden, sodass der oben beschriebene geringe Fehler vermieden wird und die Zeitschrittbeschrankung sofortgreift. Außerdem hat Oesterle einen abweichenden Vorschlag zur Zeitschrittberechnung gemacht,der einer zugigeren Berechnung dienen soll, [24]; dieser wird in Anhang B beschrieben und istin CFX 12 ebenfalls als Alternative wahlbar.

Nach jedem Schritt des Partikels entlang seiner Trajektorie, d.h. nachdem bereits die neueGeschwindigkeit des Partikels fur den Fall ausbleibender Kollision nur unter Einfluss der Gas-phase berechnet worden ist, wird eine gleichverteilte Zufallszahl ψ ∈ [0, 1] erzeugt und mit derStoßwahrscheinlichkeit verglichen.

• Wenn die Wahrscheinlichkeit einer Kollision großer als die erzeugte Zufallszahl ist, Pc ≥ ψ,wird der Partikel-Partikel-Stoß mit dem fiktiven Kollisionspartner deterministisch berech-net, siehe die Abschnitte 3.1.4 und 3.1.5.

• Falls die Stoßwahrscheinlichkeit kleiner als die Zufallszahl ist, Pc < ψ, findet keine Kollisionstatt, und die Berechnungen aus den Abschnitten 3.1.4 und 3.1.5 werden ausgelassen. DieFortsetzung erfolgt dann in Abschnitt 3.1.6.

3.1.4 Position des virtuellen Stoßpartners

Die Position des fiktiven Kollisionspartners muss ebenfalls auf stochastische Weise erzeugt wer-den. Hierfur ist es einfacher, ein lokales Koordinatensystem zu verwenden, um den Stoßpartnerrelativ zum realen Partikel zu erzeugen und die Position anschließend in das globale Koordina-tensystem zuruckzutransformieren.

Der Ursprung des lokalen Koordinatensystems ist der Mittelpunkt des realen Partikels P1.Der erste Basisvektor ist entlang der Achse des Kollisionszylinders in positiver Richtung derRelativgeschwindigkeit der beiden Partikel orientiert

~n′ =−−−→vP,rel

|−−−→vP,rel|=

~v1 − ~v2

|~v1 − ~v2|. (73)

Fur den zweiten und dritten Basisvektor mussen zwei Falle unterschieden werden:

Wenn ~n′ =

100

, dann ~t′ =

010

, ~k′ =

001

; (74)

andernfalls ~t′ = ~n′ ×

100

, ~k′ = ~n′ × ~t′ . (75)

Man erhalt ein lokales, rechtsorientiertes Koordinatensystem als Orthonormalbasis, das am Stoß-zylinder ausgerichtet ist, siehe Abbildung 5.

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28 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Abbildung 5: Stoßzylinder um Partikel P1 und Position des Partikels P2

Die Wahrscheinlichkeit fur die Position des virtuellen Partikels ist uber den Querschnitt desStoßzylinders gleichverteilt. Der Ort des Partikelmittelpunkts wird durch zwei gleichverteilteZufallszahlen bestimmt

y′P2, z′P2 ∈

[−1

2(dP1 + dP2) ,+

12

(dP1 + dP2)], (76)

unter der zusatzlichen Bedingung, dass die Position des Partikelmittelpunkts innerhalb des Stoß-zylinders liegen muss

y′2

P2 + z′2

P2 ≤14

(dP1 + dP2)2 . (77)

Die Verschiebung entlang der ~n′-Achse wird so gewahlt, dass der Mittelpunkt auf einer Halbku-geloberflache mit dem Radius 1

2 (dP1 + dP2) um den Mittelpunkt des Partikels P1 in positiverRichtung der Relativgeschwindigkeit liegt

x′P2 =√

14

(dP1 + dP2)2 − y′2P2 − z′2

P2 . (78)

Abschließend wendet man die Rucktransformation an, um die globalen Koordinaten deszweiten Partikels zu erhalten. Diese Transformation setzt sich aus einer Drehung und einerParallelverschiebung zusammen, erstere wird mit Hilfe der Richtungskosinus zwischen neuen(globalen) und alten (lokalen) Achsen vollzogen. Da orthonormale Basen verwendet werden,d.h. die Lange der Basisvektoren eins betragt, entsprechen die Richtungskosinus gerade demSkalarprodukt zwischen alten und neuen Achsen, z.B. l1 fur ~n′ und ~x:

l1 := cos(6 ~n′, ~x

)=∣∣∣~n′∣∣∣ · |~x| · cos

(6 ~n′, ~x

)=⟨~n′, ~x

⟩= ~n′x . (79)

Fur die Rotation erhalt man die Matrix der Skalarprodukte der jeweiligen Achsen, und diegedrehte Position ist xP2

yP2

zP2

=

n′x t′x k′xn′y t′y k′yn′z t′z k′z

x′P2

y′P2

z′P2

. (80)

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3.1 Algorithmus des stochastischen Partikel-Kollisionsmodells 29

Diese gedrehte Position wird nun um den Ortsvektor von Partikel P1 parallel verschoben, umdie globalen Koordinaten des Partikels P2 zu erhalten xP2

yP2

zP2

=

xP2

yP2

zP2

+

xP1

yP1

zP1

. (81)

3.1.5 Deterministische Berechnung eines binaren Stoßes

An diesem Punkt besitzt man die Informationen uber den Ort, die Translations- und die Rota-tionsgeschwindigkeit des fiktiven Kollisionspartners. Der nachste Schritt ist, die durch den Stoßhervorgerufene Anderung der Geschwindigkeiten deterministisch zu bestimmen.

Fur diese Berechnung ist es ebenfalls einfacher, ein lokales Koordinatensystem zu verwenden,das sich allerdings von dem vorangegangenen unterscheidet.

Der Ursprung dieses Koordinatensystems ist wieder der Mittelpunkt des Partikels P1, O1 =(xP1, yP1, zP1)Tglobal. Der erste normierte Basisvektor verlauft entlang der Geraden durch beidePartikelmittelpunkte

~n =−−−→O1O2∣∣∣−−−→O1O2

∣∣∣ =1√

(xP2 − xP1)2 + (yP2 − yP1)2 + (zP2 − zP1)2

xP2 − xP1

yP2 − yP1

zP2 − zP1

. (82)

Der zweite Basisvektor ~t verlauft parallel zur Tangente an beide Partikel im KontaktpunktM . Zusatzlich ist er komplanar mit dem Vektor der Relativgeschwindigkeit −−−→vP,rel = ~v2− ~v1. Daherist es einfacher, zunachst den dritten Basisvektor ~k und anschließend Vektor ~t zu berechnen

~k =~n×−−−→vP,rel

|~n×−−−→vP,rel|, ~t = ~k × ~n . (83)

Man erhalt ein lokales, rechtsorientiertes, orthonormales Koordinatensystem(O1, ~n,~t,~k

). Die

Vektoren ~n, ~t und −−−→vP,rel liegen in einer Ebene, der Stoßebene, auf welcher der Vektor ~k senkrechtsteht.

Um den Stoß zu berechnen, muss man die Momentangeschwindigkeiten der Partikel, die inAbschnitt 3.1.2 erhalten wurden, in das lokale

(O1, ~n,~t,~k

)-System transformieren. Dies wird

erneut unter Anwendung der Richtungskosinus, wie in Abschnitt 3.1.4 gezeigt, durchgefuhrt,allerdings mit der Transponierten der Rotationsmatrix, da es sich nun um die Hintransformationhandelt. Man erhalt

~v1|ntk =

nx ny nztx ty tzkx ky kz

~v1|xyz , (84)

und die gleiche Transformation wird in analoger Weise auf ~v2, ~ω1 und ~ω2 angewandt.Fur die Bestimmung der Geschwindigkeiten nach dem Stoß muss das von einem zum ande-

ren Partikel ubertragene Moment ~J berechnet werden. Es werden zwei Falle fur die tangentialenKomponenten von ~J unterschieden: Der Haftstoß und der Gleitstoß. Wahrend eines Haftsto-ßes unterbleibt die Relativbewegung der Partikel im Kontaktpunkt, wohingegen wahrend einesGleitstoßes die Relativbewegung der Kontaktflachen unter Einfluss der Gleitreibung andauert.Die Herleitung der nun folgenden Formeln wird in Anhang C beschrieben.

Drei Großen mussen durch den Anwender des Modells bereitgestellt werden: Die Stoßzahl(Restitutionskoeffizient) e, der Haftreibungsbeiwert µf,s und der Gleitreibungsbeiwert µf,k fur

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30 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Partikel-Partikel-Stoße. Diese Parameter beeinflussen die entstehende Stromung entscheidendund mussen fur jedes verwendete Partikelmaterial gemessen werden.

Eine Hilfsvariable, die zur Berechnung des ubertragenen Impulses nutzlich ist, ist die Rela-tivgeschwindigkeit der Partikel in ihrem Kontaktpunkt M . Im

(O1, ~n,~t,~k

)-System erhalt man

~v∗1 = ~v1 −dP1

2(~n× ~ω1) (85)

~v∗2 = ~v2 +dP2

2(~n× ~ω2) (86)

~vR = ~v∗1 − ~v∗2 =

vRnvRtvRk

=

v1n − v2n

v1t + dP12 ω1k − v2t + dP2

2 ω2k

v1k − dP12 ω1t − v2k − dP2

2 ω2t

. (87)

Die normale Komponente des ubertragenen Impulses hangt nicht von der Art des Stoßes ab.Aus der Herleitung ergibt sie sich zu

Jn = − m1m2

m1 +m2(1 + e) (v1n − v2n) , (88)

wobei mi = ρPπ6 d

3Pi die Masse des Partikels i bezeichnet.

Die Fallunterscheidung fuhrt zu der folgenden Bedingung fur einen Haftstoß√v2Rt + v2

Rk ≤72

(1 + e) µf,s |v1n − v2n| . (89)

Fur die zwei tangentialen Komponenten des ubertragenen Impulses erhalt man

Jt = −27

m1m2

m1 +m2vRt (90)

Jk = −27

m1m2

m1 +m2vRk . (91)

Das Resultat sind die folgenden Geschwindigkeiten nach der Kollision (gekennzeichnet durch einHochkomma) fur den Haftstoß v′1n

v′1tv′1k

=

v1n − m2m1+m2

(1 + e) (v1n − v2n)v1t − 2

7m2

m1+m2vRt

v1k − 27

m2m1+m2

vRk

(92)

ω′1nω′1tω′1k

=

ω1n

ω1t − 107

1dP1

m2m1+m2

vRkω1k + 10

71dP1

m2m1+m2

vRt

. (93)

Im Falle des Gleitstoßes, d.h. falls die Bedingung aus Gleichung 89 nicht erfullt ist, werdendie Tangentialkomponenten des ubertragenen Impulses mit den Formeln

Jt = −µf,k |Jn|vRt√

v2Rt + v2

Rk

(94)

Jk = −µf,k |Jn|vRk√

v2Rt + v2

Rk

(95)

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3.2 Validierungsfall I: Konvergenter Kanal nach Fohanno & Oesterle 31

berechnet. Damit erhalt man die Geschwindigkeiten des realen Partikels nach einem Gleitstoß v′1nv′1tv′1k

=

v1n + Jnm1

v1t + Jtm1

v1k + Jkm1

(96)

ω′1nω′1tω′1k

=

ω1n

ω1t − 1IP1

dP12 Jk

ω1k + 1IP1

dP12 Jt

, (97)

wobei IP1 = 110 m1 d

2P1 das Tragheitsmoment des kugelformigen Partikels P1 bezeichnet.

Als letzter Schritt muss die Rucktransformation in das globale Koordinatensystem (~x, ~y, ~z)erfolgen. Die Vorgehensweise ist fur beide Stoßarten gleich und derjenigen in Abschnitt 3.1.4ahnlich. Die Translations- und Rotationsgeschwindigkeiten nach dem Stoß sind in globalen Ko-ordinaten gegeben durch

−→v′1 =

v′1xv′1yv′1z

=

nx tx kxny ty kynz tz kz

v′1n

v′1tv′1k

, (98)

−→ω′1 =

ω′1xω′1yω′1z

=

nx tx kxny ty kynz tz kz

ω′1n

ω′1tω′1k

. (99)

3.1.6 Schleife, bis die Berechnung der aktuellen Trajektorie beendet ist

Sobald die Geschwindigkeiten nach dem Stoß berechnet und an den Loser zuruckgegeben wordensind, schreitet der Loser um den neuen Lagrange-Zeitschritt voran. Daraufhin berechnet er dieneuen Geschwindigkeiten des Partikels im nachsten Lagrange-Zeitschritt fur den Fall ausblei-bender Kollision unter Beachtung aller auf das Partikel wirkenden Krafte und ruft erneut dieKollisionsunterroutine in Abschnitt 3.1.2 auf, bis die aktuelle Trajektorie komplett berechnetworden ist. Anschließend beginnt er mit der Bestimmung der nachsten Partikelbahn, bis dieBerechnung der letzten Trajektorie abgeschlossen ist.

3.1.7 Mittelungsprozedur

Nach Beendigung der Berechnung aller Trajektorien in einer Lagrange-Iteration muss der Loserdie Felder der Mittelwerte und Standardabweichungen, die fur das Kollisionsmodell benotigtwerden, aktualisieren. Es handelt sich hierbei um Feldgroßen, weil die statistischen Momente injedem einzelnen Kontrollvolumen des Rechengitters als lokale Großen benotigt werden. Die zumittelnden Variablen sind in Abschnitt 3.1.1 angegeben.

3.2 Validierungsfall I: Konvergenter Kanal nach Fohanno & Oesterle [25]

Das in der Veroffentlichung von Fohanno und Oesterle, [25], beschriebene Experiment zu Parti-kel-Partikel-Kollisionen ist das wichtigste fur die Validierung des in Ansys CFX implementiertenKollisionsmodells, da es zu genau solchem Zweck durchgefuhrt wurde und außerdem Oesterleder Entwickler des ursprunglichen Kollisionsmodells ist und somit die Anforderungen an dieValidierung genau kannte.

Die in dem Experiment verwendete Geometrie ist in Abbildung 6(a) dargestellt. Es handeltsich um einen Kanal mit Rechteckquerschnitt, welcher sich im Mittelteil entlang zweier um 30

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32 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

(a) Experiment (b) Simulation

Abbildung 6: Dem Validierungsfall zugrunde liegende Geometrie, Abmessungen in mm.

zur Vertikalen geneigter Seitenwande verjungt. Im unteren Teil verlaufen die Seitenwande wiedersenkrecht. Auf der Oberseite des Kanals werden auf einem Teil der Deckflache die Partikel uberzwei gegenlaufig vibrierende perforierte Stahlplatten (Lochdurchmesser 4 mm) gleichmaßig ver-teilt zugegeben, ihre Anfangsgeschwindigkeit ist nahezu null. Der Partikelmassenstrom ist durchWahl des Lochblechs in Grenzen einstellbar. Von dieser Position aus fallen die Partikel unterdem Einfluss der Schwerkraft. Ein Teil der Partikel fallt in der Mitte frei nach unten, wahrendein anderer Teil mit etwa 3.5 m/s auf die angestellten Seitenwande trifft. Die Partikel-Wand-Kollisionen fuhren zu einer Ablenkung der Partikelbahnen zum Zentrum der Stromung hin. Inden Gebieten, in denen sich die Bahnen kreuzen, entstehen Regionen hoherer Partikelkonzen-tration, in denen die Wahrscheinlichkeit von Partikel-Partikel-Stoßen ansteigt. Diese durch dasModell statistisch berucksichtigten Kollisionen fuhren weiter stromabwarts im Teil mit paralle-len Wanden zu einer Homogenisierung der Partikelstromung, da die Ablenkung der Partikel inder Mehrheit in naherungsweise vertikale Richtung erfolgt.

Abbildung 6(b) zeigt die in der Simulation verwendete Geometrie. Rot eingezeichnet ist dieZugabeflache fur die Partikel. An das untere Ende des Kanals schließt sich eine trapezformigeErweiterung an, die nur die umgebende Luft in der Simulation darstellt. Durch die obere Offnungdes Kanals kann ebenfalls Luft einstromen. Die Luft ist zunachst in Ruhe, wird aber durch diefallenden Partikel aufgrund der Widerstandskraft mitgerissen; es bildet sich daher eine Luft-stromung von oben nach unten aus.

Die experimentelle Anordnung wurde so gewahlt, dass die Effekte der Partikel-Partikel-Kollisionen vorherrschen. Dazu tragt auch der recht große Durchmesser der monodispersen,kugelformigen Glaspartikel von 3 mm bei, deren Dichte ρP = 2500 kg/m3 betragt. Diese sindrelativ trage und damit kaum durch die Fluidturbulenz beeinflussbar, die andernfalls eine Be-trachtung der reinen Partikel-Partikel-Interaktionen durch ihre Beeinflussung der Partikelbewe-gung erschweren wurde.

Ein weiterer Effekt, der unterdruckt werden sollte, war der Einfluss der Wandrauhigkeit.Zum Einsatz kamen glatte Glaswande, die den optischen Zugang fur das Messverfahren botenund gleichzeitig eine deterministische Berechnung der Partikel-Wand-Kollisionen ermoglichensollten. Trotz der glatten Oberflache nahm die Rauhigkeit im Laufe der Betriebszeit zu, da bei

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3.2 Validierungsfall I: Konvergenter Kanal nach Fohanno & Oesterle 33

allen Kollisionen Abrieb entsteht, der sich auch auf den Wanden niederschlagt. Auf diesen Punktwird in Abschnitt 3.2.3 noch weiter eingegangen.

Messgroßen waren Partikelgeschwindigkeiten und die Partikelkonzentration. Es wurde einefotografische Visualisierungsmethode mit Bildanalyse verwendet, genannt particle streak veloci-metry (PSV). Dabei wird die Apparatur von hinten unter einem Winkel von 20 zur Horizontalenbeleuchtet und ein Teil des Lichts durch die Glaspartikel gestreut, der dann fotografisch festge-halten wird. Innerhalb der Belichtungszeit des Films (1/500 s) entstehen auf dem Film kurzeweiße Streifen (streaks) auf dunklem Hintergrund, aus deren Lange und Richtung auf die Parti-kelgeschwindigkeit bzw. die Richtung der Trajektorie geschlossen werden kann. Da es sich um einzweidimensionales Verfahren handelt, wird nur auf die Mittelebene fokussiert (Scharfentiefe 20mm) und unscharfe Streifen, die von Partikeln außerhalb der Fokussierebene stammen, aus derAnalyse entfernt. Da Partikel-Partikel-Stoße nicht immer zentral erfolgen, sind ihre Flugbahnenimmanent dreidimensional. Partikel, die sich auf die Kamera zu- oder von ihr wegbewegen, er-scheinen daher langsamer als sie es in Realitat sind. Hierin liegt ein Teil der Messungenauigkeitbegrundet.

Messungen wurden an drei vertikalen Positionen durchgefuhrt, in Abbildung 8 durch breite,schwarze Linien gekennzeichnet. Die erste Messebene (A) befindet sich im konvergenten Teildes Kanals an einer Stelle, an der viele Partikel-Wand-Kollisionen auftreten, bei z = −66 mm.Die zweite Ebene (B) liegt direkt unterhalb (z = +9 mm) des Beginns des zweiten geradenKanalteils. Hier treffen die sich nach den Wandstoßen auf schragen Bahnen befindlichen Partikelaufeinander. Die mit C bezeichnete dritte Messebene wurde ein Stuck weiter unten positioniert(bei z = +85 mm). Hier treffen die Partikel auf schragen Trajektorien zum ersten Mal auf diegegenuberliegende Wand. Aus Symmetriegrunden wurde nur die linke Kanalhalfte beobachtet.

Es wurden Untersuchungen bei zwei verschiedenen Massenstromen der Partikel durchgefuhrt.Der kleinere Massenstrom betrug mP = 0.13 kg/s; hierbei tritt bereits eine nennenswerte AnzahlKollisionen auf, viele Partikel beschreiben allerdings noch eine Bahn ohne Einfluss anderer Par-tikel. Stromabwarts des konvergenten Teils herrscht damit ein mittlerer Partikelvolumenanteilvon 6.5 · 10−4. Beim großeren Massenstrom von mP = 0.38 kg/s herrschen die Partikel-Partikel-Kollisionen vor, und praktisch kein Partikel kann den Kanal durchqueren, ohne auf anderePartikel getroffen zu sein. Dabei entsteht ein mittlerer Partikelvolumenanteil von 1.9 · 10−3. Inbeiden Fallen handelt es sich um eine maßig beladene Stromung, in der praktisch ausschließlichbinare Stoße zwischen Partikeln auftreten, wie es fur die Gultigkeit des Modells auch erforderlichist, in der aber diese Kollisionen nicht mehr vernachlassigt werden durfen.

3.2.1 In der Simulation verwendete Teilmodelle

Die in den Rechnungen verwendeten Teilmodelle werden nachfolgend kurz aufgefuhrt. Bis aufdas Kollisionsmodell sind diese allesamt in der Software Ansys CFX als Standard verfugbar.

Fur die numerische Berechnung wurde von einer stationaren Stromung ausgegangen. Obwohlhieruber bezuglich des Experiments keine Aussage getroffen wurde, kann aufgrund der Anord-nung davon ausgegangen werden, dass instationare Effekte keine entscheidende Rolle spielen.

Da es sich um eine Stromung mit geringer Geschwindigkeit handelt, wurde die Luft alsinkompressibel bei Raumtemperatur angenommen, ihre Dichte betragt damit ρ = 1.185 kg/m3

bei atmospharischem Druck. Den Partikeln wurden die Daten der im Experiment verwendetenGlaskugeln zugewiesen. Auf die Partikel wirken Schwerkraft, die Auftriebskraft in der Luftentsprechend der Dichtedifferenz sowie die Widerstandskraft nach Schiller und Naumann. EineDispersion der Partikel aufgrund der Fluidturbulenz wurde berucksichtigt. Fur die Luft wurdedas SST-Turbulenzmodell eingestellt; da das k-ω-Modell mindestens 10 Gitterknoten innerhalbder Grenzschicht benotigt, kommt in den hier beschriebenen Simulationen effektiv nur das k-ε-

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34 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Modell zum Einsatz.Auf der Deckflache des Kanals wurde als Randbedingung fur die Luft ein Totaldruck von

einer Atmosphare aufgepragt und eine mittlere Turbulenzintensitat von 5% vorgegeben. Fur diePartikel wurde eine Injektionsroutine geschrieben, die die Zufuhrung nur auf der in Abbildung6(b) rot gekennzeichneten Teilflache ausfuhrt; die Partikelgeschwindigkeit wurde zu 0.198 m/sgewahlt. Dieser Wert ergibt sich, wenn man davon ausgeht, dass ein Partikel zunachst auf demLochblech ruht und dann einige Millimeter entsprechend der Blechstarke und des Partikelra-dius unter Gravitationseinfluss zu fallen beginnt. Wenn sich das Partikelzentrum, also der inder Simulation berechnete Masseschwerpunkt, genau am oberen Rand des Simulationsgebietesbefindet, betragt die Fallgeschwindigkeit etwa 0.2 m/s. Diese Uberlegung war notwendig, da dasModell eine Startgeschwindigkeit von 0 m/s nicht zulasst.

Die Kanalwande wurden als hydraulisch glatt betrachtet. Fur die Partikel wurde von Fohannound Oesterle [25] eine Wandstoßzahl (Restitutionskoeffizient) von e = 0.96 fur den betrachtetenGeschwindigkeitsbereich experimentell ermittelt. Außerdem wurden die Haft- und Gleitreibungs-zahl bestimmt, die aber in der derzeitigen Implementierung der Partikel-Wand-Kollisionen inAnsys CFX nicht ubernommen werden konnen, da keine Partikelrotation mitberechnet wird.Die Software erlaubt nur die Angabe eines Verlustkoeffizienten parallel zur Wand. Da uber die-sen keine experimentellen Aussagen getroffen werden konnten, wurde er zu eins gesetzt, d.h. dieGeschwindigkeitskomponenten parallel zur Wand eines mit einer Wand kollidierenden Partikelswerden durch den Stoß nicht beeinflusst.

Kollisionen zwischen den Partikeln wurden ebenfalls mit der Stoßzahl e = 0.96 berechnet,da sie wie die Wande des Kanals aus Glas bestanden. Eine Zulassigkeit dieser Annahme wurdeexperimentell nicht uberpruft, weil der Stoß zwischen zwei Partikeln messtechnisch schwierig zuuntersuchen ist.

Die Unterseite des Kanals offnet sich in die Luft der Umgebung, von der ein trapezformigerAusschnitt mitsimuliert wurde. Die Begrenzungen dieses Trapezes wurden als Offnung definiert,was der Luft bei einem relativen statischen Druck von 0 Pa sowohl das Aus- als auch das Ein-stromen erlaubt. Der Gradient der Turbulenzgleichungen am Rand wurde zu null gesetzt.

Fur die Berechnung mit dem Euler-Lagrange-Modell, wegen der Isothermie ohne die Ein-beziehung der Energiegleichung, unter Zuhilfenahme des neu implementierten Kollisionsmodellswurde der Unterrelaxationsfaktor fur die Ruckkopplung der Partikel auf die Gasphase zu 10%gesetzt. Die Wahl des Zeitschritts und der Anzahl der berechneten Partikeltrajektorien wird imnachsten Abschnitt beschrieben.

In Abbildung 7 ist das Ergebnis einer Rechnung ohne und mit Verwendung des Kollisi-onsmodells gegenubergestellt. Man erkennt die Partikeltrajektorien, die zur besseren Ubersichtmit der Partikelverweilzeit im Kanal eingefarbt sind. Ohne Kollisionsmodell, Abbildung 7(a),wissen die Partikel nicht von der Existenz anderer Partikel, so dass sie ihre Bahnen von ande-ren unbeeinflusst beschreiben. Es entsteht dabei das zu sehende Zickzackmuster, das durch diePartikel-Wand-Stoße hervorgerufen wird. Ein Großteil der Teilchen fallt einfach vertikal durchden Kanal.

Es zeigt sich in Abbildung 7(b), dass unter Berucksichtigung des Kollisionsmodells bereitsdirekt nach den ersten Wandstoßen auch Kollisionen zwischen Partikeln auftreten, die nach untenhin zunehmend vertikal ausgerichtete Bahnen erzeugen. Den Kanal verlasst eine weitgehendhomogene Stromung mit einer nur geringen Anzahl nach außen abweichender Trajektorien. BeideAbbildungen stammen von Simulationen mit dem großen Massenstrom, der zu einer hoherenAnzahl Stoße fuhrt. Auf die Rechnung ohne das Stoßmodell hat der Massenstrom der Partikelallerdings keinen Einfluss, da die Partikel keine Kenntnis uber die Anzahl umgebender Partikelbesitzen.

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3.2 Validierungsfall I: Konvergenter Kanal nach Fohanno & Oesterle 35

(a) ohne Kollisionen (b) mit Kollisionen

Abbildung 7: Partikeltrajektorien bei großem Massenstrom ohne und mit Verwendung des Kollisionsmo-dells. Einfarbung mit der Partikelverweilzeit.

3.2.2 Wahl des Zeitschritts und Netzverfeinerungsstudie

Der Pseudo-Zeitschritt fur die Navier-Stokes-Gleichungen, der in stationaren Stromungen Ver-wendung findet, wurde durch den Loser automatisch ermittelt und lag bei allen Rechnungenzwischen 0.12 und 0.14 s.

Die Wahl des Zeitschritts in der Lagrange’schen Berechnung der Partikeltrajektorien ist imZusammenhang des Kollisionsmodells ein wichtiges Kriterium fur die Stabilitat und Konver-genz der Rechnung. In der Standardversion berechnet der Lagrange-Loser von Ansys CFX proKontrollvolumen, das eine Partikelbahn kreuzt, mindestens zehn Schritte mit einem explizitenEuler-Verfahren, d.h. erster Ordnung. Dies bedeutet, dass bei einem feineren Rechengitter furdie gleiche Partikelbahn mehr Rechenschritte erforderlich sind, dafur aber die Genauigkeit derRechnung steigt.

Unter Verwendung des Kollisionsmodells kommen fur die Wahl des Zeitschritts noch einigeAspekte hinzu. In Abschnitt 3.1.3 wurde gezeigt, dass die Stabilitat der Rechnung und dieGultigkeit des Modells nur gewahrleistet werden konnen, wenn der Zeitschritt fur die Berechnungder Partikelbahn kleiner als 5% des Kehrwerts der Kollisionsfrequenz gewahlt wird, s. Gleichung72. In Gebieten mit hoher Partikelkonzentration und damit hoher Kollisionsfrequenz fuhrt dieszu einem sehr kleinen Zeitschritt.

In der Standardversion der Software CFX ist der Zeitschritt des Lagrange-Losers nichtdurch eine FORTRAN-Routine wie der des Kollisionsmodells beeinflussbar, sondern lasst sichnur global auf einen kleinen Wert begrenzen. Dies wurde zunachst so durchgefuhrt, bis kei-ne Uberschreitung des Grenzwerts aus Gleichung 72 mehr registriert wurde. Eine globale Be-schrankung des Zeitschritts fuhrt allerdings zu einer deutlichen Verlangsamung des Losungs-prozesses, da auch in Regionen mit niedriger Kollisionsfrequenz viele Schritte berechnet werdenmussen.

Die Erweiterung der Schnittstelle zwischen der FORTRAN-Routine des Modells und derStromungssoftware in einer zweiten Version durch Ansys ergab daraufhin die Moglichkeit, eineobere Schranke fur den Zeitschritt vorzugeben, die lokal beeinflussbar ist, wenn auch erst fur denjeweils nachsten Zeitschritt. Dies bedeutet, dass der erste Schritt in ein Gebiet hoher Partikel-konzentration hinein zu einer Uberschreitung der Zeitschrittobergrenze und dadurch zu einem

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36 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

”Ubersehen“ von potentiellen Kollisionen fuhren kann. Aus diesem Grund fuhrt ein feineres Re-chennetz bei Verwendung des Kollisionsmodells neben einer verbesserten Bahnberechnung auchzu genaueren Ergebnissen, da der wegen des feineren Gitters kleinere Zeitschritt auch zu einemweniger weiten Eindringen in Gebiete mit hoher Kollisionsfrequenz fuhrt. Wie oben angemerkt,wird der Zeitschritt ab der Version Ansys CFX 12 korrekt vor Berechnung einer moglichenKollision angepasst.

Damit im Falle, dass die Zufallsentscheidung innerhalb des Kollisionsmodells keine Kollisionerzeugt, der Zeitschritt in Regionen hoher Partikelkonzentration nicht sofort wieder ansteigt,wurde festgelegt, dass sich der Zeitschritt von einem Schritt zum nachsten nur um 10% erhohendarf. Dies bedeutet, dass nach dem Durchfliegen einer Zelle ohne weitere Kollision etwa eindoppelt so hoher Zeitschritt erlaubt ist wie vor der Zelle, d.h. verlasst ein Partikel ein Gebiethoher Stoßfrequenz, so darf auch der Zeitschritt wieder steigen. Die gesamte Stromungslosungwird dadurch gegenuber der Wahl eines global sehr kleinen Zeitschritts stark beschleunigt, ohnein relevantem Maße an Genauigkeit einzubußen, wie Vergleichsrechnungen zeigen konnten.

Neben dem Zeitschritt sind fur das Kollisionsmodell auch weitere Großen wie die Partikel-anzahldichte nP oder die Standardabweichungen σi der Partikelgeschwindigkeitskomponentenvon entscheidender Bedeutung. Dies sind Feldgroßen, die an den Integrationsstutzstellen des Re-chengitters gespeichert werden. Ein feineres Netz fuhrt daher auch zu einer genaueren Auflosungdieser Großen und damit zu einer Verbesserung der Trajektorienberechnung.

Tabelle 1: Daten zur Netzverfeinerungsstudie

Netz grob mittel feinAnzahl berechneter Trajektorien 30000 50000 480000

Anzahl der finiten Volumina 10416 83520 619776

In den Teilbildern der Abbildung 8 werden die Ergebnisse der durchgefuhrten Netzverfei-nerungsstudie anhand der Partikelanzahldichte nP (Anzahl realer Partikel pro m3, Maß furdie Konzentration) fur den kleinen und den großen Massenstrom dargestellt. Es wurden dreiverschiedene Gitterfeinheiten untersucht, siehe Tabelle 1. Eine Erhohung der Elementanzahl er-fordert immer auch eine Steigerung der Zahl der zu simulierenden Partikeltrajektorien, um einegenugend breite Basis fur die statistische Auswertung zu erhalten. In den Abbildungen ist je-weils im oberen Drittel ein kleiner Ausschnitt des Rechennetzes zu sehen, um die Gitterfeinheitvergleichen zu konnen.

Mit der Feinheit des Netzes steigt die Genauigkeit der Rechnung. Man erkennt, dass inden unteren Abbildungen eine hohere Scharfe erreicht wird und man damit auch eine genauereAuflosung der Gebiete hoher Konzentration oder lokal hoher Schwankungsgeschwindigkeitenerhalt. Naturlich erhoht sich mit einer Netzverfeinerung auch der Aufwand der Rechnung. ImRahmen ingenieursmaßiger Genauigkeit kann man die mittlere Auflosung aus Tabelle 1, diezwischen denen aus Abbildung 8 liegt, als fur diesen Fall ausreichend betrachten.

Ein weiterer Aspekt, der anhand dieser Bilder deutlich wird, ist, dass bei großem Partikel-massenstrom, Abbildung 8(b), deutlich schneller eine Homogenisierung der Stromung erfolgt alsbei kleinem Massenstrom, Abbildung 8(a). Auf den linken Abbildungen erkennt man, dass beimgeringeren Massenstrom zunachst noch ein deutlich wahrzunehmender Anteil der Partikel kei-ne Stoße mit anderen Partikeln erfahrt, wie das Zickzackmuster der Trajektorien zeigt. DieserAnteil verringert sich jedoch innerhalb des Kanals von oben nach unten, erkennbar an einerAusdunnung des genannten Musters, da auch hier Kollisionen einen Teil der Partikel ablenken.

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3.2 Validierungsfall I: Konvergenter Kanal nach Fohanno & Oesterle 37

(a) kleiner Massenstrom (b) großer Massenstrom

Abbildung 8: Netzverfeinerungstudie: Partikelanzahldichte auf der Visualisierungsebene fur zwei Netz-feinheiten (grob und fein, im oberen Drittel sichtbar), jeweils fur den kleinen und großenPartikelmassenstrom. Die Messebenen sind durch breite, schwarze Linien markiert.

3.2.3 Vergleich experimenteller und simulierter Ergebnisse, Diskussion

In diesem Abschnitt werden die mit Hilfe des Kollisionsmodells erhaltenen Ergebnisse der Simu-lation mit den experimentellen Daten von Fohanno & Oesterle, [25], verglichen. Außerdem wirddie Dissertation von Pachler, [26], zum Vergleich herangezogen, in der eine Simulation mit demKollisionsmodell nach Sommerfeld mit dem CFD-Code MISTRAL/PartFlow-3D durchgefuhrtwurde, in welchem die Partikelrotation zusatzlich berucksichtigt wird. Mogliche Abweichun-gen aufgrund unterschiedlicher Implementierungen und der Hinzunahme der Rotationsbewegungkonnen auf diese Weise erlautert werden.

Fur die Statistik der Messdaten wurden nach Fohanno & Oesterle 28 fotografische Aufnah-men fur den kleinen Partikelmassenstrom und 20 Aufnahmen fur den großeren Massenstromausgewertet, was zu 25 bis 130 Trajektorien pro Auswertezelle, d.h. Datenpunkt, fuhrt. DerFehler in den mittleren Partikelgeschwindigkeiten belauft sich damit auf ±13% fur den kleinenund ±10% fur den großen Massenstrom, der Fehler in den Standardabweichungen der Geschwin-digkeiten auf ±20% fur den kleinen bzw. ±15% fur den großen Massenstrom. Grundlage war die

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38 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Auswertung des 95%-Konfidenzintervalls.

(a) Konzentrationsprofil (b) Axiale Geschwindigkeit

Abbildung 9: Dimensionsloses Konzentrations- und axiales Geschwindigkeitsprofil der Partikel als Funk-tion des Partikelmassenstroms und der axialen Position (Ebenen A, B und C von oben nachunten, linke Kanalhalfte, jeweils von der linken Wand bis zur Kanalmitte dargestellt).

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3.2 Validierungsfall I: Konvergenter Kanal nach Fohanno & Oesterle 39

Abbildung 9(a) zeigt die dimensionslosen Konzentrationsverlaufe in der linken Kanalhalfteauf der Visualisierungsebene. Die drei Teilbilder enthalten von oben nach unten die Daten zuden drei Messebenen A, B und C, die in Abbildung 8 durch breite, schwarze Linien gekenn-zeichnet sind. Jedes Teilbild enthalt die experimentellen Daten (Punkte und Kreuze) und dieaus der Rechnung stammenden Verlaufe (durchgezogene bzw. Strichpunktlinie) fur die beidenuntersuchten Massenstrome.

Die Konzentrationsverlaufe kann man auch mit Abbildung 8 vergleichen. In den beiden obe-ren Bildern von Abbildung 9(a) erkennt man, dass der Konzentrationsverlauf qualitativ richtigwiedergegeben wird, dass die Rechenergebnisse aber teilweise großere Abweichungen aufweisen.Ahnliches gilt fur die unterste Messebene, in der allerdings fur den großen Massenstrom von derRechnung sogar ein dem Verlauf aus der Messung gegenlaufiger Trend vorhergesagt wird.

In Ebene A ergibt sich eine erhohte Partikelkonzentration in Wandnahe, da dort die Partikelnach ihrem ersten Wandkontakt reflektiert werden und sich verlangsamen. In Ebene B bzw. einkleines Stuck darunter kreuzen sich die Bahnen in der Mitte und fuhren dort zu einer Regionerhohter Konzentration. In Ebene C kommen die Partikel von der gegenuberliegenden Seitezuruck und fuhren in den experimentellen Daten wieder zu einer hoheren Konzentration inWandnahe. Beim großen Massenstrom ist dies in der Rechnung nicht der Fall, da die mittlereZone hoherer Konzentration zwischen den Ebenen B und C liegt und damit etwas tiefer als imExperiment.

Eine genaue Betrachtung der Abbildung 8 zeigt jedoch, dass schon eine geringe Verschiebungdes Konzentrationsmaximums nach oben ein besseres Bild erzeugen wurde. Da die Wandstoße,insbesondere das erste Auftreffen der Partikel auf die Wand, die Partikeltrajektorien und -ge-schwindigkeiten entscheidend beeinflussen, kann eine Ursache fur die Abweichung in der verein-fachten Behandlung der Partikel-Wand-Kollisionen liegen, da eine Berucksichtigung der Reibungan der Wand nicht erfolgt und diese die Flugbahn der Partikel insbesondere im oberen Bereichdeutlich beeinflusst.

Abbildung 9(b) zeigt das axiale Partikelgeschwindigkeitsprofil in der linken Kanalhalfte,d.h. die Geschwindigkeit in vertikaler Richtung, in den drei Messebenen von oben nach unten.In allen drei Teilbildern wird der Trend der experimentellen Werte durch die Rechenergebnissewiedergegeben, aber teils deutlich uberschatzt. Eine mogliche Ursache fur dieses Phanomenkonnte sein, dass als Randbedingung fur die Luft auf der Oberseite ein Einlass vorgesehenwurde, wohingegen im Experiment dort Lochbleche positioniert waren, durch welche die Partikelzugegeben wurden und die wahrscheinlich nur eine geringe Luftzufuhr ermoglichten. In der realenAnordnung konnte sich daher innerhalb des Kanals eine Ringstromung von unten nach oben undzuruck ausbilden statt der reinen Abwartsstromung in der Simulation. Auf diese Weise wurde sichintegral die Widerstandskraft auf die Partikel erhohen und deren Abwartsbewegung hemmen.Eine Vergleichsrechnung hat jedoch gezeigt, dass dieser Einfluss gering ist.

Auch Fohanno & Oesterle, [25], uberschatzen in ihrer eigenen Simulation die axiale Geschwin-digkeit. Sie fuhren dies auf einen eventuell ungunstig gewahlten Wert des Haftreibungsbeiwertszuruck, der uber die Grenze zwischen Haft- und Gleitstoß entscheidet und damit die Partikelro-tation beeinflusst, die in der hier vorliegenden Implementierung nicht berucksichtigt wurde.

Die Standardabweichung der transversalen Partikelgeschwindigkeit, also in Querrichtung in-nerhalb der Visualisierungsebene, als Maß fur die Geschwindigkeitsschwankungen ist in Abbil-dung 10(a) dargestellt. Auch fur diese Große erhalt man in der Rechnung qualitativ den richtigenVerlauf außer in der obersten Messebene A. Zwar zeigt sich hier auch eine Abnahme zur Ka-nalmitte hin, allerdings liegen die Schwankungsgeschwindigkeiten in der Rechnung großtenteilsweit unterhalb der gemessenen Werte. Die Standardabweichung liegt in Ebene A in der Nahe derWand bei etwa 1.5 m/s wegen der Partikel-Wand-Kollisionen und nahe null in der Kanalmitte, inder alle Partikel vertikal fallen. Auf Ebene B kreuzen sich die von den Wanden zuruckprallenden

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40 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

(a) Standardabweichung, transversale Geschw. (b) Geschw.-betrag in Visualisierungsebene

Abbildung 10: Partikelgeschwindigkeitsprofile als Funktion des Partikelmassenstroms und der axialen Po-sition (Ebenen A, B und C von oben nach unten, linke Kanalhalfte).

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3.2 Validierungsfall I: Konvergenter Kanal nach Fohanno & Oesterle 41

Partikel, was zu relativen Quergeschwindigkeiten von 4 m/s und einer Standardabweichung vonetwa 2.5 m/s fuhrt. Fur die Ebene C ist eine Homogenisierung zu erkennen.

Diese Unterschiede sind jedoch fur Messebene A nur in geringem Maße durch das Wand-stoßverhalten erklarbar. Eventuell uberwiegen hier Messfehler, da aus Abbildung 8 in Ebene Aerkennbar ist, dass außer direkt an der Wand nur vertikal fallende Partikelbahnen auftreten.Dies ist auch anhand der Breite der Partikelzufuhreinrichtung nachvollziehbar. Die Messwertebedeuten, dass an dieser Stelle schon deutliche Querbewegungen der Partikel auftreten, was geo-metrisch nicht erklarbar ist. Interessanterweise zeigen die Rechnungen von Pachler in [26] einenden Rechnungen mit dieser Implementierung sehr ahnlichen Verlauf, ebenfalls weit unterhalb derMesswerte fur Ebene A, siehe Abbildung 14 am Ende dieses Abschnitts. Die einzige Erklarungfur solch hohe Geschwindigkeitsfluktuationen schon vor dem ersten Auftreffen auf die Wandware die Ubertragung der Quervibration der Lochbleche an der Zufuhr und anschließende Stoßezwischen den Partikeln bereits im oberen, geraden Teil des Kanals. Rucksprache mit Oesterle,[24], ergab, dass dies wohl die Ursache war.

Die Unterschatzung der Standardabweichung der Quergeschwindigkeit ist auch bei den Rech-nungen der Experimentatoren selbst aufgetreten, s. ebenfalls [25]. Sie erklarten die Abweichungenin ihrem Artikel durch eine eventuell falsch vorgenommene Wahl des Haftreibungsbeiwertes ander Wand, wodurch die Grenze zwischen Haft- und Gleitstoß verschoben wurde. Aus den obengenannten Grunden scheint dies allerdings zumindest fur die Messebene A keine ausreichendeErklarung darzustellen.

In der Ebene B ist die Position des Maximums der Schwankungsgeschwindigkeiten in derRechnung naher am Zentrum des Kanals, was wiederum daran liegt, dass sich der Kreuzungs-punkt der Trajektorien etwas niedriger als im Experiment befindet. Aus dem gleichen Grundentstehen die Differenzen in Ebene C.

Man erkennt des Weiteren, dass das Konzentrationsprofil und die axiale Geschwindigkeit vomPartikelmassenstrom relativ unabhangig sind, dass die Intensitat der Geschwindigkeitsschwan-kungen in transversaler Richtung jedoch, vor allem in der untersten Ebene C, bei hoheremMassenstrom niedriger ausfallt. Mit der Erhohung des Massenstroms geht ein Anstieg der Kol-lisionsfrequenz einher, der zu einer Dampfung der Schwankungen in der Quergeschwindigkeitfuhrt.

Abbildung 10(b) zeigt den Geschwindigkeitsbetrag der Partikel in der Visualisierungsebenevabs =

√v2x + v2

z . Wahrend die Ubereinstimmung mit den Messwerten in Ebene A und fur denkleinen Massenstrom auch in Ebene B noch sehr gut ist, treten in Ebene C deutlichere Abwei-chungen auf. Die Ergebnisse der Rechnung sagen keine merkliche Abnahme des Geschwindig-keitsbetrages voraus, wahrend eine solche Abnahme in den experimentellen Ergebnissen deutlichzu erkennen ist.

Dafur kann es drei Grunde geben: Zum einen sind die Stoße dreidimensional und auch eineBewegung in y-Richtung quer zur Visualisierungsebene ist moglich, die in dieser Betragsbil-dung wegen der zweidimensionalen Messtechnik nicht berucksichtigt wird. Eine Analyse diesesPunktes hat aber ergeben, dass der mittlere Einfluss der Partikelgeschwindigkeit in der Tiefevernachlassigbar ist (kleiner 0.05 m/s). Zweite mogliche Ursache sind Verluste durch plastischeStoße zwischen den Partikeln und mit der Wand. Bei einer ermittelten Stoßzahl von e = 0.96treten jedoch fast elastische Stoße auf, so dass der Hauptgrund fur die Geschwindigkeitsabnahmewohl in der Umwandlung von translatorischer in Rotationsenergie aufgrund der reibungsbehaf-teten Stoße liegt. Hierfur spricht auch die Tatsache, dass die Ergebnisse von Pachler, [26], derdie Partikelrotation berucksichtigt, deutlich naher an den Messergebnissen liegen als diejenigender Rechnungen mit der Implementierung in die Software CFX, in der keine Rotation berechnetwurde, s. Abbildung 14.

Fur die dritte Ursache spricht auch, dass die Abnahme von der Anzahl der Kollisionen

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42 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Abbildung 11: Profile der Standardabweichung der axialen Partikelgeschwindigkeit als Funktion des Par-tikelmassenstroms und der axialen Position (Ebenen A und B oben links bzw. rechts,Ebene C unten, linke Kanalhalfte).

abzuhangen scheint. Bei großerem Massenstrom, mit dem mehr dieser energieumwandelndenKollisionen auftreten, sind die Verluste in den experimentellen Daten namlich bereits in EbeneB erkennbar, halten sich dann bei schon homogenerer Stromung auf diesem Niveau, wahrend dieniedrigere Stufe bei geringerem Massenstrom erst in Ebene C erreicht wird, wenn mehr Stoßeaufgetreten sind.

In Abbildung 11 sind die Profile der Standardabweichung der Partikelgeschwindigkeit inaxialer, also vertikaler, Richtung aufgetragen. Die Ergebnisse der Rechnungen liegen fur dieseGroße im Rahmen der Messgenauigkeit auf den experimentellen Werten. In diesem Punkt sinddie aktuellen Rechnungen auch besser als diejenigen von Pachler. Sie liegen ungefahr konstantbei 1 m/s, nachdem der Kollisionsprozess eingesetzt hat. Man kann in Ebene C eine leichteErhohung der Standardabweichung bei Vergroßerung des Massenstroms erkennen. Dies deutetdarauf hin, dass die anfangliche Anisotropie der Schwankungsgeschwindigkeiten durch die Stoßereduziert wird.

Fur den letzten Vergleich wurden in den Abbildungen 12 und 13 die Geschwindigkeitsschwan-kungen in den beiden Hauptrichtungen als Phasendiagramm gegenubergestellt. In allen dreiMessebenen A, B und C wurde fur jedes Partikel die axiale Geschwindigkeitsschwankung als

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3.2 Validierungsfall I: Konvergenter Kanal nach Fohanno & Oesterle 43

(a) Experiment (b) Simulation

Abbildung 12: Verteilung der axialen und transversalen Partikelschwankungsgeschwindigkeiten (v′z undv′x) bei kleinem Massenstrom mP = 0.13 kg/s als Funktion der axialen Position (EbenenA, B und C von oben nach unten, fur linke Kanalhalfte).

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44 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

(a) Experiment (b) Simulation

Abbildung 13: Verteilung der axialen und transversalen Partikelschwankungsgeschwindigkeiten (v′z undv′x) bei großem Massenstrom mP = 0.38 kg/s als Funktion der axialen Position (EbenenA, B und C von oben nach unten, fur linke Kanalhalfte).

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3.2 Validierungsfall I: Konvergenter Kanal nach Fohanno & Oesterle 45

Funktion der transversalen Geschwindigkeitsfluktuation aufgetragen. Fur die jeweilige Ebenewurden alle Partikel, von der linken Wand bis zur Kanalmitte berucksichtigt. Die Momentange-schwindigkeiten der Partikel vi setzen sich dabei wie folgt zusammen

vi = vi + v′i , (100)

wobei vi die i-te Komponente der mittleren Geschwindigkeit und v′i den Schwankungsterm ini-Richtung bezeichnet, welcher in den Abbildungen aufgetragen ist.

Die Abbildungen 12(a) und 13(a) zeigen jeweils die experimentellen Daten fur die beidenMassenstrome (bis zu ca. 400 Datenpunkte), rechts sind in den Abbildungen 12(b) und 13(b) dieentsprechenden Werte aus den Simulationen dargestellt. Hierfur wurden etwa 5000 Datenpunktezufallig ausgewahlt, was zu einer hoheren Punktdichte in der Darstellung fuhrt, aber die Streuungbesser aufzeigt.

Auf der Ebene A herrschen zwei Arten von Trajektorien vor: Solche von Partikeln, die ver-tikal fallen, und solche, die nach einer Wandkollision schrag zuruckprallen. Fur die senkrechtfallenden Partikel ist die Querkomponente der Momentangeschwindigkeit vx null, die Abwei-chung vom Zellmittelwert ist fur v′x < 0 und fur v′z > 0, die Punkte sind daher im zweitenQuadranten zu finden. Die schrag von der linken angestellten Wand reflektierten Partikel habeneine positive Momentangeschwindigkeit in x-Richtung vx > vx > 0. Damit ist v′x > 0, außerdemv′z < 0, und diese Punkte liegen im vierten Quadranten. Die Anordnung erfolgt entlang einercharakteristischen, schragen Richtung. Einige Partikel gehoren keiner dieser beiden Gruppen anund sind dispers verteilt; diese waren bereits Stoßen mit anderen Partikeln ausgesetzt.

Der Vergleich zwischen Rechnung und Experiment zeigt, dass die Haufungspunkte und diecharakteristische Richtung korrekt wiedergegeben werden. Die vereinzelten dispers verteiltenPunkte weisen eine großere Streuung als beim Experiment auf, beruhend auf der viel großerenAnzahl an Datenpunkten aus der Rechnung. Beim hoheren Massenstrom nimmt die Dispersionzu, was eine Konsequenz aus dem einhergehenden Anstieg der Stoßfrequenz ist.

In der Ebene B erzeugen die Trajektorien nahe der Wand weiterhin die zwei Haufungspunktewie in Ebene A entlang einer charakteristischen Linie. In Wandnahe gibt es auf dieser Ebeneallerdings weniger Partikel, da sich der Hauptteil der von den Wanden reflektierten Partikelim Zentrum des Kanals befindet, wo die Konzentration noch hoher ist, weil auch von rechtskommende Partikel dorthin gelangen.

Die Symmetrie fuhrt auf eine mittlere Geschwindigkeit in Querrichtung von vx = 0. Fur dievertikal fallenden Partikel bedeutet dies v′x ≈ 0, v′z > 0 und fur von den Wanden reflektiertePartikel v′x ≈ vx, v′z < 0. Man erhalt daher drei Haufungspunkte, es weichen jedoch in Ebene Bschon eine großere Anzahl an Partikeln von diesen Punkten ab, nachdem sie bereits einer odermehreren Kollisionen mit anderen Partikeln ausgesetzt waren. Dieser Effekt wird insbesonderebeim hoheren Massenstrom deutlich. Auch fur Ebene B ergeben sich aus den Rechnungen diegleichen Haufungspunkte wie im Experiment und die breitere Streuung erfolgt aufgrund derhoheren Anzahl ausgewahlter Trajektorien. Es ist weiterhin zu sehen, dass die Schwankungsge-schwindigkeiten in axialer Richtung geringer als in transversaler Richtung sind, wie schon in denAbbildungen 10(a) und 11 gezeigt wurde.

Bei Ebene C haben Partikel, die von der rechten Seite kommen, die linke Wand erreicht. Esherrschen zwar weiter die drei Gruppen von Partikeln vor, die bei Ebene B beschrieben wurden,doch immer mehr Glasperlen gehoren keiner der drei Gruppen mehr an. Wegen der hohenAnzahl an Kollisionen erfolgt eine Homogenisierung der Schwankungsbewegungen, die wiederbeim hoheren Massenstrom noch zugiger verlauft. Die Geschwindigkeitsfluktuationen sind aberweiterhin in Querrichtung großer als in vertikaler Richtung. Die Ergebnisse der Simulation gebendie genannten Effekte auch quantitativ sehr gut wieder. Man erkennt, dass in Ebene C weniger

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46 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Ausreißer in den transversalen Schwankungen vorliegen, d.h. die Geschwindigkeitsfluktuationenwerden durch die Stoße gedampft.

3.2.4 Fazit der Validierungsrechnungen am Fall I

Die Berucksichtigung der Partikel-Partikel-Interaktionen ist fur diese Stromungsgeometrie un-erlasslich. Die Berechnungen mit dem Kollisionsmodell geben naherungsweise das beobachteteVerhalten wieder. Geschwindigkeitsprofile, Homogenisierung der Stromung und Dampfung derGeschwindigkeitsschwankungen werden ebenso wie der Einfluss des Partikelmassenstroms qua-litativ korrekt vorhergesagt. Dennoch treten einige Abweichungen auf, fur die mehrere Grundein Betracht kommen.

Zum einen haben die Partikel-Wand-Stoße einen entscheidenden Einfluss zu Beginn derStromung, da sie die ersten Kreuzungspunkte der Trajektorien und damit deren weiteren Verlaufbestimmen. In der hier vorgenommenen Implementierung in die Software Ansys CFX bestehtderzeit keine Moglichkeit, reibungsbehaftete Wandkollisionen zu berucksichtigen, die zu Parti-kelrotation fuhren. Dies ist ein Grund, warum bisher auf die Berechnung der Partikelrotationverzichtet wurde. Aber auch in den Rechnungen von Fohanno & Oesterle, [25], und Pachler,[26], die die Partikelrotation berechnet haben, treten Abweichungen auf, wenn auch teilweiseeine leichte Verbesserung gegenuber den hier vorgestellten Rechnungen erreicht wird. Die even-tuell inkorrekte Wahl des Haftreibungsbeiwerts kann die Differenzen nur zum Teil erklaren. Esergibt sich also eine Verbesserung der Simulationsgute, die dennoch auftretenden Abweichun-gen zeigen jedoch, dass neben der Genauigkeit des Messverfahrens auch die Modellierung nochverbessert werden sollte.

Da auf die Simulation der Partikeldrehbewegung verzichtet wurde, konnen auch keine rotati-onsinduzierten Auftriebskrafte (Magnus-Kraft) das Partikel beeinflussen. Fohanno und Oesterlegehen von einem ruhenden Fluid aus, weswegen die Saffman-Kraft aufgrund von Scherschichtenin ihrer Rechnung vernachlassigt wurde. Die Annahme eines ruhenden Fluids ist zwar inkor-rekt, jedoch ist die Scherwirkung in der Wandgrenzschicht bei den hier auftretenden niedrigenGeschwindigkeiten nicht groß.

Pachler hat in [26] die Rechnungen nach dem Originalmodell von Oesterle & Petitjean[16, 17] mit dem durch Sommerfeld erweiterten Modell [18] verglichen, welches Korrelationen derSchwankungsbewegungen der Partikel berucksichtigt und das im Rahmen dieser Arbeit imple-mentiert wurde, siehe Abbildung 14. Er stellt fur diese Geometrie eine leichte Verbesserung mitdem erweiterten Modell fest, obgleich der korrelierte Anteil der Bewegungen gering sein durfte,da die Glasperlen relativ groß sind und eine Stokeszahl von ca. 6.9 besitzen. Pachler hat seineUntersuchungen mit einem sehr groben Netz, aber kleinem globalen Zeitschritt durchgefuhrt.Die Genauigkeit ist damit geringer einzustufen als die der hier vorgestellten Rechnungen. Zubeachten ist, dass er fur die Partikel-Wand-Kollisionen eine Stoßzahl von e = 0.85 gewahlt hat,niedriger als der von Fohanno & Oesterle experimentell bestimmte Wert von e = 0.96.

3.3 Validierungsfall II: Vertikale Rohrstromung nach Tsuji, Morikawa undShiomi [27]

Als zweiter Testfall fur die Validierung des in Ansys CFX implementierten Kollisionsmodellswurde eine Veroffentlichung von Tsuji, Morikawa und Shiomi, [27], aus dem Jahr 1984 gewahlt.Es handelt sich um eine Stromung in einem etwa 5 m langen, vertikal ausgerichteten Rohr mit30.5 mm Durchmesser. Die Gas-Partikel-Zweiphasenstromung erfolgte von unten nach oben miteinem schwerkraftinduzierten Schlupf zwischen den Phasen.

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3.3 Validierungsfall II: Vertikale Rohrstromung nach Tsuji, Morikawa und Shiomi 47

Abbildung 14: Profile der Axialgeschwindigkeit Wp, des Geschwindigkeitsbetrags Vabs,P sowie der Stan-dardabweichung in Querrichtung σUP

und in axialer Richtung σWPfur den kleinen (links)

und den großen Partikelmassenstrom (rechts) als Funktion der axialen Position (EbenenA, B und C von oben nach unten) nach Pachler, [26], im Vergleich zum Experiment.

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48 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Die Messungen der Geschwindigkeitsprofile fur Gas und Partikel erfolgte uber Laser-Doppler-Anemometrie (laser Doppler velocimetry, LDV). Die Partikel streuen das vom Laser ausgesandteLicht; das Streulicht erzeugt mittels eines Empfangers ein elektrisches Signal, aus dem uber denDoppler-Effekt die Partikelgeschwindigkeit berechnet werden kann. Die Geschwindigkeit der Gas-phase wird uber sogenannte Tracer-Partikel gemessen, die in diesem Fall einen Durchmesser vonca. 0.6 µm besaßen und aufgrund ihrer geringen Tragheit der Gasstromung gut folgen konnten.Dies ist ein optisches Messverfahren und erfordert daher die Moglichkeit fur den Laserstrahl,die Zweiphasenstromung zu durchdringen, insbesondere, weil der Laser in Vorwarts-Streuung(forward scattering) betrieben wurde, d.h. der Strahl wird auf der Ruckseite des Rohrs detek-tiert. Dies ist in diesem Anwendungsfall erschwert, da vorzugsweise hohe Massenbeladungen (bism = 5) untersucht wurden.

Dieselben Autoren hatten 1982 bereits eine Studie veroffentlicht, in der die Stromung ineinem horizontal angeordneten Rohr vermessen wurde, [28]. Fur die Validierung des Kollisions-modells wurde bewusst die vertikale Anordnung gewahlt, da in dieser Partikel-Wand-Kollisionenkeine solch starke Rolle spielen wie in einem horizontalen Rohr, in dem die Schwerkraft fur Ab-lagerungen und zahlreiche Stoße mit der unten gelegenen Rohrwand sorgt. Somit lassen sichErklarungen uber das Verhalten des Partikel-Partikel-Kollisionsmodells relativ unberuhrt durchSekundareinflusse ableiten.

Die geometrische Anordnung im Experiment weist ein Detail auf, das es zu beachten gilt:Die zunachst homogenisierte Stromung durchlauft aus der Horizontalen kommend einen 90-Krummer, der zusatzlich mit einer vorspringenden Stufe, also Querschnittsverengung, versehenist. Diese soll die im Krummer entmischte Stromung durch Redispersion der Partikel fur denvertikalen Weg wieder homogenisieren. Eine Strahnenbildung in Wandnahe oder anders gearteteRegionen hoher Partikelkonzentration in der vertikalen Stromung sind daher nicht ausgeschlos-sen. Zudem wurden keine Konzentrationsprofile im Rohr gemessen oder beobachtet.

Auch die Geschwindigkeitsprofile wurden nur am Ende des vertikalen Rohrabschnitts, nach5.110 m Lauflange, aufgenommen. Tsuji et al. berichten in [27], dass sie keine Unterschiede inden Geschwindigkeitsprofilen auf dem letzten Rohrabschnitt mehr feststellen konnten, und gehendaher von einer voll ausgebildeten Stromung aus. Eine Analyse der Verweilzeit und der Zeit zumErreichen der stationaren Endgeschwindigkeit eines Einzelpartikels weist jedoch darauf hin, dasseine voll ausgebildete Stromung auf 5 m Lauflange – zumindest mit den großten verwendetenPartikeln – wahrscheinlich nicht erreicht werden kann.

In ihrer Veroffentlichung [27] stellen Tsuji et al. Messergebnisse fur eine Vielzahl von Kom-binationen der Parameter Partikelgroße und Massenbeladung der Stromung vor. Fur die Vali-dierung des Kollisionsmodells wurden drei fur den Einsatz des Modells interessante Falle aus-gewahlt, deren Parameter in Tabelle 2 zusammengefasst sind.

Es wurden drei Partikeldurchmesser untersucht, und zwar solche von etwa 3 mm, 500 µmund 200 µm, womit der großte fast ein Zehntel des Rohrdurchmessers einnimmt. Die mono-dispersen, kugelformigen Partikel im Experiment bestanden aus Polystyrol mit einer DichteρP = 1020 kg/m3, die damit deutlich leichter sind als die Glaskugelchen aus Validierungsfall I.Dies bedeutet, dass bei gleicher Massenbeladung der Gasstromung die Polystyrolpartikel einendeutlich hoheren Volumenanteil einnehmen als Glasperlen in einer vergleichbaren Stromung. Furdas optische Messverfahren stellt dies einen Nachteil dar.

Der Gasmassenstrom ergibt sich aus der angegebenen Reynoldszahl uber

Re =uG D

νG=uG D ρG

ηGzu (101)

mG = ρGπ

4D2 uG , (102)

wobei D = 30.5 mm den Rohrdurchmesser, ρG die Gasdichte, νG die kinematische und ηG die

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3.3 Validierungsfall II: Vertikale Rohrstromung nach Tsuji, Morikawa und Shiomi 49

Tabelle 2: Parameter der Validierungsexperimente am vertikalen Rohr

Fall A Fall B Fall C

Partikeldurchmesser dP [µm] 2780 501 243

Reynoldszahl Re 31000 16000 30000

Gasmassenstrom mG

[kgs

]0.013525 0.00698 0.01309

Partikelmassenstrom mP

[kgs

]0.040575 0.01396 0.02749

Massenbeladung m 3.0 2.0 2.1

Partikelgeschw. am Eintritt vP,in[

ms

]9.0 6.0 12.5

Gasgeschw. auf der Rohrachse uc[

ms

]19.5 9.0 17.4

dynamische Viskositat des Gases bezeichnet. Es wurden die Stoffdaten von Luft bei 25 C undeiner Atmosphare verwendet. Den Partikelmassenstrom erhalt man entsprechend der angegebe-nen Beladungszahl m. Auf die Partikelgeschwindigkeit am Eintritt und die Gasgeschwindigkeitauf der Rohrachse wird in den folgenden Abschnitten eingegangen.

Um elektrostatische Aufladung, vor allem der kleineren Partikel, in dieser kontinuierlich be-triebenen Anlage zu vermeiden oder zu verringern, wurden die Partikel mit 500 µm und 200 µmDurchmesser mit einer antistatisch wirkenden Substanz aus der Textilindustrie beschichtet. Uberden Erfolg dieser Maßnahme, also ob oder inwieweit elektrostatische Anziehung z.B. an dieRohrwande vollstandig vermieden werden konnte, wurde von Tsuji et al. keine Aussage getrof-fen.

3.3.1 In der Simulation verwendete Modelle und Randbedingungen

Fur die numerischen Untersuchungen wurde von einer stationaren Stromung in einem 10 m lan-gen, vertikal ausgerichteten Rohr ausgegangen. Es wurde die doppelte Rohrlange gewahlt, um zuprufen, ob die Stromung nach den im Experiment vorhandenen 5 m bereits voll ausgebildet ist.Das Rechengitter bestand in diesem Fall aus 1.04 Mio. Hexaederelementen mit feiner Auflosungder Wandgrenzschicht. Es wurden sowohl Rechnungen ohne als auch mit Kollisionsmodell durch-gefuhrt, um dessen Einfluss aufzeigen zu konnen.

Die Turbulenz der Gasphase wurde wie bei Fall I mit dem SST-Zweigleichungsmodell simu-liert. Als auf die Partikel wirkende Krafte wurden die Gewichtskraft, die Widerstandskraft nachSchiller und Naumann, die Auftriebskraft sowie die turbulente Dispersion berucksichtigt.

Die Randbedingungen der Rechnungen bestanden zum einen aus einem Einlass am unte-ren Rohrende. Hier wurden Gas- und Partikelmassenstrom entsprechend Tabelle 2 vorgegeben.Im Gegensatz zum Experiment, bei dem sich an dieser Stelle das Ende des Rohrkrummers mitvorspringender Stufe befindet und daher eher ungleichmaßige Konzentrations- und Geschwindig-keitsprofile vorliegen, wurde in der Rechnung ein homogenes Kolbenstromungsprofil vorgegeben.Die Geschwindigkeit der Gasphase ergibt sich hierfur aus dem Luftmassenstrom, die der Par-tikel muss vorgegeben werden. Die in Tabelle 2 angegeben Partikelgeschwindigkeiten wurdenaus vorangegangenen Proberechnungen als realistische Werte ermittelt. Am Einlass wurde einTurbulenzgrad von 5% fur die Gasphase vorgegeben, und in allen Simulationen wurden 50000Partikeltrajektorien pro Lagrange-Iteration berechnet.

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50 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Abbildung 15: Vergleich der axialen Geschwindigkeitsprofile aus der Simulation mit Messdaten nach Tsu-ji et al., [27], Beladung m = 3.0, Partikeldurchmesser dP = 2.78 mm, ReynoldszahlRe ≈ 31000, Bezugsgeschwindigkeit im Zentrum des Rohrs uc = 19.5 m/s.

Das obere Rohrende wurde als Offnung mit einem Relativdruck zur Umgebung von 0 Pa undverschwindenden Gradienten der Turbulenzgroßen vorgegeben. Die Rohrwande wurden als hy-draulisch glatt betrachtet. Angaben uber die Stoßzahl e = 0.8 fur Partikel-Wand-Kollisionen mitPolystyrolpartikeln ahnlicher Große auf Acrylglas, aus dem das Rohr im Experiment bestand,wurden [11] entnommen und stammen im Original ebenfalls aus der Arbeitsgruppe von Tsu-ji, [29]. Mangels genauer Daten wurde diese Stoßzahl auch fur die Partikel-Partikel-Kollisionenverwendet. Parallel zur Wand wurden die Stoße wie in Validierungsfall I verlustfrei behandelt.Auch in Fall II konnte aus den genannten Grunden keine Partikelrotation berucksichtigt werden.Die Ruckwirkung der Partikel auf die Gasphase wurde mit einem Unterrelaxationsfaktor von0.4 eingekoppelt.

3.3.2 Gegenuberstellung der Ergebnisse der Simulation mit den experimentellenDaten, Diskussion

In diesem Unterabschnitt werden die Ergebnisse der Simulationen fur die drei in Tabelle 2aufgefuhrten Falle mit den experimentellen Daten nach Tsuji et al., [27], verglichen.

Abbildung 15 zeigt die Geschwindigkeitsprofile der Gasphase und der Partikel am Ende desvertikalen Rohrs fur die Simulation ohne und mit Kollisionsmodell und die von Tsuji ange-gebenen experimentellen Daten fur den Fall A mit den großten verwendeten Partikeln, derenDurchmesser dP = 2.78 mm betragt. Man erkennt, dass bei Einsatz des Kollisionsmodells eineHomogenisierung der Stromung erfolgt, denn das Geschwindigkeitsprofil fur die Partikel ist un-ter Verwendung des Modells wesentlich weniger gekrummt als ohne das Modell. Der Vergleichmit den experimentellen Daten zeigt, dass das berechnete Profil fur die Partikel etwas zu flachist, die Abweichungen liegen bei etwa ±10%. Im Zentrum des Rohrs weicht die Rechnung oh-ne das Kollisionsmodell sogar weniger von den Messdaten ab, allerdings wird die Stromung inWandnahe mit dem Kollisionsmodell besser wiedergegeben, es wird kein solch starker Abfallvorhergesagt wie ohne Berucksichtigung der Kollisionen.

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3.3 Validierungsfall II: Vertikale Rohrstromung nach Tsuji, Morikawa und Shiomi 51

Abbildung 16: Vergleich der axialen Geschwindigkeitsprofile aus der Simulation mit Messdaten nachTsuji et al., [27], Beladung m = 2.0, Partikeldurchmesser dP = 501 µm, ReynoldszahlRe ≈ 16000, Bezugsgeschwindigkeit im Zentrum des Rohrs uc = 9.0 m/s.

Das Geschwindigkeitsprofil der Gasphase unterscheidet sich in den beiden Rechnungen kaumvoneinander, aufgrund der geringeren Partikelgeschwindigkeit bei Nutzung des Stoßmodells wirdauch die Gasphase leicht verzogert. Dennoch ist das experimentell ermittelte Gasgeschwindig-keitsprofil so beschaffen, dass in der Rohrmitte hohere, zur Wand hin niedrigere Geschwindig-keiten als in der Rechnung erreicht werden, nur direkt an der Wand fallt dann das dort starkergekrummte Profil aus der Rechnung wieder unter die experimentellen Daten.

Die Beladung in Fall A betrug m = 3.0 und ist damit die hochste hier simulierte Massenbe-ladung. Bei diesem Wert ist die verwendete laseroptische Messmethode bereits im Grenzbereichihrer Anwendbarkeit. Auf weitere mogliche Fehlerursachen in Experiment und Rechnung wirdweiter unten eingegangen.

Die Geschwindigkeitsprofile fur Gas und Partikel fur Fall B sind in Abbildung 16 zusammen-gefasst. Der Partikeldurchmesser betragt hier dP = 501 µm. Wie aus der Abbildung zu erkennenist, wird das Profil der Partikelgeschwindigkeit durch die Simulation mit dem Kollisionsmodellsehr gut wiedergegeben. Die Abweichungen betragen nur 3-6%. Ohne Verwendung des Stoß-modells wird die Partikelgeschwindigkeit vollkommen falsch berechnet, die Geschwindigkeitensind im Zentrum des Rohrs zu hoch und in Wandnahe zu niedrig. Das Modell stellt hierfur alsounbedingt eine Verbesserung dar.

Das experimentelle Profil der Gasgeschwindigkeit wird durch die Simulation mit dem Kol-lisionsmodell auch recht gut wiedergegeben. Im Zentrum der Stromung kann man im Versuchallerdings einen Abfall der Geschwindigkeit feststellen, der durch die Rechnung nicht vorherge-sagt wird. Die wahrscheinlichste Ursache hierfur ist die Nichtberucksichtigung der Partikelro-tation in der Simulation. Die Drehbewegung der Partikel bewirkt namlich eine Querkraft, diesogenannte Magnuskraft, die entsteht, wenn das Fluid auf der Seite des Partikels, die sich inStromungsrichtung des Fluids dreht, beschleunigt wird. Dort entwickelt sich ein Unterdruck,wahrend die gegenuberliegende Seite das Fluid verzogert, was eine Druckerhohung bewirkt.Dieser Druckgradient quer zur Stromungsrichtung beschleunigt das Partikel in einer aufwarts

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52 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Abbildung 17: Vergleich der axialen Geschwindigkeitsprofile aus der Simulation mit Messdaten nachTsuji et al., [27], Beladung m = 2.1, Partikeldurchmesser dP = 243 µm, ReynoldszahlRe ≈ 30000, Bezugsgeschwindigkeit im Zentrum des Rohrs uc = 17.4 m/s.

gerichteten Rohrstromung zum Zentrum des Rohrs hin, da die Partikel-Wand-Stoße eine entspre-chende vorherrschende Drehbewegungsrichtung erzeugen und das Gas schneller als die Partikelstromt. Die vorhandene Querkraft erhoht die Konzentration der Partikel im Zentrum des Rohrs,bremst aufgrund der niedrigeren Partikelgeschwindigkeit und der Widerstandskraft das Gas abund fuhrt gleichzeitig weiter außen zu einer Reduktion des Widerstands, so dass in der Mittezwischen Zentrum des Rohrs und der Wand ein Gebiet hoherer Gasgeschwindigkeit entsteht.

In der Abbildung 17 sind die Geschwindigkeitsprofile fur den Fall C dargestellt, in dem Par-tikel mit einem Durchmesser von dP = 243 µm verwendet wurden. Die Partikelgeschwindigkeitwird mit dem Kollisionsmodell im Zentrum und im großten Teil des Querschnitts um etwa 10%unterschatzt und am Rand etwas zu hoch vorhergesagt. Das Geschwindigkeitsprofil aus der Si-mulation ist ein wenig zu flach, die Homogenisierung zu stark. Wird das Kollisionsmodell nichtverwendet, wird die Partikelgeschwindigkeit im Rohrzentrum zwar genau getroffen, in Wandnaheist das Profil aber zu steil.

Der Verlauf der Gasgeschwindigkeit wird bis auf geringe Abweichungen sehr gut vorherge-sagt. Die Maximalgeschwindigkeit ist bei Anwendung des Kollisionsmodells etwas niedriger undstimmt mit dem experimentellen Wert uberein. In Wandnahe liegen die Messdaten leicht unter-halb der simulierten Werte. Der Einfluss der Magnuskraft spielt bei den kleineren Partikeln einegeringere Rolle, da ihre durch einen reibungsbehafteten Stoß mit der Wand erzeugte Drehbewe-gung aufgrund ihrer geringeren Tragheit schneller durch das umgebende Fluid gedampft wird.Die Rotation durfte schon in geringer Entfernung zur Wand aufhoren.

Eine mogliche Quelle fur die Diskrepanz zwischen Messwerten und Ergebnissen der Simulati-on neben der Nichtberucksichtigung der Partikelrotation ist, dass die Gasturbulenz nicht durchdie Gegenwart der Partikel beeinflusst wird. In der Realitat ist dies aber der Fall, insbeson-dere bei solch hohen Massenbeladungen der Gasstromung. Partikel konnen die Gasturbulenzsowohl verstarken als auch dampfen. Dies hat Auswirkungen auf das Geschwindigkeitsprofil derGasphase und durch die Widerstandskraft auch wieder auf die Partikelgeschwindigkeit.

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3.4 Validierungsfall III: Drallbehaftete Rohrstromung nach Zhou, Li, Chen und Xu 53

Verschiedene Kritikpunkte gibt es auch an der Messdatenerfassung. Zum einen war dieMessmethode der Laser-Doppler-Anemometrie zum Zeitpunkt der Messung von Tsuji, 1984,noch recht neu und nicht ganz ausgereift. Wie bereits oben angesprochen, war die Beladung derStromung fur diese Methodik sehr hoch, zumal die Partikeldichte deutlich niedriger als die dersonst oft verwendeten Glasperlen war. Die Volumenkonzentration war damit noch hoher, wasden optischen Strahldurchgang erschwerte.

Ein Workshop an der Universitat Erlangen zum Thema Zweiphasenstromung kam bezuglichdieses Experiments von Tsuji et al. zu dem Schluss, dass es nicht genugend Informationen fur eineGas-Partikel-Stromung liefert, [30]. Gas- und Partikelgeschwindigkeit seien bei unterschiedlichenTestbedingungen gemessen und die Geschwindigkeitsmessungen nur in einer Querschnittsebenedurchgefuhrt worden. Diese ist zwar weit vom Einlass entfernt gewesen, doch nicht weit genug,um eine voll ausgebildete Stromung zu erhalten, wie eine Analyse der Verweilzeit und der Zeitzum Erreichen der stationaren Endgeschwindigkeit der Partikel im Rahmen der vorliegendenArbeit ergab (bis zu 15% Abweichung fur ein Einzelpartikel mit 3 mm Durchmesser). Aus diesemGrund wurde die Stromung in den durchgefuhrten Simulationen statt auf 5.11 m Rohrlange imExperiment auf 10 m berechnet. Die Unterschiede in den Ergebnissen der Rechnung zwischen 5m und 10 m Lange sind allerdings nur sehr gering. Dies konnte jedoch daran liegen, dass in derSimulation am unteren Rohrende kein Krummer mit vorspringender Stufe modelliert, sondernein homogenes Kolbenstromungsprofil vorgegeben wurde, so dass eventuell im Gegensatz zumExperiment bereits nach 5 m eine vollausgebildete Stromung vorliegt. Ob die vorspringende Stufeim Experiment eine vollstandige Redispersion der Partikel ermoglichte und Strahnenbildungverhinderte, wurde von Tsuji et al. nicht angegeben bzw. gepruft.

Die Wirksamkeit der Beschichtung der kleineren Partikel mit einer antistatischen Substanzwurde nicht weiter nachgewiesen. Insbesondere wurden keine Konzentrationsfelder gemessenoder gepruft, ob eventuell ein Teil der Partikel durch elektrostatische Haftung an der Wand ausder Stromung entnommen wurde und somit die Beladung verandert hat.

Im einem Artikel von Barlow und Morrison, [31], wird die Korrektheit der Methodik, mitder die elektronische Auswertung von Tsuji et al. vorgenommen wurde, fur hochbeladene Stro-mungen angezweifelt. Das Problem liegt in der nicht einheitlichen Intensitat des Laserstrahlsinnerhalb des Messvolumens. Eine Unterscheidung zwischen Signalen von den Tracerpartikelnfur das Gas und solchen der großen Partikel auf der Basis der Amplitudenhohe allein – wie sievon Tsuji et al. in [27] praktiziert wurde, sei nicht ausreichend. Die Messdaten konnten daherverfalscht sein.

Kartushinsky und Michaelides weisen in [32] außerdem darauf hin, dass die Genauigkeit derMessdaten in Wandnahe reduziert ist. Es sei hier jedoch angemerkt, dass trotz der aufgefuhrtenUnsicherheiten das hier als Testfall verwendete Experiment der Gruppe um Tsuji inzwischen einStandardfall ist, der in sehr vielen Veroffentlichungen als Referenz zum Vergleich herangezogenworden ist.

3.4 Validierungsfall III: Drallbehaftete Rohrstromung nach Zhou, Li, Chenund Xu [33]

3.4.1 Modellierung

Der dritte Validierungsfall fur das implementierte Kollisionsmodell ist eine mit starkem Drallbehaftete, zweiphasige Rohrstromung, die außerdem noch eine vorspringende Stufe uberwindenmuss. Die Konfiguration ist in Abbildung 18(a) skizziert und die in der Simulation verwende-te Geometrie inklusive der Messtraversen in Abbildung 18(b) dargestellt. Der Bereich um dieEinlasse wird in Abbildung 18(c) noch einmal vergroßert gezeigt.

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54 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

(a) Skizze

(b) Simulation, Gesamtgeometrie (c) Simulation, Einlassbereich

Abbildung 18: Geometrie des Validierungsfalls III nach Zhou et al., [33].

Das Experiment wurde 2000 von Zhou, Li, Chen und Xu, [33], durchgefuhrt, die Messdatenwurden mittels Phasen-Doppler-Anemometrie (PDA) gewonnen, die es erlaubt, detaillierte In-formationen uber Partikelgeschwindigkeit, -große und -konzentration zu erhalten. Es handelt sichhierbei ebenfalls um ein laseroptisches Messverfahren. Die Erfassung erfolgte in funf Messebenenmit dem Abstand 82, 147, 227, 305 und 455 mm vom Einlass, in Abbildung 18(b) durch breiteschwarze Linien markiert, welche die Messtraversen darstellen. Die Geometrie fuhrt zu einernicht achsensymmetrischen Stromung unter Ausbildung von Partikelstrahnen. Die Messebenenbefinden sich allesamt in der vorderen Halfte des Hauptrohrs mit dem großeren Durchmesser,ein Einfluss der weiter stromabwarts befindlichen vorspringenden Stufe auf die Stromung imvorderen Teil besteht daher nicht unmittelbar.

Die Stromung besteht aus Luft und Glaspartikeln. Die Luft wird sowohl uber die beidenseitlichen Einlasse, grun eingefarbt, als auch uber den zentralen Einlass auf der Rohrachse, dun-kelrot markiert, mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten zugefuhrt, siehe Tabelle 3, die Partikeldagegen nur uber den Einlass auf der Rohrachse. Dadurch bewegen sich die Partikel zunachstin axialer Richtung und werden sukzessive durch die Luft auf eine spiralformige Bahn gelenkt.Die dadurch entstehenden Zentrifugalkrafte befordern die Partikel an die Rohrwand, an der siesich in helikalen Strahnen stromabwarts bewegen. Die nicht achsensymmetrische Stromung unddie zentrale Zufuhrung der Partikel ist aus der Auftragung der Partikelanzahldichte nP in derEbene y = 288 mm in Abbildung 19(a) ebenso zu erkennen wie der spiralformige Bahnverlauf.

Aus den in Tabelle 3 angegebenen Geschwindigkeiten erhalt man uber

mGas = ρ Aquer uin (103)

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3.4 Validierungsfall III: Drallbehaftete Rohrstromung nach Zhou, Li, Chen und Xu 55

Tabelle 3: Parameter des Validierungsexperiments zur Drallstromung, Fall 2 aus [33].

Einlassbedingungen

Axiale Einstromgeschwindigkeit 5 ms

Tangentiale Einstromgeschwindigkeit 10 ms

Drallzahl im Experiment 1.5

Massenbeladung durch Partikel 0.01 kg Feststoffkg Gas

(a) Partikelanzahldichte (b) Partikelgroßenverteilung

Abbildung 19: Partikelanzahldichte in der Querschnittsebene y = 288 mm (a), der Wertebereich ist obenabgeschnitten. Partikelgroßenverteilung Q0 (b) aus der Messung (rot) und vereinfachteVerteilung fur die Simulation (blau).

mit den Abmessungen aus Abbildung 18(a) die Luftmassenstrome mGas,ax. = 0.0165 kg/s imaxialen Einlass und jeweils mGas,tan. = 0.0254 kg/s in den tangentialen Einlassen. Der Parti-kelmassenstrom bei einer Beladung von m = 0.01 ergibt sich damit zu mP = 6.74 · 10−4 kg/s.Die Beladung ist zwar nominell gering, durch den aufgepragten Drall ergeben sich jedoch inWandnahe lokal deutlich hohere Werte, die den Einsatz des Kollisionsmodells erfordern.

Zhou et al. haben insgesamt drei Falle mit verschiedenen Drallzahlen Dz ∈ 1.0, 1.5, 2.1untersucht. Fur die Validierung wurde nur der mittlere Fall herangezogen. Pro Messebene wur-den etwa 25 bis 35 Datenpunkte uber den Durchmesser verteilt angegeben, außer auf der amweitesten stromabwarts gelegenen, da dort die Partikelbeladung in der Rohrmitte wegen der Zen-trifugalwirkung des Dralls so gering ist, dass die statistischen Schwankungen zu groß werden. Eswurde sowohl die Gasgeschwindigkeit mittels Tracerpartikeln als auch die Partikelgeschwindig-keit fur zwei Großenklassen gemessen. Pro Datenpunkt wurden etwa 2000 bis 5000 Messungenvorgenommen.

Die Partikel unterliegen einer Großenverteilung, die in 40 Klassen fein abgestuft experimen-tell ermittelt wurde, der mittlere Durchmesser liegt bei dP = 76.3µm. Fur die Simulation wurdedie Verteilung auf sechs Klassen vereinfacht, die jeweils einen Mittelwert darstellen, siehe Ab-bildung 19(b). Fur diese Einteilung in Klassen muss fur die Rechnung der Massenanteil und derAnzahlanteil jeder Fraktion angegeben werden, aufgefuhrt in Tabelle 4. Als Tracer dienten die

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56 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Tabelle 4: Partikelgroßenfraktionen in der Rechnung.

mittlerer Partikeldurchmesser dP Massenanteil Anzahlanteil

14 µm 5.801 · 10−4 0.13378

48 µm 5.452 · 10−2 0.31198

80 µm 1.556 · 10−1 0.19228

104 µm 4.812 · 10−1 0.27070

124 µm 2.225 · 10−1 0.07385

146 µm 8.564 · 10−2 0.01741

Partikel mit einem Durchmesser kleiner 10 µm, was noch recht groß ist. In Abbildung 19(b) ist dieAnzahlverteilung gegeben. Die Umrechnung in Massenanteile erfolgt uber das Massenverhaltnis;bei diesem Vorgang ist zu beachten, dass die CFD-Software zur Reduktion des Rechenaufwandsnur die Trajektorien von Partikelreprasentanten berechnet.

An der vorspringenden Stufe sammeln sich die Partikel und uberwinden diese durch Partikel-Wand-Stoße oder durch Kollisionen zwischen den Partikeln. In Abbildung 18(b) ist nicht zuerkennen, dass die Stufe leicht angeschragt zum Rohrmantel verlauft, damit die Partikel dieStufe etwas leichter uberwinden konnen. Interessanterweise hat sich im Verlauf der Rechnungengezeigt, dass eine stationare Simulation ohne das Kollisionsmodell uberhaupt nicht zur Kon-vergenz zu bringen war, da sich die Partikel in diesem Fall gegenseitig nicht sehen konnen unddaher allein aufgrund des Wandkontakts die Stufe uberwinden mussten. Trotz der erwahntenAnschragung ist ein Großteil der Partikel aber hangengeblieben, so dass die Massenerhaltungnicht erfullt werden konnte. Erst bei Einsatz des neu implementierten Kollisionsmodells warKonvergenz und stabiles Rechenverhalten zu erlangen, da die Partikel-Partikel-Interaktionenschon vor der Stufe, an der sich die Partikel stauen, zu einer großen Zahl von Stoßen fuhren,welche die Stromung homogenisieren und die meisten Teilchen uber die Stufe heben. Fur die-sen Testfall ist das Kollisionsmodell also unerlasslich. Etwa 1.5% der Trajektorien gingen inder Rechnung trotzdem ”verloren“ mit einem ebensohohen Fehler in der Massenbilanz fur diePartikel.

Wegen der starken Anisotropie der Turbulenz in einer Drallstromung wurde fur die Simu-lation dieses Validierungsfalls im Gegensatz zu den ersten beiden Fallen kein Zweigleichungs-modell verwendet, die von isotroper Turbulenz ausgehen, sondern ein Reynoldsspannungsmo-dell, das fur jede der sechs unterschiedlichen Komponenten des Reynoldsspannungstensors eineeigene partielle Differentialgleichung lost. Nur die Dissipationsrate ε (bzw. alternativ die Fre-quenz ω), die auf den kleinsten Turbulenzskalen wirkt, wird als isotrop angenommen und alssiebte Turbulenz-Differentialgleichung gelost. Das verwendete, in Ansys CFX vorhandene BSL-Reynolds-Stress-Modell blendet von der ω-Gleichung in Wandnahe in die ε-Gleichung in freierStromung uber. Aufgrund der Komplexitat der gekoppelten Gleichungen mussen eine geringereRobustheit und eine langsamere Konvergenz der numerischen Berechnungen in Kauf genommenwerden. Vorversuche hatten verdeutlicht, dass eine Simulation mit einem Zweigleichungsmodelldie Drallstromung zu stark dampft.

Rucksprache mit dem Erstautor der Messdaten, [34], ergab, dass die Schwerkraft im Messauf-bau in axialer Richtung gegen die Stromungsrichtung wies, damit die Profile auf diese Weise nichtin Umfangsrichtung beeinflusst werden und um so eine verstarkte Asymmetrie zu vermeiden. Einweiterer Vorteil ist ein leichteres Uberwinden der vorspringenden Stufe, da die Axialgeschwin-digkeit in dieser Anordnung im Vergleich zur umgekehrten Orientierung verringert wird. In der

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3.4 Validierungsfall III: Drallbehaftete Rohrstromung nach Zhou, Li, Chen und Xu 57

Abbildung 1(a) in [33] war die Rohrstromung falschlicherweise entgegengesetzt dargestellt. Aufdie Partikel wirken daher Schwerkraft, die Widerstandkraft nach Schiller und Naumann und diedurch Kollisionen mit den Wanden hervorgerufenen Reaktionskrafte. Die Stoßzahl an der Wandbetrug wieder e = 0.96 fur Glaspartikel auf Plexiglas, aus dem das Rohr gefertigt ist; dieserWert liegt im Rahmen der in [11] angegebenen Bereiche. In Richtung parallel zur Wand wurdendie Stoße als verlustfrei betrachtet.

Die durch den Drall hervorgerufene Konzentrierung der Partikel an der Wand fuhrt zu einergroßen Anzahl von Partikel-Wand-Stoßen, welche die Partikel in der Realitat in Rotation ver-setzen. Dies konnte aus bereits genannten Grunden derzeit nicht berucksichtigt werden. Damitfallen auch durch Rotation der Partikel auftretende und auf diese ruckwirkende Krafte weg, wasdie Vorhersagegute fur diesen Validierungsfall herabsetzt. Auch eventuell auftretende Ablage-rungen an der Wand oder vor der Stufe konnen derzeit nicht berechnet werden.

Die Zufuhrung der Luft an den Einlassen erfolgte mit mittlerer Turbulenzintensitat, an derAuslassoffnung am Ende des kleineren Rohrs wurde atmospharischer Druck vorgegeben, unddie Gradienten der Turbulenzgroßen wurden an dieser Offnung zu null gesetzt. Die turbulenteDispersion der Partikel wurde berucksichtigt, das Rechengitter umfasste ca. 1.6 Mio. Elemente,es wurden pro Lagrange-Iteration 60000 Partikeltrajektorien berechnet, und die Ruckkopplungauf die Gasphase erfolgte mit einem Unterrelaxationsfaktor von 30%.

3.4.2 Gegenuberstellung der Ergebnisse der Simulation mit den experimentellenDaten, Diskussion

In diesem Abschnitt werden die Rechenergebnisse mit den experimentellen Daten des Falls 2von Zhou et al., [33], verglichen. Es werden die Geschwindigkeitsprofile, sowohl die gemitteltenals auch die Schwankungsgroßen, in axialer und tangentialer Richtung in drei Messebenen vor-gestellt. Es handelt sich hierbei um die Ebene y = 82 mm, die den Einlassen am nachsten ist,die mittlere der funf Messebenen aus [33] bei y = 227 mm sowie die am weitesten stromabwartsbefindliche bei y = 455 mm. Außerdem wird die Verteilung der Partikelanzahldichte uber denRohrquerschnitt prasentiert.

Die Drallzahl Dz wird von Zhou et al. unter Verweis auf die Gleichung

Dz =∫ 2π

0

∫ Rin0 ρGas vGas, tan vGas, ax r

2 dr dϕ

RRohr

∫ 2π0

∫ Rin0 ρGas v2

Gas, ax r dr dϕ(104)

angegeben und betragt im Experiment Dz = 1.5, wobei Rin den Radius des axialen Einlassesund RRohr den Radius des großeren Rohrs bezeichnet. Es wird in der Veroffentlichung jedochkeine Aussage daruber getroffen, in welchem Querschnitt diese Zahl bestimmt wurde. Anhandder Ergebnisse der Rechnungen wurde eine Analyse der Drallzahl – bezogen nur auf die Gasphase– uber die Rohrlange durchgefuhrt, die zu dem in Tabelle 5 dargestellten Werten fuhrte.

Dabei wurde die Drallzahl nach der folgenden Definition berechnet

Dz =∫ 2π

0

∫ RRohr0 ρGas vGas, tan vGas, ax r

2 dr dϕ

RRohr

∫ 2π0

∫ RRohr0

[ρGas v2

Gas, ax + (P − Pref)]r dr dϕ

, (105)

mit dem Bezugsradius RRohr des großeren Rohrs, weil die Drallstromung den gesamten Rohr-querschnitt einnimmt. In Zhous Definition, Gleichung 104, wurde der Radius des axialen Einlas-ses gewahlt und die Druckdifferenz im Axialimpulsstrom vernachlassigt, wodurch sich nominellhohere Drallzahlen ergeben, aber die Luftmasse aus den tangentialen Einlassen, die auch axialemTransport unterliegt, nicht eingeht.

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58 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Tabelle 5: Drallzahl in der Simulation ohne und mit Berucksichtigung der Druckdifferenz.

Lage y [mm] Drallzahl Dz Drallzahl Dz

ohne Druck mit Druck

etwa Mitte der tangentialen Einlasse 36 0.972 0.109

noch an tangentialen Einlassen 50 1.005 0.154

direkt hinter tangentialen Einlassen 69 1.026 0.240

Messebene 1 82 0.977 0.241

Messebene 2 147 1.048 0.237

Messebene 3 227 1.007 0.226

Messebene 4 305 0.988 0.227

Messebene 5 455 0.964 0.227

kurz vor der Stufe 750 0.889 0.221

Die Drallzahlen in Tabelle 5 sind einmal inklusive der Differenz zwischen lokalem Druck unddem Druck am Rohrauslass, 101325 Pa, gebildet und einmal ohne diesen Term. Berechnungenzeigen, dass der Druckterm im Axialimpuls berucksichtigt werden muss, da sonst der Axialim-pulsstrom uber die Rohrlange wieder ansteigt. In der Realitat sinkt dieser uber die Lauflangeaufgrund dissipativer Effekte ebenso wie der Drehimpuls der Stromung. Die Drallzahl selbstkann je nach Referenzdruck sinken, nahezu konstant bleiben oder auch anwachsen. Hier wurdeder Druck am Auslass des schmaleren Rohrs als Referenzgroße gewahlt; bei Wahl des mittle-ren Drucks am Ende des großeren Rohrs ergeben sich hohere Drallzahlen, die stromabwartssogar ansteigen. Man erkennt, dass der Absolutwert der Drallzahl fur diese Konfiguration keineeindeutige Aussage liefert, was den Vergleich mit der Angabe von Zhou et al. erschwert.

Abbildung 20(a) zeigt die mittlere Axialgeschwindigkeit in den drei Vergleichsebenen fur Gasund Partikel. In der ersten Ebene wird die mittlere Partikelgeschwindigkeit bis auf die Maximabei r = ±50 mm, die zu hoch ausfallen, recht gut vorhergesagt. Die Gasgeschwindigkeit ist inder Rechnung im Zentrum jedoch zu hoch, in Wandnahe erfolgt sogar eine Ruckstromung, dieim Experiment nicht detektiert wurde. Dies konnte daran liegen, dass das PDA-Verfahren denwandnahen Bereich nicht hinreichend auflosen konnte, um die Ruckstromung zu erfassen. Dererste mit der PDA mogliche Messpunkt wird fur diesen Zweck schon zu weit in der Stromung ge-legen haben. Qualitativ ist in der Profilform jedoch auch fur die Gasphase eine Ubereinstimmungzu erkennen. Die Gasgeschwindigkeit liegt oberhalb der Partikelgeschwindigkeit, weil der Gas-strom aus den zwei tangentialen Einlassen dazustoßt und damit die zunachst isokinetisch mitden Partikeln im zentralen Einlass zustromende Luft beschleunigt. Aufgrund ihrer Tragheitbenotigen die Partikel eine langere Zeit, um ihre Geschwindigkeit anzupassen, wie man in denbeiden unteren Abbildungen erkennen kann.

In der zweiten Ebene bei y = 227 mm ist eine Vergleichmaßigung der Profile zu sehen, dahier der Einfluss des axialen Einlasses nachlasst und sich ein Rankine-Wirbel ausbildet. Quali-tativ wird die axiale Partikelgeschwindigkeit gut vorhergesagt, jedoch wird sie dem Betrag nachdeutlich uberschatzt und fallt zur Wand hin nicht genugend ab. Die Gasgeschwindigkeit ist so-wohl in der Mitte des Rohrs als auch an der Wand zu hoch, nur im Bereich um den halbenRadius stimmt die Großenordnung mit den Messdaten uberein. Das hier erkennbare W-formigeProfil ist in den Messungen erst bei einer hoheren Drallzahl Dz = 2.1 aufgetreten. Das fur den

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3.4 Validierungsfall III: Drallbehaftete Rohrstromung nach Zhou, Li, Chen und Xu 59

(a) axiale gemittelte Geschwindigkeit (b) tangentiale gemittelte Geschwindigkeit

Abbildung 20: Axiale (a) und tangentiale (b) gemittelte Geschwindigkeit von Gas und Partikeln (50bzw. 70 µm Durchmesser) als Funktion der axialen Position (Ebenen y = 82, 227, 455 mmvon oben nach unten).

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60 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

vorliegenden Fall Dz = 1.5 gemessene Profil ist gleichmaßiger und eher U-formig.Dieser Trend setzt sich auch in der letzten Messebene fort, auch in dieser werden die mittleren

axialen Geschwindigkeiten von Partikeln und Gas zu hoch vorhergesagt. Interessant ist, dass diePartikel in der Rechnung in einigen Bereichen, in denen sich aber nur wenige Partikel aufhalten,sogar schneller als das Gas stromen. Dieser Effekt beruht moglicherweise auf der Tragheit derPartikel, denn die Gasgeschwindigkeit vergleichmaßigt sich und nimmt schneller ab. An denSchwankungen im Profil auf der letzten Ebene kann man erkennen, dass die Statistik dortnicht mehr sehr gut ist, da die meisten Partikel auszentrifugiert werden und sich in Wandnaheaufhalten. In den Messungen besteht weniger Schlupf zwischen den Partikeln und der Gasphase.

Die mittlere tangentiale Geschwindigkeit ist in Abbildung 20(b) dargestellt. Die Verlaufe furdie erste Ebene zeigen, dass die Partikelgeschwindigkeit in weiten Teilen nur leidlich gut getroffenwird; in Wandnahe kommt es zu großeren Schwankungen nach oben und unten als im Experi-ment, teilweise wegen statistischer Ungenauigkeit aufgrund einer niedrigen Partikelanzahl. Diezu hohen Partikelumfangsgeschwindigkeiten an der Wand deuten auf eine in der Simulation zugering angesetzte Wandreibung der Partikel wegen des zu eins gesetzten tangentialen Stoßver-lustbeiwerts hin. Sowohl in der Simulation als auch in der Messung haben die Partikel aufgrundihrer Tragheit eine geringere Umfangsgeschwindigkeit als die Luft. Die Gasgeschwindigkeit wirdin allen drei Ebenen qualitativ korrekt vorhergesagt, jedoch ist sie ebenso wie ihr axialer Anteilin der Rechnung zu hoch.

Die Abnahme der tangentialen Geschwindigkeit entlang der Achse aufgrund der Dissipationist fur Simulation wie Experiment gut ersichtlich. In der mittleren Messebene wird das Ma-ximum der Partikelumfangsgeschwindigkeit zu hoch und zu weit außen gelegen vorhergesagt,in der letzten Ebene liegt seine radiale Position naher an der des experimentell ermitteltenMaximums. Es ist deutlich zu erkennen, dass ein Starrkorperwirbel (Rankine-Wirbel) vorliegt.Nur die Haftbedingung an der Wand verzogert dort die Stromung. Der unsaubere Verlauf derPartikelgeschwindigkeit aus der Simulation in der letzten Ebene liegt wieder in der geringenPartikelanzahl abseits der Wand begrundet.

Wahrend die mittleren Geschwindigkeiten in der Rechnung tendenziell zu hoch prognostiziertwerden, zeigt Abbildung 21(a), dass die Standardabweichung der Schwankungsgeschwindigkeiten(RMS-Werte der Fluktuationen) in axialer Richtung unterschatzt werden. Fur die Partikel liegendie Werte fast eine halbe Großenordnung unterhalb der experimentellen Daten. Der Verlauf zeigtauch in der Form der Profile keinerlei Ahnlichkeit.

Die Schwankungsgeschwindigkeit der Gasphase in axialer Richtung ist in der ersten Ebenein weiten Teilen deutlich hoher als die der Partikel, jedoch werden die hohen experimentellenWerte nicht erreicht. In der mittleren Messebene sieht das Bild besser aus, allerdings wird die inden Messdaten bei r = +45 mm auftretende Spitze in den Schwankungsgeschwindigkeiten nichtwiedergegeben. Die Partikelgeschwindigkeitsfluktuationen werden hier ebenso zu niedrig vorher-gesagt. In der am weitesten stromabwarts gelegenen Messebene ist bessere Ubereinstimmung,auch in der Großenordnung der Werte, zu erkennen. Das aus den Rechnungen stammende Profilder axialen Partikelfluktuationen ist aber homogener als das experimentelle. Von der Tendenzher sind die axialen Fluktuationen in Wandnahe etwas hoher als im Zentrum des Rohrs.

Die tangentiale Komponente der Geschwindigkeitsschwankungen ist in Abbildung 21(b) auf-getragen. In der Ebene y = 82 mm stimmen die Verlaufe der tangentialen Partikelgeschwin-digkeitsfluktuationen wenigstens qualitativ uberein, die lokalen Maxima werden bei gleichemRadius prognostiziert. Der Betrag ist allerdings auch hier zu gering. Die Schwankungen der Um-fangsgeschwindigkeit der Luft liegen wie im Experiment oberhalb der Werte fur die Partikel, derVerlauf gleicht den Messdaten aber nur sehr grob.

Weiter stromabwarts ubertreffen die Partikelschwankungsgeschwindigkeiten diejenigen derGasphase im außeren Drittel des Radius. Dieses Phanomen tritt in den Messungen auf und wird

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3.4 Validierungsfall III: Drallbehaftete Rohrstromung nach Zhou, Li, Chen und Xu 61

(a) axiale Geschwindigkeitsschwankungen (b) tangentiale Geschwindigkeitsschwankungen

Abbildung 21: Axiale (a) und tangentiale (b) Geschwindigkeitsfluktuationen (RMS-Werte) von Gas undPartikeln (50 bzw. 70 µm Durchmesser) als Funktion der axialen Position (Ebenen y = 82,227, 455 mm von oben nach unten).

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62 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Abbildung 22: Partikelanzahldichte als Funktion der axialen Position (Ebenen y = 82, 227 mm oben linksbzw. rechts, Ebene 455 mm unten).

auch durch die numerische Simulation bestatigt. Im Zentrum des Rohrs hingegen befinden sichweiter vom Einlass entfernt nicht mehr viele Partikel, und deren Geschwindigkeitsfluktuationensind in der Rechnung sehr gering.

Die Schwankungen in tangentialer Richtung fur die Gasphase werden in der Rechnung in dermittleren und der letzten Ebene recht gut reproduziert, wenn auch die lokalen Maxima nichtgenau getroffen werden. Generell lasst sich erkennen, dass die Fluktuationen anisotrop sind, wasden Einsatz des Reynoldsspannungsmodells rechtfertigt. Die axialen Fluktuationen der Partikelsind in den meisten Bereichen hoher als die tangentialen, fur die Gasphase ist diesbezuglich keineinheitlicher Trend zu erkennen.

Es zeigt sich in den Messungen, dass die kleineren und damit weniger tragen Partikel ehergroßere Schwankungsgeschwindigkeiten erfahren, sowohl in axialer als auch in tangentialer Rich-tung. Gleiches gilt auch fur die mittleren Geschwindigkeitskomponenten der Partikel. Fur ihrenFall 3 (Dz = 1.0) haben Zhou et al. außerdem gemessen, dass der Schlupf zwischen Luft undGlaspartikeln in radialer Richtung sehr gering ist.

Abbildung 22 zeigt die Partikelanzahldichte nP . Diesbezuglich ist von einem Fehler in derDarstellung der Messergebnisse in Bild 18 auf Seite 84 in [33] auszugehen. Die dort gezeigtenMesswerte scheinen gerade um eine Großenordnung zu hoch zu liegen, wie der Vergleich in Ab-

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3.4 Validierungsfall III: Drallbehaftete Rohrstromung nach Zhou, Li, Chen und Xu 63

bildung 22 zeigt. Fur diese wurden Zhous Messdaten um den genannten Faktor korrigiert undzeigen eine sehr gute Ubereinstimmung in den Messebenen y = 82 mm und y = 227 mm. Einweiterer Hinweis auf eine fehlerhafte Prasentation der Originaldaten ist, dass die Experimen-tatoren in ihrem Fall 1 (Dz = 2.1) bei ahnlicher Geometrie und ahnlichen Randbedingungenebenfalls Werte erreichen, die um den Faktor zehn unter den Angaben fur Fall 2 liegen. Einsolcher Unterschied ware nicht erklarbar.

Vergleicht man die Ergebnisse der Rechnung mit den korrigierten Messdaten, erkennt manin der Ebene, die dem Einstromende des Rohrs am nachsten liegt, eine hohe Konzentrationin der Umgebung der Achse, da die Partikel nur uber den zentralen Einlass zugegeben wer-den. Die Rechnung gibt den Verlauf auch quantitativ korrekt wieder. Das Hauptmaximum istexperimentell als etwas breiter vermessen worden, wird aber ebenfalls gut berechnet.

In der Ebene y = 227 mm zeigt sich der Einfluss der Zentrifugalkraft, indem die Konzentra-tion der Partikel in Wandnahe sprungartig ansteigt. Die Hohe des Sprungs wird auch quantitativauf der Seite des negativen Radius sehr gut wiedergegeben; auf der gegenuberliegenden Seiteweisen die Messdaten ein solches Maximum nicht auf. Dies kann entweder an einem etwas ande-ren Verlauf der Partikelstrahnen oder an der nicht sehr fein aufgelosten Messdichte in Wandnaheliegen, d.h. die Haufung der Partikel geschieht u.U. noch naher an der Wand, wie es auch dieRechnung vorhersagt. Das Maximum der Partikelanzahldichte in der Simulation liegt in dieserEbene bei 5.3 · 108 direkt an der Wand.

Da ein Teil der Partikel in dieser Ebene bereits auszentrifugiert ist, fallt das Maximumder Anzahldichte in der Rohrmitte schmaler als in der ersten Ebene aus. Die im Experimentauftretende Spitze wird ebenfalls korrekt berechnet, wobei die Simulation einen symmetrischenPeak vorhersagt, der in der Messung etwas nach links verschoben registriert wurde.

Das dritte Bild zeigt den Verlauf der Konzentration in der letzten Messebene, in der sichfast alle Partikel bereits in Wandnahe befinden. Die Spitzen in Wandnahe liegen außerhalb desdargestellten Bereichs: In der Rechnung werden Werte bis 7.9 · 108 an den Randern erreicht, inder Messung sogar bis zu 2.6 · 109 nach der Korrektur. In der Rohrmitte ist immer noch einkleines lokales Maximum zu erkennen. Die Ablesegenauigkeit der Messdaten ist fur dieses Bildwegen veranderter Darstellung in der Originalveroffentlichung um den Faktor zehn schlechterals in den ubrigen. Daher konnten die Messwerte, die bei etwa 0.3 · 108 liegen, in der Realitatauch nahezu null sein. Der Ausreißer bei etwa r = 20 mm ist ein Indiz dafur, dass auch in derMessung in dieser Ebene im Zentrum des Rohrs noch einige Partikel stromen.

Zusammenfassend lasst sich sagen, dass sowohl die tangentialen Komponenten der Stro-mung als auch die axialen Geschwindigkeiten in der Simulation fur die Luft wie auch fur diePartikel recht deutlich von den Messwerten abweichen. Fur die mittleren Geschwindigkeitenwerden zu hohe Werte berechnet, fur die Fluktuationen zu niedrige. Ein Teil der Abweichun-gen zwischen Rechnung und Experiment konnte erklart werden, falls die in der Veroffentlichungder Messdaten angegebenen Lufteintrittsgeschwindigkeiten Maximalwerte einer ausgebildetenStromung und nicht Mittelwerte darstellen, da offensichtlich derzeit zu hohe Geschwindigkei-ten berechnet werden. Dies wurde zu einem geringeren Drehimpuls und in der Folge auch zuniedrigeren Axialgeschwindigkeiten in der Simulation und besserer Ubereinstimmung mit denMesswerten fuhren. Weitere CFD-Berechnungen mit niedrigeren tangentialen Eintrittsgeschwin-digkeiten und dadurch verringerter Drallzahl konnten Aufschluss uber diesen Aspekt geben.Solange jedoch wie in der aktuellen Implementierung in Ansys CFX der Rauhigkeitseinflussbei Partikel-Wand-Stoßen und die hierdurch hervorgerufene Drehbewegung der Partikel nichtberucksichtigt werden konnen, ist von großeren Unterschieden zwischen Simulationsergebnissenund Messdaten auszugehen, da diese Effekte den Einfluss der Drallzahl evt. sogar ubertreffen.

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64 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Abbildung 23: Maxwell-Boltzmann-Verteilung fur den Betrag der Partikel- bzw. Molekulgeschwindigkeit.Eingezeichnet sind die wahrscheinlichste Geschwindigkeit C und die mittlere Geschwin-digkeit C.

3.5 Energieerhaltung

Das von Oesterle und Petitjean entwickelte Kollisionsmodell enthalt eine immanente Schwa-che, die nicht zu beseitigen ist. Die kinetische Energie der Partikel bleibt selbst bei vollstandigelastischen Stoßen nicht wie physikalisch gefordert erhalten. An diesem Problem andert auch dieErweiterung durch Sommerfeld zur Berucksichtigung von lokalen Schwankungsgeschwindigkeitenmit einer teilweisen Korrelation der Geschwindigkeitsfluktuationen benachbarter Partikel nichts.

Dieser Aspekt wird ausfuhrlich in der Dissertation von Kanther, [35], diskutiert. Kantherhat Kollisionen zwischen monodispersen Partikeln in komplexen Geometrien anhand des Origi-nalmodells von Oesterle und Petitjean sowie mittels einer weiteren stochastischen Methode nachNanbu und Babovsky untersucht. Das zweitgenannte Modell hat bei intelligenter Implementie-rung ebenso wie das Oesterle-Modell einen linearen Aufwand O(N) bezuglich der PartikelanzahlN . Im Gegensatz zum Oesterle-Modell lasst sich jedoch fur die Nanbu-Babovsky-Methode einKonvergenzbeweis fuhren, der die Energieerhaltung bestatigt, [35].

Das Stoßmodell nach Oesterle und Petitjean verwendet fur die Geschwindigkeit des virtuellenKollisionspartners im Gegensatz zur Erweiterung nach Sommerfeld immer die mittlere Partikel-geschwindigkeit im Kontrollvolumen. Vorteil ist bei stationaren Anwendungen die Ausnutzungder Ergodizitat der Stromung; zum Nachteil gereicht, dass alle Kollisionspartner innerhalb einerZelle identische Eigenschaften besitzen.

Die Kollisionsmodelle basieren auf der Annahme einer homogenen isotropen Partikelstro-mung, so dass die Geschwindigkeitsschwankung eines Partikels in jeder Raumdimension nor-malverteilt ist. In Analogie zur kinetischen Gastheorie erhalt man unter diesen Bedingungen furt→∞ den Maxwell’schen Gleichgewichtszustand. Die Anzahl der Molekule im Einheitsvolumenmit Geschwindigkeiten im Bereich ~c . . .~c+ d~c ist

fd~c = f dudvdw . (106)

Die Anzahldichte der Molekule, deren Geschwindigkeitskomponenten im Intervall

u . . . u+ du , v . . . v + dv , w . . . w + dw

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3.5 Energieerhaltung 65

liegen, betragt mit der Absolutgeschwindigkeit ~c = (u, v, w)T = ~c+ ~C

f(u, v, w) dudvdw = n

(m

2π kBT

)3/2

· exp(− m

2 kBT(u− u0)2

)du

· exp(− m

2 kBT(v − v0)2

)dv

· exp(− m

2 kBT(w − w0)2

)dw

oder f(C) dC = n

(m

2π kBT

)3/2

· exp(− m

2 kBTC2)dC . (107)

mit dem Betrag der Schwankungsgeschwindigkeit C, siehe [36]. Die Verteilung von u (Normal-verteilung) ist unabhangig von der Verteilungen von v und w, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dassdie x-Komponente der Geschwindigkeit eines Molekuls zwischen bestimmten Grenzen liegt, istunabhangig von den Werten der Komponenten senkrecht zur x-Richtung. Die kinetische Energieder Schwankungsbewegungen der Molekule ist auf alle Freiheitsgrade gleichverteilt. Mit demDifferential

d~c = d~C = |C|2 sin θ dC dθ dϕ (108)

liefert die Integration in Kugelkoordinaten im Geschwindigkeitsraum die Anzahldichte der Mo-lekule, deren Schwankungsgeschwindigkeiten zwischen C und C + dC liegen,

F (C) = n

√2π

(m

kBT

)3/2

C2 · exp(− m

2 kBTC2)dC . (109)

Dies ist die Maxwell-Verteilung, die in Abbildung 23 dargestellt ist. Zwei Eigenschaften dieserVerteilung sind fur das Kollisionsmodell nach Oesterle von Bedeutung, die wahrscheinlichsteund die mittlere Geschwindigkeit.

Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit befindet sich am Maximum der Verteilung, und sieergibt sich uber

dF (C)dC

!= 0 zu C =

√2 kBTm

. (110)

Die mittlere Schwankungsgeschwindigkeit erhalt man mit

C =∞∫0

C · F (C) dC ⇔ C =

√8 kBTπm

. (111)

Damit gilt

C =√

8π·

√kBT

m> C =

√2 ·

√kBT

m, (112)

d.h. die mittlere Geschwindigkeit ist großer als die wahrscheinlichste Geschwindigkeit. Hier setztdie Kritik am Kollisionsmodell von Oesterle und Petitjean an: Der virtuelle Kollisionspartnerbesitzt mit hoherer Wahrscheinlichkeit eine niedrigere als die mittlere Geschwindigkeit. Weil dasim Mittel energiereichere reale Partikel durch den Stoß Energie an das virtuelle Partikel abgibtund letzteres anschließend verworfen wird, wird dem System auch bei vollkommen elastischenKollisionen (e = 1) mit der Zeit kinetische Energie entzogen.

Fur die Nanbu-Babovsky-Methode werden dem fiktiven Kollisionspartner die Eigenschafteneines anderen realen Partikels im Kontrollvolumen zugeteilt, welcher stochastisch ausgewahlt

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66 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Abbildung 24: Zeitlicher Verlauf der kinetischen Energie eines Partikelkollektivs in Ansys CFX mit demneu implementierten Kollisionsmodell. Genau ein Kontrollvolumen, 105 Partikel, Volu-menanteil 1%.

wird. Auch diese Methode ist zunachst nicht energieerhaltend. Halbiert man die Kollisions-wahrscheinlichkeit und andert durch die Kollision auch die Geschwindigkeit des (dann realen)Kollisionspartners, kann die Energieerhaltung jedoch bewiesen werden.

Als Nachweis der Modellschwache wurde in Ansys CFX ein Wurfel von einem MillimeterKantenlange, der 100000 Partikel enthalt, berechnet. Die Partikeleigenschaften wurden der-art gewahlt, dass jedes simulierte Partikel gerade einem realen Partikel entspricht, d.h. diebestmogliche Auflosung, und dass der Volumenanteil mit 1% hoch ist. Der Wurfel bestand nuraus einer Rechenzelle, was eine sehr gute Statistik fur die Partikel bedeutet, seine Wande wurdenals translatorisch symmetrisch definiert, so dass ein unendlich ausgedehntes Gebiet beschriebenwird.

Die Partikelgeschwindigkeiten wurde zufallig entsprechend einer Normalverteilung mit Mit-telwert null in jeder Komponente gesetzt und der zeitliche Verlauf der kinetischen Energie derPartikel aufgezeichnet, siehe Abbildung 24. In einem ersten Intervall wurde als Referenz derStandard-Lagrange-Loser verwendet, in dem keine Kollisionen berucksichtigt werden; die kine-tische Energie bleibt konstant. Nach dem Hinzuschalten des Kollisionsmodells bei 2 ms erfolgttrotz vollstandig elastischer Stoße ein exponentieller Abfall der kinetischen Energie der Partikelaus den oben diskutierten Grunden.

Obwohl das implementierte Kollisionsmodell diesen Modellfehler enthalt, ist die Anwendbar-keit in technischen Stromungen in der Regel dennoch gegeben. Erstens verringert sich der Fehlermit zunehmender Geschwindigkeit und abnehmenden Schwankungsanteilen. Zwar bewirkt dieBerucksichtigung der Sommerfeld-Korrelation der Schwankungsgeschwindigkeiten keine Defor-mation der Verteilungsfunktion, so dass auch mit Geschwindigkeiten des virtuellen Partikelsabweichend vom lokalen Mittelwert Energiedissipation auftritt. In der Anwendung sind jedochzweitens Gebiete hoher Kollisionsfrequenz meist lokal begrenzt und außerdem wird dem Parti-kelkollektiv durch turbulente Schwankungen der Gasphase wieder Energie zugefuhrt. Fur denEinsatz des Modells sollte vorher gepruft werden, ob diese positiven Bedingungen gegeben sind.

Die diskutierten Energieverluste treten auch fur ideale, vollelastische Stoße auf. Dazu kommtdie physikalisch existierende Energieumwandlung in innere Energie, Schall und plastische De-formation durch inelastische Kollisionen. Diese Effekte werden in ihrer Wirkung auf die innereEnergie durch das implementierte Modell ebenfalls nicht berucksichtigt, d.h. die Partikel heizensich durch haufige Stoße nicht auf und bleiben kugelformig. Als Abschatzung andere ein Partikel

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3.6 Zusammenfassung zum Kollisionsmodell 67

mit einer spezifischen Warmekapazitat von 2000 J/(kg K) durch eine Kollision seine Geschwin-digkeit (deutlich) um 10 m/s. Daraus ergabe sich bei einem vollstandig plastischen Stoß eineTemperaturerhohung um 0.025 K. Bei realen Stoßzahlen um 0.80 bis 0.96 betragt die Erhohungnur einen geringen Bruchteil dieses Wertes.

3.6 Zusammenfassung zum Kollisionsmodell

In diesem Kapitel wurde das im Rahmen einer Zusammenarbeit des Autors dieser Arbeit mitder Firma Ansys Germany in die Software Ansys CFX implementierte stochastische Partikel-Partikel-Kollisionsmodell fur die Berechnung von Gas-Feststoffstromungen in der Lagrange’schenBetrachtungsweise prasentiert.

Als erstes wurde der Algorithmus des von Oesterle und Petitjean entwickelten und vonSommerfeld verbesserten Kollisionsmodells beschrieben und in Fortran umgesetzt. Die interneSchnittstelle, die der Anbindung an die vorhandene Stromungslosersoftware ermoglicht, wurdevon der Firma Ansys entwickelt und implementiert. In gemeinsamer Arbeit folgte die Eliminie-rung zunachst aufgetretener Programmierfehler und die Sicherstellung der Funktion der Routinesowie der Zusammenarbeit mit der kommerziellen Software.

Der zweite Teil dieses Kapitels zeigt die Wirkung des Kollisionsmodells und sein Potenti-al fur eine verbesserte Beschreibung von hoherbeladenen Gas-Feststoff-Stromungen anhand derMessdaten dreier aus der Literatur entnommener Experimente auf. Es hat sich erwiesen, dass dasimplementierte Partikel-Partikel-Kollisionsmodell zu einer deutlichen Verbesserung der Beschrei-bung dichter Gas-Feststoff-Stromungen fuhrt. Auf die Berechnung der Partikelrotation wurdezunachst verzichtet. Ein Vergleich mit Ergebnissen von Pachler, der das gleiche Modell inklusi-ve Partikelrotation in einem universitatseigenen Stromungsloser eingesetzt hat, zeigt, dass beizusatzlicher Berechnung der Rotation noch eine leichte Verbesserung der Vorhersagen moglichist.

Im Falle durch Partikel-Wand-Kollisionen dominierter Stromungen ist die Berechnung derPartikelrotation anzuraten, da die reibungsbehafteten Stoße mit der Wand die Partikel in Dreh-bewegung versetzen und diese auch Querkrafte durch die Interaktion mit dem Fluid hervor-rufen, z.B. den Magnus-Effekt. In Rohrstromungen mit Drall und bei horizontalen berandetenStromungen liegt wegen der Zentrifugal- bzw. Gravitationskraft ein solcher Fall vor. StarkeFluidgeschwindigkeitsgradienten, wie sie im Bereich der Einlasse im Validierungsfall III auf-treten, fuhren ebenfalls zu einer Beeinflussung der Partikelbewegung aufgrund einer quer zurBahn wirkenden Auftriebskraft, der sogenannten Saffman-Kraft. Deren Anwendung ist im der-zeitigen Lagrange-Loser der Stromungssoftware CFX leider nicht moglich. Die Ergebnisse lassensich durch die zusatzliche Berechnung der Rotation der Partikel, reibungsbehafteter Wandstoßesowie der Saffman-Kraft noch verbessern.

Ein Nachteil des Modells ist die nicht gewahrleistete Erhaltung der kinetischen Energie derPartikel. Bei lokal begrenzten Gebieten hoher Kollisionsfrequenz und in turbulenter Stromungliefert das implementierte Modell im Rahmen ingenieursmaßiger Genauigkeit allerdings guteErgebnisse und stellt eindeutig einen Fortschritt gegenuber dem bisherigen Stand dar, ohne denBerechnungsaufwand ubermaßig zu steigern.

Die Auswirkungen einer in der Realitat auftretenden Abweichung der Partikel von der Ku-gelform sind in der Literatur bisher nur in geringem Maße untersucht worden. Neben der Be-rechnung der Rotationsgeschwindigkeit ist hierfur auch die raumliche Orientierung des Partikelsin drei Winkelkoordinaten zu bestimmen. Wegen des dominierenden Einflusses der Widerstands-kraft ist zumindest diese auch fur nicht-spharische, meist regelmaßig geformte Partikel unter-sucht worden. Es sind jedoch kaum Untersuchungen bekannt, die Aufschluss uber die Gultigkeitder Korrelationen fur die ubrigen in Abschnitt 2.4.2 genannten Krafte fur nicht-kugelformige

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68 3 STOCHASTISCHES PARTIKEL-PARTIKEL-KOLLISIONSMODELL

Partikel geben. Eine Reduzierung auf die Widerstandskraft ist jedoch bei haufigen Partikel-Wand-Kontakten nicht zu empfehlen, da diese eine Drehbewegung der Partikel bewirken undder dampfende Einfluss der Reibung im Fluid hierbei u.U. nicht ausreicht, die Drehbewegungschnell zu unterdrucken; vgl. Abschnitt 4.5 in [11].

Die Folgen der irregularen Partikelform auf Partikel-Wand-Stoße und analog auf Kollisionenzwischen Partikeln sind zusatzliche Kraftwirkungen und Momente, die zu einer veranderten Im-pulsbilanz fuhren. Die Auswirkungen ahneln denen der Rauhigkeit, indem die Ruckprallwinkelim Vergleich zu glatten Oberflachen flacher oder uberhoht sind, so dass translatorische in rota-torische kinetische Energie gewandelt wird und umgekehrt. Untersuchungen zu Partikel-Wand-Stoßen solcher Partikel findet sich z.B. in [37], [38], [39] und [40]. Bei irregular geformten Parti-keln werden die Partikel-Wand-Stoßbeziehungen derart komplex, dass der zusatzliche numerischeAufwand die ggf. hohere Genauigkeit nicht aufwiegt. Da bei Partikel-Partikel-Kollisionen beideObjekte rotieren konnen, steigt der Aufwand zusatzlich.

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69

4 Hochbeladene, transsonische Gas-Feststoff-Stromungen

Das im Gasgenerator des Meteor-Triebwerks erzeugte Fluid besteht zu etwa 70% seiner Masseaus Borpartikeln, die teilweise agglomeriert sind. Somit handelt es sich selbst bei homogenerVerteilung des kondensierten Materials um eine hochbeladene Gas-Feststoff-Stromung. Dieseverlasst den Gasgenerator uber ein Regelventil, um anschließend durch das Gasleitrohr in dieStaubrennkammer zu gelangen.

Die im Gasgenerator herrschenden Drucke von bis zu 150 atm liegen im Vergleich zum Druckin der Staubrennkammer, welcher zwischen 0.5 und ca. 8 atm variiert, weit uber dem kritischenDruckverhaltnis. Im Bereich des Regelventils tritt daher eine transsonische Stromung auf, welchedurch die gegenseitige Beeinflussung der beiden Phasen zusatzliche Besonderheiten aufweist.

Fur die Durchstromung und das Gebiet direkt stromabwarts des Ventils sind zwei Phanome-ne zu beachten. Zum einen nimmt das Gas durch die Dusenwirkung des Ventils Uberschallge-schwindigkeit an. Aufgrund der Tragheit der Partikel, die zunachst durch das Gas beschleunigtwerden mussen, treten zudem auch Relativgeschwindigkeiten zwischen Gas und Partikeln auf,die lokal die Schallgeschwindigkeit uberschreiten konnen. Die in der Simulation von Mehrpha-senstromungen gangigen Modelle fur Widerstandskoeffizienten von Einzelpartikeln sehen jedochin der Regel nur eine Abhangigkeit von der Partikel-Reynoldszahl ReP vor, nicht jedoch von derRelativ-Machzahl Marel.

In der Studienarbeit J. Meyers, [41], wurden die wenigen in der Literatur vorhandenen Kor-relationen und Messdaten fur die Abhangigkeit des Widerstandsbeiwertes von der Reynolds-und Relativ-Machzahl gegenubergestellt und verglichen. Es zeigte sich, dass eine Interpolationzwischen umfangreichen Messdaten von Bailey und Hiatt, [42] und [43], bessere Ergebnisse lie-fert als die bis dahin vorgeschlagenen Korrelationen. Aktuell wurde 2007 von Loth und Woo,[44], eine neue Korrelation vorgeschlagen, die auch Verdunnungseffekte berucksichtigt, die beigroßen Knudsen-Zahlen, d.h. großen freien Weglangen im Verhaltnis zum Partikeldurchmesser,z.B. in großen Hohen bei sehr kleinen Partikeln auftreten. Beide Methoden wurden im Rahmender vorliegenden Arbeit in den Stromungsloser Ansys CFX implementiert und stehen nun furdie Berechnung der Ventildurchstromung zur Verfugung.

Bei Passieren des Regelventils, dessen Einlass eine konvergente Dusenform besitzt, schnurtder Partikelstrahl ein. Daher liegt im Zentrum der Stromung eine sehr hohe Partikelvolu-menkonzentration vor. Ublicherweise wird in der Euler-Lagrange-Simulation von verdunntenStromungen ausgegangen und der Volumenanteil des Feststoffs vernachlassigt. In der Duse be-wirkt die hohe Partikelkonzentration allerdings eine Beschrankung des engsten Querschnitts furdas Gas, was bei gleichem Massenstrom zu einer Druckerhohung vor der Duse fuhrt. Dieser

”Verdrangungseffekt“ des Feststoffs auf das Gas, der bei Verwendung des Zwei-Fluid-Modellsimmanent ist, muss in einer Euler-Lagrange-Modellierung zusatzlich berucksichtigt werden, undwurde fur diese Arbeit ebenfalls in Ansys CFX implementiert.

Das Regelventil bildet zwei versetzte Einlasse in das Gasleitrohr, wodurch eine starke Drall-stromung induziert wird. Dieser Drall fuhrt beim Ubergang vom Gasleitrohr in die Staubrenn-kammer zum Aufplatzen des Partikelstrahls und hierdurch zu einer besseren Dispersion desFesttreibstoffs. Innerhalb des Gasleitrohrs bewirkt der Drall ein Auszentrifugieren des Feststoffsin Richtung der Rohrwand, was zu einer besonders hohen Konzentration nahe der Wand undzu vielen Kollisionen zwischen den Partikeln und mit der Wand fuhrt. Wie bereits erwahnt wardies der Anlass fur die Implementierung des Partikel-Kollisionsmodells, das im vorangegangenenKapitel 3 beschrieben wurde.

Im folgenden Abschnitt wird die Modellierung des Widerstandsbeiwerts in transsonischerUmstromung und des Verdrangungseffekts auf das Gas durch den Feststoff beschrieben. An-schließend werden anhand von Beispielergebnissen der Berechnung einer mehrphasigen Dusen-

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70 4 HOCHBELADENE, TRANSSONISCHE GAS-FESTSTOFF-STROMUNGEN

Abbildung 25: Standard-Kurve fur den Widerstandsbeiwert cW kugelformiger Partikel in Abhangigkeitvon der Partikel-Reynoldszahl. Grenzfall Marel → 0.

stromung die Effekte dieser drei Modelle aufgezeigt.

4.1 Modellbeschreibung

WiderstandsbeiwertEs wird ein isoliertes, nicht rotierendes kugelformiges Partikel betrachtet, das sich in einer kon-tinuierlichen Gasphase mit raumlich konstanter Geschwindigkeit befindet. Die quasistationareWiderstandskraft aufgrund einer Relativbewegung zwischen Partikel und umgebendem Gas wirdin der Formulierung aus Gleichung 42 mit dem Widerstandsbeiwert cW berechnet. In den meistenAnwendungen ist dieser Wert nur von der Partikel-Reynoldszahl nach Gleichung 41 abhangig.

Fur sehr kleine Reynoldszahlen ReP 1 ubertreffen die viskosen Krafte die konvektivenEffekte an der Partikeloberflache. Die Widerstandkraft ist in diesem sogenannten Stokes-Regimelinear in der Relativgeschwindigkeit mit cW = 24/ReP . Im Reynoldszahl-Bereich 2000 ≤ ReP ≤3 ·105 reißt die laminare Grenzschicht auf der Vorderseite (θ = 0) der Kugel bei θ = 80 ab undbildet einen vollturbulenten Nachlauf. Der Widerstandsbeiwert ist dabei annahernd konstantmit cW ≈ 0.40 . . . 0.45, das sogenannte Newton-Regime.

Bei noch großeren Partikel-Reynoldszahlen (ReP > 3 · 105), im uberkritischen Bereich, liegteine turbulente Grenzschicht vor, die bei etwa θ = 120 abreißt. Dieses Regime tritt in dervorliegenden Anwendung nicht auf und wird daher nicht weiter betrachtet. Im Ubergangsbe-reich 0.1 ≤ ReP ≤ 2000 geht der anliegende laminare Nachlauf in eine abgeloste, aber immernoch laminare Stromung uber, um schließlich einen instationaren Nachlauf im Ubergangsbereichauszubilden.

Die beschriebene Standard-Widerstandsbeiwertkurve ist in Abbildung 25 skizziert, und eswurden eine große Zahl von Korrelationen entwickelt, um diese zu beschreiben, siehe z.B. [45]und [11]. Die am weitesten verbreitete ist diejenige von Schiller und Naumann, Gleichung 43,die auch fur die vorliegende Arbeit in Ansys CFX verwendet wurde. Diese Korrelation gilt imBereich ReP ≤ 800, und ihre Gultigkeit kann nach Clift und Gauvin uber

cW =24

ReP

(1 + 0.15Re0.687

P

)︸ ︷︷ ︸

Schiller-Naumann

+0.42

1 + 42500Re1.16

P

(113)

bis zur kritischen Reynoldszahl ReP ≈ 2 · 105 ausgedehnt werden.In der Regel wird von inkompressibler Umstromung der Partikel ausgegangen. Dies bedeutet,

dass die Relativ-Machzahl, welche die Relativgeschwindigkeit zwischen Gas und Partikel ins

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4.1 Modellbeschreibung 71

Tabelle 6: Stromungsregime an der Partikeloberflache als Funktion der Knudsen-Zahl.

Knudsen-Zahl Stromungsregime

KnP ≤ 0.01 Kontinuum

0.01 ≤ KnP ≤ 0.1 Schlupf an der Oberflache

0.1 ≤ KnP ≤ 10 Ubergangsbereich

KnP ≥ 10 freie molekulare Stromung

Verhaltnis zur Schallgeschwindigkeit des Gases setzt, in der Definition

Marel ≡|~ug − ~vP |

ag=

vrel√κRTg

(114)

viel kleiner eins ist. Hohe Relativgeschwindigkeiten sind meist nur von kurzer Dauer, in derGroßenordnung der Partikel-Relaxationszeit. Beim Durchfliegen von gasdynamischen Stoßenwie im Bereich des Meteor-Regelventils sind sie allerdings anzutreffen.

Daruber hinaus wird im allgemeinen von einer Kontinuum-Stromung an der Partikeloberfla-che ausgegangen, so dass dort die Haftbedingung gilt. Um Verdunnungseffekte einzuschatzen,verwendet man die Partikel-Knudsen-Zahl, definiert als Verhaltnis aus mittlerer freier Weglangeder Gasmolekule zum Partikeldurchmesser,

KnP =mittlere freie Weglange der Gasmolekule

dP=√π κ

2Marel

ReP(115)

fur ein ideales Gas. Wie Tabelle 6 zeigt, werden damit vier Stromungsregime unterschieden. Beisehr kleinen Knudsen-Zahlen liegt ein Kontinuum vor; bei Knudsen-Zahlen im Bereich 0.01 ≤KnP ≤ 0.1 tritt an der Partikeloberflache Schlupf auf. Mit weiter abnehmender Gasdichte gelangtman ins Ubergangsgebiet (0.1 ≤ KnP ≤ 10) und ab KnP > 10 erhalt man eine freie molekulareStromung, in der die Gasmolekule zwar auf die Oberflache treffen, jedoch kaum untereinanderkollidieren. Bei Partikelgroßen unter 10 µm und niedrigen Gasdichten, wie sie in großen Hohenauftreten, wird die Kontinuumsannahme verletzt.

Abbildung 26 veranschaulicht die Stromungsregime in Abhangigkeit von Relativ-Machzahlund Partikel-Reynoldszahl. Allgemein wird die Physik fur ReP 1 durch kompressible Effektedominiert (Marel), im Bereich ReP 1 durch Verdunnungseffekte (KnP ). Experimentelle wienumerische Ergebnisse weisen darauf hin, dass fur den Widerstandsbeiwert von Kugeln einSattelpunkt bzw. Nexus existiert

cW ≈ 1.63 bei ReP = 45 fur alle Marel und KnP , (116)

in dem cW fur alle Relativ-Machzahlen und Knudsen-Zahlen denselben Wert annimmt.Eine ausfuhrliche Literaturrecherche zum Machzahl-Einfluss auf den Widerstandsbeiwert von

spharischen Partikeln wurde in der Studienarbeit von J. Meyer, [41], durchgefuhrt. Vor allemin der 1960er und 1970er Jahren wurden eine Reihe von Korrelationen fur die Berechnung vonRaketen-Abgasstrahlen entwickelt. An dieser Stelle seien die Arbeiten von Carlson und Hoglund,[46], von Cuddihy et al., [47], von Crowe et al., [48], [49], von Henderson, [50], und von Hermsen,[51], genannt.

Einen quantitativen Vergleich der Korrelationen untereinander und mit Messdaten von Bai-ley und Hiatt, Millikan u.a. haben Henderson in [50] sowie Nelson und Fields in [52] durchgefuhrt.

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72 4 HOCHBELADENE, TRANSSONISCHE GAS-FESTSTOFF-STROMUNGEN

Abbildung 26: Stromungsregime an der Partikeloberflache als Funktion der Relativ-Machzahl und derPartikel-Reynoldszahl.

All diese Korrelationen liefern Abweichungen zu den Messdaten von mindestens 16%, wahrenddie Messungenauigkeit in den Experimenten von Bailey und Hiatt zu unter 2% geschatzt wurde.

Die Veroffentlichung von Loth und Woo (2007), [44], enthalt eine Korrelation, die wesentlichbessere Ubereinstimmung mit den Messdaten aufweist und daher im Rahmen der vorliegen-den Arbeit verwendet wurde. Auf Grundlage des in Gleichung 116 beschriebenen Sattelpunktswerden zwei Bereiche unterschieden.

Der erste Bereich beschreibt die Kompressibilitatseffekte, und der reale kritische Wider-standsbeiwert wird dazu ins Verhaltnis zum Standardwert fur Marel = 0, der gleich 0.45 ist,gesetzt

CM ≡cW,krit.

cW,krit.,Marel=0. (117)

Bei Marel > 0.2 steigt der Widerstandsbeiwert zunachst aufgrund des Einflusses der Kompres-sibilitat auf die Grenzschicht sanft an. Bei einer kritischen Relativ-Machzahl von 0.6 erreichtdie Stromung bei θ = 90 eine Maximalgeschwindigkeit gleich der Schallgeschwindigkeit. Uberdiesem Wert entstehen gasdynamische Expansionswellen und Lambda-Stoßinteraktionen, die zueinem fruheren Stromungsabriss fuhren; hierdurch erhoht sich der Widerstand deutlich.

Fur Marel > 1 bildet sich ein bogenformiger Stoß vor dem Partikel, der Punkt des Stromungs-abrisses verlagert sich nach hinten, und es tritt kein Lambda-Stoß mehr auf. Bis Marel ≈ 1.5steigt der Widerstandsbeiwert weiter an, anschließend ruckt der Bogenstoß an das Partikel heran,so dass sich der Abriss verzogert und eine Uberschall-Expansion im hinteren Teil erfolgt. DerWiderstand ist hier wieder leicht reduziert.

Da der Stromungsabriss fur Marel > 1.5 durch gasdynamische Effekte bestimmt wird, sindStromung und Widerstandsbeiwert hier nicht mehr sensitiv gegenuber der Partikel-Reynoldszahl,so dass kein Einbruch des Werts wie in der Standardkurve erfolgt.

Loth und Woo haben mangels theoretischer Ableitungsmoglichkeiten eine empirische Korre-lation fur CM verwendet,

CM =53

+23

tanh [3 ln (Marel + 0.1)] fur Marel ≤ 1.5 (118)

CM = 2.044 + 0.2 exp−1.8

[ln (Marel/1.5)2

]fur Marel ≥ 1.5 , (119)

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4.1 Modellbeschreibung 73

mit welcher der Widerstandsbeiwert oberhalb des Sattelpunktes uber eine modifizierte Clift-Gauvin-Korrelation berechnet werden kann

cW =24

ReP

(1 + 0.15Re0.687

P

)HM +

0.42CM1 + 42500GM

Re1.16P

fur ReP > 45 . (120)

In obiger Gleichung sind zwei empirische Funktionen enthalten, die dafur sorgen, dass imLimes Marel → 0 die inkompressible Clift-Gauvin-Gleichung erhalten wird (GM ) und dass derSattelpunkt getroffen wird (HM ),

GM = 1− 1.525 Ma4rel fur Marel ≤ 0.89 (121)

GM = 2 · 10−4 + 8 · 10−4 tanh [12.77 (Marel − 2.02)] fur Marel > 0.89 (122)

HM = 1− 0.258CM1 + 514GM

. (123)

Auf der anderen Seite des Sattelpunkts, bei endlichen Knudsen-Zahlen und geringen Rey-noldszahlen, uberwiegen Verdunnungseffekte. Solange ein Kontinuum vorliegt, gilt die Schiller-Naumann-Korrelation fur ReP ≤ 45. Verschiedene theoretische Herleitungen, die in [44] genauerdiskutiert werden, definieren einen Korrekturfaktor fKn, benannt nach Cunningham, der dieWiderstandskraft bei endlichen Knudsen-Zahlen zu derjenigen im Stokes-Regime ins Verhaltnissetzt. Eine theoretische Berechnung bedarf der Kenntnis uber die Interaktion zwischen Gas-molekulen und dem Partikel, die von den Oberflacheneigenschaften abhangt. Da diese oft nurunzureichend genau bestimmt werden konnen, werden empirische Funktionen verwendet, wiez.B. diejenige aus Clift et al., [45],

fKn =1

1 + KnP [2.514 + 0.8 exp (−0.55/KnP )]. (124)

Die Ubertragung auch auf hohere Reynoldszahlen fuhrt auf eine modifizierte Schiller-Naumann-Korrelation,

cW,Kn,ReP = cW,ReP fKn =24

ReP

(1 + 0.15 Re0.687

P

)fKn . (125)

Im allgemeinen fuhrt der Schlupfeffekt an der Partikeloberflache zu einer Reduzierung des Wi-derstands.

Mit einer Relativ-Machzahl uber eins gelangt man in das Regime einer freien molekularenStromung, fur die sich mit dem molekularen Geschwindigkeitsverhaltnis s,

s ≡ Marel

√κ

2, (126)

fur s ≥ 1 nach [53] und [54] der Widerstandsbeiwert im Limes freier molekularer, kompressiblerStromung ergibt

cW,fm =(1 + 2s2

)exp

(−s2

)s3√π

+(4s4 + 4s2 − 1

)erf(s)

2s4+

23s

√πTPT∞

. (127)

Der dritte Term dieser Gleichung enthalt das Temperaturverhaltnis von Partikel zum Gas ingroßer Entfernung. Fur die Implementierung des Widerstandsmodells wurde in Ansys CFXvon thermischem Gleichgewicht zwischen den Phasen ausgegangen, was z.B. beim Fliegen einesPartikels durch einen gasdynamischen Stoß nicht gegeben ist; allerdings besitzt das Tempera-turverhaltnis nur einen geringen Einfluss auf das Ergebnis.

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74 4 HOCHBELADENE, TRANSSONISCHE GAS-FESTSTOFF-STROMUNGEN

(a) Korrelation von Loth und Woo (b) Interpolierte Messdaten von Bailey und Hiatt

Abbildung 27: Widerstandsbeiwert fur kugelformige Partikel in Abhangigkeit von Partikel-Reynoldszahlund Relativ-Machzahl. Gegenuberstellung der Korrelationen von Loth und Woo, [44], undden interpolierten Messdaten von Bailey und Hiatt, [42].

Fur endliche Partikel-Reynoldszahlen ergibt sich unter Erzwingung des Sattelpunkts dieForm

cW,fm,ReP =cW,fm

1 +(c′W,fm

1.63 − 1) √

ReP45

(128)

wobei c′W,fm dem Wert cW,fm bei TP = T∞ entspricht; hier sind daher beide Werte identisch.Das freie molekulare, kompressible Stromungsregime ist bis hinauf zu Hyperschallbedingun-

gen gultig, bei verschwindender Relativ-Machzahl aber undefiniert, so dass Loth und Woo diefolgende Funktion zum Uberblenden zwischen den beiden Teilbereichen einfuhren

cW =cW,Kn,ReP

1 + Ma4rel

+Ma4

rel cW,fm,ReP

1 + Ma4rel

fur ReP ≤ 45 . (129)

Hiermit sind alle Teile der Korrelation von Loth und Woo zusammengetragen. Mit ihr lasstsich der Widerstandsbeiwert kugelformiger Partikel in allen relevanten Bereichen der Relativ-Machzahl, der Partikel-Knudsenzahl und der Partikel-Reynoldszahl berechnen. Ein Vergleichmit Messdaten sowie mit aus direkten numerischen Simulationen mittels Monte-Carlo-Methodengewonnenen Rechenergebnissen zeigt eine sehr gute Ubereinstimmung, so dass diese den obenaus der Literatur zitierten Korrelationen weit uberlegen ist.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde als Alternative die Interpolation zwischen denumfangreichen Messdaten von Bailey und Hiatt aus [42] herangezogen. Hierzu wurde ein Git-ter aus 20 mal 20 logarithmisch verteilten Stutzstellen bzgl. Relativ-Machzahl und Partikel-Reynoldszahl durch Spline-Interpolation einmalig erzeugt. Aus diesen Tabellenwerten wird derWiderstandsbeiwert wahrend der Laufzeit des Stromungslosers dann bilinear interpoliert.

Abbildung 27 stellt den Widerstandsbeiwert als Funktion der Mach- und Reynoldszahl dar.Ein Vergleich der Flache fur die Korrelation von Loth und Woo in Abbildung 27(a) mit denSpline-interpolierten Werten von Bailey und Hiatt in Abbildung 27(b) zeigt, dass vor allem imBereich von Relativ-Machzahlen kleiner als 0.1 und geringen Partikel-Reynoldszahen deutlicheAbweichungen auftreten. Dies liegt daran, dass Messdaten nur oberhalb von Marel = 0.1 ange-geben wurden, so dass im Bereich 0 < Marel < 0.1 zwischen der Schiller-Naumann-Korrelationund den ersten Messdaten interpoliert werden muss. In logarithmischer Auftragung sind die Un-terschiede deutlich erkennbar; da die Korrelation nach Loth und Woo einen weicheren Ubergangbeschreibt, wurde sie in den folgenden Rechnungen bevorzugt.

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4.1 Modellbeschreibung 75

VerdrangungseffektFur Gas-Feststoff-Stromungen, die mit der Euler-Lagrange-Methode berechnet werden, wirdaufgrund der großen Dichtedifferenz zwischen den beiden Phasen in der Regel von einer sehrverdunnten Stromung ausgegangen, so dass die Ausdehnung der Partikel vernachlassigt wer-den kann. Meist liegt ihr Volumenanteil im Bereich 10−4 und niedriger. In Bereichen hoherKonzentration der Feststoffphase steht dem Gas jedoch nicht mehr das gesamte Volumen zurVerfugung.

Um diesen Effekt berucksichtigen zu konnen, wurde in der Software Ansys CFX die Model-lierung eines porosen Rechengebiets gewahlt, in der die Porositat α als Verhaltnis aus Leerraum-,d.h. Gasanteil zum gesamten Kontrollvolumen

α =VGas

Vgesamt(130)

definiert ist. Sie entspricht somit gerade dem lokalen Volumenanteil der Gasphase.Die allgemeine Form einer skalaren Konvektions-Diffusionsgleichung fur die Große φ lautet

in einem porosen Rechengebiet

∂t

(αρφ

)+∇ ·

(ρK · Uφ

)−∇ ·

(Γ K · ∇φ

)= αS (131)

mit dem Flachenporositatstensor K, der Volumenporositat α, dem Diffusionskoeffizienten Γ unddem Quellterm S. Der Flachenporositatstensor K ist in Ansys CFX als isotrop vorgegeben; imbetrachteten Anwendungsfall ist daruber hinaus die Flachenporositat identisch der Volumenpo-rositat.

Die Kontinuitats- und Impulsgleichungen unter Berucksichtigung der Verdrangung der Gas-phase durch die Partikel ergibt sich hiermit aus den Gleichungen 22 und 23 zu

∂t(αρ) +∇ ·

(αρ U

)= αSm (132)

∂t

(αρ U

)+∇ ·

(αρU U

)= −α∇P +∇ ·

αηeff

[∇U +

(∇U

)T ]+α

(SM + SP,I + SP,R

)(133)

mit ηeff = η + ηt. Bei den in diesem Kapitel betrachteten Stromungskonfigurationen tritt aller-dings wie im Gasleitrohr keine Reaktion auf, so dass die Quellterme Sm und SP,R verschwinden.

In Ansys CFX enthalt die Formulierung der Impulsgleichungen fur porose Medien zusatzlicheinen Term, der nach einer Verallgemeinerung des Darcy-Gesetzes den Widerstand und damitDruckverlust bei Durchstromung einer porosen Matrix in Abhangigkeit von der Leerrohrge-schwindigkeit beschreibt. In der vorliegenden Anwendung ist dieser Impulsverlust jedoch Null1,da die Widerstandskraft zwischen Partikeln und Gas mit dem Term SP,I gesondert berucksichtigtwird.

Unter Einbeziehung der Porositat geht die Enthalpiegleichung 24 schließlich uber in

∂t

(αρ htot

)− α∂P

∂t+ ∇ ·

(αρ U htot

)+∇ ·

(αρU′′ h′′tot

)−∇ ·

N∑i=1

Γi hi∇Yi

)

= ∇ ·(αλ∇T

)+∇ ·

(αU · τ

)+ αSE ; (134)

analog wird mit den Spezies- und Turbulenzgleichungen verfahren.1In Ansys CFX werden die Koeffizienten linear and quadratic resistance coefficients zu null gesetzt.

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76 4 HOCHBELADENE, TRANSSONISCHE GAS-FESTSTOFF-STROMUNGEN

Abbildung 28: In den Rechnungen verwendete Geometrie, Stromung von links nach rechts.

Fur die Implementierung muss beachtet werden, dass der Wert des mittleren Volumenanteilsder Partikel nach jeder Lagrange-Iteration durch Aufsummieren der Partikel in der jeweiligenZelle gewonnen wird. In Regionen hoher Partikelkonzentration kann es, insbesondere wenn oh-ne ein Kollisionsmodell gerechnet wird, aufgrund numerischer Fehler zu unrealistisch hohenPartikel-Volumenanteilen kommen.

Das theoretische Maximum entspricht bei spharischen Partikeln der dichtesten Kugelpackungmit 74% Volumenanteil. Die unten prasentierten Rechnungen wurden mit einem etwas geringerenGrenzwert von 63% berechnet, wobei praktisch nirgends solch hohe Werte erreicht wurden. DieVerwendung des Kollisionsmodells sorgt in jedem Fall fur eine Entspannung dieser Problematik.Die Volumenporositat als Volumenanteil des Gases wurde daher in Ansys CFX folgendermaßenumgesetzt

α = 1−min 0.63, (lokal gemittelter Partikel-Volumenanteil) . (135)

4.2 Ergebnisse von Beispielrechnungen anhand einer Lavalduse

Die Wirkungsweise der oben beschriebenen Modelle wird in diesem Abschnitt anhand vonStromungsberechnungen in einer Beispielgeometrie demonstriert. Es handelt sich dabei um ei-ne nicht-angepasste Lavalduse, die in Abbildung 28 skizziert ist und welche die Stromung imRegelventil des Meteor-Triebwerks annahern soll.

Durch einen Einlass mit 50 mm Durchmesser auf der linken Seite stromt 1350 K heiße Luftals perfektes Gas mit einem Massenstrom von 0.05 kg/s bei einem Turbulenzgrad von 5% ein. DieLuft enthalt ebensoheiße monodisperse Aluminiumpartikel mit 12 µm Durchmesser, die isokine-tisch zugefuhrt werden. Die Beladungszahl m betragt in verschiedenen Rechnungen einmal 0.2und zum anderen 1.5, d.h. es liegt eine maßig und eine starker beladene Gas-Feststoffstromungvor. Die konvergent-divergente Dusenkontur, blau in Abbildung 28, verjungt sich auf 5 mmDurchmesser im engsten Querschnitt, um sich anschließend zunachst linear auf 20 mm zu erwei-tern; dort offnet sich die Duse in die orange markierte Umgebung, von der 50 mm im Durchmesserund mehr simuliert werden, und bildet einen zweiphasigen Freistrahl.

Die Randbedingung zur Umgebung wurde an einer Stelle gesetzt, an der die Stromung bereitsauf Unterschallgeschwindigkeit verzogert ist. Am Rand herrscht 1 bar Druck bei 300 K. Eswurden stationare Rechnungen auf einem Gitter mit etwa 1 Mio. Hexaederzellen durchgefuhrt,

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4.2 Ergebnisse von Beispielrechnungen anhand einer Lavalduse 77

wobei 75000 bis 200000 Trajektorien pro Lagrange-Iteration fur die Partikel berechnet wurden.Die Partikel-Wand-Stoßzahl wurde zu e = 0.96 gesetzt.

Bei der Implementierung der Widerstandskorrelation in Ansys CFX wurde festgestellt, dassder Lagrange-Loser derzeit nicht in der Lage ist, turbulente Dispersion der Partikel zu berech-nen, wenn man eine eigene Widerstandskorrelation verwendet. Dieser Mangel soll erst zukunftigabgestellt werden. Um eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewahren, wurde dieMehrzahl der Berechnungen ohne turbulente Dispersion durchgefuhrt, auch wenn die Realitatdadurch weniger gut wiedergegeben werden kann.

Fur diesen Abschnitt wurde als Vergleichsbasis der Standard-Euler-Lagrange-Loser aus An-sys CFX mit der Schiller-Naumann Widerstandskorrelation fur die Partikel verwendet. Daruberhinaus dient auch eine Rechnung ohne Partikel als reine Gasstromung als Grundlage. Als Erwei-terungen wurden Rechnungen mit der Korrelation von Loth und Woo sowie mit einer Interpo-lation der Messdaten von Bailey und Hiatt fur den Widerstand durchgefuhrt, der Einfluss desKollisionsmodells sowie des Verdrangungseffekts der Partikel auf die Gasphase untersucht undschließlich alle drei Erweiterungen kombiniert.

Abbildung 29 zeigt als Vergleichsgrundlage das Feld der mit der Gasgeschwindigkeit gebil-deten Machzahl sowie dasjenige des Dichtegradienten, uberlagert mit den Stromungsvektorenfur die Rechnungen einer reinen Gasphase und der Zweiphasenstromung mit kleiner und großerBeladung mit den Standard-Modellen.

Betrachtet man die Machzahl der reinen Gasstromung in Abbildung 29(a), erkennt mandie Linie Ma = 1 im engsten Querschnitt mit anschließender Beschleunigung auf Uberschall-geschwindigkeit im divergenten Dusenteil. An einer bestimmten Position reißt die Stromungaufgrund der nicht angepassten Duse ab, und es bilden sich zentral ein gerader und damitstarker Verdichtungsstoß sowie ein umlaufender schrager, schwacher Verdichtungsstoß. Im Frei-strahl sind Expansionsfacher und Verdichtungsstoße zu erkennen, vergleiche Abbildung 29(b).Im gezeigten Ausschnitt herrscht im Freistrahl außer direkt hinter dem senkrechten Stoß Uber-schallgeschwindigkeit.

Die Visualisierung des Dichtegradienten zeigt ebenfalls die Schwingungsbauche und -knotender gasdynamischen Wellen. Die Stromungsvektoren verdeutlichen die Ruckstromung zur Ab-losestelle an der divergenten Dusenwand; im Strahl bewegt sich das Gas im gezeigten Bildausschließlich von links nach rechts.

In den mittleren und unteren Teilbildern der Abbildung 29 erkennt man die Auswirkungender Gegenwart von Partikeln. Der Partikelstrahl zieht sich im konvergenten Dusenteil aufgrundder Tragheit der Partikel zusammen und stromt anschließend im Kern des Freistrahls. Auf-grund ihrer Tragheit werden die Partikel viel langsamer beschleunigt als das Gas und bewirkendurch die Widerstandskraft eine Verzogerung des Gases in der Strahlmitte, die sich mit derMassenbeladung verstarkt. Es ist deutlich zu erkennen, dass das Gas im Strahlkern nur nochmit Unterschallgeschwindigkeit stromt und dass die Große dieser langsameren Zone wie derPartikelstrahldurchmesser mit der Beladung wachst. Im Dusennahbereich liegt zwischen denRechenergebnissen mit und ohne turbulente Dispersion kein großer Unterschied.

Wahrend die Partikel bei der kleineren Massenbeladung nach der Duse schließlich dochsoweit beschleunigt werden, dass im Gas Ma > 1 ist, bleibt mit der hoheren Beladung immer einUnterschallkern im Freistrahl. Daruber hinaus bildet sich aufgrund des langsameren Strahlkernskein senkrechter starker Stoß in der Mitte, sondern nur ein umlaufender Schragstoß, der das Gasablenkt. In Abbildung 30 ist dies vergroßert dargestellt, zusammen mit dem Druckfeld.

Bei der geringeren Beladung, Abbildung 30(a), ist hinter der Umlenkung durch den Schrag-stoß ein Ruckstromungsgebiet vor einem lokalen Druckmaximum zu erkennen. Innerhalb einesbegrenzten Volumens stromt das Gas somit entgegen den Partikeln. Dies ist bei der großerenBeladung in Abbildung 30(b) nicht der Fall; auf Breite des Partikelstrahls wird das Gas mitgeris-

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78 4 HOCHBELADENE, TRANSSONISCHE GAS-FESTSTOFF-STROMUNGEN

(a) absolute Machzahl, Kontur Ma = 1 (b) Dichtegradient, Stromungsvektoren

Abbildung 29: Visualisierung der Machzahl und des Dichtegradienten analog zu einer Schlierenaufnahmesowie der Stromungsvektoren im Mittelschnitt durch die Geometrie, Ausschnitt. Oben:Reine Gasstromung, Mitte: Zweiphasenstromung mit Beladung m = 0.2, unten: Gas-Feststoffstromung mit Beladung m = 1.5, jeweils mit turbulenter Dispersion.

sen, nur außerhalb zeigt sich die Tendenz zur Richtungsumkehr. Weil das lokale Druckmaximumhier aber geringer ausfallt, entsteht keine vollstandig gegenlaufige Stromung.

Abbildung 31 stellt den Verlauf der Partikeltrajektorien bei verschiedenen Widerstands-korrelationen und Massenbeladungen gegenuber. Bei geringem Partikelanteil und der Schiller-Naumann-Korrelation schnurt der Partikelstrahl im ersten Drittel des divergenten Dusenab-schnitts stark ein, da hier ohne Partikel-Partikel-Kollisionen gerechnet wurde und die Tragheitder Partikel eine Aufkonzentration in der Strahlmitte bewirkt. Man erkennt, dass die Partikelerst hinter der Duse Geschwindigkeiten um 500 m/s erreichen, wahrend sie bei Verwendung der

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4.2 Ergebnisse von Beispielrechnungen anhand einer Lavalduse 79

(a) Beladung m = 0.2 (b) Beladung m = 1.5

Abbildung 30: Vergroßerter Ausschnitt des Stromungs- und Druckfelds hinter dem Schragstoß mit Aus-bildung eines Rezirkulationsgebietes. Vergleich zwischen kleinem und großem Partikel-Massenstrom.

Widerstandskorrelation nach Loth und Woo schon innerhalb der Duse sehr stark beschleunigtwerden.

In den beiden unteren Teilbildern der Abbildung 31, welche das Feld der Partikel-Reynolds-zahl und der Relativ-Machzahl darstellen, ist abzulesen, dass direkt hinter dem engsten Quer-schnitt die großten Werte auftreten. Es werden dort Relativ-Machzahlen um 0.6 erreicht, beidenen wie im vorangegangenen Abschnitt diskutiert eine deutliche Widerstandserhohung er-folgt. Dieser gesteigerte Stromungswiderstand hat eine starkere Beschleunigung der Partikel inaxialer Richtung zur Folge, so dass die Partikel zum einen schon innerhalb der Duse sehr ho-he Geschwindigkeit erreichen und sich zum anderen wegen der schnellen Ablenkung nicht sostark im Zentrum konzentrieren. Der Partikelstrahl schnurt daher weniger ein und weitet sichstromabwarts der Duse weniger auf als mit der Schiller-Naumann-Beziehung.

Bei der hoheren Massenbeladung sind die Unterschiede zwischen den Korrelationen gerin-ger, da aufgrund der ausgepragteren Verzogerung der Gasphase geringere Relativgeschwindig-keiten auftreten. Auch hier werden mit der Berechnung nach Loth und Woo hohere Partikel-Geschwindigkeiten erreicht. Das Feld der Relativ-Machzahl weist die großten Werte am Strahl-rand auf, weil hier die Partikelkonzentration stark abnimmt und somit aufgrund verminderterBremswirkung der Partikel großere Relativgeschwindigkeiten angenommen werden konnen.

Ein Vergleich zwischen Ergebnissen mit der Widerstandskorrelation nach Loth und Woo undder Interpolation der Messdaten von Bailey und Hiatt weist keine spurbaren Unterschiede auf.Obwohl die Interpolation eine um ca. 10 bis 20% schnellere Trajektorienberechnung erlaubt,wird die Berechnungsvorschrift nach Loth und Woo wegen ihres glatteren Verlaufs bei geringenRelativ-Machzahlen bevorzugt.

In Abbildung 32(a) ist der Partikelstrahl fur den Standard-Loser ohne Kollisionsmodell,fur eine Rechnung mit Kollisionsmodell und Schiller-Naumann-Korrelation sowie fur eine Si-mulation unter Verwendung aller drei Modellerweiterungen dargestellt. Man erkennt, dass derPartikelstrahl im letzten Drittel des divergenten Dusenteils aufplatzt, wenn das Kollisionsmo-dell dazugeschaltet wird. Die Abbildung 32(b) zeigt logarithmisch aufgetragen den Partikel-Volumenanteil, der ohne Kollisionsmodell im Kern auch bei der geringen Beladung im schonrecht hohen Prozentbereich liegt. Die Kollisionen fuhren zu einer Reduktion der Strahldichteum etwa eine Großenordnung.

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80 4 HOCHBELADENE, TRANSSONISCHE GAS-FESTSTOFF-STROMUNGEN

(a) Beladung m = 0.2 (b) Beladung m = 1.5

Abbildung 31: Partikelstrahl bei verschiedenen Widerstandskorrelationen. Oben: Schiller-Naumann, Mit-te: Loth und Woo; jeweils fur kleine und große Massenbeladung. Unten links: Feld derPartikel-Reynoldszahl, unten rechts: Relativ-Machzahl.

Werden alle drei Modellerweiterungen gekoppelt, erhalt man einen kompakteren Strahl, wasvor allem auf die Beeinflussung des Widerstandbeiwerts der Partikel durch kompressible Effektezuruckzufuhren ist. Wie oben angesprochen fuhrt eine schnellere Beschleunigung nahe dem eng-sten Querschnitt zu einer geringeren Aufkonzentration im Strahlkern und zu einer streng axialausgerichteten Stromung, in der nur wenige Kollisionen auftreten. Das Teilbild rechts unten inAbbildung 32, Ergebnis einer Rechnung mit allen drei Erweiterungen, verdeutlicht, dass sichauch bei der hoheren Massenbeladung qualitativ das gleiche Verhalten ergibt. Nur der Volumen-anteil des Feststoffs ist entsprechend hoher.

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4.2 Ergebnisse von Beispielrechnungen anhand einer Lavalduse 81

(a) Partikelstrahl (b) Partikel-Volumenanteil

Abbildung 32: Vergleich der Modelle. Oben: Standard-Lagrange-Loser, Schiller-Naumann, ohne Kollisi-onsmodell; Mitte: Schiller-Naumann mit Kollisionsmodell; Unten: Alle drei Modellerweite-rungen, d.h. Widerstandskorrelation nach Loth und Woo, Verdrangungseffekt der Partikelund Kollisionsmodell. Jeweils Partikelstrahlverlauf und Partikel-Volumenanteil; Beladungm = 0.2 fur alle Bilder außer unten rechts: Beladung m = 1.5.

Die Gastemperatur wird in allen Fallen vornehmlich durch die gasdynamischen Stoße be-stimmt. Im Bereich des heißen Partikelstrahls fuhrt die hohe Warmekapazitat der Partikel jedochzu einer Wiederaufheizung des durch Expansion stark abgekuhlten Gases.

Als dritte Modellerweiterung wurde der Verdrangungseffekt der Partikel auf das Gas be-rucksichtigt. Die sich ergebende Stromung zeigte allerdings kaum sichtbare Unterschiede zu denFallen ohne die Volumenporositat, nur der Druck vor der Duse erhoht sich leicht, siehe Tabelle7. Bei der kleineren Beladung liegt der Druckanstieg mit dem Verdrangungseffekt der Partikel

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82 4 HOCHBELADENE, TRANSSONISCHE GAS-FESTSTOFF-STROMUNGEN

Tabelle 7: Druck vor der Duse bei verschiedenen Modellerweiterungen und Massenbeladungen.

Modell Standard Loth u. Woo Kollision Verdrangung alle dreiBeladung m = 0.2 23.856 bar 23.869 bar 23.857 bar 23.880 bar 23.899 barBeladung m = 1.5 28.413 bar 28.528 bar 28.400 bar 28.693 bar 28.780 bar

auf das Gas im Promillebereich. Die Porositat allein fuhrt zu einer Druckerhohung um 0.1%,alle drei Modellerweiterungen kombiniert zu 0.18%. Mit großerem Partikel-Massenstrom falltdie Anderung mit ca. 1.0% und 1.3% deutlicher, aber ebenfalls maßig aus. Das Kollisionsmodellallein fuhrt eher zu einer Verringerung des Drucks vor der Duse, da sich der Partikelstrahl wiein Abbildung 32(a) gesehen offensichtlich erst spater ausdehnt und die Stoße zu einer homoge-neren Verteilung des Feststoffs fuhren. Aus der Tendenz lasst sich jedoch schlussfolgern, dassdie Druckerhohung uberproportional mit der Massenbeladung ansteigt.

Die Ergebnisse der Rechnungen mit den in diesem Kapitel vorgestellten Modellerweiterun-gen demonstrieren, dass sowohl das Partikel-Partikel-Kollisionsmodell als auch insbesondere dieBerucksichtigung der kompressiblen Effekte bei der Berechnung des Partikel-Widerstandsbei-werts von enormer Bedeutung fur die Durchstromung des Meteor-Regelventils sind. Die darinauftretende transsonische Stromung mit starker Beschleunigung des Gases und des Feststoffsfuhrt zu hohen Relativ-Machzahlen, bei denen sich der Widerstandsbeiwert stark erhoht. Ausdiesem Grund unterscheiden sich die Ergebnisse mit und ohne das Modell wesentlich. Das Kol-lisionsmodell ist bereits wie hier gezeigt in einem Freistrahl eine wichtige Erweiterung; in derDrallstromung des Gasleitrohrs ist es schließlich unerlasslich. Weitergehende Untersuchungentranssonischer Mehrphasenstromungen in verschiedenen Dusengeometrien finden sich in der Di-plomarbeit [55] von J. Meyer.

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83

5 Literaturrecherche zur Borverbrennung

In diesem Kapitel wird ein Uberblick uber den Stand der Forschung zum Thema Borverbrennungund Feststoff-Staustrahltriebwerke gegeben. Der Schwerpunkt liegt auf der Literatur zu Bor-Verbrennungsmodellen, allerdings werden auch experimentelle Untersuchungen aufgefuhrt, dadiese als Basis fur eine Validierung der Modelle dienen. Weil Borpartikel an Luft in zwei mess-technisch unterscheidbaren, aufeinanderfolgenden Phasen verbrennen, wird in einigen Modellennach erster und zweiter Stufe der Verbrennung unterschieden.

Als Einteilung der zitierten Artikel wurde die chronologische Reihenfolge gewahlt, geordnetnach Forschungsgruppen, soweit die jeweilige Publikation Teil einer Reihe ist. Es wird getrenntnach Arbeiten, die vor bzw. nach dem Jahr 2000 veroffentlicht wurden, da das zuletzt erschieneneBor-Verbrennungsmodell inklusive Literaturubersicht aus dem Jahr 2001 stammt, [56]. Dabeihandelt es sich um das Modell, welches im Rahmen der vorliegenden Arbeit erweitert wurde.

Einige Quellen beschreiben physikalische und chemische Eigenschaften von Borspezies oderliefern Informationen zur Reaktionskinetik. Diese sind im Anhang D.6 zusammengestellt. Diewichtigsten Publikationen der Princeton-Aerodyne-Gruppe werden im Zuge der Erlauterungihres Bor-Verbrennungsmodells in Kapitel 6 beschrieben.

Die Ergebnisse einer zusatzlich durchgefuhrten Recherche zum Thema Chemie-Turbulenz-Kopplung werden in Abschnitt 8.11 im Zusammenhang mit der Diskussion der Turbulenz-berucksichtigung in der Verbrennungsmodellierung angefuhrt.

5.1 Literatur ab 1969, ohne Gruppenzuordnung

Gurevich et al. (1969), [57], haben sowohl kristalline als auch amorphe Borpartikel verschiedenerGroßenklassen zwischen 20 und 260 µm in einen Argon-Strahl, der mit einem Plasma-Generatorauf 4000 bis 6000 C erhitzt und mit Stickstoff und Sauerstoff oder Wasserdampf gemischt wurde,eingebracht. Die Partikelbahnen wurden fotografisch festgehalten und lassen auf das Stattfindenvon sowohl Oberflachen- als auch Gasphasenreaktionen schließen. Außerdem wurden die Zund-verzugszeiten sowie die Zundtemperaturen der Partikel gemessen. Es wurde festgestellt, dassWasserdampf die Oxidschicht besser anzugreifen scheint als Sauerstoff. Die Abbrandzeit hangtaußerdem eindeutig von der Temperatur des Mediums ab.

Vovchuk et al. (1974), [58], haben B2O3 Boroxid-Partikel bei 600 bis 1400 C sowohl inSauerstoff- als auch in Wasserdampf-Atmospharen vergast. Aufgrund der Beobachtung, dassdas mit einer Oxidschicht uberzogene Borpartikel in Gegenwart von Wasserdampf schneller oderbei niedrigeren Temperaturen zundet, fuhren sie eine globale Reaktionsgleichung zur Bildungvon gasformiger Metaborsaure HBO2 aus B2O3 und Wasserdampf, deren Geschwindigkeit undAktivierungsenergie bestimmt wurde, ein.

Gaponenko et al., [59], haben 1981 ein Verbrennungsmodell fur ein Bor-Einzelpartikel vorge-stellt, das fur trockene wie in verschiedenen Modifikationen fur wasserdampfhaltige Atmospharengultig ist. Es wurde ein Filmmodell mit Berucksichtigung der Diffusion, dreier Reaktionen unddes Warmeubergangs entwickelt. Die Differentialgleichungen zur Beschreibung des Partikelradiusund der Partikeltemperatur unter Beachtung der Schmelz- und Verdampfungsvorgange wurdenaufgestellt und numerisch gelost. Ein Vergleich mit Messdaten zeigte Abweichungen von wenigerals 10%. Im Ergebnis reduziert Wasserdampf in einer Sauerstoffatmosphare die Zundverzugs-zeit, eine reine Wasserdampfatmosphare fuhrt jedoch zu einer langsameren Reaktion und sogarhoheren Zundtemperaturen.

Ishikawa et al. (1983), [60], haben eine Mischung aus CH4, H2, O2 und N2 in einem Bun-senbrenner verbrannt und zentral Borpartikelstaub, also nicht nur Einzelpartikel, mit mittlerenGroßen von 0.9 und 15 µm zugefuhrt. Diese Partikel sind sowohl in der Gasphase (hellgrunes

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84 5 LITERATURRECHERCHE ZUR BORVERBRENNUNG

Leuchten des Gases) als auch durch Oberflachenreaktionen (orangefarbenes Leuchten der Par-tikel selbst) verbrannt. Es wurde eine mit der Konzentration der Partikel sinkende Flammenge-schwindigkeit der Bunsenflamme festgestellt, was auf die Wirkung der Partikel als Warmesenkeund auf einen geringen exothermen Beitrag der Bor-Gasphasenreaktionen zuruckgefuhrt wurde.

Makino und Law (1988), [61], haben ein theoretisches Modell fur die zweite Stufe der Ver-brennung aufgestellt, das die Oberflachenreaktionen zwischen B + O2 und B + B2O3 sowie dieGasphasenreaktion BO + O2 umfasst. Drei Grenzfalle fur die Gasphasenreaktion wurden analy-siert und Effekte der Reaktionsgeschwindigkeiten, Oberflachentemperatur, Druck, Partikelgroßeund Oxidkondensation berechnet. Naherungslosungen fur die Abbrandzeit werden prasentiertund mit experimentellen Daten verglichen.

Yagodnikov hat 1996 bis 1999 die turbulente Flammengeschwindigkeit von Borstaubwolkenin Luft untersucht, d.h. nicht nur Einzelpartikel, [62] und [63]. Mit einem sehr einfachen Ab-brandmodell fur die Partikel unter Berucksichtigung kinetischer und diffusiver Effekte hat er diegemeinsame Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion fur Temperatur und Durchmesser der Partikelsowie fur die Oxidschichtdicke aufgestellt, vgl. auch Abschnitt 8.11. Mit diesem statistischenAnsatz ist es moglich, turbulente Fluktuationen der Temperatur, eine Variation der Partikel-großenverteilung und der Filmdicke sowie der Massendichte der Partikelwolke zu beschreiben.Es ergeben sich qualitative und quantitative Unterschiede zwischen monodispersen und polydis-persen Systemen.

Slavinskaya et al. haben 1997 in [64] einen recht komplexen Reaktionsmechanismus fur dieBorverbrennung an Luft auf wesentliche Elementargleichungen reduziert, der auf B/O/N-Chemieohne Kohlenwasserstoffe beschrankt ist. Grundidee dieser Autoren war der Versuch, die hete-rogene Chemie durch einen quasihomogenen Gasphasenprozess abzubilden, um eine einphasigeStromung zu simulieren.

Krishnan und George haben 1998 in [65] einen Ubersichtsartikel zur Brennkammerauslegungvon Feststoffstaustrahltriebwerken geschrieben. Hierin wird u.a. auf die Zusammensetzung vonTreibsatzen mit Borpartikeln eingegangen.

In [66] und [67] haben Il’in et al. 1999 die Verbrennung einer Mischung aus sehr feinen (<0.1µm) Bor- und Aluminiumpartikeln an Luft, sogenannter Aerogele, experimentell beobachtet.Die Verbrennung erfolgt in zwei Schritten bei unterschiedlichen Temperaturen, die ebenso wie derGehalt an AlN in den Produkten von der Ausgangszusammensetzung der Mischung abhangen.

5.2 Forschungsgruppe um A. Macek

Die von der Gruppe um Macek durchgefuhrten experimentellen Untersuchungen werden sehroft zitiert, da sie eine umfangreiche Datenbasis fur die Validierung von Borverbrennungsmo-dellen bilden. Im ersten Artikel von Macek und Semple von 1969, [68], wurden Einzelpartikelkristallinen Bors in eine Stromung aus heißen, mageren Abgasen eines Gasbrenners bei atmo-spharischem Druck eingebracht. Die mittleren Durchmesser der Partikelklassen betrugen 34.5und 44.2 µm, die Gastemperatur wurde zwischen 1800 und 2900 K variiert, die Molanteile vonSauerstoff zwischen 0.08 und 0.37 und die von Wasserdampf zwischen 0 und 0.21. Die Verbren-nungsvorgange wurden fotografisch und spektroskopisch beobachtet, dabei zeigte sich der furBor typische zweistufige Abbrand. Die Zundtemperaturen variierten zwischen 1850 und 2000 K,unabhangig von der Partikelgroße und der Gastemperatur, aber abhangig von der Gaszusam-mensetzung. Die gemessenen Abbrandzeiten (10 bis 40 msec) sind umgekehrt proportional zumSauerstoff-Molanteil im Gas, nehmen mit steigender Gastemperatur leicht ab und werden durchZugabe von Wasserdampf stark verringert.

In [69] (1971) haben dieselben Autoren kristalline Borpartikel mit 75 µm Durchmesser beiDrucken von 1 bis 35 atm untersucht. Das Vorheizen erfolgte mittels eines Laserstrahls, der eine

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5.3 Forschungsgruppe um G.M. Faeth und S.R. Turns 85

Temperatur von etwa 2000 K erzeugte. Die Atmosphare bestand aus entweder reinem Sauerstoff,Luft oder einer 20:80-Mischung von O2 und Ar; es wurden Zundverzugszeit und Abbranddauertabelliert. Bei Erhohung des Drucks von 1 auf 35 atm in Luft und in der Mischung mit Ar nahmdie Abbranddauer von 45 auf 20 msec ab. In einer reinen Sauerstoffatmosphare betrug die Zeitnur 6.8 msec. In einer Gasumgebung aus reinem CO2 sowie in einer Mischung aus 7:93 O2/N2

erfolgte keine Selbstzundung; nur unter externer Warmezufuhr setzten vorubergehend Verbren-nungsvorgange ein. Außerdem wurde ein einfaches, phanomenologisches Verbrennungsmodellhergeleitet.

Macek hat in [70] (1973), ebenfalls mit der Laserzundmethode, Bor-Einzelpartikel mit Durch-messern zwischen 37 und 124 µm bei Drucken zwischen 0.17 und 35 atm und Sauerstoff-Molanteilen XO2 zwischen 0.1 und 1.0 untersucht. Einzelne Versuche wurden auch mit derFluorspezies NF3 als Oxidationsmittel durchgefuhrt, mit der keine Zundverzugszeit festgestelltwurde. Bei großen Partikeln und hohen Drucken muss die Konvektion an den frei fallenden Par-tikeln bei der Interpretation der Ergebnisse berucksichtigt werden. Unter solchen Bedingungenist bei hohen Sauerstoffmolanteilen die Abbranddauer umgekehrt proportional zu XO2 und di-rekt proportional zum Quadrat des Durchmessers sowie unabhangig vom Druck. Bei niedrigenWerten dieser Großen weichen die Abbrandzeiten von diesen Beziehungen ab. Die Abbrandge-schwindigkeit ist mit Fluor als Oxidationsmittel geringer als mit Sauerstoff. Des Weiteren wurdeein Vergleich der experimentellen Ergebnisse mit dem damals besten Verbrennungsmodell nachMohan und Williams (1972), [71], vorgenommen.

5.3 Forschungsgruppe um G.M. Faeth und S.R. Turns

Diese Gruppe arbeitete am Department of Mechanical Engineering der Pennsylvania State Uni-versity. Faeth (1984), [72], hat einen Ubersichtsartikel mit 27 Zitaten erstellt, der den Stand derForschung Anfang 1984 widerspiegelt. Außerdem werden die Themen genannt, die zu diesemZeitpunkt weitere intensive Untersuchungen verlangten. Dies betraf zum einen die Zerstaubungund den Sekundarzerfall von Borschlammen mit dem Ziel effizienter Verbrennung, zum anderendie B/O/H-Chemie, heterogen wie homogen inklusive der Kondensationseigenschaften der Ver-brennungsprodukte, um eine moglichst gute Energieausnutzung erreichen zu konnen. Daruberhinaus waren die Beschaffenheit der Oxidschicht und der Diffusionsmechanismus innerhalb die-ser Schicht, die Transporteigenschaften von Boragglomeraten sowie die turbulente Mischung vonBorpartikeln mit der Gasstromung zur effizienteren Brennkammergestaltung Gebiete, auf denenweitere Forschung betrieben werden sollte.

Holl, Turns et al. (1986), [73], haben Boragglomerate, die bei der Verbrennung von Bor-schlammen entstehen, in der Stromung oberhalb eines Flachflammenbrenners untersucht. DieAgglomerate hatten Durchmesser von 175 bis 800 µm, deren zeitliche Anderung gemessen wurde.Zudem wurde die Oberflachenstruktur abgeschreckter Partikel untersucht. Das Aquivalenzver-haltnis wurde zwischen 0.3 und 0.7 gewahlt, die Gastemperaturen lagen zwischen 1690 und 1975K bei atmospharischem Druck. Es wurden Versuche mit und ohne Wasserdampf in der Atmo-sphare gefahren. Die Agglomerate waren hochporos, nach dem Schmelzen der Oxidschicht nahmdie Porositat stark ab. Anschließend wurde diese Schicht vergast und gab das reine Bor erneutin poroser Form frei, bis auch das Bor selbst schmolz und einen Tropfen formte. Es wurde wie inanderen Experimenten auch ein zweistufiger Verbrennungsprozess beobachtet, allerdings ohneeine Trennung durch eine dunkle Zeitspanne. Bei niedrigem Sauerstoffgehalt fuhrte Hinzugabevon Wasserdampf zu einem beschleunigten Abbrand, wahrend bei hohen Sauerstoffkonzentratio-nen der Wasseranteil keine Rolle spielte. Die Ergebnisse wurden mittels eines einfach gehaltenenGleichgewichtsmodells interpretiert.

Ein dritter Artikel dieser Gruppe von Mueller et al. (1991), [74], behandelt zwar Alumi-

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86 5 LITERATURRECHERCHE ZUR BORVERBRENNUNG

niumpartikel, der in den Experimenten erstmalig verwendete Brennertyp wird jedoch haufigverwendet und in dieser Publikation detailliert beschrieben. Es handelt sich hierbei um einenMehrflammen-Diffusionsbrenner mit eingebauter zentraler Partikelzufuhr. Die Treibstoffgasewerden durch 72 Rohrchen zugefuhrt, zwischen denen das Oxidationsmittel stromt. Dadurchentstehen 72 kleine laminare Diffusionsflammen, die sich oberhalb dieser Honigwabenmatrix zueiner homogenen Abgasmischung fugen. Vorteil dieser Konfiguration ist das Vermeiden einesFlammenruckschlags sowie die Erreichbarkeit hoherer Temperaturen in den Experimenten, wasdie Zundversuche von Borpartikeln unter Brennkammerbedingungen erleichtert.

5.4 Forschungsgruppe um M.K. King

King war bis zum Beginn der 1990er Jahre bei der Atlantic Research Corporation tatig undfuhrend auf dem Gebiet der Borverbrennung. Es wird hier nur eine Auswahl seiner Veroffentli-chungen wiedergegeben, jedoch inklusive der ersten und der aktuellsten Publikation Kings.

In King (1972), [75], werden experimentelle Ergebnisse aus anderen Veroffentlichungen zurNachverbrennung hoch mit Bor beladener Treibstoffe sowie zum Einzelpartikelabbrand darauf-hin untersucht, welche Prozesse zu einer unvollstandigen Verbrennung von Bor in typischenNachbrennern, insbesondere bei niedrigen Drucken, fuhren. Entscheidenden Einfluss hat dieOxidschicht um die Borpartikel. King hat ein Abbrandmodell hergeleitet, das die Differential-gleichungen fur Oxidschichtdicke, Partikeldurchmesser und Partikeltemperatur beinhaltet undhiermit die Zundverzugszeit berechnet. Es wurde ein Vergleich mit Messdaten von Macek vor-genommen und Modellparameterstudien durchgefuhrt. Eine Kernvorstellung in Kings Modellist die Annahme, dass der Sauerstoff aus der Umgebung durch die Oxidschicht zur GrenzflacheBoroxid-Bor diffundiert, nicht jedoch Bor durch das Oxid an die Grenzflache zur Gasatmosphare.Diese Annahme war lange Zeit umstritten und wurde erst viel spater durch Kuo widerlegt, s. Ab-schnitt 5.12. Wasserdampf als mogliches Oxidationsmittel wurde in diesem Modell zunachst nichtberucksichtigt.

Ein Jahrzehnt spater (1982) hat King eine vielzitierte Veroffentlichung geschrieben, [76],die eine Ubersicht uber alle damals verfugbaren Modelle und relevanten Experimente zur Bor-verbrennung sowie die Literatur (49 Zitate) liefert. Insbesondere wurden die Modelle kritischuntereinander verglichen und die Anforderungen an Experimente definiert. Bis dahin wurdenin den meisten Versuchen Partikel großer als 35 µm eingesetzt, wahrend in realen Brennkam-mern deutlich kleinere Partikel von 3 bis 5 µm verwendet werden, damit die fur den Ausbrandbenotigten Verweilzeiten nicht zu groß werden. Dies bedeutet tendenziell den Ubergang vomdiffusionslimitierten zum kinetisch kontrollierten Regime, den die Modelle beherrschen mussen.

Neben Modellen fur Zund- und Abbrandvorgang von Einzelpartikeln wurden auch solche furKonglomerate aus Partikeln und Borstaubwolken gegenubergestellt. Probleme bei der Brenn-kammerauslegung, mit der Produktkondensation und Zundbeschleuniger wurden ebenfalls dis-kutiert. Bei Vorhandensein von H2O in der Gasatmosphare konnen bis zu 25% der potentiellnutzbaren Energie in Form von HBO2, welches nur langsam zum energieoptimalen Endpro-dukt B2O3(l) reagiert, in der Gasphase gebunden werden. Als zukunftige Forschungsthemenwerden fur die Einzelpartikelverbrennung die Berucksichtigung von Wasser in den Modellen so-wie experimentelle Untersuchungen zum Loslichkeits- und Diffusionsverhalten von Sauerstoff influssigem Boroxid, die Erlangung kinetischer Daten fur die entsprechenden Reaktionen und dieBeobachtung des Abbrandverhaltens kleiner Partikel (< 20µm) vorgeschlagen. Fur praktischeAnwendungen wurde empfohlen, den Agglomerationszustand der Partikel beim Eintritt in dieBrennkammer und das fur die Anwendung relevante Zundverhalten von Borstaubwolken sowieden Einfluss von Beschichtungen und Fluorspezies als Oxidationsmittel zu untersuchen.

In [77] (1983) stellen Komar et al. ihr aufwendiges Messkonzept fur die Analyse der Verbren-

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5.5 Forschungsgruppe um F.A. Williams 87

nung von Einzelpartikeln vor, da sie die Datenbasis fur den Abbrand kleiner Partikel fur nichtumfassend genug hielten. Die Partikel sollten uber einem Flachflammenbrenner untersucht undaus einer Wirbelschicht einzeln zugefuhrt sowie ihre Große charakterisiert werden. Die Proble-me der Konstruktion, die die Zufuhr einzelner Partikel geringen Durchmessers erlaubt, werdenausfuhrlich beschrieben. Die Diagnostik bestand aus Stroboskop- und Hochgeschwindigkeitska-mera, Partikelgroßeninterferometrie, Laser-Doppler-Anemometrie und einer elektronischen Di-odenfeldkamera, um die Temperaturverteilung in der Umgebung zu messen. Das im letztenAbsatz beschriebene Verbrennungsmodell von King wurde fur diffusionslimitierte Systeme, dienun auch CO2 und H2O enthalten durfen, erweitert.

Das 1982 von King aufgestellte Partikelabbrandmodell mit Berucksichtigung der moglichenReaktion des Boroxids mit gasformigen Wasser, das auf den oben beschriebenen Modellen auf-baut und noch einige weitere globale Reaktionsgleichungen enthalt, basiert auf Daten von Vov-chuk et al., [58]. 1989 wurde dieses Modell durch King korrigiert, [78], indem er nun eigeneMessdaten fur die Reaktionsgeschwindigkeit von Wasserdampf mit Boroxid in das Modell im-plementierte. Der Vergleich hat gezeigt, dass das Modell mit Vovchuks Datenbasis die Zunddaueruberschatzt, wahrend Kings eigene Daten zu einer Unterschatzung der experimentellen Ergeb-nisse fuhren.

In einem sehr umfangreichen Ubersichtsartikel mit 47 Verweisen, [79], fasst King 1993 die Ar-beiten seiner Forschungsgruppe zusammen. Es werden Modellierungs- und experimentelle Ergeb-nisse fur die Einzelpartikelverbrennung von Bor dargestellt sowie der Einfluss verschiedener Pa-rameter aufgezeigt und diskutiert. Die Erweiterung dieser Modelle hin zur Zundung und Verbren-nung von Borstauben, inklusive der Berechnung der Flammengeschwindigkeit, die Zundung vonAgglomeraten und Auswirkungen bestimmter Zundhilfsmittel werden ebenso erlautert wie dieAnwendung auf eine reale Brennkammer. Es wird auf die ungunstige Wirkung niedriger Brenn-kammerdrucke, wie sie z.B. beim Flug in großen Hohen auftreten, und auf die Moglichkeiten zurNutzung der Kondensationswarme der Reaktionsprodukte wahrend des Expansionsvorgangs inder Duse eingegangen.

5.5 Forschungsgruppe um F.A. Williams

Diese Gruppe hat an der University of California, San Diego, und in Zusammenarbeit mitI. Glassman auch an der Princeton University gearbeitet.

In [71] prasentieren Mohan und Williams 1972 Ergebnisse von Experimenten mit Laser-gezundeten Borpartikeln im Durchmesserbereich um 100 µm, sowohl fur kristallines wie auchfur amorphes Bor. Hochgeschwindigkeitsaufnahmen zeigen, dass amorphes Bor viel schnellerund starker reagiert. Die Struktur des verwendeten amorphen Bors war ein Agglomerat aus sehrkleinen, < 1 µm, Partikeln, die durch die Laserzundung besonders stark erhitzt wurden. Daruberhinaus stellen die Autoren ein Modell fur die erste Stufe der Verbrennung, in der die Oxidschichtnoch besteht, vor, das sie unabhangig von King entwickelt haben und mit dessen damaligenModell intensiv vergleichen. Hauptunterschiede sind die Annahme eines Gleichgewichtszustandesfur die Verdampfung von B2O3 im Gegensatz zu Kings kinetisch kontrolliertem Prozess sowiedie Annahme ebener statt Kugelsymmetrie aufgrund der geringen Schichtdicke. Es werden beidestrittigen Varianten fur die Diffusion zugelassen: Diffusion von Sauerstoff durch das flussigeBoroxid an die Borxid-Bor-Grenzflache und ebenso die Bildung eines BnOn-Komplexes an derBor-Boroxid-Phasengrenze, der durch das Oxid diffundiert und dann an der Grenzflache zumGas mit Sauerstoff reagiert. Der erste Ansatz wird von King fur richtig gehalten, der zweitevon Glassman und Williams favorisiert. Außerdem werden viele Angaben zu Stoffdaten von Borund Boroxid gemacht, teilweise nur geschatzt, und ein einfaches Modell fur die zweite Stufe derVerbrennung eines flussigen Bortropfens aufgestellt.

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88 5 LITERATURRECHERCHE ZUR BORVERBRENNUNG

Der Konferenzbeitrag von Glassman, Williams und Antaki von 1984, [80], bekraftigt dieTheorie zur Diffusion von gelostem (BO)n in der Boroxidschicht aufgrund von Berechnungenrelativer Loslichkeiten von BO und O2 in B2O3 sowie einer Abschatzung der Geschwindigkeitdes Losungsvorgangs. Der Verdampfungsprozess des Boroxids selbst wurde aus Kings Theorie alskinetisch limitierter Vorgang ubernommen. Es wurden Uberlegungen zu den an der Oberflachestattfindenden chemischen Reaktionen angestellt und gewisse Reaktionen aufgrund sterischerHinderung ausgeschlossen. Die Theorie wird als konsistent mit vorhandenen Messergebnissenbefunden.

Li, Williams und Takahashi, [81], haben 1988 sehr feine Borpartikel mit ca. 0.1 µm Durch-messer – mehr als eine Großenordnung kleiner als diejenigen in allen bis dahin dokumentiertenExperimenten – untersucht, die in einer Suspension durch einen Stickstoffstrahl zentral in einenMethan-Flachflammenbrenner zugefuhrt wurden. Die Beladung wurde dabei gering gewahlt, umdie Flamme nicht zu storen. Es wurden drei Typen der Flammenform und -farbe festgestellt:Erstens Dunkelgelb mit braunem Rauch bei 1800 K Gastemperatur, zweitens Gelb, unten vonGrun umgeben, bis 1900 K und drittens Hellgelb, auf ganzer Hohe hell leuchtend grun umgeben,uber 1900 K. Diese Muster waren im weiten Bereich 0.08 bis 0.80 von der Sauerstoffkonzentrati-on unabhangig. Die grune Farbe ruhrt von BO2-Emissionen her, wahrend die hellgelbe Farbe alsgezundetes Bor interpretiert wurde. Es wurde ein globaler, vereinfachter Einschrittmechanismusfur den Zundvorgang vorgeschlagen, dessen Konstanten an die experimentellen Daten angepasstwurden.

In [82] (1990) entwickeln Li und Williams ein umfangreicheres Zund- und Verbrennungs-modell fur Borpartikel, das die von dieser Gruppe favorisierte reaktive Losung von Bor in derflussigen Boroxidschicht und dessen Diffusion sowie insgesamt vier weitere globale Reaktionen inder Zundphase beinhaltet, inklusive der Aufschlusselung in Elementarreaktionen, fur trockenewie fur wasserhaltige Gaszusammensetzung. Das Modell umfasst auch die zweite Phase desAbbrands; relevante Geschwindigkeitskonstanten wurden aus experimentellen Daten ermittelt.Daruber hinaus wurden neue Versuche durchgefuhrt, in denen Suspensionen aus Borpartikelnmit 7 bis 10 µm Durchmesser nach der im letzten Absatz beschriebenen Methode untersuchtwurden. Diese Große entspricht in etwa jener in Triebwerken eingesetzter Partikel. Das hierinbeschriebene Modell ist auch Grundlage des in Kapitel 7 ausfuhrlich dargestellten Modells derPSU-Gruppe, das im Rahmen dieser Arbeit erweitert wurde.

Li veroffentlichte 1991 einen weiteren Artikel, der das Messverfahren fur die zuletzt genann-ten Experimente detailliert beschreibt, [83]. Es wurden kristalline Partikel mit 0.1, 7 und 10 µmDurchmesser verwendet und fur die großeren Klassen der Radiusverlauf uber die Zeit wahrendder Verbrennung mittels Laser-Lichtstreuung gemessen. Die wichtigsten Ergebnisse waren einwahrend der Zundphase praktisch konstant bleibender Radius und die Bestimmung der Reak-tionsgeschwindigkeit fur die Abbrandphase in Abhangigkeit vom Sauerstoffpartialdruck, die imuntersuchten Bereich unabhangig von der Gastemperatur ist. Im betrachteten Durchmesserin-tervall nimmt der Partikelradius linear mit der Zeit ab, was auf eine kinetische Limitierunghinweist, der Prozess wird also durch Oberflachenreaktionen dominiert.

Ein weiterer Beitrag in [84] (1993) fasst die experimentellen und theoretischen Arbeiten die-ser Gruppe auf dem Gebiet der Verbrennung von Borpartikeln in den vorangegangenen zweiJahrzehnten zusammen. Neu in dieser Veroffentlichung sind neben einer Erweiterung der bishergenannten Themen die Behandlung von Oxidationsmechanismen von Bor bei niedrigeren Tem-peraturen um 1650 K mit der Definition einer Grenztemperatur fur die Zund- und Loschprozesse,die mit kleiner werdenden Partikeln wahrend des Abbrands einsetzen. Es wird ein ausfuhrlicherVergleich zwischen Modell und Experiment prasentiert.

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5.6 Forschungsgruppe um D.E. Rosner 89

5.6 Forschungsgruppe um D.E. Rosner

Die Dissertation von Zvuloni (1990), [85], beschreibt experimentelle Untersuchungen zur Kinetikder Hochtemperaturvergasung von Bor, Kohlenstoff und Borkarbid, die an der Yale Universitydurchgefuhrt wurden. Der Versuchsaufbau bestand aus einem ”Transverse filament flow reac-tor“ (TFFR), bei sehr niedrigem Druck betrieben, und mikrowelleninduzierter Plasmaemissions-spektroskopie (MIPES) als Elementdetektionsmethode. Unter anderem wurden die Reaktionenfesten Bors mit B2O3(g), O2(g), CO2(g), H2O(g) sowie B2O3(g) + H2O(g) untersucht. DieReaktion zwischen Kohlenstoff und B2O3 sowie diejenigen von Borkarbid mit B2O3(g) undO2(g) wurden ebenfalls betrachtet, um die Schlusseloberflachenreaktionen der Prozesse heraus-zufinden, die in Staustrahltriebwerken ablaufen, welche mit Bor versetzte Kohlenwasserstoff-Treibstoffe verbrennen. Die Partialdrucke der Reaktanden lagen zwischen 0.001 und 0.1 Pa, dieOberflachentemperaturen zwischen 1300 und 2100 K. Borkarbid erwies sich als unerwunschtstark passivierende Komponente in oxidierender Atmosphare. Die geschwindigkeitsbestimmen-den Schritte bei der Verbrennung von Bor und die Auswirkungen auf den Einsatz in Staustrahl-triebwerken werden diskutiert.

In einem Artikel zu diesen Experimenten, [86], schließen Zvuloni, Gomez und Rosner 1991,dass in realen Brennkammern eine kinetische Limitierung der Oberflachenreaktionen gegenubereiner Diffusionslimitierung vorherrscht und dass die Oxidation durch B2O3 viel schneller als diedurch O2 ablauft. Es wird festgestellt, dass bei sehr kleinen Partikeln auch Nichtkontinuumsef-fekte eine Rolle spielen konnen, da die Knudsenzahl kleiner als eins wird. Es wird außerdem einRegimediagramm mit den Achsen Partikeldurchmesser und Druck fur die Borpartikelverbren-nung vorgeschlagen.

Ein weiterer Beitrag dieser Gruppe, [87], fasst 1993 ausfuhrlich die Arbeiten und die dar-aus gezogenen Schlusse zusammen. Es wird auch darauf eingegangen, welche Produktspezies inwelchen Temperaturbereichen entstehen.

5.7 Forschungsgruppe um A. Gany

Die Gruppe um A. Gany am Technion – Israel Institute of Technology in Haifa beschaftigt sichmit der Anwendung der Borverbrennung in Feststoff-Staustrahltriebwerken ahnlich dem Me-teor-Projekt. In einem Artikel von 1991, [88], stellen Natan und Gany CFD-Ergebnisse derStromung in einem derartigen Triebwerk vor. Als Modell fur den Abbrand der Einzelpartikelwurde Kings Ansatz gewahlt, fur die Gasphase eine globale Einschrittchemie. Unter Verwen-dung eines einfachen Turbulenzmodells und einer Einwege-Kopplung fur die Partikel wurdenBedingungen beschrieben, unter denen eine effiziente Zundung und Verbrennung der Borparti-kel innerhalb der vorgestellten Brennkammer erreicht werden kann.

In einem weiteren Artikel, [89], haben Natan und Gany 1993 den Einsatz von Nachbrennernin Feststoffstaustrahltriebwerken theoretisch untersucht. In einer solchen Konfiguration wirdBypass-Luft nach einer ersten Brennraumzone spater zugefuhrt, um die Luftzahl lokal hoch zuhalten und damit einen hoheren Verbrennungswirkungsgrad zu erreichen; es wurden Parameter-studien bzgl. Borgehalt und Nachbrennerlange durchgefuhrt.

Gany fasst die Arbeiten seiner Gruppe 1993 in [1] zusammen. Neu ist die Untersuchungder Zugabe bestimmter Additive zum Festtreibstoff, die den Aufheizvorgang vor dem Zundenbeschleunigen sollen, insbesondere Titan-Bor-Sintermetalle. Selbst bei nur 10% Titananteil sindsehr positive Effekte dieser internen Warmequelle festzustellen.

Natan und Netzer, [90], haben 1993 experimentelle Untersuchungen an einem verkleinertenModell eines Feststoffstaustrahltriebwerks mit Nachbrenner vorgenommen, ebenfalls zur Unter-suchung des Einflusses des Bypass-Verhaltnisses der Luft auf den Verbrennungsvorgang. AlsTreibstoff diente Magnesium-dotiertes Borkarbid. Mit steigendem Bypass-Verhaltnis von 0 auf

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90 5 LITERATURRECHERCHE ZUR BORVERBRENNUNG

42% stieg auch der Verbrennungswirkungsgrad von 36 auf 85%. Ein Abloschen durch die relativkalte Nebenluft war nicht zu erkennen.

Neben Bor ist auch Borkarbid B4C ein moglicher Feststreibstoff, dessen Verbrennung ineinem Staustrahltriebwerk Natan und Netzer 1996 in [91] und [92] experimentell untersuchtund mit einem Modell beschrieben haben. Borkarbid enthalt fast dieselbe Energie wie Bor, istaber industriell deutlich gunstiger verfugbar. Der Einfluss des Bypass-Luftmassenstroms auf denVerbrennungswirkungsgrad wird aufgezeigt.

5.8 Forschungsgruppe um S. Yuasa

Yuasa und Isoda haben 1991 am Tokyo Metropolitan Institute of Technology die Zundungund Verbrennung von Borklumpchen mit 5 bis 8 mm Lange bei atmospharischem Druck un-tersucht, [93]. Das Material wurde in die Stagnationsregion eines auf eine Wand treffendenSauerstoff- bzw. Stickstoff/Sauerstoff-Freistrahls eingebracht und mit einer Xenonlampe vorge-heizt. Es wurden die kritische Zundtemperatur und die emittierte Strahlung gemessen, die aufGasphasenreaktionen von BO und BO2, nicht aber B(g) schließen lassen. Des Weiteren wurdedie minimal erforderliche Sauerstoffkonzentration bestimmt und ein Verbrennungsmodell fur dieAbbrandstufe inklusive Oberflachenreaktionen fur reine B/O-Chemie aufgestellt, ohne jedochdie Reaktionsgeschwindigkeiten anzugeben. Bei Borklumpen solcher Große ist die Passivierungdurch kondensierendes B2O3 wahrend der Verbrennung ein Problem.

Yuasa et al. haben obige Arbeit 1998 erweitert, [94], indem sie den Kammerdruck im Be-reich 8 bis 142 kPa und die Sauerstoffkonzentration in weiten Bereichen variierten und moder-nere Messmethodik benutzten. Zwei Arten von Zundvorgangen wurden beobachtet: Gaspha-senzundung mit einer grun-weißen Flamme und flammenlose Oberflachenzundung. Die kritischeZundtemperatur verringerte sich mit sinkendem Druck, die qualitative Charakteristik der Flam-menstruktur war von Druck und Sauerstoffmolanteil unabhangig, die Flammendicke nahm mitgeringer werdender Sauerstoffkonzentration ab. Gleiches tat die Abbrandgeschwindigkeit desBors mit sinkendem Druck und kleiner werdendem Molanteil des Sauerstoffs. Zund- und Ver-brennungsmechanismus werden diskutiert.

Uber die Zundung und Verbrennung von 3 mm Borklumpen in einem Sauerstoffstrom mitWasserdampfanteil haben Yoshida und Yuasa 2000 in [95] berichtet. Es wird die Bildung vonWasserstoff an der Oberflache registriert. Mit steigender Wasserdampfkonzentration sinkt dieZundtemperatur, jedoch steigt hier im Gegensatz zu anderen Arbeiten die Zundverzugszeit.Die Abbrandgeschwindigkeit ist unabhangig vom H2O-Anteil. Diese Unterschiede konnen mitder Große der untersuchten Partikel zusammenhangen, da in diesem Experiment eine geringerespezifische Oberflache als bei den sonst untersuchten kleineren Partikeln zur Verfugung steht.

5.9 Forschungsgruppe um E.L. Dreizin

Diese Gruppe arbeitet in den AeroChem Research Laboratories, Inc. in Princeton. 1995 habenDreizin und Calcote einen neuen Mechanismus fur den Zundvorgang von Borpartikeln vorge-schlagen, [96]. Sie deckten eine Unstimmigkeit in den bisherigen Modellen auf, dass namlichdie Oxidschichtdicke schneller wachsen musste als sie verdunstet, um eine hinreichend hoheTemperatur zu erhalten. Dies wurde allerdings die zweite Stufe der Verbrennung verhindern.

Sie haben daher das folgende neue Modell aufgestellt: Zunachst lost sich Sauerstoff im Bor,bis die Loslichkeitsgrenze erreicht wird. Anschließend wird reaktiv das stochiometrische Bor-oxid B2O3 gebildet, was die zweite Phase der Verbrennung darstellt. Mehrere experimentelleUntersuchungen unterstutzen dieses Modell. Unter anderem zeigen die Versuche von Yeh undKuo, [97], s.u., dass die Schmelztemperatur der Oxidschicht zwischen den Schmelzpunkten von

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5.10 Forschungsgruppe um H. Krier und R.L. Burton 91

Bor und Boroxid liegt, was fur das Vorhandensein einer binaren B-O-Losung spricht. Bishergibt es jedoch noch kein Phasendiagramm fur das B-O-System in der Literatur, das genauereAussagen zulasst. Das Modell erklart auch die Beobachtungen, dass die Zundverzugszeiten beihoheren Drucken großer sind und dass bei sehr kleinen Partikeln keine Unterscheidung zwischenden beiden Stufen der Verbrennung moglich ist.

Dreizin et al., [98], haben 1999 Experimente mit Bor-Gluhfaden und -Partikeln durchgefuhrtund die Ergebnisse in Zusammenhang mit den von ihnen vorgeschlagenen Phasenumwandlungenanalysiert. Elektrischer Widerstand und emittierte Strahlung der BO- und BO2-Bander sowie dieTemperatur und Videoaufnahmen wurden aufgezeichnet. Abgeloschte Proben wurden auf ihreinterne Struktur und Zusammensetzung hin untersucht. Unabhangig vom Aufheizvorgang undvom Sauerstoffgehalt der Atmosphare begann bei einer Temperatur von 1500 C die erste Stufeder Verbrennung; in genau diesem Bereich liegt auch der Phasenubergang von der α- zu der β-rhomboedrischen Struktur des Bors. Es wurden periodische Helligkeitsschwankungen beobachtet,die auf asymmetrischen Abbrand, ausgelost durch interne Phasenubergange, schließen lassen.Signifikante Mengen Sauerstoff waren in den abgeschreckten Drahten und Partikeln enthalten,ebenso wie Hohlraume. Schlussfolgerung der Autoren ist, dass in der Tiefe ablaufende heterogeneProzesse eine wichtige Rolle in der Zundung und Verbrennung von Bor spielen.

5.10 Forschungsgruppe um H. Krier und R.L. Burton

Diese Gruppe arbeitet an der University of Illinois in Urbana. In [99] (1995) haben Foelsche,Spalding, Burton und Krier Borpartikel mit 24 µm Durchmesser in einem Stoßwellenkanalim Gebiet hinter der reflektierten Stoßwelle in Atmospharen mit reduziertem Sauerstoffan-teil untersucht. Außerdem wurden Versuche in einem Verbrennungsdruckgefaß in den Produk-ten einer Wasserstoff-Sauerstoff-Stickstoff-Reaktion gefahren. In allen Experimenten wurdenZundverzugszeit und emittierte Strahlung in den bekannten BO- und BO2-Bandern gemessen.Im Stoßrohr konnen Druck (8.5 bis 34 atm) und Temperatur (1400 bis 3200 K) sowie die Zu-sammensetzung unabhangig voneinander eingestellt werden. Dabei wurde der Einfluss von Was-serdampf und fluorhaltigen Komponenten untersucht. H2O zeigt eine leichte Verkurzung derZundverzugszeit, HF bringt keine Verbesserung, wahrend Schwefelhexafluorid, SF6, das durchDissoziation Fluoratome freisetzt, eine starke Verringerung der Zeitspanne bewirkt. In einerBrennkammer wurden Versuche mit bis zu 157 atm bei uber 2800 K durchgefuhrt.

In einem Artikel von 1996, [100], untersuchen Krier, Burton, Pirman und Spalding dieZundverzugszeit und die Verbrennung von kristallinen und amorphen Borpartikeln von 1 bzw. 20µm Durchmesser in trockenen, wasserhaltigen und fluorhaltigen Atmospharen in ihrem Stoßwel-lenkanal. Es wurden Drucke zwischen 8.5 und 34 atm und Zusammensetzungen aus reinemSauerstoff, O2 mit 30% Wasseranteil, 1-3% Schwefelhexafluorid bzw. 6-12% Fluorwasserstoffeingestellt. Bei 8.5 atm hatte die Gegenwart von SF6 kaum Auswirkungen, bei 34 atm hat siesowohl die Zundverzugszeit als auch die Zundgrenze von 1900 auf 1400 K herabgesetzt. Ein Ver-gleich mit Aluminiumpartikeln zeigt das grundsatzlich unterschiedliche Verhalten dieser beidenElemente auf.

Ein weiterer Artikel dieser Gruppe von 1998, [101], beschreibt Untersuchungen an Partikelnzwischen 1 und 15 µm Durchmesser, die unter ahnlichen Bedingungen gezundet wurden. DieZundverzugszeiten in Abhangigkeit von Temperatur, Gaszusammensetzung (Fluorgehalt) undPartikelgroße wurden ebenso bestimmt wie die emittierte Strahlung im Infrarotbereich (B2O3)und im sichtbaren Bereich (BO2). Es wurde ein erster Vergleich mit den theoretischen Modellen,die in Abschnitt 6 beschrieben werden, vorgenommen und gute Ubereinstimmung erhalten.

In einem Konferenzbeitrag, [102], haben Spalding, Krier und Burton 1998 weitere experimen-telle Ergebnisse vorgestellt. Partikel mit 5 bis 15 µm Durchmesser wurden in einer Mischung

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92 5 LITERATURRECHERCHE ZUR BORVERBRENNUNG

aus Argon, Fluor und Sauerstoff im Stoßwellenkanal bei 8.5 atm und 2600 K gezundet. Die mitEmissionsspektroskopie erhaltenen Zundverzugszeiten sollen als Grundlage zur Validierung theo-retischer Modelle dienen und sind als Funktion des Molverhaltnisses von Fluor zu Sauerstoff auf-getragen. Zund- und Abbranddauer verkurzen sich um den Faktor vier, wenn das Molverhaltnisvon 0 auf 0.25 steigt, oberhalb von 0.5 tritt keine weitere Beschleunigung der Vorgange auf. Inreiner Sauerstoffatmosphare sind die bekannten BO2-Emissionen messbar, wahrend sie in fluor-haltiger Atmosphare ausbleiben, was auch das in Abschnitt 6 vorgestellte theoretische Modellvorhersagt. In diesen Modellen wird aber auch die Existenz der Spezies BF und BF2 postuliert,die bisher nicht nachgewiesen werden konnten. Zukunftig soll hier Absorptionsspektroskopie wei-tere Aussagen ermoglichen. Dieselben Autoren haben 2000 in [103] erganzend berichtet, dass dieZundverzugszeiten in Argon-Stickstoff -Sauerstoff-Atmospharen um uber 60% verringert werdenkonnten, wenn der Molanteil des Stickstoffs von 0 auf 0.8 erhoht wurde, bei konstant gleich 0.2gehaltenem Sauerstoffmolenbruch.

Foelsche, Burton und Krier haben 1999 in [104] Experimente zur Borpartikelverbrennung beisehr hohen Drucken im genannten Verbrennungsdruckgefaß beschrieben. Zu diesem Zweck wur-den stickstoffverdunnte Wasserstoff-Sauerstoff-Mischungen in einem Autoklaven gezundet underst nach Einstellung des Gleichgewichts in der Gasphase Partikel uber einen neu entwickeltenMechanismus zugefuhrt, welche anschließend in dieser definierten Hochtemperatur- und Hoch-druckatmosphare verbrannt wurden. Borpartikel mit 24 µm Durchmesser wurden bei 30 bis 150atm, bei Temperaturen zwischen 2440 und 2830 K und Sauerstoffanteilen von 5 bis 20% nachder Gasverbrennung gezundet. Es wurde ausschließlich ein einstufiger Abbrand beobachtet. Zweibisher fur Bor als Zundbeschleuniger angesehene Substanzen, CO2 und HF, zeigten keine posi-tiven bzw. HF sogar negative Auswirkungen auf die Zundverzugszeit. Ein Vergleich mit einemerweiterten Modell nach Li und Williams, [82], und dem komplexen Modell aus Abschnitt 6zeigt, dass vor allem das letztere gute Ubereinstimmung mit den Messdaten bietet, nur der Ab-fall der Verzugszeiten mit steigendem Druck wird unterschatzt. Es wird darauf hingewiesen, dassBornitrid, BN, inhibierenden Charakter bzgl. des Zund- und Abbrandverhaltens haben konnte.

5.11 Arbeiten von D. Meinkohn

Am Deutschen Zentrum fur Luft- und Raumfahrt in Lampoldshausen arbeitet D. Meinkohn, dereine Reihe von theoretischen Betrachtungen zur Borverbrennung veroffentlicht hat. In [105] ent-wickelt er 1985 ein theoretisch-mathematisches Modell auf der Basis russischer Untersuchungenund unter dem Einfluss der Modelle nach King, das ausschließlich den Zundvorgang eines Ein-zelpartikels in ruhender Atmosphare beschreibt. Es wurde eine Stabilitatsanalyse durchgefuhrt,welche die zu einer Zundung fuhrenden Umgebungsbedingungen des Partikels definiert, und vor-geschlagen, in den Experimenten uberatmospharische Drucke und geringere Partikeldurchmesserals z.B. Macek zu verwenden, um die erforderliche Zundtemperatur herabsetzen zu konnen.

In [106] hat Meinkohn 1993 ein Modell zur Zundung von Borstaubwolken vorgestellt. Fureine solche Partikelsuspension stellen Zundwellen das kollektive Verhalten einer großen AnzahlPartikel dar. Diese Wellenausbreitung wird im Phasenraum fur den einzelnen Partikel betrach-tet. Asymptotische Falle decken bei Einfuhrung eines geeigneten Zustandsraumes auf, dass esungewohnliche und bisher nicht beachtete Wege gibt, die eine Zundung bewirken, insbesonderebei niedrigeren Temperaturen.

Meinkohn hat in einem Bericht von 1999, [107], festgestellt, dass praktisch alle Modelle voneiner einheitlich dicken Oxidschicht ausgehen. Die von ihm vorgestellte Modellerweiterung, diefur alle Metalle gelten soll, berucksichtigt den Einfluss der Temperaturabhangigkeit der Ober-flachenspannung, ausgedruckt durch die Marangoni-Zahl Ma, sowie die Moglichkeit des Fließensder Schicht. Er hat eine parabolische partielle Differentialgleichung fur die Oxidschichtdicke

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5.12 Forschungsgruppe um K.K. Kuo, Pennsylvania State University (PSU) 93

aufgestellt, die in einer Dimension Abweichungen von der Kugelform zulasst, die zu lokalemAufbrechen der Schicht fuhren konnen. Durch Beachtung dieser Effekte kann man die Zundungder Partikel auch bei niedrigeren Temperaturen erreichen, je nachdem, ob die Aufheizung vonaußen oder durch reaktive Selbsterhitzung erfolgt. Materialeigenschaften spielen hierbei eineRolle, so dass sich z.B. Aluminium und Bor in ihrem Abbrandverhalten unterscheiden.

5.12 Forschungsgruppe um K.K. Kuo

Die Gruppe um K.K. Kuo hat an der Pennsylvania State University intensiv auf dem Gebietder Borverbrennung gearbeitet. Ihr in Kapitel 7 beschriebenes Borverbrennungsmodell wird imRahmen der vorliegenden Arbeit in Kapitel 8 erweitert.

In [108] haben Jarymowycz, Yang und Kuo 1993 eine umfangreiche Studie zur Verbren-nung von Borpartikeln uber einem pyrolysierenden Bortreibsatz vorgestellt. Es handelt sich umein theoretisches Modell mit zweidimensionaler CFD inklusive mehrerer Gasphasenspezies undalgebraischem Turbulenzmodell sowie einer Lagrange’schen Beschreibung fur die abbrennen-den Borpartikel mit Einwegekopplung. Fur die transsonische Gasstromung wurde eine simpleglobale Chemie verwendet, die Zundung und Verbrennung der Borpartikel erfolgte nach demKing-Modell. Es wurden die Einflusse der Partikelgroße, der Zundverzugszeit und damit desZundortes untersucht, welcher aufgrund der beschrankten Baulange einer realen Brennkammerggf. einen unvollstandigen Abbrand bedeutet. Außerdem wurden die Auswirkungen unterschied-licher Umgebungsbedingungen berechnet und damit optimale Zundbedingungen vorhergesagt.Im gleichen Buch hat die Kuo-Gruppe zwei weitere Artikel publiziert, die sich mit der Abbrand-geschwindigkeit verschiedener borhaltiger Treibsatze beschaftigen.

Ein weiterer Artikel beschaftigt sich mit dem Einfluss von Magnesiumbeschichtungen derBorpartikel auf den Zundprozess, ausfuhrlicher beschrieben durch Yeh et al. in [109]. Diesehaben 1994 Experimente mit beschichteten und unbeschichteten Borpartikeln an einem Flach-flammenbrenner durchgefuhrt. Die Partikel aus amorphem Bor hatten Durchmesser von 2-3 µm,die Dicke der 0.75% Mg-Beschichtung betrug 6 nm. Allerdings lag die Reinheit der amorphenBorpartikel bei nur 93% mit 3 bis 3.5% mittlerem Magnesiumanteil auch in den unbeschichte-ten Partikeln. Die Versuche wurden bei atmospharischem Druck, Temperaturen zwischen 1770und 1990 K und Sauerstoffmolanteilen zwischen 12.6 und 27.7% durchgefuhrt. Die Zund- undAbbrandzeiten sowie die Partikelgeschwindigkeit wurden gemessen. Die Zundverzugszeiten dermit Magnesium beschichteten Partikel war leicht verkurzt gegenuber den reinen Borpartikeln,wahrend die Abbrandzeiten, d.h. die der zweiten Verbrennungsstufe, unverandert blieben. DieBeschichtung wirkt also beschleunigend auf den Abbau der Oxidschicht, wird dabei aber auchvollstandig verbraucht, so dass sie in der zweiten Phase ohne Einfluss bleibt. Eine Erhohung derGastemperatur und der Sauerstoffkonzentration bewirkte eine Verringerung der Abbranddauer.Unterhalb von 13% O2 verlief die Verbrennung nicht vollstandig, nur die erste Phase fand statt.

In anschließenden Versuchen, [110], wurden 1995 sowohl kristalline als auch die oben be-schriebenen amorphen Borpartikel untersucht, letztere mit vier verschiedenen Anteilen der Ma-gnesiumbeschichtung zwischen 0.75% und 4.58%. Nur der 0.75% Mg-Uberzug fuhrte zu einerVerringerung der Zundverzugszeit, wahrend sich durch die hoheren Mg-Anteile sogar Verschlech-terungen des Zundprozesses ergaben; diese Beschichtungen waren offensichtlich zu dick, hattenjedoch auch keinen Einfluss auf die Abbrandzeit in der zweiten Verbrennungsstufe.

Yeh und Kuo haben 1995, [97], die lange Zeit umstrittene Frage zur Diffusion in der Bor-oxidschicht gelost. Aus Experimenten mit einem Environmental Scanning-Elektronenmikro-skop (ESEM) in Argon-, Sauerstoff- und Wasserdampfatmospharen wurde geschlossen, dassbei hoheren Temperaturen in erster Linie sich in der B2O3-Schmelze als glasartiger Komplexlosendes Bor durch diese flussige Oxidschicht diffundiert, ahnlich dem Williams-Ansatz, und

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94 5 LITERATURRECHERCHE ZUR BORVERBRENNUNG

nicht geloster Sauerstoff wie von King vorgeschlagen. Mittels Rontgenbeugungsanalyse und che-mischer Untersuchungen aus der Literatur wurde festgestellt, dass sich das Bor in Form einesglasartigen, amorphen (BO)n-Komplexes mit Polymerstruktur, gebildet durch eine Reaktionzwischen festem Bor und flussigem B2O3, lost. Ein Schmelzen des gesamten Borpartikels erfolg-te schon bei 940 C, weit unterhalb der Schmelztemperatur von Bor (ca. 2400 K). Mit demSchwerpunkt der Elektronenmikroskopie haben Yeh et al. 1997 in [111] den betrachteten Diffu-sionsmechanismus in der Boroxidschicht mit detaillierteren Angaben zur ESEM erganzt und dieFolgerungen anhand mehrerer anderer Experimente abgesichert.

Aus den Versuchsergebnissen wurde im zweiten Teil von [97] ein Borreaktionsmechanis-mus fur die Zund- und die Abbrandphase von Borpartikeln hergeleitet, der auf dem Modellvon Li und Williams, [82], [84] aufbaut. Hierbei handelt es sich um die erste Version desspater von dieser Gruppe noch erweiterten Modells, das in Abschnitt 7 ausfuhrlich beschriebenwird. Die Abhangigkeit der Zundverzugszeit von Umgebungstemperatur, Spezieskonzentrationund Druck wird im Vergleich mit experimentellen Daten sehr gut vorhergesagt. Die Modell-rechnung ist mit der von anderen Autoren gemessenen Dauer der zweiten Verbrennungsstufeunter Berucksichtigung sowohl der Diffusions- als auch der kinetischen Limitierung in guterUbereinstimmung.

Der Artikel [112] von Yeh und Kuo (1996) gibt im ersten Teil eine Literaturubersicht. Diebis dahin erschienenen theoretischen Modelle werden erlautert und außerdem Methoden zurVerbesserung der Zundeigenschaften, z.B. durch Beschichtung, vorgestellt.

Im zweiten Teil dieses Artikels berichten die Autoren uber neue eigene Experimente mit Bor-partikeln. Hierfur wurden Partikel mit 3 µm Durchmesser verwendet, weil experimentelle Datenzu Zund- und Abbranddauer fur solch kleine Borpartikel bis dahin nicht vorlagen. Die Partikelwurden in das Abgas eines vorgemischten Flachflammenbrenners injiziert, der Methan mit Luftmager verbrannte. Mittels einer optischen Diagnostik mit Laser und Videosystem wurden die Ge-schwindigkeit der Partikel sowie die Zeitspannen der Verbrennung in der ersten bzw. zweiten Pha-se gemessen. Außerdem wurden die Trajektorien aufgezeichnet und mit einem Gaschromatogra-phen die Zusammensetzung der Gasphase bestimmt. Das System ermoglichte es daruber hinaus,nur Partikel einer engen Großenklasse fur die Auswertung zu berucksichtigen, was ungunstigeSchwankungen in diesem Parameter einschrankte. Es wurden sowohl amorphe (93% Reinheit)als auch kristalline Borpartikel (99.5% rein) und solche mit Magnesiumbeschichtung untersucht.Die experimentellen Ergebnisse zum Diffusionsmechanismus in der Boroxidschicht wurden nocheinmal zusammengestellt. Die Bildung eines glasartigen, polymerhaften (BO)n-Komplexes inder Oxidschicht, der mit B2O3 im Gleichgewicht steht und an der Oberflache verdampft, istnach Ansicht der Autoren der wahrscheinlichste Vorgang in Gegenuberstellung zu den bis dahinherrschenden Vorstellungen der Sauerstoff- oder Bordiffusion.

Der letzte Teil der Veroffentlichung enthalt die Hauptbestandteile des theoretischen Modells,das in Kapitel 7 beschrieben wird. Das Modell gliedert sich entsprechend der Verbrennungsstufendes Bors in zwei Teile und basiert auf dem Modell von Li und Williams, [82]. In der ersten Phaseder Verbrennung wird das Boroxid reaktiv verdampft, ein relativ langsamer Vorgang, und zweischnellere globale Oberflachenreaktionen angesetzt, die den Umsatz mit Sauerstoff einerseitsund mit Wasserdampf und Sauerstoff andererseits beschreibt. Zwei gewohnliche Differentialglei-chungen fur den Partikelradius und die Oxidschichtdicke sowie eine fur die raumlich einheitlichePartikeltemperatur werden gelost.

Fur die zweite Phase wurde in diesem Artikel nur Sauerstoff als Oxidationsmittel berucksich-tigt, obwohl auch der im Abgas von Kohlenwasserstoffen immer vorhandene Wasserdampf alssehr reaktiv gilt. Die Oberflachenreaktion kann entweder diffusionskontrolliert ablaufen, wobeidie Diffusion des Sauerstoffs aus der Umgebung begrenzend wirkt, oder kinetisch kontrolliert,wenn die Reaktions- viel geringer als die Diffusionsgeschwindigkeit ist; in der Regel treten aller-

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5.12 Forschungsgruppe um K.K. Kuo, Pennsylvania State University (PSU) 95

dings beide Phanomene kombiniert auf. In Analogie zu einem elektrischen Schaltkreis wurdensie als in Reihe geschaltete Widerstande betrachtet, wobei die Konzentrationsunterschiede zwi-schen Oberflache und Umgebung als treibendes Gefalle dienen. Unter gewissen Annahmen isteine analytische Naherungslosung der Gleichung moglich, so dass die Abbrandzeit direkt berech-net werden konnte.

Zur Unterscheidung zwischen diffusions- und kinetisch limitiertem Bereich wurde die Dam-kohler-Zahl in der Definition

Da =P dP,0

75(136)

bestimmt, fur die der Druck in atm und der Ursprungsdurchmesser der Partikel in µm einzuset-zen ist. Ist Da 1, also bei kleinen Partikeln und niedrigem Druck, liegt der kinetische Grenzfallvor, ist bei großen Partikeln und hohem Druck Da 1, ist die Diffusion geschwindigkeitsbe-stimmend.

Ein Vergleich zwischen den berechneten Zundzeiten und eigenen Messdaten der Autoren so-wie jenen von Macek et al. zeigt generell sehr gute Ubereinstimmung fur 3 µm-, 34.5 µm- und 44.2µm-Partikel bei 1 atm, siehe Abschnitt 8.8 zur Modellvalidierung. Die berechnete Abbrandzeitfur die zweite Stufe der Verbrennung ist in guter Ubereinstimmung mit den Experimenten.

In spateren Veroffentlichungen haben Ulas, Kuo und Gotzmer 2001/2002 das oben beschrie-bene Modell auf fluorhaltige Gasumgebungen erweitert und auch experimentelle Untersuchungenhierzu durchgefuhrt, [56] und [113]. Das neue Interesse an fluorhaltigen Atmospharen geht vonder geplanten Verwendung von Difluoroamin/Nitramin-basierten Oxidationsmitteln in Difluoro-amino/azidooxetanbindern aus, die mit Borpartikeln angereichert als neuartige Treibsatze oderExplosivstoffe verwendet werden sollen, da sich mit diesen die Zweiphasen-Verluste in der Duseund die Zundverzugszeiten verringern sowie die Energiefreisetzung erhohen lassen.

Eine Ubersicht uber die neuere Literatur zeigt, dass das Modell der Princeton/Aerodyne-Gruppe das bis dahin einzig verfugbare war, das Fluorkomponenten berucksichtigt. Wegen ihrerToxizitat wurden nur sehr wenige Experimente mit Borpartikeln in fluorhaltigen Gasen durch-gefuhrt. Ziel war daher, mehr Messdaten fur die Zund- und Abbrandzeiten der Borpartikel insolchen Umgebungen zu erhalten und den Einfluss der Spezies F und HF auf den Verbrennungs-vorgang zu untersuchen.

Die Experimente wurden im Abgas eines Mehrflammendiffusionsbrenners nach Mueller etal., [74], durchgefuhrt, der eine sichere Zufuhrung und Absaugung der toxischen Gase erlaubtund hohere Gastemperaturen bis 2700 K ermoglicht. Methan wurde dabei mit einer Mischungaus NF3, N2 und O2 verbrannt und die Borpartikel in das verbrannte Gas injiziert. Es wurdensowohl amorphe 1 µm- als auch kristalline 3 µm-Partikel untersucht und das Verhaltnis vonFluor- zu Sauerstoffatomen zwischen 0.0 und 2.6 variiert.

Bei der Beobachtung der Partikelbahnen wurden ausgepragte stoßartige und Drehbewegun-gen festgestellt, die eventuell durch nicht gleichmaßig auf der Partikeloberflache kondensiertesBornitrid BN und dadurch unausgeglichene Vortriebskrafte hervorgerufen wurden. FlussigesB2O3 kann nicht die Ursache fur dieses Phanomen in der zweiten Abbrandphase sein, da diePartikeltemperatur in diesem Zustand deutlich oberhalb der Verdampfungstemperatur des Bor-oxids liegt. In manchen Fallen wurde auch ein Zerfall der Partikel registriert, eventuell weil dieReaktionen energiereicher sind als in Abwesenheit von Fluor und die Gasentwicklung zu einer

”Explosion“ fuhrt. Generell wurde festgestellt, dass erste und zweite Phase der Verbrennungnicht mehr unterscheidbar sind, da die Oxidschicht in fluorhaltigen Umgebungen sehr schnellabgebaut wird.

Das theoretische Modell ist eine Erweiterung der oben beschriebenen Arbeit von Yeh undKuo, in der zusatzlich zu den Oxidationsmitteln Sauerstoff und Wasserdampf auch Fluor undFluorwasserstoff als wichtigste fluorhaltige Spezies im Abgas des Brenners berucksichtigt werden.

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96 5 LITERATURRECHERCHE ZUR BORVERBRENNUNG

Wegen des Mangels an kinetischen Informationen uber die ebenfalls, aber in geringeren Kon-zentrationen auftretenden Spezies COF2 und CF4 wurden diese nicht berucksichtigt. Aufgrundder hohen Verdampfungstemperatur des Bors von 3931 K dominieren in der zweiten Phase derVerbrennung die Oberflachenreaktionen uber die Gasphasenverbrennung. In dieser Version desModells werden vier globale heterogene Reaktionen des festen bzw. bei hoheren Temperaturenflussigen Borpartikels mit den Oxidationsmitteln O2, H2O, F und HF berucksichtigt.

Fur die Diffusion der Oxidationsmittel im Gas und die Reaktionskinetik an der Partikel-oberflache wurde weiterhin die Analogie zu elektrischen Schaltkreisen genutzt. Kinetischer unddiffusiver Widerstand wurden fur jeden einzelnen Reaktionsweg als in Reihe geschaltet betrach-tet. Da jedes Oxidationsmittel fur sich genommen mit dem Partikel reagieren kann, setzt sichder Gesamtwiderstand aus einer Parallelschaltung der Widerstande fur die einzelnen Oxidati-onsmittel zusammen.

Der Vergleich der berechneten Zund- und Abbrandzeiten mit Messdaten bei 1 atm von Yehund Kuo sowie Macek et al. zeigt gute Ubereinstimmung in Abwesenheit von Fluor. Bei hoherenDrucken ist die Ubereinstimmung mit Messungen von Foelsche et al. bzgl. der Dauer der zwei-ten Phase recht gut, die Zundphase gibt es aber deutliche Abweichungen, s. auch Abschnitt 8.8.Fur fluorhaltige Atmospharen wurden die berechneten Zeiten mit den eigenen Experimentender Autoren bei 1 atm und mit Hochdruckversuchen von Krier et al. verglichen. Bei atmo-spharischen Verhaltnissen ist die Ubereinstimmung zwischen Rechnung und Experiment gut.Die Abbrandzeit erhoht sich zunachst mit steigendem Fluor/Sauerstoff-Atomverhaltnis F/O,weil dabei Wasserdampf durch unreaktiveres HF ersetzt und die Sauerstoffkonzentration verrin-gert wird. Mit weiter steigendem F/O-Verhaltnis wird sehr reaktives atomares Fluor gebildet,und die Abbrandzeit sinkt. Besonders signifikant ist die Erhohung der Abbaugeschwindigkeitder Oxidschicht: Bei einem F/O-Verhaltnis von zwei ist diese Geschwindigkeit viermal so hochwie ohne Fluor. Bei hoheren Drucken und Partikeln mit 7.5 µm Durchmesser sinken t1 und t2mit steigendem F/O-Verhaltnis, wobei diese Abnahme in den Messungen etwas schneller erfolgt.

In seiner Dissertation, [114], schildert Ulas 2000 die durchgefuhrten Messungen und dasModell noch ausfuhrlicher unter Angabe weiterer verwendeter Daten und Korrelationen. Eswird ein umfangreicherer Vergleich mit experimentellen Daten gegeben und der Einfluss desFluors auf die theoretische Leistung eines Feststoffraketenantriebs mit Bortreibstoff untersucht.

Fur zukunftige Arbeiten schlagt Ulas vor, mehr Daten in Fluoratmospharen bei verschiede-nen Drucken und Partikeldurchmessern zu sammeln, wahrend der Verbrennung abgeschrecktePartikel zu analysieren, um gegebenenfalls Bornitrid nachzuweisen, und SF6 als Fluorquelle zuverwenden, um eine BN-Bildung ausschließen zu konnen. Weitere Messungen von Reaktions-geschwindigkeiten und der Produktspezies sind ebenfalls angebracht, um den Mechanismus zuverfeinern.

Schlussfolgerung der PSU-Gruppe war, dass die Vorhersagen ihres Modells sehr nahe andenen des viel aufwendigeren Princeton/Aerodyne-Modells aus Kapitel 6 liegen, dass ihr eige-nes aber durch seine Einfachheit deutliche Vorteile in der Implementierung und bezuglich derRechenzeit bietet.

5.13 Forschungsgruppen um R.A. Yetter, F.L. Dryer, H. Rabitz, R.C. Brownund C.E. Kolb

Diese große Gruppe besteht einerseits aus Wissenschaftlern der Luft- und Raumfahrttechnikam Department of Mechanical and Aerospace Engineering sowie Chemikern am Department ofChemistry der Princeton University, New Jersey, und andererseits aus Mitarbeitern des kom-merziellen Forschungszentrums Aerodyne Research Inc. in Billerica, Massachusetts. Sie hat ineiner langen Reihe von Veroffentlichungen den von ihr entwickelten umfangreichsten Reaktions-

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5.13 Forschungsgruppen um R.A. Yetter, F.L. Dryer, H. Rabitz, R.C. Brown und C.E. Kolb(Princeton University/Aerodyne Research Inc.) 97

mechanismus fur die Borpartikelverbrennung publiziert. Auf diesen wird in Kapitel 6 ausfuhrlicheingegangen, da er eine Vergleichsgrundlage der weiteren theoretisch-numerischen Untersuchun-gen bildet. In diesem Abschnitt werden Artikel dieser Forschungsgruppe diskutiert, die uber dieBorverbrennung hinausgehende, wichtige Informationen liefern.

Mit dem Artikel [115] haben Yetter, Dryer und Rabitz 1985 einen Leitfaden zur Sensiti-vitatsanalyse chemischer Reaktionsmechanismen veroffentlicht, der diese in umfassender Weiseam Beispiel eines elementaren kinetischen Mechanismus des CO/H2O/O2-Systems erlautert. Diemit der Methode der Green’schen Funktion erhaltenen Sensitivitatskoeffizienten erster und zwei-ter Ordnung werden im Detail interpretiert und diskutiert. Aus den linearen Sensitivitatskoeffi-zienten lassen sich die Auswirkungen einer Variation der Anfangsbedingungen und Unsicherhei-ten in den Geschwindigkeits- und Gleichgewichtskonstanten fur die Modellvorhersage ermitteln.Sie sind Grundlage fur die Reduktion eines komplexen Mechanismus. Sensitivitatskoeffizientenzweiter Ordnung beschreiben, wie sich die Koeffizienten erster Ordnung mit den Anfangsbe-dingungen oder Geschwindigkeitskonstanten andern, sind also ein Maß fur die Nichtlinearitatdes Systems und zeigen Querabhangigkeiten zwischen den Elementarreaktionen und den einzel-nen Konzentrationen. Elemente der Matrix der Green’schen Funktion weisen ein Erinnerungs-vermogen auf, aus dem man die Effekte einer Parametervariation zu einem Zeitpunkt t′ auf dasVerhalten zu spateren Zeiten t ermitteln kann. Die letztgenannten Sensitivitaten lassen sich imPrinzip auch im Labor messen. Eine sogenannte feature-Sensitivitatsanalyse deckt den Einflussder Veranderungen von Eingabeparametern wie z.B. Anfangsbedingungen oder Druck auf spe-zifische kinetische Vorhersagen wie Zundverzugszeiten oder Dauer der kinetisch aktiven Phaseauf. Als letzter Punkt erweist sich die elementbezogene Sensitivitatsanalyse als sehr nutzlichsowohl in der Planung der Experimente als auch in Modellentwicklung und -auswertung. DieserArtikel ist damit auch Grundlage fur die Interpretation der Borreaktionsmechanismen, die inKapitel 6 vorgestellt werden.

In [116] haben Yetter et al. 1991 die Zund- und Reaktionskinetik von verdunnten Wasser-stoff/Sauerstoff-Mischungen mit Hilfe einer kombinierten Stabilitats- und Sensitivitatsanalyseuntersucht. Dies ist hier zum einen wichtig, weil die Gasmischung aus dem Meteor-Gasleitrohreinen hohen Anteil Wasserstoff enthalt, zum anderen wird die prinzipielle Vorgehensweise ineiner Stabilitatsanalyse genau dargestellt. Diese wird uber eine Eigenanalyse der Matrix derGreen’schen Funktion der zugrundeliegenden Reaktionsgleichungen erstellt. Uber den Betrag desgroßten Eigenwertes kann man die fur dieses Gemisch typischen Regionen schwacher und starkerZundung im Druck-Temperatur-Diagramm quantifizieren. Die Sensitivitat des großten Eigenwer-tes bzgl. der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten weist auf diejenigen Elementarschritte hin,die den Zundprozess kontrollieren. Die zugehorigen Eigenvektoren ergeben die Richtungen, indenen sich die Spezieskonzentrationen und die Temperatur wahrend der Reaktion verandern.Diese Arbeit bildet ebenfalls eine Grundlage fur die Auswertung von chemischen Reaktionsme-chanismen.

Das generelle Vorgehen bei der Entwicklung eines Reaktionsmechanismus haben Yetter et al.1995 in [117] vorgestellt. Anhand des Beispiels der Nitraminverbrennung, genauer Hexahydro-1,3,5-trinitro-1,3,5-triazin (RDX), eines Treibstoffs, der meist in Verbindung mit Borpartikeln furRaketenantriebe oder Sprengstoffe eingesetzt wird, wird die Methodik erlautert. Grundlage isteine hierarchische, iterative Konstruktionsprozedur, die den Mechanismus in Teilprozesse zerlegt,die einzeln mit Experimenten validiert werden konnen. Die Submodelle sind von steigenderKomplexitat, und geeignete Experimente fur die Validierung werden mittels Sensitivitats- undReaktionsweganalyse gefunden. Anschließend werden die Teilprozesse zum Gesamtmechanismuszusammengesetzt und makroskopisch an Versuchen mit Flammen untersucht.

In einem Konferenzbeitrag von 1996, [118], haben Lee, Tomboulides et al. ein zeitabhangiges,zweidimensionales Modell fur den Abbrand von Kohlenstoffpartikeln vorgestellt, das sehr inter-

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98 5 LITERATURRECHERCHE ZUR BORVERBRENNUNG

essante Aspekte fur die Modellierung, auch der Borpartikel, enthalt. Dabei wurde zum erstenMal eine nicht ruhende Umgebung berucksichtigt, d.h. das Partikel bewegt sich wahrend desAbbrands relativ zur Gasatmosphare, so dass erzwungene Konvektion entsteht. Die Abnahmedes Partikeldurchmessers von 200 µm wurde vernachlassigt und somit ein quasistationarer Par-tikelabbrand angenommen. Bei niedrigen relativen Reynoldszahlen um eins entwickelt sich einekugelsymmetrische Flamme als reaktive Grenzschicht bis zum stationaren Zustand, wahrenddes Zundvorgangs sind die Abweichungen von der spharischen Symmetrie jedoch erheblich. Beihoheren Re-Zahlen um 10 erfolgt nur noch ein langsamer Abbrand durch kinetisch kontrollier-te Oberflachenreaktionen mit Gasphasenreaktionen in der Nachlaufzone, das Stromungs- undSpezieskonzentrationsfeld ist dann stark asymmetrisch.

Neuere Untersuchungen auf dem Gebiet der Raketentreibstoffe befassen sich verstarkt mitzyklischen Nitraminen wie RDX, s.o., und wie in diesem Artikel von Prasad, Yetter und Smookevon 1998, [119], mit HMX (Octahydro-1,3,5,7-tetranitro-1,3,5,7-tetrazocin). Diese konnen entwe-der als homogene Einzeltreibstoffe, engl. monopropellants, oder in Kombination mit Partikeln,u.a. auch Bor, eingesetzt werden. Das Abbrandverhalten von HMX wird hier in einem drei-stufigen System fur Feststoff-, Flussig- und Gasphase modelliert. Die Abbrandgeschwindigkeitist ein Eigenwert des aufgestellten mathematischen Modells, und ihre Abhangigkeit vom Druckwurde berechnet. Ein Vergleich der Rechenergebnisse mit Messdaten zu lasergezundetem undselbstentflammtem HMX zeigt gute Ubereinstimmung.

In [120] beschaftigen sich Bucher, Yetter et al. 1999 mit Aluminiumpartikeln. Sie haben einbesonderes Messverfahren eingesetzt, um die Zusammensetzung der kondensierten Phasen zumessen, die in verschiedenen Atmospharen aus reinem N2O, CO2, CO und Mischungen aus21% O2 mit 79% N2 bzw. Ar wahrend der Verbrennung der Al-Partikel entstehen. Nebenfotografischen Aufnahmen wurde mittels electron probe microanalysis (EPMA) die Produkt-zusammensetzung und die radiale Verteilung bestimmt. In O2-, N2O- und CO2-Atmospharenbrannten die Partikel mit einer einhullenden Flamme, wahrend die Verbrennung mit CO na-he oder direkt an der Partikeloberflache mit nur schwacher Hullflamme stattfand. Im Gegen-satz zu Sauerstoff/Argon-Gemischen zerfallen die Partikel in Sauerstoff/Stickstoff-Atmospharenwahrend des Abbrennens.

Es wurde die Existenz von Aluminiumnitriden oder -oxinitriden in der fetten Verbrennungs-zone nahe der Partikeloberflache nachgewiesen. Bei den dort herrschenden Temperaturen kannsich Aluminiumnitrid AlN auf dem bereits flussigen Aluminiumoxidmantel des Partikels nieder-schlagen, was zu der beobachteten Fragmentierung fuhren konnte. Bei Verbrennung in der CO-Atmosphare wurde Niederschlag von Kohlenstoff, wahrscheinlich in Form von Aluminiumkarbid,festgestellt. Analog hierzu wurden im Abbrand des Gasgenerators des Meteor-Triebwerks Bor-nitrid und Borkarbid in großeren Mengen detektiert.

5.14 Literatur nach dem Jahr 2000

Wie bereits erwahnt, stammt das aktuellste publizierte Borverbrennungsmodell der PSU-Grup-pe, dessen Literaturverweise als Grundlage fur die Recherche dienten, aus dem Jahr 2001. DieLiteratur, die zwischen 2001 und 2007 auf dem Gebiet der Borverbrennung oder anderer fur dasMeteor-Projekt interessanter Themen erschienen ist, wird in diesem Abschnitt zusammenge-fasst.

In einem Artikel von 2002, [121], geben Kuo und Young Ergebnisse von Untersuchun-gen verschiedener neuartiger Treibsatze fur Feststoffraketen wieder. Diese besitzen Difluor-aminogruppen (-NF2), die gegenuber Nitrogruppen (-NO2) noch einmal eine gesteigerte Leistungerbringen. Das Abbrandverhalten von Treibsatzen mit Aluminium- und Borpartikeln sowie ohneMetallpartikelzusatze wurde bei in Raketenbrennkammern ublichen hohen Drucken, 0.35 bis 20.7

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5.14 Literatur nach dem Jahr 2000 99

MPa, untersucht. Des Weiteren wurde das Stabilitatsverhalten und die Geschwindigkeit des Ab-brands analysiert und die unterschiedlichen Treibsatze fur dieses Anwendungsgebiet bzgl. ihrerBrauchbarkeit eingestuft.

Die DLR-Gruppe in Lampoldshausen beschaftigt sich weiter mit Experiment und Theo-rie zur Borverbrennung. Sender, Ciezki et al. haben 1998 bis 2003 eine quasizweidimensionaleBrennkammer mit zuruckspringender Stufe aufgebaut, an denen sie Versuche mit Bortreibsatzenmit aufwendiger Diagnostik zur Geschwindigkeitsfeld- und Temperaturfeldmessung durchgefuhrthaben, u.a. mit Farbschlieren, LDA, PIV, CARS und Mie-Streuung sowie Probenahme zur Ana-lyse der Produktzusammensetzung, [122], [123] und [124]. Der Aufbau simuliert ein Feststoff-staustrahltriebwerk unter atmospharischen Bedingungen und dient dem besseren Verstandnisder zugrundeliegenden Prozesse in der Brennkammer; die Borpartikel hatten einen mittlerenDurchmesser von 1 µm.

Pein und Anders haben in [125] 2000 die Bedingungen in einem Gasgenerator experimentelluntersucht, indem sie kleine Borklumpchen in einem Verbrennungsdruckgefaß bei 1 bis 100 bargezundet und die Produkte analysiert haben. In Gasgeneratoren von Feststoffstaustrahltriebwer-ken lauft eine fette Vorverbrennung ab, deren Produkte in der Staubrennkammer mit der Außen-luft verbrannt werden. Die Borpartikel sind zunachst in eine Kohlenwasserstoff-Polymermatrixeingebettet, die pyrolysiert. Die Produkte enthalten neben Boroxid und reinen Borpartikelnauch in großeren Mengen Borkarbidpartikel, B4C, deren Abbrand in der Staubrennkammerebenfalls simuliert werden musste, sowie Rußpartikel. In der Vergangenheit und im Rahmender vorliegenden Arbeit wurde davon ausgegangen, dass nur Borpartikel vom Gasgenerator indie Brennkammer stromen, kein Borkarbid.

In [126] beschaftigt sich Meinkohn, die Arbeit aus [107] erweiternd, 2004 mit der Boroxid-schicht, die in bisherigen Modellen immer als kugelsymmetrisch betrachtet wurde, fur die abernun eine Symmetrieachse aufgegeben und eine unterschiedliche Dicke zugelassen wird. Bzgl. derChemie und der Interaktion mit dem festen Bor und der Gasphase ist das mathematische Modelleinfach gehalten und konzentriert sich auf die Problematik des Einflusses der Thermokapillar-krafte auf die Hydrodynamik der kriechenden Stromung in einem dunnen Film. Es wird gezeigt,dass fur Umgebungstemperaturen unterhalb 1820 K die B2O3-Schicht zunachst sehr stabil ist,da der Gradient der Oberflachenspannung des flussigen Oxids bzgl. der Temperatur positiv ist,was zu einer Marangoni-Konvektion hin zu den heißen Stellen dunner Oxidschicht fuhrt, dieLucken tendenziell also schließt. Unter 1634 K jedoch kehrt sich das Vorzeichen des Gradientenum, der Marangoni-Effekt induziert eine Stromung von den dunnen Stellen weg, so dass Partikel,denen in solch einer Umgebung z.B. durch Strahlung von außen Warme zugefuhrt wird, auchbei relativ niedrigen Temperaturen zunden konnen, da die Oxidschicht dann aufbricht.

Ein weiterer Artikel Meinkohns von 2004, [127], erweitert diese Idee auf Verloschprozesseund wird am Beispiel von Bor- und Aluminiumpartikeln, die Ahnlichkeiten und Unterschiedeaufweisen, diskutiert. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist, dass sich Borpartikel in festem,Aluminiumpartikel jedoch bereits in geschmolzenem Zustand befinden, solange sie von der Oxid-schicht bedeckt sind, was auf abweichende Effekte und Modellgleichungen fuhrt. Zundung undVerloschen werden als kritische stationare Zustande definiert, die auf der Stabilitatsgrenze liegen.Eine Asymmetrie der Schicht wird wie oben zugelassen.

Die aktuellste Veroffentlichung Meinkohns von 2006, [128], befasst sich mit der Stabilitatder Oxidschicht unter asymmetrischen Storungen fur Bor- und Aluminiumpartikel. Ziel ist eineZundung bei niedrigeren Temperaturen ohne aggressive chemische Bestandteile im Treibstoffwie Fluor, ohne starke Scherung der Stromung und ohne starken Strahlungswarmestrom, indemder Marangoni-Effekt ausgenutzt wird, der eine Zundung unter 1634 K ermoglicht.

Stowe et al. haben in [129] und [130] zwischen 2001 und 2004 Feststoffstaustrahlantrie-be mit Ethylen und 75 nm Kohlenstoffpartikeln als Treibstoff experimentell untersucht und

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100 5 LITERATURRECHERCHE ZUR BORVERBRENNUNG

die Stromung simuliert, um die optimale Geometrie der Brennkammer und Lufteinlasse so-wie die benotigten Massenstrome zu erhalten. Sie geben eine Literaturubersicht zur CFD-Verbrennungssimulation solcher Triebwerke, verwenden einen statistischen PDF-Ansatz zur Be-rucksichtigung der Turbulenz, vgl. Abschnitt 8.11, und haben Druckschwankungen in der Brenn-kammer gemessen.

Zolotko et al. haben 2001 in [131] die Zundung von Partikeln mit inhibierender Oxidschicht inPartikel-Gas-Suspensionen untersucht. Als Oxidationsmittel diente eine Mischung aus Sauerstoffund Wasserdampf, die zu einer reduzierten Zundtemperatur im Vergleich zu einem trockenenMedium fuhrt. Mit einem Modell fur die Zundphase, das die Stabilitat bzgl. kleiner Storungenbeschreibt, wurde das fur die Zundung optimale Verhaltnis aus O2 zu H2O bestimmt.

Boichuk et al. stellen in [132] 2002 experimentell fest, dass die Zugabe von Borpartikeln zueiner Aluminiumpartikel-Luft-Suspension die Flammenausbreitung verzogert, da die Borpartikelin schwach exothermen Reaktionen unter Bildung von Borsuboxiden mit dem Aluminium umSauerstoff konkurrieren.

Das Oxidationsverhalten von Borkarbid haben Viricelle et al. 2001 in [133] experimentell un-tersucht. Die Gasmischung bestand aus 20% O2, 5% CO2 und Helium sowie teilsweise zusatzlich2.3% Wasserdampf bei bis zu 1300 K. Es wurde die Stabilitat der B2O3-Oxidschicht untersucht,allerdings keine kinetischen Parameter vermessen.

Dreizin hat 2003 in dem sehr detaillierten Artikel, [134], eine Serie von Studien zur Verbren-nung von geschmolzenen Metall-Einzelpartikeln in oxidierenden Atmospharen vorgestellt. Dabeiwurden die Temperatur-Historien der Partikel aufgezeichnet und mit der Zusammensetzung sol-cher Partikel korreliert, die sich zu verschiedenen Zeitpunkten wahrend der Verbrennung ergab.Diese wurde anhand abgeschreckter Partikel bestimmt. Die Untersuchung umfasste neben Bor-partikeln auch Al, Mg, Zr, Ti, Ta, W, Mo, Fe und Cu als Material in Gasatmospharen aus Luft,Argon-Sauerstoff oder Helium-Sauerstoff-CO2. Es wurde die Losung von Sauerstoff in den Me-tallschmelzen beobachtet, die zu Phasenumwandlungen fuhrt, welche beobachtbare, plotzlicheVeranderungen im Verbrennungsregime verursachen und zusatzlich zu den heterogenen Ober-flachen- und homogenen Gasphasenreaktionen berucksichtigt werden mussen.

Mota et al. haben 2004 in [135] einen neuartigen Raketentreibsatz vorgestellt, der als gesin-tertes Bor in Form von Boriden, Karbiden und glasartigen Komponenten vorliegt. Es werdenAluminium, Magnesium und Steinkohlenkoks als Reduktionsmittel hinzugegeben, die eine Bil-dung der inhibierenden Oxidschicht vermeiden sollen. Außerdem enthalt der Artikel ein binaresBor-Aluminium-Phasendiagramm.

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101

6 Borverbrennungsmodell der Princeton/Aerodyne-Gruppe

Die Zielstellung der Verbrennungsmodellierung im Rahmen dieser Arbeit ist es, rechnerisch diechemischen und Stromungsprozesse in der Meteor-Brennkammer in detaillierterer Weise alsbisher darzustellen, um verlasslichere Aussagen uber Verbrennungswirkungsgrad und Leistungdes Triebwerks sowie uber eventuell auftretende thermisch kritische Stellen unter allen Flugbe-dingungen treffen zu konnen. Bislang wurde die Stromung der Produkte der fetten Verbrennungim Gasgenerator, der Borpartikel und der Stauluft noch quasi-homogen einphasig mit dem Eddy-Break-Up-Verbrennungsmodell berechnet.

Die vorliegende Arbeit schafft die Voraussetzungen fur eine verbesserte Verbrennungssimula-tion. Das in Kapitel 7 beschriebene Modell der PSU-Gruppe um Kuo dient dabei der Berechnungdes Partikelabbrands alleine mit wenigen globalen Reaktionen, so dass sich dieses Modell aufdie in Lagrange’scher Betrachtungsweise im Stromungsfeld berechneten Partikel anwenden lasst,ohne zu rechenintensiv zu werden. Mit seiner Hilfe lassen sich die Warmefreisetzung durch denPartikelabbrand, die dadurch hervorgerufene Durchmesserabnahme mit der Zeit sowie die indirekter Partikelumgebung entstehenden relevanten Gasspezies bestimmen. Das Modell bildetdie Grundlage, in die mit dieser Arbeit Erweiterungen und Verbesserungen einfließen. Das Ge-samtmodell, beschrieben in Kapitel 8, wurde anschließend in die StromungssimulationssoftwareAnsys CFX implementiert und steht somit als Optimierungswerkzeug fur die Triebwerksausle-gung zur Verfugung.

Im vorliegenden Kapitel werden die Arbeiten der Forschungsgruppe um Yetter, Dryer undRabitz an der Princeton University sowie um Brown und Kolb am Zentrum fur Chemische undUmweltphysik der Firma Aerodyne Research Inc. auf dem Gebiet der Borverbrennung vorge-stellt. Ihr in einem Zeitraum von mehr als 12 Jahren entwickeltes detailliertes Verbrennungs-modell fur Borpartikel und die umgebende Gasphase aus Produkten der Kohlenwasserstoffver-brennung mit Luft soll als Basis der Validierung vereinfachter Modelle sowie der Abschatzungchemischer Zeitskalen dienen. Im Modell dieser Gruppe werden in erweiterten Formulierungenauch Fluor enthaltende Spezies berucksichtigt, da diese die Zundverzugszeit zu kurzen vermogen.Solche Spezies sind – in geringem Maße – auch im Treibsatz des Meteor-Triebwerks enthalten,werden aber hier zunachst gegenuber den Hauptbestandteilen vernachlassigt; damit das erste zuimplementierende Modell nicht zu umfangreich wird, soll zunachst nur die Verbrennung reinenBors in der Mischung aus der Kohlenwasserstoffatmosphare, die aus dem Gasgenerator stromt,und Luft betrachtet und implementiert werden.

Das Princeton-Aerodyne-Modell, im folgenden als PA-Modell abgekurzt, wurde schrittweiseentwickelt. In den ersten Jahren wurde ein Mechanismus der chemischen Reaktionen in der einbrennendes Borpartikel umgebenden Gasphase aufgestellt. Als Anwendungsfall wurden Trieb-werke genannt, deren Treibstoff eine Suspension aus Borpartikeln und dem Gasturbinenkraft-stoff JP4 ist. Dieser ist leichtes Kerosin fur Kaltwetterbedingungen oder Militarflugzeuge, dasleichter entzundlich als regularer Flugtreibstoff ist. Im Gegensatz zum Meteor-Triebwerk liegtder Treibstoff also in mit Pumpen zu fordernder Form vor, die Lagerbarkeit ist jedoch einge-schrankt. Wichtigster Unterschied fur die Modellierung ist, dass die Produkte fetter, also luftar-mer Verbrennung des JP4s vorherrschend Kohlenmonoxid und Wasserstoff sowie Kohlendioxidund Wasser sind, wahrend im Meteor-Gasgenerator zusatzlich Methan in großeren Mengenanfallt.

In weiteren Schritten wurden fur das PA-Modell Mechanismen der heterogenen Oberfla-chenreaktionen am Borpartikel mit den in der Gasphase vorliegenden Spezies aufgestellt. Dieswurde zunachst getrennt fur ein mit einer Oxidschicht bedecktes Borpartikel bzw. einen Bor-oxidtropfen, entsprechend der ersten Phase des Partikelabbrands, und spater fur ein sogenann-tes ”reines“ Borpartikel durchgefuhrt, das von seiner Oxidschicht befreit wurde, sich also in der

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102 6 BORVERBRENNUNGSMODELL DER PRINCETON/AERODYNE-GRUPPE

zweiten Abbrandphase befindet. Im abschließenden Gesamtmodell wurde ein festes Borpartikelmit flussiger Oxidschicht mit dem umgebenden Gas simuliert, an dem heterogene Reaktionenzwischen flussiger und fester Phase, zwischen Gas und flussiger Phase und homogene Reak-tionen in der Gasphase stattfinden. Zusatzlich wurde die Speziesdiffusion in der Flussigphaseberucksichtigt.

Die Teilmodelle der Princeton/Aerodyne-Gruppe unterscheiden sich von allen anderen Mo-dellen aus der Literatur zur Borverbrennung, indem die Gruppe versucht hat, alle sinnvollmoglichen Elementarreaktionen fur alle Teilprozesse aufzustellen. Ihr Modell ist daher das mitAbstand umfangreichste und detaillierteste, das derzeit bekannt ist. Es wird allerdings von denAutoren darauf hingewiesen, dass nur fur einen sehr kleinen Teil der Reaktionen Messdatender Reaktionsgeschwindigkeit in Abhangigkeit von Temperatur und Druck vorliegen. Die großeMehrheit der Geschwindigkeiten wurde daher mittels theoretischer Methoden aus der Theoriedes Ubergangszustands und mit anderen, sogenannten ab initio Methoden geschatzt oder ausbesser vermessenen Reaktionen anderer, konfigurell ahnlicher Spezies – meist aus der Kohlen-wasserstoffchemie – abgeleitet. Sensitivitatsanalysen wahrend der Entwicklung der Mechanismenwurden herangezogen, um diejenigen Elementarreaktionen herauszustellen, die entscheidendenEinfluss auf den globalen Reaktionsablauf haben. Diese Reaktionen sollten nach Ansicht derAutoren weiteren bzw. uberhaupt experimentellen Untersuchungen unterzogen werden, um dieAussagekraft des PA-Modells zu verbessern.

Fur die vorliegende Arbeit wurde die Implementierung der Gasphasenreaktionsmechanismenin die Software Cosilab unternommen, ein Programm, das detaillierte null- und eindimensionaleBerechnungen von Verbrennungsvorgangen ermoglicht. Dies dient dazu, die typischen Zeitskalender Chemie zu berechnen, deren Verhaltnis zu den turbulenten Zeitskalen entscheidend fur denweiteren Modellierungsprozess ist. Einige Ergebnisse der Berechnungen mit dem Gasphasenre-aktionsmechanismus werden weiter unten prasentiert.

Da im Gasgenerator des Meteor-Triebwerks auch Methan entsteht, wurde der in Abschnitt6.1 vorgestellte Untermechanismus fur CO/H2/O2 um den frei verfugbaren CH4-Abbaumecha-nismus GRI-Mech 3.0, [136], erweitert. Beispielergebnisse werden in Abschnitt 6.2 prasentiert.Dabei sind zwei Dinge zu beachten. Zum einen wird i.a. davon abgeraten, unterschiedliche Me-chanismen zu ”vermischen“, da die Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten als Gesamtwerk zu ver-stehen sind, deren Genauigkeit auf eine moglichst gute Beschreibung der Testfalle hin optimiertwurde. Werden die Elementarreaktionen fur sich betrachtet und in einen fremden Mechanismuseingebaut, kann ihre Anwendung zu Fehlern fuhren. Zum anderen werden in den Mechanismenzum Methanabbau keine Reaktionen mit Borspezies berucksichtigt, so dass nur indirekt uberdie CO-, HCO- oder CO2-Bildung Methan mit Borspezies reagieren kann. Mangels Alternativewurde dieser Weg dennoch gewahlt.

In einem weiteren Schritt sollten auch die Oberflachenreaktionen und damit das Gesamt-modell der Princeton/Aerodyne-Gruppe in Cosilab implementiert werden, um zwischen diesemdetaillierten und dem einfacheren PSU-Modell vergleichen zu konnen, wobei dem PA-Modelleine großere Aussagekraft zugesprochen wird. Zunachst mussten die Fahigkeiten der Softwa-re Cosilab noch auf die Berechnung von Oberflachenreaktionen erweitert werden, was von derHerstellerfirma Softpredict um Prof. B. Rogg an der Universitat Bochum im Rahmen diesesProjekts vorgenommen wurde. Leider war es bisher nicht moglich, den Gesamtmechanismusfunktionsfahig umzusetzen, mehr dazu in Abschnitt 6.3.

Fur die Berechnung der Gasphasenreaktionen sind neben den Reaktionsmechanismen diethermodynamischen Eigenschaften aller beteiligten Spezies anzugeben, d.h. die Enthalpie, spe-zifische Warmekapazitat bei konstantem Druck und die Entropie, jeweils in Abhangigkeit vonder Temperatur. Diese werden in verschiedenen Tabellenwerken in Form von Polynomen bzw. ge-brochen rationalen Funktionen fur die mit der universellen Gaskonstanten normierte spezifische

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6.1 Implementierte Reaktionsmechanismen fur die Bor-Gasphasenverbrennung 103

Warmekapazitat bei konstantem Druck zuzuglich jeweils einer Integrationskonstanten fur En-thalpie bzw. Entropie an Messdaten oder ab initio Berechnungsergebnisse angepasst. Diese Dar-stellung wird als NASA-Format mit sieben bzw. neun Koeffizienten bezeichnet, siehe AnhangD.2.

Als Datenbasis wurde das standig aktualisierte Tabellenwerk von A. Burkat verwendet, [137],in dem die meisten Daten fur Borspezies aus den JANAF-Tabellen, [138], entlehnt und in Ko-effizientenform aufgelistet sind. Nur fur die Spezies HBO und HBO2 waren an erstgenannterStelle keine Daten verfugbar, so dass die Koeffizienten mit Hilfe eines selbsterstellten Matlab-Programms aus den Tabellendaten in [138] erzeugt wurden. Die thermodynamischen Großenwerden u.a. fur die Berechnung der (Gibbs’schen) freien Enthalpie G = H − TS benotigt, dieim reaktiven Gleichgewicht minimal wird. Damit lassen sich die Gleichgewichtskonstanten dereinzelnen Reaktionen berechnen. Bei Angabe einer Reaktionsgeschwindigkeitskonstante kf furdie Hinreaktion in den Mechanismen kann uber die durch Cosilab ermittelte Gleichgewichtskon-stante die Geschwindigkeitskonstante kb der Ruckreaktion berechnet werden, da die Beziehung

KGGW =kfkb

(137)

gilt.

6.1 Implementierte Reaktionsmechanismen fur die Verbrennung der Borspe-zies in der Gasphase

Fur die Implementierung der Gasphasenreaktionsmechanismen in Cosilab wurden die beidenersten Veroffentlichungen der Princeton/Aerodyne-Gruppe aus dieser Reihe herangezogen sowieein weiterer Artikel eines Teils dieser Autoren fur den Submechanismus zu den CO/H2/O2-Reaktionen. Zwischenziel war es, die korrekte Funktionsweise der Software Cosilab durch Ver-gleich mit den veroffentlichten Diagrammen zu prufen und auch eventuelle Fehler in den Verof-fentlichungen durch Quervergleich zwischen verschiedenen Publikationen und der eigenen Rech-nung aufzudecken.

Der Konferenzbeitrag von 1988, [139], stellt nach Angaben der Autoren eine erste Naherungder homogenen Gasphasen-Verbrennungschemie bei hoher Temperatur dar, die in der direktenUmgebung eines Borpartikels, unterstutzt durch eine im Hintergrund ablaufende Kohlenwas-serstoffverbrennung, stattfindet. Die Arbeiten basieren auf gegen Ende der 1970er Jahre zuRaketenabgasstrahlen mit Bor-Sauerstoff-Reaktionen durchgefuhrten Studien und auf dem um-fangreichen Erfahrungsschatz dieser Autorengruppe auf dem Gebiet der Sensitivitatsanalyseanderer homogener Verbrennungsprobleme, vgl. z.B. [115].

Die im Gasphasenmechanismus berucksichtigten Spezies wurden anhand von Gleichgewichts-rechnungen einer Mischung aus festem Bor mit dem JP4-Treibstoff und Luft in verschiedenenLuft-Brennstoff-Verhaltnissen ermittelt. Dabei stellten sich die folgenden Boratome enthalten-den Spezies als in der Umgebung eines brennenden Borpartikels vorherrschend heraus: BO, BO2,B2O2, B2O3, HBO und HBO2 (HOBO). Zusatzlich entsteht auch gasformiges Bor, wegen derhohen Verdampfungsenthalpie elementaren Bors wurde allerdings geschatzt, dass sehr wenig Borvon der Partikeloberflache in die Gasphase ubergeht; der Mechanismus ist jedoch unabhangig vondieser Annahme gultig. Als umgebende Kohlenwasserstoffverbrennung wurde die CO-Oxidationin Wasserstoff und Sauerstoff gewahlt, da dies der Zusammensetzung der Gasphase nach einemTeilabbau des JP4-Kraftstoffs entspricht. Der CO/H2/O2-Submechanismus wurde ebenfalls vonder Princeton/Aerodyne-Gruppe veroffentlicht. In der hier beschriebenen Publikation wird nochauf eine altere Version des Teilmechanismus von 1984 verwiesen, fur die Implementierung inCosilab wurde allerdings bereits die aktualisierte Version aus einer Veroffentlichung von 1991

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104 6 BORVERBRENNUNGSMODELL DER PRINCETON/AERODYNE-GRUPPE

verwendet, [140]. Der H/O/C-Submechanismus enthalt viele der Dissoziations- und Rekombi-nationsreaktionen, die Radikale entstehen und verschwinden lassen, welche entscheidend furZundvorgange und Kettenverzweigungsreaktionen sind. Die weiteren Spezies sind: CO, CO2,HCO, H2, H2O, O2, H, OH, O, HO2, H2O2 und der Luftstickstoff N2, der hier als inert ange-nommen wurde. Somit sind insgesamt 19 Spezies im Mechanismus vertreten, der nachfolgendin Tabelle 8 zusammengestellt ist. Er besteht aus insgesamt 62 Elementarreaktionen, wobei dieersten 34 die Borchemie abbilden und die 28 weiteren den H/O/C-Teilmechanismus.

Tabelle 8: Gasphasenreaktionsmechanismen aus [139], [141] und [140].

Gasphasen-Reaktionsmechanismus

Nr. Reaktion Af n EA[cm3

mol s

],[

cm6

mol2 s

] [calmol

]Reaktionen mit Borspezies1 B + O2 ↔ BO + O 7.16635 · 1013 0.00 313.762 BO + O2 ↔ BO2 + O 2.09026 · 106 2.23 1421.863 BO2 + H2 ↔ HBO2 + H 1.80664 · 1012 0.00 2978.764 B + OH↔ BO + H 6.02214 · 1013 0.00 0.005 BO + OH↔ BO2 + H 2.40886 · 1012 0.00 0.006 BO2 + OH↔ HBO2 + O 1.80664 · 1012 0.00 992.927 BO2 + BO2 ↔ B2O3 + O 6.02214 · 1010 0.00 9929.188 B + H2O↔ HBO + H 2.40886 · 1014 0.00 2680.889 BO + H2O↔ HBO2 + H 6.02214 · 1010 0.00 9929.1810 HBO2 + OH↔ BO2 + H2O 1.20443 · 1012 0.00 1985.8411 B2O3 + H2O↔ HBO2 + HBO2 6.02214 · 108 0.00 11915.0012 B + BO2 ↔ BO + BO 3.61328 · 1013 0.00 0.00132 B + CO2 ↔ BO + CO 4.21550 · 1010 0.00 +1985.8414 BO + O + M↔ BO2 + M 1.08799 · 1015 0.00 −1985.8415 BO2 + H + M↔ HBO2 + M 1.81331 · 1015 0.00 −1985.8416 BO + OH + M↔ HBO2 + M 3.62662 · 1014 0.00 −1985.8417 BO + BO2 + M↔ B2O3 + M 7.25324 · 1013 0.00 −1985.8418 BO2 + CO↔ CO2 + BO 3.01107 · 1013 0.00 +1985.8419 BO + H + M↔ HBO + M 1.08799 · 1015 0.00 −1985.8420 HBO + H↔ BO + H2 1.20443 · 1013 0.00 0.0021 HBO + O↔ BO + OH 4.81771 · 1013 0.00 0.0022 HBO + O↔ BO2 + H 4.81771 · 1012 0.00 0.0023 HBO + OH↔ BO + H2O 4.81771 · 1013 0.00 0.00243 HBO + BO2 ↔ HBO2 + BO 1.80664 · 1012 0.00 +1985.8425 HBO + OH↔ HBO2 + H 4.81771 · 1012 0.00 0.0026 HBO + OH↔ BO2 + H2 6.02214 · 103 0.00 69901.4427 HBO + O2 ↔ BO2 + OH 6.02214 · 103 0.00 69901.4428 HBO + O + M↔ HBO2 + M 3.62662 · 1020 −0.50 50043.0829 HBO + BO↔ B2O2 + H 6.02214 · 1011 0.00 0.0030 BO + BO + M↔ B2O2 + M 3.62662 · 1013 0.00 −1985.84

Fortsetzung auf der nachsten Seite2Fur diese Reaktion wurden unterschiedliche Aktivierungsenthalpien angesetzt, s. Text.3Diese Reaktion wurde in [141] nicht berucksichtigt.

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6.1 Implementierte Reaktionsmechanismen fur die Bor-Gasphasenverbrennung 105

Gasphasen-Reaktionsmechanismus (Fortsetzung)

Nr. Reaktion Af n EA[cm3

mol s

],[

cm6

mol2 s

] [calmol

]31 B2O2 + O↔ BO + BO2 3.61328 · 1013 0.00 0.0032 B2O2 + O2 ↔ BO2 + BO2 6.02214 · 108 0.00 80029.2133 B2O2 + OH↔ BO + HBO2 3.61328 · 1013 0.00 0.0034 B2O2 + OH↔ BO2 + HBO 6.02214 · 108 0.00 69901.44H2-O2-Kettenreaktionen35 H + O2 ↔ O + OH 1.90546 · 1014 0.00 16440.0036 O + H2 ↔ H + OH 5.12861 · 104 2.67 6290.0037 OH + H2 ↔ H + H2O 2.13796 · 108 1.51 3430.0038 OH + OH↔ O + H2O 1.23000 · 104 2.62 −1878.00H2-O2-Dissoziations- und Rekombinationsreaktionen39 H2 + M4 ↔ H + H + M 4.57088 · 1019 −1.40 104380.0040 O + O + M↔ O2 + M 6.16595 · 1015 −0.50 0.0041 O + H + M↔ OH + M 4.67735 · 1018 −1.00 0.0042 H + OH + M↔ H2O + M 2.23872 · 1022 −2.00 0.00Bildung und Abbau von HO2

43 H + O2 + M↔ HO2 + M 6.76083 · 1019 −1.42 0.0044 HO2 + H↔ H2 + O2 6.60693 · 1013 0.00 2130.0045 HO2 + H↔ OH + OH 1.69824 · 1014 0.00 870.0046 HO2 + O↔ OH + O2 1.73780 · 1013 0.00 −400.0047 HO2 + OH↔ H2O + O2 1.44544 · 1016 −1.00 0.00Bildung und Abbau von H2O2

48 HO2 + HO2 ↔ H2O2 + O2 3.01995 · 1012 0.00 1390.0049 H2O2 + M↔ OH + OH + M 1.20226 · 1017 0.00 45500.0050 H2O2 + H↔ H2O + OH 1.00000 · 1013 0.00 3590.0051 H2O2 + H↔ H2 + HO2 4.78630 · 1013 0.00 7950.0052 H2O2 + O↔ OH + HO2 9.54993 · 106 2.00 3970.0053 H2O2 + OH↔ H2O + HO2 7.07946 · 1012 0.00 1430.00Oxidation von CO54 CO + O + M↔ CO2 + M 2.51189 · 1013 0.00 −4540.0055 CO + O2 ↔ CO2 + O 2.51189 · 1012 0.00 47690.0056 CO + OH↔ CO2 + H 1.50000 · 107 1.30 −765.0057 CO + HO2 ↔ CO2 + OH 6.02560 · 1013 0.00 22950.00Bildung und Abbau von HCO58 HCO + M↔ H + CO + M 1.86209 · 1017 −1.00 17000.0059 HCO + O2 ↔ CO + HO2 7.58578 · 1012 0.00 410.0060 HCO + H↔ CO + H2 7.24436 · 1013 0.00 0.0061 HCO + O↔ CO + OH 3.01995 · 1013 0.00 0.0062 HCO + OH↔ CO + H2O 3.01995 · 1013 0.00 0.00

Die Tabelle enthalt Angaben zur Berechnung der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten der

4[M] =∑

εi [ci], wobei εi der Drittkorperstoßeffizienz fur die Spezies i entspricht: εN2 = 1.0, εH2 = 2.5,εH2O = 12.0, εCO = 1.9, εCO2 = 3.8; diese Angaben gelten ausschließlich fur die Drittkorperstoßeffizienz desH/O/C-Submechanismus – in den Dreikorperreaktionen mit Bor- und allen nicht hier aufgefuhrten Spezies betragtεi = 1.0.

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106 6 BORVERBRENNUNGSMODELL DER PRINCETON/AERODYNE-GRUPPE

Hinreaktion

kf = AfTn exp

(−EART

), (138)

die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante der Ruckreaktion kb ergibt sich entsprechend aus derGleichgewichtskonstante, s. Gleichung (137). Das Gleichgewicht andert sich i.a. mit Druck undTemperatur entsprechend dem Minimum der freien Enthalpie. Es muss zu diesem Punkt aller-dings angemerkt werden, dass die aus den Tabellenwerken entnommenen Stoffdaten praktischimmer fur P = 1 atm oder P = 1 bar angegeben werden. Anderungen dieser Großen mit demDruck sind kaum tabelliert. Hier wird jedoch bei allen Spezies von idealen Gasen ausgegangen,und der Druckbereich im Meteor-Triebwerk steigt nicht weit uber 10 bar, so dass die Druck-abhangigkeit der Stoffdaten gegenuber der Druckabhangigkeit des Gleichgewichts aufgrund vonMolzahlanderungen vernachlassigt werden kann. Eine ggf. vorhandene Druckabhangigkeit derReaktionsgeschwindigkeitskonstanten konnte mangels Messdaten ebenfalls nicht aufgenommenwerden.

Reaktion 24 ist auf Empfehlung von Glassman et al., [80], gegenuber dem Mechanismus ausder Veroffentlichung von 1991, [141] s.u., hinzugenommen und auch in spateren Publikationenverwendet worden. Der Artikel von 1991 scheint ursprunglich eher geschrieben worden zu sein alsder Konferenzbeitrag von 1988. Fur Reaktion 13 wurde eine Aktivierungsenergie von +1985.84cal/mol angesetzt, obwohl in [139] das umgekehrte Vorzeichen genannt wurde. Hierbei konntees sich um einen Druckfehler handeln, da in spateren Artikeln das hier gezeigte Vorzeichenangegeben wird.

Einige Elementarreaktionen werden durch Kollisionen mit Drittkorpern ausgelost, die dannals M in den Gleichungen auftauchen. Ihre Konzentration entspricht i.a. der Summe der ubrigenSpezieskonzentrationen. Die Drittkorperstoßeffizienz (engl.: chaperon efficiency) wird als Ge-wichtungsfaktor der einzelnen Konzentrationen eingefuhrt, da leichtere oder stark schwingendeMolekule eine hohere Stoßwahrscheinlichkeit besitzen als großere, schwerere. Die Drittkorper-stoßeffizienzen wurden nach [140] fur die entsprechenden Reaktionen des Kohlenwasserstoff-Submechanismus gemaß der Fußnote in Tabelle 8 gewahlt. Fur die Drittkorperreaktionen ausdem Borspeziesteil wurde keine Effizienz angegeben, so dass diese alle zu eins gesetzt wurden.

Die Unsicherheiten in den Bildungsenthalpien liegen bei etwa ±2 . . . 3 kcal/mol fur dieberucksichtigten Borspezies, was ca. zwei Großenordnungen hoher als bei ublichen Kohlenwas-serstoffspezies ist. Fur das hier nicht verwendete Molekul B2O liegt sie sogar bei ±25 kcal/mol.Weitere Untersuchungen dieser Eigenschaften sind daher angebracht.

Zunachst wurden reine Gasphasenberechnungen ohne Partikel am Modell eines ideal durch-mischten Reaktors durchgefuhrt, um die zeitliche Veranderung der Zusammensetzung zu er-halten. Die benotigten Anfangsbedingungen wurden aus Gleichgewichtsrechnungen mit festemBorpartikel und Kohlenwasserstoff-Luft-Umgebung ermittelt, die bei konstantem Druck undkonstanter Temperatur durchgefuhrt wurden. Die Drucke reichten dabei von 1 bis 8 atm, dasBrennstoff-Luft-Verhaltnis φ wurde zwischen 0.3 und 4.5 variiert, also von mager bis fett. Eswurden zwei verschiedene Mischungen untersucht: Eine reine Bor-Luft-Verbrennung und ei-ne mit zusatzlichen Kohlenwasserstoffen in der Atmosphare. Gemittelt uber alle Druck- undStochiometriebereiche ergab sich oberhalb einer Temperatur T ∗, uber der sich B2O3(l) schnellverfluchtigt, ein Verhaltnis der dominanten Suboxidkonzentrationen fur die B(s)-Luft-Mischungvon

B2O2 : BO ≈ 10 : 1 (139)

und fur ein Gemisch aus 90%B(s), 10% JP4 mit Luft von

HBO : B2O2 : BO ≈ 20 : 10 : 1 . (140)

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6.1 Implementierte Reaktionsmechanismen fur die Bor-Gasphasenverbrennung 107

Die Temperatur T ∗ ist abhangig von Druck, Ausgangszusammensetzung und Luftzahl. Sie liegtin Gegenwart von Kohlenwasserstoffen um 200 bis 300 K niedriger als bei reinem Bor in Luft(2000 ≤ T ∗ ≤ 2400 K), konsistent mit den experimentell ermittelten Zundtemperaturen bzgl. desZusatzes von Wasser; d.h. die kinetische Entfernung der Oxidschicht erfolgt nur, wenn sie ther-modynamisch favorisiert wird. Fur die unten gezeigten Rechnungen wurden fette Bedingungenangenommen, da die nahe Umgebung des brennenden Partikels sauerstoffarm sein wird. Diegenannten Verhaltnisse der Suboxide des Bors wurden in den Anfangsbedingungen der Rech-nungen verwendet, stochiometrisch mit Luft gemischt. Zusatzlich wurden H2 und CO oder H2Ound CO2 als Edukte entsprechend teiloxidiertem JP4 hinzugegeben. Obwohl diese Verhaltnissemoglicherweise nicht korrekt sind, wenn man die Oberflachenreaktionen am Partikel mitbe-rechnet, so sind diese in der sauerstoffarmen Umgebung des brennenden Partikels doch sehrwahrscheinlich.

(a) Ergebnis aus [139] (b) eigene Rechnung mit Cosilab

Abbildung 33: Speziesmolanteile und Temperaturprofil einer B/O-Mischung, die adiabat bei konstantemDruck verbrennt. Anfangsbedingungen: XB2O2 = 0.164, XBO = 0.018, XO2 = 0.172, XN2

= 0.646. T = 1800 K, P = 8 atm.

In Abbildung 33 sind die Spezieskonzentrationen im Verlauf der Zeit fur eine adiabat ver-brennende Bor-Luft-Mischung in einem ideal gemischten Reaktor dargestellt. Die Anfangsbe-dingungen sind in der Bildunterschrift angegeben. Abbildung 33(a) zeigt die Ergebnisse aus derVeroffentlichung [139], Abbildung 33(b) die mit Cosilab erhaltenen Verlaufe. Der Vergleich zeigtabsolut identisches Verhalten, so dass der Mechanismus korrekt implementiert wurde, die Nu-merik gleichwertig ist und die thermochemischen Stoffdaten aus den gleichen Quellen stammen.

Es zeigen sich zwei Temperaturregime, das erste bei etwa 3 · 10−3 ms, mit einem Maximumin der BO2-Konzentration und das zweite im Gleichgewicht, mit dem Endprodukt B2O3. Wich-tigste Zwischenprodukte bei der Verbrennung ohne Kohlenwasserstoffe sind BO und BO2. DieGesamtdauer der Reaktion bei 8 atm betragt etwa 100 µs.

Die Abbildungen 34 und 35 zeigen die Ergebnisse fur die adiabate Verbrennung einer Mi-schung aus Bor und CO/H2 mit Luft. Die Rechnung wurde ebenfalls bei 8 atm durchgefuhrt,bzgl. dieser Angabe liegt wohl ein Druckfehler (1 atm) in der Veroffentlichung vor. Die Warme-freisetzung ist hier bereits nach 10 µs abgeschlossen, die gesamte B2O3-Bildung allerdings erstnach 100 µs. Hier wird ein signifikanter Anteil der Warmefreisetzung durch Radikal-Rekombina-tionen kontrolliert. Wenn der Druck erhoht wird, wird die Warmefreisetzung durch die HBO2-

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108 6 BORVERBRENNUNGSMODELL DER PRINCETON/AERODYNE-GRUPPE

(a) Ergebnis aus [139] (b) eigene Rechnung mit Cosilab

Abbildung 34: Speziesmolanteile und Temperaturprofil einer B/O/H/C-Mischung, die adiabat bei kon-stantem Druck verbrennt. Anfangsbedingungen: XB2O2 = 0.035, XBO = 0.003, XHBO =0.072, XO2 = 0.163, XN2 = 0.617, XH2 = 0.055, XCO = 0.055. T = 1800 K, P = 8 atm.

(a) Ergebnis aus [139] (b) eigene Rechnung mit Cosilab

Abbildung 35: Molanteile der B/O/H/C-Mischung aus Abbildung 34 fur die Spezies des CO/H2/O2-Untermechanismus, die gleichzeitig mit den Borkomponenten aus Abbildung 34 reagieren.

Bildung bestimmt. Der finale Gleichgewichtsprozess zwischen HBO2 und B2O3 ist annahernd iso-therm, die Zugabe von H2 oder H2O zur Borchemie erhoht die Warmefreisetzungsgeschwindigkeitdaher erheblich, neben der Veranderung der dominierenden Suboxide und Produkte. Die Uber-einstimmung zwischen veroffentlichten und eigenen Ergebnissen ist erneut uberzeugend.

Des weiteren haben die Autoren normierte Sensitivitatskoeffizienten fur beide Mischungenberechnet und analysiert, die die Antwort jedes Spezieskonzentrations- und des Temperatur-profils auf Variation in allen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten liefert. Daraus lasst sich dieWichtigkeit der einzelnen Reaktionen im Mechanismus und die Auswirkungen der Unsicherheitin ihren Geschwindigkeitskonstanten bestimmen. Beispielsweise ergibt sich auf Basis der Unter-suchungen bis 1991 fur die Mischung aus Abbildung 33, dass der erste Anstieg der Temperatur

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6.1 Implementierte Reaktionsmechanismen fur die Bor-Gasphasenverbrennung 109

bei 10−4 ms auf die Reaktionen 2 und 31 zur BO2-Bildung zuruckzufuhren sind

BO + O2 ↔ BO2 + OB2O2 + O ↔ BO + BO2,

(R2)(R31)

wahrend der zweite Anstieg bei 10−2 ms zur B2O3-Bildung auf den Reaktionen 7 und 17 beruht

BO2 + BO2 ↔ B2O3 + OBO + BO2 + M ↔ B2O3 + M.

(R7)(R17)

Im Gleichgewicht ist die Temperatur am sensitivsten gegenuber der Gleichgewichtskonstante derReaktion 2.

Ahnliche Untersuchungen wurden auch fur die zweite Mischung durchgefuhrt; viele Reak-tionen des H2-O2-Submechanismus haben großen Einfluss auf das Temperaturprofil und dieWarmefreisetzung durch Radikalrekombinationen zwischen 10−4 und 10−2 ms. Die Abfolge derReaktionen ist folgendermaßen: Zunachst werden die stabilen Suboxide und/oder Suboxyhydridevom Beginn zu BO reduziert, anschließend wird BO zu BO2 oxidiert. Im letzten Schritt wird dasBO2 entweder und zum großeren Teil zu HBO2 oder in geringem Ausmaße zu B2O3 reduziert.Die Gleichgewichtszusammensetzung wird vor allem durch die Reaktion 11 bestimmt,

2HBO2 ↔ B2O3 + H2O, (R11)

deren Gleichgewichtskonstante KGGW = 2.52 exp(−12640/RT ) betragt, mit R in cal/(mol K).Die Zusammensetzung der Suboxide in den Edukten ist nur in den ersten Zehntel-µs der Reak-tionen wichtig mit wenig Einfluss auf die spatere BO2-Chemie, die die meiste Energie freisetzt.

Eine begrenzte Sensitivitatsanalyse bzgl. der Temperatur hat ergeben, dass kleine Tempera-turanderungen zu keinen großen Anderungen in den Speziesprofilen im Hochtemperaturbereichdieser Untersuchung fuhren. Die Temperatursensitivitaten sind geringer als die Konzentrations-sensitivitaten, wahrscheinlich wegen geringer Aktivierungsenergien der wichtigen Borreaktionen.Die favorisierten Schritte im Mechanismus scheinen sich mit der Temperatur nicht zu andern.

Ein Vergleich mit der Veroffentlichung von 1991, [141], in der auch isotherme Reaktionenbetrachtet wurden, zeigt, dass die Reaktionen, die sich bei adiabater Verbrennung als wich-tig herausstellten, auch unter isothermen Bedingungen die relevantesten bleiben. Man benotigtdaher auch nur einen Satz Gleichungen. Dies ist bei anderen Systemen nicht unbedingt der Fall.

Ist Kohlenmonoxid im Reaktionsgemisch enthalten, so verlauft der effizienteste Abbau uberReaktion 18,

BO2 + CO↔ CO2 + BO, (R18)

die praktisch isoenergetisch ist und daher schnell ins Gleichgewicht lauft, bei CO2-Uberschussentsprechend in ruckwartiger Richtung.

Tabelle 9 stellt die wichtigsten Gasphasenreaktionen der Borchemie zusammen, mit 19 an derZahl gut die Halfte der vorgeschlagenen Reaktionen. Fur diese empfehlen Yetter et al. weitereexperimentelle und theoretische Untersuchungen, um die Genauigkeit dieses Mechanismus zuverbessern.

Gasphasenreaktionen mit elementarem Bor sind typischerweise endotherm und kinetischlangsam im Vergleich zu Reaktionen mit Boroxiden und -suboxiden. Daher tauchen sie in Tabelle9 nicht auf.

In einer Anmerkung zum Konferenzbeitrag wird klargestellt, dass die Annahme des lokalen

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110 6 BORVERBRENNUNGSMODELL DER PRINCETON/AERODYNE-GRUPPE

Tabelle 9: Fur die Hochtemperaturoxidation von Borpartikeln wichtige Gasphasenreaktionen.

Wichtige Gasphasen-Borreaktionen

Nr. ReaktionBO-ReaktionenB/O-Chemie

2 BO + O2 ↔ BO2 + O14 BO + O + M↔ BO2 + M7 BO2 + BO2 ↔ B2O3 + O17 BO + BO2 + M↔ B2O3 + M

in fetten Gemischen auch:30 BO + BO + M↔ B2O2 + M

B/O/H-Chemie5 BO + OH↔ BO2 + H−10 BO2 + H2O↔ HBO2 + OH

6 BO2 + OH↔ HBO2 + O15 BO2 + H + M↔ HBO2 + M3 BO2 + H2 ↔ HBO2 + H

in fetten Gemischen auch:19 BO + H + M↔ HBO + M29 HBO + BO↔ B2O2 + H

B/O/C-Chemie18 BO2 + CO↔ CO2 + BO

B2O2- und HBO-Reaktionen31 B2O2 + O↔ BO + BO2

33 B2O2 + OH↔ BO + HBO2

23 HBO + OH↔ BO + H2O21 HBO + O↔ BO + OH20 HBO + H↔ BO + H2

24 HBO + BO2 ↔ HBO2 + BO

Gleichgewichts zwischen Partikeloberflache und umgebender Gasgrenzschicht zwar angezweifeltwerden kann, bis zum Zeitpunkt der Veroffentlichung allerdings keine weiteren Daten oder Mo-delle fur die Gaszusammensetzung nahe der Partikeloberflache verfugbar waren. Daher wurdediese Annahme als vernunftig betrachtet.

In ihrem ausfuhrlicheren Artikel von 1991, [141], haben Yetter et al. weitere Angaben zurEntwicklung des Reaktionsmechanismus gemacht. So wurden die Bindungslangen berechnet unddie moglichen Reaktionen und deren Geschwindigkeitskonstanten mit Hilfe der Theorie desUbergangszustandes oder durch Skalieren der Geschwindigkeitskonstanten ahnlicher Reaktio-nen ermittelt. Diese Methodik birgt allerdings große Unsicherheiten wegen der Mehrdeutigkeitder relevanten Ubergangszustandskonfiguration und der Aktivierungsenergien. Das Skalieren istgleichfalls ungenau, da es auch strukturelle oder dynamische Informationen benotigt, die meistunbekannt sind oder auf Annahmen gestutzt werden. Reaktionen, die aufgrund des Spins odersterischer Grunde nicht moglich oder unwahrscheinlich sind oder als nicht fundamental angese-hen wurden, sind nicht in den Mechanismus aufgenommen worden. Hauptziel war das Erstelleneines physikalisch sinnvollen und wenigstens selbstkonsistenten Mechanismus.

Bornitrid BN wurde aufgrund der großen Bindungsenergie im N2-Molekul und der deshalb

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6.1 Implementierte Reaktionsmechanismen fur die Bor-Gasphasenverbrennung 111

schnelleren Reaktionen von Bor mit Sauerstoff zunachst nicht berucksichtigt. In Gleichgewichts-rechnungen zeigte sich, dass BN nur bei sehr fetten Gemischen in großeren Mengen vorkommt,dann aber kondensiert und erstarrt. Erst im aktuellsten Artikel dieser Gruppe wurde es mit auf-genommen, s. Abschnitt 6.3. Die Trimere H3B3O3 und H3B3O6 wurden ebenfalls vernachlassigt,da ihre Konzentrationen oberhalb von 1800 K mehr als drei Großenordnungen geringer als dieihrer Monomere HBO und HBO2 sind. Sie spielen nur im Abgasstrahl des Triebwerks wahrendder Kondensationsvorgange eine Rolle. Ebenso sind Spezies der Form HxBOy mit x, y > 2 nurunterhalb von 1600 K relevant und B2O nur oberhalb von 2400 K. Borane BHx werden erst inextrem fetten Gemischen wichtig, und ihre Gleichgewichtskonzentration in Gegenwart von Sau-erstoff, der die Kinetik dominiert, ist gering. Fur das BOH-Isomer des HBOs sind nur ungenauethermochemische Angaben verfugbar, auch dieses wurde daher nicht berucksichtigt.

Die Autoren zitieren die Arbeit von Page, [142] (1989), der eine deutlich andere Bildungsen-thalpie fur HBO berechnet hat als den hier verwendeten JANAF-Tabellenwert, wodurch HBOeine großere thermodynamische Stabilitat erhalt und sich die Energien einiger Elementarreak-tionen im Mechanismus andern. In dieser Veroffentlichung wurde der neue Wert in den Be-rechnungen allerdings noch nicht eingebaut, dies wurde spater nachgeholt, vgl. auch Abschnitt6.3.

Die Anfangsbedingungen fur die Rechnungen wurden wie bereits oben beschrieben ermit-telt, immer fur eine Mischung aus 90% B(s) und 10% JP4 mit Luft im Gleichgewicht. Da einfettes Gemisch in der Partikelumgebung erwartet wird, wurden die Werte fur φ = 2.0 ver-wendet. Die Verhaltnisse der Suboxide wurden leicht geandert, verbleiben aber in denselbenGroßenordnungen.

Weil Bormonoxid in fast allen berechneten Gemischen ein Zwischenprodukt oder Edukt war,wurde die Reaktionsdynamik dieser Spezies detailliert untersucht. Die Abbildungen 36 bis 38zeigen den Einfluss der Temperatur, des Drucks und des Wasserdampfgehalts der Mischung aufdie BO-Oxidation, berechnet mit Cosilab. Abweichungen zwischen den eigenen Rechnungen mitCosilab und den veroffentlichten Ergebnissen sind fast immer vernachlassigbar gering, nur inzwei von 13 Fallen waren leichte Unterschiede in wenigen Konzentrationsprofilen zu erkennen.

Die Abbildungen 36 (a) bis (c) zeigen die Ergebnisse der Berechnung des Konzentrations-verlaufs mit der Zeit fur drei verschiedene Anfangstemperaturen: 1800 K, 2300 K und 2800 K.Eine Erhohung der Temperatur beschleunigt die Kinetik, ohne den Charakter der Speziesmol-anteilverlaufe zu verandern. Das lasst darauf schließen, dass keine substantiellen Anderungen derdominanten Reaktionswege auftreten. Weiterhin erkennt man, dass die maximal durch chemischeReaktion erreichbare Endtemperatur dieses Gemisches ca. 3200 K betragt. Diese Grenztempe-ratur resultiert aus endothermen Dissoziationsprozessen, wie man am Anstieg der BO2- undBO-Konzentrationen in den Endprodukten sehen kann. Ebenfalls wichtig ist die Tatsache, dasssich das Verhaltnis von B2O3 zu HBO2 mit steigender Temperatur erhoht.

Der Druckeinfluss auf die Kinetik wird in den Abbildungen 37 (a) bis (c) fur drei unter-schiedliche Drucke dargestellt – 1 atm, 5 atm und 25 atm. Die Zusammensetzung des Gemischszu Beginn unterscheidet sich von dem in Abbildung 36 in den Spezies, die Wasserstoff- und Koh-lenstoffatome enthalten. In der Rechnung zu Abbildung 37 wurden die Molanteile fur H2 undCO durch gleiche Molenbruche an H2O und CO2 ersetzt. Dadurch stehen weder H2 noch CO zurVerfugung, um mit den Borkomponenten um Radikalspezies zu konkurrieren. Noch wichtiger,die Warmefreisetzung wird ausschließlich durch Umsetzung der Borspezies und nicht durch Was-serstoff oder Kohlenmonoxid hervorgerufen. Die allgemeinen Eigenschaften der Profile und dieGleichgewichtsbedingungen hangen nur schwach vom Druck ab. Die Anderungsgeschwindigkeitder Konzentrationen der dominierenden Spezies ist jedoch direkt proportional zum Druck,wahrend die Geschwindigkeit der Energiefreisetzung in etwa mit dem Quadrat des Drucks steigt.

Der Einfluss der Wasserdampfkonzentration – oder allgemeiner des Wasserstoffs – auf die

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112 6 BORVERBRENNUNGSMODELL DER PRINCETON/AERODYNE-GRUPPE

Abbildung 36: Spezies- und Temperaturprofile fur eine adiabate Mischung aus BO, H2, CO, O2 undN2 bei konstantem Druck und verschiedenen Anfangstemperaturen. Anfangsbedingungen:XBO = 0.05, XH2 = 0.065, XCO = 0.04, XO2 = 0.07, XN2 = 0.775, P = 1 atm. (a) T0 =1800 K, (b) T0 = 2300 K und (c) T0 = 2800 K.

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6.1 Implementierte Reaktionsmechanismen fur die Bor-Gasphasenverbrennung 113

Abbildung 37: Spezies- und Temperaturprofile fur eine adiabate Mischung aus BO, H2O, CO2, O2 undN2 bei verschiedenen (konstanten) Drucken. Anfangsbedingungen: XBO = 0.05, XH2O =0.065, XCO2 = 0.04, XO2 = 0.07, XN2 = 0.775, T0 = 1800 K. (a) P = 1 atm, (b) P = 5atm und (c) P = 25 atm.

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114 6 BORVERBRENNUNGSMODELL DER PRINCETON/AERODYNE-GRUPPE

Abbildung 38: Spezies- und Temperaturprofile fur eine adiabate Mischung aus BO, O2, N2 und verschie-denen H2O-Konzentrationen bei konstantem Druck. Anfangsbedingungen: XBO = 0.05,XO2 = 0.0175, T0 = 1800 K, P = 1 atm. (a) XH2O = 0.065, XN2 = 0.8675; (b) XH2O =0.013, XN2 = 0.9195; (c) XH2O = 0.0026, XN2 = 0.9299.

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6.2 Weitere Gasphasenreaktionsmechanismen 115

Kinetik wird in Abbildung 38 gezeigt. In den Teilen (a) bis (c) der Abbildung wurde der Mol-anteil des Wassers zu Beginn von 0.065 uber 0.013 auf 0.0026 reduziert. Außerdem wurde derSauerstoffanteil von 7% auf 1.75% reduziert und keine kohlenstoffhaltigen Komponenten hin-zugegeben. Wie aus der Literatur haufig berichtet, beschleunigt der Wasserdampf die Kinetik,insbesondere die Oxidation von BO und BO2, und hat auch wesentlichen Einfluss auf die Gleich-gewichtszusammensetzung. Die Warmefreisetzung wird ebenfalls beschleunigt, hauptsachlichdurch die Bildung des Produkts HBO2.

Yetter et al. haben auch den Einfluss des Kohlenmonoxids auf die Kinetik untersucht. Sym-ptomatisch fur die Gegenwart von CO oder CO2 war ein zwar nur geringer Effekt bzgl. der Reak-tionszeit, aber deutlichere Auswirkungen auf die Menge des BO2s, das wahrend der Reaktionengebildet wird. Des Weiteren wurden von den Autoren die Auswirkungen einzelner Suboxide undSuboxyhydride berechnet und unter isothermen Bedingungen auch der Effekt unterschiedlicherSauerstoffmolanteile.

Zusammenfassend lasst sich sagen, dass B2O3 bei hoheren Verbrennungstemperaturen ge-genuber HBO2 als Endprodukt bevorzugt wird. Fur die meisten simulierten Systeme entstehtjedoch mehr HBO2. Daraus kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass die Produktkondensa-tionsphase im hinteren Teil der Brennkammer – bzw. nach Moglichkeit erst im Abgasstrahl –wahrscheinlich ein komplexer heterogener, mehrphasiger Vorgang ist.

Auch in dieser Veroffentlichung wurde, allerdings fur isotherme Bedingungen, eine Sensiti-vitatsanalyse durchgefuhrt, deren Ergebnis ein Satz an Reaktionen ist, der nur leicht von dem inTabelle 9 gegebenen abweicht. Außerdem wurden die verschiedenen Reaktionswege bei magererund fetter Verbrennung des Borpartikels ermittelt. Dies erfolgt uber eine Rangordnung der mo-laren Reaktionsgeschwindigkeiten jeder Reaktion. Die Sensitivitatskoeffizienten liefern wichtigeZusatzinformationen fur dieses Verfahren, da sie Informationen uber die Fortpflanzungseffekteder Reaktionen beinhalten.

Der CO/H2/O2-Submechanismus der Autorengruppe wurde 1991 sehr ausfuhrlich in [140]beschrieben. In dieser Veroffentlichung werden Modellvorhersagen mit experimentellen Datenin weiten Bereichen der physikalischen Bedingungen verglichen. Die Versuchsdaten wurden ausExperimenten in Stoßrohren und verschiedenen Arten von Reaktoren gewonnen, um insgesamteinen Temperaturbereich von 823 bis 2870 K und Brennstoff-Oxidationsmittel Aquivalenzver-haltnisse zwischen 0.0005 und 6.0, also von sehr mager bis fett abzudecken. Das Kohlenstoff-Wasserstoff-Atomverhaltnis wurde zwischen 0.0005 und 128, der Druck zwischen 0.3 und 2.2 atmvariiert. Die experimentellen Ergebnisse werden durch den Mechanismus sehr gut wiedergegeben.Auch hier wurde eine umfangreiche Sensitivitatsanalyse durchgefuhrt. Im Rahmen der Imple-mentierung des Borverbrennungs-Gesamtmechanismus in Cosilab wurden auch einige Rechnun-gen mit ausschließlich diesem Teilmechanismus durchgefuhrt und sehr gute Ubereinstimmungmit den veroffentlichten experimentellen und berechneten Werten gefunden.

6.2 Weitere Gasphasenreaktionsmechanismen

In diesem Unterabschnitt werden weitere Veroffentlichungen zur Gasphasenverbrennung vonBorspezies in Kohlenwasserstoffumgebungen beschrieben. Auf Basis dieser Mechanismen furden Abbrand von CO und H2 wurde eine Erweiterung um einen detaillierten Mechanismus zumMethanabbau vorgenommen.

Pasternack hat 1992 einen weiteren Bor-Gasphasenmechanismus vorgestellt, [143]. Sie ar-beitete in der Chemistry Devision des Naval Research Laboratory in Washington, gehort alsonicht zur Princeton/Aerodyne-Gruppe. Ihr Artikel basiert jedoch auf der Arbeit von Yetter etal., [141], und entwickelt diese weiter.

Dieser Mechanismus enthalt drei zusatzliche Spezies, die Borane BH und BH2 sowie das

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116 6 BORVERBRENNUNGSMODELL DER PRINCETON/AERODYNE-GRUPPE

HBO-Isomer BOH. Fur die Bildungsenthalpie des HBOs wurde der neue Wert von Page, [142],ubernommen und die Polynome der Stoffdaten entsprechend angepasst. Dadurch wird HBO zueiner potentiell metastabilen Spezies, die als Engpass wirken konnte, der eine schnelle Verbren-nung zum Produkt B2O3 verhindert. Die thermodynamischen Daten fur BOH stammen ebenfallsvon Page, sind aber leider nicht offentlich verfugbar.

Fur einige Reaktionen wurden neu publizierte kinetische Parameter verwendet oder auseigenen Berechnungen und Uberlegungen Pasternacks mittels der Theorie des Ubergangszu-stands gewonnen. Andere Reaktionen wurden hinzugefugt, die nach Ansicht Pasternacks wichtigeReaktionswege darstellen. Durch neue Daten haben einige Reaktionen auch ihren Charaktervon endotherm zu exotherm gewechselt oder umgekehrt. Insgesamt enthalt dieser Mechanismusdamit 22 Spezies und 101 Elementarreaktionen.

Als Anfangsbedingungen wurde dieselbe Zusammensetzung verwendet wie bei Rechnungender PA-Gruppe aus [141], bei 1 atm Druck und 1800 K Anfangstemperatur. In einem ersten SatzRechnungen hat Pasternack die Auswirkungen der Anderung in den thermochemischen Datendes HBOs und in den kinetischen Parametern der aktualisierten Gleichungen untersucht. Eszeigte sich, dass der Umsatz im Vergleich zu den Ergebnissen von Yetter et al. langsamer wird,der Temperaturanstieg spater erfolgt, allerdings kein Zwischenplateau mehr zeigt. Es entstehtmehr HBO, das tatsachlich stabiler ist und den Gesamtumsatz zu B2O3 hemmt.

Eine zweite Gruppe von Rechnungen umfasste die zusatzliche Berucksichtigung der BoraneBH und BH2, die allerdings kaum Einfluss auf die Verbrennung haben, da es nur wenige effektiveReaktionswege zu ihrer Bildung gibt. Das ebenfalls implementierte BOH-Isomer des HBOs zeigtdagegen deutliche Auswirkungen. Schnelle Reaktionswege fur den Umsatz von BO und B2O2

uber BOH zu HBO2 steigern die vorhergesagte Gesamtgeschwindigkeit um etwa 10% netto.In einem dritten Block wurden die Reaktionen von HBO mit O2 und HBO mit H2O auf-

genommen, die, wie sich zeigte, fur einen schnelleren Abbau des metastabilen HBOs sorgen,so dass der Engpass etwas entspannt wird. Ein vierter Satz Rechnungen enthielt neuere Datenfur den H2/O2-Submechanismus, die zu einem spateren Temperaturanstieg fuhren. Außerdemwurde funftens der in Anhang D.6 beschriebene B/O/H-Mechanismus von Cheng und Bauer,[144], der teilweise andere Reaktionsgeschwindigkeiten vorschlagt, fur die entsprechenden Ele-mentarreaktionen ubernommen. Die Ergebnisse wurden durch diese Anderungen jedoch nichtbeeintrachtigt, so dass aus Konsistenzgrunden die bisherigen kinetischen Parameter beibehaltenwurden.

Es wurde auch hier eine Sensitivitats- und Reaktionsweganalyse durchgefuhrt, die zu 12 Re-aktionen von borhaltigen Spezies und drei weiteren aus dem H2/O2 Teilmechanismus fuhrte, dievon entscheidendem Einfluss sein sollen. Weniger als die Halfte der genannten Elementarreaktio-nen waren bis zum damaligen Zeitpunkt experimentell untersucht worden, weitere Forschung anden ubrigen wurde daher empfohlen. Bezuglich der Wichtigkeit stimmt das Urteil der PA-Gruppeaus [139] und [141] nur bei funf bzw. sieben Reaktionen mit dem Pasternacks uberein.

Brown, Kolb, Yetter et al. haben 1995 einen weiteren Artikel zur Gasphasenverbrennungin der Umgebung von Borpartikeln veroffentlicht, [145]. Im Rahmen neuerer Anwendungs-gebiete im Bereich der Unterwasser-Explosivstoffe und Zunder von Treibsatzen wurden hierzusatzlich Fluorspezies und ihre Reaktionen berucksichtigt, die bei der Verbrennung festen Borsmit auf Fluoroaminen/Nitroaminen basierenden Oxidationsmitteln entstehen. Eingesetzt wer-den z.B. Cyclotetramethylentetranitramin (HMX) und seine fluorinierten Derivate, kombiniertmit einem Nitroamino-Binder. In den fluorinierten Varianten werden NO2-Gruppen durch NF2-Gruppen ersetzt.

Vorteile der Oxidation mit Fluor sind die Eliminierung von kondensierenden Boroxiden und-oxyhydriden, die einen Vollumsatz unabhangig von der Kinetik der Kondensation erlaubt, einschnellerer Abbrand sowie verbesserte Zundeigenschaften des Bors durch zugigere reaktive Ent-

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6.2 Weitere Gasphasenreaktionsmechanismen 117

fernung der Oxidschicht. Die massen- und volumenbezogenen Bildungsenthalpien eines Umsatzesvon festem Bor mit Fluor zum Endprodukt BF3(g) sind etwa doppelt so hoch wie die des Um-satzes mit Sauerstoff zu B2O3(l). In praktischen Systemen hat man immer ein Gemisch mitSauerstoff, so dass als Endprodukt OBF(g) entsteht, das energetisch gleichwertig mit B2O3(l),aber immer gasformig ist. Auf diese Weise vermeidet man die Kondensation.

Der erweiterte Mechanismus fur die Hochtemperatur-B/H/O/C/F-Chemie enthalt nebenden neuen Elementarreaktionen fur fluorhaltige Spezies als Basis eine aktualisierte Version desin Abschnitt 6.1 vorgestellten B/H/O/C-Mechanismus. Er enthalt keine Reaktionsgleichungenfur den Abbau des HMX, fur Spezies wie CFx oder COFx und die Borane BHx, da diese nurin Spuren auftreten sowie fur die N2-Chemie, wie z.B. NFx, NOx, NHx, NOF etc., weil dieseebenfalls nur in kleinen Konzentrationen auftreten und ihre Kinetik nicht geschwindigkeitsbe-stimmend ist.

Im Mechanismus neu enthaltene Spezies sind F, BF, BF2, BF3, OBF und HF. Berucksichtigtwurden nur Zwei- und Dreikorperreaktionen. Solche mit mehr Zentren, z.B. der Art A + B ↔C + D + E sind deutlich langsamer und daher unwichtig. Die B/H/O/C-Basis wurde mit denDaten fur HBO von Page, [142], neuen experimentellen Daten und theoretischen Uberlegungenvon Pasternack, [143], erweitert. Neben den Boranen wurden auch Reaktionen zwischen Bor undHCO sowie das HBO-Isomer BOH vernachlassigt, letzteres weil laut Gleichgewichtsberechnungenkaum BOH entsteht.

Die Reaktionsgeschwindigkeiten wurden weiterhin mangels Messdaten meist geschatzt, ent-weder mit Hilfe der Theorie des Ubergangszustandes oder durch Skalierung mittels des Verhalt-nisses der translatorischen, Rotations- und Vibrationszustandssummen. Einige Reaktionsvor-schlage Pasternacks wurden aus kinetischen Grunden zuruckgewiesen. Der H/O/C-Submecha-nismus wurde nun wie in der oben beschriebenen Implementierung des ersten Mechanismusin Cosilab aus der Veroffentlichung von 1991 entnommen, [140]. Als thermochemische Stoffda-ten wurden uberwiegend diejenigen aus den JANAF-Tabellen, [138], gewahlt. Insgesamt wur-den nun 28 Reaktionsgleichungen fur den H/O/C-Teil, 37 fur den B/H/O/C- und 38 fur denB/H/O/C/F-Teil vorgeschlagen.

Berechnungen mit dem aktualisierten Mechanismus ohne Fluorspezies haben die von Pa-sternack geschilderten Trends bestatigt. Die Reaktionsreihenfolge bleibt gleich, es gibt nur zweiAnderungen: Eine hohere HBO-Konzentration als Zwischenprodukt und eine fruhere Bildungdes B2O3s wegen der neu hinzugenommenen Reaktionen

HBO + BO2 ↔ B2O3 + H und (141)HBO2 + BO ↔ B2O3 + H. (142)

Die Anfangsbedingungen fur die weiteren Berechnungen wurden aus Gleichgewichtsrechnun-gen eines Gemischs 80:20 (Masse) von F-HMX mit einem Nitroamino-Binder, Tetramethylnitra-min, bei verschiedenen Temperaturen zwischen 1800 und 5000 K und Drucken von 1 bzw. etwa68 atm bestimmt. Das Atomverhaltnis Sauerstoff zu Fluor betragt dabei knapp eins. Es wurdeeine feste Zusammensetzung aus BF, BF2, BO, B2O2, OBF, CO und H2 vorgegeben, die erganztwurde durch entweder O2 oder H2O bzw. HF; zwei weitere Falle enthielten je eine Kombinationdieser drei Oxidationsmittel. Es wurden sowohl isotherme als auch adiabate Rechnungen beikonstantem Druck ausgefuhrt.

Eine Analyse der Reaktionsflusse ergab 48 relevante Reaktionen, die dominante Produktions-und Abbaureaktionen darstellen. Eine gleichfalls durchgefuhrte Gradientensensitivitatsanalyseergab 25 wichtige Reaktionen, die im Großen und Ganzen den oben genannten glichen, abereine leicht veranderte Reihenfolge aufwiesen. Grund hierfur ist, dass die Konzentration einergegebenen Spezies auch sensitiv gegenuber der Geschwindigkeit einer Reaktion sein kann, an

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118 6 BORVERBRENNUNGSMODELL DER PRINCETON/AERODYNE-GRUPPE

der sie nicht direkt teilnimmt. Das wichtigste Endprodukt bei hohen Temperaturen ist wievermutet OBF(g). Im Gegensatz zu reiner B/H/O/C-Kinetik ist hier nur genau eine Reaktionwichtig, die bzgl. BO2 sensitiv ist. Generell ist die Kinetik mit Fluor gleich schnell oder schnellerals ohne fluorhaltige Spezies, und die Geschwindigkeit der Warmefreisetzung wird erhoht. DieseEigenschaft hangt allerdings stark vom Atomverhaltnis Fluor zu Sauerstoff ab.

Die letzten Erweiterungen der Princeton/Aerodyne-Gruppe an ihrem Gasphasenmechanis-mus wurden in der abschließenden Veroffentlichung von 1999 durch Zhou et al., [146] sowie inZhous Dissertation, [147], publiziert. Da nun zusatzlich die Oberflachenchemie untersucht wurde,in der u.a. Bornitrid BN entstehen kann, sind auch Gasphasenreaktionen mit Stickstoffspezieshinzugekommen. Die Gasphase besteht hierin nun aus 36 Spezies, zwischen denen 196 rever-sible Elementarreaktionen ablaufen. Auf diese Veroffentlichung wird am Ende des folgendenAbschnitts genauer eingegangen.

Die im Gasgenerator des Meteor-Triebwerks produzierte Gasmischung enthalt neben Was-serstoff und Kohlenmonoxid vor allem Methan sowie in geringen Mengen Kohlendioxid. Die vonder PA-Gruppe entwickelten Mechanismen beinhalten jedoch keine Methanreaktionen, da inder Anwendung der PA-Gruppe JP4 Treibstoff verwendet wurde, der bei der Verbrennung keinMethan als Zwischenprodukt bildet.

Aus diesem Grund wurde der Gasphasenmechanismus des PA-Modells aus [139] im Rahmender vorliegenden Arbeit um den bekannten GRI 3.0 Mechanismus fur die Verbrennung von Me-than, [136], erweitert. Hierfur wurden die 34 Elementarreaktionen, an denen Borspezies beteiligtsind, dem unveranderten GRI 3.0 Mechanismus hinzugefugt. Der GRI Mechanismus enthalt ne-ben den Reaktionen fur Methan auch alle Elementarreaktionen des H/O/C-Submechanismusder PA-Gruppe, allerdings mit anderen Angaben fur die Reaktionsgeschwindigkeiten.

Zusatzlich zu den in [139] enthaltenen Spezies berucksichtigt der GRI 3.0 Mechanismus auchdie Spezies C, CH, CH2, CH2(s), CH3 und CH4, sowie CH2O, CH2OH, CH3O, CH3OH, C2H,C2H2, C2H3, C2H4, C2H5, C2H6, HCCO, CH2CO und HCCOH. Er enthalt auch Stickstoffre-aktionen, so dass N, NH, NH2, NH3, NNH, NO, NO2, N2O, HNO, CN, HCN, H2CN, HCNN,HCNO, HOCN, HNCO und NCO berucksichtigt werden. Bei fetter Verbrennung konnen nebenMolekulen mit zwei Kohlenstoffatomen auch noch großere entstehen, C3H7, C3H8, CH2CHOund CH3CHO; als Inertes steht Ar zur Verfugung. Insgesamt umfasst der GRI 3.0 Mechanismus53 Spezies und 325 Elementarreaktionen.

Wie bereits oben erwahnt, ist eine solche Kombination von unterschiedlichen Mechanismeneigentlich unzulassig, da die Geschwindigkeitskonstanten und eventuell sogar Stoffdaten in ihrerGesamtheit auf Messdaten abgestimmt und nur innerhalb der Messbereiche gultig sind. Da furBor kein solcher Gesamtmechanismus in der Literatur verfugbar ist, wurde die Verschmelzunghier dennoch vorgenommen. Trotz der Erganzung der Mechanismen bleibt die Unzulanglichkeit,dass eine direkte Beeinflussung des Borabbrands durch Methan oder seine teiloxidierten Zwi-schenprodukte außer CO auf diese Weise nicht moglich ist. Man gewinnt jedoch Informationenuber die indirekten Auswirkungen, indem z.B. mehr oder weniger CO oder Wasserdampf imGas vorhanden sind und somit die Geschwindigkeit und das Gleichgewicht der Borreaktionenbeeinflussen. Zusatzlich gibt der kombinierte Mechanismus daruber Aufschluss, ob Methan, Koh-lenmonoxid und Wasserstoff als Hauptbestandteile der Produkte der fetten Vorverbrennung imMeteor-Triebwerk in ahnlichen Zeitskalen abreagieren oder diese sich stark unterscheiden.

Zur Visualisierung der Unterschiede zwischen den Ergebnissen des PA-Mechanismus unddes kombinierten PA/GRI-Mechnismus wurde die Rechnung aus Abbildung 34 mit dem GRI-Mechanismus wiederholt. Die Ausgangszusammensetzung enthalt kein Methan, so dass sich idea-lerweise dasselbe Ergebnis herausstellen sollte. Einziger Unterschied bzgl. der Borverbrennungist, dass nun fur die Spezies HBO die von Page in [142] empfohlenen Stoffdaten eingesetztwurden.

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6.2 Weitere Gasphasenreaktionsmechanismen 119

(a) H/O/C Mechanismus aus [139] (b) GRI 3.0 Mechanismus aus [136]

Abbildung 39: Vergleich des Gasphasenmechanismus aus [139] mit einem kombinierten Mechanismus,der die Borreaktionen aus [139] enthalt und den GRI 3.0 Mechnismus, [136], fur die Koh-lenwasserstoffchemie verwendet. Speziesmolanteile und Temperaturprofil einer B/O/H/C-Mischung, die adiabat bei konstantem Druck verbrennt. Anfangsbedingungen: XB2O2 =0.035, XBO = 0.003, XHBO = 0.072, XO2 = 0.163, XN2 = 0.617, XH2 = 0.055, XCO =0.055. T = 1800 K, P = 8 atm.

Abbildung 39 stellt die Ergebnisse beider Mechanismen gegenuber. Jeweils zu sehen ist derzeitliche Verlauf der Molanteile der Borspezies. Wichtigster Unterschied ist der nicht vollstandigeAbbau des Zwischenprodukts HBO und die sich daraus ergebende Verringerung der BO2-Kon-zentration und die Verschiebung der Gleichgewichtszusammensetzung am Ende zwischen HBO2

und B2O3 zugunsten des Boroxids. Ursache hierfur wird hauptsachlich die hohere Stabilitat desHBOs mit den neueren Stoffdaten nach Page sein. Die Endtemperatur unterscheidet sich nurminimal.

Die jeweils unten dargestellten Molanteile der Kohlenwasserstoffkomponenten sind beinaheidentisch, einzig derjenige des Wasserstoffatoms ist zwischenzeitlich etwas niedriger. Im kom-binierten Mechanismus ergibt sich wahrend des Abbrands eine etwas hohere Sauerstoffkon-zentration, die aber im Gleichgewicht etwa denselben Wert erreicht wie mit dem Original-

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120 6 BORVERBRENNUNGSMODELL DER PRINCETON/AERODYNE-GRUPPE

(a) nur CO, kein CH4 (b) Verhaltnis CO zu CH4 1:1

Abbildung 40: Kombinierter Mechanismus, der die Borreaktionen aus [139] enthalt und den GRI 3.0 Me-chanismus, [136], fur die Kohlenwasserstoffchemie verwendet. Vergleich zwischen Ergebnis-sen ohne und mit Methan in der Ausgangszusammensetzung, wobei das Methan die Halftedes Kohlenmonoxids ersetzt. Speziesmolanteile und Temperaturprofil einer B/O/H/C-Mischung, die adiabat bei konstantem Druck verbrennt. Anfangsbedingungen: XB2O2 =0.035, XBO = 0.003, XHBO = 0.072, XO2 = 0.163, XN2 = 0.617, XH2 = 0.055. T = 1800K, P = 8 atm. Links: XCO = 0.055, XCH4 = 0.000. Rechts: XCO = 0.0275, XCH4 = 0.0275.

mechanismus. Man kann hieraus schließen, dass die Verwendung des GRI 3.0 Mechanismusstatt des H/O/C-Teilmechanismus der PA-Gruppe aus [140] fur die Kohlenwasserstoffchemiefast ubereinstimmende Ergebnisse liefert, so dass im Rahmen der Genauigkeit der Reaktionsge-schwindigkeitskonstanten des Bormechanismus beide gleichwertig sind.

Es ist daher sinnvoll, Methan in die Gasmischung hinzuzugeben, um die Auswirkung kon-kurrierender Oxidationsreaktionen fur die Verbrennung von Borsuboxiden, Methan und Koh-lenmonoxid zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurde die Halfte des CO-Molanteils der obigenRechnung nun Methan zugeteilt; die Gegenuberstellung der Ergebnisse zeigt Abbildung 40.

Vergleicht man zunachst die Konzentrationsverlaufe der Borspezies, so erkennt man eineVerschiebung der Endprodukte von den Boroxiden BO2 und B2O3 hin zu den Saureanhydriden

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6.3 PA-Modell zur heterogenen Oberflachen-Borchemie 121

HBO2 und HBO. Ursache hierfur ist der wesentlich hohere Wasseranteil in der Gasmischung,wie die Verlaufe der Kohlenwasserstoffkomponenten in der Abbildung 40 unten zeigen. Der Was-serdampf entsteht bei der Verbrennung des Methans, aus dem auch zusatzliches Kohlenmonoxidentsteht, so dass am Ende auch mehr CO vorhanden ist als zu Beginn. Beim Abbau des Methansentsteht neben CO zunachst das CH3-Radikal, das aber schnell weiterreagiert. An dieser Stellestellt sich auch das Maximum der CO-Konzentration sowie ein Zwischenplateau der Temperaturein. Aufgrund des hoheren Sauerstoffbedarfs bei der Verbrennung des Methans gegenuber COsind die Molanteile von O, O2 und CO2 in Abbildung 40(b) niedriger. Letzteres hangt teilwei-se auch mit der leicht erhohten Gleichgewichtstemperatur zusammen, was Kohlenmonoxid imCO-CO2 Gleichgewicht favorisiert. Auch Wasserstoff zeigt einen deutlich anderen Verlauf undverbrennt in geringerem Maße.

Was die Zeitmaße betrifft, wird Methan ahnlich schnell oxidiert wie Wasserstoff, wahrend dieOxidation des Kohlenmonoxids etwas langsamer verlauft und zudem stark temperaturabhangigist. Bei allen durchgefuhrten Rechnungen ist der Abbau von Methan und Wasserstoff schnellerals die Erreichung des Gleichgewichts bei den Borreaktionen. Dies hat Auswirkungen auf dieWarmefreisetzung und den Borpartikelabbrand in der Meteor-Brennkammer. Hierauf wird inden Abschnitten 8.10 und 8.11 genauer eingegangen.

6.3 PA-Modell zur heterogenen Oberflachen-Borchemie

Dieser Abschnitt gibt einen Uberblick uber die Veroffentlichungen der Princeton-Aerodyne-Gruppe zu ihren Bor-Oberflachenmechanismen und deren Rechenergebnisse. Es wird zunachstnach erster und zweiter Stufe der Borpartikelverbrennung unterschieden und darauf folgend dasGesamtmodell erlautert. Abschließend werden die bei der Umsetzung des Modells in die SoftwareCosilab entstandenen Schwierigkeiten geschildert.

Die chemische Kinetik der ersten Phase der Borpartikelverbrennung, die den Zundvorgangumfasst, haben Brown et al. 1991 in [148] detailliert untersucht. Dazu wurde ein kugelformiger,flussiger B2O3-Tropfen eindimensional und in ruhender Umgebung modelliert unter Berucksichti-gung der oben beschriebenen homogenen Gasphasenreaktionen, Mehrkomponenten-Gasphasen-diffusion, heterogener Oberflachenreaktionen und der Verdampfung des Oxids.

Der Mechanismus fur die heterogenen Reaktionen wurde auf Basis elementarer thermodyna-mischer und kinetischer Argumente entwickelt. Zunachst wurden alle moglichen Reaktionen derForm

B2O3 + Z1(g) + Z2(g) + · · ·+ Zn(g)→ Gasphasenprodukte (143)

aufgestellt, wobei Zi(g) die Gasphasen-Spezies i darstellt. Die dabei erzeugte enorme Anzahl Re-aktionen muss, um den Aufwand zu beschranken, verringert werden, ohne kritische Reaktions-wege auszuschließen. Fur eine erste Reprasentation der Oberflachenchemie waren drei Kriterienzu erfullen:

1. Nur Reaktionen, deren Reaktionsenthalpie kleiner 110 kcal/mol ist, wurden zugelassen,so dass die Oberflachenreaktionen in Konkurrenz mit der Oxidverdampfung stehen, derenEnthalpie bei ca. 100 kcal/mol liegt.

2. Spezies, die aufgrund der Analysen aus den in den Abschnitten 6.1 und 6.2 besproche-nen Gasphasenmechanismen als unwichtig eingestuft wurden, werden vernachlassigt, uminterne Konsistenz der verschiedenen Teilmechanismen zu gewahrleisten.

3. Von denjenigen Reaktionen, die beide obige Kriterien erfullen, wurden nur solche endgultigverwendet, die erster Ordnung in den Gasphasenedukten sind.

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122 6 BORVERBRENNUNGSMODELL DER PRINCETON/AERODYNE-GRUPPE

Die Elementarreaktionen mussen daruber hinaus fundamental kinetischen Sinn ergeben, durfenalso z.B. keine unrealistische Bindungsumlagerung durchlaufen. Diese Kriterien sind nicht strengund lassen damit eine Erweiterung des Mechanismus aufgrund neuer Erkenntnisse zu.

Auf diese Weise erhalt man nur drei globale Oberflachenreaktionen am flussigen B2O3,namlich mit den Radikalen O und OH sowie mit Wasserdampf

B2O3(l) + O(g) ↔ BO2(g) + BO2(g) (144)B2O3(l) + OH(g) ↔ HOBO(g) + BO2(g) (145)

B2O3(l) + H2O(g) ↔ HOBO(g) + HOBO(g). (146)

Diese globalen Reaktionen werden nun in Adsorptions- und Desorptionsschritte aufgeteilt. Hier-fur benotigt man ein Strukturmodell der glasartigen Boroxidoberflache, die nach der Litera-tur aus einem zufalligen Netzwerk von Boroxolringen, verbunden durch eine zufallige Anzahlvon BO3-Dreiecken besteht. Zur Vereinfachung wurden in diesem Modell Unterschiede in Bin-dungslangen und -winkeln der verschiedenen Oberflachenstellen vernachlassigt und eine einfa-chere ringfreie Oberflacheneinheit der Form O-B-O-B-O definiert, wobei pro Boratom noch eineBindung zur Kettenbildung dient.

Die Adsorptionsenthalpien dieser ”bimolekularen“ Reaktionen wurden uber die Bindungs-energien der Gasphasenspezies geschatzt und fur die Geschwindigkeit ein Arrheniusansatz ge-wahlt, der eine Haftwahrscheinlichkeit s0 als Faktor enthalt

kads(T ) = kmax(T )s0 exp (−Ea/RT ) , (147)

wobei die maximale Adsorptionsgeschwindigkeit aus

kmax(T ) =(kBT

2πm

)1/2

(148)

mit der Boltzmannkonstante kB berechnet wird.Die Chemisorptionsgeschwindigkeit wurde uber eine Langmuir-Gleichung berechnet, die die

maximal mogliche Geschwindigkeit mit dem unbedeckten Oberflachenanteil und der Gasspe-zieskonzentration skaliert. Es sind fur alle drei Spezies jeweils mehrere Oberflachenkomplexemoglich, von denen die meisten jedoch zu endotherm in ihrer Bildung sind. Mangels genaue-rer kinetischer Mechanismen wurden die thermodynamisch stabilsten Oberflachenkomplexe, ba-sierend auf den geschatzten Adsorptionsenthalpien, gewahlt, die konsistent mit den globalenOberflachenreaktionen sind. Zwei Komplexe entstehen durch Aufbruch der B–O-Bindung unterAusbildung einer neuen Bindung zwischen dem elektronenarmen Bor und einer elektronegati-veren Gasphasenspezies: O–B–O. mit freiem Elektron an einem Sauerstoff und O–B–OH, wobeidie weitere Bindung zur Oberflache wieder uber das dritte Valenzelektron des Boratoms erfolgt.

Die Desorption geschieht durch Abspaltung dieser Bindung zur Oberflache mit Ausbildungder Gasphasenspezies O=B–O. (Radikal) bzw. O=B–OH. Die Geschwindigkeit wird ebenfallsuber einen Arrhenius-Ansatz beschrieben. Die Desorptionsenthalpie entspricht der Reaktions-enthalpie der Gesamtreaktion minus der Adsorptionsenthalpie. Der Frequenzfaktor wurde ausder Theorie des Ubergangszustands unter der Annahme mobiler Oberflachenkomplexe mit zweitranslatorischen Freiheitsgraden ermittelt. Zudem mussen einige Reaktionen zweiter Ordnungberucksichtigt werden, um die globalen Reaktionen reversibel zu halten, d.h. zwei Komplexereagieren gemeinsam mit einer Gasphasenspezies.

Ergebnisse werden prasentiert fur stationare Rechnungen unter Vernachlassigung der Trans-porteffekte in der Flussigphase und der Strahlung. Das 50 bis 200 µm große B2O3-Tropfchenwurde in 1600 bis 2000 K heißer Umgebung aus mager mit Luft verbranntem JP10-Treibstoff

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6.3 PA-Modell zur heterogenen Oberflachen-Borchemie 123

(fur Cruise Missiles) vergast. Die Vergasungsgeschwindigkeit steigt mit der Umgebungstempe-ratur. Der Anteil der Verdampfung ist begrenzt durch die Gasphasendiffusion des B2O3(g) fortvom Partikel. Kleinere Partikel sind kinetisch limitiert, großere durch Diffusion, wobei der Anteilder Verdampfung bei kinetischer Begrenzung hoher ist. Bei großeren Partikeln erfolgt 90% derVergasung durch die Oberflachenreaktionen, bei kinetischer Limitierung kleinerer Partikel sinktdiese Zahl, u.U. sogar unter den Anteil der Verdampfung.

Der Abbau der Oxidschicht durch Gasphasenspezies, die Wasserstoff enthalten, erfolgt imEinklang mit Messungen deutlich schneller als in einer nur Sauerstoff als Oxidationsmittel ent-haltenden Atmosphare.

Ein weiterer Artikel der Gruppe von 1994 enthalt die Oberflachenreaktionen am ”reinen“Borpartikel, d.h. nach Entfernung der Oxidschicht in der zweiten Phase der Verbrennung, [149].Da die Fluchtigkeit des Bors gering ist, erfolgt die Vergasung durch chemische Umwandlung instarker fluchtige Produkte. Auch fur diesen Teil des Partikelabbrands wurde wieder ein Satzglobaler heterogener Reaktionen zusammengestellt, der durch mehr oder weniger elementareAdsorptions- und Desorptionsreaktionen gebildet wird.

Die Edukte wurden aus den oben beschriebenen Gasphasenmechanismen gewahlt. Die Vor-gehensweise zur Auswahl der Reaktionen war dieselbe wie oben fur die erste Phase beschrieben,wobei der Grenzwert fur die Endothermie diesmal zu 150 kcal/mol bestimmt wurde, da dieVerdampfungsenthalpie des Bors etwa 130 kcal/mol betragt. Es ergeben sich 15 globale Ober-flachenreaktionen. Hierfur gibt es in der Literatur einige experimentelle Untersuchungen, die eineErmittlung der Reaktionsgeschwindigkeiten ermoglichen, z.B. von den Gruppen um S.L. Ander-son, [150] und um D.E. Rosner, [86].

Die Reaktionsenthalpien und Aktivierungsenergien wurden aus geschatzten Bildungsenthal-pien der Oberflachenkomplexe berechnet, Grundlage waren die Bildungsenergien der Gasphasen-spezies. Die gebildeten Oberflachenkomplexe sind BO(c), BH(c), HBO(c), BCO(c) und B2O2(c).

Die Geschwindigkeit aller Adsorptionsreaktionen wurde geschatzt, sofern keine experimentel-len Daten vorlagen. Sie wurden als reversibel angesetzt, wobei die Ruckreaktionsgeschwindigkeituber die Gleichgewichtskonstante zu berechnen ist. Einige Reaktionen mussten zusatzlich ein-gefugt werden, um globale Reversibilitat herzustellen. Die Desorptionsreaktionen sind i.a. ersterOrdnung in den Komplexen. Auch fur diesen Prozess mussten einige Reaktionen zweiter Ord-nung hinzugenommen werden, um reversible globale Reaktionen zu erhalten.

Simulationsergebnisse des eindimensionalen Modells inklusive der Gasphasenverbrennungund -diffusion in ruhender Atmosphare wurden fur 200 µm Borpartikel in einem magerenJP4/Luft-Verbrennungsabgas bei 1400 bzw. 2000 K berechnet. Die Abbrandgeschwindigkeit istnur schwach von der Umgebungstemperatur abhangig, sie steigt um 11% bei einer Erhohungder Temperatur um 600 K. Die Temperatur der Partikel an der Oberflache ist ca. 600 bis 700 Khoher als die Temperatur des umgebenden Gases; dieser Wert hangt signifikant von den Ober-flachenreaktionsenthalpien ab, die einer starken Ungewissheit unterliegen. Innerhalb von neunPartikelradien sinkt die Temperaturdifferenz zwischen dem Gas nahe dem Partikel und dem Gasin großer Entfernung auf unter 100 K.

Die Spezieskonzentrationen der potentiellen Oxidationsmittel sinken nahe der Oberflache,wobei O, OH und B2O3(g) am starksten oxidieren; CO2, O2 und H2O reagieren moderat undHOBO(g) am schwachsten, wobei dessen Konzentration entsprechend hoch ist. Als Produkteentstehen vor allem BO2, CO, BO und B2O2, von denen die Borspezies außer BO2 in derGasphase schnell, d.h. innerhalb eines weiteren Partikelradius, abgebaut werden oder durchStofftransport fortdiffundieren. Letztendlich entstehen vor allem HOBO (HBO2) und B2O3,ersteres naher an der Oberflache, da es in der Gasphase schneller gebildet wird als das letztere.Bei beiden untersuchten Temperaturen zeigt sich das gleiche Bild mit dem einzigen Unterschied,dass bei hoherer Temperatur der B2O3-Anteil hoher ist, wie sich bereits in den Untersuchungen

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124 6 BORVERBRENNUNGSMODELL DER PRINCETON/AERODYNE-GRUPPE

zum Gasphasenmechanismus zeigte.Insgesamt wird die Spezieszusammensetzung nahe der Oberflache also durch die heterogenen

Reaktionen bestimmt, die Gasphasenchemie wandelt die Produkte jedoch schnell in die Haupt-produkte der Boroxidation um. Bei Entfernungen uber einem Partikelradius von der Oberflachewerden Temperatur und Zusammensetzung durch Gasphasen-Oxidationsreaktionen dominiert.Daher ist die Gasphasenchemie relativ unabhangig von den Oberflachenreaktionen.

Ein Konferenzbeitrag von Zhou, Yetter et al. von 1996 beschreibt Erweiterungen des Mo-dells fur die erste Verbrennungs- oder Zundphase, [151]. Es umfasst die detaillierte Chemie undden Mehrkomponenten-Molekulartransport in der Gasphase, heterogene Reaktionen zwischenGasspezies und Oberflache der flussigen Oxidschicht, physikalische Absorption einiger Gasspe-zies, Diffusion in der Flussigphase und heterogene Reaktionen an der Grenzflache des flussigenBoroxids zum festen Bor.

Das mathematische Modell behandelt Gas- und Flussigphase getrennt und koppelt diese nachjedem Zeitschritt uber Austausch der Randbedingungen. Die Randbedingungen sind aufgrundder abreagierenden Oxidschicht nicht ortsfest. Die Partikelstrahlung wurde berucksichtigt miteiner Emissivitat ε = 0.43 fur das Boroxid. Die Diskretisierung erfolgte mittels der Methodebeweglicher finiter Elemente, die Losung uber Zeitintegration fur steife Probleme.

Die Diffusion wurde sowohl in der Gasphase als auch in der Flussigphase berechnet, mitunterschiedlichen Ansatzen. Der Mechanismus der Gasphasenreaktionen wurde von den bisherbeschriebenen der PA-Gruppe ubernommen, allerdings mit der neu hinzugefugten Spezies BHauf 77 Elementarreaktionen erweitert. Zu den Oberflachenreaktionen an der Grenzflache Gas-Flussigkeit kamen zwei weitere hinzu, ebenso zwei weitere Oberflachenkomplexe HBO(c) undBO(c). Die Komplexe BO(c), BO2(c) und B2O2(c) werden physikalisch in der Flussigkeit ab-sorbiert, so dass sie geloste (engl. dissolved) Spezies bilden: BO(d), BO2(d) und B2O2(d); dieKomplexe HBO(c) und HBO2(c) losen sich hingegen nicht. Die Spezies O2, CO und CO2 bildenkeine Oberflachenkomplexe, losen sich allerdings direkt in der flussigen Oxidschicht und bil-den O2(d), CO(d) und CO2(d). Die Diffusionsgeschwindigkeiten hangen vom Partialdruck dergelosten Spezies ab. Die Spezies H2, OH, H2O, BH und H werden an der Oberflache reaktivchemisorbiert, es handelt sich damit um Adsorption.

Damit sind sechs Spezies in der Flussigphase gelost, die durch Diffusion zur Grenzflacheflussig-fest gelangen und dort heterogen mit festem Bor reagieren. Die entsprechenden Ruck-reaktionen sind sehr langsam und werden daher vernachlassigt. Fur zwei Reaktionen sind keineGeschwindigkeitsdaten verfugbar, so dass fur sie partielles Gleichgewicht angenommen wurde.Die Produkte gehoren ebenfalls zu diesen sechs Komponenten, diffundieren entsprechend ihrenKonzentrationsgradienten zur Grenzflache Flussigkeit/Gas zuruck und desorbieren von ihrenOberflachenkomplexen ausgehend oder verdampfen direkt. Beispielrechnungen zeigen, dass fur34.5 µm Partikel die heterogenen Reaktionen von B(s) mit O2(d) und CO2(d) in der Flussigphaseund die Desorption von B2O2 diffusionslimitiert sind.

Beim Aufheizen des Partikels sind zunachst die Adsorptionsreaktionen schneller als die endo-therme Desorption, so dass die Oberflache belegt wird. Die heterogenen Reaktionen an derGrenze flussig-fest sind langsam, so dass die Oxidschicht zunachst sogar wachst. Spater wird dieDesorption schneller und die Vergasungsgeschwindigkeit steigt. Die Transportphanomene in derflussigen Oxidschicht sind bei hohen Oberflachentemperaturen unbedeutend, diese Schlussfolge-rung konnte sich bei einer – hier nicht erfolgten – Berucksichtigung von Reaktionen innerhalbder Flussigphase jedoch andern. Wenn die Temperatur unterhalb von 1800 K liegt, wird die Ver-gasung langsam und die Desorption der Oberflachenkomplexe BO2(c), bzw. HBO2(c) in feuchterUmgebung, wird geschwindigkeitsbestimmend. In der Gegenwart von Wasserdampf zundet dasPartikel schon bei niedrigeren Temperaturen. Oberhalb von 1800 K ist die Adsorption geschwin-digkeitsbestimmend.

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6.3 PA-Modell zur heterogenen Oberflachen-Borchemie 125

Die berechnete Zundtemperatur an der Oberflache liegt weit unterhalb des von Macek ange-gebenen Wertes, der jedoch in der Gasphase gemessen wurde; Grund konnten auch Strahlungs-verluste sein. Die Vergasungsgeschwindigkeit hangt stark von der Konzentration von O(g) undOH(g) ab, nicht nur vom Wasserdampfgehalt; sie ist aber unabhangig von der Konzentrationder Sauerstoffmolekule.

Yetter et al. haben 1998 das kinetische Modell fur den Oxidschichtabbau um die Reaktionenvon Fluorspezies erweitert, [152]. Zusammen mit dem Gasphasenmechanismus, der in Abschnitt6.2 vorgestellt wurde und ebenfalls fluorhaltige Komponenten enthalt, und drei weiteren Ober-flachenreaktionen des Boroxids mit F, HF und BF zu OBF(g) wurde vor allem der Einfluss derFluorspezies auf die Vergasungsgeschwindigkeit und die Warmefreisetzung untersucht.

Die Anfangsbedingungen fur die Rechnung in der Gasphase waren Ergebnisse von Gleichge-wichtsrechnungen mit fluorhaltigen Treibstoffen, wie z.B. dem oben beschriebenen F-RDX. Inreinen Sauerstoffatmospharen entstehen vornehmlich B2O3 und B2O2, fugt man wasserstoffhal-tige Spezies hinzu, herrschen HBO und HOBO vor; mit Fluor entstehen vor allem OBF undBF3.

Die durchgefuhrten Berechnungen zeigen, dass die Oberflachenreaktionen fur kleine Trop-fen weit vom Gleichgewicht entfernt sind, wahrend sich fur große Partikeldurchmesser nahezuGleichgewicht einstellt. Gegenstand der Untersuchungen ist vor allem das Atomverhaltnis vonFluor zu Sauerstoff im Bereich F/O zwischen 0 und 2.3, wobei dieses Verhaltnis im Falle desMeteor-Treibsatzes sehr viel kleiner eins ist, da Fluor hierin nur geringen Anteilen enthaltenist. Deutliche Anderungen, z.B. ein Anstieg der Vergasungsgeschwindigkeit, zeigen sich erst abAtomverhaltnissen von F/O uber 1.4, was in einem luftatmenden Antrieb wenig Sinn ergabe.Durch Reaktionsweg- und Sensitivitatsanalyse wurden die schnellsten und die geschwindigkeits-bestimmenden Reaktionen ermittelt.

Schlussfolgerung der Untersuchungen ist, dass die Adsorptionsschritte geschwindigkeitsbe-stimmend fur alle Bedingungen oberhalb von 1600 K sind, so dass die Annahme ausreichendist, nur Reaktionen erster Ordnung in den Gasphasenspezies zu berucksichtigen. Unterhalb von1600 K ist die Desorption aufgrund ihrer Endothermie geschwindigkeitsbestimmend.

In einem weiteren Artikel von 1998 haben Zhou, Yetter et al. den Mechanismus fur die zweiteStufe der Verbrennung, d.h. nach Entfernen der Oxidschicht, um Fluorkomponenten erweitert,[153]. Fur die Gasphasenchemie wurde das Boran BH hinzugefugt, das zunachst vernachlassigtworden war, da es im Gleichgewicht nur eine untergeordnete Rolle spielt. Seine Berucksichtigungist aber notwendig, um eine physikalisch nicht sinnvolle Beschichtung der Partikeloberflachedurch Bildung von Bor-Wasserstoff-Komplexen aus HF(g) zu verhindern. Die wichtigste der 12Reaktionen, die aus Pasternack, [143], ubernommen wurden, ist BH(c) → BH(g), wobei dasgasformige Boran durch die Gasphasenchemie schnell abgebaut wird.

Dieselbe Vorgehensweise wie oben beschrieben fuhrte auf 24 neue reversible Oberflachen-reaktionen mit den Fluorspezies, deren Geschwindigkeiten anhand der Experimente von Zvulonigeschatzt wurden. Die Adsorption erfolgt uber 19 reversible Elementarreaktionen, die Desorptionuber zwei zusatzliche Kanale. Wichtigste Produkte sind OBF und BF3 statt B2O3 und HOBOin Atmospharen ohne Fluor.

Neben den Eduktkonzentrationen und der Gastemperatur wurde der Partikeldurchmesserals Parameter variiert, um kinetisch und diffusionslimitierte Falle zu studieren. Bei großerenPartikeln mit 500 µm Durchmesser kann B2O3(g) kondensieren und damit den Partikel loschen,wobei die Gegenwart von Fluor dies verhindert; bei kleineren Partikeln ist das Erloschen un-wahrscheinlicher. Mit zunehmendem Atomverhaltnis des Fluors zum Sauerstoff F/O sinkt dieAbbrandgeschwindigkeit fur kleine Partikel zunachst leicht, um anschließend stark anzusteigen.Außerdem erhoht sie sich um 30%, wenn die Gastemperatur von 1900 K auf 3500 K steigt. Furdiffusionskontrollierte großere Partikel sinkt die Abbrandgeschwindigkeit zunachst deutlich und

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126 6 BORVERBRENNUNGSMODELL DER PRINCETON/AERODYNE-GRUPPE

wird uber F/O = 1 unabhangig von dieser Große.Eine weitere Rechnung unter Berucksichtigung der Strahlung mit einer Wandtemperatur von

300 K und einer Emissivitat der Boroberflache von ε = 0.43, ein Wert der fur B2O3-Tropfen ge-messen wurde, zeigt, dass dadurch die Oberflachentemperatur sinkt, die Spezieskonzentrations-profile jedoch qualitativ unverandert bleiben. Daruber hinaus wurde eine Sensitivitatsanalyse furdie Abbrandgeschwindigkeit durchgefuhrt, um die wichtigsten Geschwindigkeitskonstanten derOberflachenreaktionen zu ermitteln. Dominant sind die heterogenen Reaktionen mit B2O3(g),O2(g) und F(g), deren relative Bedeutung vom F/O-Verhaltnis abhangt.

Eine Vernachlassigung der erzwungenen Konvektion kann vor allem bei großeren Partikelnmit entsprechend großerer Reynoldszahl zu Abweichungen von den Messdaten fuhren, so dasshier ein mehrdimensionales Modell verwendet werden musste. Dies ist zwar in der PA-Gruppebereits vorhanden, erfordert jedoch enormen Rechenaufwand.

Die abschließende Veroffentlichung der Princeton/Aerodyne-Gruppe wurde 1999 von Zhouet al. publiziert, [146]. Sie enthalt das eindimensionale zeitabhangige Mehrphasen-Gesamtmodellzur Zundung und Verbrennung eines einzelnen Borpartikels in fluorhaltigen und fluorfreien At-mospharen. Neu hinzugekommen ist die Oberflachenchemie mit Stickstoff, die fur Umgebungenaus Nitramin-basierten Treibstoffen notwendig ist, sowie heterogene Reaktionen zweiter Ord-nung in der Zundphase, die bei niedriger Temperatur und hohem Druck eine Rolle spielen.Durch die heterogene Reaktion mit NO bildet sich in einer RDX-Flamme Bornitrid BN naheder Oberflache, das zu B/O-Spezies und molekularem Stickstoff im Gas abgebaut wird; konden-sierendes Bornitrid konnte die Verbrennung allerdings behindern. Insgesamt wurden 196 rever-sible Elementarreaktionen fur die Gasphase aus 36 Spezies, 75 heterogene Reaktionen wahrenddes Zundvorgangs und 63 Oberflachenreaktionen wahrend des freien Partikelabbrands fur dieB/O/H/C/F/N-Chemie aufgestellt. Der Stofftransport in der Flussigphase wird detailliert be-schrieben durch Bestimmung der Parameter aus der Loslichkeitstheorie und der Diffusionskoef-fizienten fur die Borspezies.

Das Modell wurde zur Berechnung des Abbrands borbeladener fluorinierter Nitramin-Treib-satze wie RNFX oder HNFX – die difluoroaminierten Analogsubstanzen zu RDX und HMX –eingesetzt, da diese neuartigen Treibstoffe eine hohere Energiefreisetzung ermoglichen und dieEliminierung der Zweiphasenverluste im Abgasstrahl durch OBF- und BF3-Bildung zu verhin-dern versprechen.

Numerisch wurden die partiellen Differentialgleichungen durch eine Finite Elemente Methodemit adaptiven Knoten nach dem Galerkin-Verfahren unter Einsatz von backward differentiationformulae (BDF) Methoden fur die Zeitintegration uber den impliziten Gear-Algorithmus gelost.In der Zundphase wurden Flussig- und Gasphase wie oben beschrieben zeitlich getrennt iterativberechnet, bis die Oxidschichtdicke eine Große kleiner als 5% ihres Ursprungswertes erreicht. DasZwischenergebnis wird anschließend an das Modell fur die zweite Verbrennungsphase ubergebenund der Partikelabbrand bis zu einem Radius von 0.01 µm als Endpunkt simuliert. Weiterhinwurden erzwungene Konvektion und Auftriebseffekte vernachlassigt sowie der Druck und dieDichte der Flussigphase als konstant angenommen. Die Anfangsdicke der Oxidschicht wurdezu 1.3% des Ursprungspartikelradius in Konsistenz mit den meisten bis dahin durchgefuhrtenBerechnungen gewahlt. Eine zusatzlich durchgefuhrte theoretische Abschatzung fuhrte auf einemaximal mogliche Oxidschichtdicke von 6.8% des Ausgangsradius.

Als Ergebnisse wurden Temperatur- und Partikelradienverlaufe fur die Nachrechnung der Ex-perimente von Yeh & Kuo und Macek prasentiert. Schlussfolgerungen sind, dass Fluor großerenEinfluss auf kinetisch kontrollierte Systeme als auf diffusionslimitierte hat und dass die Ober-flachenreaktionen zweiter Ordnung nur bei Selbsterwarmung der Partikel zur Bereitstellung vonExothermie eine Rolle spielen, wahrend sie bei heißer Gasumgebung unwichtig sind. Ein Ver-gleich mit Hochdruckdaten fur die Abbranddauer aus den Stoßrohrversuchen von Krier et al.

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6.3 PA-Modell zur heterogenen Oberflachen-Borchemie 127

zeigt zufriedenstellende Ubereinstimmung mit den Messdaten. Generell sinken die berechnetenZeiten mit steigender Temperatur und Erhohung des Drucks, vgl. auch Abschnitt 8.8 zur Vali-dierung des im Rahmen dieser Arbeit erweiterten Verbrennungsmodells.

Eine detaillierte Analyse der Druckabhangigkeit der Gasphasenreaktionskonstanten wur-de fur das vorliegende Modell nicht durchgefuhrt, d.h. alle Geschwindigkeitskonstanten derRekombinations- und Dissoziationsreaktionen sind bei niedrigem Druck (1 atm) spezifiziert, unddie Stabilisierung der Addukte der Komplexreaktionen wurde nicht berucksichtigt. Die Strahlungder Partikel andert die berechneten Zundverzugs- und Abbrandzeiten der Partikel nur um etwaein Prozent, so dass sie in der Regel vernachlassigt werden kann. Der Oberflachenwarmestromwird wahrend der Zundphase durch Warmeleitung aus dem Gas dominiert und in der Abbrand-phase durch die exothermen heterogenen chemischen Reaktionen. Eine wichtige Erkenntnis istauch, dass eine Variation des Partikeldurchmessers im Rahmen der Messgenauigkeit dieser Großedie berechneten Zeiten um bis zu 40% verandern kann. Außerdem kann erzwungene Konvektiondurch Relativbewegung zwischen Partikel und Gas zu Beginn, die zu einer Nußeltzahl von Nu =3 – statt Nu = 2 im ruhenden Fall – fuhrt, die Aufheizzeit vor der Zundung um 50% reduzieren.

Die Dissertation von W. Zhou aus dem Jahr 1998 fasst noch einmal das komplette Modellzusammen, [147]. Die chemischen Reaktionsmechanismen und die Vergleiche mit Messdatenwerden ausfuhrlich dargestellt und eine umfassende Literatursammlung zur Borverbrennungprasentiert. Mit dieser Arbeit wurden die Bemuhungen der Princeton/Aerodyne-Gruppe, eindetailliertes Verstandnis der Ablaufe bei der Zundung und Verbrennung von Borpartikeln zuerlangen, abgeschlossen.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit war beabsichtigt, das PA-Modell fur die Verbrennungvon Bor-Einzelpartikeln in die Software Cosilab zu implementieren, um bessere Vergleichsmog-lichkeiten mit den in den folgenden Kapiteln vorgestellten vereinfachten Abbrandmodellen zuerhalten. Vorgesehen war als nachster Schritt die Verwendung des Teilmodells fur die zweiteStufe der Verbrennung, d.h. des Partikels nach Entfernung der Oxidschicht, ohne Fluor- undStickstoffchemie.

Zu diesem Zweck musste die Software zunachst von der Herstellerfirma Softpredict umProf. Rogg an der Universitat Bochum auf die Behandlung heterogener Oberflachenreaktionenerweitert werden, was in Kooperation mit dem Autor dieser Arbeit geschehen ist. Eine Validie-rung an bekannten Mechanismen und anhand der weitverbreiteten Software CHEMKIN hat diekorrekte Funktionsweise der Numerik aufgezeigt.

Leider war die Einbettung des PA-Mechanismus fur die Oberflachenchemie bisher nicht er-folgreich, da das numerische Losungsverfahren divergierte, wahrend die Berechnung der Gaspha-senchemie problemlos funktioniert. Die Grunde fur die gescheiterte Berechnung der heterogenenReaktionen konnen nach Aussage von Prof. Rogg, [154], entweder an den Angaben zu Stoffdatenliegen, die eventuell nicht mit denjenigen ubereinstimmen, die von der PA-Gruppe verwendetwurden. Genauso ist es auch moglich, dass die veroffentlichten Mechanismen Druckfehler enthal-ten, die zu falschen Reaktionsgeschwindigkeiten und ggf. sehr steifen Differentialgleichungssy-stemen fuhren. Auch die Angaben zu den Desorptionsenthalpien der Oberflachenkomplexe sindin den zitierten Literaturstellen nicht eindeutig. Eine eingehende Prufung der Fehlerquellen istfur die Weiterfuhrung dieser Arbeit angebracht, um nicht nur auf die Aussagen der PA-Autorenin der Literatur zuruckgreifen zu konnen, sondern auch die Durchfuhrung eigener Vergleichs-rechnungen zu ermoglichen.

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128 7 PSU-VERBRENNUNGSMODELL FUR BOR-EINZELPARTIKEL

7 Verbrennungsmodell der Pennsylvania-State-University furBor-Einzelpartikel

Das an der Pennsylvania State University (PSU) in der Gruppe um K.K. Kuo entwickelte Mo-dell zur Verbrennung von Bor-Einzelpartikeln wurde in drei Artikeln und einer Dissertationveroffentlicht. Es handelt sich bei diesem um ein im Vergleich zum Ansatz der Princeton/Aero-dyne-Gruppe stark vereinfachtes Modell mit nur wenigen globalen Reaktionsgleichungen, diedieselben Vorgange simulieren sollen wie die detaillierten Mechanismen der PA-Gruppe.

Vorteil dieses Ansatzes ist die viel geringere Komplexitat und somit hohere Geschwindigkeitin der Losung der Gleichungen. Damit besteht die Moglichkeit, das Modell im Rahmen einerEuler-Lagrange-Methodik in CFD-Rechnungen einzusetzen und den Partikelabbrand zusammenmit dem Stromungsfeld zu berechnen. Dieser Ansatz wurde somit als Grundlage fur die imRahmen dieser Arbeit zu entwickelnde zweiphasige Abbrandmodellierung ausgewahlt, um denPartikelabbrand in der Brennkammer in großerer Genauigkeit als bisher wiedergeben zu konnen.In Kombination mit einer globalen Gasphasenchemie aus Ein- bzw. Zweischrittmechanismen undeiner Kopplung der Gasphasenchemie mit dem turbulenten Stromungsfeld soll auf diese Weiseeine umfassende und detaillierte Modellierung der Verbrennungsvorgange im Meteor-Triebwerkermoglicht werden.

In diesem Kapitel wird das Originalmodell der Kuo-Gruppe, im folgenden nach der Univer-sitat kurz als PSU-Modell bezeichnet, vorgestellt, auf dem die in Kapitel 8 vorgestellten neuenErweiterungen basieren. Hierbei wird zwischen den physikalischen und chemischen Ansatzenunterschieden, da die chemische Modellierung in der erweiterten Version im Wesentlichen un-verandert ubernommen wird. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels werden einige Unzulanglich-keiten dieses Modells beschrieben, die den Anlass fur die vorgenommenen Erganzungen darstell-ten.

7.1 Beschreibung des Partikelabbrandmodells

In diesem Abschnitt werden die Einzelheiten des PSU-Modells beschrieben, die als Grundla-ge fur die weitere Entwicklung und die Implementierung in die Stromungsberechnungssoftwaredienten. Das Modell wurde fur die Beschreibung des Einzelpartikelabbrands in den Abgaseneines Flachflammenbrenners entwickelt. Es gliedert sich in eine anfangliche Aufheizphase desBor-Einzelpartikels, der die erste und zweite Stufe der Verbrennung folgen. Diese Einteilungentspricht den Beobachtungen in experimentellen Untersuchungen des Abbrands in sauerstoff-haltigen Atmospharen. In jeder dieser Phasen treten unterschiedliche physikalische und che-mische Prozesse auf, weshalb eine Trennung vorgenommen wird. Der chemische Mechanismusumfasst 5 globale und 18 Elementarreaktionen in der ersten sowie 20 Elementarschritte und 4globale Reaktionen in der zweiten Phase.

7.1.1 Aufheizphase

In den experimentellen Untersuchungen an Flachflammenbrennern werden die Borpartikel durchein koaxial angeordnetes Rohrchen im Kern einer keramischen Matrix, durch die das Brenngasstromt, zugefuhrt. Wenige Millimeter oberhalb der porosen Platte steht eine flache Flamme,deren schnell ins Gleichgewicht ubergehende Abgase das in kaltem Tragergas, Stickstoff oderArgon, zugefuhrte Partikel zunachst aufheizen mussen, bis dieses seine Zundtemperatur erreicht.Diese liegt im Bereich 1500 bis 1900 K, wahrend die Gasflammentemperatur zwischen 1900 und2700 K liegt, je nach Zusammensetzung der Brenngase. Die Dauer bis zum Auftreten einersichtbaren Strahlung bzw. eines Glimmens, das als Beginn der ersten Stufe der Verbrennung

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7.1 Beschreibung des Partikelabbrandmodells 129

interpretiert wird, bezeichnet man als Zundverzugszeit5.Experimentelle Untersuchungen zeigen, [110, 68], dass die Zundverzugszeiten unabhangig

von der Sauerstoffkonzentration in der Umgebung sind, aber sich umgekehrt proportional zurUmgebungstemperatur verhalten. Auch in Untersuchungen mit fluorhaltigen Spezies in [114]war kein Einfluss der Oxidationsmittel auf die Dauer zu erkennen. Daraus schließen die PSU-Autoren, dass in der Aufheizphase chemische Reaktionen nur eine untergeordnete Rolle spielen.Aus diesem Grund werden fur diese Phase nur der konvektive Warmeubergang aus dem Gassowie die Strahlung berucksichtigt.

Ausgehend von einem kugelformigen Partikel mit konstanten Stoffdaten kann fur das nicht-reagierende Partikel die eindimensionale Warmeleitungsgleichung ohne Quellen in Kugelkoordi-naten aufgestellt werden

∂TP∂t

= a∂2TP∂r2

+2ar

∂TP∂r

, (149)

wobei a die Temperaturleitfahigkeit bezeichnet. Die Randbedingungen dieser partiellen Diffe-rentialgleichung lauten

∂TP∂r

= 0 bei r = 0 ,

λBor∂TP∂r

∣∣∣∣r=rP

= hc (T∞ − TP ) + σε(T 4W − T 4

P

)bei r = rP , (150)

die Anfangsbedingung T = T0 bei t = 0.Die in Treibsatzen eingesetzten Partikel sind in der Regel sehr klein, im Bereich 1 bis 15

µm, damit keine zu hohen Verweilzeiten im Triebwerk erforderlich werden. Fur kleine Partikelund maßige Relativgeschwindigkeiten zwischen Gas und Partikel sind die Temperaturgradien-ten innerhalb der Metallpartikel sehr gering, so dass von einer einheitlichen Temperatur imgesamten Teilchen ausgegangen werden kann. Dies ermoglicht eine deutliche Reduktion des Be-rechnungsaufwands, da sich die obenstehende partielle Differentialgleichung (149) hiermit aufeine gewohnliche Differentialgleichung vereinfachen lasst. Inklusive des Strahlungseinflusses er-gibt sich

ρcPdTPdt

=1

rP /3

[hc (T∞ − TP ) + σε

(T 4W − T 4

P

)]. (151)

Dieser Ansatz wird in der Literatur conductivity limit-Modell genannt, stellt also den Grenzfallunendlich hoher Warmeleitung innerhalb des Partikels dar. Diese Sichtweise wird im PSU-Modellfur alle Stufen verwendet. Dies bedeutet, dass auch die an der Oberflache des Partikels ablaufen-den heterogenen Reaktionen eine sofortige Verteilung der durch Reaktion freiwerdenden Energieinnerhalb des Partikels bewirken.

Ein Maß fur die Anwendbarkeit dieses Ansatzes ist die Biot-Zahl Bi, die das Verhaltnis ausspezifischen Warmeleitwiderstand innerhalb des Partikels zum spezifischen Warmeubergangs-widerstand an seiner Oberflache beschreibt

Bi =spez. Warmeleitungswiderstand, Feststoff

spez. Warmeubergangswiderstand=

dPλBor

1hc

=hc dPλBor

. (152)

Ist sie deutlich kleiner eins, sind die Temperaturgradienten im Feststoff viel geringer als diein der Gasgrenzschicht, und die gewahlte Modellierung ist zulassig. Tabelle 10 zeigt die Biot-Zahlen in fur die Anwendung interessanten Bereichen, auch unter dem Einfluss von Konvektion,in Luft bei einer Gastemperatur von 2000 K. Es ist zu erkennen, dass die Biot-Zahl fur Kugeln in

5Einige Autoren definieren die Zundverzugszeit hiervon abweichend als Summe aus der Dauer des Aufheizensund der Zeitspanne der ersten Stufe der Verbrennung zur Entfernung der Oxidschicht.

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130 7 PSU-VERBRENNUNGSMODELL FUR BOR-EINZELPARTIKEL

Tabelle 10: Biot-Zahlen fur Borpartikel bei verschiedenen Relativgeschwindigkeiten.

Durchmesser [µm] Relativgeschwindigkeit [m/s] Nu Bi

0.1 0 2 7.591 · 10−3

1.0 0 2 7.591 · 10−3

1.0 10 2.003 7.602 · 10−3

10.0 0 2 7.591 · 10−3

10.0 10 2.009 7.625 · 10−3

10.0 25 2.014 7.645 · 10−3

100.0 10 2.029 7.699 · 10−3

ruhender Umgebung unabhangig vom Partikeldurchmesser ist, da die Warme in diesem Fall auchim Gas durch Leitung ubertragen wird und sich beide Vorgange uber dieselbe charakteristischeLange, Partikeldurchmesser dP , definieren, welche sich somit herauskurzt. Die Nußelt-Zahl hatformal dieselbe Gestalt, wird jedoch mit der Warmeleitfahigkeit des Gases in der umgebendenGrenzschicht gebildet. Es ergibt sich mit dP als charakteristischer Lange in beiden Kennzahlen

Bi = NuλFluid

λBor. (153)

Da die Warmeleitfahigkeit des Bors um Großenordnungen hoher ist als die des Gases, ist derAnsatz fur das gewahlte Einsatzgebiet zulassig. Die Partikelgroße wirkt sich allerdings auf dieAufheizzeit aus, im Verhaltnis zum Quadrat des Durchmessers in der Fourier-Zahl.

Der konvektive Warmeubergang wird im PSU-Modell wahrend der Aufheizphase nach ei-ner Korrelation von Whitaker fur die Nußelt-Zahl berechnet, [155]. Die Transportkoeffizienten,d.h. Warmeleitfahigkeit und Viskositat der Gasmischung, wurden nach Korrelationen aus demLehrbuch von Kuo uber Verbrennung bestimmt, [14].

Fur seine eigenen Versuche hat Ulas Gastemperatur und Partikelgeschwindigkeit oberhalbder Flachflamme gemessen und aus der berechneten Partikelaufheizung die Zundtemperaturabgeleitet. Hierauf wird in Kapitel 8.8 genauer eingegangen.

7.1.2 Erste Stufe der Verbrennung, Chemie

Die erste Stufe der Verbrennung von Borpartikeln beschreibt den Abbau der hemmenden Oxid-schicht, die das reine Bor umschließt. Im Gegensatz zu Aluminiumpartikeln ist die Oxidschichtauf Borpartikeln selbstheilend, d.h. eventuell entstehende Locher schließen sich wieder, solan-ge noch genugend Oxid vorhanden ist, so dass praktisch keine freien Boroberflachen mit derGasatmosphare in Kontakt kommen, s. [126].

Die wahrend der ersten Stufe der Verbrennung vorhandene Oxidschicht ist in flussigem Ag-gregatzustand, da der Schmelzpunkt des Oxids B2O3 bei 723 K und somit deutlich unterhalbder kritischen Zundtemperaturen von 1500 bis 1700 K liegt. Die Oxidschicht selbst ist nur dunn,geschatzt im Bereich 1 bis maximal 6 % des Ursprungsradius, [147], so dass der zum Schmelzennotwendige Energieeintrag vernachlassigt werden kann.

In Atmospharen, die nur Sauerstoff oder Wasserdampf enthalten, ist eine deutliche Unter-scheidung zwischen erster und zweiter Stufe der Verbrennung in allen experimentellen Untersu-chungen moglich. In fluorhaltigen Atmospharen ist diese Trennung oft nicht zu beobachten, da

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7.1 Beschreibung des Partikelabbrandmodells 131

die Oxidschicht mit Fluor extrem schnell reagiert. Im hier vorgestellten Modell kann allerdingsimmer entsprechend der Oxidschichtdicke zwischen den beiden Phasen unterschieden werden.

Wie in Kapitel 5 beschrieben, besteht die flussige Oxidschicht nach Ansicht und Untersu-chungen der PSU-Gruppe neben dem Boroxid B2O3 aus einer polymerartigen Verkettung vonBO-Molekulen, die sie als (BO)n(l)-Komplex bezeichnen. Dieser Stoff entsteht aus einer Gleich-gewichtsreaktion zwischen dem festen Bor einerseits und dem B2O3 andererseits. Der Komplexdiffundiert von der Grenzflache zwischen festem Bor und Oxidschicht zur Oberflache, an deres mit der Gasatmosphare in Kontakt steht und heterogene Reaktionen mit Gasphasenspeziessowie ein Verdampfungsvorgang stattfinden.

Verdampfung des flussigen (BO)n-PolymersDer Verdampfungsprozess der flussigen Oxidschicht ergibt vor allem die gasformige SpeziesB2O2. Yeh und Kuo schlugen daher einen Zweischrittmechanismus fur die reaktive Verdampfungder flussigen B2O3/(BO)n-Mischung vor

2/3 B(s) + 2/3 B2O3(l) → 2/n (BO)n(l)2/n (BO)n(l) → B2O2(g),

(ER1)(ER2)

aus der sich die erste globale Reaktionsgleichung ergibt

2/3 B(s) + 2/3 B2O3(l)→ B2O2(g) + ∆H298R,1 . (GR1)

∆H298R,1 = 72.4 kcal/mol ist die Reaktionsenthalpie der endothermen globalen Reaktion, die

dem Messwert von Scheer entspricht, [156]. Die Elementarreaktion ER1 ist dabei eine schnel-le Gleichgewichtsreaktion, die niemals geschwindigkeitsbestimmend ist; limitierend wirkt derPhasenwechsel in Elementarreaktion ER2. Die Geschwindigkeit berechnet sich uber

R1 =P 0

B2O2

1α1ν1

+ 1DB2O2,g

Nu

2RuTP rp

, (154)

wobei P 0B2O2

den Gleichgewichtsdampfdruck von B2O2(g), α1 den Verdampfungskoeffizienten des(BO)n-Polymers, DB2O2 den Diffusionskoeffizienten von B2O2 in der umgebenden Gasmischung,Nu die Nußeltzahl, Ru die universelle Gaskonstante, Tp die Partikeltemperatur und rP denPartikelradius bezeichnen. Die im Originalmodell verwendete Nußeltzahl Nu musste eigentlicheine auf die Spezies B2O2 bezogene Sherwoodzahl Sh sein, da es sich hier nicht um Warme-,sondern um Stoffubertragung handelt.

Die Große ν1 ist der Hertz-Knudsen-Faktor fur B2O2(g), berechnet aus der Hertz-Knudsen-Gleichung, die aus der Adsorptionskinetik bekannt ist. Sie beschreibt die Molenstromdichte derauf eine Oberflache treffenden Molekule, auch impingement rate genannt. Die Molenstromdichteder Spezies Z betragt

n′′Z =αZ Psat,Z√2πMZRT

[mol

cm2 s

](155)

mit der Molmasse MZ , dem Verdampfungskoeffizienten αZ und dem Gleichgewichtsdampfdruckder Spezies Z, Psat,Z . Der Faktor α1 bezeichnet den Anteil der Molekule, der an einer Reaktionteilnimmt. Der Hertz-Knudsen-Faktor ergibt sich damit zu

ν1 =αZ√

2πMZRT

[mol

cm2 atm s

]. (156)

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132 7 PSU-VERBRENNUNGSMODELL FUR BOR-EINZELPARTIKEL

Der erste Term im Nenner der Gleichung 154 reprasentiert den kinetischen Widerstandwahrend der Bildung der B2O2(g)-Spezies und der zweite Term den Diffusionswiderstand inder Gasphase. Der Gleichgewichtsdampfdruck wurde nach Scheer bestimmt, [156],

logP 0B2O2

= 6.609− 724004.575Tp

, (157)

die ubrigen Parameter haben die folgenden Werte

α1 = 0.03

ν1 =1

4Ru

(8R′uπMi

)0.5

T−0.5p = 6.06T−0.5

p

[mol

cm2 atm s

]

DB2O2,g = 1.937 · 10−5T3/2p

P

[cm2

s

](158)

Ru = 82.06

[cm3 atmmol K

]

R′u = 8.3166 · 107[

ergmol K

].

Oberflachenreaktion von (BO)n mit O2(g)Neben dem sehr langsamen Verdampfungsvorgang erfolgt der Abbau der Oxidschicht in oxidie-renden Atmospharen durch Oberflachenreaktionen von Oxidationsmitteln mit (BO)n. Im Falledes Sauerstoffs ergibt sich folgende Elementarreaktion

1/n (BO)n(l) + O2(g)→ BO2(a) + O(a), (ER3)

wobei (a) eine adsorbierte Spezies bezeichnet. Adsorption ist immer ein exothermer Vorgang undwegen der Existenz einer betrachtlichen Aktivierungsenergie ist Chemisorption uber Ausbildungkovalenter Bindungen ein relativ langsamer Prozess.

Es folgen zwei schnellere Elementarreaktionen

BO2(a) + 1/n (BO)n(l) → B2O3(l)O(a) + 1/n (BO)n(l) → BO2(g).

(ER4)(ER5)

Die Summe der Reaktionen (ER3) bis (ER5) mit 3/2 mal (ER1) ergibt die globale heterogeneReaktion mit O2(g)

B(s) + O2(g)→ BO2(g) + ∆H298R,2

(GR2)

mit der Standardreaktionsenthalpie ∆H298R,2 = -68.0 kcal/mol. Der geschwindigkeitsbestimmende

Schritt ist die Adsorption (ER3); die Reaktionsgeschwindigkeit berechnet sich uber

R2 =X0BO

1α2ν2PO2

+ xpDBO,B2O3

n

, (159)

wobei X0BO den Gleichgewichtsmolenbruch des (BO)n an der Bor/Boroxid-Grenzflache, α2 die

Reaktionswahrscheinlichkeit fur den Stoß zwischen einem O2(g)- und einem BO-Molekul, ν2 denHertz-Knudsen-Faktor fur O2(g), PO2 den Sauerstoffpartialdruck im umgebenden Gas, DBO,B2O3

den Diffusionskoeffizienten der Bormonoxidmolekule in der flussigen Oxidschicht der Dicke xp

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7.1 Beschreibung des Partikelabbrandmodells 133

und n die molare Dichte der Molekule in der Oxidschicht bezeichnet. In der Herleitung von R2

haben Li und Williams die Diffusionsgeschwindigkeit des (BO)ns der Reaktionsgeschwindkeitdes (BO)ns mit Sauerstoff an der Partikeloberflache gleichgesetzt. Somit gibt der erste Term imNenner von R2 den kinetischen Widerstand und der zweite Term den Anteil des Diffusionswi-derstands in der Flussigphase an. Die Werte der Parameter sind

α2 = 0.035

ν2 = 7.84T−0.5p

[mol

cm2 atm s

]

DBO,B2O3 = 5.11 · 10−5 exp (−7500/Tp)

[cm2

s

](160)

n ≈ ρB2O3

MB2O3

= 0.0266[

molcm3

]

X0BO = 2.32 · 10−2

[1− exp

(35000 KTp

− 35000 K1550 K

)],

wobei die Grenztemperatur in der Exponentialfunktion fur X0BO von 1550 K im PSU-Modell

ohne weitere Begrundung um 100 K niedriger gewahlt wurde als in der ursprunglichen Gleichungvon Li und Williams. Der Einfluss dieser Abanderung erwies sich jedoch als gering.

Oberflachenreaktion von (BO)n mit H2O(g)Ist Wasserdampf in der Gasatmosphare vorhanden, so reagiert dieser an der Oberflache mit demBoroxidpolymer uber

1/n (BO)n(l) + H2O(g)→ HBO2(g) + H(a), (ER6)

gefolgt von drei weiteren, schnellen, heterogenen Reaktionen

H(a) + O2(g) → OH(a) + O(a)O(a) + H2O(g) → 2 OH(a)

OH(a) + 1/n (BO)n(l) → HBO2(g).

(ER7)(ER8)(ER9)

Die Addition der Gleichungen (ER6) bis (ER8) zu dreimal der Gleichung (ER9) und zweimalder Gleichung (ER1) ergibt die globale Oberflachenreaktion mit H2O

4/3 B(s) + 4/3 B2O3(l) + 2 H2O(g) + O2(g)→ 4 HBO2(g) + ∆H298R,3 , (GR3)

wobei die Standardreaktionsenthalpie ∆H298R,3 = -21.0 kcal/mol betragt. Der geschwindigkeits-

bestimmende Schritt der globalen Reaktion (GR3) ist die Elementarreaktion (ER6), und derenGeschwindigkeit ist analog zu R2

R3 =X0BO

1α3ν3PH2O

+ xpDBO,B2O3

n

(161)

mit der Reaktionswahrscheinlichkeit α3 fur den Stoß zwischen einem Wasser- und einem Bor-monoxidmolekul, ν3 als dem Hertz-Knudsen-Faktor fur H2O und PH2O als dem Wasserdampf-partialdruck in der Umgebung. Die benotigten Daten lauten

α3 = 0.4 exp (−5500/Tp)

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134 7 PSU-VERBRENNUNGSMODELL FUR BOR-EINZELPARTIKEL

ν3 = 10.54T−0.5p

[mol

cm2 atm s

]. (162)

Oberflachenreaktion von (BO)n mit HF(g)In seinen Experimenten hat Ulas auch Fluorspezies als Oxidationsmittel untersucht. Dazu wur-de der unverbrannten Gasmischung NF3 hinzugefugt, so dass oberhalb der Flachflamme diezusatzlichen Spezies HF, F, CF4 und COF2 entstehen. Der uberwiegende Anteil entfallt dabei aufdie beiden erstgenannten Spezies, die im PSU-Modell als weitere Oxidationsmittel berucksichtigtwurden. Hintergrund ist der beschleunigte Abbau der Oxidschicht durch Fluorspezies, weswegenBor-Treibsatze oft durch Fluoradditive erganzt werden.

Im PSU-Modell beginnt der Mechanismus fur die HF(g)/(BO)n(l)-Oberflachenreaktion ana-log zum PA-Modell mit der Bildung von OBF- und H-Spezies uber die Reaktion

1/n (BO)n(l) + HF(g)→ OBF(g) + H(a); (ER10)

dieselben Edukte konnen aber auch das Produkt FBOH erzeugen uber

1/n (BO)n(l) + HF(g)→ FBOH(g). (ER11)

Smolanoff et al., [157, 150], hatten experimentell festgestellt, dass die Produkte OBF und FBOHin den Anteilen 3/5 bzw. 1/5 entstehen. Zwei schnelle Folgereaktionen finden auf der Oberflachestatt

1/n (BO)n(l) + H(a) → HBO(a)HBO(a) + 1/2 O2(g) → HBO2(g).

(ER12)(ER13)

Die Summe der Reaktionen (ER10) bis (ER13) und 3/2 der Reaktion (ER1) ergibt die globaleReaktionsgleichung

B(s)+B2O3(l)+2 HF(g)+1/2 O2(g)→ OBF(g)+FBOH(g)+HBO2(g)+∆H298R,4 . (GR4)

Fur die Berechnung der Reaktionsenthalpie von (GR4) muss die Bildungsenthalpie ∆Hf derFBOH(g)-Spezies bekannt sein. Fur ∆Hf sind zwei Werte in der Literatur gegeben: Soto, [158]hat in ab initio Berechnungen einen Wert von ∆Hf = -113 kcal/mol erhalten, wahrend Smo-lanoff et al., [157] in ihren Cluster-Ionenstrahl-Untersuchungen einen Wert von ∆Hf = -194kcal/mol ermittelt haben. Im vorliegenden Modell wurde das Ergebnis von Smolanoff verwendetund ergibt eine Standardreaktionsenthalpie von ∆H298

R,4 = -42.14 kcal/mol fur (GR4).Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der globalen Reaktion (GR4) ist entweder Ele-

mentarreaktion (ER10) oder (ER11). Smolanoff berichtet uber eine Reaktionswahrscheinlich-keit von etwa 0.06 fur die Produktion von FBOH und von einer Wahrscheinlichkeit von ca. 0.2fur OBF. Daher wird die Geschwindigkeit der Gesamtreaktion durch (ER11) begrenzt, wel-che die niedrigere Reaktionswahrscheinlichkeit6 der beiden besitzt. Da der HF(g)/(BO)n(l)-Oberflachenreaktionsmechanismus den Wasserdampf/Boroxid-Reaktionen sehr ahnlich ist, hat

6Hier liegt eventuell eine Schwachstelle des Modells. Es geht davon aus, dass in der Flamme Gesamtumsatzerreicht wird, nicht nur Gleichgewicht, und selbst letzteres ist in der Realitat nicht gewahrleistet. Bei Gesamtum-satz entstehen OBF und FBOH im Verhaltnis 1:1, wenn die globale Reaktion (GR4) korrekt ist; im Experimententstanden sie jedoch im Verhaltnis 3:1. Geht man von Vollumsatz aus, wirkt die langsamere Reaktion limitierend,wird dieser Zustand nicht erreicht, hemmt sie den Umsatz nicht, da es eine schnellere Parallelreaktion gibt.

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7.1 Beschreibung des Partikelabbrandmodells 135

die kinetische Gleichung fur (GR4) dieselbe Form wie diejenige fur (GR3)

R4 =X0BO

1α4ν4PHF

+ xpDBO,B2O3

n

, (163)

wobei α4 die Reaktionswahrscheinlichkeit eines HF(g)-Molekuls mit einem Bormonoxidmolekulder Oberflache, ν4 den Hertz-Knudsen-Faktor fur HF(g) und PHF den Fluorwasserstoff-Partial-druck in der Gasatmosphare bezeichnet. Die folgenden Werte werden hierzu verwendet

α4 = 0.06

ν4 = 9.91T−0.5p

[mol

cm2 atm s

]. (164)

Oberflachenreaktion von (BO)n mit F(g)Fur die Reaktionen mit elementarem Fluor sind wegen der sehr schwierigen Experimente mitdiesem toxischen Stoff nur sehr wenige Daten in der Literatur vorhanden. Im vorliegendenModell wurden die moglichen Reaktionen und deren Geschwindigkeiten aus dem PA-Modellubernommen. Die folgende Elementarreaktion wurde angesetzt

1/n (BO)n(l) + F(g)→ OBF(g), (ER14)

die mit Faktor drei und 3/2 mal der Reaktion (ER1) die funfte globale Reaktion

B(s) + B2O3(l) + 3 F(g)→ 3 OBF(g) + ∆H298R,5

(GR5)

mit der Standardreaktionsenthalpie ∆H298R,5 = -188.99 kcal/mol ergibt. Geschwindigkeitsbestim-

mend ist Elementarreaktion (ER14), und die Reaktionsgeschwindigkeit ergibt sich zu

R5 =X0BO

1α5ν5PF

+ xpDBO,B2O3

n

(165)

mit der Reaktionswahrscheinlichkeit fur F(g) mit einem Boroxidmolekul α5, dem Hertz-Knudsen-Faktor fur F ν5, und dem Fluor-Partialdruck in der Gasphase PF. Nach dem PA-Modell ist dieReaktionswahrscheinlichkeit α5 = 0.1 und der Wert fur ν5 ist

ν5 = 10.17T−0.5p

[mol

cm2 atm s

]. (166)

Das kinetische Modell fur die erste Stufe der Borpartikelverbrennung in fluor- und sauerstoff-haltigen Atmospharen, bestehend aus den globalen Reaktionen (GR1) bis (GR5), ist in Tabelle11 zusammengefasst.

7.1.3 Erste Stufe der Verbrennung, Physik

Die zu losenden Differentialgleichungen fur die erste Phase der Verbrennung des Borpartikelserhalt man uber zwei Massenbilanzen, fur Bor bzw. Boroxid,

d

dtρB

4π3r3P = −4π r2

P MB

5∑j=1

νB,j Rj (167)

d

dtρB2O3

4π3

[(rP + xP )3 − r3

P

]= −4π (rP + xP )2 MB2O3

5∑j=1

νB2O3,j Rj . (168)

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136 7 PSU-VERBRENNUNGSMODELL FUR BOR-EINZELPARTIKEL

Tab

elle

11:

Zus

amm

enfa

ssun

gde

rgl

obal

enR

eakt

ione

nfu

rdi

eer

ste

Stuf

ede

rV

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ennu

ng.

Glo

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Obe

rflac

henr

eakt

ion

∆H

298

R

[ kca

lm

ol

] Rea

ktio

nsge

schw

indi

gkei

t[ m

ol

cm2

s

]2/

3B

(s)

+2/

3B

2O

3(l

)→

B2O

2(g

)+

72.4

R1

=P

0 B2O

21

α1ν1

+1

DB

2O

2,g

Nu

2RuTPrp

mitα

1=

0.03

,ν 1

=6.

06T−

0.5

P,

logP

0 B2O

2=

6.60

9−

72400

4.5

75Tp

undD

B2O

2,g

=1.

937·1

0−5T

3/2

p P

B(s

)+

O2(g

)→

BO

2(g

)-6

8.0

R2

=X

0 BO

2ν2P

O2

+xp

DB

O,B

2O

3n

mitα

2=

0.03

5,ν 2

=7.

84T−

0.5

P,

DB

O,B

2O

3=

5.11·1

0−5

exp

(−75

00/T

p),n

=0.

0266

undX

0 BO

=2.

32·1

0−2[ 1−

exp( 3

5000

Tp−

35000

1550

)]4/

3B

(s)

+4/

3B

2O

3(l

)+

2H

2O

(g)

+O

2(g

)-2

1.0

R3

=X

0 BO

3ν3P

H2O

+xp

DB

O,B

2O

3n

→4

HB

O2(g

)m

itα

3=

0.4

exp

(−55

00/T

p)

undν 3

=10.5

4T−

0.5

p

B(s

)+

B2O

3(l

)+

2H

F(g

)+

1/2

O2(g

)-4

2.1

R4

=X

0 BO

4ν4P

HF

+xp

DB

O,B

2O

3n

→O

BF

(g)

+F

BO

H(g

)+

HB

O2(g

)m

itα

4=

0.06

undν 4

=9.

91T−

0.5

p

B(s

)+

B2O

3(l

)+

3F

(g)→

3O

BF

(g)

-189

.0R

5=

X0 BO

5ν5P

F+

xp

DB

O,B

2O

3n

mitα

5=

0.1

undν 5

=10.1

7T−

0.5

p

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7.1 Beschreibung des Partikelabbrandmodells 137

Berucksichtigt man, dass xP rP , kann man das Volumen der Oxidschicht als 4π r2P xP schrei-

ben. Unter der Annahme konstanter Dichten sowie eines wegen drPdt /rP

dxPdt /xP in der ersten

Stufe naherungsweise konstanten Partikelradius rP in Gleichung 168 ergibt sich damit im Ori-ginalmodell

drPdt

= −[

23R1 +R2 +

43R3 +R4 +R5

]MB

ρB(169)

dxPdt

= −[

23R1 +

43R3 +R4 +R5

]MB2O3

ρB2O3(l), (170)

wobei rP den Radius des Borpartikels ohne Oxidschicht, xP die Oxidschichtdicke, Rj die Reak-tionsgeschwindigkeit der globalen Reaktion j, M die Molmasse und ρ die Dichte der indiziertenSpezies bezeichnet. Die verwendeten physikalischen Stoffdaten werden in Anhang D zusammen-gefasst.

Wie bereits oben erwahnt, liegt die Biotzahl deutlich unter 0.1, weshalb von einer einheit-lichen Partikeltemperatur ausgegangen werden kann. Dies bedeutet auch, dass die durch Reak-tionen an der Partikeloberflache freigesetzte Warme sehr zugig innerhalb des Partikels verteiltwird. Somit kann man aus der Energieerhaltung eine gewohnliche Differentialgleichung fur diePartikeltemperatur aufstellen

dTPdt

=4πr2

P

[−∑5j=1Rj∆H

298R,j + hc (T∞ − TP ) + σεB2O3

(T 4W − T 4

P

)]43πr

3PρBcp,B + 4πr2

PxPρB2O3cp,B2O3

, (171)

wobei T∞ die Temperatur der Gasphase, TW die Temperatur der umgebenden Wande und εB2O3

= 0.84 die Emissivitat aus [159] bezeichnen. Der Warmeubergangskoeffizient hc wird mit Hilfeder Korrelation von Whitaker bestimmt.

7.1.4 Zweite Stufe der Verbrennung, Chemie

Sobald die Oxidschicht vollstandig abgebaut ist, beginnt der Abbrand des ”reinen“ Borparti-kels. Da der Siedepunkt des Bors mit 3931 bis 4139 K sehr hoch liegt, dominieren die Ober-flachenreaktionen die Gasphasenverbrennung, so dass der Abbau hauptsachlich durch sie bewirktwird. Der Schmelzpunkt des Bors, von der Kuo-Gruppe zu 2450 K angegeben, kann uberschrittenwerden, der Schmelzvorgang muss daher berucksichtigt werden. Nachfolgend wird die chemischeKinetik der heterogenen Reaktionen inklusive ihrer Elementarschritte, im darauffolgenden Ab-schnitt die Diffusion der Oxidationsmittel zur Oberflache beschrieben.

Oberflachenreaktion von B(s) mit O2(g)Li und Williams, [82, 83, 84], sowie Yeh und Kuo, [112], schlagen fur die Reaktion mit Sauerstoffdie folgende globale Reaktion vor

2 B(s) + O2(g)→ B2O2(g) + ∆H298R,6 , (GR6)

deren Standardreaktionsenthalpie ∆H298R,6 nach Ulas zwischen -102 und -110 kcal/mol liegt. In

allen Reaktionen, die in diesem Abschnitt beschrieben werden, ist oberhalb 2450 K B(s) durchB(l) zu ersetzen. Nach dem Modell von Yeh und Kuo setzt sich diese globale Reaktion aus derSumme der folgenden Elementarschritte zusammen

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138 7 PSU-VERBRENNUNGSMODELL FUR BOR-EINZELPARTIKEL

B(s) + 1/2 O2(g) → BO(g)

BO(g) + 1/2 O2(g) → BO2(g)

BO2(g) + BO(g) → B2O3(g)

B(s) + B2O3(g) → 3 BO(g)

BO(g) + BO(g) → B2O2(g).

(ER15)

(ER16)

(ER17)

(ER18)

(ER19)

Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k6 fur die globale Reaktion (GR6) wurde durch Li undWilliams experimentell zu

k6 =

0.0625± 0.0125, Tp > 2400 K31.5√Tp

exp (−5630/Tp) , 1750 K < Tp ≤ 2400 K1.57·108√

Tpexp (−32500/Tp) , 1600 K < Tp ≤ 1750 K

[mol

cm2 s atm

](172)

bestimmt, die Reaktionsgeschwindigkeit wird hiermit zu R6 = k6XO2,∞P mit dem Molanteildes Sauerstoffs in der Gasumgebung XO2,∞ und dem Gesamtdruck P . Daraus ergibt sich eineReaktionswahrscheinlichkeit, die bei 2500 K fast 20 mal hoher ist als der im PA-Modell uber dieTheorie des Ubergangszustands geschatzte Wert. Ursache hierfur ist nach Diskussion in Ulas’Dissertation, dass Li und Williams ausschließlich Sauerstoff als Oxidationsmittel zuließen, deralle reaktiven Stellen an der Oberflache besetzt, wahrend im PA-Modell viele oxidierende Speziesgegenwartig sind, die sich die reaktiven Stellen teilen (kompetitive Adsorption). Im vorliegendenModell von Ulas wird die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante des Modells von Yeh und Kuo andie Prasenz mehrerer Oxidationsmittel angepasst

k′6 = θ6k6, (173)

wobei θ6 der Anteil der Oberflache ist, der mit Sauerstoff bedeckt ist, d.h. an dem Sauerstoffadsorbiert ist. Die θi wurden hierfur alle gleich gewahlt als θi = 1/n fur alle Oxidationsmittel i;n bezeichnet deren Anzahl.

Der Autor der vorliegenden Arbeit zweifelt die Richtigkeit dieser These an, worauf in Ab-schnitt 7.2 eingegangen wird. Es sei hier bereits angemerkt, dass sich die Arbeiten der PA-Gruppeauf den Sauerstoffmolanteil an der Partikeloberflache beziehen, die Daten von Li und Williamsaber auf den Molanteil im Unendlichen, d.h. in der Gasumgebung in großer Entfernung.

Oberflachenreaktion von B(s) mit H2O(g)Wie oben beschrieben wurde experimentell festgestellt, dass Wasserdampf eine der mit Borreaktivsten Spezies ist. HBO(g) und BH(g) sind die wichtigsten Zwischenprodukte, die ohneAktivierungsenergie entstehen. Der erste Schritt ist somit

2 B(s) + H2O(g)→ BH(g) + HBO(g). (ER20)

Anschließend wird das Boran BH(g) sofort durch ein Sauerstoffradikal umgesetzt

BH(g) + O(g)→ BO(g) + H(g); (ER21)

das entstehende BO-Molekul reagiert weiter mit molekularem Sauerstoff zu BO2

BO(g) + 1/2 O2(g)→ BO2(g). (ER22)

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7.1 Beschreibung des Partikelabbrandmodells 139

Das Endprodukt HBO2 wird uber die Elementarreaktionen

BO2(g) + H(g) → HBO2(g)und HBO(g) + OH(g) → HBO2(g) + H(g)

(ER23)(ER24)

gebildet. Schließlich komplettiert die folgende Reaktion den Mechanismus fur die Oxidation mitWasserdampf

H(g) + O2(g)→ OH(g) + O(g). (ER25)

Die Summe der Elementarreaktionen (ER20) bis (ER25) ergibt die globale Oberflachenreaktionzwischen Bor und Wasserdampf

2 B(s) + H2O(g) + 3/2 O2(g)→ 2 HBO2(g) + ∆H298R,7 , (GR7)

deren Standardreaktionsenthalpie ∆H298R,7 = -210 kcal/mol betragt.

Die Reaktionsgeschwindigkeit wurde in der Form

k7 = k7,0T0.5p α7(Tp)

[cms

](174)

angesetzt und die Kollisionsfrequenz aus dem PA-Modell ubernommen. Die Reaktionswahr-scheinlichkeit α7 ist im PA-Modell allerdings im Vergleich zu experimentellen Daten von Smo-lanoff et al., [150], um Großenordnungen zu niedrig gewahlt. Deren Daten im Bereich zwischen500 und 2500 K werden durch eine Ausgleichskurve wiedergegeben, die nach Ulas zu der untenangegebenen Reaktionsgeschwindigkeit fuhrt

k7 = 857T 0.5p [0.3 exp (+574/Tp)]

[cms

], (175)

siehe auch die Diskussion in Abschnitt 8.5.2. Die Reaktionsgeschwindigkeit R7 ergibt sich mitdem Molanteil des Wasserdampfs im Unendlichen XH2O,∞ zu

R7 = k7XH2O,∞P

RuTP

[mol

cm2 s

]. (176)

Oberflachenreaktion von B(s) mit HF(g)Die Reaktion zwischen Fluorwasserstoff und Bor erfordert das Aufbringen einer hohen Aktivie-rungsenergie, so dass HF nur schwach mit Bor reagiert. Uberraschenderweise ist es auch wenigerreaktiv als Wasserdampf, obwohl es isoelektronisch aufgebaut ist, also dieselbe Elektronenkon-figuration besitzt. Experimentelle Untersuchungen, [150], zeigten neben diesen Beobachtungen,dass als wichtigste Zwischenprodukte BF, BH und in geringerem Maße auch HBF entstehen.

Erneut in Anlehnung an das PA-Modell erfolgt als erster Elementarschritt die Bildung derGasphasenspezies BH und BF

2 B(s) + HF(g)→ BH(g) + BF(g). (ER26)

Die Zwischenprodukte werden durch die Gasphasenreaktionen

BH(g) + O(g) → BO(g) + H(g)BF(g) + OH(g) → OBF(g) + H(g)

(ER27)(ER28)

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140 7 PSU-VERBRENNUNGSMODELL FUR BOR-EINZELPARTIKEL

eliminiert. Bormonoxid aus (ER27) wird durch

BO(g) + 1/2 O2(g)→ BO2(g) (ER29)

weiter oxidiert. Zum Schluss laufen die beiden Teilreaktionen

BO2(g) + H(g) → HBO2(g)H(g) + O2(g) → OH(g) + O(g)

(ER30)(ER31)

ab. Addition der Gleichungen (ER26) bis (ER31) ergibt die globale Gleichung fur die Ober-flachenreaktion von Bor mit Fluorwasserstoff

2 B(s) + HF(g) + 3/2 O2(g)→ OBF(g) + HBO2(g) + ∆H298R,8

(GR8)

mit der Standardreaktionsenthalpie ∆H298R,8 = -212.8 kcal/mol.

Mangels genauer experimenteller Daten wird die geschatzte Reaktionsgeschwindigkeitskon-stante aus dem PA-Modell ubernommen. Die wenigen durchgefuhrten Experimente zeigen, dassdie Reaktionswahrscheinlichkeit sehr gering ist, [100, 104, 150]. Eine von Ulas vorgenommeneSensitivitatsanalyse verdeutlichte jedoch, dass der Wert dieser Geschwindigkeitskonstante nurgeringen Einfluss auf das Endergebnis hat. Deren Wert aus dem PA-Modell lautet

k8 = 813T 0.5p [0.006 exp (−5271/Tp)]

[cms

], (177)

womit sich die Reaktionsgeschwindigkeit

R8 = k8XHF,∞P

RuTP

[mol

cm2 s

](178)

ergibt.

Oberflachenreaktion von B(s) mit F(g)Auch fur die Reaktion mit atomarem Fluor liegen praktisch keine experimentellen Daten vor.Daher wurden fur diese Reaktion ebenfalls geschatzte Daten aus dem PA-Modell ubernommen.Der erste Elementarschritt lautet

B(s) + F(g)→ BF(g), (ER32)

nach der das Zwischenprodukt BF zunachst in einem langsamen Schritt zu BF2 weiterreagiert

BF(g) + F(g)→ BF2(g), (ER33)

das anschließend in einem schnellen Schritt zum Endprodukt BF3 umgewandelt wird

BF2(g) + BF2(g)→ BF3(g) + BF(g). (ER34)

Die globale Oberflachenreaktion atomaren Fluors mit Bor ergibt sich aus der Addition von(ER32), zweimal (ER33) und einmal (ER34)

B(s) + 3 F(g)→ BF3(g) + ∆H298R,9 , (GR9)

wobei die Standardreaktionsenthalpie mit ∆H298R,9 = -328.0 kcal/mol sehr hoch ist.

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7.1 Beschreibung des Partikelabbrandmodells 141

Ahnlich den Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten fur die HF- und H2O-Reaktionen wurdedie Konstante fur (GR9) in der Form

k9 = k9,0T0.5p α9(Tp) (179)

angesetzt. Die Kollisionsfrequenz k9,0T0.5p wurde aus dem PA-Modell ubernommen. Fur die Re-

aktionswahrscheinlichkeit α9 wird im PA-Modell allerdings ein Wert angegeben, der nur einDrittel der Wahrscheinlichkeit in der B(s)/O2(g) Oberflachenreaktion betragt. ExperimentelleDaten von Ulas und aus Stoßrohruntersuchungen der Gruppe um H. Krier, [102], zeigen jedoch,dass die Abbranddauer mit zunehmenden Fluor/Sauerstoff-Atomverhaltnis sinkt, so dass dieReaktionswahrscheinlichkeit fur atomares Fluor hoher als fur Sauerstoff sein muss. Daher wurdeder (hohere) Wert der Reaktionswahrscheinlichkeit der Borreaktion mit atomarem Sauerstoffaus dem PA-Modell von 0.8 auch fur die Reaktion mit elementarem Fluor ubernommen, woraussich eine Reaktionsgeschwindigkeitskonstante von

k9 = 834T 0.5p · (0.8)

[cms

]. (180)

ergibt. Die Reaktionsgeschwindigkeit lautet somit

R9 = k9XF,∞P

RuTP

[mol

cm2 s

]. (181)

Die globalen Reaktionen (GR6) bis (GR9) vervollstandigen das kinetische Modell fur diezweite Stufe der Borpartikelverbrennung in fluor- und sauerstoffhaltigen Atmospharen. Tabelle12 fasst diese globalen Reaktionen noch einmal zusammen.

7.1.5 Zweite Stufe der Verbrennung, Physik

Berucksichtigung kinetischer und diffusiver HemmungDa in der praktischen Anwendung in Triebwerksbrennkammern sowohl bei geringen Druckenund kleinen Partikeln kinetische als auch bei hoheren Drucken und großeren Partikeln Diffusi-onslimitierung der Borverbrennung in der zweiten Stufe auftreten kann, werden in diesem Modellbeide Vorgange als Widerstande berucksichtigt.

Zu diesem Zweck wird die Analogie zu einem elektrischen Schaltkreis herangezogen, wiein [160] hergeleitet. Fur jedes einzelne Oxidationsmittel stellen Konzentrationsunterschiede zwi-schen Umgebung und Oberflache das treibende Gefalle dar, kinetischer und diffusiver Widerstandwirken wie zwei in Reihe geschaltete Widerstande. Da hier aber bis zu vier Oxidationsmittel inder Gasphase vorliegen und alle in der Lage sind, das Bor abzubauen, kann man die Gesamtwi-derstande der einzelnen Oxidationsmittel als parallel geschaltet betrachten. Somit ergibt sich furdie Massenstromdichte abreagierenden Bors GF,ges als Masse pro Zeit und Oberflacheneinheit

GF,ges =YO2,∞

Rkin,O2+Rdiff,O2

+YH2O,∞

Rkin,H2O +Rdiff,H2O

+YHF,∞

Rkin,HF +Rdiff,HF+

YF,∞Rkin,F +Rdiff,F

. (182)

Der kinetische Widerstand ergibt sich direkt aus den Reaktionsgeschwindigkeiten, denn dieMolzahl Bor, die pro Oberflachen- und Zeiteinheit durch das Oxidationsmittel i in Reaktion jabreagiert, betragt

GF,kin,i

MB= Rj = k′j P Xi,∞ = k′j P

MGas

MiYi,∞, (183)

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142 7 PSU-VERBRENNUNGSMODELL FUR BOR-EINZELPARTIKEL

Tab

elle

12:

Zus

amm

enfa

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gde

rgl

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eakt

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ede

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Obe

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eakt

ion

∆H

298

R

[ kca

lm

ol

] Rea

ktio

nsge

schw

indi

gkei

t[ m

ol

cm2

s

]2

B(s

)+

O2(g

)→

B2O

2(g

)-1

02.0

R6

=k

6X

O2,∞P

mitk

6=

0.06

25±

0.01

25,

Tp>

2400

K31.5√Tp

exp

(−56

30/T

p),

1750

K<Tp≤

2400

K1.5

7·1

08

√Tp

exp

(−32

500/Tp),

1600

K<Tp≤

1750

K

[ mol

cm2

satm

]

2B

(s)

+H

2O

(g)

+3/

2O

2(g

)-2

10.0

R7

=k

7X

H2O,∞P

RuTP

→2

HB

O2(g

)m

itk

7=

857T

0.5

p[0.3

exp

(+57

4/Tp)]

[ cm s

]2

B(s

)+

HF

(g)

+3/

2O

2(g

)-2

13.0

R8

=k

8X

HF,∞P

RuTP

→O

BF

(g)

+H

BO

2(g

)m

itk

8=

813T

0.5

p[0.0

06ex

p(−

5271/T

p)]

[ cm s

]B

(s)

+3

F(g

)→

BF

3(g

)-3

28.0

R9

=k

9X

F,∞P

RuTP

mitk

9=

834T

0.5

p(0.8

)[ cm s

]

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7.1 Beschreibung des Partikelabbrandmodells 143

und unter der Annahme, dass der Massenanteil der oxidierenden Spezies an der Oberflache gleichnull ist, folgt mit GF,kin,i = (Yi,∞ − 0) /Rkin,i

Rkin,i =Mi

MGasMB k′j P

[cm2 s

g

], (184)

wobei Mi, MGas und MB die Molmassen der oxidierenden Spezies i, der umgebenden Gasmi-schung bzw. des Bors, jeweils in [g/mol], bezeichnen. Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstantenk′j in [mol/(cm2 s atm)] entsprechen den Reaktionsgeschwindigkeiten Rj geteilt durch den Par-tialdruck des Oxidationsmittels in der Umgebung7 Xi,∞P ; der Druck P ist in [atm] einzusetzen.

Die Herleitung des diffusiven Widerstands ist aufwendiger und basiert auf der Vorgehensweisein Kuos Grundlagenbuch zur Verbrennung, [14], Kap. 6.4ff sowie auf der Ausarbeitung von Turns,[160]. Ausgangspunkt ist die eindimensionale Spezies-Kontinuitatsgleichung fur die Oxidations-mittelspezies i in Kugelkoordinaten fur einen quasistationaren Zustand, d.h. der Partikelradiuswird als konstant betrachtet, unter Anwendung des Fick’schen Gesetzes fur die Diffusion

ρ urdYidr− 1r2

d

dr

(r2 ρD

dYidr

)= 0

[g

cm3 s

], (185)

hier zunachst volumenbezogen dargestellt. Multipliziert man diese Gleichung mit der Flache derKugelschale bei r, erhalt man

ρ ur 4πr2︸ ︷︷ ︸const.

dYidr− 4π

d

dr

(r2 ρD

dYidr

)= 0

[g

cm s

], (186)

worin der erste Term aus einem konstanten Vorfaktor vor der Ableitung des Massenanteilsbesteht. Dieser Vorfaktor ist gerade der konvektive, vom Partikel weggerichtete Gesamtmassen-strom. Integration uber den Radius liefert nun

ρ ur 4πr2Yi − 4π r2 ρDdYidr

= C

[gs

], (187)

wobei C die Integrationskonstante darstellt. Sie entspricht dem durch Reaktion verbrauchtenMassenstrom der Komponente i. Der Reaktionsterm wirkt ausschließlich an der Partikeloberfla-che und stellt somit eine Randbedingung des Systems dar. Erneute Division durch die Flacheder aktuellen Kugelschale ergibt

mReaktion,i

4πr2= ρ ur Yi − ρD

dYidr

[g

cm2 s

]. (188)

Dies ist ein wichtiges Zwischenergebnis, die in der Reaktion mit Oxidationsmittel i verbrauchteMasse an i pro Oberflacheneinheit.

Auf Basis der Reaktionsgleichung

1 kg Bor + νst,i kg Oxidationsmittel→ (1 + νst,i) kg Produkt (189)

mit dem auf die Masse bezogenen stochiometrischen Koeffizienten νst,i erhalt man aus Gleichung188

m′′Ox =(m′′Ox + m′′Prod

)︸ ︷︷ ︸m′′Bor

Yi − ρDdYidr

, (190)

7Der Anteil der durch die Spezies i bedeckten reaktiven Oberflachenstellen θi ist zusatzlich als Faktor zuberucksichtigen. Diese Konsequenz wurde in der Modellbeschreibung durch Ulas in Artikeln und Dissertationnicht erwahnt.

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144 7 PSU-VERBRENNUNGSMODELL FUR BOR-EINZELPARTIKEL

wobei das doppelte Apostroph eine flachenbezogene Große anzeigt. Die gesuchte Große ist derverbrauchte Bormassenstrom pro Oberflacheneinheit, m′′Bor bei rP , den man uber weitere Um-formungen und unter Berucksichtigung der Reaktionsgleichung erhalt(

rPr

)2

m′′Bor (−νst,i) =(rPr

)2

m′′Bor Yi − ρDdYidr

(191)

⇔(rPr

)2

m′′Bor (νst,i + Yi) = ρDdYidr

. (192)

Integration uber die Gasphase ergibt∫ ∞rP

m′′Bor

ρD

(rPr

)2

dr =∫ Yi,∞

Yi,s

dYiYi + νst,i

(193)

m′′Bor

ρDrP = ln

(Yi,∞ + νst,iYi,s + νst,i

), (194)

woraus sich die von Ulas als GF,diff,i bezeichnete diffusive Bormassenstromdichte berechnen lasst,die durch das Oxidationsmittel i hervorgerufen wird

GF,diff,i =ρD

rPln

(Yi,∞ + νst,iYi,s + νst,i

)

=ρD

rPln

[(Yi,s + νst,i) + (Yi,∞ + νst,i)− (Yi,s + νst,i)

Yi,s + νst,i

]

=ρD

rPln

(1 +

Yi,∞ − Yi,sYi,s + νst,i

). (195)

Mit ln(1 + x) ≈ x fur x 1 ergibt sich schließlich fur die Massenstromdichte aus der Diffusionfur die oxidierende Spezies i

GF,diff,i =Yi,∞ − Yi,s

[rP (Yi,s + νst,i)] / (ρD), (196)

aus dem sich der diffusive Widerstand

Rdiff,i =rPρD

(Yi,s + νst,i) (197)

berechnen lasst. Unter der Annahme, dass Yi,s 1 ist, ergibt sich letztlich die von Yeh undKuo sowie Ulas verwendete Gleichung fur den diffusiven Widerstand der Spezies i

Rdiff,i =rPρD

νst,i. (198)

Wird die zuletzt vorgenommene Vereinfachung nicht zugelassen, so muss der Massenanteil derSpezies i an der Partikeloberflache iterativ bestimmt werden. Die Einheiten sind fur den Parti-kelradius rP [cm], fur die Dichte des umgebenden Gasgemischs [g/cm3] und fur den Diffusions-koeffizienten des Oxidationsmittels in der Gasatmosphare [cm2/s].

Das hier verwendete stochiometrische Massenverhaltnis νst,i ist der Kehrwert des bei Ulasangegebenen Verhaltnisses der Molmasse des Brennstoffs zu der des Oxidationsmittels in der-jenigen Elementarreaktion, die geschwindigkeitsbestimmend ist. Dies ist zum Beispiel fur die

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7.1 Beschreibung des Partikelabbrandmodells 145

globale Reaktion (GR6) zwischen Bor und Sauerstoff die Elementarreaktion (ER15), so dasssich νst,O2 zu

νst,O2 =12 MO2

MB=

0.5 · 31.99810.81

= 1.480 (199)

ergibt. Die geschwindigkeitsbestimmenden Elementarreaktionen der drei ubrigen globalen Re-aktionen sind (ER20), (ER26) bzw. (ER32), aus denen man die folgenden stochiometrischenMassenverhaltnisse erhalt

νst,H2O = 0.833νst,HF = 0.925 (200)νst,F = 1.757 .

Die Molmasse der Gasatmosphare sowie die Dichte ergeben sich unter der Annahme idealerGase und idealer Mischung aus den Molanteilen Xi und Molmassen Mi der einzelnen Spezies,die Diffusionskoeffizienten im Gasgemisch wurden von der PSU-Gruppe nach Formeln aus demGrundlagenbuch von Kuo, [14], berechnet.

Differentialgleichungen fur die zweite Stufe der VerbrennungEine Massenbilanz fur Bor ergibt unter der Annahme konstanter Dichte des Bors die gewohnlicheDifferentialgleichung fur den Partikelradiusverlauf mit der Zeit

GF,ges =mB

As= −

ρBdVpdt

As= −

ρBddt

(43π r

3P

)4π r2

P

⇔ drPdt

= −GF,gesρB

, (201)

wobei mB die pro Zeiteinheit abbrennende Masse des Bors und As die aktuelle Oberflache desPartikels bezeichnet.

Wenn sich die Partikeltemperatur von der Schmelztemperatur des Bors, von dieser Gruppezu Tm = 2450 K angegeben, unterscheidet, liefert eine Energiebilanz die Differentialgleichungfur die Partikeltemperatur

dTPdt

=4πr2

P43πr

3PρBcp,B

9∑j=6

−Rj∆H298R,j + hc (T∞ − TP ) + σεB

(T 4W − T 4

P

) , (202)

die Einflusse der Reaktionen, der konvektiven Warmeubertragung und der Strahlung beruck-sichtigt. Wahrend des Schmelzvorgangs bleibt die Partikeltemperatur konstant bei 2450 K undder Temperaturgradient in der Zeit ist somit gleich null. Der Anteil geschmolzenen Bors f (mit0 ≤ f ≤ 1) kann fur dieses Zeitintervall mit der folgenden Differentialgleichung bestimmt werden

df

dt=

4πr2P

43πr

3PρB∆Hm,B

9∑j=6

−Rj∆H298R,j + hc (T∞ − TP ) + σεB

(T 4W − T 4

P

) , (203)

wobei ∆Hm,B die Schmelzenthalpie des Bors und ∆H298R,j die Reaktionsenthalpie der j-ten glo-

balen Reaktion und Pi den Partialdruck des Oxidationsmittels i in der Gasphase bezeichnet.Fur die Emissivitat εB der Boroberflache wird mangels Daten der gleiche Wert wie in der erstenStufe, also derjenige fur Boroxid, angesetzt.

Die von Ulas gewahlten Oberflachenbedeckungsfaktoren θi mussten in die Differentialglei-chungen 202 und 203 eingehen. Dies wurde jedoch von Ulas nicht explizit angegeben. Dass alleOxidationsmittel gleiche Anteile bedecken, ist auch unwahrscheinlich, siehe Abschnitt 7.2.

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146 7 PSU-VERBRENNUNGSMODELL FUR BOR-EINZELPARTIKEL

7.1.6 Numerisches Modell

Das numerische Modell besteht aus zwei Untermodellen, in deren erstem der Abbau der Oxid-schicht simuliert wird, und die weitere Aufheizung bis zum Schmelzpunkt des Bors bei 2450 K.Ist nach komplettem Verschwinden der Oxidschicht diese Temperatur noch nicht erreicht, sogreift bereits der chemische Mechanismus der zweiten Phase, die Zeitspanne wird jedoch nochder ersten Stufe zugeordnet. Dieser Aspekt ist wichtig fur die Validierung des Modells, siehe Ka-pitel 8.8. Das zweite Untermodell fur die nachfolgende Stufe wird entsprechend ab Beginn desSchmelzens eingesetzt, bis der Partikelradius auf ein Prozent seines Ursprungswertes abgefallenist. Zur Losung wurde von Ulas ein Runge-Kutta-Verfahren vierter Ordnung verwendet.

Kritisch fur die Vorhersagen des Modells ist die Oxidschichtdicke zu Beginn der Rechnung, dienicht aus Messungen bekannt und daher ein Modellparameter ist. Ulas verwendet in seiner Arbeitunabhangig vom Ausgangsradius des Partikels eine Dicke xp,0 = 0.02 µm, obwohl die Autorendes PA-Modells nachgewiesen haben, dass dieser Wert linear mit dem Partikelursprungsradiuskorreliert. Auch dies ist wichtig beim Vergleich der Modellergebnisse in Kapitel 8.8.

7.2 Kritikpunkte am Originalmodell der PSU-Gruppe

Das Borpartikelverbrennungsmodell der Gruppe um K.K. Kuo an der Pennsylvania State Uni-versity wurde in der publizierten Form in das Softwarepaket Matlab implementiert, um seineFunktionsfahigkeit testen und die Ergebnisse mit den gemessenen Zeiten der ersten und zweitenStufe beim Abbrand von Bor-Einzelpartikeln vergleichen zu konnen. Prinzipiell funktioniertediese Implementierung, jedoch zeigten sich bei den untersuchten Testfallen Abweichungen zuden in Ulas’ Dissertation abgedruckten zeitlichen Temperatur- und Partikelradiusprofilen.

Diese Unterschiede und Inkonsistenzen waren die Motivation fur die Modellerweiterungen,die im Rahmen dieser Arbeit entwickelt wurden und Gegenstand von Kapitel 8 sind. Im folgen-den sollen die Kritikpunkte am Originalmodell zusammengefasst werden. Abschließend zeigt einVergleich zwischen den publizierten Temperatur- und Partikelradienverlaufen und eigenen Be-rechnungen mit den von Ulas veroffentlichten Gleichungen, dass die Ergebnisse der Gleichungenund die Profile teilweise nicht miteinander vereinbar sind.

7.2.1 Schwachstellen und Unstimmigkeiten

Der Hauptkritikpunkt am PSU-Modell ist die sehr vereinfachte Modellierung der physikali-schen Prozesse in der Umgebung der Einzelpartikel wahrend der zweiten Stufe der Verbrennung.Das gewahlte Konzept in Analogie zu einem elektrischen Schaltkreis wurde der Darstellung imGrundlagenbuch von Turns, [160], entnommen. Turns hat u.a. die folgenden Einschrankungenfur die Anwendbarkeit dieser Modellierungsweise genannt:

• Der Brennvorgang ist quasistationar.

• Das kugelformige Partikel brennt in einer ruhenden, unendlich ausgedehnten Umgebung,die nur ein Oxidationsmittel, Sauerstoff, das Produkt der Oberflachenreaktion und eininertes Gas, z.B. Stickstoff, enthalt. Es gibt keine Wechselwirkungen mit anderen Partikeln,und Einflusse der Konvektion werden vernachlassigt.

• Sauerstoff diffundiert zur Partikeloberflache hin, das Produkt der Reaktion von ihm weg,und das inerte Gas bildet eine stagnierende Schicht wie im Stefan-Problem.

• Die Stoffdaten Warmeleitfahigkeit und Warmekapazitat des Gases sowie das Produkt ausGasdichte und Diffusionskoeffizient des Oxidationsmittels in der Mischung werden als kon-stant angenommen. Zudem wird vorausgesetzt, dass die Lewis-Zahl gleich eins ist.

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7.2 Kritikpunkte am Originalmodell der PSU-Gruppe 147

Dieses Modell lasst es nicht zu, dass mehrere Oxidationsmittel in einer Art Parallelschaltungzur Partikeloberflache diffundieren, wie es Ulas vorgeschlagen hat. Die gegenseitige Beeinflussungder diffundierenden Spezies wird in dieser Vorstellung nicht betrachtet.

Insbesondere sind die Mehrkomponentendiffusion sowie von eins abweichende Lewiszahlen sonicht verwirklichbar. Letzteres ist in Systemen, die Wasserstoff enthalten, wie im hier betrach-teten Einsatzgebiet der Raketentriebwerke, aber notwendig, um realistische Vorhersagen treffenzu konnen, da Wasserstoff viel schneller diffundiert als schwerere Molekule.

In diesem Zusammenhang muss auch der von Ulas eingefuhrte Faktor θi in den Reakti-onsgeschwindigkeiten fur die zweite Stufe der Verbrennung kritisiert werden. Dieser reduziertdie Reaktionsgeschwindigkeiten pauschal um den Faktor des Kehrwerts der Oxidationsmittel-anzahl, und zwar unabhangig von den vorliegenden Konzentrationen. Diese Vorstellung fuhrtz.B. dazu, dass beim Hinzufugen nur geringer Mengen eines zweiten Oxidationsmittels die Ab-brandgeschwindigkeit gegenuber dem Zustand ohne zweites Edukt halbiert wird, was ein un-physikalischer Effekt ware. Zudem sind auch bei nur einem Edukt nicht alle Oberflachenstellendes Borpartikels mit Oxidationsmittel bedeckt, da auch Inerte oder Inhibitoren die Oberflachebedecken konnen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die im Originalmodell beschriebenen Reaktionsge-schwindigkeiten mit den Molanteilen der Oxidationsmittel im Unendlichen, also in großer Ent-fernung vom Partikel, gebildet werden. Die Geschwindigkeiten der heterogenen Reaktionen ander Partikeloberflache werden aber durch die direkt an der Oberflache vorliegenden Konzentra-tionen bestimmt. Von diesen Molanteilen hangt der jeweilige Bedeckungsfaktor ab und somit dieAnzahl der einer Reaktion zur Verfugung stehenden Molekule. Einige der verwendeten Messdatenzu Reaktionsgeschwindigkeiten wurden bei sehr verdunnten Bedingungen, fast Vakuum, also oh-ne Diffusionshemmung durchgefuhrt, andere bei atmospharischen Verhaltnissen. Im PSU-Modellwird hier allerdings nicht unterschieden, was eine inkonsistente Behandlung darstellt.

Daruber hinaus wurde bei genauer Prufung der angegebenen Reaktionsgeschwindigkeits-konstanten festgestellt, dass die Anpassung an die Messwerte teilweise fehlerhaft vorgenom-men wurde. Zudem wurde bei den Reaktionen (GR7) und (GR8) nicht diskutiert, wie sich einverschwindender Sauerstoffanteil in der Partikelumgebung auf die Reaktionsgeschwindigkeitenauswirkt. An beiden Reaktionen ist Sauerstoff beteiligt, die Geschwindigkeit wird jedoch nurbzgl. des Hauptoxidationsmittels der entsprechenden Reaktionen, H2O bzw. HF, berechnet.

Die zum Originalmodell veroffentlichten Gleichungen enthalten keine Verdunstungs- oderVerdampfungseffekte des bei Temperaturen uber 2450 K flussigen Borpartikels. In Umgebungenmit hohem Oxidationsmittelanteil sowie bei großeren Partikeln ab etwa 5 µm Durchmesser tretenPartikeltemperaturen oberhalb 2800 K auf. Spatestens ab diesem Temperaturniveau tragt dieVerdunstung eines Teils des Partikelmaterials merklich zum Abbau des Partikels bei. Wie imfolgenden Abschnitt noch gezeigt werden wird, liefern einerseits die veroffentlichten Gleichungender PSU-Gruppe diese Effekte zwar nicht, andererseits zeigen die angegebenen Temperaturprofilediese Vorgange eindeutig, so dass hier geschlossen werden muss, dass Teile des Modells nichtkorrekt beschrieben wurden.

Der Konvektionseinfluss in der zweiten Stufe der Einzelpartikelverbrennung wurde im PSU-Modell vernachlassigt, da die Partikel in den Experimenten an Flachflammenbrennern zu Be-ginn der zweiten Phase bereits naherungsweise ihre stationare Endgeschwindigkeit erreicht ha-ben. Fur die Nachrechnung solcher Versuche ist dieser Effekt daher vernachlassigbar. Allerdingsist die Konvektion im Hinblick auf die Implementierung eines solchen Partikelabbrandmodellsin eine numerische Stromungssimulation einer Raketenbrennkammer, in der es durch Turbu-lenzeinflusse und Strahlscherschichten immer Zonen spurbarer Relativgeschwindigkeit gibt, zuberucksichtigen. In diesem Einsatzgebiet konnen auch nach Entfernen der Oxidschicht noch Dif-ferenzgeschwindigkeiten auftreten, die zu einem beschleunigten Warme- und Stoffubergang am

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148 7 PSU-VERBRENNUNGSMODELL FUR BOR-EINZELPARTIKEL

Partikel fuhren und somit den Abbrand beschleunigen.In der Ausarbeitung des Originalmodells nach Ulas wurden in der Energiegleichung die Stan-

dardreaktionsenthalpien bei 298 K eingesetzt, ohne Berucksichtigung der Warmekapazitat derreagierenden Spezies. In der Summe steigen mit der notwendigen Beachtung dieses Aspekts dieReaktionsenthalpien bezogen auf die lokale Temperatur, so dass mehr Energie freigesetzt wird alsim PSU-Modell beschrieben. Noch wichtiger, es wurden in der Temperaturdifferentialgleichungdirekt die Reaktionsgeschwindigkeiten eingesetzt, d.h. ohne Berucksichtigung der Diffusions-hemmung wie in den Massenbilanzen. Dies ist eine fatale Inkonsistenz, da diesen gekoppeltenGleichungen somit unterschiedliche Umsatze zu Grunde liegen.

Des Weiteren wird im Modell der Kuo-Gruppe von konstanten Stoffdaten ausgegangen,auch denjenigen des Bors. Bei der Dichte des Bors fuhrt dies zu diskontinuierlichen Durch-messeranderungen beim Phasenwechsel.

Weniger entscheidend, aber der Vollstandigkeit halber sei angemerkt, dass wie bereits invorangegangenen Abschnitten erwahnt in der Reaktion (GR1) anstelle einer Sherwood-Zahl ei-ne Nußelt-Zahl verwendet wurde und dass die Modellvorstellung der Reaktion (GR4) bzgl. derElementarschritte und deren Reihenfolge eventuell fehlerhaft ist. Zudem unterscheidet sich dieAngabe zur Schmelztemperatur von Bor um uber 100 K. Ulas und die Bor-Herstellerfirma Good-fellow Cambridge Limited, [161], geben den Wert 2450 K an, die JANAF-Tabellen, [138], denWert 2350 K. In anderen Quellen sind noch hiervon abweichende Angaben zu finden.

Als letzter Punkt sei angemerkt, dass der sensible Modellparameter der anfanglichen Oxid-schichtdicke laut Dissertation von Ulas zu 0.02 µm gesetzt wurde. Nachrechnungen mit denOriginalgleichungen ergeben jedoch, dass in den veroffentlichten Profilen auch andere Werte furdiese Große verwendet worden sein mussen. Dies lasst an der Genauigkeit der Angaben zweifeln.

7.2.2 Gegenuberstellung von publizierten Profilen und Ergebnissen der Original-gleichungen

Nachfolgend wird ein Vergleich zwischen den durch die PSU-Gruppe veroffentlichten Tempe-ratur-, Oxidschichtdicken- und Radienverlaufen und eigenen Rechnungen mit der Implemen-tierung der von Ulas publizierten Gleichungen vorgenommen. Einzige Abwandlungen zu denveroffentlichten Gleichungen des PSU-Modells sind andere Gleichungen zur Berechnung derDiffusionskoeffizienten und der Warmeleitfahigkeit im Gas sowie eine stetige Dichteanderungwahrend des Schmelzvorgangs. Die Großenordnung dieser Werte ist jedoch gleich und ihre Va-riation zeigte nur geringe Abweichungen der Ergebnisse.

Im ersten Fall, dargestellt in Abbildung 41, handelt es sich um kleine Partikel mit einemAnfangsdurchmesser von 1 µm bei atmospharischem, also fur Brennkammerverhaltnisse niedri-gem Druck, so dass nach dem Kriterium 136 die Damkohler-Zahl viel kleiner eins ist und einekinetische Limitierung der Geschwindigkeit vorliegt. Die Gaszusammensetzung der Umgebungist mit ca. 22% Sauerstoff und 15% Wasserdampf bei einer Gastemperatur von etwa 2000 Kannahernd realistisch fur bestimmte Regionen im Anwendungsfall Staustrahltriebwerk. Man er-kennt, dass die Dauer der ersten Verbrennungsphase und der Verlauf der Oxidschichtdicke mitder Zeit gut reproduziert wird. Im hier nicht dargestellten Fall mit Fluorspezies im Gas zeigtesich allerdings eine weniger gute Ubereinstimmung, wobei der letztgenannte Fall weniger rele-vant fur die Meteor-Brennkammer ist. Im Gegensatz zu den Angaben zum Modell wurde indiesen Berechnungen eine Oxidschichtdicke zu Beginn von xP,0 = 0.03 µm statt der von derPSU-Gruppe genannten 0.02 µm angesetzt, was eine deutlich bessere Ubereinstimmung lieferte.

Der berechnete Temperaturverlauf stimmt ebenfalls gut uberein, auch dessen Maximum wirdgut wiedergegeben. Man erkennt, dass die Temperatur unterhalb der Schmelztemperatur des

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7.2 Kritikpunkte am Originalmodell der PSU-Gruppe 149

(a) Ergebnis aus [114] (b) eigene Rechnung mit Matlab

Abbildung 41: Zeitabhangige Temperatur-, Oxidschichtdicken- und Radienprofile eines Borpartikels beikinetischer Limitierung. dP,0 = 1 µm, xP,0 = 0.03 µm, P = 1 atm, T∞ = 2020 K, XO2 =0.219, XH2O = 0.147, Rest N2.

Bors von 2450 K bleibt und somit kein Schmelzvorgang stattfindet. Im Temperatur- und Parti-kelradienverlauf kann man erkennen, dass die Dauer der zweiten Phase der Verbrennung in dereigenen Rechnung ca. 13% kurzer ausfallt als in den veroffentlichten Daten. Ein Grund hierfurist nicht gefunden worden, da die publizierten Gleichungen8 ubernommen wurden. Aus den un-

8In der Differentialgleichung der Temperatur wurde im Gegensatz zu den veroffentlichten Gleichungen desOriginalmodells der Umsatz unter Berucksichtigung der kombinierten Diffusions- und kinetischen Limitierung wie

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150 7 PSU-VERBRENNUNGSMODELL FUR BOR-EINZELPARTIKEL

(a) Ergebnis aus [114] (b) eigene Rechnung mit Matlab

Abbildung 42: Zeitabhangige Temperatur-, Oxidschichtdicken- und Radienprofile eines Borpartikels beidiffusiver und kinetischer Limitierung. dP,0 = 7.5 µm, xP,0 = 0.02 µm, P = 8.5 atm, T∞= 2600 K, XO2 = 0.99, Rest N2.

teren Diagrammen der Abbildung 41 ist des Weiteren ersichtlich, dass wahrend der Zundphasedie Abnahme des Partikelradius praktisch vernachlassigbar ist und dass die Regression des Ra-dius in der zweiten Stufe der Verbrennung linear mit der Zeit verlauft, was ein Hinweis auf diekinetische Limitierung ist.

in der Massenbilanz statt direkt die Reaktionsgeschwindigkeiten eingesetzt, um das im vorangegangenen Abschnittbeschriebene Konsistenzproblem zu beseitigen.

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7.2 Kritikpunkte am Originalmodell der PSU-Gruppe 151

Abbildung 42 zeigt den zweiten Vergleich zwischen Veroffentlichung und Nachrechnung. Hier-bei handelt es sich um 7.5 µm-Partikel in einer fast reinen Sauerstoffatmosphare bei erhohtemDruck von 8.5 atm und hoherer Gastemperatur von 2600 K, die in einem Stoßwellenkanal derGruppe um H. Krier untersucht wurden. Unter diesen Bedingungen ist die Damkohler-Zahl inder Definition 136 gleich 0.85, so dass sowohl Reaktionskinetik als auch Diffusion hemmendwirken. Die hohe Sauerstoffkonzentration fuhrt daruber hinaus dazu, dass die globale Reaktion(GR6) sehr schnell ablauft und sehr hohe Temperaturen entstehen.

In den obersten zwei Diagrammen der Abbildung 42 zeigen sich eklatante Unterschiedezwischen veroffentlichtem Profil und dem Ergebnis der eigenen Rechnung in Matlab. Die un-realistisch extrem hohen Temperaturen in den eigenen Berechnungen sind u.a. eine Folge derVernachlassigung der Verdampfungsvorgange des Bors. Somit wird auch deutlich, dass die PSU-Gruppe nicht alle verwendeten Teilmodelle und Gleichungen in ihren Veroffentlichungen erwahnthat, auch nicht in der ausfuhrlichen Dissertation von Ulas. Der Siedepunkt des Bors bei 1 atmliegt bei 3931 K; in dessen Nahe steigt der Dampfdruck des Bors rapide an und die Verdampfungentzieht dem Partikel Energie. Dadurch wird der Siedepunkt nicht uberschritten, das Borparti-kel bleibt im flussigen Aggregatzustand. Beim hier vorliegenden hohen Druck von 8.5 atm liegtauch der Siedepunkt des Bors bei hoheren Temperaturen, knapp 4900 K, trotzdem muss derverdunstende Anteil des Bors berucksichtigt werden, um solch hohe Temperaturen zu vermei-den. Die verwendeten Stoffdaten und Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten sind im Ubrigen beidiesen Temperaturen nicht mehr gultig, und eine Extrapolation ist nicht zulassig.

Der deutliche Temperaturabfall gegen Ende der Verbrennung liegt darin begrundet, dass derWarmeubergangskoeffizient proportional dem Kehrwert des Partikelradius ist und daher mitgegen null gehendem Durchmesser uber alle Grenzen wachst. Das kleine Plateau der Temperaturbei 2450 K zeigt den Schmelzvorgang des Bors, der zugig abgeschlossen ist.

Die Dauer der ersten Phase der Verbrennung wird in der Nachrechnung um 38% uber-troffen, was an der anfanglichen Oxidschichtdicke, an der Berechnung der Bezugstemperatur derWarmeleitfahigkeit des Gases oder an hier vernachlassigten Konvektionseinflussen liegen kann.Die Form des Profils stimmt jedoch uberein und zeigt den nichtlinearen Verlauf, der auf den Dif-fusionsanteil in der Limitierung hinweist. Die zweite Stufe der Verbrennung wird in der eigenenRechnung ca. 10% zu kurz vorhergesagt, da die hier entstehenden extrem hohen Temperaturendie Reaktionsgeschwindigkeit in die Hohe treiben. Qualitativ sind die Radienprofile aber ahnlichund verdeutlichen ebenfalls den Einfluss der Diffusion.

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152 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

8 Erweitertes Bor-Verbrennungsmodell und seine Implementie-rung in einen Stromungsloser

In diesem Kapitel werden die im Rahmen dieser Arbeit vorgenommenen Erweiterungen desPSU-Borverbrennungsmodells beschrieben. Dies umfasst vor allem die neue Modellierung phy-sikalischer Effekte in der Partikelumgebung wahrend des Abbrennens, die Berucksichtigung derteilweisen Verdunstung des Bors und einer konvektiven Umstromung der Partikel sowie eineRevision der chemischen Reaktionsgeschwindigkeiten.

Das erweiterte Modell wurde zunachst fur Einzelpartikel in die Software Matlab implemen-tiert und anhand in der Literatur verfugbarer Messdaten validiert. Da es sich um eine quasistati-onare Betrachtung des Problems handelt, wurde zusatzlich ein vereinfachtes, instationares Ver-gleichsmodell implementiert, das zur Abschatzung der Modellgrenzen dient. Es folgt die Beschrei-bung der Implementation in die Stromungssimulationssoftware Ansys CFX mit der Darstellungeiniger Ergebnisse aus mit dem erweiterten Modell berechneten Brennkammerstromungen.

Das Kapitel schließt mit einer Literaturubersicht zur Chemie-Turbulenz-Kopplung in Mehr-phasenstromungen mit Verbrennung, die hinsichtlich einer zukunftigen Modellerweiterung zurgenaueren Berucksichtigung des Turbulenzeinflusses auf die Verbrennung diskutiert werden. Zu-dem dienen einige Beispieluntersuchungen zur Beeinflussbarkeit des Partikelabbrands durch Tur-bulenz als Ausblick auf zukunftig mogliche Arbeiten an diesem Modell.

8.1 Erste Stufe der Verbrennung

Die Modellierung der ersten Phase der Verbrennung wurde nahezu unverandert aus dem PSU-Modell ubernommen. Dies gilt vor allem fur die chemischen Prozesse und die Hemmung derReaktionen durch eventuell limitierende Diffusionsprozesse.

Die Abbrandgeschwindigkeit wahrend der ersten Stufe ist sehr gering, der Durchmesser desPartikels verringert sich kaum. Begrenzend wirken sich vor allem die Diffusion innerhalb derflussigen Oxidschicht und der langsame endotherme Verdunstungsprozess des Oxids aus.

Partikelaufheizphase und Oxidschichtabbau außern sich im realen Triebwerksprozess alsZundverzug, der die notwendige Gesamtverweildauer der Partikel in der Brennkammer verlangertund somit die Triebwerksleistung beeinflusst. Da die Gesamtabmessungen der Brennkammer inder Regel von Beginn an festgelegt sind, bedeuten zu lange Zundverzugszeiten eine Reduzierungdes Verbrennungswirkungsgrades und damit der Leistung des Triebwerks.

Den Hauptanteil der Verweilzeit macht die zweite Stufe der Verbrennung aus, in der praktischder gesamte Borumsatz erfolgt. Der Schwerpunkt der Neuerungen durch die vorliegende Arbeitwurde aus diesem Grund auf die zweite Stufe gelegt.

Fur die erste Phase wurden nur die Stoffdaten mit anderen Methoden berechnet, siehe An-hang D, um Konsistenz mit den Daten fur die zweite Stufe zu erhalten. Außerdem wurden furbeide Stufen die Werte der Reaktionsenthalpien nicht einfach wie im PSU-Modell angegeben beider Standardtemperatur 298.15 K ausgewertet, sondern die Auswirkung der Temperaturabhan-gigkeit der Reinstoffenthalpien

∆hR,j(T ) =∑i

νi,jhi(T ) =∑i

νi,j

(∆h298

f,i +∫ T

298.15 KcP,i(T ) dT

), (204)

d.h. der zusatzliche Anteil der spurbaren Energie, berucksichtigt. Eine genauere Beschreibungdieses Zusammenhangs findet sich in Anhang E, der u.a. die Herleitung der Energiegleichungfur ein Mehrkomponentensystem beschreibt.

Die wahrend der ersten Phase zu losenden Differentialgleichungen fur das Partikel werdenim Abschnitt 8.6 eingehend behandelt.

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8.2 Neue Modellierung der physikalischen Effekte in der Umgebung von Einzelpartikelnwahrend der zweiten Stufe der Verbrennung 153

8.2 Neue Modellierung der physikalischen Effekte in der Umgebung von Ein-zelpartikeln wahrend der zweiten Stufe der Verbrennung

Wie bereits in Abschnitt 7.2 angedeutet, liegt die Hauptkritik am Bor-Einzelpartikel-Verbren-nungsmodell der Gruppe um K.K. Kuo in der Behandlung der physikalischen Effekte in derUmgebung der Partikel. Damit ist in erster Linie die Berucksichtigung der Diffusion der chemi-schen Spezies in der gasformigen Umgebung der Partikel und die Kopplung mit den heterogenenOberflachenreaktionen gemeint.

Zunachst sollen hier noch einmal die Bedingungen zusammengefasst und diskutiert werden,unter denen das von Turns in [160] hergeleitete vereinfachte Kohleverbrennungsmodell gilt, dasdie Basis der physikalischen Effekte des Bor-Verbrennungsmodells der PSU-Gruppe bildet. Turnshat hierzu ein Ein-Film-Modell erstellt, das die Diffusion und die Reaktionskinetik in Analogiezu einem elektrischen Schaltkreis als zwei in Reihe geschaltete Widerstande betrachtet, die ei-ner Konzentrationspotentialdifferenz des Oxidationsmittels zwischen entfernter Umgebung undOberflache als treibendem Gefalle entgegenstehen. Diese Annahmen lauten im Einzelnen:

• Der Verbrennungsvorgang wird als quasistationar betrachtet. Dies bedeutet, dass sichKonzentrations- und Temperaturprofile im umgebenden Gas so schnell an die Bedingun-gen an der Partikeloberflache anpassen, als sei die Partikeltemperatur zeitlich konstantund die Konzentrationen an der Oberflache unveranderlich. Dies impliziert, dass sich dieKonzentrationsanderungen im Gas deutlich schneller vollziehen als ihre Anderungen ander Oberflache.

• Es wird von kugelformigen Partikeln ausgegangen, die sich in einer ruhenden Atmosphareund fern von benachbarten Partikeln befinden. Gegenseitige Beeinflussung der Partikelund konvektive Warme- und Stoffubertragung wird somit ausgeschlossen.

• Als Reaktion ist nur der Abbau des Kohlenstoffpartikels mittels Sauerstoff vorgesehen,also genau eine heterogene Reaktion. Da es sich um ein Ein-Film-Modell handelt, sindweitere Gasphasenreaktionen in der Umgebung ausgeschlossen. Wichtig ist insbesondere,dass dieser Ansatz nicht fur mehrere parallele Reaktionen vorgesehen ist. In diesem Sin-ne wurde Turns’ Modell aber von Ulas abgewandelt. Dessen Vorgehensweise der Bildungeiner Parallelschaltung ist jedoch nicht korrekt, weil Mehrkomponentendiffusion und kon-kurrierende Oxidationsmittel an der Oberflache nicht bzw. nur inkonsistent berucksichtigtwurden.

• Neben dem Produkt CO2 wurde nur eine inerte Komponente, namlich Stickstoff, zugelas-sen.

• Warmeleitfahigkeit, spezifische Warmekapazitat und das Produkt aus Dichte und Diffusi-onskoeffizient des Gases wurden als in der gesamten Gasumgebung konstant angenommen.Außerdem wurde die Lewis-Zahl Le = k/(cP ρD) gleich eins angenommen. Dies bedeutet,dass alle chemischen Spezies gleich schnell diffundieren und Konzentrations- und Tempe-raturverlaufe ahnlich sind. Unterschiedliche Diffusionsgeschwindigkeiten treten besondersdann auf, wenn die vorhandenen Spezies unterschiedliche Molmassen besitzen. Besondersleichte Komponenten wie Wasserstoff, der im Anwendungsfall der Meteor-Brennkammerin großeren Mengen vorliegt, diffundieren wesentlich schneller als schwerere Spezies wieB2O3. Dies wird im Falle Le = 1 nicht berucksichtigt.

• Das Partikel besitzt eine raumlich einheitliche Temperatur und gibt Energie als grauerStrahler ab, ohne Strahlungsabsorption durch das umgebende Gas.

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154 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Ein Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Prozesse in der Umgebung eines Einzelpartikelskonsistent und genauer abzubilden als im Modell der Gruppe an der Pennsylvania State Uni-versity. Dabei war allerdings auch die Vorgabe einzuhalten, ein Modell zu erstellen, das in denLagrange-Partikelloser eines Stromungssimulationsprogramms implementierbar ist und dessenRechenzeitaufwand im akzeptablen Bereich bleibt, um Fallstudien fur die industrielle Anwen-dung der Brennkammer zu ermoglichen.

Die wichtigste Anderung zum Originalmodell ist die Aufgabe des Konzepts der Analogie zumelektrischen Schaltkreis, um eine sinnvolle Betrachtung der Diffusionsprozesse zu ermoglichen. Imneuen Modell werden alle an der globalen Reaktionen beteiligten Gasphasenspezies bei der Dif-fusion berucksichtigt, auch die Produkte der heterogenen Reaktionen. Zudem werden nun auchSpezies berucksichtigt, die an den Gasphasenreaktionen in der Brennkammer beteiligt sind. Da-bei handelt es sich hauptsachlich um die Produkte der fetten Vorverbrennung im Gasgeneratordes Flugkorpers, in der ein Kohlenwasserstoffpolymer, das die Borpartikel enthalt, mit im Treib-satz vorhandenen Oxidationsmittel unter hohem Druck reagiert. In der Hauptbrennkammer, inder eine Mischung mit Stauluft erfolgt, reagieren neben den Borpartikeln auch die gasformigenProdukte der Vorverbrennung weiter. Die Borpartikel werden daher auch von diesen umgeben,was im neuen Modell ebenfalls berucksichtigt wird.

Eine Konsequenz der geanderten Modellierung ist eine sinnvollere Berechnung der Kinetikder heterogenen Reaktionen, da die Bedeckungsfaktoren der Oberflache bei der Adsorption derOxidationsmittel nun realistischer gewahlt werden konnen. Ulas hatte angenommen, dass jedesOxidationsmittel die gleiche Anzahl der zur Verfugung stehenden Oberflachenstellen besetzt –unabhangig von seiner Konzentration. Im erweiterten Modell wird davon ausgegangen, dass dieGeschwindigkeit der Reaktionen proportional dem Molanteil des Oxidationsmittels an der Ober-flache ist. Somit erfolgen erstens keine abrupten Reaktionsgeschwindigkeitsanderungen, wennkleine Mengen eines zusatzlichen Oxidationsmittels hinzugefugt werden und zweitens werdendie Geschwindigkeiten nicht mehr wie im Originalmodell auf die Konzentration im Unendlichenbezogen. Letzteres ist nur bei der Schaltkreisanalogie mit genau einem Oxidationsmittel alsNaherung moglich.

Das neue Modell lasst auch eine teilweise Verdunstung des Bors zu, worauf in Abschnitt 8.3eingegangen wird. Dies war im Originalmodell nicht enthalten. Der Verdunstungsvorgang unter-liegt ebenfalls einer Diffusionshemmung und ist mit den ubrigen Diffusionsprozessen gekoppelt,was im erweiterten Modell Beachtung findet.

Daruber hinaus erlaubt das neue Konzept auch variable Stoffdaten der Gasspezies und voneins abweichende Lewis-Zahlen. Damit wird die Mehrkomponentendiffusion und unterschiedli-che Diffusionsgeschwindigkeiten der einzelnen Spezies realistischer abgebildet. Die gegenseitigeBehinderung wird dadurch besser wiedergegeben.

In Abschnitt 8.4 wird beschrieben, wie sich mit dem erweiterten Modell auch der Einfluss derKonvektion berucksichtigen lasst. Dieser ist im Anwendungsfall der Brennkammer im Staustrahl-triebwerk auf keinen Fall vernachlassigbar, da die Borpartikel auf die Gasstrahlen aus den Luf-teinlassen treffen, wodurch hohe Relativgeschwindigkeiten entstehen konnen. Auch die starkeTurbulenz der Gasphase kann insbesondere bei großeren Partikeln zu Geschwindigkeitsdifferen-zen zum Gas fuhren, die den Warme- und Stoffubergang verbessern.

Annahmen fur das neue ModellNachfolgend werden die Annahmen zusammengefasst, denen das neue, im Rahmen dieser Arbeiterweiterte Modell unterliegt:

1. Die wichtigste Einschrankung, die bestehen bleibt, ist die Annahme einer quasistationarenAnderung der Temperatur- und Spezieskonzentrationsverlaufe in der Umgebung des Par-

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8.2 Neue Modellierung der physikalischen Effekte in der Umgebung von Einzelpartikelnwahrend der zweiten Stufe der Verbrennung 155

tikels. Eine Anderung der Randbedingungen, z.B. der Partikeltemperatur, fuhrt ohneVerzogerung zum Erreichen des stationaren Zustands fur die neuen Randbedingungen.Dies impliziert, dass sich die Werte an Partikeloberflache und in großer Entfernung zumPartikel langsamer andern als die Diffusionsgeschwindigkeit und Warmeleitung fur Aus-gleich sorgt.

Diese Bedingung kann unter bestimmten Umstanden sicherlich eine substantielle Abwei-chung von der Realitat bedeuten. Sie ermoglicht es jedoch, die ansonsten zu losendenpartiellen Differentialgleichungen fur die Kontinuitat, den Impuls, die Spezieskontinuitatund Enthalpie in der Gasumgebung als gewohnliche Randwertaufgabe zu beschreiben.Dies wiederum war Voraussetzung fur eine effiziente Losbarkeit des Problems, und erstdamit bestand die Moglichkeit, das Modell in einen Stromungsloser zu implementierenund auch mit sinnvollem Zeitaufwand zu nutzen. Tendenziell sind die Voraussetzungen furdiese Modellierung bei kleineren Partikeln und nicht allzu hohen Drucken eher erfullt. Sol-che Bedingungen sind in der hier betrachteten Anwendung einer Staustrahlbrennkammeranzutreffen.

2. Es wird von kugelformigen Einzelpartikeln ausgegangen, die sich nicht gegenseitig beein-flussen. Auch die Gasphase in der Umgebung der Partikel wird als kugelsymmetrisch an-gesehen. Durch eventuelle Konvektionseinflusse hervorgerufene Asymmetrien werden ver-nachlassigt. Die Konvektion wird nur in Form von integral verbessertem Warme- undStoffubergang mittels Nußelt- und Sherwood-Zahlen beschrieben, siehe Abschnitt 8.4. Die-se Betrachtungsweise ermoglicht die Reduktion der Gleichungen auf ein eindimensionalesProblem in der radialen Koordinate.

Abweichungen der Partikel von der Kugelform konnten in erster Naherung durch Einfuh-rung der Große Spharizitat Ψ ≡ (rK,V /rs)

2 berucksichtigt werden, die das Verhaltnis ausder Oberflache einer Kugel gleichen Volumens zur realen Oberflache des betrachteten Par-tikels darstellt, siehe z.B. [11]. Hiermit lassen sich Einflusse wie ein fur nicht-kugelformigePartikel erhohter Widerstandsbeiwert oder eine fur die heterogenen chemischen Reaktio-nen und den Warmeubergang wichtige vergroßerte spezifische Oberflache abbilden, ohnedie eindimensionale Gestalt der Modellgleichungen fur das verbrennende Einzelpartikelaufgeben zu mussen.

3. Die Gasumgebung des Partikels muss immer eine minimale Menge an Stickstoff enthalten,da diese Spezies verwendet wird, um die Summe aller Speziesanteile zu eins zu erganzen.Außerdem wird in der Berechnung der Diffusionskoeffizienten Stickstoff als Uberschuss-komponente angesehen, in der alle anderen Spezies verdunnt vorliegen.

In der betrachteten Anwendung ist dies keine schwerwiegende Einschrankung, da erstens inder Staubrennkammer mit Luft verbrannt wird, die zu 79% aus Stickstoff besteht, und diesbei Luftzahlen uber eins, also uberstochiometrisch. Zweitens enthalten auch die Produkteder fetten Vorverbrennung im Gasgenerator zu einem gewissen Anteil Stickstoff, so dassdiese Komponente im gesamten Rechengebiet vorliegen wird.

Auch die Experimente, die der Validierung dienen, siehe Abschnitt 8.8, wurden fast allemit Luft oder sauerstoffangereicherter Luft durchgefuhrt, so dass diese Annahme auchhierfur zulassig ist.

4. Das Produkt aus Dichte und Diffusionskoeffizient wird bei einer Referenztemperatur und-zusammensetzung bestimmt, s.u., und uber den Radius konstant gehalten. Es ist aberzeitlich veranderlich entsprechend dem quasistationaren Ansatz. Auf diese Weise wird derRechenaufwand vermindert und eine effiziente Losungsweise ermoglicht, indem

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156 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

5. eine lineare Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten gelost wird anstatt einernichtlinearen Differentialgleichung. Erlauterungen zu diesem Punkt werden in der untenangefuhrten Herleitung gegeben.

6. Da die chemischen Reaktionen aus dem Originalmodell der PSU-Gruppe ubernommen wur-den, werden am Partikel nur globale Oberflachenreaktionen, keine Gasphasenreaktionenvon Borspezies berucksichtigt. Damit handelt es sich ebenfalls um ein Ein-Film-Modell.

7. Eine letzte Bedingung gilt nur fur die Implementation in das Softwarepaket Matlab, mitdessen Hilfe die Modellentwicklung und die Validierungsrechnungen vorgenommen wurde:Die Randbedingungen in großer Entfernung zum Partikel beschreiben eine wahrend des ge-samten Partikelabbrands gleiche Zusammensetzung, sind also zeitlich konstant. Damit wirddas sich entwickelnde Abgas, das bei geringen Relativgeschwindigkeiten mitgeschwemmtwird, nicht als Bestandteil der Umgebung berucksichtigt. Gerade bei sehr kleinen Partikelnwurde sich dies hemmend auf die Abbrandgeschwindigkeit auswirken.

Bei der Implementation in den CFD-Loser wird diese Einschrankung relaxiert, da in diesemFall die sich andernde Gaszusammensetzung in der Umgebung in die Rechnung einbezogenwird.

SpeziesdiffusionsgleichungenAusgangspunkt des Modells ist die allgemeine Form der Kontinuitatsgleichung fur den Massen-anteil Yi der Spezies i in Kugelkoordinaten (r, θ, φ)

ρ

(∂Yi∂t

+ ur∂Yi∂r

+uθr

∂Yi∂θ

+uφ

r sin θ∂Yi∂φ

)+

1r2

∂r

(r2ρYi Vir

)+

1r sin θ

∂θ

(sin θ ρYi Viθ

)+

1r sin θ

∂φ

(ρYi Viφ

)= ωi . (205)

Dabei bezeichnen ρ die Gasdichte und (ur, uθ, uφ) die konvektiven Geschwindigkeiten in Richtungdes Radius, des Scheitel- oder Azimutwinkels sowie des Polarwinkels. Die Diffusionsgeschwin-digkeiten berechnen sich unter Annahme der Gultigkeit des Fick’schen Gesetzes mittels

Vir = −DYi

∂Yi∂r

, Viθ = − D

Yi r

∂Yi∂θ

und Viφ = − D

Yi r sin θ∂Yi∂φ

, (206)

woraus sich die dreidimensionale Spezieserhaltungsgleichung

ρ

(∂Yi∂t

+ ur∂Yi∂r

+uθr

∂Yi∂θ

+uφ

r sin θ∂Yi∂φ

)− 1r2

∂r

(r2ρD

∂Yi∂r

)

− 1r sin θ

∂θ

(sin θ

ρD

r

∂Yi∂θ

)− 1r sin θ

∂φ

(ρD

r sin θ∂Yi∂φ

)= ωi (207)

ergibt. Unter Berucksichtigung der angenommenen Symmetrien verschwinden die partiellen Ab-leitungen in den Winkelkoordinaten. Die Hauptannahme des neuen Modells bleibt die Qua-sistationaritat, so dass die zeitliche Anderung wegfallt. Gasphasenreaktionen in der direktenPartikelumgebung, d.h. innerhalb weniger Partikelradien, werden ausgeschlossen, da sie in die-sem Modell bereits in den globalen heterogenen Reaktionen enthalten sind. Hierdurch ist derReaktionsterm in der Gasphase gleich null und die Spezieskontinuitatsgleichung geht in

ρ urdYidr− 1r2

d

dr

(r2 ρD

dYidr

)= 0

[g

cm3 s

](208)

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8.2 Neue Modellierung der physikalischen Effekte in der Umgebung von Einzelpartikelnwahrend der zweiten Stufe der Verbrennung 157

uber, was Gleichung 185 entspricht.Analog zu Abschnitt 7.1.5 wird diese Gleichung nun mit der Flache der Kugelschale bei der

aktuellen Koordinate r multipliziert

ρ ur 4πr2 dYidr− 4π

d

dr

(r2 ρD

dYidr

)= 0

[g

cm s

]. (209)

Die Gesamtkontinuitatsgleichung in Kugelkoordinaten

∂ρ

∂t+

1r2

∂r

(r2ρur

)= 0 (210)

zeigt, dass im stationaren Fall mit verschwindender Zeitableitung der konvektive, vom Parti-kel weggerichtete, mit der radialen Schwerpunktgeschwindigkeit ur gebildete Nettomassenstromkonstant ist

r2ρur =mnetto

4π= const. , (211)

womit man aus Gleichung 209 die fur alle Spezies zu losende Differentialgleichung zweiter Ord-nung

mnettodYidr− 4π

d

dr

(r2ρDi,m

dYidr

)= 0 (212)

erhalt. Die Gesamtheit der Gleichungen 212 fur alle Gasphasenspezies i = 1 . . . n ist der Kerndes neuen Modells.

Randbedingungen und UnbekannteDie Randbedingungen der Differentialgleichungen 212 lauten(

mnettoYi − 4πr2ρDdYidr

)∣∣∣∣r=rP

= +mi,Reaktionen an der Partikeloberflache (213)

Yi (r →∞) = Yi,∞ in großer Entfernung zum Partikel. (214)

Fur den Massenstrom der Komponente i, der sich aus den Umsatzen aller Reaktionen, an deneni beteiligt ist, zusammensetzt, gilt

mi,Reaktionen =

< 0 fur Edukte

= 0 fur Inerte

> 0 fur Produkte

. (215)

Im ”Unendlichen“, also in großer Entfernung zum Partikel bezogen auf seinen Durchmesser, istdie Gaszusammensetzung bekannt. An der Partikeloberflache, gekennzeichnet durch den Indexs, sind die Massenbruche Yi,s, von denen die Reaktionsgeschwindigkeiten abhangen, jedoch nochzu berechnen. Des Weiteren ist zunachst der konvektive Nettomassenstrom

mnetto = ρ ur 4πr2 = mBor,Reaktion (216)

unbekannt, der dem Gesamtmassenstrom des durch heterogene Oberflachenreaktionen abgebau-ten Bors entspricht und somit eine entscheidende Große im Verbrennungsprozess darstellt.

Es gibt also n + 1 Unbekannte Y1,s bis Yn,s sowie mnetto. Zur Losung des Systems stehendie n Speziesdiffusionsgleichungen zur Verfugung. Als letzte notwendige Gleichung dient dieInformation, dass sich der durch Reaktionen hervorgerufene Nettomassenstrom als Summe dereinzelnen Reaktionsquellterme in den Spezieserhaltungsgleichungen ergibt.

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158 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Herleitung des Losungsansatzes bei nur einer OberflachenreaktionIn diesem Unterabschnitt soll zunachst der Losungsansatz anhand der heterogenen Reaktiondes Bors ausschließlich mit Sauerstoff beschrieben werden. Andere Spezies, auch Inerte, sindhier vorerst nicht gegenwartig. Die Gasphase besteht somit nur aus O2 sowie dem Produkt derglobalen Reaktion (GR6), B2O2.

Ausgehend von Gleichung 212 fur Sauerstoff integriert man zunachst einmal bzgl. r underhalt

ρ ur 4πr2YO2 − 4π r2 ρDdYO2

dr= C = const.

[gs

](217)

mit der Integrationskonstante C, die dem durch Reaktion verbrauchten Massenstrom des Sauer-stoffs entspricht, wie die Randbedingung 213 zeigt. Division durch den Nettomassenstrom fuhrtauf

YO2 −4π ρDmnetto

r2 dYO2

dr=mO2,Reaktion

mnetto. (218)

Den Sauerstoffmassenstrom, der in der hier einzigen Reaktion GR6 umgesetzt wird, berechnetman uber

mO2,Reaktion = 4πr2s k6P

MGas,s

MO2

YO2,s︸ ︷︷ ︸XO2,s︸ ︷︷ ︸

Umsatz Bor durch GR6 in mol/s

νO2,GR6

(−νB,GR6)MO2 , (219)

wobei der Index s Werte an der Partikeloberflache, YO2 den Massen- und XO2 den Molanteil desSauerstoffs bezeichnen. Da der konvektive Massenstrom mnetto konstant ist, kann man ihn ohneBeschrankung der Allgemeinheit mit den Werten an der Partikeloberflache bilden. Die rechteSeite der Gleichung 219 stellt das Produkt aus Umsatz des Bors in mol/s mit dem Umrech-nungsfaktor in die umgesetzte Sauerstoffmasse pro Zeiteinheit dar. Dabei stehen die νi,j fur diestochiometrischen Koeffizienten der Spezies i in der globalen Reaktion j.

Da in dieser Herleitung nur eine Reaktion stattfindet, ergibt die Gesamtbilanz, dass dieNettomassenstromdichte an der Oberflache gleich der durch O2 abreagierenden Bormasse proOberflacheneinheit ist

ρsur,s = m′′netto,s = k6PMGas,s

MO2

YO2,sMB . (220)

Dieses Ergebnis erhalt man durch Summation aller Spezieskontinuitatsgleichungen der Art 218,durch die sich die Diffusionsterme gegenseitig aufheben und nur das netto abreagierende Borvon der Oberflache nach außen stromt.

Die Umstellung nach der ortlichen Ableitung des Sauerstoff-Massenanteils ergibt die lineareDifferentialgleichung

dYO2

dr=

4πr2s

(k6P

MGas,s

MO2YO2,sMB

)4πr2 (ρDO2,m)

· YO2(r)−4πr2

s k6PMGas,s

MO2YO2,s

νO2,GR6

(−νB,GR6)MO2

4πr2 (ρDO2,m)(221)

mit dem Diffusionskoeffizienten DO2,m.Die Diffusion der Spezies i wird vereinfacht als binare Diffusion der Spezies i in der Mi-

schung m berechnet. Bei diesem Ansatz wird davon ausgegangen, dass eine Spezies immer imUberschuss vorhanden ist, im vorliegenden Anwendungsfall Stickstoff N2, daher die oben ge-stellte Bedingung 3 zum neuen Modell. Dies ermoglicht eine wesentlich effizientere Berechnungder Diffusion, da nicht die binaren Diffusionskoeffizienten zwischen allen Speziespaaren in derMischung bestimmt werden mussen, bei akzeptablem Verlust an Genauigkeit. Anhang D be-schreibt die verwendete Methode genauer. In dieser Herleitung wird zunachst von einer reinen

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8.2 Neue Modellierung der physikalischen Effekte in der Umgebung von Einzelpartikelnwahrend der zweiten Stufe der Verbrennung 159

Sauerstoff-B2O2-Atmosphare ausgegangen, hier musste also tatsachlich ein binarer Diffusions-koeffizient eingesetzt werden. In den real berechneten Systemen gilt jedoch das weiter obenGesagte.

Fur das geplante Losungsverfahren im neuen Verbrennungsmodell wird zusatzlich angenom-men, dass das Produkt aus Dichte und Diffusionskoeffizient uber die gesamte radiale Koordi-nate konstant einem mittleren Referenzwert entspricht. Dieser Ansatz ist aus der Literatur zurTropfchenverdunstung als 1/3-Regel nach Sparrow und Gregg, [162] sowie Yuen und Chen, [163],oder alternativ als 1/2-Regel nach Renksizbulut und Yuen, [164], bekannt:

Tref = Ts + f1 (T∞ − Ts) ; Yi,ref = Yi,s + f1 (Yi,∞ − Yi,s) (222)

mit f1 = 1/3 oder 1/2. Das Produkt aus Dichte und Diffusionskoeffizient ist also innerhalb desGrenzschichtfilms konstant, variiert aber in der Zeit entsprechend dem quasistationaren Ansatzmit sich andernder gemittelter Temperatur.

Auf diese Weise erhalt man mit den Definitionen

aO2 ≡r2s m′′netto,s

ρDO2,m(223)

und εO2 ≡ mO2,Reaktion

mnetto=

4πr2s

(k6P

MGas,s

MO2YO2,s

νO2,GR6

(−νB,GR6)MO2

)4πr2

s

(k6P

MGas,s

MO2YO2,sMB

) (224)

eine lineare Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten

dYO2

dr=aO2

r2(YO2(r)− εO2) , (225)

die sich mittels Trennung der Variablen unter Beachtung der oben beschriebenen Randbedingung214 analytisch losen lasst. Durch Integration erhalt man

YO2,∞∫YO2

(r)

dYO2

YO2 − εO2

=∞∫r

a1r2dr

lnYO2,∞ − εO2

YO2(r)− εO2

= a1r

(226)

und hieraus das radiale Profil des Sauerstoff-Massenanteils in der Partikelumgebung

YO2(r) = εO2 + (YO2,∞ − εO2) · exp(−aO2

r

); (227)

fur r = rs findet sich mit diesem Ergebnis die gesuchte Große YO2,s

YO2,s = εO2 + (YO2,∞ − εO2) · exp(−aO2

rs

). (228)

Zusammen mit Gleichung 220 lasst sich der durch Sauerstoff abreagierende Bormassenstrombestimmen. Allerdings ist eine Iteration erforderlich, da die Koeffizienten a und ε der Differen-tialgleichung implizit von der Losung an der Oberflache abhangen.

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160 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Auch fur das Produkt B2O2 erhalt man eine Losung der Gestalt 228,

YB2O2,s = εB2O2 + (YB2O2,∞ − εB2O2) · exp(−aB2O2

rs

)(229)

mit εB2O2 =1

m′′netto,s

k6PMGas,s

MO2

YO2,sνB2O2,GR6

(−νB,GR6)MB2O2 (230)

und aB2O2 =r2s m′′netto,s

ρDB2O2,m, (231)

womit alle Gleichungen fur das vereinfachte System Sauerstoff-Boroxid B2O2 zusammengestelltwaren.

Vorgehensweise bei der LosungDie vorgenommene Darstellung des Problems als lineare Differentialgleichung mit konstantenKoeffizienten erfordert aufgrund der impliziten Abhangigkeiten eine Iteration. Der Losungs-algorithmus lautet folgendermaßen:

1. Schatzung der Massenanteile der Gasphasenspezies an der Partikeloberflache Yi,s.

2. Durch die quasistationare Betrachtung liegt die Partikeltemperatur TP fest.

3. Berechnung des Nettomassenstroms mnetto uber die Gesamtmassenbilanz.

4. Bestimmung des Produkts aus Dichte und Diffusionskoeffizienten fur jede Spezies in derGasmischung ρDi,m. Die Auswertung erfolgt bei der Temperatur und Zusammensetzungdes Referenzzustands entsprechend der 1/3- oder 1/2-Regel.

5. Man erhalt eine lineare Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten fur jeden Spe-ziesmassenbruch Yi.

6. Diese Gleichung wird analytisch gelost. Es ergeben sich die neuen Massenanteile an derPartikeloberflache Yi,s.

7. Hiermit wird erneut bei 3. begonnen, bis sich Massenbruche an der Oberflache und derNettomassenstrom nur noch unterhalb einer wahlbaren Toleranz andern.

8. Das Endergebnis dieses Prozesses lasst die Berechnung der Bormassenstrome zu, die durchjede einzelne globale Oberflachenreaktion GR6 bis GR9 hervorgerufen werden, und damitauch die Energiefreisetzung, die zur Temperaturanderung des Partikels beitragt.

Dieser Vorgang muss in jedem Zeitschritt der Berechnung des Temperatur- und Radienverlaufsdes Partikels bzw. der Berechnung der Trajektorien erneut ausgefuhrt werden. Die Hoffnungwahrend der Modellentwicklung war, dass nur wenige Iterationsschritte zur Konvergenz erfor-derlich seien. Dies ist erfreulicherweise auch oft der Fall, es gibt aber Bedingungen, unter denensehr viele Iterationen notwendig sind. Dazu mehr in Abschnitt 8.8.

Wie in Abschnitt 8.3 gezeigt wird, muss bei Berucksichtigung der Verdunstung eines Teilsdes Bors der Algorithmus angepasst werden. Fur die Implementierung in den CFD-Loser istdie beschriebene Vorgehensweise aus Kostengrunden zu empfehlen. Fur die Einzelpartikelun-tersuchungen in der Software Matlab ist auch eine Variation der Stoffdaten mit der radialenKoordinate denkbar, so dass auch die vereinfachende Anwendung der 1/3-Regel verzichtet wer-den kann. Hierzu muss zusatzlich eine Energiegleichung in der Gasphase gelost werden, unddas System aus dann n + 1 Randwertaufgaben zuzuglich einer analytischen Gleichung ist nurnoch numerisch losbar. Der Rechenaufwand ist auf diese Weise aber um ein Vielfaches hoher,vgl. Abschnitt 8.9.

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8.2 Neue Modellierung der physikalischen Effekte in der Umgebung von Einzelpartikelnwahrend der zweiten Stufe der Verbrennung 161

Gleichungen fur den allgemeinen Fall unter Berucksichtigung aller ReaktionenIm folgenden werden die Gleichungen fur alle im neuen Modell beteiligten Spezies und Reaktio-nen zusammengestellt. Der Einfluss der Bor-Verdunstung und der konvektiven Anstromung derPartikel wird erst in spateren Abschnitten hinzugefugt.

Die Einbeziehung der zusatzlichen Reaktionen verandert die zu berucksichtigenden Quell-terme in den Differentialgleichungen und den vom Partikel weggerichteten Nettomassenstromdes Bors. Auf Basis der Gleichungen 212 und 218 lasst sich fur den allgemeinen Fall unter Ein-schluss aller vier globaler Reaktionen der zweiten Stufe der Verbrennung, GR6 bis GR9, dieDifferentialgleichung nach der ersten Integration als

4πr2sρsur,s Yi − 4πr2ρDi,m

dYidr

= 4πr2s

9∑j=6

Rjνi,j

(−νB,j)Mi (232)

schreiben. Die konvektive Massenstromdichte, die vom Partikel weggerichtet ist, wird im allge-meinen Fall zu

ρsur,s = m′′netto,s =9∑j=6

RjMB

= MGas,sMB

(k6P

YO2,s

MO2

+ k7P

RuTP

YH2O,s

MH2O

+k8P

RuTP

YHF,s

MHF+ k9

P

RuTP

YF,s

MF

)(233)

und ist von den Massenanteilen der Oxidationsmittel an der Partikeloberflache, Yi,s, abhangig.Die Reaktionsgeschwindigkeiten fur die zweite Stufe der Verbrennung R6 bis R9 beziehen sich aufmol Bor pro Flachen- und Zeiteinheit, nicht auf den Formelumsatz. Analog zu den Gleichungen223 bis 225 lasst sich die Differentialgleichung fur Spezies i als

dYidr

=air2

(Yi(r)− εi) (234)

mit den beiden Parametern

ai ≡r2s m′′netto,s

ρDi,mund εi ≡ −

4π r2s

9∑j=6

Rjνi,j

(−νB,j)Mi

mnetto(235)

darstellen. Wie in den Gleichungen 227 und 228 ergeben sich unter Beachtung der Randbe-dingung 214 die folgenden Losungen fur das Profil des Massenanteils der Spezies i und dessengesuchten Wert an der Partikeloberflache

Yi(r) = εi + (Yi,∞ − εi) · exp(−air

)(236)

und Yi,s = εi + (Yi,∞ − εi) · exp(−airs

). (237)

Die εi bezeichnen das Verhaltnis des umgesetzten bzw. produzierten Massenstroms der Kompo-nente i zum konvektiven Nettogesamtmassenstrom mnetto. Fur Edukte aus der Gasphase sinddie εi negativ, fur Produkte positiv, und sie summieren sich uber alle Komponenten zu eins

n∑i=1

εi = 1 , (238)

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162 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Tabelle 13: Gleichungsparameter εi der an den globalen heterogenen Reaktionen der zweiten Stufe derVerbrennung beteiligten Spezies. Fur Inerte ist εi = 0. Hier ohne Berucksichtigung moglicherBor-Verdunstung und ohne Limitierung der Reaktionen GR7 und GR8.

Spezies i εi

O2 εO2 = MGas,sMO29∑j=6

RjMB

(k6P

YO2,s

MO2

−12 + k7

PRuTP

YH2O,s

MH2O

−3/22 + k8

PRuTP

YHF,s

MHF

−3/22

)

H2O εH2O = MGas,sMH2O

9∑j=6

RjMB

(k7

PRuTP

YH2O,s

MH2O

−12

)

HF εHF = MGas,sMHF9∑j=6

RjMB

(k8

PRuTP

YHF,s

MHF

−12

)

F εF = MGas,sMF9∑j=6

RjMB

(k9

PRuTP

YF,s

MF

−31

)

B2O2 εB2O2 = MGas,sMB2O29∑j=6

RjMB

(k6P

YO2,s

MO2

12

)

HOBO εHOBO = MGas,sMHOBO9∑j=6

RjMB

(k7

PRuTP

YH2O,s

MH2O

22 + k8

PRuTP

YHF,s

MHF

12

)

OBF εOBF = MGas,sMOBF9∑j=6

RjMB

(k8

PRuTP

YHF,s

MHF

12

)

BF3 εBF3 = MGas,sMBF39∑j=6

RjMB

(k9

PRuTP

YF,s

MF

12

)

da insgesamt gerade der Massenstrom des abreagierenden Bors konvektiv vom Partikel fort-transportiert wird. Fur alle inerten Spezies gilt εi = 0, da sie keinen Beitrag zu den Reaktionenleisten.

An den globalen Reaktionen der zweiten Stufe der Verbrennung sind insgesamt acht Spezi-es beteiligt, und zwar O2, H2O, HF, F, B2O2, HOBO, OBF und BF3. Zusatzlich wurden furden Einsatz im CFD-Stromungsloser die Komponenten CH4, H2, CO und CO2 berucksichtigt,da diese an Gasphasenreaktionen in der Brennkammer teilnehmen und in der Partikelumge-bung vorliegen, sowie gasformiges B2O3 als Endprodukt der Borverbrennung mit Sauerstoff;B2O3 kann auch kondensieren und somit Zweiphasen-Verluste in der Triebwerksduse verursa-chen. Der Kondensationsvorgang wurde jedoch in der derzeitigen Modellierung ausgeschlossen.Von diesen funf Spezies wird allerdings im Rahmen dieser Arbeit angenommen, dass sie sich in-ert gegenuber festem Bor verhalten und nicht an den globalen heterogenen Reaktionen beteiligtsind. Hinzu kommt gasformiges Bor, sobald Verdunstung des Bors einsetzt, und Stickstoff alsUberschusskomponente.

Tabelle 13 fasst die Gleichungsparameter εi der einzelnen Spezies zusammen. Bei den Eduk-ten und Produkten, die an den globalen Reaktionen GR7 und GR8 beteiligt sind, ist eine Beson-derheit zu beachten: Die Reaktionsgeschwindigkeiten in der von der PSU-Gruppe angegebenen

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8.2 Neue Modellierung der physikalischen Effekte in der Umgebung von Einzelpartikelnwahrend der zweiten Stufe der Verbrennung 163

Form sind dabei nur vom Molanteil des jeweiligen Hauptoxidationsmittels abhangig, d.h. vonWasserdampf in GR7 bzw. Fluorwasserstoff in GR8. An diesen globalen Reaktionen ist aberauch Sauerstoff beteiligt, so dass sie nur stattfinden konnen, wenn auch Sauerstoff an der Parti-keloberflache vorhanden ist. Wie eine solche Limitierung aussehen kann, wird in Abschnitt 8.5.3beschrieben und hat Auswirkungen auf den Parameter εi der beteiligten Spezies sowie auf denNettogesamtmassenstrom aus Gleichung 233.

Stickstoff als UberschusskomponenteDie Summe aller Speziesmassenanteile muss eins ergeben. Aufgrund numerischer Ungenauigkeit,z.B. Rundungsfehler oder Abbruchkriterien bei einer Iteration, ist es praktisch unvermeidbar,dass diese Bedingung verletzt wird, wenn alle Erhaltungsgleichungen gelost werden. Dieses Pro-blem wird umgangen, wenn der Anteil einer speziellen Komponente als eins minus die Summeder ubrigen Massenbruche berechnet wird. Hierfur ist es erforderlich, dass die gewahlte Speziesimmer und uberall im Rechengebiet vorhanden ist.

Die gewahlte Berechnungsweise fur die Diffusionskoeffizienten in Form binarer Diffusionder aktuell betrachteten Komponente in der Mischung bedingt ebenfalls, dass eine Spezies imUberschuss vorliegt. Im Rahmen dieser Arbeit wurde hierfur Stickstoff N2 ausgewahlt, da so-wohl in den Gasgeneratorprodukten als auch und vor allem in der Stauluft fur die BrennkammerStickstoff immer vorhanden ist. Zudem wird Stickstoff im derzeitigen Modell als inert betrachtet.

Zu Visualisierungszwecken und zur Uberprufung der Rechengenauigkeit war es gewunscht,auch das Profil des Stickstoffmassenanteils zu berechnen. Weil die Diffusionskoeffizienten alsbinare Interaktion mit der Mischung bestimmt wurden, kann dieser Ansatz nicht fur die n-teKomponente verwendet werden. Die Diffusionsgeschwindigkeit VN2,r des Stickstoffs in radialerRichtung wird daher als die negative Summe der Diffusionsgeschwindigkeiten der ubrigen Speziesberechnet, da der Nettodiffusionsstrom verschwinden muss. Die Kontinuitatsgleichung fur N2

lautet4πr2

sρsur,s YN2 − 4πr2m′′N2,Diffusion = 0 . (239)

Die Diffusionsmassenstromdichte ergibt sich aus den ubrigen Speziesprofilen mit

m′′N2,Diffusion = ρYN2 VN2,r = −ρn−1∑i=1

Yi Vi,r = −ρn−1∑i=1

−Di,mdYidr

⇔ m′′N2,Diffusion =n−1∑i=1

ρDi,mdYidr

, (240)

womit man das Profil fur den Stickstoffmassenanteil erhalt

YN2(r) = −4π

n−1∑i=1

ρDi,mdYidr

4π r2s m′′netto,s

· r2 . (241)

Die Ableitung der Profile der ubrigen Spezies nach der radialen Koordinate ergibt sich zu

dYidr

=air2

(Yi,∞ − εi) · exp(−air

), (242)

so dass man schließlich fur den Verlauf des Stickstoff-Massenanteils erhalt

YN2(r) = − 1r2s m′′netto,s

n−1∑i=1

ρDi,m ai (Yi,∞ − εi) · exp(−air

). (243)

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164 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

8.3 Berucksichtigung der Verdunstung des Bors

Wie der Vergleich der Ergebnisse des PSU-Originalmodells mit den veroffentlichten Tempe-raturverlaufen zeigt, scheint auch die Gruppe um Kuo den Effekt der Borverdunstung internberucksichtigt zu haben, auch wenn die publizierten Gleichungen dies nicht wiedergeben. Be-rechnungen auch mit dem neuen Modell zeigen in jedem Fall, dass eine teilweise Verdampfungdes Bors bei hoheren Temperaturen berucksichtigt werden muss. Die Verdunstung spielt be-reits bei Temperaturen oberhalb 2600 K eine merkliche Rolle, und schon Partikel mit etwa5 µm Anfangsdurchmesser konnen bei der Verbrennung an Luft in diese Temperaturbereichegelangen. Eine entscheidende Erweiterung des Originalmodells ist daher das Einbeziehen derBor-Verdunstung, die Teil des neuen Modells ist und in diesem Abschnitt beschrieben wird.

Die teilweise Verdunstung des Bors wird erst oberhalb der Schmelztemperatur berechnet, eineSublimation wird somit ausgeschlossen. An der Partikeloberflache wird von Phasengleichgewichtausgegangen, d.h. die Temperatur des Gases und des flussigen Bors sind an der Kontaktflacheidentisch. Diese Annahme ist zulassig, wenn der Phasenubergang viel schneller verlauft als derdiffusive Stofftransport vom Partikel weg, wovon hier ausgegangen wird.

Der Dampfdruck des Bors wird mittels der Clausius-Clapeyron-Gleichung berechnet,

h′′ − h′ = T(s′′ − s′

)= T

(v′′ − v′

) dPdT

(244)

bzw.dP

dT=

s′′ − s′

v′′ − v′=

h′′ − h′

T (v′′ − v′), (245)

mit der spezifischen Enthalpie h, der spezifischen Entropie s und dem molaren Volumen v, wobeidas doppelte Hochkomma die Zustandsgroßen in der Dampf- und das einfache Apostroph dieZustandsgroßen der Flussigphase bezeichnet. Fur die weitere Verwendung werden die folgendenAnnahmen getroffen:

• Das molare Volumen der Flussigkeit v′ wird gegenuber dem molaren Dampfvolumen ver-nachlassigt. Dies ist hier zulassig, da das Flussigkeitsvolumen um zwei bis vier Großenord-nungen kleiner ist als dasjenige des Dampfes.

• Der gesattigte Dampf wird als ideales Gas angesehen, so dass man v′′ = RT/P schreibenkann. Im betrachteten Anwendungsbereich in der Brennkammer mit hohen Temperaturenund mittelhohen Drucken ist dies akzeptabel.

• Die Temperaturabhangigkeit der Verdampfungsenthalpie ∆hv = h′′ − h′ wird vernachlas-sigt, so dass ∆hv als konstant betrachtet werden kann. Diese Bedingung ist nicht gesichert,allerdings sind mangels Messdaten keine besseren Moglichkeiten vorhanden.

Unter den genannten Bedingungen lasst sich die Clausius-Clapeyron-Gleichung zu

dP

dT=

∆hvPRT 2

bzw.dP

P=

∆hvR

dT

T 2(246)

umschreiben. Integration liefert das Ergebnis

lnP

P0=

∆hvR

(1T0− 1T

)=

∆hvRT0

(1− T0

T

). (247)

Neben der Verdampfungsenthalpie benotigt man somit einen Punkt auf der Dampfdruckkurve(Index 0), um diese festzulegen. Es bietet sich an, den bekannten Siedepunkt des Bors bei 1 bareinzusetzen, z.B. aus den JANAF-Tabellen, [138], die ihn zu TS = 4139.449 K angeben.

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8.3 Berucksichtigung der Verdunstung des Bors 165

Tabelle 14: Nach der Clausius-Clapeyron-Gleichung berechnete Siedetemperaturen des Bors bei verschie-denen Drucken.

Gesamtdruck [bar] 0.5 1.0 1.5 2.0 5.0 8.6 15 38Siedetemperatur [K] 3944 4139 4263 4356 4679 4894 5136 5598

Abbildung 43: Dampfdruckkurve des Bors nach der Clausius-Clapeyron-Gleichung.

Genauer als die Clausius-Clapeyron- ist die Antoine-Gleichung, die drei Parameter enthalt,die an gemessene Dampfdruckdaten angepasst werden. Leider sind fur Bor in der Literatur auf-grund seines hohen Siedepunkts keine solchen Messdaten zu finden, so dass derzeit die Clausius-Clapeyron-Gleichung als Naherung ausreichen muss. Auch der Siedepunkt bei einem bar variiertje nach Literaturquelle um einige Hundert Kelvin, die Genauigkeit dieses Wertes ist daher alsgering einzuschatzen.

Gleichung 247 kann auch dazu verwendet werden, den Siedepunkt bei hoheren Druckenabzuschatzen

Ts(P ) =

1Ts(P0)

− R

∆hvln(P

P0

)−1

. (248)

Einige Ergebnisse fur den in der Meteor-Brennkammer sowie fur Validierungsrechnungen ausAbschnitt 8.8 interessanten Bereich sind in Tabelle 14 zusammengefasst und in Abbildung 43dargestellt. Die Verdampfungsenthalpie bei der Siedetemperatur bei 1 bar betragt nach [138]480.509 kJ/mol.

Bei der Losung der stationaren Spezieskontinuitatsgleichung entsprechend Gleichung 232 istfur das abdampfende Bor eine gesonderte Betrachtung erforderlich. Im Gegensatz zu allen ande-ren Spezies ist fur das gasformige Bor namlich der Molanteil an der Partikeloberflache bekannt,denn dieser ist gerade das Verhaltnis aus Sattigungsdampfdruck bei der Partikeltemperatur zuGesamtdruck des Systems

XB,s =Psat

P, (249)

sofern die Geschwindigkeit der Einstellung des thermodynamischen Phasengleichgewichts großerist als die der Stofftransportprozesse, was hier vorausgesetzt wird.

Aus Grunden der numerischen Stabilitat wird in der Implementierung XB,s auf 0.95 be-schrankt. Großere Werte sind jedoch unwahrscheinlich, da sie praktisch eine sofortige Verdamp-fung des Bors bewirkten. Innerhalb der Hauptiterationsschleife zur Bestimmung der Massenan-teile der ubrigen Spezies ist der Massenanteil des Bors an der Oberflache bekannt und somit

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166 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

beide Randbedingungen fur die Losung der Gleichung

4πr2sρsur,s YB − 4πr2ρDB,m

dYB

dr= 4πr2

s m′′vap , (250)

wobei m′′vap die Massenstromdichte des verdunstenden Bors bezeichnet. Die konvektive Netto-massenstromdichte, die sich in den bisherigen Abschnitten nur aus den Anteilen des durch dieeinzelnen heterogenen Reaktionen abbrennenden Bors zusammensetzte, umfasst nun auch daszusatzlich verdunstende Bor

ρsur,s = m′′netto =9∑j=6

RjMB + m′′vap . (251)

Analog zu Gleichung 236 ergibt sich die Losung fur YB(r) und bei rs ausgewertet der Bor-Massenanteil an der Oberflache

YB,s = εB + (YB,∞ − εB) · exp(−aB

rs

)(252)

mit εB =m′′vap

9∑j=6

RjMB + m′′vap

, (253)

wobei εB den Anteil des verdunstenden Massenstroms am konvektiven Gesamtmassenstrom dar-stellt. Gleichung 252 kann man nach der gesuchten verdunstenden Massenstromdichte umstellen

m′′vap =ρDB,m

rsln

YB,∞ −

m′′vap9∑j=6

RjMB+m′′vap

YB,s −m′′vap

9∑j=6

RjMB+m′′vap

−9∑j=6

RjMB ; (254)

die gesuchte Große ist aber auch auf der rechten Seite implizit enthalten. Die Iteration zurBestimmung von x = m′′vap kann hier mit der Hilfe des Newton-Verfahrens zur Nullstellensuchedurchgefuhrt werden

xn+1 = xn −f (xn)f ′ (xn)

(255)

mit einem geeigneten Startwert x0 und der Funktion f(x), deren Nullstelle gesucht wird und diehier definiert ist als

f (x) ≡ ρDB,m

rsln

YB,∞ −

m′′vap9∑j=6

RjMB+m′′vap

YB,s −m′′vap

9∑j=6

RjMB+m′′vap

−9∑j=6

RjMB − m′′vap!= 0 . (256)

Die analytische Ableitung dieser Funktion ergibt sich, ausgedruckt uber εB, das m′′vap enthalt,zu

f ′(x) = f ′(m′′vap

)=ρDB,m

rs

1(YB,∞ − εB)

εB (εB − 1)m′′vap

[1− (YB,∞ − εB)

(YB,s − εB)

]− 1 . (257)

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8.3 Berucksichtigung der Verdunstung des Bors 167

Eingesetzt in Gleichung 255 kann man bei festgehaltener Zusammensetzung an der Oberflacheund damit festen Reaktionstermen die Massenstromdichte des verdunstenden Bors bis auf eineeingestellte Genauigkeit berechnen. Dies wird innerhalb der Hauptiterationsschleife zur Bestim-mung der Yi,s in jedem Schritt ausgefuhrt.

Zwei Sonderfalle sind zu beachten. Zum einen wird in der gegenwartigen Modellierung eineKondensation gasformigen Bors zuruck auf das Partikel ausgeschlossen. Dies ware potentiellmoglich, wenn die Konzentration des Bordampfes in der Umgebung des Partikels hoher istals die durch den Sattigungsdampfdruck bestimmte Konzentration an der Partikeloberflache.Unter diesen Bedingungen wird der verdunstende Massenstrom zu null gesetzt, negative Wertewerden nicht zugelassen. In der Einzelpartikelverbrennung, implementiert in Matlab, wird dieserFall kaum auftreten, in der Stromungssimulation hingegen ist dies bei Abkuhlung des Partikelsbei gleichzeitigem Transport in einer Gasumgebung mit hoherem Borgasanteil moglich. Da dasgasformige Bor bei Vorhandensein von Sauerstoff schnell zu Boroxiden weiterreagiert, tretendiese Bedingungen nicht haufig auf.

Des Weiteren kann im Triebwerk die Situation eintreten, dass das Partikel in einer Abgas-wolke mitschwimmt, in der kein Oxidationsmittel mehr vorhanden ist. Wenn gleichzeitig diePartikeltemperatur wegen der Aufheizung durch kurz zuvor abgelaufene Reaktionen noch sehrhoch ist, kann weiterhin Verdunstung und damit ein Abbau des Partikels stattfinden. In diesemFall kann man m′′vap direkt analytisch berechnen

m′′vap =ρDB,m

rsln

(YB,∞ − 1YB,s − 1

)(258)

und vermeidet so die Newton-Iteration.Fur die allgemeine Losung uber die Newton-Iteration wird noch ein geeigneter Startwert

benotigt. In Gleichung 254 ist zu beachten, dass das Argument des Logarithmus nicht negativoder null werden darf. Daraus ergibt sich, dass

entweder(ρsur,s + m′′vap

)YB,∞

!> 0 und

(ρsur,s + m′′vap

)YB,s

!> 0

oder(ρsur,s + m′′vap

)YB,∞

!< 0 und

(ρsur,s + m′′vap

)YB,s

!< 0 . (259)

Unter Beachtung der Tatsache, dass die Funktion Y/(1− Y ) auf [0, 1) streng monoton wachst,und unter Ausschluss der oben angesprochenen Kondensation ergibt sich somit die Bedingung

m′′vap > ρsur,sYB,s

1− YB,s. (260)

Der Startwert fur die Newton-Iteration wurde als leicht großer als diese Schranke gewahlt. AusVergleichsrechnungen hat sich ergeben, dass die beste Konvergenz mit dem Faktor

(1 + 10−5

)vor der rechten Seite der Gleichung 260 erreicht wird.

Der Banach’sche Fixpunktsatz fur kontrahierende Abbildungen besagt, dass genau ein Fix-punkt als Losung der nichtlinearen Gleichung 254 existiert und dass die iterative Losung zu ihmkonvergiert, falls der Betrag der Ableitung des Fixpunktproblems nach Gleichung 255 kleiner alseins ist. Dies kann hier nicht immer garantiert werden, ist im Rahmen aller durchgefuhrten Rech-nungen jedoch fast immer der Fall. Wenn uberhaupt, tritt eine Divergenz des Newton-Verfahrensin den ersten Iterationen der Hauptschleife auf, falls die Startwerte fur diese Hauptiterationungunstig gewahlt wurden. Bei ausbleibender Konvergenz wird abgebrochen und m′′vap auf einenkleinen positiven Wert gesetzt. Nach einigen Durchlaufen konvergiert das Newton-Verfahren inder betrachteten Anwendung immer.

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168 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

8.4 Konvektionseinfluss auf den Borabbrand

Im Originalmodell der PSU-Gruppe wurde der Einfluss erzwungener Konvektion nur fur dieerste Stufe der Verbrennung in Form eines erhohten Warmeubergangskoeffizienten vorgesehen.Wahrend der zweiten Stufe der Verbrennung, dem Hauptanteil des Borumsatzes, wurde dieserEffekt vernachlassigt, da nur Vergleiche mit Untersuchungen von Einzelpartikeln uber Flach-flammenbrennern vorgenommen wurden.

Bei Einsatz eines solchen Verbrennungsmodells in Stromungssimulationen einer Brennkam-mer ist die erzwungene Konvektion jedoch ein wichtiger Einflussfaktor, da zwischen Gas undPartikeln sehr oft merkliche Relativgeschwindigkeiten auftreten. Ein Grund hierfur ist der hoheTurbulenzgrad einer mehrphasigen Brennkammerstromung, so dass großere und somit tragerePartikel ofter eine wechselnde Gasumgebung erfahren, siehe Abschnitt 8.11. In der hier betrach-teten Anwendung eines Staustrahltriebwerks kommt noch hinzu, dass neben dem zweiphasigenBrennstoffstrahl mehrere Lufteinlasse vorhanden sind, durch die Luft mit hoher Geschwindigkeiteindringt und sich mit dem Brennstoffstrahl mischt und reagiert. Hierbei konnen sehr hohe Dif-ferenzgeschwindigkeiten auftreten, so dass eine Vernachlassigung der erzwungenen Konvektionzu einer Unterschatzung des Warme- und Stoffubergangs zwischen Gas und Partikeln fuhrt.

Das in der Literatur zur Tropfchenverdampfung am haufigsten zitierte Modell, das den Ver-dunstungsvorgang von Kohlenwasserstofftropfen und dem Einfluss erzwungener Konvektion be-schreibt, ist dasjenige von Abramzon und Sirignano, [165], und bildete den Ausgangspunkt furdie im vorliegenden Borverbrennungsmodell gewahlte Implementierung. Die Grundzuge diesesModells sollen kurz erlautert werden, s.a. [166].

Die klassische Filmtheorie geht von Gasfilmen konstanter Dicke δT und δM fur die thermi-sche bzw. die Diffusionsgrenzschicht eines nichtverdampfenden Partikels aus. Es werden laminarumstromte Tropfen betrachtet, da die typischen Abmessungen der Tropfen unterhalb des tur-bulenten Langenmaßes der Brennkammergasstromung liegen. Die Warmeleitung und Diffusionim Film entspricht der Konvektion zwischen Partikeloberflache und externer Stromung

δT0 =2rs

Nu0 − 2und δM0 =

2rsSh0 − 2

. (261)

Das herkommliche Filmmodell verwendet dieselben Gleichungen auch fur einen verdampfen-den Tropfen. Der durch die Verdunstung auftretende Stefanstrom erhoht jedoch die Dicke derlaminaren Grenzschicht, sodass Korrekturfaktoren

FT (BT ) =δTδT0

und FM (BM ) =δMδM0

(262)

eingefuhrt werden, die von der Reynolds-Zahl abhangen. Mit den auf diese Weise korrigiertenNußelt- und Sherwood-Zahlen

Nu∗ = 2 + (Nu0 − 2) /FT und Sh∗ = 2 + (Sh0 − 2) /FM (263)

sowie den Warme- und Stoffubergangszahlen nach Spalding

BT =m cP,F (T∞ − Ts)m∆hv(Ts) + QL

und BM =YFs − YF∞

1− YFs, (264)

von denen die Korrekturfaktoren abhangen, haben Abramzon und Sirignano einen Algorithmusvorgeschlagen, der die Berechnung dieser gekoppelten Großen und somit des konvektiven Warme-und Stoffubergangs unter Berucksichtigung des Stefanstroms ermoglicht. Dies ist ein iterativerProzess, da die beiden Grenzschichtdicken gekoppelt sind. In Gleichung 264 steht der Index F

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8.4 Konvektionseinfluss auf den Borabbrand 169

fur die verdunstende Treibstoffspezies, m fur deren verdunstenden Massenstrom, ∆hv (Ts) furdie Verdampfungsenthalpie bei der Oberflachentemperatur und QL fur die ins Tropfeninnereabgefuhrte Warme.

Neben dem Einfluss auf den Warme- und Stoffubergang hat der abdampfende Massenstromdurch die Ablenkung der Stromlinien auch einen Einfluss auf den Widerstandsbeiwert der Par-tikel. Dieser Effekt wurde allerdings im Rahmen der vorliegenden Arbeit vernachlassigt. Einesehr umfangreiche Ubersicht uber Korrelationen zu Warme- und Stoffubergangskorrelationensowie uber solche fur den Widerstandsbeiwert von verdunstenden Treibstofftropfen bietet dieDissertation von Klingsporn, [167].

Wie man an Gleichung 264 erkennt, ist das vorgeschlagene Modell zunachst nur fur dieVerdunstung von Einkomponententropfen entwickelt worden. Eine Erweiterung auf Mehrkom-ponententropfen, also z.B. Gemische aus flussigen Kohlenwasserstoffen wie sie reale Treibstoffendarstellen, ist moglich, siehe [166, 167]. Eine Ubertragbarkeit auf Partikel, an denen wie im hierbetrachteten Fall des Bors Oberflachenreaktionen ablaufen, ist allerdings nicht gegeben, weildie Korrekturfaktoren fur Spezies wie Sauerstoff, die an mehreren Reaktionen teilnehmen, nichtzutreffen und zusatzlich die Energiebilanz eine andere sein muss.

Aus diesem Grund wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit letztlich auf eine Stefan-Korrektur des konvektiven Warme- und Stoffubergangs verzichtet. Dies fuhrt zu einer Uber -schatzung der Transportprozesse im Vergleich zu einer korrigierten Berechnung ahnlich den obenbeschriebenen Ansatzen, weil die Dicke der Grenzschicht so zu gering angesetzt wird. Dies falltaber bei der Modellierung der realen Partikel in der Brennkammer weniger ins Gewicht als in derTheorie, da die verwendeten Partikel, die den Gasgenerator verlassen, eine irregulare Form be-sitzen. Zumindest solange sie im festen Zustand sind, bewirkt dies verstarkte Austauschprozessegegenuber den in der Theorie als kugelformig angenommenen Partikeln. Oberhalb der Schmelz-temperatur tendieren die Partikel jedoch aufgrund der Oberflachenspannung zur Kugelform;hier wirkt sich der Fehler des Modells starker aus.

Sowohl im Modell von Abramzon und Sirignano als auch im erweiterten Borverbrennungs-modell werden die Stoffdaten nach der 1/3-Regel, Gleichung 222, bestimmt. Dies gilt fur alleDaten bis auf die Gasdichte in der Reynolds-Zahl

Re =ρ∞ |UP − U∞| 2rs

ηg(265)

die sich auf den Zustand der freien Anstromung bezieht. Im neuen Modell werden die Nußelt-und Sherwood-Zahlen nach den Korrelationen von Ranz und Marshall berechnet,

Nu0 =hc 2rPλgas

= 2 + 0.6 · Re1/2 Pr1/3 und Sh0,i = 2 + 0.6 · Re1/2 Sc1/3i , (266)

die auch im verwendeten Stromungssimulationsprogramm implementiert sind. Im Grenzfall einerKugel in ruhender Umgebung nehmen beide Kennzahlen den Wert zwei an. Die dimensionslosenPrandtl- und Schmidt-Zahlen, die das Verhaltnis der Stromungsgrenzschicht zur Temperatur-bzw. Diffusionsgrenzschicht beschreiben, erhalt man aus den Stoffdaten des Gasgemischs unddenjenigen der betrachteten Spezies i

Pr =ηgas

λgas/cP,gas

, Sci =ηgas

ρgasDi,m. (267)

Die Auswirkungen der erzwungenen Konvektion auf das erweiterte Borverbrennungsmodellsind ein verbesserter Warmeubergang zur Umgebung durch einen erhohten Warmeubergangs-koeffizienten hc und ein gesteigerter Stoffubergang.

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170 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Letzterer außert sich in Form eines Faktors vor den Diffusionskoeffizienten in den zu losendenGleichungen der zweiten Stufe der Verbrennung. Diese werden in der Form von Gleichung 236zu

Yi(r) = εi + (Yi,s − εi) · exp[ai

(1rs− 1r

)](268)

mit dem nun angepassten Koeffizienten ai in der Exponentialfunktion

ai ≡r2s m′′netto

Sh0,i/2 · ρDi,m. (269)

Fur den Grenzfall verschwindender Konvektion mit Sh0,i → 2 geht ai wieder in den in Gleichung235 dargestellten Ausdruck uber.

Wahrend der ersten Stufe der Verbrennung ist der Stoffubergang in der Gasphase nur fur diereaktive Verdampfung des Boroxids in der globalen Reaktion GR1 limitierend. Die Geschwindig-keit der ubrigen vier Reaktionen wird durch die Diffusion in der flussigen Oxidschicht begrenzt,so dass hier der Gaskonvektionseinfluss unbedeutend ist. Fur die erste Stufe wurde daher imneuen Modell nur ein verbesserter Warmeubergang bei erzwungener Konvektion berucksichtigt,zumal der abreagierende Massenstrom gering ist.

8.5 Chemische Reaktionsgeschwindigkeiten

Die Modellierung der chemischen Prozesse, die wahrend der zweiten Stufe der Verbrennungablaufen, der Reaktionen GR6 bis GR9, wurde weitgehend aus dem Originalmodell der PSU-Gruppe wie in Kapitel 7 beschrieben ubernommen. In Abschnitt 7.2 wurde bereits angesprochen,dass es an ihrem Modell auch bezuglich der Reaktionsgeschwindigkeiten einige Kritikpunkte gibt,auf deren Beseitigung die in diesem Abschnitt beschriebenen Erweiterungen und Anderungenzielen.

8.5.1 Reaktionsgeschwindigkeit der globalen Reaktion GR6 und deren Konzentra-tionsabhangigkeit

Die globale heterogene Reaktion GR6 zwischen Bor und Sauerstoff hat die Gruppe um K.K. Kuoaus dem einfacheren Borverbrennungsmodell von Li und Williams ubernommen, [82, 83, 84]. Dievon Li und Williams vorgeschlagene Reaktionsgeschwindigkeit, Gleichung 172, soll hier nocheinmal angefuhrt werden

k6 =

0.0625± 0.0125, Tp > 2400 K31.5√Tp

exp (−5630/Tp) , 1750 K < Tp ≤ 2400 K1.57·108√

Tpexp (−32500/Tp) , 1600 K < Tp ≤ 1750 K

[mol

cm2 s atm

]. (270)

Sie ist abschnittsweise in drei Temperaturintervallen definiert. Fur die Temperaturbereiche zwi-schen 1600 K und 1750 K sowie zwischen 1750 K und 2400 K haben Li und Williams Datenvon Rosner und Allendorf herangezogen, [168], fur den Bereich oberhalb 2400 K wurden eigeneUntersuchungen von Li verwendet, [83].

Li hat den Abbrand von Boreinzelpartikeln in trockenen, sauerstoffhaltigen Atmospharenoberhalb eines Flachflammenbrenners untersucht. Die Experimente wurden an Borpartikeln mitzwei verschiedenen Durchmessern, 7 µm und 10 µm, bei unterschiedlichen Gasflammentempera-turen zwischen 1920 K und 2060 K durchgefuhrt. Die untersuchten Sauerstoffpartialdrucke lagenim Bereich 0.27 atm bis 0.68 atm. Da die Experimente an einer offenen Anlage durchgefuhrt

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8.5 Chemische Reaktionsgeschwindigkeiten 171

wurden, lag der Gesamtdruck bei 1 atm, die Sauerstoffanreicherung des Brenngases war alsohoch.

Die experimentelle Anordnung und Durchfuhrung lasst folgende Schlusse zu, die fur dieModellierung von großer Bedeutung sind:

1. Das relativ schmale untersuchte Temperaturintervall bei nur zwei verschiedenen Parti-kelgroßen lasst die Frage offen, wie sich die Reaktionskinetik bei hoheren Temperaturenverhalt. Tendenziell werden großere Partikel heißer als sehr kleine, da letztere eine hoherespezifische Oberflache und damit einen besseren Warmeubergang zur kuhleren Umgebungbesitzen und keine sehr hohe Temperaturen annehmen. Es bleibt somit unklar, ob die an-gegebene Geschwindigkeit der Reaktion GR6 bei Partikeltemperaturen oberhalb 2400 K,wie sie von großeren Partikeln durchaus erreicht werden, wirklich wie von Li und Williamsbeschrieben konstant ist.

2. Die Reaktionsgeschwindigkeit wird eindeutig auf die Sauerstoffkonzentration in der dasPartikel umgebenden Gasphase bezogen. Aus Sicht des Partikels ist dies der Sauerstoff-Molanteil in großer Entfernung, nicht jedoch derjenige an der Partikeloberflache, der fur dieheterogenen Reaktionen geschwindigkeitsbestimmend ist. Wie Rechnungen belegen, trittbei den von Li und Williams untersuchten Partikelgroßen bereits deutliche Diffusionshem-mung auf. Der Molanteil des Sauerstoffs an der Partikeloberflache ist somit wahrend desAbbrands deutlich niedriger als die Konzentration in der ferneren Umgebung. Da das er-weiterte Modell die Reaktionsgeschwindigkeit an der Oberflache berechnet, mussen die vonLi und Williams angegebenen Daten mit einem Faktor umgerechnet werden.

Außerdem zeigen Validierungsrechnungen, die in Abschnitt 8.8 vorgestellt werden, dass mit dervon Li und Williams angegebenen Reaktionsgeschwindigkeit fur GR6 viel zu lange Abbrand-zeiten fur großere Partikel vorhergesagt werden. Es wurde daher im Rahmen der vorliegendenArbeit beschlossen, auch oberhalb von 2400 K eine Temperaturabhangigkeit der Reaktionsge-schwindigkeit gemaß einem Arrheniusansatz einzufuhren, die – mit rein willkurlich, aber sinnvollgewahlten Parametern – deutlich bessere Ubereinstimmung zwischen Rechnungen und experi-mentellen Daten ermoglicht.

Temperaturabhangigkeit oberhalb 2400 KDie Geschwindigkeitskonstante der Reaktion GR6 wurde aus den oben genannten Grunden furTemperaturen oberhalb 2400 K verandert. Es wurde ein Arrheniusansatz der Form

k6 = A exp(− EARuTP

)(271)

mit dem nicht temperaturabhangigen Arrhenius-Vorfaktor A, der Aktivierungsenergie EA undder universellen Gaskonstanten Ru gewahlt, der die folgenden zwei Bedingungen erfullen soll:

• Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante soll bei TP = 2400 K einen stetigen Ubergang zuden Werten im darunterliegenden Temperaturintervall besitzen.

• Um die experimentellen Abbrandzeiten bei großeren Partikeln (34.5 bis 44.2 µm Durch-messer) mit den Berechnungen naherungsweise wiedergeben zu konnen, wurde festgelegt,dass die Reaktionsgeschwindigkeit bei der mittleren Verbrennungstemperatur dieser Par-tikel von 3500 K den zehnfachen Wert der von Li und Williams fur 2400 K angegebenenGeschwindigkeit annehmen soll. Diese Wahl ist ein angepasster Parameter und beruhtnicht direkt auf Messungen. Die Validierungsergebnisse aus Abschnitt 8.8 zeigen jedoch,dass hiermit sinnvolle Vorhersagen getroffen werden konnen.

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172 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Abbildung 44: Temperaturverlauf der Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k6 bezogen auf ihren Wert bei2400 K.

Unter diesen Bedingungen erhalt man fur die angepasste Aktivierungsenergie der Reaktion

EA =− ln (10) Ru(

13500 K −

12400 K

) = 34918calmol

(272)

oder entsprechend TA = EA/Ru eine Aktivierungstemperatur von 17583 K. Zusammen mit denvon Li und Williams verwendeten Werten fur die niedrigeren Temperaturbereiche 270 ergibt sichschließlich fur die Geschwindigkeitskonstante der Reaktion GR6

k6 =

0.0625 · 1519.773 exp (−17583/TP ) , TP > 2400 K31.5√TP

exp (−5630/TP ) , 1750 K < TP ≤ 2400 K1.57·108√TP

exp (−32500/TP ) , 1600 K < TP ≤ 1750 K

[mol

cm2 s atm

]. (273)

Abbildung 44 zeigt den im neuen Borverbrennungsmodell verwendeten Temperaturverlauf vonk6 und den ursprunglichen Verlauf, zur besseren Vergleichbarkeit in zwei Ausschnitten.

Bezug der Reaktionsgeschwindigkeit auf den Molanteil an der OberflacheDie im Originalmodell angegebene Reaktionsgeschwindigkeit wird mit dem Partialdruck desSauerstoffs in großer Entfernung zum Partikel gebildet. Das neue Modell erfordert jedoch dieAngabe der ”wahren“ Reaktionsgeschwindigkeit an der Partikeloberflache. Aus diesem Grundwurde fur die Reaktion GR6 ein Faktor eingefuhrt, der das Verhaltnis aus Sauerstoff-Molanteilan der Partikeloberflache zu dem in der Umgebung beschreibt,

fGR6 =XO2,s

XO2,∞< 1 , (274)

so dass die wahre Reaktionsgeschwindigkeit R6 = k6,sXO2,sP mit der Geschwindigkeitskonstan-ten aus Gleichung 273, nun als k6,∞ bezeichnet, folgendermaßen zusammenhangt

k6,s = k6,∞/fGR6 > k6,∞

R6 = k6,sXO2,sP . (275)

Da beim Abbrand der in den Experimenten verwendeten 7 µm und 10 µm Partikel eine deutlicheDiffusionshemmung auftritt, ist die Sauerstoffkonzentration an der Partikeloberflache spurbar

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8.5 Chemische Reaktionsgeschwindigkeiten 173

Abbildung 45: Temperaturverlauf des Verhaltnisses des Sauerstoffmolanteils an der Oberflache zu demje-nigen in der Umgebung, fGR6.

geringer als diejenige in der Umgebung. Die Reaktionsgeschwindigkeit an der Oberflache mussdaher großer sein als die mit XO2,∞ berechnete, um die gemessenen Abbrandgeschwindigkeitenwiedergeben zu konnen.

Der Faktor fGR6 hangt zum einen vom Durchmesser des untersuchten Partikels und zumanderen von der Temperatur ab. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde eine Optimierungs-routine geschrieben, die diesen Faktor im Partikeltemperaturbereich zwischen 1600 K und 3100K fur die beiden experimentell verwendeten Partikelgroßen bestimmt. Die Berechnungen wurdenfur die untersuchten Bedingungen XO2,∞ = 0.32, P = 1 atm und Tgas,∞ = 1970 K durchgefuhrt.Temperaturen oberhalb von 3100 K wurden nicht betrachtet, da hier Verdunstungseffekte zumreaktiven Abbrand hinzukommen und das Ergebnis verfalschen konnen. Abbildung 45 zeigt denTemperaturverlauf der Große fGR6 fur beide Partikelgroßen.

Man erkennt, dass bei niedrigeren Temperaturen, also geringerer Reaktionsgeschwindigkeit,die Diffusionshemmung weniger ins Gewicht fallt, da der Umsatz schwacher ist. Im linken Bereichbis 1750 K ist der Abfall des Faktors mit zunehmender Temperatur quadratisch, im mittlerenBereich bis 2400 K linear.

Diese Optimierung wurde mit dem konstanten Originalwert der Geschwindigkeitskonstan-te uber 2400 K durchgefuhrt. Weil mit der Temperatur auch der Diffusionskoeffizient wachst,nimmt die Diffusionshemmung hier wieder ab. Bei konstanter Reaktionsrate bezogen auf dieUmgebungskonzentration, wie von Li und Williams angegeben, bedeutet dies, dass die auf dieOberflache bezogene Reaktionsgeschwindigkeit trotz der gemessenen Konstanz tatsachlich wieim vorherigen Abschnitt postuliert ansteigt.

Allerdings fallt dieser Anstieg, wie Abbildung 46 zeigt, viel schwacher aus als in Gleichung273 angegeben. Er liegt im Bereich zwischen 2400 K und 2900 K bei 3.5% fur die 7 µm Partikelund bei 6.5% fur die großeren 10 µm Partikel, wahrend die neu vorgeschlagene Temperaturab-hangigkeit von k6 oberhalb 2400 K eine Steigerung auf 400% bei 2900 K ergibt. Selbst unterBeachtung der experimentellen Ungenauigkeit von ±20% in der Arbeit von Li, [83], ergibt sich ei-ne maximal moglich Steigerung um 9.5% in k6,s in diesem Temperaturbereich. Zur Uberprufung

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174 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Abbildung 46: Temperaturverlauf der Reaktionsgeschwindigkeit an der Oberflache bezogen auf ihren Wertbei 2400 K unter der Annahme konstanter beobachtbarer Reaktionsgeschwindigkeit.

der Gultigkeit der Gleichung 273 sollten daher weitere Experimente bei hoheren Temperatu-ren durchgefuhrt werden, nach Moglichkeit unter verdunnten Bedingungen mit verschwindenderDiffusionshemmung. Gegebenenfalls muss Gleichung 273 dann verandert werden, diese stellt injedem Fall derzeit nur einen Kompromiss dar, um die in Abschnitt 8.8 beschriebenen experi-mentellen Validierungsfalle naherungsweise in den Rechnungen reproduzieren zu konnen.

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Durchfuhrung der Optimierung mit der neuenReaktionsgeschwindigkeitskonstanten nicht moglich ist, da sie den Faktor fGR6 bei Temperaturenum 2700 K gegen null gehen lasst. Dies liegt daran, dass die neue Geschwindigkeitsgleichungzu einem Anstieg der beobachtbaren Abbrandgeschwindigkeit fuhrt, was im Widerspruch zuden Messungen von Li steht, sofern hierbei Temperaturen uber 2700 K erreicht wurden. Auchdiesbezuglich gilt, dass weitere Messungen zu empfehlen sind.

Wie Abbildung 45 zeigt, weist der Temperaturverlauf des Faktors fGR6 fur beide untersuchtenPartikelgroßen qualitativ dasselbe Verhalten auf. In diesem Diagramm ist auch der Verlauf einesabschnittsweise definierten Ausgleichspolynoms dargestellt,

fGR6 =

0.6175, TP > 2400 K

−2.637 · 10−4 TP + 1.247, 1750 K < TP ≤ 2400 K

−5.716 · 10−6 T 2P + 1.795 · 10−2 TP − 13.14, 1600 K < TP ≤ 1750 K

, (276)

das den Faktor bestimmt, der in der Implementierung in Matlab und CFD fur alle Partikelgroßengleichermaßen verwendet wird. Fur Temperaturen uber 2400 K wurde ein konstanter Faktorentsprechend dem Mittelwert zwischen beiden Partikeln bei 2400 K gewahlt, da es sich in jedemFall um eine angepasste Reaktionsgeschwindigkeit handelt.

Die Reaktionsgeschwindigkeit im Bereich 1600 K bis 2400 K hatten Li und Williams wieerwahnt aus einem Artikel von Rosner und Allendorf entnommen, [168]. Diese haben die Re-aktionsgeschwindigkeit jedoch nicht in der von Li und Williams angegebenen Form publiziert,

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8.5 Chemische Reaktionsgeschwindigkeiten 175

sondern unter Angabe einer Reaktionswahrscheinlichkeit

ε ≡ Z ′′Bor

Z ′′O2

, (277)

die das Verhaltnis aus abgehendem Bormassenstrom zu zugefuhrtem Sauerstoffmassenstrompro Oberflacheneinheit beschreibt. Die Experimente wurden an feinen Bordrahten unter sehrverdunnten Bedingungen von 0.01 torr = 1.33 Pa und damit einer Knudsen-Zahl um eins durch-gefuhrt, um die oben angesprochene Diffusionshemmung gerade zu vermeiden. Diese Massen-strome werden nach der Hertz-Knudsen-Gleichung, s. Gleichung 155, unter Beachtung der Nicht-Kontinuum-Effekte9 berechnet. Es ergibt sich hiermit, s. [85],

n′′O2=

1NA

PO2,Wand

(1

2πmO2 kBTO2,Wand

) [molm2 s

](278)

und n′′Bor = ε (TP ) n′′O2. (279)

Die von Rosner und Allendorf angegebenen Daten sind gemessene Temperaturverlaufe von ε (TP )bis 2200 K. Die Umrechnung der von ihnen gemessenen Daten in die von Li und Williams gegebe-ne Form ist in der Dissertation von Li, [169], genauer beschrieben. Da Li aber unter experimen-tellen Bedingungen mit Diffusionshemmung gearbeitet hat, muss er dies bei der Uberfuhrungder ursprunglichen Daten durch einen Faktor wie fGR6 berucksichtigt haben. Außerdem hat erzwischen 2200 K und 2400 K eine Extrapolation vorgenommen. Es erscheint daher sinnvoll, dassim Rahmen der vorliegenden Arbeit fGR6 auf den gesamten betrachteten Temperaturbereichangewandt wird.

8.5.2 Reaktionsgeschwindigkeit der globalen Reaktion GR7

Die Geschwindigkeit der globalen heterogenen Reaktion GR7 zwischen Borpartikel und Wasser-dampf wurde von Ulas im PSU-Originalmodell in Gleichung 175 als

k7 = 857T 0.5P︸ ︷︷ ︸

Kollisionsfrequenz

· 0.3 exp (+574/TP )︸ ︷︷ ︸Reaktionswahrscheinlichkeit

[cms

](280)

angegeben, wobei die Kollisionsfrequenz direkt aus dem PA-Modell, [147], ubernommen wurde.Die Reaktionswahrscheinlichkeit wurde nach Aussage in [114] an Daten aus der Veroffentlichungvon Smolanoff et al., [150], im Temperaturbereich 500 K < TP < 2500 K angepasst.

Ein Vergleich der angegebenen Korrelation mit den von Smolanoff et al. in ihrer Abbildung2 dargestellten experimentellen Ergebnissen, die mit einer sogenannten Clusterionen-Strahl-Technologie gewonnen wurden, zeigt jedoch, dass sie die Messdaten nicht korrekt wiedergibt.Ulas’ Gleichung liefert bei 500 K zu hohe Werte fur die Reaktionswahrscheinlichkeit und bei2500 K zu niedrige. Es ist nicht ersichtlich, woher diese Abweichungen stammen.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde die Anpassung an Smolanoffs experimentelleErgebnisse neu vorgenommen. Zu diesem Zweck wurde ein Polynom zweiten Grades in 1/TPim fur die Anwendung relevanten Temperaturintervall 1000 K ≤ T ≤ 2735 K an die Datenangepasst, wobei die obere Grenze die hochste von Smolanoff untersuchte Temperatur darstellt

k7 = 857T 0.5P · exp

(−8.05 · 105 1

T 2P

+ 17401TP− 1.32

), 1000 K ≤ TP ≤ 2500 K (281)

9Dies bedeutet z.B., dass die Gastemperatur an der Partikeloberflache geringer als die Partikelwandtemperaturist, da die Gasmolekule nur relativ selten mit der Oberflache kollidieren und somit deren Temperaturfluktuationennicht annehmen konnen. Hierbei konnen Temperaturunterschiede von 1700 K auftreten, [85].

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176 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Abbildung 47: Temperaturverlauf der Reaktionsgeschwindigkeiten R6 bis R9 wahrend der zweiten Stufeder Verbrennung bei P = 1 atm.

in [cm/s]. Dabei wurde sichergestellt, dass die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante auch beihoheren Temperaturen streng monoton und stetig differenzierbar abfallt, also eine glatte undsinnvolle Fortsetzung garantiert wird.

Die von Smolanoff et al. durchgefuhrten Experimente wurden unter stark verdunnten Be-dingungen nahe dem Vakuum durchgefuhrt, d.h. wahrend der Untersuchungen bestand keineDiffusionshemmung der Reaktionen. Somit wird die Reaktionsgeschwindigkeit mit der Geschwin-digkeitskonstante aus Gleichung 281 und dem Wasserdampfmolanteil an der Partikeloberflachegebildet

R7 = k7XH2O,sP

RuTP

[mol

cm2 s

], (282)

und nicht wie von der PSU-Gruppe beschrieben mit dem Molanteil in großer Entfernung zumPartikel, XH2O,∞. Dies gilt ebenso fur die heterogenen Reaktionen GR8 und GR9, deren Ge-schwindigkeiten ebenfalls aus dem PA-Modell ubernommen wurden, das mit den real an derPartikeloberflache vorliegenden Molanteilen arbeitet. Eventuell bleibt eine Anpassung der Ge-schwindigkeitskonstante k9 notwendig, da diese von Ulas abgeandert wurde.

Abbildung 47 zeigt den Temperaturverlauf der – teilweise neuen – Reaktionsgeschwindigkei-ten GR6 bis GR9 bei 1 atm, die noch jeweils mit dem Molanteil an der Oberflache multipliziertwerden mussen. Das Diagramm lasst folgende Schlusse zu: Bei gleichen Molanteilen der Oxida-tionsmittel ist die Reaktion mit Wasserdampf GR7, die sich mit steigender Temperatur konti-nuierlich verringert, bis etwa 2400 K schneller als die Reaktion GR6 mit Sauerstoff. Dies ist imEinklang mit der experimentellen Beobachtung, dass Bor in wasserdampfhaltigen Atmospharensehr viel heftiger reagiert als in solchen, die nur Sauerstoff enthalten.

Die Geschwindigkeit der Reaktion GR9 mit elementarem Fluor sinkt ebenfalls mit stei-gender Temperatur, ist jedoch bis 2600 K deutlich großer als diejenige mit Sauerstoff, wasebenfalls beobachtet werden kann. Aus Experimenten ist auch bekannt, dass die Reaktion mitFluorwasserstoff GR8 kaum beschleunigend auf den Borabbrand wirkt. Hier zeigt sich, dass dieHF-Reaktionsgeschwindigkeit mit Bor fast 500 Mal langsamer ist als diejenige des Sauerstoffs,wahrend die ubrigen drei Reaktionen auf einem untereinander vergleichbaren Niveau liegen. Dieserklart auch die von Ulas diagnostizierte Insensitivitat der Abbrandgeschwindigkeit bzgl. des

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8.5 Chemische Reaktionsgeschwindigkeiten 177

Abbildung 48: Begrenzungsfaktor flim,O2fur YO2,lim = 1.5%.

Werts der Geschwindigkeitskonstanten k8.

8.5.3 Limitierung der Geschwindigkeiten der Reaktionen GR7 und GR8 bei ver-schwindendem Sauerstoffmolanteil an der Partikeloberflache

In den globalen Reaktionen GR7 und GR8 wird Bor mit Wasserdampf bzw. Fluorwasserstoffumgesetzt. An beiden ist auch Sauerstoff beteiligt, der jedoch in den Gleichungen des PSU-Originalmodells zur jeweiligen Reaktionsgeschwindigkeit nicht auftaucht. Dies kann zu der Situa-tion fuhren, dass Bor mit Wasserdampf auch dann gemaß dieser Gleichung umgesetzt wird, wenngar kein Sauerstoff vorhanden ist. Dies ist in der Staubrennkammer des Meteor-Triebwerksdurchaus moglich, da in dieser auch Wasserstoff mit Sauerstoff zu Wasserdampf verbrennt. Damitist das Produkt dieser Gasphasenreaktion ein Edukt der heterogenen Reaktion, wobei der Sau-erstoff lokal schon vollstandig verbraucht sein und damit der Borabbrand gemaß GR7 unmoglichwerden kann.

Das erweiterte Borverbrennungsmodell enthalt alternativ zwei Moglichkeiten, in den Reak-tionsgeschwindigkeiten eventuellen Sauerstoffmangel zu berucksichtigen. Die erste Methode istdie Einfuhrung eines limitierenden Faktors, der unterhalb einer wahlbaren Sauerstoffkonzentra-tion die Reaktionsgeschwindigkeiten langsam gegen null gehen lasst. Ist kein Sauerstoff mehrvorhanden, werden die Reaktionen GR7 und GR8 unwirksam. In der Implementierung wurdeeine Tangens hyperbolicus Funktion gewahlt

flim,O2= max

0,

12

(1 + tanh

(2YO2,s

YO2,lim− 1

)]), (283)

deren Verlauf in Abbildung 48 gezeigt ist. Die Schwelle, oberhalb derer die volle Reaktionsge-schwindigkeit herrscht, YO2,lim, wurde hier aus weiter unten erorterten Grunden zu 1.5% Mas-senanteil des Sauerstoffs gewahlt, vgl. auch die Diskussion zur Validierung im Abschnitt 8.8.

Die zweite Methode ist, ausgehend von der Reaktionsgleichung GR7,

νB B(s) + νH2O H2O + νO2 O2 → νHBO2 HBO2 ,

die Uberfuhrung der Reaktionsgeschwindigkeit R7 in eine auf das Minimum der mit den stochio-metrischen Koeffizienten gewichteten Molanteile des Wasserdampfs und des Sauerstoffs bezogeneForm

R7 = k7P

RuTPXH2O,s → R7 = k7

P

RuTP·min

XH2O,s ,

νH2O

νO2

XO2,s

(284)

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178 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

und analog fur GR8 mit HF statt H2O. Der gewichtet kleinere der beiden Molanteile begrenztsomit die Reaktionsgeschwindigkeit und verhindert die Reaktion bei lokal verschwindendemSauerstoff.

Die konvektive Massenstromdichte aus Gleichung 233 unter Berucksichtigung der Verdun-stung des Bors wird mit den neuen Begrenzungsfunktionen damit zu

ρsur,s = m′′netto = m′′vap +MGas,sMB

(k6P

YO2,s

MO2

+ k7P

RuTPflim,O2

YH2O,s

MH2O

+k8P

RuTPflim,O2

YHF,s

MHF+ k9

P

RuTP

YF,s

MF

)(285)

nach Methode 1 oder alternativ nach der zweiten Moglichkeit zu

ρsur,s = m′′netto = m′′vap +MGas,sMB

(k6P

YO2,s

MO2

+ k7P

RuTP·min

YH2O,s

MH2O,νH2O

νO2

YO2,s

MO2

+k8P

RuTP·min

YHF,s

MHF,νHF

νO2

YO2,s

MO2

+ k9

P

RuTP

YF,s

MF

)(286)

Genauso wie die konvektive Massenstromdichte andert sich das jeweilige Verhaltnis εi der Mas-senstromdichte der Spezies i zur Gesamtmassenstromdichte.

An dieser Stelle sollen die Gleichungsparameter des zu losenden Systems mit allen im neuenModell hinzugefugten Erweiterungen und Veranderungen, also inklusive Verdunstungseffektenund moglicher konvektiver Uberstromung, zusammengefasst werden. Die Parameter ai, die inder Exponentialfunktion stehen, lauten gemaß Gleichung 269

ai ≡r2s m′′netto

Sh0,i/2 · ρDi,m(287)

wobei nun fur m′′netto Gleichung 285 bzw. Gleichung 286 einzusetzen ist. Die endgultigen Para-meter εi der an den Reaktionen beteiligten Spezies sind in Tabelle 15 zusammengestellt.

Reaktionsgeschwindigkeiten sind, sofern sie sich auf Elementarreaktionen beziehen, von denKonzentrationen aller Edukte abhangig. Das hier geschilderte Problem der Limitierung bzgl. desSauerstoffmolanteils tritt auf, weil es sich in diesem vereinfachten Modell um globale Reaktionenhandelt, deren jeweilige geschwindigkeitsbestimmende Elementarreaktion zwar fur den Umsatzausschlaggebend ist, an der aber nicht alle Edukte der globalen Reaktion teilnehmen.

Beide vorgeschlagenen Ansatze zur Limitierung der Reaktionsgeschwindigkeit stellen einenKompromiss dar. Die Anwendung eines begrenzenden Faktors flim,O2

, der die Geschwindigkeitder Reaktionen bei geringem Sauerstoffmolanteil dampft, ist nicht ganz korrekt, da die Geschwin-digkeit, solange noch Sauerstoff vorhanden ist, unbeeintrachtigt bleiben sollte. Andererseits istauch die zweite Methode mit der Beachtung des Minimums der gewichteten Molanteile derbeteiligten Spezies nur eine Naherung, da sie vom Vollumsatz der Reaktion ausgeht, d.h. vonunendlich hoher Reaktionsgeschwindigkeit.

Die gewahlte Methode und bei Anwendung des limitierenden Faktors auch der GrenzwertYO2,lim haben Einfluss auf die Konvergenzgeschwindigkeit des iterativen Losungsverfahrens so-wie auf dessen Ergebnisse. Im folgenden werden anhand zweier in Abschnitt 8.8 zur Validierungdes Modells herangezogener experimenteller Vergleichsfalle die Effekte der Einflussfaktoren be-schrieben.

Abbildung 49 zeigt den Temperaturverlauf wahrend der Verbrennung eines Borpartikels von34.5 µm Ausgangsdurchmesser uber einem Flachflammenbrenner, eines der von Macek & Sem-ple bei atmospharischem Druck durchgefuhrten Experimente, [68]. Die Gasumgebung enthielt

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8.5 Chemische Reaktionsgeschwindigkeiten 179

Tab

elle

15:

Gle

ichu

ngsp

aram

eter

ε ide

ran

den

glob

alen

hete

roge

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nen

der

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rB

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rL

imit

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eakt

ione

nG

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und

GR

8.F

urIn

erte

istε i

=0.

Spez

iesi

ε i

O2

ε O2

=M

Gas,sM

O2

m′′ nett

o

( k6PY

O2,s

MO

2

−1 2

+k

7P

RuTPf l

im,O

2

YH

2O,s

MH

2O

−3/2

2+k

8P

RuTPf l

im,O

2

YH

F,s

MH

F

−3/2

2

)bz

w.ε O

2=

MG

as,sM

O2

m′′ nett

o

( k6PY

O2,s

MO

2

−1 2

+k

7P

RuTP·m

in Y H 2

O,s

MH

2O,

2 3

YO

2,s

MO

2

−3/2

2+k

8P

RuTP·m

in Y HF

,s

MH

F,

2 3

YO

2,s

MO

2

−3/2

2

)H

2O

ε H2O

=M

Gas,sM

H2O

m′′ nett

o

( k7

PRuTPf l

im,O

2

YH

2O,s

MH

2O

−1 2

) bzw

.ε H

2O

=M

Gas,sM

H2O

m′′ nett

o

( k7

PRuTP·m

in Y H 2

O,s

MH

2O,

2 3

YO

2,s

MO

2

−1 2

)H

Fε H

F=

MG

as,sM

HF

m′′ nett

o

( k8

PRuTPf l

im,O

2

YH

F,s

MH

F

−1 2

) bzw

.ε H

F=

MG

as,sM

HF

m′′ nett

o

( k8

PRuTP·m

in Y HF

,s

MH

F,

2 3

YO

2,s

MO

2

−1 2

)F

ε F=

MG

as,sM

F

m′′ nett

o

( k9

PRuTP

YF,s

MF

−3 1

)B

2O

2ε B

2O

2=

MG

as,sM

B2O

2m′′ nett

o

( k6P

YO

2,s

MO

2

1 2

)H

OB

Oε H

OB

O=

MG

as,sM

HO

BO

m′′ nett

o

( k7

PRuTPf l

im,O

2

YH

2O,s

MH

2O

2 2+k

8P

RuTPf l

im,O

2

YH

F,s

MH

F

1 2

)bz

w.ε H

OB

O=

MG

as,sM

HO

BO

m′′ nett

o

( k7

PRuTP·m

in Y H 2

O,s

MH

2O,

2 3

YO

2,s

MO

2

2 2+k

8P

RuTP·m

in Y HF

,s

MH

F,

2 3

YO

2,s

MO

2

1 2

)O

BF

ε OB

F=

MG

as,sM

OB

F

m′′ nett

o

( k8

PRuTPf l

im,O

2

YH

F,s

MH

F

1 2

) bzw

.ε O

BF

=M

Gas,sM

OB

F

m′′ nett

o

( k8

PRuTP·m

in Y HF

,s

MH

F,

2 3

YO

2,s

MO

2

1 2

)B

F3

ε BF

3=

MG

as,sM

BF

3m′′ nett

o

( k9

PRuTP

YF,s

MF

1 2

)

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180 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Abbildung 49: Temperaturverlauf beim Abbrand eines Borpartikels mit Anfangsdurchmesser dP,0 =34.5µm in feuchter Gasumgebung bei 1 atm, 19% O2, 16% H2O, Macek & Semple Fall5, [68]. Variation des Begrenzungsfaktors flim,O2

fur YO2,lim = 0.25%, 0.50% und 1.50%sowie Limitierung durch das Minimum der gewichteten Molanteile von O2 und H2O.

sowohl Sauerstoff als auch Wasserdampf in hoheren Konzentrationen. Diese Profile wurden mitverschiedenen Begrenzungsmethoden fur die Reaktion GR7 durchgefuhrt – zum einen wurdeYO2,lim in drei Stufen variiert: 0.25%, 0.50% und 1.50%. Wie in der Abbildung zu erkennen,zeigen sich zwischen den beiden erstgenannten kaum Unterschiede, bei 1.50% wird die Maxi-maltemperatur etwas spater erreicht, die Gesamtabbranddauer aber sogar etwas verkurzt. Beihohen Temperaturen ist die Sauerstoffreaktion schneller; wahlt man YO2,lim hoher, wird GR6gegenuber der Reaktion mit Wasserdampf bevorzugt.

Mit der ebenfalls gezeigten Begrenzung uber die zweite Methode des Minimums aus dengewichteten Molanteilen der Oxidationsmittel, wird die gleiche Abbranddauer wie bei der 1.5%-Limitierung erreicht, allerdings dauert der Schmelzvorgang, das Plateau bei 2350 K, langer unddie Maximaltemperatur liegt um etwa 80 K niedriger. Im Rahmen der Modell- und Stoffdaten-genauigkeit kann man die Ergebnisse jedoch als sehr ahnlich betrachten.

Abbildung 50 zeigt den Temperaturverlauf eines 24 µm-Partikels wahrend seines Abbrandsbei hohem Druck von 37.5 atm in einer Bombe, ein Experiment durchgefuhrt von Foelsche etal., [104]. In diesen Berechnungen wurde ebenfalls YO2,lim variiert, zwischen 0.5% uber 1.5% bis2.5%. In diesem Fall kann man kaum Unterschiede in den Verlaufen erkennen. Bei solch hohenDrucken ist die Diffusionshemmung so stark, dass der Sauerstoff-Molanteil an der Oberflache vonPartikeln dieser Große meist viel geringer ist als die gewahlte Schranke fur die Limitierungsfunk-tion. Praktisch wirkt in diesen Fallen somit fast ausschließlich die Reaktion mit Sauerstoff GR6,da die Reaktion mit Wasserdampf ausgeblendet wird. Auch hier besteht der Trend, dass beistarkerem Anteil der Wasserdampfreaktion, also niedrigerem YO2,lim, die Gesamtabbranddaueransteigt, weil GR7 langsamer als GR6 ist.

Fur die Implementierung in Matlab wurde als Standard ein YO2,lim Wert von 1.5% gewahlt,da die notwendige Iterationsanzahl mit sinkendem YO2,lim deutlich steigt. Noch viel schnellereKonvergenz erhalt man mit der zweiten Variante des Minimums der gewichteten Massenanteile.Obwohl auch fur die Umsetzung in die Stromungssimulation beide Methoden implementiert wur-den, empfiehlt sich hierfur nur die schnellere Minimum-Alternative, um die Gesamtrechenzeitennicht auf unnotig hohe Werte anschwellen zu lassen.

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8.6 Fur den Borpartikelabbrand zu losende Differentialgleichungen 181

Abbildung 50: Temperaturverlauf beim Abbrand eines Borpartikels mit Anfangsdurchmesser dP,0 =24µm in feuchter Gasumgebung bei 37.5 atm, 19% O2, 31% H2O, Foelsche et al. Fall1, [104]. Variation des Begrenzungsfaktors flim,O2

fur YO2,lim = 0.5%, 1.5% und 2.5%.

8.6 Fur den Borpartikelabbrand zu losende Differentialgleichungen

Um den Abbrand von Bor-Einzelpartikeln zu berechnen, werden fur die erste Stufe der Verbren-nung drei, fur die zweite Stufe zwei gewohnliche Differentialgleichungen fur Temperatur, Radiusund ggf. Oxidschichtdicke des Partikels gelost.

Die in den Abschnitten 7.1.3 und 7.1.5 beschriebenen, aus dem PSU-Modell von Ulas stam-menden Gleichungen setzen voraus, dass die Stoffdaten Dichte und Warmekapazitat des Partikelsund des umgebenden Gasgemischs konstant sind. Dies ist im allgemeinen nicht der Fall; eben-sowenig sollte der Anteil der spurbaren Energie beim reaktiven Umsatz wie im Originalmodellvernachlassigt werden, d.h. die Differenz der bei der aktuellen Temperatur ausgewerteten Enthal-pie zur Bildungsenthalpie der einzelnen Spezies. Anhang E enthalt eine detaillierte Herleitungder Enthalpie- und Massenbilanzen fur ein Mehrkomponentensystem fur den allgemeinen Fallmit variablen Stoffdaten inklusive des spurbaren Energieanteils der Reaktionen. Die Ergebnissewerden im folgenden kurz fur die Anwendung im neuen, erweiterten Borverbrennungsmodellzusammengefasst.

8.6.1 Bilanzen fur die erste Stufe der Verbrennung

Wahrend der ersten Stufe der Verbrennung setzt sich die Gesamtenthalpie des Partikels inklu-sive seiner Oxidschicht aus der Summe der Enthalpien des reinen Partikels einerseits und derOxidschicht andererseits zusammen.

Wegen der Additivitat der Enthalpien und einer raumlich einheitlichen Partikeltemperaturwird der Schmelzvorgang der Oxidschicht, der bei einer wesentlich niedrigeren Temperatur von723 K erfolgt als der des Bors bei 2350 K bis 2450 K, im Modell nicht berucksichtigt. Der Anteilder Masse der Schicht ist jedoch so gering, dass diese Nichtbeachtung der Schmelzenthalpiedie Gesamtenthalpie kaum beeinflusst. Als Stoffdaten fur die Oxidschicht werden diejenigen derflussigen Phase verwendet, weil die Schicht wahrend des Zundvorgangs die meiste Zeit in diesemAggregatzustand vorliegt.

Die Molenstrome, die hervorgerufen durch die heterogenen chemischen Reaktionen wahrendder ersten Stufe der Verbrennung zum Partikel hin- oder von ihm wegstromen bzw. diffundieren,

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182 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

berechnen sich uber

ni = 4πr2P

5∑j=1

(−νi,j)Rj (288)

mit der oberflachenbezogenen, positiven Reaktionsgeschwindigkeit Rj der globalen Reaktion jin (mol Formelumsatz)/(m2· s) und dem stochiometrischen Koeffizienten νi,j der Komponente iin der Reaktion j. Bor und Boroxid, die sich innerhalb des Systems befinden, sind auf die rechteSeite zu bringen, vgl. Anhang E. Damit steht dort die Reaktionsenthalpie in der gewohnten Form,mit negativem Vorzeichen. Die Bezugsflache der Reaktionsgeschwindigkeiten ist die Grenzflachezwischen festem Borpartikel und flussiger Oxidschicht mit dem Radius rP , da die Reaktionenim Modell an dieser Phasengrenze ablaufen.

Mit der vereinfachten Berechnung des Volumens der Oxidschicht

VOxid =43π[(rP + xP )3 − r3

P

]≈ 4πr2

P xP furxPrP 1 (289)

und unter Beachtung der Tatsache, dass die spezifischen Enthalpien der Reinstoffe bei Verwen-dung der bekannten NASA-Koeffizienten dimensionslos in der Form H/R gegeben sind, ergibtsich folgende Enthalpiebilanz fur die erste Stufe der Verbrennung

dH

dt=

(ρB, s

43πr3

P cP,B + ρB2O3, l 4πr2P xP cP,B2O3

)dT

dt

+ 4πr2P

∑i=B(s),B2O3(l)

(Hi

R

)Ru

5∑j=1

(+νi,j)Rj

=∑k

Qk +KGas∑l=1

(Hl

R

)Ru

5∑j=1

(−νi,j)Rj

(290)

worin xP die Oxidschichtdicke, Hi/R ·Ru die spezifische molare Enthalpie der Spezies i in J/mol,bestimmt aus den ersten 6 bzw. 8 Koeffizienten im NASA-Format, s. Anhang D, und Ru dieuniverselle Gaskonstante bezeichnet.

Die zu- und abgefuhrten Warmestrome∑k Qk setzen sich aus dem konvektiven Warmeuber-

gang an die Umgebung und dem Strahlungsterm zusammen. Der konvektive Warmeubergangwird beschrieben durch

Qkonv = hc 4π (rP + xP )2 (T∞ − TP ) , (291)

wobei der Warmeubergangskoeffizient hc aus einer Nußeltbeziehung fur eine uberstromte Ein-zelkugel, z.B. von Ranz und Marshall, gewonnen und auf rP + xP bezogen wird.

Die Partikelstrahlung wird nach dem Strahlungsgesetz berucksichtigt

QStrahlung = 4π (rP + xP )2 σ εB2O3

(T 4W − T 4

P

)(292)

mit der Stefan-Boltzmann-Konstante σ, der Emissivitat der Boroxidoberflache εB2O3 und derTemperatur der umgebenden Wande TW . Hierbei wird von Einzelpartikeln oberhalb eines Flach-flammenbrenners ausgegangen. Befindet sich das betrachtete Partikel in einer dichten Wolkeahnlich heißer, ebenfalls strahlender Partikel, so verschwindet der Netto-Strahlungswarmestrom.

Durch Umstellung nach der Temperaturableitung ergibt sich schließlich mit der Naherung(rP + xP ) ≈ rP in den Termen der Warmestrome

dTPdt

=

hc (T∞ − TP ) + σ εB2O3

(T 4W − T 4

P

)

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8.6 Fur den Borpartikelabbrand zu losende Differentialgleichungen 183

+KGas + B(s),B2O3(l)∑

i=1

(Hi(TP )R

)Ru

5∑j=1

(−νi,j)Rj

︸ ︷︷ ︸

(A)

·(ρB, s

rP3cP,B + ρB2O3, l xP cP,B2O3

)−1

, (293)

die zu losende gewohnliche Differentialgleichung fur die Partikeltemperatur. Der Term (A) aufder rechten Seite entspricht der Summe der Reaktionsenthalpien bei T = TP , d.h. der Stan-dardreaktionsenthalpien bei 298 K plus die spurbaren Energieanteile, multipliziert mit denflachenbezogenen Reaktionsgeschwindigkeiten. Unter Ausnutzung des Kommutativ- und desDistributivgesetzes erreicht man statt der speziesbezogenen Berechnung des Terms (A) einereaktionsbezogene Darstellung

KGas + B(s),B2O3(l)∑i=1

(Hi(TP )R

)Ru ·

5∑j=1

(−νi,j)Rj

=

=5∑j=1

Rj ·

KGas + B(s),B2O3(l)∑i=1

(−νi,j)(Hi(TP )R

)Ru

, (294)

die die jeweilige Reaktionsenthalpie, in eckige Klammern eingeschlossen, und die Reaktionsge-schwindigkeit trennt. Dies ist anschaulicher und wurde so in die Berechnungssoftware implemen-tiert.

Aus der Gleichung 440 im Anhang fur die Massenbilanz ergeben sich die Gleichungen fur diezeitliche Anderung der Oxidschichtdicke und des Partikelradius mit der Zeit fur die erste Stufeder Verbrennung

dxPdt

= − 1ρB2O3, l

5∑j=1

(−νB2O3, j)MB2O3 Rj + xP

(dρB2O3, l

dTP· dTPdt

) (295)

drPdt

= − 1ρB, s

5∑j=1

(−νB, j)MB Rj +rP3

(dρB, sdTP

· dTPdt

) (296)

Die drei Differentialgleichungen 293, 295 und 296 mussen wahrend der ersten Stufe der Verbren-nung gelost werden.

8.6.2 Bilanzen fur die zweite Stufe der Verbrennung

Sobald die Oxidschicht abgebaut ist, d.h. xP = 0, liegt das Bor frei. In der nun folgenden zweitenStufe der Verbrennung sind daher nur noch die Differentialgleichungen fur Partikeltemperaturund -radius zu losen. Die Herleitung ist analog zur ersten Stufe, so dass hier nur das Endergebniswiedergegeben wird. Zusatzlich ist hier der Schmelzvorgang des Borpartikels bei Tm = 2350 Koder 2450 K zu beachten sowie die teilweise Verdunstung des Bors bei hoheren Temperaturen.

Die Geschwindigkeiten der heterogenen chemischen Reaktionen der zweiten Stufe der Ver-brennung beziehen sich abweichend von der ersten Stufe auf (mol Bor)/(m2· s), d.h. nicht wiediejenigen der ersten Stufe auf den Formelumsatz.

Die Differentialgleichung fur die Temperatur lautet

dTPdt

=(ρB

rP3cP,B

)−1

·hc (T∞ − TP ) + σ εB

(T 4W − T 4

P

)

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184 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

+KGas + B(s/l)∑

i=1

(Hi(TP )R

)Ru

9∑j=6

(−νi,j)νB,j

Rj

︸ ︷︷ ︸

(B)

−m′′vap

∆hvMB

, (297)

mit der Reaktionsgeschwindigkeit Rj , der nicht-negativen verdunstenden Bormassenstromdichtem′′vap, der molaren Verdampfungsenthalpie ∆hv in J/mol (positiv) und der dem Aggregatzustanddes Bors entsprechenden Dichte ρB = ρB, s/l. Fur die Emissivitat im Strahlungsgesetz ist derWert fur die Boroberflache εB einzusetzen, fur den Warmeubergangskoeffizienten ist die Be-zugslange in der Nußeltzahl der Partikeldurchmesser 2 rP .

Wahrend des Schmelzvorgangs wird die Differentialgleichung des Schmelzfortschritts f

df

dt=

(ρB

rP3

∆Hm,B

)−1

·hc (T∞ − TP ) + σ εB

(T 4W − T 4

P

)

+KGas + B(s/l)∑

i=1

(Hi(T = Tm)R

)Ru

9∑j=6

(−νi,j)νB,j

Rj

︸ ︷︷ ︸

(B)

(298)

gelost. Fur die Dichte ρB ist wahrend des Schmelzprozesses

ρB, ph = ρB, s(Tm) + (ρB, l(Tm)− ρB, s(Tm)) f (299)

einzusetzen.Die Terme (B) in den Gleichungen 297 und 298 kann man wieder derart umstellen, dass

Reaktionsenthalpie und -geschwindigkeit getrennt werden

KGas + B(s/l)∑i=1

(Hi(TP )R

)Ru

9∑j=6

(−νi,j)νB,j

Rj

=

=9∑j=6

RjνB,j

·

KGas + B(s/l),B2O3(l)∑i=1

(−νi,j)(Hi(TP )R

)Ru

, (300)

wobei der Unterschied zu Gleichung 294 darin besteht, dass zusatzlich durch νB,j geteilt wird, dasich die Reaktionsgeschwindigkeiten der zweiten Stufe auf ein mol Bor beziehen, nicht auf denFormelumsatz, mit dem aber die Reaktionsenthalpie gebildet wird. Auch hier steht der Begriff

”Reaktionsenthalpie“ fur die Summe aus der Standardreaktionsenthalpie bei 298 K und demAnteil der spurbaren Energie.

Die Gleichung fur den Partikelradius fur T 6= Tm lautet

drPdt

= − 1ρB

9∑j=6

RjMB + m′′vap +rP3

(dρBdTP

· dTPdt

) (301)

mit der Dichte ρB des festen bzw. flussigen Bors. Bei der Schmelztemperatur gilt fur die zeitlicheRadiusanderung

drPdt

∣∣∣∣ph

= −[nR∑i=1

RjMB +rP3

(ρP, l − ρP, s)df

dt

]·ρB, s + (ρB, l − ρB, s) f

−1(302)

in Abhangigkeit vom Schmelzfortschritt f , wobei die Dichten jeweils bei Tm auszuwerten sind.

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8.7 Implementierung in MATLAB 185

Fur die zweite Stufe der Verbrennung sind also fur T 6= Tm die Gleichungen 297 und 301zu losen, bei der Schmelztemperatur T = Tm die Gleichungen 298 und 302. Ein wichtiger Un-terschied zu den Gleichungen des Originalmodells ist, dass die Reaktionsgeschwindigkeiten desneuen Modells auf die Konzentrationen an der Partikeloberflache bezogen sind, so dass der Ein-fluss der Diffusionshemmung – im Gegensatz zum PSU-Modell – konsistent in Energie- undMassenbilanz berucksichtigt wird.

8.7 Implementierung in MATLAB

Im folgenden wird die Umsetzung des erweiterten Verbrennungsmodells fur Bor-Einzelpartikel indie Software MATLAB beschrieben. Dieses Programmpaket diente als Entwicklungsumgebungfur das Modell, und hiermit wurden die Validierungsrechnungen aus Abschnitt 8.8 durchgefuhrt.Bis auf wenige Anderungen wurde die hier dargestellte Version auch in die Stromungsberech-nungssoftware Ansys CFX ubernommen, s. Kapitel 8.10.

Der im Hauptprogramm durchlaufene Algorithmus ist als Flussdiagramm in Abbildung 51dargestellt. Dieser ist zunachst unabhangig von den Neuerungen, auch das ebenfalls implemen-tierte PSU-Originalmodell wird derart aufgerufen.

Nach Vorgabe der Anfangsbedingungen des Partikelzustands TP,0, rP,0 und xP,0 sowie derFestlegung der Zusammensetzung, des Drucks und der Temperatur des umgebenden Gases,welche als konstant betrachtet werden, ruft der Loser zunachst die Routine zur ersten Stufe derVerbrennung auf, die in jedem Zeitschritt den chemischen Umsatz und die Anderungen in denzu losenden Variablen berechnet, bis die Oxidschichtdicke abgebaut ist.

Weitere veranderliche Parameter sind die Emissivitat der Partikeloberflache und die Tempe-ratur der umgebenden Wande, welche fur die Berechnung der Warmestrahlung benotigt werden,und die Angaben zur Dichte und linearisierten Temperaturabhangigkeit der Dichte des festenoder flussigen Bors und des flussigen Boroxids. Somit konnen verschiedene Korrelationen undStrukturen, kristallin oder amorph, untersucht werden. Daruber hinaus kann eine endliche Rela-tivgeschwindigkeit zwischen Partikel und Gas festgelegt werden, wenn der Einfluss erzwungenerKonvektion von Bedeutung ist.

Anschließend beginnt die zweite Stufe der Verbrennung, in der, wie Abbildung 51 zeigt, eineAnzahl von Fallunterscheidungen vorgenommen werden muss. Dies liegt an der Berucksichti-gung der Schmelz- und Erstarrungsvorgange des Bors, die zwischen Phasen des Aufheizens oderAbkuhlens des festen oder flussigen Borpartikels auftreten konnen. Da wahrend des Schmelzpro-zesses statt der Temperatur-Differentialgleichung eine solche fur den Schmelzfortschritt f gelostwerden muss und auch die Dichteanderung anders berechnet wird, werden hierfur unterschied-liche Routinen aufgerufen.

Im Diagramm sind diese Routinen als ”2. Stufe TP variabel“ bzw. ”2. Stufe Schmelzvorgang“gekennzeichnet. Der Ausbrand des Partikels wird als Unterschreitung eines Mindestradius defi-niert, der hier zu 0.25% des Ursprungsradius festgelegt wurde; das entspricht 1.5625·10−8 mal derAnfangsmasse. Das Borpartikel kann entweder wahrend der gesamten Verbrennung fest bleiben,es kann wahrend des Schmelzprozesses ausbrennen oder kann anschmelzen und sofort wiedererstarren, ohne komplett verflussigt worden zu sein. Schmilzt es vollstandig, kann der Ausbrandoberhalb der Schmelztemperatur Tm geschehen oder eine Wiedererstarrung einsetzen, ggf. ge-folgt von weiterer Abkuhlung. All diese Falle wurden in der Implementierung berucksichtigt.

Die die zu losenden Differentialgleichungen der zweiten Stufe der Verbrennung enthaltendenRoutinen, je eine fur Schmelzen/Erstarren und Aufheizen/Abkuhlen, rufen ihrerseits die wich-tigste Unterroutine auf, welche die in den einzelnen Reaktionen GR6 bis GR9 unter Berucksich-tigung der Diffusionshemmung umgesetzten Bormassenstromdichten an der Partikeloberflacheberechnet. Hier kann zwischen dem PSU-Originalmodell und dem neuen, erweiterten Modell

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186 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Abbildung 51: Flussdiagramm der Berechnung der Einzelpartikelverbrennung in MATLAB. Tm ist dieSchmelztemperatur, 0 ≤ f ≤ 1 der Schmelzfortschritt und der Ausbrand ist definiert alsrP,min = 0.25% ·rP,0.

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8.7 Implementierung in MATLAB 187

gewahlt werden.

Algorithmus zur Berechnung der in den Reaktionen und durch Verdunstung um-gesetzten BormassenstromeNachfolgend sind die einzelnen Schritte der Berechnungsroutine fur das neue Modell, wie sie inMATLAB implementiert sind, zusammengestellt. Diese Unterroutine wird in jedem Zeitschrittaufgerufen.

1. Ubergabe der aufgrund der quasistationaren Modellierung fur den aktuellen Zeitschrittkonstanten Daten rP , TP , der Relativgeschwindigkeit vrel, T∞, P und der molaren Zusam-mensetzung in der Umgebung Xi,∞.

2. Festlegung der relativen und absoluten Toleranzen sowie des Unterrelaxationsfaktors furdie Iteration und des Limitierungsmodells fur GR7 und GR8, d.h. limitierender Faktoroder Minimum der gewichteten Molanteile.

3. Startwerte Xi,s,0 fur die Iteration angeben. Als gunstig hat sich die Angabe Xi,s,0 =Xi,∞ herausgestellt, die vor allem bei kleineren Partikeln mit geringer Diffusionshemmungschnelle Konvergenz liefert.

4. Berechnung des Dampfdrucks des Bors an der Oberflache und Umrechnung der Xi,s,0, daXB,s festliegt. Umrechnung der Mol- in Massenanteile Yi,s,0 und Yi,∞.

5. Bestimmung der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten k6(TP ) bis k9(TP ) sowie der Refe-renztemperatur nach der 1/3-Regel, Tref , und damit der Reinstoffviskositaten ηi(Tref) undder Gasdichte ρ∞.

6. Beginn der Hauptschleife zur Berechnung der Massenanteile der Gasphasenspezies ander Partikeloberflache sowie der reaktiv und durch Verdunstung umgesetzten Bormas-senstrome, n = 0.

(a) Hochsetzen des Zahlers n = n+ 1.

(b) [ In der ersten, dann alle 10 Iterationen, da aufwendig: ] Neuberechnung der Diffusions-koeffizienten ρDi,m bei der Referenztemperatur und -zusammensetzung Xi,ref , sowieder Viskositat der Gasmischung ηmix, der Reynolds-, Schmidt- und SherwoodzahlenRe, Sci und Shi.

(c) Bestimmung der durch die chemischen Reaktionen hervorgerufenen Nettomassen-stromdichte an der Oberflache m′′netto|Reaktion mit den aktuellen Yi,s unter Beachtungdes gewahlten Limitierungsmodells fur GR7 und GR8.

(d) Falls die Temperatur oberhalb der Schmelztemperatur liegt, so dass der Bordampf-druck großer null ist, und YB,s > YB,∞, d.h. keine Kondensation:

i. m′′vap,0 als Startwert der Newton-Iteration festlegen, nNewton = 0.ii. Schleife des Newton-Verfahrens zur Berechnung der verdunstenden Bormassen-

stromdichte m′′vap

• nNewton = nNewton + 1. Bestimmung von m′′vap, it gemaß dem Newton-Verfah-ren.• Falls der relative Fehler in m′′vap kleiner als 10−4 oder nNewton > 100 ist,

Beendigung der inneren Schleife und weiter bei (e). Ruckgabewert ist imNormalfall

∣∣∣m′′vap

∣∣∣ und 5 · 10−5 ·∣∣∣m′′vap

∣∣∣, falls die maximale Iterationsanzahluberschritten wurde. Letzteres hat sich als gunstig fur die Konvergenz der

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188 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Hauptschleife herausgestellt. Das Newton-Verfahren konvergiert in der Regelinnerhalb von 15 bis 20 Iterationen; nach einigen Hauptiterationen wird diemaximale Newton-Iterationsanzahl nicht mehr uberschritten.• Sonst ist der Startwert der folgenden Iteration

∣∣∣m′′vap

∣∣∣. Ende der Newton-Schleife.

iii. Fur den Fall YB,s = 0 ist m′′vap = 0.

(e) Berechnung der εi, mit Unterscheidung nach dem Limitierungsmodell, und der ai.

(f) Hiermit ergeben sich die gesuchten neuen Yi,s,neu.

(g) Prufung, ob das Konvergenzkriterium erreicht wurde:

• Falls die relative oder10 die absolute Abweichung kleiner als die oben gesetztenToleranzen sind,∣∣∣∣∣Yi,s,neu − Yi,s,alt

Yi,s,alt

∣∣∣∣∣ < rel. Tol. oder |Yi,s,neu − Yi,s,alt| < abs. Tol. , (303)

fur alle Spezies außer B(g) und N2, ist die Konvergenz erreicht, die aktuellenYi,s,neu und damit Xi,s,neu sowie m′′vap werden aus der Schleife zuruckgegeben;weiter bei 7.• Andernfalls muss die Iteration in der Hauptschleife fortgesetzt werden. Die starke

Nichtlinearitat des Gleichungssystems erfordert eine Unterrelaxation des Verfah-rens. Die Startwerte fur den nachsten Iterationsschritt werden daher mit demUnterrelaxationsfaktor fUR uber

Yi,s|n+1 = Yi,s,alt + fUR (Yi,s,neu,n − Yi,s,alt,n) (304)

gebildet, wobei fur die vier Oxidationsmittel gepruft wird, ob ihr Wert Yi,s,neu,n

kleiner null ist. Tritt dieser Fall ein, wird fUR auf

fUR = min

(fUR,min, −

1Yi,s,neu,n

)(305)

gesetzt, dies verhindert unzulassige Yi,s|n+1 fur den nachsten Schritt. fUR,min

bezeichnet die ansonsten gesetzte untere Schranke fur fUR.• Neuberechnung des Massenanteils der Uberschusskomponente YN2,s, der Mol-

anteile an der Oberflache Xi,s und der mittleren Molmasse des Gases an derOberflache MGas,s sowie ggf. Korrektur, so dass XB,sP dem Dampfdruck desBors entspricht.• Abbruch der Hauptschleife bei maximal zulassiger Iterationsanzahl. Dies bedeu-

tet ein Scheitern der Berechnung.

(h) Ende der Hauptschleife, zuruck zu (a).

7. Bestimmung der Stoffdaten Warmeleitfahigkeit, Viskositat und Prandtl-Zahl der Gasmi-schung sowie der Reynolds- und Nußelt-Zahl.

8. Berechnung der umgesetzten Netto-Bormassenstromdichte an der Oberflache RjMB fur diejeweilige Reaktion j, gebildet mit den iterativ bestimmten Yi,s, d.h. unter Berucksichtigungdes hemmenden Einflusses der Diffusion.

9. Ruckgabe der reaktiven und verdunstenden Nettomassenstrome sowie der fur die Losungder Differentialgleichungen benotigten Stoffdaten. Ende der Unterroutine.

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8.7 Implementierung in MATLAB 189

Abbildung 52: Flussdiagramm der Routine zur Berechnung der in den Reaktionen und durch Verdunstungumgesetzten Bormassenstrome.

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190 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Der Algorithmus ist in Abbildung 52 noch einmal graphisch zusammengefasst.In der Anwendung der Implementierung hat sich herausgestellt, dass mit dem gewahlten

Losungsverfahren immer Konvergenz erreicht wird, wenn man nur stark genug unterrelaxiert.Bei kleinerem Unterrelaxationsfaktor fUR werden dann aber mehr Iterationen der Hauptschleifebenotigt, so dass die Gesamtlosung aufwendiger ist als bei großerem Faktor. Aus Effizienzgrundenist somit eine Optimierung der Unterrelaxation anzustreben, so dass die Stabilitat des Verfahrensmit moglichst geringem Rechenaufwand gewahrleistet wird. Insbesondere fur die Implementie-rung in die CFD war dies vorrangig, da fur diese Anwendung nicht mehr in den Programmtexteingegriffen werden soll. Im Rahmen dieser Arbeit wurden verschiedene Methoden, z.B. eines mitder Iterationsanzahl variierenden Unterrelaxationsfaktors, untersucht und die besten Methodenin den Code eingebaut.

Es sind mit Sicherheit effizientere Losungsverfahren fur dieses nichtlineare Gleichungssystemanwendbar. Z.B. wurden im Rahmen dieser Arbeit die in MATLAB vorhandenen Gauß-Newton-und Levenberg-Marquardt-Algorithmen fur solche Systeme verwendet. Diese garantierten al-lerdings erstens nicht die Nebenbedingung 0 ≤ Yi,s ≤ 1 und fuhrten somit manchmal, beiungunstigen Startwerten, zu sinnlosen Ergebnissen. Zweitens musste darauf geachtet werden,dass die verwendeten Algorithmen in den CFD-Loser ubertragbar sind. Eine Implementierungdes MATLAB-internen Codes in FORTRAN, was fur die Nutzung in Ansys CFX notwendigist, wurde im Rahmen dieser Arbeit nicht vorgenommen. Hier liegt aber sicherlich noch Opti-mierungspotential bzgl. der Geschwindigkeit des neuen Verbrennungsmodells.

8.8 Validierung

In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse verschiedener Verbrennungsmodelle fur Bor-Ein-zelpartikel mit experimentell bestimmten Abbrandzeiten solcher Partikel verglichen. Die in derLiteratur publizierten Experimente mit Borpartikeln in sauerstoff- und wasserdampfhaltigen At-mospharen zeigen zwei deutlich unterscheidbare zeitliche Phasen, die als erste und zweite Stufeder Verbrennung bezeichnet werden. Nach einer Aufheizphase erscheint wahrend der ersten Stufenur ein schwaches Glimmen der Partikel, das als reaktiver Abbau der Oxidschicht interpretiertwird. In der sich an eine kurze dunklere Zwischenphase anschließenden zweiten Stufe der Ver-brennung liegt reines Bor frei vor, das vehement mit den genannten Oxidationsmitteln reagiertund ein helles Leuchten erzeugt. Diese Aufteilung in zwei Stufen ist in fluorhaltigen Atmospharennicht erkennbar, wahrscheinlich weil die Oxidschicht in Gegenwart von Fluor-Radikalen extremschnell abgebaut wird, was auch der Grund fur das Zusetzen von Fluor in Treibsatzen ist.

Da im Meteor-Triebwerk nur geringe Mengen fluorhaltige Substanzen im Treibsatz einge-setzt werden, wird in diesem Abschnitt nur mit den gemessenen Abbrandzeiten aus Experimen-ten ohne Fluor verglichen. In der Literatur sind nur wenige Experimente geschildert, so dassdie Basis fur die Validierung eines Borverbrennungsmodells nicht sehr umfassend ist. Vor allemdrei Arbeitsgruppen haben sich diesen Messungen gewidmet: Die altesten Daten stammen vonMacek, siehe z.B. [68], der vor allem großere Partikel bei atmospharischem Druck untersuchthat (30-50 µm), kleinere Partikel von 1-3 µm wurden von der PSU-Gruppe um Kuo unter-sucht, auch zur Validierung ihrer eigenen Modelle, [110, 114], ebenfalls bei einer Atmosphare.Die Gruppe um Krier und Foelsche hat mittlere und große Partikel bei hoheren Drucken, bis zu150 atm, beobachtet, siehe z.B. [101, 104]. Bei der Auswertung ist zu beachten, dass nicht alleExperimente in gleicher Qualitat dokumentiert wurden, was z.B. die Messungenauigkeit oderdie Gaszusammensetzung betrifft.

Der hier vorgenommene Vergleich soll zum einen die großen Abweichungen zwischen denpublizierten Modellen und Messdaten aufzeigen und zum anderen die Auswirkungen der im

10Hier musste ein logisches Und stehen, diese Forderung hatte sich in der Praxis als zu streng herausgestellt.

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8.8 Validierung 191

Rahmen dieser Arbeit vorgestellten Modellerweiterungen demonstrieren. Mit den Messdatenverglichen werden das aus vielen Elementarreaktionen aufgebaute komplexe Borverbrennungs-modell der PA-Gruppe, s. Abschnitt 6, die in Ulas’ Dissertation veroffentlichten Ergebnisse desOriginalmodells der PSU-Gruppe, die vom Autor dieser Arbeit auf Basis der von der PSU-Gruppe veroffentlichten Gleichungen nachgerechneten Ergebnisse mit dem Originalmodell unddie Resultate des in dieser Arbeit weiterentwickelten quasistationaren Verbrennungsmodells.

Tabelle 16: Gaszusammensetzung und -temperatur sowie Zundtemperatur der Partikel (kleinere bzw.großere Partikel) im Experiment in den Untersuchungen von Macek und Semple, [68],dP,0 = 34.5µm bzw. 44.2µm. Die in den Rechnungen verwendete Zundtemperatur sowiedie stationare Fallgeschwindigkeit der Partikel, die fur die Relativgeschwindigkeit eingesetztwurde, sind ebenfalls angegeben. XRest wurde in der Rechnung XN2 zugeschlagen. Die Falle4 und 9 aus [68] wurden in Argon-Atmosphare durchgefuhrt oder es erfolgte keine Zundung.

Fall TZnd,Ms. TZnd,Rg. TGas XO2 XH2O XCO XCO2 XN2 XRest vEnd

[K] [K] [K] [m/s]

119801970

1992 2280 0.23 0.00 0.00 0.30 0.45 0.020.01290.0209

220001970

1992 2430 0.20 0.00 0.01 0.33 0.43 0.030.01320.0214

319901990

1992 2870 0.23 0.00 0.20 0.44 0.09 0.040.01270.0209

518401930

1860 2240 0.19 0.16 0.01 0.11 0.50 0.030.01310.0213

618501880

1860 2330 0.21 0.16 0.01 0.12 0.47 0.030.01270.0209

718101800

1860 2430 0.19 0.19 0.02 0.13 0.45 0.020.01290.0211

819601810

1860 2640 0.20 0.21 0.03 0.15 0.35 0.060.01270.0208

1020302010

1992 2490 0.28 0.00 0.03 0.35 0.32 0.020.01230.0202

111990—

1992 2450 0.37 0.00 0.02 0.34 0.25 0.020.01180.0193

Das erste Experiment wurde von Macek und Semple in [68] veroffentlicht. Hierin wurden– fur die Anwendung in Treibsatzen eher große – Partikel mit mittleren Anfangsdurchmessernvon 34.5 bzw. 44.2 µm in den Abgasen oberhalb eines mit Methan oder CO gespeisten Flach-flammenbrenners bei 1 atm verbrannt und die Abbrandzeiten fur erste und zweite Stufe durchein optisches System bestimmt. Tabelle 16 fasst die Gaszusammensetzung und -temperatur furdie jeweils neun untersuchten Falle zusammen. Sie enthalt außerdem die Zundtemperatur, dieMacek und Semple angegeben haben. Diese ergab sich rechnerisch aus der gemessenen Zeitspan-ne des Zundverzugs und einer Berechnung der Temperatur-Differentialgleichung fur die Aufheiz-phase. Die Tabelle enthalt weiterhin die in den Rechnungen verwendete Zundtemperatur, dievon Macek und Semple zu 1992 K fur trockene und zu 1860 K fur wasserhaltige Atmospharengemittelt wurde.

Da das erweiterte Modell auch die Berucksichtigung von Relativgeschwindigkeiten zwischenGas und Partikel zulasst, wurde die stationare Fallgeschwindigkeit der Partikel berechnet, die dieminimale Relativgeschwindigkeit in einer solchen experimentellen Anordnung darstellt. Durch

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192 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

unterschiedliche Injektionsgeschwindigkeiten von Gas und Partikeln weichen die realen Ge-schwindigkeitsunterschiede wahrend der Aufheizphase und der ersten Stufe der Verbrennungvor allem fur großere Partikel hiervon ab.

Die Tabellen 17 und 18 enthalten die Dauer der ersten und zweiten Stufe der Verbrennungfur 34.5 µm bzw. 44.2µm Partikel. Bzgl. der ersten Stufe zeigt sich in den Messungen, dass dieGeschwindigkeit des Oxidschichtabbaus von der Temperatur der Gasumgebung und dem Was-serdampfmolanteil abhangt. In wasserhaltiger Umgebung kann die Oxidschicht bis zu doppeltso schnell beseitigt werden. Eine hohere Gastemperatur erleichtert das reaktive Abdampfen desOxids. Die Rechnungen zeigen eine hohe Sensitivitat bzgl. der anfanglichen Oxidschichtdicke, dieunbekannt ist und daher fur die Berechnungen geschatzt werden muss. Im Rahmen dieser Arbeitwurde, wenn nicht anders beschrieben, die Empfehlung von Zhou in [147] umgesetzt, welche dieOxidschicht auf 1.3% des Ursprungsradius schatzt; in den von Ulas durchgefuhrten Rechnungenwurde nicht immer die gleiche Regel angewendet. Die im Rahmen dieser Arbeit durchgefuhrtenRechnungen wurden erst bei der Zundtemperatur gestartet. Da wahrend der Aufheizphase be-reits langsam Oxid abgebaut wird, ist die Oxidschicht zum Zundzeitpunkt schon um einen Faktorf , angegeben in den Tabellen, geringer als zu Beginn bei 298 K.

Obwohl im erweiterten Modell fur die erste Stufe der Verbrennung die publizierten Gleichun-gen des PSU-Modells implementiert und nur die Stoffdaten11 unterschiedlich berechnet wurden,zeigen sich teils deutliche Unterschiede in den berechneten Zeiten des Oxidschichtabbaus. Danicht immer klar ist, welche Zundtemperatur die anderen Gruppen verwendet haben, ist dieVergleichbarkeit u.U. eingeschrankt.

Wesentliche Unterschiede zeigen sich jedoch in der zweiten Stufe der Verbrennung, fur diedas PSU-Modell im Rahmen dieser Arbeit erweitert wurde. Berechnungen zu den großen Parti-keln aus den Messungen von Macek und Semple hat die PSU-Gruppe nicht veroffentlicht. Furdie Nachrechnung wurde der Fehler in der Publikation des Originalmodells korrigiert, dass derreaktive Umsatz in Temperatur- und Radius-Differentialgleichung nicht konsistent war, weil erdort einmal mit und einmal ohne Berucksichtigung der Diffusionshemmung eingesetzt wurde.

Mit dem Originalmodell ergeben sich viel zu hohe Abbrandzeiten bei diesen großen Partikeln,um den Faktor drei und mehr. Dazu kommt, dass eventuell stattfindende teilweise Verdunstungdes Bors nicht berucksichtigt wird. Das im Rahmen dieser Arbeit erweiterte Modell liegt deutlichnaher an den Messdaten, ubertrifft diese jedoch auch teilweise noch deutlich. Zudem wurde, wiein Abschnitt 8.5 beschrieben, die Geschwindigkeitskonstante der Sauerstoffreaktion sinnvoll,aber willkurlich, erhoht, um die Messwerte besser zu treffen. Hier ist sicherlich eine Abwagungmit den Ergebnissen bei kleineren Partikeln erforderlich, worauf weiter unten eingegangen wird.Zhou schreibt in ihrer Dissertation, [147], dass das von ihr mitentwickelte komplexe PA-Modellebenfalls doppelt so hohe Abbrandzeiten vorhersagt wie die Messdaten. Sie vermutet ebenfallsUnsicherheiten in den Geschwindigkeitskonstanten der Reaktionen mit Sauerstoff und fuhrt einenTeil der Abweichung auf die in den Rechnungen vernachlassigte erzwungene Konvektion zuruck.Genaue Ergebnisse hat die PA-Gruppe wegen dieser großen Abweichungen nicht veroffentlicht.

Fur das neue, erweiterte Modell wurde fur die Falle 5 bis 8, in denen neben Sauerstoff auchWasserdampf in der Umgebung enthalten ist, zusatzlich der Einfluss der Limitierungsmethodefur die Reaktion GR7 untersucht, vgl. Abschnitt 8.5.3. In den Tabellen 17 und 18 ist hierfur inder jeweils oberen Zeile eines Falls die Abbrandzeit mit einer Limitierung durch das Minimumder gewichteten Molanteile von Sauerstoff und Wasserdampf angegeben, wahrend die jeweils

11Fur die Nachrechnung wurden Warmeleitfahigkeit und Diffusionskoeffizienten nach der im erweiterten Modellverwendeten Methode berechnet, die Warmekapazitat des Bors nach der von Ulas in [114] angegebenen Formel, diesich deutlich von den im erweiterten Modell verwendeten Daten unterscheidet, siehe Anhang D. Zudem wurde furdie Nachrechnungen eine Schmelztemperatur wie in [114] von 2450 K angesetzt, wahrend im erweiterten Modellder Wert 2350 K Verwendung fand.

Page 209: Modellierung und numerische Simulation der zweiphasigen ...athene-forschung.unibw.de/doc/86148/86148.pdf · III Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand am Institut fur Thermodynamik

8.8 Validierung 193

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17:

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61

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194 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Tab

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18:

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8.8 Validierung 195

untere Zeile den Wert fur eine Begrenzung der Geschwindigkeit durch den in Abschnitt 8.5.3definierten Faktor flim,O2

enthalt.Die durch die beiden Methoden erhaltenen Abbrandzeiten weisen nur geringe Unterschiede

auf. Ein detaillierterer Vergleich der Partikel-Temperaturverlaufe zeigt jedoch, dass diese leichtvoneinander abweichen: Mit der Begrenzung durch den genannten Faktor werden bei fast gleicherDauer etwa 50 bis 60 K hohere Spitzentemperaturen erreicht.

Ein weiterer Grund fur die zu lang berechneten Abbrandzeiten in wasserhaltigen Atmo-spharen konnte sein, dass zwar die globale Reaktion GR7 ohne Sauerstoff nicht ablaufen kann,der Abbau des Bors nach diesem Modell jedoch uber ein Boran in Elementarreaktion ER20ohne Sauerstoff erfolgt. Das bedeutet, dass das Partikel zwar reaktiv umgesetzt wird, aber diegasformigen Zwischenprodukte ohne Sauerstoff nicht weiterreagieren. Bezogen auf die Messda-ten konnte es somit passieren, dass das Partikel auch bei Sauerstoffmangel an der Oberflacheweiter abgebaut wird und die Zwischenprodukte erst spater mit neu hinzustromendem Sauer-stoff umgesetzt werden. Auf diese Weise ware ein schnellerer Umsatz des Feststoffs erklarlich,ist aber auf Basis des hier verwendeten einfachen, globalen Mechanismus reine Spekulation.

Tabelle 19: Gaszusammensetzung und -temperatur in den Experimenten von Yeh und Kuo, [110], mitdP,0 = 3µm Partikeln. Die in den Rechnungen verwendete Zundtemperatur sowie die stati-onare Fallgeschwindigkeit der Partikel, die fur die Relativgeschwindigkeit eingesetzt wurde,sind ebenfalls angegeben. XRest wurde in der Rechnung XN2 zugeschlagen.

Fall TZnd,Rg. TGas XO2 XH2O XCO XCO2 XN2 XRest vEnd

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B 1665 1988 0.2342 0.1848 0.0026 0.0946 0.4745 0.0093 1.30 · 10−4

C 1665 1993 0.1260 0.1923 0.0038 0.0992 0.5687 0.0100 1.35 · 10−4

D 1665 1782 0.1846 0.1519 0.0000 0.0789 0.5823 0.0033 1.34 · 10−4

E 1665 1784 0.2276 0.1528 0.0009 0.0816 0.5318 0.0053 1.33 · 10−4

F 1665 1772 0.2774 0.1499 0.0000 0.0833 0.4821 0.0073 1.31 · 10−4

Tabelle 19 enthalt die Gaszusammensetzung und -temperatur der Versuchsreihen von Yehund Kuo, [110], die mit 3 µm Partikeln durchgefuhrt wurden, in allen Fallen bei einer Atmo-sphare Druck und Sauerstoff sowie Wasserdampf als Oxidationsmitteln. Die Partikel bestandenentweder aus amorphem Bor mit einer Dichte von 2370 kg/m3 oder aus kristallinem Bor mit einerDichte von 2340 kg/m3. Yeh und Kuo haben eine Zundtemperatur von 1665 K fur diese Großeabgeleitet; die in den Nachrechnungen eingesetzte Relativgeschwindigkeit, die der stationarenFallgeschwindigkeit entspricht, ist ebenfalls in dieser Tabelle angegeben. Die Relativgeschwindig-keit spielt bei den kleineren Partikeln in den Messungen eine geringe Rolle, zumal die stationareEndgeschwindigkeit im Gegensatz zu großeren Partikeln sehr schnell erreicht wird.

Die Messdaten sowie die Ergebnisse der Berechnungen mit dem PA-Modell nach Zhou, demPSU-Originalmodell nach Ulas sowie Nachrechnungen mit den publizierten PSU-Gleichungenund Resultate des neuen, erweiterten Modells sind in Tabelle 20 jeweils fur kristallines undamorphes Bor zusammengefasst. Zusatzlich ist auch die experimentell bestimmte Aufheizzeitvor der Zundung, tZund, angegeben, da hier große Abweichungen zwischen den einzelnen Berech-nungen und zwischen Aufheiz- und Zundzeit auftreten.

Es zeigt sich, dass das neue, erweiterte Modell schon in der ersten Stufe der Verbrennung

Page 212: Modellierung und numerische Simulation der zweiphasigen ...athene-forschung.unibw.de/doc/86148/86148.pdf · III Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand am Institut fur Thermodynamik

196 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELLTab

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Page 213: Modellierung und numerische Simulation der zweiphasigen ...athene-forschung.unibw.de/doc/86148/86148.pdf · III Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand am Institut fur Thermodynamik

8.8 Validierung 197

deutlich geringere Zeiten vorhersagt als die gemessenen Werte, wahrend fur das originale PSU-Modell eine viel großere Dauer veroffentlicht wurde. Aufgrund der geringen Partikelgroße ist derFaktor f nahe bei 100%, d.h. die Oxidschicht ist bei der Zundtemperatur von 1665 K noch nahezuunverbraucht. Die Aufheizzeit und die Dauer der ersten Stufe sind von ahnlicher Großenordnung,in der Messung wie in der Nachrechnung, auch in der hier vorgenommenen Implementierung.In der Messung betragen sie zusammen ca. 2.5 bis 3.0 ms, in der Nachrechnung jedoch nur 1.0ms fur die Falle A bis C. Interessanterweise hat auch die PA-Gruppe nach Zhou, [147], ahnlichniedrige Zeiten berechnet wie sie in der vorliegenden Arbeit erhalten wurden.

Da fur die erste Stufe der Verbrennung beim erweiterten Modell außer bei den Stoffdatenkeine Veranderungen vorgenommen wurden und auch die PA-Gruppe ahnliche Ergebnisse er-halten hat, konnte es ebenfalls sein, dass die angegebenen Partikeldurchmesser fehlerbehaftetsind. Fur die Falle D bis F ist eine wesentlich bessere Ubereinstimmung zu erkennen, auch hierliegen die Ergebnisse der eigenen Implementierung und des komplexen Modells der PA-Gruppeerstaunlich nah beisammen. Die in den Messungen teilweise spurbaren Unterschiede zwischenamorphem und kristallinem Bor sind in der Rechnung kaum wiederzufinden, da sich nur die Bor-dichte leicht unterscheidet. Die amorphen Borpartikel in den Experimenten waren allerdings nurzu 93% rein und enthielten als Rest vor allem Magnesiumverbindungen, wahrend das kristallineBor zu 99.5% rein war. Dies ist die wahrscheinlichere Erklarung fur die Abweichungen.

Die Dauer der zweiten Stufe der Verbrennung fur diese Partikel zeigt recht gute Uber-einstimmung zwischen den Berechnungen der PA-Gruppe mit ihrem komplexen Modell unddem einfachen PSU-Modell sowie den Messdaten. Die Nachrechnung mit den publizierten PSU-Gleichungen liefert etwas andere Werte als die veroffentlichten Daten, die Großenordnung istallerdings dieselbe. Auch hier ist nur ein geringer Einfluss der Bordichte, also des Kristallgefuges,zu erkennen.

Sehr große Abweichungen hierzu erhalt man allerdings mit dem neuen, im Rahmen dieserArbeit erweiterten Modell. Die Abbrandzeiten werden deutlich zu kurz vorhergesagt. Der Haupt-grund hierfur liegt in der Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k6, fur die in Abschnitt 8.5 einestarke Temperaturabhangigkeit oberhalb 2400 K eingefuhrt wurde. Grund dieser willkurlichenFestlegung war eine bessere Ubereinstimmung mit den oben beschriebenen Messdaten von Macekund Semple. Bei den nun betrachteten kleineren Partikeln werden durch die hohe Reaktionsge-schwindigkeit hohere Temperaturen und damit ein noch schnellerer Umsatz erreicht.

Die Diskussion in Abschnitt 8.5 hat gezeigt, dass fur k6 auf jeden Fall eine Temperaturab-hangigkeit auch oberhalb von 2400 K besteht. Deren Starke konnte durch iterative Anpassungan die Messdaten von großen und kleinen Partikeln noch variiert werden und wurde damit wahr-scheinlich zu insgesamt besserer Ubereinstimmung zwischen den Ergebnissen des neuen Modellsund den Messdaten fuhren. Im Rahmen dieser Arbeit wurde zunachst das Fundament des erwei-terten Modells gelegt, auf das eine genauere Validierung anhand auch weiterer Messergebnissefur verschiedene Partikelgroßen aufbauen kann. An diesem Punkt sollte in zukunftigen Arbeitenangeknupft werden, um die Vorhersagefahigkeit des Modells weiter zu verbessern.

Da alle Experimente von Yeh und Kuo in wasserhaltigen Atmospharen durchgefuhrt wurden,enthalt Tabelle 20 auch eine Gegenuberstellung der beiden im erweiterten Modell verwendetenLimitierungsmethoden fur die Reaktion GR7. Im Gegensatz zu den großeren Partikeln von Macekund Semple treten bei den hier vorliegenden kleineren Partikeln betrachtliche Unterschiede auf,die nahelegen, dass dieser Einfluss in Zukunft naher untersucht werden muss.

Vor allem in den Fallen A, C und D reagieren die Partikel bei der Limitierung durch denFaktor flim,O2

in 30 bis 50% weniger Zeit ab als bei der Limitierung durch die gewichtetenMolanteile von Sauerstoff und Wasserdampf. Aufgrund der geringeren Diffusionshemmung beikleineren Partikeln sind die Molanteile an der Oberflache hoher als bei den großeren Partikeln.Da die Reaktion GR6 sehr schnell ist, liegt deutlich weniger Sauerstoff als Wasserdampf an

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198 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

der Oberflache vor; trotzdem ist der Sauerstoffanteil noch oberhalb des Grenzwertes fur diezweite Methode. Daher lauft die Wasserdampfreaktion bei der Begrenzung durch die gewichtetenMolanteile langsamer ab und die Abbrandzeit verlangert sich. Hierfur spricht auch, dass in Fall F,in dem die Sauerstoffkonzentration in der Umgebung am hochsten ist, nur geringe Unterschiedezwischen den Ergebnissen der beiden Methoden auftreten.

Generell zeigt sich auch bei den von Yeh und Kuo untersuchten kleinen Partikeln, dass dieDauer der ersten Stufe der Verbrennung relativ unabhangig von der Sauerstoffkonzentration inder Umgebung ist, wahrend die Abbrandzeit in der zweiten Stufe mit steigendem Sauerstoffanteilsinkt; die Dauer beider Stufen verringert sich jeweils, wenn die Temperatur der umgebendenGasmischung steigt.

Im Rahmen seiner Dissertation, [114], hat Ulas weitere kleine Partikel von 1 und 3 µmAnfangsdurchmesser in einer ahnlichen Vorrichtung wie Yeh und Kuo bei atmospharischemDruck untersucht, wobei der Schwerpunkt seiner Experimente auf dem Abbrand in fluorhaltigenGasumgebungen lag. Die Daten seiner beiden Referenzfalle ohne Fluor sind in den Tabellen21 und 22 enthalten. Die Zundtemperatur der kleinsten Partikel liegt mit 1560 K noch einmalniedriger als die der 3 µm Partikel, beide wurden bei einer hoheren Gastemperatur von 2020 Kverbrannt.

Bei diesen Partikeln treffen auch die von Ulas publizierten berechneten Daten die Messwertenicht sehr gut, bei den kleineren treten Abweichungen in der ersten Stufe, bei den großeren inder zweiten Stufe auf. Da laut Ulas fur beide Partikelgroßen eine Oxidschichtdicke von 0.02 µmangenommen wurde, unterscheidet sich die Dauer der ersten Stufe der Verbrennung, die mitdem erweiterten Modell berechnet wurde, nicht sehr stark zwischen den beiden Durchmessern.Die deutlichen Unterschiede bei den von Ulas veroffentlichten Daten weist darauf hin, dass er inWahrheit unterschiedliche Oxidschichtdicken angenommen haben muss.

Fur die zweite Stufe des Borabbrands zeigt sich erneut, dass die im Rahmen dieser Arbeitpostulierte starke Temperaturabhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k6 zu kurzeAbbrandzeiten bewirkt, wobei der Trend aber korrekt wiedergegeben wird.

Die bislang veroffentlichten Modelle sowohl der PA-Gruppe als auch der PSU-Gruppe wur-den alle fur atmospharische Bedingungen entwickelt und zum großten Teil auch unter solchenvalidiert. Eine Druckabhangigkeit des komplexen PA-Modells ist zwar bei der Berechnung vonGleichgewichtskonstanten enthalten. Alle Reaktionsgeschwindigkeiten, aus Experimenten odermit Hilfe von theoretischen Modellen bestimmt, sind jedoch bei einer Atmosphare Druck be-stimmt worden und auch die Stoffdaten werden in der Regel hier ermittelt. Da in den Einsatz-gebieten fur Bortreibsatze in Brennkammern oder Sprengmitteln meist mittlere bis sehr hoheDrucke herrschen, ist der Einsatz der Rechenmodelle auch unter solchen Bedingungen erforder-lich.

Die Gruppe um Krier und Foelsche hat sich mit Experimenten zum Borabbrand bei hoherenDrucken beschaftigt, wobei zwei verschiedene Messaufbauten zum Zuge kamen. In [101] habenKrier et al. Partikel von 5 bis 10 µm Durchmesser in einem Stoßrohr bei einer sehr hohenGastemperatur von 2600 K in einer reinen Sauerstoffatmosphare bei 8.5 atm Druck gezundet.Mittels Emissionsspektroskopie wurden die Dauer der einzelnen Phasen der Verbrennung be-stimmt. Foelsche et al. haben in [104] Partikel mit 24 µm Anfangsdurchmesser in die heißenVerbrennungsabgase eines H2/O2/N2-Gemischs in einen Druckbehalter injiziert, wobei Druckevon 30 bis 150 atm herrschten und ebenfalls Emissionsspektroskopie zur Auswertung verwen-det wurde. Da die Einspritzgeschwindigkeit von etwa 12 m/s recht hoch war, ist ein Einflusserzwungener Konvektion auf die Ergebnisse zu erwarten.

Weil das im Rahmen dieser Arbeit weiterentwickelte Borverbrennungsmodell fur luftatmendeStaustrahltriebwerke eingesetzt werden soll, in denen Drucke uber 10 bar selten sind, wurde dasModell nur anhand der Messdaten beim geringsten Druck der Foelsche-Experimente, 37.5 atm,

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8.8 Validierung 199Tab

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5.3

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7

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200 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

uberpruft. Es zeigte sich auch, dass wegen der sehr hohen Diffusionshemmung bei großeren Par-tikeln und gleichzeitig sehr hohen Drucken die Konvergenz der im Modell enthaltenen Iterationnicht immer gewahrleistet werden konnte.

Wie die Daten in den Tabellen 21 und 22 zeigen, sagt das erweiterte Borverbrennungsmo-dell bei den mittelgroßen Partikeln und 8.5 atm eine zu geringe Abbrandzeit voraus, wobei dieAbweichung fur die erste Stufe an der Festlegung der Zundtemperatur und dem Einfluss dererzwungenen Konvektion liegen kann. Sowohl das PA-Modell als auch das PSU-Originalmodelltreffen die Messdaten erstaunlich gut. Allerdings sagt das PSU-Originalmodell in der Nachrech-nung eine maximale Partikeltemperatur von 6085 K voraus, was extrem hoch ist und außerhalbdes Gultigkeitsbereichs der Stoffdaten liegt.

Fur die 24 µm Partikel bei 37.5 atm berechnet das erweiterte Borverbrennungsmodell wiederzu große Abbrandzeiten, wahrend die bisherigen Modelle die Messdaten besser treffen. Wieerwahnt spielt hier erzwungene Konvektion eine große Rolle, die die Abbrandzeit tendenziellverkurzen wurde. Zudem unterlagen die Partikeldurchmesser in beiden Hochdruckexperimentengroßen Schwankungen, so dass auch die Dauer der zweiten Stufe z.B. fur die 24 µm Partikel als3.16 ± 0.74 ms angegeben wurde, also ebenfalls mit großer Unsicherheit behaftet ist.

Der allgemeine Trend in den Messdaten aus [104] fur hohere Drucke ist eine Verringerungder Zeiten fur erste und zweite Stufe der Verbrennung mit steigendem Druck; dabei ist derEinfluss des Drucks auf den Oxidschichtabbau noch starker als auf den anschließenden Abbranddes reinen Bors.

Fazit dieses Abschnitts zur Validierung des erweiterten Modells ist, dass alle Trends korrektwiedergegeben werden, dass allerdings die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k6 noch einmalrevidiert werden sollte, um die Vorhersagen fur kleinere Partikel zu verbessern. Außerdem wur-de deutlich, dass das Modell bei sehr hohen Drucken und großen Partikeln an seine Grenzenstoßt, fur den Einsatz unter Bedingungen in Raketenbrennkammern mit niedrigen bis mittlerenDrucken und eher kleinen Partikeln jedoch gut geeignet ist. Daruber hinaus zeigte sich, dassdas PSU-Originalmodell zwar teilweise gute Vorhersagen bezuglich der Dauer der Verbrennungmacht, dabei aber unrealistisch hohe Temperaturen entstehen. Die Unterschiede zwischen denvon der PSU-Gruppe publizierten Rechenergebnissen und den hier vorgenommenen Nachrech-nungen mittels der veroffentlichten Gleichungen lasst Zweifel an der Qualitat der Angaben zu.Das komplexe Verbrennungsmodell der PA-Gruppe gibt die Trends ebenfalls gut wieder, kannjedoch trotz des hohen Berechnungsaufwands auch nicht alle Phanomene korrekt vorhersagen.Dies liegt vor allem in der großen Unsicherheit der meist nicht experimentell verifizierten Ge-schwindigkeiten der verwendeten Elementarreaktionen begrundet.

8.9 Instationares Vergleichsmodell

Die schwerwiegenste Einschrankung des erweiterten Partikelverbrennungsmodells ist die An-nahme der Quasistationaritat. Es wird davon ausgegangen, dass sich jederzeit und sofort derstationare Zustand einstellt, unabhangig von der Geschwindigkeit der Anderung der Zustands-großen, ihrer zeitlichen Gradienten.

In diesem Abschnitt wird zur Uberprufung der Gultigkeit dieser Annahme fur den vorgesehe-nen Anwendungsfall der zweiten Stufe der Verbrennung von Bor-Einzelpartikeln ein instationaresVergleichsmodell vorgestellt und dessen Ergebnisse mit denjenigen des quasistationaren Modellsfur einige Extremfalle verglichen.

Da eine instationare Behandlung des Problems selbst in nur einer Raumdimension sehr auf-wendig ist, wurden einige Vereinfachungen gegenuber dem quasistationaren Modell vorgenom-men. Fur das instationare Modell wird nur eine Oberflachenreaktion berucksichtigt, diejenigedes Sauerstoffs mit Bor, aus der das Produkt B2O2 entsteht. Zusatzlich ist nur Stickstoff als

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8.9 Instationares Vergleichsmodell 201

inerte Uberschusskomponente im System enthalten, so dass Gleichungen fur zwei Spezies gelostwerden mussen.

Daruber hinaus wird der Verdunstungseffekt nicht mitmodelliert, so dass kein gasformigesBor entsteht und das Partikel u.U. unrealistisch hohe Temperaturen erreichen kann. Da das in-stationare Modell jedoch in erster Linie der Abschatzung der Gultigkeit der Grundannahme desVerbrennungsmodells dienen soll und ohne Verdunstung noch widrigere Bedingungen, d.h. stei-lere Gradienten, herrschen, ist diese Einschrankung nicht hinderlich. Zudem wird eine konvektiveUberstromung des Partikels fur das instationare Modell ausgeschlossen.

Ein zweites Anwendungsgebiet des instationaren Vergleichsmodells ist die Untersuchung, wieein Partikel auf Schwankungen in Zusammensetzung und Temperatur der Gasphase in großerEntfernung zum Partikel reagiert, was Thema des Abschnitts 8.11 ist. Dort wird der Einflussder Turbulenz auf den Verbrennungsprozess mit Hilfe des Vergleichsmodells abgeschatzt.

Im folgenden werden zunachst die Erhaltungsgleichungen in der Gasphase zusammengestellt,die Differentialgleichungen des Partikels und der Algorithmus der gekoppelten Berechnung be-schrieben. Anschließend werden einige Vergleiche zwischen dem quasistationaren und dem in-stationaren Modell vorgenommen.

8.9.1 Erhaltungsgleichungen in der Gasphase

In der das Partikel umgebenden Gasphase sind fur die angesprochene Konstellation funf par-tielle Differentialgleichungen in Abhangigkeit vom Radius und der Zeit zu losen. Das Modellwurde ebenfalls in die Software MATLAB implementiert, die einen Loser fur Systeme partiellerDifferentialgleichungen namens pdepe enthalt. Fur diesen sind die zu losenden Gleichungen indie folgende Form zu bringen

c∂u

∂t=

1r2

∂r

(r2 f

)+ s mit

c = c

(r, t, u, ∂u∂r

)f = f

(r, t, u, ∂u∂r

)s = s

(r, t, u, ∂u∂r

) , (306)

wobei c die Kopplung zwischen den zeitlichen Ableitungen des Systems, f die Stromdichte unds den Quellterm darstellt. Die zulassigen Abhangigkeiten sind angefuhrt. Die Randbedingungendes Systems sind in der Form

p(r, t, u) + q(r, t) · f(r, t, u,

∂u

∂r

)= 0 (307)

anzugeben. Man beachte, dass q nicht von u oder ∂u/∂r abhangen darf, worauf unten noch nahereingegangen wird. Zusatzlich ist fur alle Variablen eine Anfangsbedingungen der Form u(t =0, r) = u0(r) anzugeben. Der Variablenvektor lautet u = (ρ, ur, T, YO2 , YB2O2)T ; es sind also dieGasdichte ρ, die radiale konvektive Geschwindigkeit ur, die Gastemperatur T sowie die Massen-anteile des Sauerstoffs und des Boroxids zu bestimmen. Der Anteil der UberschusskomponenteStickstoff ergibt sich als eins minus die Summe der ubrigen Massenanteile.

Die erste zu losende Gleichung ist die Kontinuitatsgleichung, in Kugelkoordinaten

∂ρ

∂t+

1r2

∂r

(r2 ρur

)= 0 , (308)

fur die als Randbedingung die Dichte an der Partikeloberflache, Index s, und in großer Entfer-nung zum Partikel, Index ∞, angegeben werden muss. Die Dichte wird hier nach dem idealenGasgesetz berechnet und ist vom statischen Druck abhangig. Dieser ist im Unendlichen bekannt,

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202 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

nicht jedoch an der Partikeloberflache, da sich durch die Reaktion eine vom Partikel fortgerich-tete konvektive Stromung einstellt, die zu einem Druckgradienten fuhrt. Der Totaldruck Ptot istjedoch konstant und gleich dem statischen Druck in großer Entfernung, wo die Geschwindigkeitgegen null geht,

Ptot = Pstat,∞ = Pstat,s +12ρsu

2r,s = Pstat,s +

12

(ρsur,s)2

ρs. (309)

Mit dem idealen Gasgesetz

ρs =Pstat,s

RuTPMgas,s (310)

und der sich aus der Reaktionsgeschwindigkeit ergebenden Netto-Massenstromdichte an derOberflache ρsur,s, die unten angegeben wird, erhalt man fur die Gasdichte an der Partikelober-flache eine quadratische Gleichung, deren einzige physikalisch sinnvolle Losung mit positivemVorzeichen des Wurzelausdrucks

ρs =12Mgas,sPtot

RuTP+

√14

(Mgas,sPtot

RuTP

)2

− 12

(ρsur,s)2

RuTPMgas,s (311)

lautet. Die Randbedingung im Unendlichen ist einfach

ρ∞ =Pstat,∞RuT∞

Mgas,∞ mit Mgas =

(N∑i=1

YiMi

)−1

. (312)

Die Impulsgleichung dient der Bestimmung der radialen Geschwindigkeit ur, wobei von la-minarer Stromung in der Partikelumgebung ausgegangen wird, eine fur Partikel in dieser An-wendung zulassige Annahme,

ρ

(∂ur∂t

+ ur∂ur∂r

)= −∂P

∂r+(

1r2

∂r

(r2τrr

)− τθθ + τφφ

r

)+ ρfk,r . (313)

Außere Korperkrafte ρ~fk werden in diesen Rechnungen vernachlassigt. Die fur die radiale Ge-schwindigkeit relevanten Komponenten des Spannungstensors lauten

τrr = η

[2∂ur∂r− 2

3(∇ · ~v)

]τθθ = τφφ = η

[2urr− 2

3(∇ · ~v)

](314)

mit der Dilatation, also der Divergenz des Geschwindigkeitsfeldes,

∇ · ~v =1r2

∂r

(r2ur

)=

2urr

+∂ur∂r

. (315)

Die Gleichung enthalt auch die radiale partielle Ableitung des Stickstoff-Massenanteils, die sichaus den Profilen der ubrigen Spezies uber

N∑i=1

Yi = 1 ⇒N∑i=1

∂Yi∂r

= 0 ⇒ ∂YN2

∂r= −

N−1∑i=1

∂Yi∂r

(316)

ergibt. Zusammen mit der idealen Gasgleichung fur den statischen Druck

P = ρRuMgas

T = ρRuTN∑i=1

YiMi

(317)

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8.9 Instationares Vergleichsmodell 203

erhalt man die Impulsgleichung in der endgultigen Form

ρ

(∂ur∂t

+ ur∂ur∂r

)= −Ru

∂ρ

∂rT

N∑i=1

YiMi

+∂T

∂rρN∑i=1

YiMi

+ ρTN∑i=1

1Mi

∂Yi∂r

+1r2

∂r

[r2 4

(∂ur∂r− ur

r

)]− 4

(urr2− 1r

∂ur∂r

), (318)

wobei η die Viskositat des Gasgemischs bezeichnet. Randbedingung an der Partikeloberflacheist der Nettomassenstrom aus der Reaktion umgerechnet in die radiale Geschwindigkeit

mnetto(t) = 4πr2Pρsur,s = 4πr2

PMBR6 (Yi,s, TP )

⇔ ur,s =R6MB

ρs= k6Pstat,s

Mgas,s

MO2

YO2,sMO2 , (319)

der von der Zusammensetzung und Temperatur an der Oberflache abhangt. Im Unendlichenwurde eine Auslassrandbedingung angesetzt, d.h. die radiale Ableitung des Massenstroms ver-schwindet,

∂r

(r2ρur

)= 0 (320)

⇔ 2rρur + r2∂ρ

∂rur + r2ρ

∂ur∂r

= 0 . (321)

Nach Division durch r2 (r 6= 0) ergibt sich

⇒ 2rρur +

∂ρ

∂rur︸ ︷︷ ︸

nicht darstellbar

+ρ∂ur∂r

!= 0 . (322)

Diese konnte in MATLAB so nicht umgesetzt werden, da die Angabe der Randbedingungenin der Form der Gleichung 307 nicht zulasst, dass partielle Ableitungen anderer Variablen inder Randbedingung auftauchen. Der zweite Term in Gleichung 322 wurde daher vernachlassigt,was jedoch tolerierbar ist, da der Dichtegradient im Unendlichen ebenfalls verschwinden sollte.Nur wenn außen Schwankungen aufgepragt werden, z.B. durch Turbulenz, ist dies inkorrekt. Ineinem solchen Fall ist aber eine reine Ausstromrandbedingung auch nicht mehr sinnvoll.

Fur eine Enthalpiebilanz ist die Warmestromdichte von Bedeutung, die sich fur den allge-meinen Fall als

~q = ~qLeitung + ~qInterdiffusion + ~qDufour

= −λ∇T + ρN∑i=1

hiYi ~Vi +RuTN∑i=1

N∑k=1

XkαiMiDik

(~Vi − ~Vk

)(323)

schreiben lasst. Dabei bezeichnen Xk den Molanteil der Komponente k, αi den thermischenDiffusionskoeffizienten der Spezies i und Dik den Mehrkomponenten-Diffusionskoeffizienten vonSpezies i bzgl. Komponente k. Die Warmestromdichte setzt sich aus einem Warmeleitungstermnach Fourier, dem Enthalpietransport mittels Massentransport durch Diffusion der Spezies rela-tiv zur Schwerpunktgeschwindigkeit und der Auswirkung des Dufour-Effekts zusammen, der demEnthalpietransport aufgrund von Konzentrationsgradienten entspricht. Er ist das Pendant zumSoret-Effekt, der die Diffusionsgeschwindigkeit als Folge von Temperaturgradienten beschreibt.Der Dufour-Effekt ist jedoch meist klein, selbst wenn thermische Diffusion nicht vernachlassigbar

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204 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

ist, so dass hier auf eine Implementierung des Dufour-Effekts verzichtet wurde. Die Gesamten-thalpie der Spezies i,

hi = ∆h0f,i +

T∫T0

cP,i dT

[Jkg

], (324)

wird mit den NASA-Koeffizienten berechnet, siehe Anhang D.Die Enthalpiebilanz fur den allgemeinen Fall lautet

ρDh

Dt− DP

Dt= −∇ · ~q + Q+ Φ + ρ

N∑k=1

Yk ~fk · ~Vk , (325)

wobei D/Dt das totale Differential bezeichnet, Q Warmequellen, Φ die viskose Reibungsarbeitund der letzte Term die Auswirkung der Korperkrafte.

Im hier vorliegenden Anwendungsfall ergibt sich fur ein ideales Gas ohne Gasstrahlung,ohne Dufour-Effekt, ohne Warmequellen bzw. Gasphasenreaktionen und ohne Korperkrafte ineindimensionaler Betrachtung radial kugelsymmetrisch unter Vernachlassigung der bulk viscosity,d.h. des viskosen Widerstands gegen Kompression oder Expansion (η′ = 0), und mit konstantenWarmekapazitaten der einzelnen Spezies

ρcP,mix

(∂T

∂t+ ur

∂T

∂r

)= − 1

r2

∂r

(r2

[−λ∂T

∂r+ ρT

N∑i=1

cP,iYiVi,r

])+(∂P

∂t+ ur

∂P

∂r

)

2

[(∂ur∂r

)2

+ 2(urr

)2]− 2

3

[2urr

+∂ur∂r

]2. (326)

Die Interdiffusionsstrome lassen sich mit Hilfe des Fick’schen Gesetzes und unter Beachtung derBesonderheiten fur die Uberschusskomponente Stickstoff als

−ρTN∑i=1

cP,iYiVi,r =N−1∑i=1

(ρDi,m

∂Yi∂r

cP,iT

)−[N−1∑i=1

ρDi,m∂Yi∂r

]cP,N2T (327)

darstellen, auch hier werden konstante Warmekapazitaten vorausgesetzt.Das totale Differential des Drucks enthalt neben der raumlichen Ableitung nach dem Radius

auch die zeitliche Ableitung des Drucks. Bei der Implementierung in Matlab gemaß der Form inGleichung 306 stellt dieser Ausdruck einen Quellterm dar. Die Quellterme s = s (r, t, u, ∂u/∂r)durfen jedoch nicht von der zeitlichen Ableitung ∂u/∂t abhangen. In der Implementierung muss-te die zeitliche Druckanderung deshalb vernachlassigt werden. Untersuchungen des Druckfeldshaben allerdings ergeben, dass erstens die zeitliche Anderung des Drucks fast immer niedrigerals die ortliche multipliziert mit der radialen Geschwindigkeit ist und dass zweitens das Druck-differential um drei bis vier Großenordnungen kleiner ausfallt als dasjenige der Enthalpie. DieAuswirkung der Vernachlassigung der zeitlichen Druckanderung ist somit gering.

In der Darstellung 326 berechnet man eine partielle Differentialgleichung fur die Temperatur,deren Randbedingungen einfach die Temperatur an der Partikeloberflache einerseits und der desGases in großer Entfernung andererseits sind.

Als letztes sind die Spezies-Kontinuitatsgleichungen zu losen, hier jeweils eine fur Sauerstoffund Boroxid

ρ

(∂Yi∂t

+ ur∂Yi∂r

)+

1r2

∂r

(r2ρYiVi,r

)= 0 (328)

⇔ ρ

(∂Yi∂t

+ ur∂Yi∂r

)=

1r2

∂r

(r2ρDi,m

∂Yi∂r

). (329)

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8.9 Instationares Vergleichsmodell 205

Aufgrund der Vernachlassigung von Gasphasenreaktionen tauchen in der partiellen Differential-gleichung keine Umsatzterme auf. Diese wirken durch die Oberflachenreaktionen als Randbedin-gungen auf das System. An der Partikeloberflache entspricht die Massenstromdichte der Speziesi ihrem reaktivem Umsatz, vgl. Gleichung 213,

m′′netto,sYi,s − ρDi,m∂Yi∂r

∣∣∣∣r=rs

= +m′′Reaktion,i,s , (330)

welcher sich entsprechend den Reaktionsgleichungen mittels

mReaktion,O2,s = k6Pstat,sMGas,s

MO2

YO2,sνO2,GR6

(−νB,GR6)MO2 = R6

(−1

2

)MO2 (331)

mReaktion,B2O2,s = k6Pstat,sMGas,s

MO2

YO2,sνB2O2,GR6

(−νB,GR6)MB2O2 = R6

(+

12

)MB2O2 (332)

berechnen lasst. Die Randbedingung im Unendlichen ist einfach Yi = Yi,∞ entsprechend denUmgebungsbedingungen. Hiermit ist das System der partiellen Differentialgleichungen und ihrerRandbedingungen vollstandig.

Alle Stoffdaten, die als konstant angenommen wurden, also Warmekapazitaten, Viskositatund auch die Warmeleitfahigkeit des Gasgemischs, werden fur eine Referenztemperatur- undZusammensetzung nach der 1/3-Regel berechnet, siehe Gleichung 222. Fur Viskositat und War-meleitfahigkeit kann diese Einschrankung ohne weiteres relaxiert werden, was nur zu einemerhohten Rechenaufwand fuhrt, wahrend die konstanten Warmekapazitaten eine Grundlage derGleichung 326 darstellen. Soll hier eine Temperaturabhangigkeit zugelassen werden, muss eineEnthalpie- statt der Temperaturgleichung gelost werden, was eine Umformulierung und ebenfallseinen hoheren Aufwand bedeutet.

8.9.2 Differentialgleichungen fur das Partikel

Um den Berechnungsvorgang bei Anwendung des instationaren Modells so einfach wie moglich zuhalten, wurde auf eine Implementierung des Schmelzvorgangs verzichtet, so dass die in Abschnitt8.7 beschriebenen zahlreichen Fallunterscheidungen uberflussig werden. Es ist daher neben dergewohnlichen Differentialgleichung fur den Partikelradius nur eine weitere fur die Partikeltem-peratur zu losen. Da nur eine Reaktion berucksichtigt und die Bor-Verdunstung vernachlassigtwird, vereinfachen sich die Gleichungen 297 und 301 bei konstanter Dichte des Bors zu

dTPdt

=(ρB

rP3cP,B

)−1

·[λref

∂TGas

∂r+ σ εB

(T 4W − T 4

P

)+R6

∆HR,GR6(TP )2

](333)

drPdt

= − 1ρB

R6MB . (334)

Die Summe aus Standardreaktionsenthalpie und bei der globalen heterogenen Reaktion GR6umgesetzter spurbarer Energie, hier dargestellt als ∆HR,GR6(TP ), wird halbiert, weil sie sichauf den Formelumsatz und damit auf zwei Mol Bor bezieht. Der Warmestrom vom Partikelzum Gas wird durch die Warmeleitung im Gas nach dem Fourier’schen Gesetz bestimmt. DieWarmeleitfahigkeit wird bei Referenzbedingungen bestimmt, der raumliche Temperaturgradientim Gas wird direkt aus der Losung der Gasphasengleichungen ubernommen, so dass der imquasistationaren Modell verwendete Modellansatz uber einen Warmeubergangskoeffizienten unddie Nußelt-Zahl vermieden wird.

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206 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

8.9.3 Algorithmus der gekoppelten Losung der instationaren Gleichungen

Zur Losung der gekoppelten Differentialgleichungssysteme fur die Gasphase und fur das Partikelwird ausgehend von t0 = 0 und den Anfangsbedingungen der folgende Prozess in Zeitschrittender Große ∆t durchlaufen:

1. Im Schritt n werden die gewohnlichen Differentialgleichungen fur das Partikel zwischen denZeitpunkten tn−1 und tn gelost. Anfangsbedingungen fur diesen Vorgang sind Partikelra-dius und -temperatur aus dem vorherigen Schritt rP, (n−1), TP, (n−1). Die aus der Gasphasebenotigten Daten der Zusammensetzung sowie des raumlichen Temperaturgradienten imGas an der Oberflache werden wahrend dieses Schritts konstant auf ihren Werten Yi,s, (n−1)

etc. gehalten. Es ergeben sich der neue Partikelradius und die neue Partikeltemperatur rP, nund TP, n.

2. Losung des Systems der partiellen Differentialgleichungen fur das Gas, ebenfalls zwischenden Zeitpunkten tn−1 und tn und mit der Losung bei (n−1) als Anfangsbedingungen. Die81 Knoten, an denen die numerische Losung berechnet wird, sind zwischen dem aktuellenPartikelradius und dem hundertfachen Ursprungsradius logarithmisch verteilt, so dass diesteilen Gradienten in der Nahe der Partikeloberflache gut aufgelost werden. Die Gitterkno-ten sind somit bis auf den außersten beweglich. Hierbei ist zu beachten, dass als aktuellerPartikelradius bereits der Endradius des Partikelschritts, also rP, n, eingesetzt wird, ebensodie Partikel-Endtemperatur TP, n; beide werden wahrend der Gasphasenberechnung kon-stant gehalten. Ergebnis der Gasphasenberechnung sind dann die neue Zusammensetzungund der Temperaturgradient an der Partikeloberflache, d.h. Yi,s, n und ∂T/∂r|s,n.

3. Das abschnittsweise Festsetzen der an der Kopplung beteiligten Werte erfordert ein schritt-weises Vorgehen. Damit keine zu großen Sprunge entstehen und die numerische Losungmoglich bleibt, muss der Zeitschritt dieser abwechselnden Berechnung, ∆t, adaptiv veran-dert werden, wobei eine Verkleinerung wie eine Vergroßerung moglich sein soll:

• Falls der Betrag der Temperaturanderung zwischen zwei Schritten 10 K oder dierelative Partikelradienverringerung 0.2% ubersteigt, wird ∆t geviertelt.

• Liegt andererseits die Temperaturdifferenz unter 1K und die Partikelradienanderungunter 0.09%, wird der Zeitschritt verdoppelt.

Andernfalls bleibt er unverandert und sollte maximal 0.1% der zu erwartenden Gesamtab-branddauer entsprechen. Innerhalb des Intervalls ∆t berechnet Matlab die Losungen derDifferentialgleichungen mit einem impliziten Loser mit viel feineren Schritten.

4. Nach der 1/3-Regel wird der neue Referenzzustand und damit die neuen Transportkoeffi-zienten und Stoffdaten berechnet: ρDi,m, λmix, cP,i und ηmix. Diese sind radial konstant,aber zeitlich veranderlich, wie es auch fur das quasistationare Modell angenommen wird.

5. Diese Schleife wird nun mit den neuen Werten bei 1.) als Schritt (n+1) fortgesetzt, bis dergewahlte zeitliche Endpunkt erreicht wird oder der Partikelradius 2.5% des Ursprungsra-dius unterschreitet.

8.9.4 Vergleich zwischen quasistationarem und instationarem Modell

Der Vergleich wird anhand zweier Validierungsfalle durchgefuhrt, welche die in der Anwendungauftretenden Unterschiede zwischen kleinen und großen Partikeln demonstrieren sollen. Tabelle23 enthalt die Daten fur die beiden Falle. Reprasentativ fur kleine Partikel steht der Fall 1

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8.9 Instationares Vergleichsmodell 207

Tabelle 23: Daten fur die Vergleichsfalle, YN2,∞ = 1− YO2,∞.

Fall I Fall IIBeschreibung Yeh & Kuo Fall 1 ohne H2O Macek & Semple Fall 1

rP,0 1.4991 µm 16.267 µmTP,0 1946.2 K 2350 KT∞ 1962 K 2280 KYO2,∞ 0.2031 0.2544

(a) rP = 1.499µm, TP = 1946.2 K (b) rP = 1.3µm, TP = 2300 K

Abbildung 53: Radialer Verlauf der Massenanteile fur kleine Partikel bei t→∞, Vergleich des quasista-tionaren (Symbole) mit dem instationaren Modell (Linien).

von Yeh und Kuo, [110], mit ursprunglich 1.5 µm Radius, welcher nach der ersten Stufe derVerbrennung den leicht verringerten Wert aus der Tabelle annimmt. Zu diesem Zeitpunkt istdas Partikel noch kalter als seine Umgebung, da es mit 298 K in das Gas uber dem Flach-flammenbrenner eingedust wurde. Im Versuch enthalt das Gas auch Wasserdampf, der fur dieseRechnungen durch Stickstoff ersetzt wurde, da nur Sauerstoff, Boroxid und Stickstoff als Speziesund Reaktion GR6 berucksichtigt werden. Der zweite Fall sind großere Partikel aus Fall 1 vonMacek und Semple, [68], mit einem Ursprungsradius von 17.25 µm. Da im instationaren Modellder Schmelzvorgang vernachlassigt wird, wurde der mit dem quasistationaren Modell berechne-te Zustand am Ende des Schmelzvorgangs als Anfangsbedingung der instationaren Rechnungengewahlt, es handelt sich somit um einen flussigen Tropfen. Im Experiment vorkommende CO-und CO2-Anteile wurden hier durch Stickstoff ersetzt.

Abbildung 53 zeigt fur die kleinen Partikel die radialen Profile der Speziesmassenanteile inder Gasphase fur zwei Zustande wahrend des Verbrennungsvorgangs, zum einen der stationareZustand bei Anfangsbedingungen, zum anderen fur einen spateren Zeitpunkt bei einer hoherenPartikeltemperatur von 2300 K und etwas geringerem Radius. Verglichen wird das Ergebnis derinstationaren Rechnung fur t → ∞ mit dem quasistationaren Modell. Man erkennt, dass furdie kleinen Partikel innerhalb von 8 bis 10 Partikelradien der Zustand im raumlich Unendlichenerreicht wird und dass die Gradienten nicht sehr groß sind. Die Diffusionslimitierung ist hiersomit gering. Fur den stationaren Zustand stimmen die Profile der Erwartung entsprechend furbeide Modellvarianten nahezu uberein, insbesondere die Konzentration an der Partikeloberflache.Mit der Partikeltemperatur steigt auch die Reaktionsgeschwindigkeit, so dass in Abbildung 53(b)etwas großere Gradienten zu verzeichnen sind.

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208 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

(a) rP = 16.267µm, TP = 2350 K (b) rP = 15µm, TP = 3200 K

Abbildung 54: Radialer Verlauf der Massenanteile fur große Partikel bei t → ∞, Vergleich des quasista-tionaren (Symbole) mit dem instationaren Modell (Linien).

Ebenso gute Ubereinstimmung fur den stationaren Fall t→∞ findet man auch in Abbildung54 fur die großeren Partikel bei 2350 K bzw. 3200 K. Die hier auftretenden hoheren Partikeltem-peraturen mit großerem Umsatz und gleichzeitig starkerer Diffusionshemmung weisen steilereGradienten auf. An der Oberflache des Partikels ist daher die Sauerstoffkonzentration niedrigerund die Konzentration des Produkts B2O2 hoher als bei den kleineren Partikeln. Außerdemwerden die Umgebungsbedingungen erst in großerem Abstand zum Partikel erreicht, in etwa 25bis 35 Radien Entfernung.

Dass der stationare Zustand mit dem instationaren Modell fur große Zeiten erreicht wird,ist Grundvoraussetzung. Entscheidend ist vielmehr, wie schnell der Zustand des Gases einerAnderung der Randbedingungen, hier also des Partikelzustands, folgen kann. Dazu wurde aus-gehend vom stationaren Zustand fur die Anfangsbedingungen der beiden Falle aus Tabelle 23bei konstant gehaltenem Radius die Partikeltemperatur mit einer Rampenfunktion innerhalbvon 5 Mikrosekunden um 100 K erhoht und anschließend bis zum Punkt 2 Millisekunden aufdiesem Niveau gehalten.

Dieser steile zeitliche Gradient ist ein typischer Vorgang zu Beginn der zweiten Stufe der Ver-brennung, wenn die aufgeloste Oxidschicht plotzlich Sauerstoff an die reine Boroberflache lasst.Umgekehrt kuhlt sich das Partikel am Ende beim Verloschen meist sehr schnell ab. Abbildung55 stellt diesen Prozess anhand des radialen Temperaturprofils im Gas dar. Aufgetragen sinddie Profile fur logarithmisch verteilte Zeitpunkte. Fur das kleine Partikel in Abbildung 55(a)ist bereits bei 2 · 10−5 s der stationare Zustand erreicht. Die beiden anderen Profile zeigen denAnfangsverlauf- und einen wahrend der Aufheizphase.

In Abbildung 55(b) fur das große Partikel ist zu erkennen, dass bei 2 · 10−5 s die Tempe-ratur der Umgebung noch ”nachhinkt“, und erst nach 2 · 10−4 s das stationare Profil beinaheerreicht ist. Die Reaktionszeit der Zustandsanderungen in der das Partikel umgebenden Gas-phase ist bei großeren Partikeln somit langer, wie aufgrund der starkeren Diffusionshemmungund des großeren Einflussbereichs auch zu erwarten war. Schlussfolgerung ist, dass die Anwend-barkeit des quasistationaren Modells umso eher gegeben ist, je kleiner das Partikel ist. Aufschnelle Zustandsanderungen des Partikels reagiert die Umgebung bei großeren Partikeln tragerund umgekehrt auch das Partikel langsamer auf Anderungen im Gas, wie sie durch turbulenteSchwankungen auftreten, siehe Abschnitt 8.11. Trotzdem ist fur Partikel mit etwa 35 µm Durch-messer wie aus Fall II, die fur den Einsatz in der Brennkammer als sehr groß angesehen werden

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8.9 Instationares Vergleichsmodell 209

(a) rP = 1.499µm, TP,0 = 1946.2 K, t in s (b) rP = 16.267µm, TP,0 = 2350 K, t in s

Abbildung 55: Reaktion des instationaren Modells auf eine rampenformige Temperaturerhohung von 100K in 5 µs. Radialer Verlauf der Gastemperatur fur kleine und große Partikel zu 5 verschie-denen Zeitpunkten. Die in (a) nicht sichtbaren Profile fur 2 · 10−5 s und 2 · 10−4 s sindidentisch mit dem Verlauf fur 2 · 10−3 s.

mussen, das Folgevermogen nicht schlecht, so dass das quasistationare Modell auch fur dieserealistische Vorhersagen treffen kann.

Als letztes werden hier die zeitlichen Verlaufe der Partikeltemperatur, des Partikelradius undder Spezies-Massenanteile im Gas an der Oberflache fur die beiden Falle gegenubergestellt.

Abbildung 56 zeigt den Vergleich fur den Fall I der kleineren Partikel. Beginn der Rechnungist am Ende der ersten Stufe der Verbrennung nach dem Verschwinden der Oxidschicht. Fur dieinstationare Rechnung wurde dabei die stationare Losung in der Gasphase fur diesen Zustand alsAnfangsbedingung eingestellt. Wie man in Abbildung 56 erkennt, sind die Verlaufe sehr ahnlichund die Abbrandzeiten nahezu identisch. Hierbei ist zu beachten, dass die instationare Rechnungbereits bei 2.5% des Ursprungsradius beendet wurde, da hier numerische Schwierigkeiten auf-traten, wahrend die quasistationare Rechnung erst bei 0.25% des Anfangsradius abgeschlossenwurde. Eine Extrapolation zeigt aber gute Ubereinstimmung.

Außerdem wurde in der instationaren Rechnung auf die Implementierung des Schmelzvor-gangs verzichtet, so dass sich im Temperaturverlauf kein Plateau bei 2350 K ergibt. Dadurchsteigt die Partikeltemperatur auch relativ weit an – in der Rechnung immer noch mit der Dichtefesten Bors. Fur bessere Vergleichbarkeit wurde deshalb die Reaktionsgeschwindigkeitskonstan-te k6 wie im Originalmodell bei maximal 2400 K ausgewertet, da das Partikel sonst wegen desexponentiellen Anstiegs der Reaktionsgeschwindigkeit mit der Temperatur noch deutlich heißerund schneller abreagieren wurde. Bei Berucksichtigung des Schmelzens wurde die Temperaturwahrscheinlich nicht uber 2400 K steigen.

Insgesamt zeigt sich, dass das instationare Modell wahrend der Aufheizphase einen etwashoheren zeitlichen Partikeltemperaturgradienten vorhersagt. Dies liegt daran, dass die Reakti-onsgeschwindigkeit mit steigender Temperatur zunimmt, wodurch sich der Sauerstoff-Massenan-teil an der Oberflache reduziert. Im quasistationaren Modell sinkt damit auch in der naheren Um-gebung des Partikels der Sauerstoffanteil sofort ab, entsprechend dem stationarem Endzustandfur diese Randbedingungen. Im instationaren Modell wird hingegen die Ausbreitungsgeschwin-digkeit berucksichtigt, so dass die Sauerstoffkonzentration in der naheren Partikelumgebungnoch auf einem hoheren Niveau liegt und damit mehr Sauerstoff an die Oberflache diffundiert.Dies erklart die etwas schnelleren Umsatzraten und somit hoheren Partikeltemperaturen in der

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210 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

(a) quasistationare Berechnung (b) instationare Berechnung

Abbildung 56: Vergleich der zeitlichen Verlaufe von Partikeltemperatur, -radius und Massenanteilen imGas an der Oberflache zwischen quasistationarer und instationarer Berechnungsweise. FallI – kleine Partikel, rP,0 = 1.4991µm.

instationaren Rechnung. Ab 0.8 ms liegen die Profile jedoch fast wieder aufeinander, da diezeitliche Phase hoherer Temperatur recht kurz ist. Auch die Profile der Massenanteile an derPartikeloberflache sind nahezu gleich.

Die Ergebnisse fur die großeren Partikel des Falls II sind in Abbildung 57 zusammengefasst.

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8.9 Instationares Vergleichsmodell 211

(a) quasistationare Berechnung (b) instationare Berechnung

Abbildung 57: Vergleich der zeitlichen Verlaufe von Partikeltemperatur, -radius und Massenanteilen imGas an der Oberflache zwischen quasistationarer und instationarer Berechnungsweise. FallII – große Partikel, rP,0 = 16.267µm.

Da der Schmelzvorgang im instationaren Modell nicht berucksichtigt wird, ist der Anfangs-zustand das Ergebnis einer quasistationaren Rechnung am Ende des Schmelzens, so dass einflussiges Bortropfchen vorliegt.

Auf der linken Seite der Abbildung 57 sind fur das quasistationare Modell drei Varianten des

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212 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Temperatur- und Radienverlaufs aufgetragen. Die flachste Temperaturkurve mit dem Maximumbei etwa 3500 K ist das Standardergebnis unter Berucksichtigung der teilweisen Verdunstungdes Bors sowie der Partikelstrahlung. Zum Vergleich wurde auch der Fall ohne Berucksichtigungdieser beiden Effekte aufgetragen, bei dem die hochsten, aber unrealistischen Temperaturen um5700 K auftreten. Hier ware das Bor bereits gasformig. Aufgrund der hohen Temperatur unddamit Reaktionsgeschwindigkeit brennt das Partikel in dieser Rechnung schneller ab.

Wird die Strahlung jedoch wie im dritten Fall berucksichtigt, so erhalt man deutlich nied-rigere Temperaturen um 4500 K, erst gegen Ende bis 5100 K. Dies ist der Fall, der mit deminstationaren Modell verglichen wird, da in diesem ebenfalls die Verdunstung nicht enthaltenist. Es zeigt sich, dass der letzte Fall mit dem quasistationaren Modell fast die gleiche Ab-brandzeit liefert wie der Fall inklusive des Verdunstungsprozesses. Zwar reagiert aufgrund derhoheren Temperatur mehr Bor mit Sauerstoff; diese zusatzliche Menge scheint aber in ahnlicherGroßenordnung zu sein wie die abdampfende Bormasse.

Wie schon im Fall I werden auch hier mit dem instationaren Modell hohere Partikeltempe-raturen vorhergesagt. Der Grund ist derselbe wie oben diskutiert, jedoch wirkt er sich bei dengroßeren Partikeln mit ihrer starkeren Diffusionshemmung deutlicher aus. So wird die Tempera-tur 5000 K in der instationaren Rechnung bereits nach 10 ms uberschritten, im quasistationarenModell erst kurz vor Schluss bei 12 ms. Die hohere Temperatur und Umsatzrate im instati-onaren Fall fuhrt gegen Ende des Abbrandvorgangs dazu, dass das Partikel formlich explodiert,die Temperatur steigt extrem schnell auf fast 6000 K an. Wie in Fall I musste die Rechnung bei2.5% des Ursprungsradius wieder abgebrochen werden, obwohl hier fur den Wert der Reaktions-geschwindigkeitskonstante k6 maximal ihr Wert bei 5200 K zugelassen wurde. Der normalerweisemit kleiner werdendem Partikel uberwiegende Anteil der Warmeabfuhr durch Leitung ins Gaswird hier immer ubertroffen, daher die ”Explosion“. Diese Vorgange wurden unter Beachtungdes Verdunstungsprozesses allerdings so nicht auftreten.

Der Vergleich der Massenanteile der Komponenten im Gas an der Partikeloberflache in denuntersten zwei Teilbildern in Abbildung 57 zeigt eine gute Ubereinstimmung, wobei der reakti-ve Umsatz hier schon durch geringe Unterschiede in den Konzentrationen der Oxidationsmittelspurbar beeinflusst wird. Die extrapolierte Abbrandzeit ist bei instationarer Berechnung auf-grund der hoheren Temperaturen etwas kurzer als bei Berechnung mit dem quasistationarenModell.

Fazit der in diesem Abschnitt dargestellten Untersuchungen ist, dass das im Rahmen die-ser Arbeit entwickelte quasistationare Borverbrennungsmodell fur die in Triebwerksbrennkam-mern fur akzeptable Verweilzeiten verwendeten Partikelgroßen unter etwa 10 µm eine guteNaherung darstellt und dass die zu Grunde liegende Modellannahme der Quasistationaritaterst bei großeren Partikeln zu deutlichen Abweichungen fuhrt. Es ist daher zu erwarten, dassfur die Brennkammerrechnungen mittels numerischer Stromungsmechanik (CFD) unter Einsatzdieses neuen Modells realistische Vorhersagen im Rahmen der Genauigkeit des – vereinfachten –chemischen Reaktionsmechanismus liefern werden, dazu mehr im folgenden Abschnitt 8.10. DerRechenaufwand des instationaren Modells ist bei der gewahlten Auflosung fast 100 mal großerals der des quasistationaren Modells; fur die Anwendung in der CFD ist es daher derzeit zuaufwendig.

8.10 Implementierung in die CFD-Software ANSYS CFX

Der nachste Schritt nach der Validierung des Verbrennungsmodells fur Bor-Einzelpartikel istdie Implementierung des Modells in eine Stromungssimulationssoftware (CFD-Code), um es furLeistungs- und Thermalberechnungen von Staustrahltriebwerken mit Bor-Treibsatzen nutzenzu konnen. In der vorliegenden Arbeit wurde die Software Ansys CFX in der Version 11.0

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8.10 Implementierung in die CFD-Software ANSYS CFX 213

Abbildung 58: Geschwindigkeit der reaktiven Verdunstung der Oxidschicht im Gasgenerator und Gasleit-rohr bei verschiedenen Drucken. Anfangsradius des Partikels 7.5 µm, Oxidschichtdicke zuBeginn 1% des Radius.

gewahlt. Die Stromung der Gasphase wird dabei von einem Navier-Stokes-Loser in der Eu-ler’schen Betrachtungsweise berechnet, wahrend die Evolution der dispersen Feststoffphase miteinem Lagrange-Loser bestimmt wird, siehe Kapitel 2.

Nachfolgend wird zunachst auf die Unterschiede zwischen CFD-Implementierung und demoben beschriebenen Einzelpartikelmodell eingegangen. Anschließend an eine Beschreibung derModellierung der Gasphasenchemie sowie deren Kopplung mit den abreagierenden Borpartikelnwerden beispielhaft einige Ergebnisse zwei- und dreidimensionaler Brennkammerrechnungen vor-gestellt.

8.10.1 Einschrankungen des Verbrennungsmodells in der CFD-Simulation

Da die Implementierung der ersten Stufe der Borpartikel-Verbrennung einen zusatzlichen Auf-wand darstellt, wurde zunachst abgeschatzt, ob auf sie ohne allzu große Genauigkeitseinbußenverzichtet werden kann.

Nach der Freisetzung der Borpartikel aus der Kunststoffmatrix, in der sie vor Zundung desTriebwerks eingebettet sind, durch die fette Vorverbrennung im Gasgenerator des Flugkorpersstromen die Partikel umgeben von teilverbranntem Kohlenwasserstoffgas durch das Regelventilund das sich anschließende Gasleitrohr, das in die Staubrennkammer mundet. Bis dahin sinddie Borpartikel mittleren Temperaturen zwischen 1200 und 1600 K, hohen Drucken bis zu 150bar und einer Sauerstoffmangelumgebung ausgesetzt. Unter diesen Bedingungen kann die Oxid-schicht um die Partikel fast nur durch die reaktive Verdunstung des Boroxids nach der globalenReaktion GR1 erfolgen.

Abbildung 58 zeigt die Geschwindigkeit der Reaktion GR1 im interessanten Temperaturbe-reich fur Drucke zwischen 1 und 100 atm. Man erkennt, dass bei diesen fur den Gasgeneratortypischen Werten nur ein sehr langsamer Umsatz erfolgt, zumal die Verweildauer in Gasgenera-tor und Gasleitrohr nur einige Millisekunden betragt. Fur den hier gezeigten Fall eines Partikelsmit 7.5 µm Radius und einer Oxidschichtdicke von 1% dieses Wertes zu Beginn ergeben sichz.B. bei einer Gastemperatur von 1350 K die Zeiten zur Entfernung der Oxidschicht aus Tabelle24. Die lange Dauer macht klar, dass die erste Stufe der Verbrennung in den Triebwerksberech-nungen nicht vernachlassigt werden darf, da der durch sie beschriebene Zundverzug auch nochin der Hauptbrennkammer wirkt und somit den Vollumsatz des Bors beeintrachtigen kann.

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214 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Tabelle 24: Dauer des Oxidschichtabbaus nach GR1 bei verschiedenen Drucken und 1350 K ohne O2 undH2O.

Druck P [atm] Dauer des Oxidschichtabbaus [s]1 11.210 41.4100 343.0

Fur die Implementierung in den Stromungsloser war daruber hinaus zu klaren, ob alle Re-aktionen, die wahrend der ersten Stufe ablaufen, im Rahmen der angestrebten Genauigkeit vonRelevanz sind.

Um den Implementierungs- und vor allem Rechenaufwand in Grenzen zu halten und da imMeteor-Triebwerk als Einsatzgebiet des hier vorgestellten Modells Fluor-Komponenten demTreibsatz nur in geringen Anteilen zugesetzt werden, wurde generell – auch fur die zweite Stufeder Verbrennung – auf die Berucksichtigung der Fluorreaktionen verzichtet. Fur die erste Stufeder Verbrennung bedeutet dies den Wegfall der globalen Reaktionen GR4 und GR5.

Fur die reaktive Verdunstung der Oxidschicht nach GR1 wurde von der PSU-Gruppe als Re-aktionsenthalpie der Messwert der Verdampfungsenthalpie nach Scheer, [156], von 72.4 kcal/molangegeben. Da in der Implementierung fur die CFD-Rechnung die Enthalpie aller Reaktionenuber die Enthalpien der beteiligten Spezies mittels der NASA-Koeffizienten berechnet werden,kann kein fester Wert fur diese Reaktionsenthalpie vorgegeben werden.

Ein Vergleich zeigt, dass die sich aus den NASA-Koeffizienten ergebende Reaktionsenthalpiezwischen 1000 K und 2500 K um 21 bis 10% zu hoch liegt. Eine zu hohe Verdampfungsenthalpiefuhrt zu einer niedrigeren Temperatur der Oxidschicht, d.h. der Abstand zur Gastemperaturist großer, und der Verdampfungsvorgang dauert langer. Eine Gegenuberstellung der beidenBerechnungsweisen zeigt jedoch, dass die Auswirkungen dieser Unterschiede im Rahmen derGenauigkeit des Modells vernachlassigbar sind: Bei 1600 K Gastemperatur ergibt sich eine um0.024% langere Verdampfungszeit und eine um 0.015 K niedrigere Temperatur, bei 2000 KGastemperatur liegen diese Werte bei 0.59% bzw. 0.9 K.

Das bedeutet, dass die Berechnung der Verdampfungsenthalpie uber die Reaktionsenthal-pie der GR1 aus den NASA-Koeffizienten trotz der Abweichung dieses Werts von 10 bis 20%zulassig ist, da sich hierdurch weder die Verdunstungsdauer noch die Temperatur des Partikelssignifikant andern.

Neben der oben beschriebenen reaktiven Verdunstung kann das Boroxid auch mit Sauerstoff(GR2) oder Wasserdampf (GR3) abgebaut werden. In der Reaktion GR2 zwischen Bor undSauerstoff unter Beteiligung des Boroxids entsteht das Borsuboxid BO2. Dies ist als weitere zuberucksichtigende Spezies problematisch, da BO2 bei hohen Temperaturen nicht zu B2O3 wei-terreagiert, wie Rechnungen mit dem detaillierten Mechanismus der PA-Gruppe zeigen. Zudementsteht zwar auch in einigen anderen im Modell verwendeten globalen Reaktionen BO2 alsZwischenprodukt, wird dort allerdings sofort in deren Endprodukte umgesetzt und taucht dahernicht in den globalen Gleichungen des Mechanismus auf. Eine nur teilweise Berucksichtigungvon BO2 als eigenstandige Spezies ware somit inkonsistent.

Berechnungen mit dem PSU-Modell fur die erste Stufe der Verbrennung mit und ohne GR2haben ergeben, dass wegen der schutzenden Oxidschicht Sauerstoff nur wenig zu deren Abbaubeitragt. Fur 10 µm Partikel mit 1.3% Schichtdicke zu Beginn bei 18% Sauerstoffanteil in derUmgebung sinkt die Partikeltemperatur bei 1900 K Gastemperatur ohne GR2 um 5 K, unddie Dauer der ersten Stufe verlangert sich um 3.4%. Bei 2400 K Gastemperatur und ansonstengleichen Bedingungen sinkt die Partikeltemperatur um 1.9 K, bei einer um 0.6% langeren Dauer

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8.10 Implementierung in die CFD-Software ANSYS CFX 215

des Abbaus; der Partikelradius andert sich um 0.3% bzw. 0.03%.Es zeigt sich auch anhand der in Abschnitt 8.8 zitierten Messdaten, dass die Sauerstoffkon-

zentration in der Umgebung kaum Auswirkungen auf den Oxidschichtabbau hat. Aufgrund derhier gewonnenen Erkenntnisse wurde auf eine Implementierung der globalen Reaktion GR2 indie CFD-Routinen verzichtet.

Ganz im Gegensatz zu diesem Verhalten ist der Einfluss der Reaktion GR3 zwischen demBoroxid und Wasserdampf sehr groß. Wie die in Abschnitt 8.8 zusammengefassten Messwertezeigen, kann die Oxidschicht in wasserhaltigen Atmospharen deutlich schneller abgebaut werdenals in trockenen Umgebungen. Berechnungen in einer Umgebung mit jeweils 10% Sauerstoff- undWasserdampfmolanteil ergeben, dass sich die Dauer des Abbaus bei 1600 K Gastemperatur umfast 93% verringert, der Abbau also fast zehn Mal schneller ist als ohne Wasserdampf, d.h. nurmittels GR1. Bei 1900 K wird die Dauer um 56% kurzer, bei 2400 K nur noch um 6.2%. Diesliegt an der Zunahme des Verdunstungseinflusses bei hoheren Gastemperaturen. Aufgrund dieserErkenntnisse steht fest, dass die globale Reaktion GR3 auf jeden Fall berucksichtigt werden muss,wie in der CFD-Implementierung geschehen.

Der Anteil der Oxidschicht an der Gesamtmasse des Partikels ist unter der in dieser Ar-beit verwendeten Annahme, dass die Schichtdicke zu Beginn 1.3% des Anfangspartikelradiusentspricht, gleich 3.03%, bzw. 3.12% der Bormasse ohne Oxid. In der Berechnungsroutine desVerbrennungsmodells in der CFD-Software muss ein Kriterium angegeben werden, nach dem zwi-schen erster und zweiter Stufe der Borpartikelverbrennung unterschieden werden kann. Hierfurwurde ein Grenzwert von 2.5% der zu Beginn vorliegenden Boroxidmasse gewahlt,

YB2O3(l) ·mP > 0.025 · YB2O3(l),0 ·mP,0

⇔ YB2O3(l) > 2.5% · 3.03% ·(rP,0rP

)3

, (335)

d.h. oberhalb dieser Schranke laufen nur die Reaktionen der ersten Stufe, unterhalb des Grenz-werts nur die Reaktionen der zweiten Verbrennungsstufe ab. Der Partikelradius in der Routinefur den CFD-Loser bezieht sich im ubrigen auf den Gesamtradius aus reinem Bor plus Oxid-schicht, was nur wahrend der ersten Stufe der Verbrennung zu Unterschieden in der Interpreta-tion fuhrt.

In der aktuellen Version der CFD-Software Ansys CFX ist es nicht moglich, eine varia-ble Dichte disperser Partikel in der Lagrange’schen Berechnungsweise einzustellen. Aus diesemGrund musste von der Implementierung des Phasenwechsels der Borpartikel von fest nach flussigund zuruck abgesehen werden. Es kann wahlweise die Feststoff- oder die Flussigdichte des Borsvorgegeben werden. Durch die Vernachlassigung des Schmelzvorgangs und somit der Schmelz-enthalpie heizen sich die Partikel in der CFD-Rechnung etwas schneller auf und werden wegender dadurch hoheren Reaktionsgeschwindigkeit tendenziell zugiger abgebaut. Der resultierendeFehler liegt im Prozentbereich und muss derzeit in Kauf genommen werden; er wirkt sich beigroßeren Partikeln starker aus als bei kleineren, die sich in der Regel aufgrund des besserenWarmeubergangs zum Gas weniger stark erhitzen.

Als weitere Abwandlung zu dem in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen Einzel-partikel-Modell ist die Beschrankung der Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k6 zu nennen. Wiesich im Rahmen der Validierung in Abschnitt 8.8 gezeigt hat, ist die Temperaturabhangigkeit die-ser Geschwindigkeit oberhalb 2400 K noch ungewiss. Der in Kapitel 8.5 vorgeschlagene Tempe-raturverlauf fuhrt bei kleinen Partikeln zu einer Uberschatzung der Abbrandgeschwindigkeit, beigroßeren Partikeln bleibt die Geschwindigkeit unter den beobachteten Werten. Letzteres kann,wie das instationare Vergleichsmodell zeigt, auch am nach oben begrenzten Gultigkeitsbereichdes quasistationaren Modells liegen.

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216 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

In den unten angefuhrten Beispielberechnungen der Brennkammerstromung wurde daherder von Li und Williams in [82] publizierte Wert fur k6 eingesetzt, erhoht um den Faktor, derdie Diffusionslimitierung in Lis Experimenten ausgleicht; eine Anpassung des Codes an neueErkenntnisse zur Reaktionsgeschwindigkeit ist jedoch leicht moglich.

8.10.2 Programmablauf und Kopplung mit globaler Gasphasenchemie

Einbindung der OberflachenreaktionenUnter Vernachlassigung der Sauerstoffreaktion in der ersten Stufe der Verbrennung sowie derFluorreaktionen in beiden Stufen sind insgesamt vier globale heterogene Reaktionen zu berech-nen: GR1, GR3, GR6 und GR7. Außerdem soll die teilweise Verdunstung des Bors berucksichtigtwerden. Mit den in der Software Ansys CFX vorhandenen Standardansatzen nach Clausius-Clapeyron oder gemaß der Antoine-Gleichung ist dies nicht wie gewunscht moglich, da in dieseneine ggf. vorhandene Diffusionslimitierung nicht berucksichtigt wird. Da aber das erweiterteBorverbrennungsmodell den abdampfenden Massenstrom inklusive Diffusionshemmung internberechnet, ist die Information eigentlich bereits in der Implementierung enthalten.

Um den verdunstenden Massenstrom einzubeziehen, muss fur diesen Vorgang in CFX eineheterogene Reaktion definiert werden

B(l)→ B(g) , (336)

deren Reaktionsenthalpie erhoht um die sensible Enthalpie gerade der Verdampfungsenthalpiebei der aktuellen Temperatur entspricht, d.h. am Siedepunkt ist sie identisch der Verdampfungs-enthalpie in der ublichen Definition. Der abdampfende Massenstrom wird dann als Umsatz dieser

”Reaktion“ eingesetzt. Wie bereits im Einzelpartikelmodell wird auch in der CFD-Rechnung ei-ne Ruckkondensation gasformigen Bors auf die Partikel ausgeschlossen; in diesem Fall wird derMassenstrom zu null gesetzt. Diese Situation kann eintreten, wenn ein heißes, teilweise ver-dunstendes Partikel plotzlich in eine kaltere Umgebung gelangt, in der noch gasformiges Borvorliegt. Dieser Fall kann praktisch jedoch ausgeschlossen werden, da B(g) in der Gasphase –sofern noch Sauerstoff vorhanden ist – schnell weiterreagiert, und zwar stark exotherm, so dassdie Umgebung eher noch warmer wird.

Mit dieser zusatzlichen ”Reaktion“ ergeben sich zwei heterogene Reaktionen fur die erste unddrei fur die zweite Stufe der Verbrennung. In Ansys CFX muss fur jede heterogene Reaktioneine eigene Fortran-Routine zur Berechnung der in dieser Reaktion pro Zeiteinheit umgesetztenPartikelmasse erstellt werden. Die Berechnung der umgesetzten Enthalpie sowie die Kopplungmit dem Navier-Stokes-Loser fur die Gasphase, aus der ein Teil der Edukte entnommen und andie gasformigen Produkte abgegeben werden, ubernimmt die Software automatisch.

Als eigentliche Berechnungsroutinen gibt es nur jeweils eine fur erste und zweite Stufe derVerbrennung. Um eine unnotige Mehrfachberechnung derselben Werte, z.B. fur GR6, GR7 undden abdampfenden Massenstrom, zu vermeiden, wurde das folgende Verfahren gewahlt: DerLoser ruft fur jede Reaktion die zugewiesene Hauptroutine auf. Aus dieser heraus wird danndie eigentliche Berechnungsroutine mit einem kennzeichnenden Parameter aufgerufen. Wird dieuntergeordnete Berechnungsroutine zum ersten Mal im aktuellen Zeitschritt aufgerufen, so be-stimmt sie alle umgesetzten, gekoppelten Massenstrome fur die betreffende Stufe der Verbren-nung und speichert diese zwischen. Zuruckgegeben wird nur der Wert fur die erste Reaktion.Bei den folgenden Aufrufen im selben Zeitschritt wird ein anderes Kennzeichen ubergeben, sodass die Berechnungsroutine die Aufrufe unterscheiden kann, und gibt den passenden zwischen-gespeicherten Wert ohne weiteren Aufwand zuruck. Diese Implementierung vermeidet unnotigeBerechnungen und spart somit sehr viel Rechenzeit.

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8.10 Implementierung in die CFD-Software ANSYS CFX 217

Tabelle 25: Gaszusammensetzung im Gasleitrohr vor dem Staubrennkammereintritt in Massenanteilen.Die Gase machen 30% des Gesamtmassenstroms aus, die Borpartikel 70%.

CH4 CO CO2 H2 N2 Summe

20% 45% 2% 19% 14% 100%

Modellierung der GasphasenverbrennungDer Gasgenerator des Meteor-Triebwerks erzeugt durch die in ihm stattfindende Vorverbren-nung leichte gasformige Kohlenwasserstoffe und setzt die Borpartikel frei. Nach der Durch-stromung des Regelventils und des Gasleitrohrs gelangen die Gase wie die Partikel in Kon-takt mit Luftsauerstoff aus den Staulufteinlassen. Neben dem bisher beschriebenen Partikel-abbrand reagieren auch die Kohlenwasserstoffe weiter und geben dabei Energie frei. Die inden CFD-Rechnungen verwendete, vereinfachte Gaszusammensetzung im Gasleitrohr nach derVorverbrennung, bei der hohere Kohlenwasserstoffe gebrochen werden und vor allem Methan,Kohlenmonoxid und Wasserstoff entstehen, ist in Tabelle 25 zusammengestellt. Der aus demGasleitrohr in die Staubrennkammer eintretende Massenstrom besteht zu 30% aus gasformigenKohlenwasserstoffen und zu 70% aus Borpartikeln.

Fur die Simulation der Verbrennungsvorgange in der Gasphase der Meteor-Staubrenn-kammer wurde eine Kombination aus Wirbel-Dissipationsmodell (engl. eddy dissipation model,EDM) und der Berechnung uber endliche Reaktionsgeschwindigkeiten gewahlt.

Das Eddy Dissipation Modell wird fur turbulente Stromungen angewendet und basiert aufder Annahme, dass die chemischen Reaktionen schnell im Verhaltnis zu den Transportvorgangenin der Stromung sind. Das bedeutet, dass Edukte, die auf molekularer Ebene gemischt werden,sofort, also unendlich schnell, ihre Produkte erzeugen. Die tatsachlich wirkende Umsatzrate wirddaher der Geschwindigkeit der Mischung gleichgesetzt. Diese wird in turbulenten Stromungendurch die Eigenschaften der Wirbel bestimmt, so dass der Umsatz proportional dem Kehrwertder Mischungszeit

τMischung ∝k

ε(337)

ist, mit der spezifischen turbulenten kinetischen Energie k und deren Dissipationsrate ε.Wenn die Reaktionsgeschwindigkeiten also viel schneller als die turbulente Mischung sind,

lautet die hier wirkende Geschwindigkeit der Elementarreaktion j (ohne Produktlimitierung)

Rj = Aε

k·min∀i

(ciν ′i

)(338)

mit der Modellkonstante A = 4, der Konzentration der Eduktspezies i, ci, und dem stochio-metrischen Koeffizienten ν ′i. Eine Begrenzung der Reaktionsgeschwindigkeit durch Produkte alsSattigungseffekt ist moglich, wurde hier aber nicht vorgenommen.

Im Gegensatz zum Eddy Dissipation Modell wird der Umsatz in Elementarreaktion j beider Modellierung uber endliche Reaktionsgeschwindigkeiten direkt vorgegeben

Rj = kf,j

N∏i

cnfi − kb,j

N∏i

cnbi . (339)

Dabei steht ci fur die Konzentration der Spezies i und nf bzw. nb stehen fur die Ordnung der Vor-bzw. Ruckreaktion. Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten kf,j und kb,j werden ublicherweisemittels eines Arrhenius-Ansatzes ausgedruckt

kf,j = Af,j Tnj exp

(−EA,jRT

)(340)

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218 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

mit dem Frequenzfaktor Af,j , dem Temperaturexponenten nj und der Aktivierungsenergie EA,j .Alternativ kann die Geschwindigkeitskonstante der Ruckreaktion uber die Gleichgewichtskon-stante berechnet werden.

In der vorliegenden Arbeit wurde eine Kombination aus den beiden beschriebenen Modell-ansatzen verwendet. Der Loser berechnet zunachst beide Reaktionsgeschwindigkeiten getrenntund verwendet fur die Rechnung den kleineren und damit geschwindigkeitsbestimmenden Wertder beiden. Diese Vorgehensweise wird fur jede Teilreaktion einzeln ausgefuhrt, so dass eineElementarreaktion durch die chemische Umsatzgeschwindigkeit begrenzt werden kann, wahrendeine andere durch mangelnde turbulente Mischung limitiert wird.

Das kombinierte Modell ist fur turbulente Stromungen in weiten Bereichen der Damkohler-Zahl Da gultig. Es muss aber beachtet werden, dass die chemischen Reaktionsgeschwindigkeitenmit der sich aus der Rechnung ergebenden mittleren Temperatur gebildet werden, die keinerturbulenten Schwankung unterliegt. Auch der Eddy-Dissipation-Teil des Modells geht bei Mi-schung von Vollumsatz aus. Das hier verwendete Modell neigt daher zur Vorhersage zu hoherTemperaturen bzw. Umsatze in der reagierenden Stromung. Es handelt sich um eines der ein-fachsten Verbrennungsmodelle in der Gasphase und ist als nicht sehr genau einzustufen. SeinVorteil liegt in der einfachen, robusten und schnellen Berechnung. Die Verbesserung der Model-lierung der Gasphasenverbrennung im Meteor-Triebwerk ist ein Anknupfungspunkt fur einezukunftige Erweiterung in Folgeprojekten. Ein Ausblick wird im letzten Abschnitt 8.11 diesesKapitels gegeben.

Implementierte GasphasenreaktionenDie bei der fetten Vorverbrennung im Gasgenerator entstehenden leichten Gasphasenspeziesbestehen hauptsachlich aus Methan, Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Da der Schwerpunkt dervorliegenden Arbeit auf der Modellierung der Stromung und des Abbrands der Partikel liegt,wurde die Gasphasenverbrennung einfach gehalten. Bezuglich der Kohlenwasserstoffe wurdennur drei Reaktionen implementiert, die bereits in der Software Ansys CFX vordefiniert sind.

Wasserstoff reagiert vereinfacht nach der Einschrittreaktion

H2 +12

O2 → H2O , (GasR1)

die sehr schnell ablauft. Daher ist die Vorgabe in CFX, die Reaktionsgeschwindigkeit ausschließ-lich uber das Eddy Dissipation Modell zu berechnen, ohne Benutzung eines Arrhenius-Ansatzes.In der Literatur sind auch komplexere Wasserstoff-Luft Reaktionsmechanismen verfugbar, wieer z.B. auch im PA-Modell verwendet wird, siehe Kapitel 6. Diese erfordern allerdings mehrSpezies, auch wenig stabile Radikale, auf die hier verzichtet werden soll, da die Modellierung desPartikelabbrands uber globale Reaktionen keine freien Radikale vorsieht. Zudem wurde dies eineweitere Erhohung des Berechnungsaufwands und somit eine Erschwerung des Modelleinsatzesin der Praxis bedeuten. Mit weiter steigenden Rechnerkapazitaten ware eine solche Erweiterungzukunftig jedoch vorstellbar.

Fur den Abbrand des Methans wurde ein vereinfachender Zwei-Schritt Mechanismus vonWestbrook und Dryer, der zweite Autor ist auch Teil der PA-Gruppe, ubernommen, [170]. Die-ser Mechanismus wurde an Messdaten von Flammen bei verschiedenen Aquivalenzverhaltnissenangepasst und war einer der ersten konsistenten seiner Art in diesem Anwendungsgebiet.

Methan wird dabei in einer ersten Reaktion mit Luftsauerstoff zu Kohlenmonoxid und Wasserumgewandelt

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8.10 Implementierung in die CFD-Software ANSYS CFX 219

CH4 +32

O2 → CO + 2 H2O . (GasR2a)

Die mit einem Arrheniusansatz an die Messdaten angepasste Reaktionsgeschwindigkeit lautet

R2a = 1.5 · 107 1s· exp

(−

30kcalmol

RT

)· [CH4]−0.3 · [O2]1.3 (341)

mit der Gesamtordnung eins, aber einer negativen Ordnung bezuglich der Methankonzentration.Diese gibt die Messdaten gut wieder, fuhrte in der Literatur aber zu einer umfassenden Diskus-sion, siehe z.B. [171], zwischen T.P. Coffee und den Originalautoren. Problematisch ist diesernegative Exponent in verdunnten Umgebungen bei verschwindendem Methangehalt, weil danndie Reaktionsgeschwindigkeit uber alle Grenzen steigt. Dies kann zu numerischer Instabilitatfuhren, so dass Limitierungsmaßnahmen erforderlich sind, die jedoch wiederum die Ergebnisseverandern konnen. Mit der CFX-Implementierung sind allerdings bei den im Rahmen der vor-liegenden Arbeit durchgefuhrten Rechnungen keine numerischen Schwierigkeiten aufgetreten.

Der zweite Schritt des Methanabbaus ist die Oxidation von Kohlenmonoxid, das auch schonvor der Staubrennkammer den Hauptteil der Gasmasse im Gasgenerator ausmacht. Der hierfurgewahlte Einschritt-Mechanismus

CO +12

O2 → CO2 (GasR2b)

besteht in der Realitat aus vielen Elementarschritten, im umfassenden Mechanismus von Yetter,Dryer und Rabitz, [140], sind 28 Teilschritte angegeben. Daran liegt es auch, dass die Reakti-onsgeschwindigkeit,

R2b = 1014.6 cm2.25

mol0.75 s· exp

(−

40kcalmol

RT

)· [CO] · [O2]0.25 · [H2O]0.5 , (342)

nicht nur von der CO- und Sauerstoff-Konzentration, sondern auch von derjenigen des Wasser-dampfs abhangt, der in den vernachlassigten Zwischenreaktionen auftaucht. Auch diese Reakti-onsgeschwindigkeit wurde mit Messdaten abgeglichen. Die Implementierung sieht im Standardkeinen Turbulenzeinfluss auf die Methan- und Kohlenmonoxidreaktionen vor, so dass der Umsatznur uber die Geschwindigkeiten R2a und R2b gesteuert wird. Eine Erweiterung der Modellierungum Einflusse der Turbulenz durch Schwankungen in Temperatur und Gaszusammensetzung isthier moglich und angebracht, siehe Abschnitt 8.11.

Als Produkte der heterogenen Reaktionen an der Partikeloberflache sowie durch die teilweiseVerdunstung des Bors entstehen in der Brennkammer u.a. das Borsuboxid B2O2 und gasformigesBor, B(g). Diese beiden Spezies konnen in der Gasphase durch Sauerstoff noch weiter oxidiertwerden. Da die gesamte Modellierung auf globalen Reaktionen basiert, wird fur beide Speziesjeweils eine globale, irreversible Einschrittreaktion angesetzt und alle Zwischenprodukte ver-nachlassigt.

Um sinnvolle Geschwindigkeiten fur diese fiktiven Reaktionen zu ermitteln, wurden verschie-dene Rechnungen mit dem komplexen Gasphasen-Reaktionsmechanismus der PA-Gruppe ausKapitel 6 in der Software Cosilab durchgefuhrt. Zu Beginn enthielt die Gasmischung neben Sau-erstoff und Stickstoff entweder nur B(g) oder B(g) und B2O2 gleichzeitig oder aber zusatzlichKohlenwasserstoffe. Die Ergebnisse weisen die folgenden Gemeinsamkeiten auf, siehe auch Ab-bildung 59(a):

1. B(g) ist schon nach weniger als 10−4 ms, also 10−7 s abgebaut.

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220 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

(a) komplexer Mechanismus (b) zwei globale Reaktionen

Abbildung 59: Zeitliche Temperatur- und Spezieskonzentrationsverlaufe einer Gasmischung mit XB =0.02, XB2O2 = 0.05, XO2 = 0.10 und XN2 = 0.83 bei P = 1 atm und T0 = 2000 K.Vergleich zwischen komplexem Gasphasenmechanismus der PA-Gruppe und zwei globalenEinzelreaktionen fur B(g) und B2O2.

2. B2O2 reagiert in 10−3 ms fast vollstandig ab. Aus fluiddynamischer Sicht laufen beideProzesse sehr schnell ab.

3. Als Zwischenprodukte treten in den mittleren Zeitskalen vor allem die Suboxide BO undBO2 auf, wobei BO zuerst entsteht und fruher abgebaut wird, wahrend BO2 bei diesenhohen Temperaturen auch im Gleichgewicht vorliegt, in ahnlichem Maße oder sogar mehrals B2O3.

4. B2O3 entsteht langsam, das Gleichgewicht wird erst nach 1 bis 10 ms erreicht.

5. Die Temperatur erreicht ihren Endwert nach gut einer Millisekunde. Die letzten beidenPunkte bedeuten, dass der Umsatz der Partikel, die erst im hinteren Teil des Triebwerksbrennen bzw. großer sind, nur unvollstandig im Triebwerk umgesetzt werden und dass dasEndprodukt B2O3 nicht vollstandig innerhalb des Triebwerks entsteht.

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8.10 Implementierung in die CFD-Software ANSYS CFX 221

Als globale Gasphasenreaktionen mussten solche gewahlt werden, die zwar die Energiefreiset-zung der Elementarreaktionen aus dem komplexen Mechanismus in angebrachten Zeitspannenermoglichen, die aber nicht die Zwischenprodukte BO und BO2 einfuhren. Wie bereits oben an-gesprochen wurde dies weitere Radikale in der Gasphase sowie einen deutlich umfangreicherenMechanismus erfordern und dem globalen Ansatz der heterogenen Reaktionen widersprechen.

Die zum Abbau des gasformigen Bors durch Sauerstoff eingefuhrte irreversible Reaktionlautet

B(g) +34

O2 →12

B2O3 . (GasR3)

Diese lasst sich als eine Linearkombination einiger Elementarreaktionen des PA-Modells ausKapitel 6 darstellen. Die Oxidation von B2O2 erfolgt nach der Gleichung

B2O2 +12

O2 → B2O3 (GasR4)

ebenfalls irreversibel.

Die Parameter in den fiktiven Reaktionsgeschwindigkeiten mussen so gewahlt werden, dassB(g) schneller als B2O2 zu B2O3 reagiert und dass die Reaktion (GasR4) langer als 5 ms fur denVollumsatz benotigt. Bei Wahl eines Arrheniusansatzes bleiben als Parameter fur eine Anpassungdie Aktivierungsenergie, der Temperaturexponent und der Vorfaktor. Je hoher die Aktivierungs-energie ist, desto sensibler ist die Reaktion bezuglich Temperaturanderungen. Da diese nicht zuhoch werden soll, wurde fur beide Reaktionen eine Aktivierungsenergie von EA = 5 kcal/molund der Temperaturexponent zu eins festgesetzt.

Die Reaktionsordnung wurde gleich den stochiometrischen Koeffizienten gewahlt. Aus einerganzen Reihe von Testrechnungen bei Temperaturen zwischen 2000 und 3000 K, Drucken zwi-schen 1 und 10 atm sowie Sauerstoffmolanteilen zwischen 5 und 15% haben sich die folgendenReaktionsgeschwindigkeiten als fur die Anwendung in der Staubrennkammer sinnvoll herausge-stellt

R3 = 1.5 · 109

(cm3

mol

)0.751s· exp

(−

5kcalmol

RT

)· [B(g)] · [O2]0.75 (343)

R4 = 5 · 106

(cm3

mol

)0.51s· exp

(−

5kcalmol

RT

)· [B2O2] · [O2]0.5 . (344)

Abbildung 59 ermoglicht einen Vergleich zwischen den zeitlichen Verlaufen der Zusammenset-zung und Temperatur bei Anwendung des komplexen PA-Modells einerseits und den zwei glo-balen Reaktionen andererseits. Beim komplexen Mechanismus liegt im Gleichgewicht mehr BO2

vor, so dass weniger B2O3 vorhanden ist, und das Gleichgewicht wird etwas spater erreicht. Dakein vollstandiger, irreversibler Umsatz in Endprodukte erreicht wird, liegt die Endtemperaturetwa 200 K niedriger als diejenige aus dem globalen Ansatz. Da der komplette Umsatz jedochmit den nur zwei Gleichungen auch erst spat erfolgt, wird dieser nicht mehr innerhalb des Trieb-werks auftreten, was realistisch ist. Beiden Mechanismen gemeinsam ist die Bildung von B2O3

ab etwa 10−3 ms, und dass B(g) um ca. eine Großenordnung schneller abgebaut wird als B2O2.

Fur die Reaktionen (GasR3) und (GasR4) wird in der Stromungssimulation das kombinierteVerbrennungsmodell aus Eddy-Dissipation und endlicher Reaktionsgeschwindigkeit angewendet,je nachdem, ob die Geschwindigkeit der Mischung oder der Chemie limitierend wirkt.

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222 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Abbildung 60: Zweidimensionale Staubrennkammer, gemittelte Partikeltemperatur. Oben: Ergebnissemit 10 µm Partikeln. Unten: Ergebnisse mit 2 µm Partikeln. Skala 1000 K bis 3000 K,maximale Partikeltemperatur 3575 K.

Tabelle 26: Zweidimensionale Brennkammerrechnungen, Gaszusammensetzung und Massenstrome an denEinlassen.

YCH4 YCO YCO2 YH2 YN2 YO2 mGas mP

Gasleitrohr 20% 45% 2% 19% 14% — 4.269 g/s 9.960 g/sLufteinlass 1 — — — — 77% 23% 48.324 g/s —Lufteinlass 2 — — — — 77% 23% 54.915 g/s —Lufteinlass 3 — — — — 77% 23% 61.521 g/s —

8.10.3 Ergebnisse der Stromungssimulation mit mehrphasiger Verbrennung inzwei- und dreidimensionalen Brennkammergeometrien

Mit dem in die CFD-Software implementierten Gesamtmodell fur die Borverbrennung in kohlen-wasserstoffhaltigen Atmospharen wurden mehrere CFD-Brennkammerrechnungen durchgefuhrt,aus denen einige Ergebnisse hier beispielhaft angefuhrt werden.

Zunachst wurden wahrend der Implementierungsphase Berechnungen mit der Geometrie ei-ner zweidimensionalen Brennkammer vorgenommen, um die Rechenzeiten in Grenzen zu halten.Diese Brennkammer ist an einen Schnitt durch das Meteor-Triebwerk angelehnt, siehe Abbil-dung 60, und hat eine Tiefe von 2.5 mm. Die Produkte des Gasgenerators, zu 30% der MasseKohlenwasserstoffgase und zu 70% Borpartikel, treten durch das Gasleitrohr an der linken Seitemit 1590 K in die Brennkammer ein, die senkrecht zur dargestellten Ebene als unendlich ausge-dehnt angenommen wird, erzwungen durch Symmetrierandbedingungen. An der Unterseite derBrennkammer stromt Luft durch drei Einlasse unter einem Winkel von 45 mit 596 K stati-scher Temperatur ein, wobei der Luftmassenstrom vom ersten zum dritten Einlass hin ansteigt.Die Zusammensetzung und die Massenstrome sind in Tabelle 26 gegeben. Die Abgase der fet-ten Vorverbrennung im Gasgenerator enthalten neben Methan und Kohlenmonoxid zu 19% derMasse Wasserstoff, d.h. bezogen auf Molanteile stellt dieser die Hauptkomponente dar. Daruberhinaus ist auch Stickstoff enthalten, der im Modell als Uberschusskomponente definiert wurde

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8.10 Implementierung in die CFD-Software ANSYS CFX 223

Abbildung 61: Zweidimensionale Staubrennkammer, Massenanteil B2O2, Produkt von GR1 und GR6.Oben: Ergebnisse mit 10 µm Partikeln. Unten: Ergebnisse mit 2 µm Partikeln. Skala bis2.5%, Maximalwert 7.5%.

und somit im gesamten Rechengebiet vorhanden sein muss.Fur diese Rechnungen wurden monodisperse Borpartikel mit 10 µm und alternativ mit 2 µm

Anfangsdurchmesser zugefuhrt, wobei dieser bereits die Oxidschicht von ca. 3% der Partikel-masse enthalt. Diese Durchmesser stellen realistische Grenzen der Bandbreite der Partikelgroßein der Staubrennkammer dar. Fur reale Einsatzbedingungen ist mit einer polydispersen Ver-teilung zu rechnen, die aus Messdaten gewonnen werden muss. In der stationaren Rechnungwurden in jedem Lagrange-Schritt 20000 Trajektorien fur die großeren und 50000 Trajektoriender kleineren Partikel berechnet, um eine gute Statistik zu erhalten.

Wie Abbildung 60 zeigt, werden die links einstromenden Partikel durch den ersten Luft-strahl nach oben abgelenkt und treffen dort teilweise auf die Brennkammerwand, von der siezuruckprallen. Aufgrund der zweidimensionalen Stromung bilden sich in der stationaren Rech-nung keine großskaligen Wirbelstrukturen, so dass die Vermischung mit der in den unteren zweiDritteln der Brennkammer stromenden Luft sehr schlecht ist und die Lufteinlasse zwei und dreiohne positive Wirkung bleiben. Die in der Abbildung dargestellte Temperatur der Partikel istdaher nur dort oberhalb des Minimalwerts der Skala, wo sich auch Partikel befinden, d.h. imoberen Drittel.

Bei den großeren 10 µm Partikeln, oben, gibt es nur wenige Abweichler von dem Haupt-bahnverlauf, da diese recht trage sind und sich nicht so stark beeinflussen lassen. Aufgrund derschlechten Sauerstoffversorgung und der großeren Zundverzugszeit verbrennen die großen Par-tikel nicht gut. Erst in der Duse zunden einige von oben zuruckprallende Partikel, die weiterunten in Kontakt mit der Luft kommen. Die unten gezeigten kleineren 2 µm Partikel bilden einRezirkulationsgebiet in der oberen linken Ecke der Brennkammer aus, das einige wenige auchnicht mehr verlassen. An der Grenzflache Luft-Gasgeneratorabgas bildet sich eine heiße Schicht,da die kleinen Partikel schon fruh zunden und in dieser Mischungsschicht genugend Sauerstoffvorfinden.

In Abbildung 61 ist der Massenanteil von B2O2 aufgetragen, das durch reaktives Abdampfender Oxidschicht in GR1 und durch die Reaktion des reinen Borpartikels mit Sauerstoff entsteht.Bei den 10 µm Partikeln oben erkennt man zunachst das Abdampfen des Oxids als schwache

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224 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Abbildung 62: Zweidimensionale Staubrennkammer, Massenanteil HOBO, Produkt von GR7, und Stro-mungsvektoren. Oben: Ergebnisse mit 10 µm Partikeln. Unten: Ergebnisse mit 2 µm Par-tikeln. Skala bis 10%, Maximalwert 15%.

Farbung und anschließend das heftige Verbrennen der Partikel, die in die Luftstromung gelangen.Aufgrund ihrer hoheren Tragheit gelingt dies den großeren Partikeln eher als den kleineren,welche daher weniger Boroxid freisetzen. Vor dem ersten Lufteinlass bildet sich unten ein kleinesRezirkulationsgebiet, in dem sich die Produkte anhaufen. Weiter stromabwarts reagiert dasB2O2 mit Sauerstoff zum Endprodukt B2O3 weiter, wegen der schlechten Vermischung jedochunvollstandig, vor allem an der oberen Wand. In der Duse produzieren die zuruckprallendengroßeren Partikel dann erneut das Borsuboxid.

Das Produkt der globalen heterogenen Reaktion GR7 des Bors, HOBO, sowie die Stro-mungsvektoren sind in Abbildung 62 dargestellt. GR7 benotigt als Edukte neben Sauerstoffauch Wasserdampf, der zunachst aus der Verbrennung des Wasserstoffs mit Sauerstoff gebildetwerden muss. Die Entstehung des HOBOs ist daher verzogert, es ist auf zweierlei Weise aufSauerstoff angewiesen. Im Gegensatz zum B2O2 entsteht HOBO auch erst nach Beendigung derersten Stufe der Verbrennung.

Die Vektoren verdeutlichen das Hauptrezirkulationsgebiet links oben. Die Geschwindigkei-ten betragen etwa 150 m/s am Gasleitrohr und 140 bis 220 m/s an den Lufteinlassen. DieMachzahl in der Brennkammer ergibt sich zu 0.3 bis 0.7; letzteres ist unrealistisch hoch und derzweidimensionalen Stromung geschuldet. Nach der Duse wird Mach 1.83 erreicht. Der Brennkam-merdruck liegt mit 3.7 bis 3.9 bar im mittleren Anwendungsbereich der Meteor-Brennkammer.Der Partikel-Volumenanteil nimmt in großeren Bereichen keine Werte uber 0.12% an, der Ma-ximalwert ist 0.25%, also eine im Vergleich zum Gasleitrohr maßig beladene Stromung.

Abschließend wurde die Stromung in der dreidimensionalen Geometrie einer Staubrennkam-mer simuliert, die dem Meteor-Triebwerk nachempfunden ist. Wie in Abbildung 63 zu erken-nen, mundet das Gasleitrohr mittig nach unten versetzt an der Stirnseite der Brennkammer,durch dieses stromen 75 g/s Produkte der Vorverbrennung mit 1600 K in gleicher Zusammen-setzung wie in Tabelle 26 und 175 g/s Borpartikel mit 10 µm Anfangsdurchmesser, was einemVerhaltnis von 30:70 entspricht. Je ein schlitzformiger Lufteinlass ist im vorderen Drittel anbeiden Flanken schrag unten angesetzt. Sie bilden einen rechten Winkel, dessen Scheitelpunktauf der Gasleitrohrachse liegt; die Einstromung erfolgt außerdem um 45 nach hinten geneigt. In

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8.10 Implementierung in die CFD-Software ANSYS CFX 225

Abbildung 63: Dreidimensionale Staubrennkammer, Partikeltrajektorien, eingefarbt gemaß Partikel-durchmesser, dP,0 = 10µm. Ansicht von Brennkammerstirnseite (links) und von schragoben (rechts).

der Brennkammer stoßen diese beiden Strahlen von 600 K statischer Temperatur mit je 2 kg/sauf den Gas- und Partikelstrahl aus dem Gasleitrohr und lenken diesen nach oben ab. Es bildetsich ein Doppelwirbel in Langsrichtung aus, dessen Starke nach hinten abnimmt. Hinter derDuse wird ein Stuck der Umgebung mitsimuliert, in der Luft mit Mach 2 bei 223 K und 0.65 bareinstromt; der Auslass ist ein Uberschallaustritt, d.h. eine reine Extrapolationsrandbedingung.

Obwohl es sich um eine stationare Rechnung handelt und die Geometrie symmetrisch ist, er-gibt sich ein asymmetrisches Stromungsfeld, in dem der Partikelstrahl wie auch die Gasstromungleicht zur Seite geneigt sind. Im Bereich der Lufteinlasse trifft der Strahl aus dem Gasleitrohrauf die obere Wand, von der die Partikel zuruckprallen und sich anschließend aufgrund desDoppelwirbels an den seitlichen Wanden nach unten bewegen. Ein Teil fangt sich in den Rezir-kulationsgebieten vor den Lufteinlassen, in denen der gasformige Brennstoff weitgehend umge-setzt wird. Der Auftreffpunkt an der Wand oben ist auch eine Zone mit hohem Sauerstoffanteil,so dass hier sehr hohe Temperaturen entstehen, ein sogenannter ”hot spot“, gefahrlich fur dieDauerbestandigkeit der Brennkammerstruktur und des Isoliermaterials.

Die Einfarbung der Partikeltrajektorien zeigt, dass bereits in der Mitte des Triebwerks derHauptteil des Festbrennstoffs umgesetzt ist und nur kleine Partikelreste das Triebwerk durchdie Duse (orange) verlassen. Insgesamt werden 98.34% der Partikelmasse umgesetzt. Dies liegtallerdings auch daran, dass in dieser Rechnung ein mageres Luftverhaltnis λ von 1.5 eingestelltwurde, d.h. ein Luftuberschuss. Wenn z.B. fur andere Flugzustande bei gleicher Luftmenge mehrTreibstoff zugefuhrt wird, erfolgt der Umsatz langsamer und unvollstandig. Die Anwendung desvorliegenden Modells dient gerade der Abschatzung des sich hieraus ergebenden Wirkungsgradsdes Triebwerks.

Abbildung 64 zeigt auf der Linken den Massenanteil des Endprodukts B2O3 in Langs- undQuerschnitten. Es entsteht vor allem im hinteren Teil der Brennkammer, wo das verdunstendeBor sowie das Suboxid B2O2 bei weiterer Mischung mit dem Luftsauerstoff zum Endproduktreagieren. In diesem Bild erkennt man auch den nach hinten dissipierenden Doppelwirbel unddie Asymmetrie der Stromung.

Auf der rechten Seite der Abbildung 64 sieht man den Massenanteil des Produkts der Re-

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226 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

Abbildung 64: Dreidimensionale Staubrennkammer. Links: Massenanteil B2O3, Endprodukt der Borver-brennung mit Sauerstoff. Rechts: Massenanteil HOBO, Produkt von GR7. Skalen bis 10%.

aktion GR7, HOBO, das hauptsachlich an der Grenzflache zwischen Partikelstrahl aus demGasleitrohr und den Luftstrahlen entsteht. Es bewegt sich anschließend vorn oben in der Re-zirkulationszone sowie im Kern des Doppelwirbels an den Außenseiten. Durch Vermischung mitder Luft findet im hinteren Brennkammerbereich eine Homogenisierung statt. Da der Wasser-stoff aus dem Gasgenerator quasi sofort mit der einstromenden Luft reagiert, kann die ReaktionGR7 schon weit vorne im Triebwerk einsetzen, solange sowohl Sauerstoff als auch Wasserdampfvorliegen. Weil sich die Produkte der Kohlenwasserstoffverbrennung und somit Wasserdampfsowie die Partikel im vorderen Drittel vor allem in der Nahe der oberen Brennkammerwandbefinden und auch Luftsauerstoff bis dorthin durchdringt, ist die Warmefreisetzung an dieserStelle besonders hoch, was bei der Auslegung der Isolierung beachtet werden muss.

Die Felder der beiden Massenanteile unterscheiden sich signifikant entsprechend ihres unter-schiedlichen Bildungsvorgangs, was verdeutlicht, dass fur die Chemie-Turbulenz-Kopplung nichtnur mit einem Mischungsbruch gearbeitet werden kann, worauf im folgenden Abschnitt nocheingegangen wird.

Das Feld des Sauerstoff-Massenanteils zeigt Abbildung 65. In den blau dargestellten Zonenist der Sauerstoff vollstandig verbraucht bzw. gelangt nicht dorthin. Insbesondere an der Brenn-kammeroberseite und im Kern des Doppelwirbels ist dies der Fall. Durch Vermischung bildetsich stromabwarts ein homogeneres Feld.

Der maximale Brennkammerdruck liegt bei 4.08 bar, die Machzahl im Triebwerk unter 0.45und nach der Duse bei 2.0, beides realistische Werte fur diesen Fall. Die Gase stromen mit etwa180 m/s in die Brennkammer ein, der Partikel-Volumenanteil liegt in der Scherflache der Strah-len bei unter 0.2%, maximal bei 5.1%, aber großraumig meist unter 5 · 10−5, begrundet auchdurch Auszentrifugieren der Partikel an die Kammerwand. Die Kohlenwasserstoffe werden fastvollstandig umgesetzt, ebenso das gasformige Bor. Das Borsuboxid B2O2 existiert allerdingsauch noch nach Verlassen des Triebwerks lokal mit einem Anteil von 0.5% und das Endpro-dukt B2O3 kondensiert nicht innerhalb der Kammer, so dass nicht das gesamte energetischePotential des Bortreibstoffs genutzt wird. Dies ist laut Literatur mit reinem Bor auch schwierig,da eine Kondensation Mehrphasenverluste in der Duse hervorriefe und die Brennkammerlangebeschrankt ist. Fluor-Zusatze konnen dieses Problem durch Bildung gasformiger Endprodukte

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8.11 Chemie-Turbulenz-Kopplung 227

Abbildung 65: Dreidimensionale Staubrennkammer, Massenanteil O2.

mildern. Einen gewissen Verlust muss man in Kauf nehmen, die Optimierung des Wirkungsgra-des per Stromungssimulation kann nun aber mit dem vorliegenden Modell durchgefuhrt werden.

8.11 Chemie-Turbulenz-Kopplung

Die Stromung in Staustrahlbrennkammern ist wie in fast allen technischen Verbrennungsvorgan-gen hochturbulent. Das in den vorangegangenen Abschnitten beschriebene Bor-Verbrennungs-modell, das fur die mehrphasige Gas- und Partikelverbrennung in solchen Raketenmotoren ver-wendet werden soll, basiert in erster Linie auf globalen Reaktionsgleichungen, die fur eine la-minare Stromung in der Umgebung der Partikel gelten. Ein gewisser Einfluss der Turbulenzauf die Gasphasenverbrennung wird durch den Einsatz des simplen Eddy-Dissipation-Modellsberucksichtigt.

In turbulenten Mehrphasenstromungen wirken sich die Geschwindigkeitsschwankungen desGases auf die Bewegung der festen oder flussigen Partikel aus, gleichzeitig konnen die Partikeldie Gasturbulenz entweder durch turbulenten Nachlauf verstarken oder durch Tragheit dampfen,was vor allem von der Große der Partikel abhangt. Die genauen Auswirkungen konnen aller-dings bisher nicht in Form von validierten Modellen quantifiziert werden. Verbrennungsvorgangein Mehrphasenstromungen erschweren die Simulation zusatzlich. Zum einen mussen Modellefur die turbulente Gasphasenverbrennung z.B. wegen auftretender Verdunstungsvorgange inSpruhnebeln (Sprays) angepasst werden, zum anderen werden heterogene Reaktionen an Par-tikeloberflachen durch schwankende Relativgeschwindigkeit, Konzentrationen der gasformigenReaktionspartner oder Temperatur der Umgebung beeinflusst.

Dieser letzte Abschnitt der Arbeit soll einen Uberblick zum Stand der Forschung zur Chemie-Turbulenz-Kopplung in reaktiven Mehrphasenstromungen bieten und damit einen Ausblick aufzukunftige Erweiterungsmoglichkeiten des Bor-Verbrennungsmodells gewahren, die zu einer ge-naueren Modellierung der turbulenten Schwankungen in der Brennkammer fuhren. Nach der Dis-kussion der Ansatze wird der Unterschied zwischen stationarer und instationarer CFD-Rechnungund dessen Einfluss auf die Rechenergebnisse im Vergleich zur Turbulenzmodellierung eingegan-

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228 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

gen. Das Kapitel schließt mit der Untersuchung der Auswirkung von turbulenten Konzentrati-onsschwankungen in der Partikelumgebung auf das Abbrandverhalten anhand des instationarenVergleichsmodells bei verschiedenen Partikelgroßen und Schwankungsfrequenzen.

8.11.1 Stand der Forschung 2007 zu reaktiven Mehrphasenstromungen

Die turbulente Gasphasenverbrennung in einphasigen Stromungen ist an sich schon ein sehr kom-plexer Vorgang. In den letzten Jahrzehnten ist jedoch im Rahmen umfassender Forschungsakti-vitaten eine Vielzahl von Modellen entwickelt worden, die recht gute Vorhersagen ermoglichen,wie die Validierung anhand von Laborflammen mit meist einfacheren Treibstoffen, z.B. niedrigenKohlenwasserstoffen, zeigt. Diese Modelle bilden auch die Grundlage fur eine mehrphasige Ver-brennung, mussen fur diesen Fall allerdings angepasst werden, um Phasenwechsel und heterogeneReaktionen berucksichtigen zu konnen.

Sehr gute Ubersichtsartikel auf diesem Gebiet fuhrender Wissenschaftler findet man in[172] und [173] mit jeweils weit uber 200 zitierten Artikeln, die sich mit allen drei Regimennicht-vorgemischter, teil-vorgemischter und vorgemischter Flammen befassen. Neben der Litera-tur zur CFD-Modellierung mittels der Reynolds-gemittelten Navier-Stokes-Gleichungen (RANS)wird auch solche mit den neueren und genaueren Varianten der Grobstruktursimulation (LES)und der direkten numerischen Simulation (DNS) in Bezug auf einphasige turbulente Verbren-nung prasentiert. Dem Einsatz der LES fur Raketenbrennkammern ist der umfangreiche Artikel[174] gewidmet, der auch mehrphasige Stromungen untersucht. Einen Uberblick uber optischeDiagnostik bei experimentellen Untersuchungen von Diffusionsflammen, die als Basis einer Va-lidierung der Modelle verwendet werden, bietet [175], ebenfalls mit uber 200 Referenzen.

Der Stand der Technik fur mehrphasige Verbrennung in der industriellen Anwendungist, bedingt durch nur begrenzt zur Verfugung stehende Rechenzeit und große geometrische Ab-messungen, meist das Zwei-Fluid-Modell, das beide Phasen in der Euler’schen Betrachtungswei-se simuliert. Einsatzgebiet sind Kohlefeuerungs- oder Kohlevergasungsanlagen fur Dampferzeu-ger oder Synthesegasherstellung sowie andere Wirbelschichtreaktoren in der Verfahrenstechnik.Kombiniert mit der kinetischen Theorie fur granulare Stromungen (engl. Kinetic Theory of Gra-nular Flow, KTGF), die es im Rahmen der Euler-Euler-Modellierung ermoglicht, Kollisionen zwi-schen Partikeln zu berucksichtigen, und wie in dieser Arbeit einem Eddy-Dissipation/Arrhenius-Ansatz fur die Gasphasenverbrennung bzw. die heterogenen Reaktionen ist es damit moglich,auch Großanlagen in vernunftiger Rechenzeit zu simulieren, siehe z.B [176].

In [177] wird der Einfluss von Temperaturschwankungen auf die Oberflachenreaktionen aneinem Kohlepartikel untersucht, indem die Partikeltemperatur algebraisch mit den Gasphasen-temperaturfluktuationen gekoppelt wird, um die Auswirkung der Turbulenz auf den Abbrandzu berechnen. Diese simple Kopplung im Rahmen des Euler-Euler-Modells lasst sich leicht um-setzen, ist allerdings nicht physikalisch begrundet oder validiert worden. Auch die Bildung derEmissionen in Dieselmotoren, das sind in erster Linie Stickoxide und Rußpartikel, wird derzeitteilweise noch mit einem Eddy-Dissipation/Arrhenius-Modell berechnet, siehe [178]. Diese Bei-spiele aus der industriellen Anwendung zeigen, dass das im Rahmen dieser Arbeit eingesetzteModell zur Chemie-Turbulenz-Kopplung dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Da die-ses hier weiterentwickelte Borverbrennungsmodell fur die industrielle Brennkammerauslegungverwendet werden soll und damit die Berechnungszeiten nicht ausufern durfen, ist der einfacheTurbulenz-Kopplungsansatz derzeit gerechtfertigt.

Im folgenden wird auf den Stand der Forschung eingegangen, um Moglichkeiten fur ei-ne zukunftig detailliertere Betrachtung des Chemie-Turbulenz-Kopplungsproblems aufzuzeigen.Bevor man sich der Verbrennung von Partikeln zuwendet, ist eine genauere Untersuchung derPartikeldispersion in turbulenten Mehrphasenstromungen angebracht, da diese zu einer

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8.11 Chemie-Turbulenz-Kopplung 229

ungleichmaßigen Konzentrationsverteilung des Feststoffs im Gas fuhrt, eine sogenannte bevor-zugte Anordnung, engl. preferential concentration. Ein sehr umfangreicher, aktueller Artikel zudiesem Thema ist [179], der fur Gas wie fur Partikel sowohl die Euler’sche wie auch die La-grange’sche Betrachtungsweise wahlt und zwar keine Reaktionen, aber einen Verdunstungsvor-gang enthalt. Es wird die Beeinflussung der Gasphasenturbulenz durch Gegenwart der Partikeluntersucht, ein Phanomen, das bisher noch nicht abschließend quantifiziert wurde. In diesemArtikel wird gezeigt, dass die turbulente kinetische Energie und die Statistik der Dispersion aufzwei unterschiedlichen Zeitskalen erfolgt. Daher wird ein neues Langevin-Modell mit zwei Zeit-maßen eingefuhrt, wobei auch die Gasphase durch Lagrange’sche Partikel simuliert wird. EinVergleich mit Ergebnissen einer DNS-Rechnung als ”numerisches Experiment“ zeigt eine guteUbereinstimmung der Trends fur nicht-verdunstende und verdunstende Tropfen bei verschiede-nen Stokes-Zahlen. Die direkte numerische Simulation eines Sprays in [180] zeigt ebenfalls diebevorzugte Anordnung von Partikeln in Gebieten niedriger Wirbelstarke. Die Segregation istabhangig von der Stokes-Zahl und wirkt sich auf die Verdunstungsgeschwindigkeit aus, da es insolchen Gebieten zu Sattigungseffekten kommt. Es werden die Auswirkungen auf den Mischungs-bruch dargestellt, der in Mehrphasenstromungen mit Phasenwechsel keine Erhaltungsgroße mehrist.

Die Artikel [181] und [182] untersuchen den Einfluss des anfanglichen Turbulenzniveaus aufdie Flammenausbreitung polydisperser Mischungen aus Luft und organischem Staub, fuhren einebesondere Behandlung der Partikeldispersion fur die Euler-Lagrange-Modellierung ein und lassenauch Schwankungen im Warmeubergang zwischen den Phasen zu. Die Temperatur der Partikelunterliegt allerdings keinen Fluktuationen. Zhou gibt in [183] einen Uberblick uber Mehrphasen-Turbulenz- und Verbrennungsmodelle, die seine Forschungsgruppe in den zuruckliegenden 20Jahren entwickelt hat. Schwerpunkt ist dabei die Euler-Euler-Betrachtungsweise, es wird auchder Stand der Forschung bzgl. der Ruckwirkung der Partikel auf die Gasphasenturbulenz auf-gezeigt. Seine Gruppe hat eine turbulente kinetische Energie fur die Partikel als zusatzlicheGleichung in der RANS-Modellierung eingefuhrt. In [184] wird das Lagrange’sche Frequenz-spektrum von Partikeln in einer zirkulierenden Wirbelschicht auf den Grad der Mischung unddie turbulente Dispersion hin untersucht. Resultat der Untersuchungen an Holzkohlepartikeln indieser Anwendung ist, dass fur Partikel großer als 20 µm im Durchmesser die Limitierung desStoffubergangs entscheidender ist als die unzureichende Durchmischung durch Partikel-Wirbel-Dispersion. Die genannte Grenze gilt nur fur die in diesem Artikel betrachtete Chemie, dieExistenz einer solchen Schwelle ist allerdings auch bei der Borverbrennung zu erwarten, sieheAbschnitt 8.11.3.

Der Ansatz einer Transportgleichung fur die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion ei-ner Große (engl. probability density function, PDF), die uber eine Monte-Carlo-Simulation sto-chastischer masseloser Partikel im Stromungsfeld erhalten wird, ist der Ansatz fur turbulente,reaktive Stromungen mit der hochsten Komplexitat. Diese Modellierungsweise erlaubt beliebigeFormen der PDF, und alle statistischen Großen konnen ausgewertet werden. Zum Erreichen einerausreichenden Genauigkeit muss allerdings eine große Anzahl Partikel durch das Stromungsfeldverfolgt werden, was einen großen Aufwand bedeutet. Den Partikeln werden bestimmte Eigen-schaften zugewiesen, die dann eine Aussage uber das Mischungsverhalten, den Mischungsbruch,oder beliebige andere Großen, z.B. fur den Stoffubergang zulassen. In diesem Zusammenhangwird auch die Gasphase oft in der Lagrange’schen Betrachtungsweise simuliert, indem Partikelreprasentativ fur mehrere Gasmolekule stehen. Der Vorteil dieser stochastischen Methoden ist dieMoglichkeit, Reaktionsterme unter Turbulenzeinfluss exakt berechnen zu konnen. Die moleku-lare Mischung, also Diffusionsprozesse, mussen jedoch modelliert werden, wofur es verschiedeneAnsatze gibt, die noch Gegenstand der Forschung sind.

Pope ist der wichtigste Entwickler dieses Modells, das fur reaktive Einphasenstromungen

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230 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

gute Ergebnisse liefert, siehe [185]. Die Gruppe um Gutheil hat dieses Modell in [186], [187]und [188] auf die Mehrphasenstromung eines verdunstenden Sprays ausgedehnt, wobei eine ge-meinsame PDF-Transportgleichung fur Enthalpie und Mischungsbruch mit einer Monte-Carlo-Simulation gelost wird, wahrend die ubrigen Großen uber RANS berechnet werden. Ziel ist dieAbleitung vereinfachter Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen, die a priori in Abhangigkeit nurweniger Parameter angenommen werden (sogenannte presumed PDFs), um dann schnelle, rei-ne RANS-Simulationen fur dieses Spray durchfuhren zu konnen. Die Verbrennung erfolgt hierallerdings nur in der Gasphase, da es sich um verdunstende Kohlenwasserstoffe handelt, dienicht als Tropfen heterogen brennen. Die Reaktionen in der Gasphase werden mit einem Spray-Flamelet-Modell berechnet, das tabellierte Daten aus laminaren Gegenstrom-Spray-Flammenverwendet.

Eine verbesserte Behandlung des nichtlinearen Verhaltens der Rußbildung und des Rußab-brands wird in [189] untersucht. Eine gemeinsame PDF-Transportgleichung fur Mischungsbruch,Volumenanteil der Partikel und deren Anzahldichte wird mit Lagrange’schen Partikeln erzeugt,die Gasphasenchemie mit Flamelets berechnet. Der Einfluss der Intermittenz auf den Oxidations-vorgang der Rußpartikel ist Gegenstand der Untersuchung, da Ruß und das Hauptoxidationsmit-tel meist nicht gleichzeitig an einem Ort vorliegen. Dieses Problem tritt auch beim Borpartikelab-brand auf. Die PDF beschreibt hier nur drei skalare Großen, trotzdem ist der Rechenaufwanddeutlich hoher als bei Verwendung einer angenommenen PDF in reiner RANS-Modellierung.Eine ahnliche Vorgehensweise fur Rußbildung und -oxidation in Ethylen-Diffusionsflammen ver-wenden auch Lindstedt und Louloudi in [190]. Zusatzlich wird eine Populationsbilanzgleichungfur Ruß eingefuhrt und deren raumliche Entwicklung sowie der Turbulenzeinfluss sowohl auf dieGasphasenchemie wie auf den Abbrand der Feststoffphase ermittelt.

In [191] wird mit einer PDF-Transportgleichung der Einfluss der Gasphasenturbulenz aufTropfendispersion, -verdunstung und -verbrennung betrachtet. Stochastische Variablen in derPDF sind dabei Partikelgeschwindigkeit, -durchmesser und -temperatur sowie die Geschwin-digkeit, Temperatur und Zusammensetzung der Gasphase. Diese sehr aufwendige Modellierungenthalt interessante Ansatze fur das Autokorrelationsverhalten der Temperatur und Massenan-teile in der Gasphase in Bezug auf die Partikel.

Vollstandig Lagrange’sche Betrachtung fur beide Phasen mit einer Monte-Carlo-Simulationmit sehr umfangreichen Statistik-Moglichkeiten zeigen Rose et al. in [192] und [193]. Schwer-punkt sind die lokalen Austauschterme zwischen den Phasen uber sogenannte action spheres.Die Vorgehensweise ist unabhangig vom verwendeten Verbrennungsmodell und ermoglicht einegenaue Betrachtung der Chemie-Turbulenz-Kopplung. Rigopoulos untersucht in [194] die Bil-dung einer polydispersen Feststoffphase mittels einer Populationsbilanzgleichung. Die Kopplungzwischen Populationsbilanz und Navier-Stokes-Gleichungen ist noch recht neu und nur in lami-narer Stromung einfach. In turbulenten Stromungen treten hier viele nichtlineare Terme auf, diein diesem Artikel mittels einer PDF-Transportgleichung untersucht werden.

Rumberg und Rogg leiten in [195] eine allgemeine Formulierung von Lagrange/Lagrange-Methoden fur reaktive Sprays her, die eine gemeinsame PDF fur alle Zufallsvariablen aus Gas-phase und flussiger Phase beinhaltet. Dies ermoglicht eine vollstandige statistische Beschreibungund Modellierung laminarer oder turbulenter Zweiphasenstromungen. Konzentrationen, Tempe-ratur, Mischungsbruch und Enthalpie werden nach der Euler-Euler-Methode uber Navier-Stokesgelost, Dichte, Geschwindigkeit, alle weiteren skalaren Variablen und die Phasengrenzflachenwerden uber eine Lagrange-Lagrange-Modellierung ermittelt. Eine Konditionierung der gemein-samen PDF auf je eine PDF pro Phase ist moglich. Die Anwendung ist auch hier ein Spray, sodass keine heterogenen Reaktionen auftreten.

Der fur den Einsatz in Raketenbrennkammern mittelfristig vielversprechendste Ansatz istdie Euler-Lagrange-Modellierung mit der Berechnung eines oder mehrerer Mischungsbruche so-

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8.11 Chemie-Turbulenz-Kopplung 231

wie deren Varianzen und der Bildung einer aus diesen berechneten, a priori angenommenenWahrscheinlichkeitsdichtefunktion (presumed PDF) fur den Mischungsbruch oder ande-re Großen wie Massenanteile. Die Gruppe um Gutheil hat dies in [196] und [197] dargestelltund verwendet den Ansatz auch in aktuelleren Modellen fur den Einsatz in industrierelevan-ten Anwendungen mit Sprays. In diesen Artikeln wird das Standard-Flamelet-Modell, das dieturbulente Flamme als zusammengesetzt aus kleinen laminaren Gasphasen-Diffusionsflammenbetrachtet, auf den Einsatz in Sprays ausgeweitet, indem laminare Spray-Gegenstromdiffusions-flammen untersucht und als Basis des Modells verwendet werden. Diese Sprayflammen zeigenein deutlich von Gasphasendiffusionsflammen abweichendes Verhalten. Im zweiten Artikel wirddie Verdunstung der Tropfen berucksichtigt, was eine Anpassung in Mischungsbruch und dessenVarianz erfordert.

Moin zeigt in [198], dass dieser Ansatz einer Fortschrittsvariable oder des Mischungsbruchsgekoppelt mit dem Flamelet-Modell auch mit LES in einer kompletten Gasturbinenbrennkammereingesetzt werden kann. Dies zeigt, was derzeit bei hochstem Aufwand im industriellen Einsatzmoglich ist, enthalt allerdings keine Ansatze fur Partikelverbrennung, z.B. bei Rußbildung.

Gerlinger untersucht in [199] Wasserstoffverbrennung in Hochgeschwindigkeitsstromungen.Interessant fur die Chemie-Turbulenz-Kopplung ist die Untersuchung dreier Varianztransport-gleichungen, und zwar fur Energie, spurbare Energie, d.h. ohne den Anteil der Bildungsenthal-pien, sowie fur die Temperatur. Dabei geht es um die Kopplung der Temperatur- und Massen-anteilfluktuationen, was auch fur die heterogenen Reaktionen an den Borpartikeloberflachenvon entscheidender Bedeutung ist. Fazit Gerlingers ist, dass die Losung einer Temperatur-Varianzgleichung zur Bestimmung einer presumed β-PDF die besten Ergebnisse liefert. DasErgebnis ist nicht unbedingt ubertragbar auf heterogene Reaktionen, zeigt aber, worauf beiAnwendung des presumed-PDF-Ansatzes geachtet werden muss.

Ein sehr wichtiger Artikel stammt von Flores und Fletcher, [200], welcher sich mit Kohlever-brennung befasst. Hier werden zwei Mischungsbruche fur den Feststoff, je einer fur die Produkteder Ausgasung der Kohle und fur die Produkte der Oxidation der hauptsachlich aus Kohlen-stoff bestehenden Restkohle, verwendet. Die Mischung dieser Produkte mit der Luft wird durcheinen weiteren Mischungsbruch in der Gasphase dargestellt. Diese Konfiguration ist dem Fallder Borverbrennung mit dem erweiterten PSU-Modell sehr ahnlich, da bei Vernachlassigung derFluorspezies ebenfalls zwei heterogene Reaktionen ablaufen. Fur die Gasphase waren evt. wei-tere Mischungsbruche notwendig. Flores und Fletcher verwenden presumed PDFs in Form einerGauß’schen Normalverteilung und nehmen statistische Unabhangigkeit der Mischungsbruche so-wie vernachlassigbare Varianz des zweiten Feststoff-Mischungsbruchs an. Diese Vereinfachungenwaren im Fall der Borverbrennung zwar nicht zulassig, doch zeigt dieser Artikel die prinzipielleVorgehensweise sehr gut auf. Hier werden drei Mischungsbruch- und zwei Varianzgleichungender Mischungsbruche gelost. Der Schwerpunkt liegt auf den Schwankungen in der Gaszusammen-setzung, nicht auf dem fluktuierenden Abbrand der Partikel. Dieser Artikel ist jedoch eine guteGrundlage fur die Erweiterung der Chemie-Turbulenz-Kopplung des Borverbrennungsmodells.

In [201] untersuchen Liu et al. Kohlevergasung in ahnlicher Weise und fuhren vier Mischungs-bruche sowie deren Varianzgleichungen ein. Die Auswirkung der Mischungsbruch-Schwankungenauf den Vergasungsprozess erzeugt Ergebnisse mit besserer Ubereinstimmung zu den Messdaten,wenn die Schwankungen berucksichtigt werden, wobei problemabhangig einige Fluktuationen we-niger Gewicht haben als andere. Fur die Modellierung mit schwankender Zusammensetzung sindauch die Referenzen 6 (Kohleverbrennung mit Fluktuationen), 10 (Partikel-Reaktionsmodell)und 19 (Gesamtmodell fur Kohleverbrennung) aus diesem Artikel heranzuziehen, siehe [202],[203] und [204].

Fur die Umsetzung in die CFD-Software Ansys CFX ergibt sich das Problem, dass derzeitnur ein Mischungsbruch mit Varianzgleichung implementiert ist. Zwar konnen solche Gleichun-

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232 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

gen auch durch nutzereigene Transportgleichungen erzeugt werden; deren Genauigkeit bei derGradientenberechnung ist jedoch geringer als bei den fest implementierten Gleichungen. DieCFD-Software FLUENT erlaubt immerhin zwei unabhangige Mischungsbruche. Das zugehorigeHandbuch leitet die entsprechenden Gleichungen her und gibt einen Uberblick uber die Methode,[205].

Als letzter Abschnitt dieser Literaturubersicht werden einige Artikel vorgestellt, die sich mitdem Turbulenzeinfluss auf Verbrennung von Luft-Partikel-Suspensionen beschaftigen.Dabei geht es meist um die Gefahr der Staubexplosionen; die Anwendung reicht bis hin zuFeststoff-Raketenbrennkammern und ist somit ein Bindeglied zum hier untersuchten Fall.

In [206] wird theoretisch und experimentell der Einfluss anfanglicher Turbulenz und der Par-tikelgroße auf die Zundung, Verbrennung und Flammenstabilisierung von Aluminium-Partikelnin Luft untersucht. Besonderheiten bei der Verbrennung von Metallpulvern wie Aluminium oderauch Bor sind die hohe Zundtemperatur, die Bildung von Metalltropfen mit hoher Viskositat,die schlecht verdunsten, sowie Verbrennungsprodukte, die zu hohem Anteil im kondensiertenAggregatzustand vorliegen. Es werden hier jedoch keine Beziehungen fur den Partikelumsatzunter schwankenden Umgebungsbedingungen geliefert. Wie bereits oben erwahnt beschaftigensich Smirnov et al. in [181] und [182] mit turbulenter Zundung und Verbrennung von Staub-Luft-Mischungen inklusive heterogener Oxidation von Kohlenstoffpartikeln, letzteres allerdingsohne weitere Auswirkung der Turbulenz auf den Umsatz; die Turbulenz beeinflusst in diesemModell nur Dispersion und Warmeubergang.

Yagodnikov hat, wie in Kapitel 5 beschrieben, die turbulente Flammengeschwindigkeit vonBorstaubwolken in Luft untersucht, [62], [63], wobei sich Unterschiede zwischen monodispersenund polydispersen Systemen ergeben. Es wurde die gemeinsame Wahrscheinlichkeitsdichtefunk-tion fur Temperatur und Durchmesser der Partikel sowie fur die Oxidschichtdicke aufgestellt,enthalt also auch einen PDF-Ansatz.

Cai et al. haben in [207] den Einfluss von akustischen, d.h. Druckschwankungen auf dieZweiphasenstromung in Feststoffraketentriebwerken untersucht, allerdings ohne chemische Re-aktionen. Diese Schwankungen beeinflussen die Dispersion, rufen Partikelkollisionen hervor undfuhren dabei auch zur Partikelkoaleszenz. Die periodischen Schwankungen fuhren zu einemEnergieaustausch von periodischen Partikelbewegungen in die Gasphasenturbulenz, die dadurcherhoht wird, wahrend eine erhohte Wirbelviskositat dem durch Unterdruckung der Schwan-kungsbewegung entgegenwirkt. Der Einfluss der Stokes-Zahl ist hier maßgebend. Ebenfalls mitStoßwellen in Aluminiumstaub-Explosionen befasst sich [208], wobei die Verbrennung nur miteinem Eddy-Dissipation/Arrhenius-Modell beschrieben wird; beide Phasen werden als Kontinuabetrachtet, eine Euler-Euler-Modellierung.

8.11.2 Diskussion der Modellansatze

Der Stand der Forschung zur Chemie-Turbulenz-Kopplung in reaktiven Mehrphasenstromungenweist drei mogliche Klassen von Ansatzen aus:

• Die einfachste Variante ist die im Rahmen dieser Arbeit bereits umgesetzte Berechnunguber das Eddy-Dissipation-Modell, das die turbulente Mischung berucksichtigt, gekoppeltmit einem Arrheniusansatz fur langsam ablaufende Reaktionen. Bestimmend ist die jeweilsgeringere Geschwindigkeit. Fur den Partikelabbrand wird hierbei immer ein Arrheniusan-satz gewahlt, ggf. limitiert durch Diffusionsprozesse wie im erweiterten Borverbrennungs-modell. Problematisch ist bei diesem Modell, dass sowohl Gasphasen- als auch heteroge-ne Reaktionen keine Schwankungen in Temperatur oder Zusammensetzung erfahren, derUmsatz also nur von den mittleren Stromungsgroßen abhangt. Dies fuhrt in der Regelzu deutlichen Abweichungen von der Realitat, da der mittlere Umsatz, integriert uber alle

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8.11 Chemie-Turbulenz-Kopplung 233

auftretenden Temperaturen i.a. nicht gleich dem Umsatz bei der mittleren Temperatur ist.In gewissem Sinne handelt es sich bei dieser Modellierungsweise der Gasphasenverbren-nung um eine Parallelschaltung, welche in Kapitel 7.2 fur die Partikelumgebung kritisiertwurde. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Partikel-, nicht aber auf der Gasphasen-verbrennung liegt, wurde diese Vereinfachung fur die Gasphase in Kauf genommen.

• Der Ansatz mit der hochsten Komplexitat ware die Losung einer Transportgleichung fur dieWahrscheinlichkeitsdichtefunktion (PDF) interessanter Großen mittels einer Monte-Carlo-Simulation. Mit dieser Methode erhalt man die meisten Informationen uber die turbulenteStromung und sehr genaue Daten uber die lokalen Anderungen der PDF. Abgesehen vonnoch nicht endgultig ausgereiften Mischungsmodellen fur molekulare Diffusionsprozesse,auf denen die PDF-Transportmodelle basieren, ist der Hauptnachteil dieser Methode ihrextrem hoher Rechenaufwand. Außerdem sind die benotigten Rechencodes bisher nicht inkommerzieller Software verfugbar. Da das Borverbrennungsmodell jedoch in der industriel-len Praxis mit handhabbaren Rechenzeiten eingesetzt werden soll, ist ein Modell mittlererKomplexitat angebracht, das in kommerzielle Programme implementierbar ist.

• Der in diesem Sinne verwirklichbare Ansatz ist sicherlich die Berechnung mehrerer Mi-schungsbruchgleichungen und der dazugehorigen Varianzgleichungen durch den Navier-Stokes-Loser kommerzieller CFD-Software, mit deren Hilfe geschatzte Wahrscheinlichkeits-dichtefunktionen, sogenannte presumed PDFs, lokal erzeugt werden konnen. Haufig wirdhierfur die β-PDF verwendet, die mit Hilfe des Mittelwerts und der Varianz einer statisti-schen Große sowohl die Form einer Gauß-Verteilung als auch die Form eines oder zweierDirac-Impulse bei Null oder Eins annehmen kann. Wenn als Große ein Mischungsbrucheingesetzt wird, entsprechen Null und Eins gerade dem ungemischten Zustand, wahrendeine Normalverteilung einen (teil)gemischten Zustand widerspiegelt.

Fur die vorliegende Anwendung sind sowohl ein Mischungsbruch fur die Gasphase erforder-lich, der die Mischung des Treibstoffgases aus dem Gasleitrohr mit der Luft aus den Stau-einlassen beschreibt, also auch je ein Mischungsbruch pro heterogener Oberflachenreaktionam Partikel. Da die Reaktionen unterschiedlich schnell und mit verschiedenen Gaspha-senedukten ablaufen, konnen sie nicht durch einen einzelnen Mischungsbruch dargestelltwerden.

Auf der Grundlage der lokal erzeugten presumed PDF lassen sich dann verschiedene Ver-brennungsmodelle in der Gasphase anwenden. Ein haufig verwendeter Ansatz ist dasFlamelet-Modell, das die hier vorliegende turbulente Diffusionsflamme als zusammenge-setzt aus vielen laminaren Diffusionsflammen betrachtet. Die Parameter der laminarenFlammen, z.B. Mischungsbruch und die Dehnungsgeschwindigkeit der Flamme, werdenvor der CFD-Rechnung mit eindimensionalen Chemie-Codes auf Basis umfassender Re-aktionsmechanismen berechnet und tabelliert. In Abhangigkeit von den entsprechend derlokalen PDF zufallig gewahlten Parametern wird dann der tabellierte Umsatz ausgewertet.Vorteil dieser Methode ist neben der Berucksichtigung von Schwankungen in Temperaturund Zusammensetzung, dass nach der Berechnung auch Informationen uber in kleinerenMengen vorkommender Spezies, z.B. von Radikalen vorliegen, die insbesondere wichtig beider Schadstoffbildung sind. Alternativ konnte mit weniger Aufwand der Gleichgewichts-umsatz bei den lokal vorliegenden Verhaltnissen angesetzt werden, wofur man keinen Re-aktionsmechanismus benotigt, was aber sehr schnelle Reaktionen voraussetzt.

Drei Probleme bleiben allerdings bei diesem Ansatz: Erstens ist die Form der Wahrschein-lichkeitsdichtefunktion nicht beliebig wahlbar, wenn man sie durch die β-Funktion be-schreiben mochte. So ist z.B. eine Verteilung mit mehr als zwei lokalen Maxima nicht

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234 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

(a) stationare Rechnung (b) instationare Rechnung

Abbildung 66: Zweidimensionale Brennkammerstromung mit Gasleitrohrauslass an der linken Seite undzwei Lufteinlassen an der Unterseite. Vergleich der Ergebnisse bei stationarer Rechnungmit einer Momentaufnahme bei instationarer Rechnung. Dargestellt sind Totaldruck- undTemperaturfeld.

darstellbar. Zweitens erhalt man bei mehr als einem Mischungsbruch sehr große Tabellen,so dass der Aufwand zur Erstellung und der Speicherbedarf wahrend der CFD-Rechnungenorm groß werden konnen. Alternativ kann ab einer bestimmten Große auch eine Berech-nung wahrend der Laufzeit schneller sein als das Mitfuhren der Tabelle.

Zum dritten erfahren die Partikel in keinem der in der Literatur gefundenen BeispieleSchwankungen in der Zusammensetzung der Gasphase sowie in deren Temperatur. Schwan-kungen werden nur fur die Gasphasenverbrennung berucksichtigt. Die Abbrandgeschwin-digkeit der Partikel hangt aber stark von der Konzentration der Oxidationsmittel in derunmittelbaren Umgebung der Partikel sowie der Gastemperatur ab, zusatzlich beeinflusstdurch die Diffusionshemmung. Hier ware es auch denkbar, innerhalb der Berechnungsrou-tine fur den Partikelabbrand aus den mittleren Werten in der Gasphase und den Varianz-gleichungen eine PDF fur die Massenanteile der Oxidationsmittel in der Partikelumgebungzu erzeugen. Macht man dies auch fur die Temperatur, wurde das Partikel eine fluktuie-rende Umgebung erfahren und somit der Umsatz variieren. Problem hierbei ist, dass dieMassenanteile konsistent schwanken mussen, d.h. die Summe der Massenanteile muss einsergeben und die Anteile der Oxidationsmittel durfen nicht weiter schwanken als dies lokalmoglich ist. Z.B. durfte Sauerstoff global nicht unter null und uber dem Luftsauerstoffan-teil fluktuieren; wenn sich jedoch in großerer Umgebung keine Luft mehr befindet, durfteder maximale Sauerstoffmassenbruch auch niedrigere Werte nicht uberschreiten. Außerdemist die statistische Unabhangigkeit der Oxidationsmittel-Massenanteile nicht gegeben, daz.B. Sauerstoff an mehreren Reaktionen teilnimmt.

Hierfur mussen im Rahmen einer zukunftigen Erweiterung des Borverbrennungsmodellsbezuglich der Chemie-Turbulenz-Kopplung noch weitere Untersuchungen durchgefuhrtwerden, um eine angemessene Modellierung der Schwankungsterme zu garantieren.

Ein weiterer zu berucksichtigender Aspekt wird in Abbildung 66 deutlich. Hier wurde einezweidimensionale Brennkammerstromung unter anwendungsnahen Bedingungen simuliert, mit

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8.11 Chemie-Turbulenz-Kopplung 235

einem Treibstoffeinlass und zwei Lufteinlassen. Die bisherigen Untersuchungen wurden in derRegel als stationare Rechnungen durchgefuhrt, was im Betrieb bezogen auf die Verweilzeit desGases im Triebwerk auch naherungsweise der Fall ist. Wie Abbildung 66(a) zeigt, ergeben sichhierfur recht glatte und einheitliche Felder, als Beispiel sind diejenigen fur Totaldruck und Tem-peratur gezeigt. Man erkennt die einzelnen Strahlen aus den Einlassen, die sich langsam mischen.

Durch Scherschichtinstabilitaten zeigen sich in der instationaren Rechnung jedoch starkeSchwankungen der RANS-Mittelwerte, was Abbildung 66(b) insbesondere anhand des Total-drucks deutlich macht. Zwar ist die Dissipation der Wirbel in einer zweidimensionalen Stromungdurch Fehlen der dritten Dimension schwacher als in der Realitat, doch tritt der beobachteteEffekt auch in dreidimensionalen Stromungen auf.

Was nun die Modellierung der Chemie-Turbulenz-Kopplung betrifft, stellt sich die Frage, obSchwankungen eines Mischungsbruchs, die ebenfalls in den Mischungsgebieten auftreten, einenebensogroßen Effekt haben wie die großskaligen instationaren Effekte. Eine Auswertung anhandder in der Abbildung dargestellten Rechnungen zeigt, dass die Varianz des Mischungsbruchs lokalviel begrenzter ist als die Durchmischung im instationaren Fall. Die oben beschriebenen Modellebeziehen sich immer nur auf kleinskalige Fluktuationen in naher Umgebung. Die großen Wirbelwerden hierdurch i.a. nicht abgebildet. In der dreidimensionalen Brennkammer tritt durch dieKonfiguration der Einlasse auch Drall auf, der zu einem prazedierenden Wirbelkern fuhren kann,was z.B. in Gaszyklonen beobachtet wird. Ein solcher Effekt kann in stationaren Rechnungennicht abgebildet werden und fuhrt zu schlechter Konvergenz.

Im Rahmen der zukunftigen Erweiterung des Modells muss daher geklart werden, welcheEffekte in dreidimensionalen Brennkammern vorherrschen und wie man die großskaligen Effekteeventuell in lokalen Modellen berucksichtigen kann. Bei derzeitigen Rechenkapazitaten ist eineinstationare Berechnung der Stromung in der Staubrennkammer, mehrphasig und mit Verbren-nung noch zu aufwendig.

8.11.3 Einfluss der Stokes-Zahl und des turbulenten Zeitmaßes auf den Partikel-abbrand

In diesem letzten Abschnitt wird der Einfluss turbulenter Konzentrationsschwankungen auf dasAbbrandverhalten von Partikeln mit unterschiedlicher Stokes-Zahl anhand des in Abschnitt 8.9beschriebenen instationaren Vergleichsmodells untersucht. Interessant ist hierbei, wie das Folge-vermogen der Partikel in Abhangigkeit von ihrer Große ist, d.h. ob ein Partikel die Fluktuationenuberhaupt verspurt oder nur auf langsame Anderungen der Konzentrationsmittelwerte reagiert.

Basis des Vergleichs sind die in Abschnitt 8.9.4 gewahlten Vergleichspartikel aus den Mes-sungen von Macek und Semple mit 34.5 µm Anfangsdurchmesser sowie von Yeh und Kuo mit 3µm Durchmesser, deren Daten in Tabelle 23 zusammengefasst sind. Hier wie dort werden beidePartikel in ihrem Zustand nach Entfernen der Oxidschicht, also wahrend der zweiten Stufe derVerbrennung betrachtet, so dass ihr Durchmesser bereits leicht reduziert ist.

Fur den hier vorgenommenen Vergleich wurden die Partikelradien konstant gehalten undzunachst bei fester Zusammensetzung der Umgebung ein stationarer Zustand berechnet, in demdie kleinen Partikel eine Temperatur von ca. 2500 K annehmen und die großen Partikel et-wa 3825 K erreichen, so dass beide im flussigen Zustand vorliegen. Anschließend wurde furdie Sauerstoffkonzentration im Unendlichen eine Sinusschwingung von ±25% um den mittlerenSauerstoffanteil der Umgebung aufgepragt und der Stickstoffanteil zum Ausgleich angepasst.

Die Frequenz der Schwingung wurde entsprechend dem integralen Zeitmaß der Turbulenznach Gleichung 59 analog zum Kollisionsmodell eingestellt

ω = 2πf mit f =1τint

und τint = 0.3k

ε, (345)

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236 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

(a) Massenanteile (b) Partikeltemperatur

Abbildung 67: Turbulenzeinfluss auf kleine Partikel, rP = 1.4991µm = const. Turbulentes integralesZeitmaß τ = 4.65 · 10−4 s, niedrige Frequenz, St = 0.148 1.

Tabelle 27: Turbulente Zeitmaße und Stokes-Zahlen fur die Vergleichsfalle, YN2,∞ = 1−YO2,∞. τint, min =5.10 · 10−7 s, τint, max = 4.65 · 10−4 s.

Fall I Fall IIBeschreibung Yeh & Kuo Fall 1 ohne H2O Macek & Semple Fall 1

rP,0 1.4991 µm 16.267 µmTP,stat 2500 K 3827 KT∞ 1962 K 2280 KYO2,∞ 0.2031± 25% 0.2544± 25%Stτ,min 135 14108Stτ,max 0.148 15.47

mit der turbulenten kinetischen Energie k und deren Dissipationsrate ε. Alternativ konnte dasKolmogorov-Zeitmaß fur die kleinsten Wirbel verwendet werden,

τKolmogorov =(ν

ε

)1/2

, (346)

das auf der kinematischen Viskositat ν basiert und noch einmal eine halbe bis ganze Großen-ordnung kleiner ist. Auf Grundlage der Brennkammerstromungen aus Abschnitt 8.10.3 hat sichals breite Spanne fur das integrale Zeitmaß Werte zwischen 5.10 · 10−7 s und 4.65 · 10−4 sherausgestellt.

Die turbulente Stokes-Zahl als dimensionslose Kenngroße des Folgevermogens der Partikelist definiert als Verhaltnis aus Partikelrelaxationszeit zu turbulentem Zeitmaß

Stt =τRτint

mit τR =ρP d

2P

18 ηGas, (347)

wobei sich die Relaxationszeit aus dem Fallen einer Kugel im Stokes’schen Widerstandsbereichals 63% der Dauer zum Erreichen der Endgeschwindigkeit ergibt. Fur die betrachteten Partikelund turbulenten Zeitmaße ergeben sich Stokes-Zahlen im Bereich von 0.15 bis 14000, zusammen-gefasst in Tabelle 27. Stokes-Zahlen kleiner eins bedeuten ein gutes Folgevermogen der Partikel,Werte deutlich großer eins stehen fur trage Partikel.

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8.11 Chemie-Turbulenz-Kopplung 237

(a) Massenanteil O2 (b) Partikeltemperatur

Abbildung 68: Turbulenzeinfluss auf kleine Partikel, rP = 1.4991µm = const. Turbulentes integralesZeitmaß τ = 5.10 · 10−7 s, hohe Frequenz, St = 135 1.

Betrachtet man die kleineren Partikel bei der niedrigeren Frequenz, d.h. in langsameren,großen Wirbeln, so folgen sie der aufgepragten Konzentrationsschwankung unverzogert, sieheAbbildung 67(a). Die Phasenverschiebung zwischen Sauerstoff-Massenanteil an der Oberflacheund im Unendlichen ist null und auch die Dampfung des Signals durch Diffusionshemmung istverschwindend gering. Die Sauerstoffkonzentration an der Oberflache schwankt ebenfalls um±25%. Daraus ergibt sich auch eine Schwankung der Reaktionsgeschwindigkeit fur GR6 um±27%, so dass die Partikeltemperatur um ±120 K fluktuiert. Die Stokes-Zahl fur dieses Partikelbei dieser Turbulenz ist ca. 0.15, was die gute Reaktion auf veranderte Umgebungsbedingungenerklart.

In Stromungsbereichen mit hoher turbulenter Frequenz zeigt sich ein anderes Bild, sieheAbbildung 68. Selbst dieses kleine Partikel vermag solch schnellen Fluktuationen nicht mehr zufolgen. Wie der radial und zeitlich aufgeloste Verlauf des Sauerstoff-Massenanteils in der Um-gebung in Abbildung 68(a) zeigt, werden die schnellen Schwankungen im Unendlichen, d.h. bei100 Partikelradien, fast vollstandig weggedampft. Sauerstoffanteil an der Oberflache und Re-aktionsgeschwindigkeit variieren nur im Zehntel-Promille-Bereich. Der Ausschnitt des Partikel-temperaturverlaufs in Abbildung 68(b) verdeutlicht, dass die Temperatur nur in der viertenNachkommastelle variiert. Die Stokes-Zahl dieser Konfiguration liegt mit 135 1 auch bereitsim sehr tragen Bereich.

Fur die großen Partikel bei niedriger Frequenz ergibt sich ein dazwischenliegendes Bild, dahier die Stokes-Zahl bei etwa 15.5 liegt, siehe Abbildung 69. Durch die Diffusionshemmungergibt sich eine mittlere Dampfung und, wie Abbildung 69(b) zeigt, auch eine Phasenverschie-bung zwischen den Konzentrationsschwankungen an der Oberflache und im Unendlichen. DiePartikeltemperatur fluktuiert noch um 2.5 K, die Reaktionsgeschwindigkeit um ±4%.

Durchlaufen die großen Partikel Wirbel mit dem minimalen turbulenten Zeitmaß, ergebensich Stokes-Zahlen von uber 14100. Es ist aufgrund der oben beschriebenen Ergebnisse klar, dassdie Partikel diese Schwankungen nicht verspuren und sich so verhalten, als lage nur der Mittel-wert an. Die Reaktionsgeschwindigkeit variiert nur noch um 5 · 10−3%, absolut vernachlassigbargegenuber Modellungenauigkeiten.

Diese Untersuchung hat gezeigt, dass die Berucksichtigung der Chemie-Turbulenz-Kopplungfur die heterogenen Oberflachenreaktionen uberhaupt nur bei sehr kleinen Partikeln mit geringenStokes-Zahlen erforderlich ist. Dies vereinfacht die Modellierung in der Raketenbrennkammer,

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238 8 ERWEITERTES BOR-VERBRENNUNGSMODELL

(a) Massenanteil O2 (b) Massenanteile

Abbildung 69: Turbulenzeinfluss auf große Partikel, rP = 16.267µm = const. Turbulentes integralesZeitmaß τ = 4.65 · 10−4 s, niedrige Frequenz, St = 15.5 > 1.

da die Partikel aufgrund ihrer Zundverzugszeit zum großen Teil erst im mittleren und hinterenTeil der Brennkammer deutlich im Durchmesser abnehmen. In diesen Regionen ist die großteMenge des Brennstoffgases aus dem Gasgenerator durch die Nachverbrennung mit der Stauluftbereits umgesetzt, so dass die Konzentrationsschwankungen nicht mehr so extrem sind wie in derprimaren Mischungszone im ersten Drittel der Brennkammer. Da die kleineren Partikel der Gas-stromung besser folgen, sind sie außerdem weniger haufig und lange Fluktuationen ausgesetzt;sie schwimmen gleichsam im sie umgebenden Gas.

Nichtsdestoweniger fuhrt auch der Abbrand der Partikel selbst zu Fluktuationen in der Zu-sammensetzung, die berucksichtigt werden mussen. Auch gibt es Rezirkulationsgebiete, in denenkleinere Partikel großen Schwankungen ausgesetzt sind. Genaueren Aufschluss hieruber konntenRechnungen mit mehreren Mischungsbruchen und ihren Varianzgleichungen liefern, die nichtnur die Mischung von Gasgeneratorprodukten mit der Stauluft, sondern auch die Vermengungder Reaktionsprodukte der Partikel mit den restlichen Gasen berucksichtigen.

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239

9 Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit behandelt die Modellierung der Stromungs- und Verbrennungsvorgan-ge in einem Feststoff-Staustrahltriebwerk mit Bor-Treibstoff. Ziel war die Bereitstellung einesWerkzeugs zur Optimierung der Antriebsauslegung des Flugkorpers Meteor mittels Stromungs-simulation zur Erhohung der Leistung, des Wirkungsgrads und somit der Reichweite.

Das Triebwerk besteht aus zwei Brennkammern. In der ersten, dem Gasgenerator, wird derTreibsatz aus Bor, eingebettet in eine feste Kohlenwasserstoffmatrix, unter sauerstoffarmen Be-dingungen mit im Treibsatz enthaltenem Oxidationsmittel unter Bildung einer hochbeladenenGas-Feststoff-Stromung vorverbrannt. Anschließend gelangen die gasformigen Verbrennungspro-dukte und die freigesetzten Borpartikel durch ein Regelventil, in dem transsonische Bedingungenherrschen, und ein Drall erzeugendes Gasleitrohr in die Hauptbrennkammer, in die durch gasdy-namische Stoße verdichtete Stauluft durch seitliche Lufteinlasse einstromt. Hier durchmischensich vorverbrannte Gase, Partikel und die Luft und verbrennen moglichst vollstandig, bevordie heißen Abgase durch eine konvergent-divergente Duse die Kammer verlassen und somit dengewunschten Schub erzeugen.

Diese Arbeit umfasst daher zwei Themenbereiche. Im ersten Teil wurde die Implementierungeines von Oesterle und Sommerfeld entwickelten Partikel-Partikel-Kollisionsmodells zur Berech-nung von hochbeladenen Gas-Feststoff-Stromungen in den Lagrange-Loser der Stromungssimu-lationssoftware Ansys CFX beschrieben und die Wirkungsweise anhand eines Vergleichs mitdrei Experimenten aus der Literatur zu dichten Gas-Feststoff-Stromungen validiert. Es wurdegezeigt, dass ein Partikel-Kollisionsmodell fur solch hoch beladene Stromungen unerlasslich istund dass die Implementation erfolgreich arbeitet.

Hiermit ist es nun moglich, Stromungen wie im Gasleitrohr des Meteor-Triebwerks mithohen Partikel-Massenanteilen in deutlich verbesserter Gute zu simulieren. Die Einfuhrung ei-nes von der Relativ-Machzahl und der Partikel-Reynoldszahl abhangigen Widerstandsbeiwertsder Partikel hat zudem erlaubt, auch mehrphasige transsonische Dusenstromungen zu simulie-ren, die im Regelventil des Triebwerks auftreten. Die zusatzliche Berucksichtigung des Partikel-Volumenanteils in den Gleichungen der Gasphase bewirkt eine Verdrangung des Gases in Berei-chen mit hohem Partikelanteil, was im engsten Querschnitt des Regelventils zu einer Reduktionder dem Gas zur Verfugung stehenden Querschnittsflache fuhrt und somit die Berechnung desDruckverlusts verbessert.

Gegenstand des zweiten Teils dieser Arbeit ist eine umfassende Darstellung des Stands derForschung zur Borpartikelverbrennung. Die Auswertung einer Literaturrecherche uber den Zeit-raum Ende der 1960er Jahre bis zum Jahr 2007 wurde anhand einer nach Forschungsgruppenund chronologisch geordneten Darstellung prasentiert. Hierfur wurden sowohl Modellierungs-ansatze als auch experimentelle Untersuchungen herangezogen. Wahrend diese Arbeit auf eineverbesserte Modellierung der Verbrennungsvorgange abzielt, dienen die Messergebnisse an ver-einfachten Konfigurationen vor allem der Phanomenologie sowie der Validierung der Modelle,da experimentelle Daten aus Triebwerksbrennkammern schwierig zu gewinnen sind.

Bei der Recherche wurden in der Literatur zwei herausragende Modelle zur Verbrennungvon Bor-Einzelpartikeln gefunden. Das erste, an der Princeton University und der Firma Ae-rodyne entwickelte ist das umfassenste existierende Verbrennungsmodell mit Gasphasen- undOberflachenreaktionsmechanismen, die aus hunderten Elementarreaktionen bestehen, sowie ei-ner aufwendigen Modellierung der physikalischen Prozesse am Bor-Einzelpartikel. Dieses Modellist derzeit bei weitem zu rechenintensiv, um es in einer dreidimensionalen Stromungssimulationeiner Brennkammer umsetzen zu konnen.

Dennoch wurde der Untermechanismus fur die Gasphase im Rahmen der vorliegenden Arbeitin die Verbrennungs-Software Cosilab implementiert, um als Basis der Validierung einfacherer

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240 9 ZUSAMMENFASSUNG

Modelle zu dienen, da dem komplexeren Modell hohere Aussagekraft zugeschrieben wird, und umSensitivitatsanalysen durchfuhren zu konnen. Weiterhin dient es der Abschatzung chemischerZeitskalen im Vergleich zum turbulenten Zeitmaß sowie der Nutzung zur Erstellung vereinfa-chender Pseudo-Reaktionen fur die Nachreaktion der Abbrandprodukte der einfacheren Modelle.Es wurde in dieser Arbeit eine Erweiterung des Gasphasenmechanismus um einen Reaktions-mechanismus fur Methanabbau vorgenommen, da die Verbrennungsprodukte des Gasgenera-tors zu erheblichen Anteil Methan enthalten, der Original-Bormechanismus aber nur fur eineKohlenmonoxid-Wasserstoff-Umgebung erstellt wurde. Der Versuch einer Implementierung desheterogenen Untermodells fuhrte nicht zum Erfolg, eventuell weil in der Literatur angegebeneReaktionsgeschwindigkeiten fehlerhaft sind und damit das zu losende System zu steif wurde.

Das zweite umfangreiche Verbrennungsmodell fur Bor-Einzelpartikel aus der Literatur wur-de an der Pennsylvania State University erstellt und grundet sich auf nur wenigen globalenReaktionsgleichungen. Dieser Ansatz war vielversprechend als Basis fur die Umsetzung in einedreidimensionale Stromungssimulation, da der Berechnungsaufwand in Grenzen gehalten wird;die aktuellste Version des Modells wurde in dieser Arbeit zusammengestellt. Eine genaue Ana-lyse der publizierten Gleichungen und Ansatze deckte einige Unstimmigkeiten auf, vor allem diephysikalische Modellierung der Prozesse in der Partikelumgebung, aber auch chemische Reak-tionsgeschwindigkeiten betreffend. Insbesondere zeigte eine Nachrechnung des Partikelabbrandsmit den veroffentlichten Gleichungen teils starke Abweichungen zu den publizierten Partikeltem-peraturverlaufen und Abbrandzeiten.

Diese Unterschiede wurden zum Anlass genommen, das Einzelpartikelmodell im Rahmen dervorliegenden Arbeit schlussig zu gestalten und zu erweitern. Die wichtigste Neuerung war eine de-tailliertere Modellierung der Diffusionsprozesse in der Partikelumgebung, die fur mehrere Oxida-tionsmittel und Reaktionsprodukte als quasistationarer Prozess mit iterativem Losungsverfahrenkonsistent formuliert wurde. Zudem wurde die mogliche Verdunstung des Bors bei sehr hohenTemperaturen berucksichtigt, die den Abbrand vor allem bei großeren Partikeln deutlich beein-flusst. Fur den Einsatz in Brennkammerrechnungen gewinnt außerdem der Konvektionseinflussauf den Abbrand an Bedeutung, da teilweise große Relativgeschwindigkeiten zwischen Gas undPartikeln auftreten.

Der im Originalmodell verwendete globale chemische Reaktionsmechanismus wurde uber-nommen, die Reaktionsgeschwindigkeiten anhand der Literatur uberpruft und zum Teil an-gepasst. Ebenso mussten die ursprunglichen Differentialgleichungen fur den Partikelabbrandkorrigiert werden, und der endgultige Algorithmus des neuen Einzelpartikelmodells fur die inder Software Matlab erfolgte Implementierung wurde aufgezeigt. Die anschließende umfassendeValidierung des Modells anhand von Abbrandexperimenten aus der Literatur fur verschiede-ne Partikelgroßen, Zusammensetzungen der Umgebung und Drucke zeigte die Moglichkeitenund Defizite des erweiterten Modells auf. Vorhandene Abweichungen konnten auf unzureichendvermessene Reaktionsgeschwindigkeiten und Vereinfachungen durch den globalen Ansatz derchemischen Reaktionen zuruckgefuhrt werden.

Ein aufwendigeres, instationares Modell, bei dem die Haupteinschrankung der Quasistatio-naritat des neuen Modells entfallt, wurde ebenfalls in Matlab implementiert und zum Vergleichherangezogen. Es hat sich erwiesen, dass das erweiterte, quasistationare Modell fur kleine undmittelgroße Partikel, wie sie in Raketenbrennkammern ublicherweise zum Einsatz kommen, guteErgebnisse erzielt, und die Annahme nur fur große Partikel nicht mehr zulassig ist.

Als weitere Neuerung wurde die Implementierung des Verbrennungsmodells fur Bor-Einzel-partikel in den Stromungssimulationscode Ansys CFX prasentiert. Keines der beiden großenModelle wurden laut Literatur bisher in der CFD eingesetzt. Zu diesem Zweck war eine Kopp-lung der heterogenen Reaktionen an der Partikeloberflache mit einer globalen Gasphasenchemienotwendig, die mit Hilfe von Vergleichsrechnungen mit dem komplexen Bor-Verbrennungsmodell

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der Princeton/Aerodyne-Gruppe vorgenommen wurde. Als Beispiele wurden Ergebnisse eini-ger CFD-Rechnungen fur zwei- und dreidimensionale Brennkammern ahnlich dem Meteor-Triebwerk vorgestellt, die eine deutlich hohere Detaillierungstiefe als bisherige Untersuchungenzeigen.

Damit ist das Ziel dieser Arbeit, die mehrphasige Borverbrennung in einem Staustrahl-triebwerk mit einem kommerziellen CFD-Code unter Berucksichtigung aller relevanter Teilpro-zesse berechnen zu konnen, erreicht worden. Das neue, erweiterte Modell kann als Werkzeugfur Parameterstudien zur Effizienzsteigerung des Triebwerks genutzt werden und hilft damit,die Anzahl kostenintensiver Prufstandsuntersuchungen zu reduzieren sowie die auftretendenStromungsphanomene besser zu verstehen.

Einen Ausblick auf zukunftige Modellerweiterungen gewahrt der letzte Abschnitt dieser Ar-beit, in dem der aktuelle Stand der Forschung zur Chemie-Turbulenz-Kopplung aufgezeigt unddiskutiert wird, ein Gebiet, auf dem das derzeit fur eine laminare Partikelumgebung entwickelteModell noch erweitert werden sollte. Untersuchungen mit dem instationaren Vergleichsmodellhaben demonstriert, wie Partikel verschiedener Große und Stokes-Zahl auf eine turbulente Anre-gung in der Konzentration eines Oxidationsmittels bei unterschiedlichen turbulenten Zeitmaßenreagieren. Es hat sich gezeigt, dass vor allem fur sehr kleine Partikel eine Berucksichtigung sol-cher Effekte von Bedeutung ist, dass diese Zustande jedoch mehrheitlich im hinteren Teil einerBrennkammer vorliegen, in dem wiederum die Turbulenzintensitat abnimmt.

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242 A KOLLISIONSMODELL – BEREITZUSTELLENDE VARIABLEN

A Fur das Kollisionsmodell durch den Loser bereitzustellendeVariablen

Dieser Anhang fuhrt alle Variablen auf, die der Kollisionsunterroutine durch den Loser bereit-gestellt werden mussen. Es werden zwei Arten von Variablen an die Unterroutine ubergeben:Konstanten und Feldgroßen, die sich wahrend der Stromungsberechnung lokal verandern.

Die feststehenden Großen sind Modellkonstanten und Materialeigenschaften:

• Partikeldichte ρP

• Stoßzahl (Restitutionskoeffizient) e

• Haftreibungsbeiwert µf,s

• Gleitreibungsbeiwert µf,k.

Die letzten drei Großen sind Parameter des Kollisionsmodells und fur Ansys CFX 12 in diegrafische Anwenderschnittstelle (GUI) implementiert worden.

Die dynamischen Feldgroßen unterliegen nach jeder Lagrange-Iteration oder ggf. nach jedemLagrange-Zeitschritt Veranderungen. Sie sind im folgenden zusammengefasst:

• dynamische Viskositat des Fluids ηF

• turbulente kinetische Energie k, existierende Feldgroße

• turbulente Dissipationsrate ε, existierende Feldgroße

• Lagrange-Zeitschritt ∆t, muss durch den Loser bereitgestellt und auch an ihn zuruckge-geben werden

• lokale Partikelanzahldichte nP , neue Feldgroße

• Position des aktuellen Partikels P1, (xP1 , yP1, zP1)

• Durchmesser des Partikels P1, dP1, aktuelle Trajektorie

• lokaler mittlerer Partikeldurchmesser in (der vorangegangenen) Iteration (n), dP∣∣∣(n)

, neue

Feldgroße

• lokale Standardabweichung des Partikeldurchmessers σdP , neue Feldgroße

• translatorische Momentangeschwindigkeit des aktuellen Partikels P1, ~v1

• i-te Komponente der lokal gemittelten Geschwindigkeit in Iteration (n), v1,i|(n), neue Feld-große

• i-te Komponente der lokal gemittelten Fluktuationsgeschwindigkeit in Iteration (n), σP,i,siehe Gleichung (64), neue Feldgroße

• rotatorische Momentangeschwindigkeit des aktuellen Partikels P1, ~ω1

• i-te Komponente der lokal gemittelten Rotationsgeschwindigkeit, Iteration (n), ω1,i|(n),neue Feldgroße

• i-te Komponente der lokal gemittelten rotatorischen Fluktuationsgeschwindigkeit in Itera-tion (n), σω,i, siehe Gleichung (66), neue Feldgroße.

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243

Wie man erkennt, werden fur die Implementation des Kollisionsmodells 15 zusatzliche Feldvaria-blen benotigt. Aus diesem Grund sind großere Speicherressourcen als in der Standard-Lagrange-Methode erforderlich.

Ruckgabewerte der Unterroutine sind die Translations- und Rotationsgeschwindigkeit desaktuellen Partikels, ~v1

′ und ~ω1′, sowie der aktuelle Lagrange-Zeitschritt.

B Kollisionsmodell – Alternative Berechungsweise desZeitschritts

Im Rahmen der International Conference on Multiphase Flow ICMF 2007 hat Prof. B. Oesterleeine revidierte Berechnungsweise des Lagrange-Zeitschritts und des Zeitpunkts der Kollisionsbe-rechnung fur das ursprunglich von ihm entworfene [16, 17] und von Sommerfeld erweiterte [18]stochastische Partikel-Partikel-Kollisionsmodell vorgeschlagen, [24].

Ziel dieser neuen Vorgehensweise ist eine schnellere Berechnung der Partikeltrajektorien. Inder Version Ansys CFX 12 ist diese Alternative umgesetzt und kann separat angewahlt werden.Der revidierte Teil des Gesamtalgorithmus ist im folgenden zusammengefasst:

1. Wie bisher wird die Kollisionsfrequenz fc berechnet, vgl. Formel 70. Der Kehrwert dieserGroße bezeichnet die mittlere Zeitspanne zwischen zwei Stoßen τc.

2. Anschließend wird stochastisch eine Zeitspanne τc bis zur nachsten Kollision aus einerExponentialverteilung gewahlt.

Allgemein ist die Wahrscheinlichkeitsdichte einer Exponentialverteilung gegeben durch

f(x) =

0 fur x < 0λ exp (−λx) fur x ≥ 0

(348)

und ihre Verteilungsfunktion 0 ≤ F (x) ≤ 1 durch

F (x) =x∫

−∞

f(t) dt =

0 fur x < 01− exp (−λx) fur x ≥ 0

. (349)

Der Erwartungswert µ und die Varianz σ2 liegen fur diese Verteilung bei

µ =1λ, σ2 =

1λ2

. (350)

Man erkennt, dass fur λ die mittlere Kollisionsfrequenz eingesetzt werden muss,

µ =1λ

=1fc

= τc , (351)

sodass man mit einer gleichverteilten Zufallszahl ψ ∈ [0, 1) die stochastisch bestimmteZeitspanne bis zum Auftreten der Kollision

τc = −τc ln (1− ψ) (352)

erhalt.

3. Nun wird eine Fallunterscheidung vorgenommen:

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244 B KOLLISIONSMODELL – ALTERNATIVER ZEITSCHRITT

Abbildung 70: Schematische Darstellung der Zeitschrittwahl.

• Falls τc > ∆tLagrange, also die stochastisch bestimmte Zeitspanne bis zur nachstenKollision großer als der aktuelle Zeitschritt der Trajektorienberechnung ist, erfolgtkeine Kollision zwischen t und t+ ∆t. Die Trajektorie wird somit unbeeinflusst bist+ ∆t weiterberechnet, der Zeitschritt bleibt unverandert.

• Falls τc ≤ ∆tLagrange, die stochastisch gewahlte Zeitspanne also kleiner als der mo-mentane Zeitschritt der Partikelbahnberechnung ist, wird zunachst die Trajektorie bist+τc unbeeinflusst berechnet, und anschließend eine Kollision mit dem virtuellen Kol-lisionspartner gemaß der Beschreibung in Abschnitt 3.1.3 durchgefuhrt, welche die Ge-schwindigkeitskomponenten des aktuellen Partikels entsprechend verandert. Entschei-dend ist, dass die Bahn daraufhin mit dem alten Lagrange-Zeitschritt ∆t > τc wei-terberechnet wird, so dass keine Gefahr besteht, dass der Zeitschritt unnotigerweiseimmer kleiner wird.

Schematisch ist die Bahnberechnung in Abbildung 70 dargestellt.CFD-Rechnungen des Validierungsfalls I zum Kollisionsmodell mit der alternativen Zeit-

schrittberechnung haben qualitativ dieselben Ergebnisse in 20% geringerer Rechenzeit geliefert.Auch quantitativ sind die Resultate ahnlich, Unterschiede gibt es nur im Detail. Fur eine ab-schließende Empfehlung sollten jedoch noch weitere Tests durchlaufen werden.

Zudem ist auf folgende Punkte hinzuweisen: In der Implementierung ist die Speicherungder Information notig, dass eine Kollision im nachsten Lagrange-Schritt der aktuellen Trajek-torie durchgefuhrt werden soll. Des Weiteren wird bei Verwendung der Modellerweiterung nachSommerfeld die Kollisionsfrequenz unter Berucksichtigung der Schwankungsbewegungen undeventuell korrelierter Geschwindigkeitsfluktuationen des realen und fiktiven Partikels berechnet.Diese Kollisionsfrequenz bezieht sich damit also auf die aktuell betrachtete Paarung und ist nichtdie mittlere Kollisionsfrequenz des gesamten Partikelkollektivs im Kontrollvolumen. Wird nunentschieden, dass eine Kollision im nachsten Schritt nach der stochastisch gewahlten Zeitspanneτc erfolgen soll, so muss man die Information uber die Eigenschaften des virtuellen Partikels auchbis dahin speichern, um die deterministische Kollisionsberechnung mit ebendiesem fiktiven Par-tikel durchzufuhren. Wurde man hier ein neues virtuelles Partikel mit veranderten Eigenschaftenfur die aktuelle Kollision erzeugen, ware dies nicht konsistent.

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245

C Herleitung der Formeln fur einen binaren Stoß

In diesem Teil des Anhangs werden die mathematischen Beziehungen fur die translatorische unddie rotatorische Geschwindigkeit des realen Partikels P1 nach erfolgtem binaren Stoß hergeleitet.Die hier gegebene Darstellung orientiert sich an der Arbeit von Frank, [11], und korrigiert underweitert die dort geschilderte Herleitung in einer großen Detaillierungstiefe.

Die gesamte Herleitung erfolgt im lokalen Koordinatensystem(~n,~t,~k

), das in Abschnitt 3.1.5

definiert worden ist. Ausgangspunkt sind die Geschwindigkeiten an der Oberflache der beidenstoßenden Partikel im Kontaktpunkt M

~v∗1 = ~v1 −dP1

2(~n× ~ω1) =

v1n

v1t + dP12 ω1k

v1k − dP12 ω1t

(353)

~v∗2 = ~v2 +dP2

2(~n× ~ω2) =

v2n

v2t − dP22 ω2k

v2k + dP22 ω2t

, (354)

welche die Relativgeschwindigkeit im Kontaktpunkt M

~vR = ~v∗1 − ~v∗2 =

vRnvRtvRk

=

v1n − v2n

v1t + dP12 ω1k − v2t + dP2

2 ω2k

v1k − dP12 ω1t − v2k − dP2

2 ω2t

(355)

ergeben. Die vier translatorischen und rotatorischen Geschwindigkeiten nach dem Stoß sind

~v′1 = ~v1 +~J

m1(356)

~v′2 = ~v2 −~J

m2(357)

~ω′1 = ~ω1 +1IP1

dP1

2

(~n× ~J

)= ~ω1 +

1IP1

dP1

2

0−JkJt

(358)

~ω′2 = ~ω2 +1IP2

dP2

2

(~n× ~J

)= ~ω2 +

1IP2

dP2

2

0−JkJt

, (359)

mit dem ubertragenen Impuls ~J und dem Tragheitsmoment einer Kugel IP = 110 md2

P . Gleichung359 enthielt in [11] als Formel (4.110) einen Vorzeichenfehler.

Aus den Gleichungen 356 und 357 erhalt man

~J = m1

(~v′1 − ~v1

)= −m2

(~v′2 − ~v2

). (360)

Subtraktion der n-Komponente der Gleichung 357 von derjenigen der Gleichung 356 ergibt(v′1n − v′2n

)− (v1n − v2n) =

m1 +m2

m1m2Jn . (361)

Unter Nutzung der Definition der Stoßzahl e (Restitutionskoeffizient)

e = −v′1n − v′2nv1n − v2n

(362)

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246 C HERLEITUNG DER FORMELN FUR EINEN BINAREN STOSS

wird die Normalkomponente des wahrend der Kollision ubertragenen Impulses erhalten uber

m1 +m2

m1m2Jn = −e (v1n − v2n)− (v1n − v2n) , (363)

und eine Umformung ergibt

Jn = − (1 + e)m1m2

m1 +m2(v1n − v2n) . (364)

Dieses Ergebnis ist sowohl fur einen Haft- als auch fur einen Gleitstoß gultig.Die Bedingung fur das Erfolgen eines Haftstoßes in Abhangigkeit vom Haftreibungsbeiwert

µf,s lautet ∣∣∣ ~J × ~n∣∣∣ ≤ µf,s∣∣∣ ~J · ~n∣∣∣ (365)

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣ 0

Jk−Jt

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣2

≤ µf,s |Jn| (366)

⇔√J2t + J2

k ≤ µf,s |Jn| . (367)

Wenn sie erfullt ist, unterbleibt jegliche relative Drehbewegung wahrend des Stoßvorgangs, sodass kein Schlupf zwischen den Partikeln auftritt.

Die Relativgeschwindigkeit im Kontaktpunkt M nach (gekennzeichnet durch ein Hochkom-ma) einem Haftstoß ist

~v′R =

v′Rnv′Rtv′Rk

=

v′1n − v′2nv′1t + dP1

2 ω′1k − v′2t + dP22 ω′2k

v′1k −dP1

2 ω′1t − v′2k −dP2

2 ω′2t

. (368)

Subtraktion der t-Komponenten der Gleichungen 356 und 357 ergibt(v′1t − v′2t

)= (v1t − v2t) +

m1 +m2

m1m2Jt , (369)

was fur die erste tangentiale Komponente der Relativgeschwindigkeit im Kontaktpunkt nachdem Stoß eingesetzt werden kann

v′Rt = (v1t − v2t) +m1 +m2

m1m2Jt +

dP1

2ω′1k +

dP2

2ω′2k . (370)

Der Term in Klammern auf der rechten Seite der Gleichung 370 kann nun durch die erstetangentiale Komponente der Relativgeschwindigkeit im Kontaktpunkt vor dem Stoß, vRt, ersetztwerden, so dass sich

v′Rt = vRt −dP1

2ω1k −

dP2

2ω2k +

m1 +m2

m1m2Jt +

dP1

2ω′1k +

dP2

2ω′2k (371)

⇔ v′Rt = vRt +dP1

2(ω′1k − ω1k

)+dP2

2(ω′2k − ω2k

)+m1 +m2

m1m2Jt (372)

ergibt. Die k-Komponenten der Gleichungen 358 und 359 lauten

ω′1k − ω1k =5

m1 dP1Jt (373)

ω′2k − ω2k =5

m2 dP2Jt . (374)

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247

Umformung der Gleichung 372 resultiert in

v′Rt = vRt +5

2m1Jt +

52m2

Jt +m1 +m2

m1m2Jt (375)

⇔ v′Rt = vRt +72m1 +m2

m1m2Jt . (376)

Die Relativgeschwindigkeit im Kontaktpunkt M nach einem Haftstoß ist definitionsgemaß gleichnull, womit man schlussendlich die Gleichung fur die erste tangentiale Komponente des wahrendeines Haftstoßes ubertragenen Impulses erhalt

Jt = −27

m1m2

m1 +m2vRt . (377)

Dieselbe Vorgehensweise wird angewandt, um die dritte Komponente des Impulsvektors ~Jzu bestimmen. Auch dies wird hier hergeleitet, da sich im Vergleich zu den obigen Formelnz.T. Unterschiede in den Vorzeichen einiger Terme ergeben.

Zunachst wird die k-Komponente der Gleichung 357 von derjenigen der Gleichung 356 sub-trahiert. Man erhalt (

v′1k − v′2k)

= (v1k − v2k) +m1 +m2

m1m2Jk , (378)

was in die zweite tangentiale Komponente der Relativgeschwindigkeit im Kontaktpunkt nachder Kollision eingesetzt werden kann

v′Rk = (v1k − v2k) +m1 +m2

m1m2Jk −

dP1

2ω′1t −

dP2

2ω′2t . (379)

Die zweite tangentiale Komponente der Relativgeschwindigkeit im Kontaktpunkt vor dem Stoß,vRk, ersetzt den Term in Klammern auf der rechten Seite der Gleichung 379, woraus die Formeln

v′Rk = vRk +dP1

2ω1t +

dP2

2ω2t +

m1 +m2

m1m2Jk −

dP1

2ω′1t −

dP2

2ω′2t (380)

⇔ v′Rk = vRk −dP1

2(ω′1t − ω1t

)− dP2

2(ω′2t − ω2t

)+m1 +m2

m1m2Jk (381)

resultieren. Die t-Komponenten der Gleichungen 358 und 359 lauten

ω′1t − ω1t = − 5m1 dP1

Jk (382)

ω′2t − ω2t = − 5m2 dP2

Jk . (383)

Hiermit erhalt man durch Umformung von Gleichung 381

v′Rk = vRk +5

2m1Jk +

52m2

Jk +m1 +m2

m1m2Jk (384)

⇔ v′Rk = vRk +72m1 +m2

m1m2Jk . (385)

Da die Relativgeschwindigkeit im Kontaktpunkt M nach einem Haftstoß per definitionem ver-schwindet, ergibt sich schließlich die Formel fur die zweite tangentiale Komponente des wahrendeines Haftstoßes ubertragenen Impulses

Jk = −27

m1m2

m1 +m2vRk . (386)

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248 D STOFFEIGENSCHAFTEN

Ungleichung 367 als Kriterium fur das Auftreten eines Haftstoßes kann mit diesen Ergebnis-sen als

27

m1m2

m1 +m2

√v2Rt + v2

Rk ≤ µf,sm1m2

m1 +m2(1 + e) |vRn| (387)

⇔√v2Rt + v2

Rk ≤ µf,s (1 + e) |vRn| (388)

geschrieben werden, so dass die Entscheidung, ob ein Haft- oder ein Gleitstoß stattfindet, mitHilfe a priori bekannter Variablen getroffen werden kann. Die translatorische und die rotatorischeGeschwindigkeit des Partikels P1 im lokalen

(~n,~t,~k

)-Koordinatensystem konnen nun folgender-

maßen berechnet werden v′1nv′1tv′1k

=

v1n + Jnm1

v1t + Jtm1

v1k + Jkm1

(389)

ω′1nω′1tω′1k

=

ω1n

ω1t − 1IP1

dP12 Jk

ω1k + 1IP1

dP12 Jt

. (390)

Im Falle eines Gleitstoßes wirkt der durch Gleitreibung ubertragene Impuls dem Tangenti-alanteil der Relativgeschwindigkeit im Kontaktpunkt M entgegen. Gemaß dem Reibungsgesetznach Coulomb erhalt man

Jt = −µf,k |Jn|vRt√

v2Rt + v2

Rk

, (391)

Jk = −µf,k |Jn|vRk√

v2Rt + v2

Rk

, (392)

wobei µf,k den Gleitreibungsbeiwert bezeichnet und Jn unverandert gegenuber dem Fall desHaftstoßes bleibt. Die Geschwindigkeiten nach erfolgtem Stoß werden auf dieselbe Weise wiebeim Haftstoß berechnet, wie in den Formeln 389 und 390 gezeigt.

D Stoffeigenschaften

An dieser Stelle sind die im Borverbrennungsmodell verwendeten Stoffdaten und Korrelationenzur Berechnung bzw. Abschatzung der benotigten Stoffeigenschaften zusammengestellt.

D.1 Thermophysikalische Stoffeigenschaften von Bor und Boroxid

In der nachfolgenden Tabelle 28 sind diejenigen in den Berechnungen verwendeten Eigenschaf-ten von Bor und dem Boroxid B2O3 zusammengefasst, die nicht uber Korrelationen bestimmtwerden. Festes Bor existiert alternativ in einer kristallinen und einer amorphen Struktur.

Fur die Dichte und Warmekapazitat gibt es auch Korrelationen, auf die in den folgendenUnterabschnitten eingegangen wird.

D.2 Warmekapazitaten und Reaktionsenthalpien

Die spezifischen Warmekapazitaten und Reinstoffenthalpien aller Spezies und deren Tempera-turabhangigkeit werden fur das erweiterte Borverbrennungsmodell aus Polynomen bestimmt,

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D.2 Warmekapazitaten und Reaktionsenthalpien 249

Tabelle 28: Stoffeigenschaften von Bor und B2O3.

Stoffeigenschaft Bor B Boroxid B2O3

Dichte ρ[

kgm3

]2340 (kristallin)

2370 (amorph)2080 (flussig) 1850 (flussig)

Spezifische Warmekapazitat cP[

Jmol K

]Korrelation 129.7

Schmelzpunkt Tm [K] 2350 bis 2450 723

Schmelzenthalpie ∆hm[

kJmol

]50.2 24.1

Siedepunkt Tb [K] 3931 bis 4139 2316

Verdampfungsenthalpie ∆hv[

kJmol

]480.0 415.8

Molmasse M[ g

mol

]10.81 69.617

Warmeleitfahigkeit λ[

Wm K

]27.4 (bei 300 K)

die im sogenannten NASA-Format mit 7 Koeffizienten vorliegen. Dies sind an Messdaten undBerechnungen angepasste Ausgleichspolynome, deren Koeffizienten tabelliert sind. Nahezu alldiese Werte wurden aus der im Internet verfugbaren und standig aktualisierten Datenbank vonA. Burcat entnommen, [137]. Die derzeit fur Bor verwendeten Daten stammen auch in [137] ausden JANAF-Tabellen, [138], in denen der Schmelzpunkt des Bors zu 2350 K angegeben wird.Dies ist ein Unterschied zum Wert im PSU-Originalmodell von 2450 K.

In diesem von der Raumfahrtbehorde NASA standardisierten Format werden je sieben Koef-fizienten a1 bis a7 fur mindestens zwei Temperaturbereiche angegeben, aus denen sich spezifischeWarmekapazitat, spezifische Enthalpie und spezifische Entropie eines Reinstoffs, normiert mitder universellen Gaskonstante Ru, folgendermaßen berechnen lassen

cP (T )Ru

= a1 + a2T + a3T2 + a4T

3 + a5T4

H(T )Ru

= a6 + a1T +a2

2T 2 +

a3

3T 3 +

a4

4T 4 +

a5

5T 5 (393)

S(T )Ru

= a7 + a1 ln (T ) + a2T +a3

2T 2 +

a4

3T 3 +

a5

4T 4 ,

wobei von einem idealen Gas ausgegangen wird, fur das gilt

hi = ∆h298f,i +

T∫298 K

cP,i dT und s = s298i +

T∫298 K

cP,iT

dT . (394)

Mit diesen drei Stoffeigenschaften lassen sich chemische Gleichgewichtsrechnungen durchfuhren,die auf der Minimierung der freien Enthalpie G basieren. Zu diesem Zweck wurde das Formateingefuhrt, fur den bekannten Code von Gordon und McBride.

Mit den temperaturabhangigen Reinstoffenthalpien lassen sich auch die fur das Verbren-

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250 D STOFFEIGENSCHAFTEN

Abbildung 71: Spezifische Warmekapazitat des Bors nach der Korrelation in Ulas, [114], und angepasstan JANAF-Daten, [138].

nungsmodell benotigten Reaktionsenthalpien in Abhangigkeit von der Temperatur uber

∆hR,j(T ) =∑j

νi,jhi(T ) =∑j

νi,j

(∆h298

f,i +∫ T

298.15 KcP,i(T ) dT

)(395)

berechnen mit dem stochiometrischen Koeffizienten νi,j der Spezies i in Reaktion j und derBildungsenthalpie ∆h298

f,i der Spezies i bei 298 K.Neben der oben beschriebenen 7-Koeffizienten-Form gibt es auch noch eine mit neun Ko-

effizienten, die großere Temperaturintervalle zulasst und etwas genauer ist. Im Rahmen dervorliegenden Arbeit wurde jedoch ausschließlich diejenige mit sieben Parametern verwendet.

Die im Originalmodell verwendete, lineare Korrelation fur die Temperaturabhangigkeit derspezifischen Warmekapazitat des Bors

cP (T ) = 6.04 + 1.76 · 10−2 TJ

mol K(396)

weicht außer bei Raumtemperatur deutlich von den JANAF-Daten ab, wie Abbildung 71 zeigt.Unterhalb etwa 1100 K ist die Warmekapazitat nach den JANAF-Daten großer als die Ulas-Angabe, bei hoheren Temperaturen sagt die lineare Korrelation jedoch sehr hohe Werte voraus.Berechnungen haben ergeben, dass dies erhebliche Auswirkungen auf die Temperaturprofile hat.Den JANAF-Angaben wird in dieser Arbeit mehr Vertrauen entgegengebracht, da auch zwischenden Aggregatzustanden unterschieden wird.

D.3 Diffusionskoeffizienten

Binare Diffusionskoeffizienten zwischen den Komponenten A und B werden fur das neue Ver-brennungsmodell nach der Gleichung (11-3.2) im Stoffdaten-Buch von Poling, Prausnitz undO’Connell, [209],

DAB =0.00266T 3/2

PM1/2AB σ2

ABΩD

[cm2

s

](397)

berechnet, mit der Temperatur T in K, dem Druck P in bar, der charakteristischen Lange σAB

(”Atomdurchmesser“) in A und dem dimensionslosen Diffusions-Kollisionsintegral ΩD. Es wirdvon idealen Gasen ausgegangen. Die mittlere Molmasse berechnet sich uber

MAB = 2(

1MA

+1MB

)−1 [g

mol

]. (398)

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D.4 Viskositat und Warmeleitfahigkeit 251

Tabelle 29: Koeffizienten des Kollisionsintegrals nach Neufield.

A B C D E F G H

1.06036 0.15610 0.19300 0.47635 1.03587 1.52996 1.76474 3.89411

Entscheidend ist die Wahl des Modells fur die zwischenmolekularen Krafte. Hier wurde dasLennard-Jones 12-6 Potential gewahlt, dessen Potentialtiefe die Große ε/kB mit der Boltzmann-Konstante kB ist. Daruber hinaus benotigt man Mischungsregeln fur εAB und σAB

εAB =√εA εB und σAB =

σA + σB

2, (399)

wobei die σi und εi/kB fur die untersuchten Spezies tabelliert sind. Fur das Kollisionsintegralwurde mit der dimensionslosen Temperatur T ∗ = kBT/εAB die Korrellation von Neufield etal. verwendet

ΩD =A

(T ∗)B+

C

exp (DT ∗)+

E

exp (FT ∗)+

G

exp (HT ∗). (400)

Die Parameter A bis H sind in Tabelle 29 zusammengestellt.Fur ideale Gase mit ρ ∼ 1/P fallt die Druckabhangigkeit des Produkts aus Dichte und

Diffusionskoeffizient heraus und die Temperaturabhangigkeit ist proportional T 1/2

ρDAB =MGas

Ru

0.00266T 1/2

M1/2AB σ2

ABΩD

[g

cm s

]. (401)

Die hier verwendete Korrelation ist nur fur niedrige Drucke gultig. Dies ist in der Anwendungauf Brennkammern, die bei mittleren Drucken betrieben werden, und bei der Nachrechnung vonHochdruckexperimenten zu beachten.

Fur die Mehrkomponentendiffusion mussen die binaren Diffusionskoeffizienten fur alle Paa-rungen i, j der im untersuchten System vorhandenen Spezies bestimmt werden, wobei im binarenFall Symmetrie gilt Di,j = Dj,i. Wie in der Modellbeschreibung erwahnt, wurde hier ein verein-fachender Ansatz eines effektiven binaren Diffusionskoeffizienten Di,m gewahlt, Gleichung (7.34)in Turns’ Buch zur Verbrennung, [160]. Dabei diffundiert die Spezies i in der Mischung m; esmuss hierfur allerdings eine Uberschusskomponente geben, in dieser Arbeit Stickstoff N2, fur diesich die Diffusionsgeschwindigkeit aus der Summe der Diffusionsgeschwindigkeiten der ubrigenSpezies ergibt. Letztere werden nach dem Fick’schen Gesetz angesetzt.

Der Vorteil der Methode ist eine einfache Berechnungsweise der Diffusionskoeffizienten Di,m

Di,m =1−Xi∑n

j 6=i (Xj/Di,j)fur i = 1, 2, . . . , n− 1 . (402)

Dies ist streng genommen nur im Spezialfall korrekt, in dem alle Spezies außer i dieselbe Diffu-sionsgeschwindigkeit besitzen. Daher handelt es sich nur um eine Naherung.

D.4 Viskositat und Warmeleitfahigkeit

Die Viskositat und die Warmeleitfahigkeit der einzelnen Gasphasenspezies werden nach der imSANDIA-Report [210] von Kee, Warnatz und Miller vorgestellten Methode berechnet, die auchin den Programmpaketen Chemkin und Cosilab fur die Berechnung von Verbrennungsprozessenund Flammen verwendet wird.

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252 D STOFFEIGENSCHAFTEN

Die Reinstoffviskositaten werden basierend auf dem Lennard-Jones-Potential gemaß der For-mel

ηi =516

√πmikBT

πσ2i Ω(2,2)∗ (403)

mit der Molekulmasse mi und dem Lennard-Jones Kollisionsdurchmesser σi. Das Kollisionsin-tegral Ω(2,2)∗ hangt von der reduzierten Temperatur T ∗i = T kB/εi und dem reduzierten Dipol-moment

δ∗i =12µ2i

εiσ3i

(404)

ab, wobei hier µi das Dipolmoment bezeichnet. Auch hier steht kB fur die Boltzmann-Konstanteund εi fur die Lennard-Jones-Potentialtiefe. Das Kollisionsintegral ist in [211] tabelliert undwurde aus diesen im Rahmen der vorliegenden Arbeit mit kubischen Splines interpoliert.

Die Warmeleitfahigkeit erhalt man auf Basis der Viskositat und zusammengesetzt aus trans-latorischen, rotatorischen und Vibrationsbeitragen mit der Formel

λi =ηiMi

(ftranscv,trans + frotcv,rot + fvibcv,vib) , (405)

wobei die Faktoren fk folgendermaßen bestimmt werden

ftrans =52

(1− 2

π

cv,rot

cv,trans

A

B

), frot =

ρDii

ηi

(1 +

A

B

)und fvib =

ρDii

ηi. (406)

Dabei stehen A und B fur

A =52− ρDii

ηiund B = Zrot +

(53cv,rot

R+ρDii

ηi

). (407)

Die mit der spezifischen Warmekapazitat bei konstantem Volumen cv gebildeten Beziehungenunterscheiden sich je nachdem, ob das betrachtete Molekul linear aufgebaut ist oder nicht. ImFalle eines linearen Molekuls erhalt man

cv,rot

cv,trans=

23,

cv,rot

R= 1 und cv,vib = cv −

52R , (408)

wobei hier cv fur die spezifische Gesamtwarmekapazitat des Molekuls und R fur die universelleGaskonstante steht.

Im Falle eines nichtlinearen Molekuls ergibt sich

cv,rot

cv,trans= 1 ,

cv,rot

R=

32

und cv,vib = cv − 3R . (409)

Der translatorische Anteil von cv ist immer derselbe, cv,trans = 3/2R.Fur Einzelatome, im vorliegenden Fall z.B. gasformiges Bor B(g), existieren keine internen

Beitrage zu cv, so dass die Warmeleitfahigkeit einfach

λi =ηiMi

(ftrans

32R

)(410)

betragt, mit ftrans = 5/2.Der ”Selbstdiffusionskoeffizient“ Dii wird mit der Formel

Dii =316

√2πk3

BT3/mi

Pπσ2i Ω(1,1)∗ (411)

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D.4 Viskositat und Warmeleitfahigkeit 253

berechnet, wobei das Kollisionsintegral Ω(1,1)∗ ebenfalls aus tabellierten Daten in [211] per kubi-scher Spline-Interpolation bestimmt wird. Die Dichte ergibt sich aus der idealen Gasgleichung.

Die Rotationsrelaxations-Kollisionszahl Zrot ist ein Parameter, der ublicherweise bei 298 Kangegeben wird. Er besitzt allerdings eine Temperaturabhangigkeit, die Kee et al. nach demAusdruck von Parker, [212], sowie Brau und Jonkman, [213], umgesetzt haben

Zrot(T ) = Zrot(298 K)F (298 K)F (T )

(412)

mit F (T ) = 1 +π3/2

2

(ε/kBT

)1/2

+

(π2

4+ 2

)(ε/kBT

)+ π3/2

(ε/kBT

)3/2

. (413)

Wie aus den oben beschriebenen Gleichungen zu erkennen, ist der Berechnungsaufwandrecht hoch. Die Abhangigkeit von den molekularen Parametern ist komplex, glucklicherweise istaber die Abhangigkeit vom Zustand des Gases relativ einfach. Um den Aufwand wahrend derLaufzeit moglichst gering zu halten, werden die Verlaufe nur einmalig vor dem Beginn berechnetund Polynome dritten Grades (N = 4) im Logarithmus der Temperatur an die Ergebnisseangepasst. Dies geschieht in der Form

ln ηi =N∑n=1

an,i (lnT )n−1 und lnλi =N∑n=1

bn,i (lnT )n−1 , (414)

so dass nur die Koeffizienten an,i und bn,i gespeichert werden mussen. Beim Einsatz im Verbren-nungsmodell werden dann nur die Polynome bei der aktuellen Temperatur ausgewertet. DerAnpassungsfehler liegt deutlich unterhalb einem Prozent.

Fur die Eigenschaften des Gasgemischs ist die Anwendung einer Mischungsregel notig. ZweiMethoden werden von Kee et al. angegeben. Die erste lautet nach Mathur et al., [214],

λ =12

(K∑i=1

Xiλi +1∑K

i=1Xi/λi

)(415)

und analog fur die Viskositat, wobei ηi die λi ersetzt. Die zweite, halb-empirische Regel nachWilke, [215],

λ =K∑i=1

Xiλi∑Kj=1XjΦi,j

, (416)

und wieder analog fur die Viskositat, wird mit

Φi,j =1√8

(1 +

Mi

Mj

)−1/21 +

(ηiηj

)1/2 (Mj

Mi

)1/42

(417)

gebildet. Da die Φi,j in einer inneren Schleife berechnet werden, ist der Rechenaufwand diesesAnsatzes deutlich hoher.

Zwischen den Stoffeigenschaften der Mischung, die mit den beiden Methoden berechnet wer-den, gibt es merkliche Unterschiede. Bei hohen Temperaturen sind die mit der Wilke-Formelberechneten Werte immer großer, etwa 10% bei 2000 K in Wasserstoff-Luft-Mischungen. Beiden Viskositaten konnen die Abweichungen bis zu einem Faktor von zwei gehen. Zumindest furViskositaten betrachten Kee et al. die Wilke-Regel als die genauere. Daher wurde im Rahmender vorliegenden Arbeit die Wilke-Formel verwendet.

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254 D STOFFEIGENSCHAFTEN

D.5 Dichte des Bors

Bor hat bei Raumtemperatur entweder eine kristalline Struktur oder bildet eine amorphe Phase.Fur alle Berechnungen in dieser Arbeit wurden dieselben Werte fur die Dichte des Bors verwendetwie in den Arbeiten von Ulas, [114], aus der PSU-Gruppe und von Zhou, [147] aus der PA-Gruppe. Tabelle 28 enthalt die Daten, die fur Raumtemperatur in [216] gegeben sind.

Millot et al. haben 2002 experimentelle Untersuchungen an flussigem Bor durchgefuhrt, [217].Im Temperaturbereich zwischen 2360 K und 3100 K wurde u.a. die Dichte flussigen Bors be-stimmt. Es zeigte sich, dass Bor im flussigen Aggregatzustand am Schmelzpunkt eine hohereDichte hat als im festen. Die Dichte festen Bors am Schmelzpunkt wurde von Tsagareishvili etal., [218], auf 2170 kg/m3 geschatzt, wahrend die Korrelation

ρB(l) = 2468− 5.31 · 10−2Tkgm3

fur 2360 K ≤ T ≤ 3100 K (418)

von Millot et al. einen Wert von 2343 kg/m3 fur den flussigen Zustand liefert, was eine Kon-traktion wahrend des Schmelzvorgangs um etwa 8% bedeutet. Der Schmelzpunkt wurde zuTm = 2360± 10 K bestimmt, vgl. auch [219].

Paradis et al., [220], haben 2005 Dichtemessungen flussigen, festen und unterkuhlten Borsim Temperaturintervall zwischen 2275 und 2460 K vorgenommen. Ihre Korrelationen

ρB(l) = 2170− 0.25 (T − Tm)kgm3

fur 2275 K ≤ T ≤ 2460 K (419)

ρB(s) = 2110− 0.09 (T − Tm)kgm3

fur 2010 K ≤ T ≤ 2360 K , (420)

die auch im unterkuhlten flussigen Zustand gelten, weichen von Millots Werten ab, zeigen aberdenselben Trend einer Kontraktion beim Schmelzen, hier um ca. 3%. Da die Aussagen nochdeutlich voneinander abweichen, wurden in dieser Arbeit nur die konstanten Werte aus Tabelle28 verwendet.

D.6 Literatur zu Stoffdaten und Reaktionskinetik

Dieser Abschnitt enthalt Ergebnisse der Literaturrecherche zur Borverbrennung aus Kapitel5, die sich mit der Bestimmung von Stoffdaten und kinetischer Parameter fur das komplexeVerbrennungsmodell aus Kapitel 6 beschaftigen, sowie weitere Reaktionsmechanismen fur un-tergeordnete Reaktionsgruppen der Gesamtmechanismen.

Tsang und Hampson (1986), [221], prasentieren auf etwa 190 Seiten eine sehr umfangreicheDatenbasis fur die Verbrennung und Pyrolyse von Methan. Hierin sind Stoffdaten und kineti-sche Parameter fur alle moglichen Reaktionen fur die in der Methanverbrennung vorkommen-den Spezies H, H2, O, O2, OH, HO2, H2O2, H2O, CH4, C2H6, HCHO, CO2, CO, HCO, CH3,C2H5, C2H4, C2H3, C2H2, C2H, CH3CO, CH3O2, CH3O, Singlet-CH2 und Triplet-CH2 in Ta-bellenform zusammengestellt. Grundlage sind in erster Linie experimentelle Daten, und wo diesenicht verfugbar waren, wurde der bestmogliche Schatzwert angegeben. Der Gultigkeitsbereichbzgl. der Temperatur liegt bei 300 bis 2500 K. Der beschriebene Mechanismus bildet die Basisder wichtigsten Prozesse in jedem Kohlenwasserstoffsystem. Er besteht als Alternative zum GRI3.0 Mechanismus, [136].

Spater haben Tsang und Herron eine weitere kinetische Datenbasis zusammengestellt, [222](1991), die Reaktionen verschiedener Stickstoffspezies bei der Verbrennung von Raketentreib-stoffen beinhaltet. Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten der hier beschriebenen Elementar-reaktionen gelten im Temperaturbereich von 500 bis 2500 K. Es wurden alle relevanten Reak-tionen der Spezies H, H2, O, OH, HCHO, CHO, CO, NO, NO2, HNO, HNO2, HCN und N2Ozusammengestellt, die ebenfalls einen wichtigen Teilmechanismus abdecken.

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D.6 Literatur zu Stoffdaten und Reaktionskinetik 255

Allen, Yetter und Dryer haben 1997 einen Artikel mit experimentellen Untersuchungenan einem Hochdruck-Stromungsrohrreaktor veroffentlicht, [223]. Gegenstand war die Reakti-onskinetik von CO/N2O/H2O/N2-Mischungen, die auch einen Teilprozess in der Meteor-Brennkammer darstellt. Die Versuche wurden bei 3 bis 15 atm und im mittleren Temperaturbe-reich von 950 bis 1123 K durchgefuhrt. Die Profile von CO, CO2, N2O, NO, O2 und H2O sowieder Temperatur wurden aufgezeichnet und ein detaillierter Reaktionsmechanismus mit 125 Ele-mentarreaktionen entwickelt. Zum ersten Mal wurde der katalytische Effekt des Wasserdampfsauf dieses System quantifiziert. Eine direkte Reaktion von Kohlenmonoxid mit N2O wurde furdiesen Temperaturbereich als unbedeutend eingestuft, bei hoheren Temperaturen bleibt die Re-aktionsgeschwindigkeitskonstante aber noch ungewiss.

In Erweiterung dieser Arbeit haben dieselben Autoren 1998 verdunnte Mischungen aus Was-serstoff und Distickstoffmonoxid in Stickstoff bei 3 atm und 995 K in einem Stromungsrohrre-aktor untersucht, [224]. Die Speziesprofile der Zwischenprodukte NH3 und NO wurden nebendenen der Edukte und Produkte gemessen. Aus ihnen kann man schließen, dass Reaktionender Spezies N2Hx und NHx im Mechanismus berucksichtigt werden mussen, um die Gesamt-reaktionsgeschwindigkeit reiner H2/N2O/N2-Mischungen bei diesen Temperaturen vorhersagenzu konnen. Werden diese vernachlassigt, sind die berechneten Geschwindigkeiten um den Fak-tor zwei zu hoch. Es wurde außerdem der inhibierende Charakter von NH3 und NO auf diesesSystem experimentell untersucht.

Mueller, Yetter und Dryer haben 1999 Arbeiten von Allen et al. am Stromungsrohrreaktorerweitert, [225]. Experimente wurden in weiten Druckbereichen von 0.5 bis 14.0 atm und imTemperaturbereich von 750 bis 1100 K durchgefuhrt, um die Reaktionskinetik von H2/O2- undCO/H2O/O2-Mischungen unter Einfluss von Spuren der Stickoxide NOx zu untersuchen. NOkann sowohl forderlich als auch inhibierend wirken, indem es sowohl bestimmte Verzweigungs-als auch Rekombinationsreaktionen katalysieren kann. Der globale Effekt hangt stark von Druckund Stochiometrie ab; NO2 zerfallt unter anderem in NO, mit den gleichen Folgen. Die ex-perimentellen Untersuchungen lieferten den Rahmen fur die Entwicklung eines umfassendenReaktionsmechanismus, der aus 66 Elementarreaktionen sowie den NH2-, NH3-, NNH- undN2Hx-Reaktionen aus dem oben beschriebenen Mechanismus von Allen et al., [223], besteht.Die Ubereinstimmung mit experimentellen Daten war uber den gesamten betrachteten Bereichgut. Dieser Mechanismus kann auch als Submodell fur die in Kapitel 6 beschriebenen Borre-aktionsmechanismen in kohlenwasserstoffhaltigen Atmospharen mit Luft als Oxidationsmittelverwendet werden.

Weitere Stromungsrohrreaktorstudien von Mueller et al., [226], haben 2000 auf die Ab-anderung einiger Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten in dem oben beschriebenen Mechanis-mus gefuhrt, dessen Anwendung in der neuen Form eine deutlich verbesserte Vorhersage derNOx-Konzentrationsprofile liefert.

In der 2001 erschienenen Veroffentlichung von Scire, Yetter und Dryer, [227], wurden drei furdie Verbrennung von Methan sehr wichtige Elementarreaktionen experimentell im Stromungs-rohrreaktor bei hoheren Drucken und etwa 1000 K anhand der CO-Oxidation in wasserhaltiger,mit Methan dotierter Atmosphare untersucht, um deren teils unbekannte, teils sehr ungenaubestimmte Reaktionsgeschwindigkeiten in ein engeres Intervall eingrenzen zu konnen. Diese Re-aktionen sind sowohl Bestandteil des GRI-Mechanismus als auch der Mechanismen aus Leeds,[228], und der Bendtsen-Gruppe, [229], fur Methanverbrennung. Aufgrund der hohen Unsicher-heit in den alten Reaktionsgeschwindigkeiten von bis zu einer Großenordnung wird dringendempfohlen, die von Scire et al. in diesem Artikel vorgeschlagenen Anderungen in diesen Mecha-nismen umzusetzen. Im Versuchsprogramm wird eine Modellsensitivitatsanalyse schon wahrendder Durchfuhrungsphase der Experimente vorgenommen, um aus bisher bekannten Literaturda-ten und ersten neuen experimentellen Ergebnissen darauf schließen zu konnen, welche weiteren

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256 D STOFFEIGENSCHAFTEN

Versuche noch gefahren werden mussen, damit der sogenannte Unsicherheitsfaktor in den Re-aktionsgeschwindigkeitskonstanten auf optimale Weise verringert wird. Diese Arbeit stellt einebedeutende Verfeinerung der Beschreibung der Radikaloxidationschemie in der Methanverbren-nung dar. Eine weitere Sensitivitatsanalyse zeigt die Abhangigkeit des Gesamtmechanismus vondiesen Reaktionen und weiteres Verbesserungspotential auf.

Speiser et al. haben 1950 den Dampfdruck des Boroxids B2O3 experimentell bestimmt, [230].Sie geben eine Formel fur den Dampfdruck in Abhangigkeit von der Temperatur in Form derClausius-Clapeyron-Gleichung an. Der Gultigkeitsbereich liegt zwischen 1330 und 1640 K unddamit in einem fur die Zundung der mit einer Oxidschicht versehenen Borpartikel wichtigenIntervall. Die angegebene Beziehung wird in mehreren Borpartikelverbrennungsmodellen ver-wendet, u.a. in denen der PSU-Gruppe um Kuo, siehe Kapitel 7. Aus den Messdaten ergibt sichdie Verdampfungsenthalpie des Boroxids bei 1 atm zu 77.6 kcal/mol entsprechend 324.9 kJ/mol.

Soulen et al. haben 1955 weitere experimentelle Untersuchungen der Verdampfung von B2O3

durchgefuhrt, [231]. Die Ergebnisse wurden mit denjenigen von Speiser et al. und anderen vergli-chen und zeigten Ubereinstimmung. Den Temperaturbereich konnten sie noch einmal erweiternauf 1330 bis 1808 K. Die gewonnene Beziehung fur den Dampfdruck wird in verschiedenenModellen eingesetzt.

Wartik und Apple haben 1955 eine bis dahin unbekannte Modifikation von Bormonoxid (BO)entdeckt, [232]. Es handelt sich dabei um eine polymerartige Substanz, die in der Summenformelals (BO)n beschrieben werden kann. Sie charakterisieren diesen Stoff in seinen physikalischenEigenschaften, bzgl. seiner Farbe und Loslichkeit in Wasser bzw. Methanol. Von der Williams-Gruppe wurde es fur wahrscheinlich gehalten, dass das elementare Bor eines Partikels mit demB2O3 der Oxidschicht reagiert, um diese Substanz zu bilden, die anschließend durch das Oxiddiffundiert, siehe z.B. [84]. Ihr und das PSU-Modell gehen von dieser Annahme aus, so dass dieStoffeigenschaften eine wichtige Rolle spielen.

Inghram et al. haben 1956 massenspektrometrisch und durch Knudsen-Effusion die Gasphaseuber dem festen Bor-Boroxid-System untersucht, [233]. Im Temperaturbereich zwischen 1300und 1500 K findet eine Reaktion zwischen B(s) und B2O3(l) statt, so dass in der Gasphase imthermodynamischen Gleichgewicht in erster Linie B2O2 vorliegt, und nicht verdampftes B2O3(g).Außerdem ist BO nur in mehr als eine Großenordnung geringeren Konzentrationen vorhandenals B2O2. Die geschilderte Reaktion wird u.a. im PSU-Modell als eine der globalen Reaktionenzum Oxidschichtabbau betrachtet.

Kanda et al. haben im Versuch, reines Bor herzustellen, die Entstehung von Bormonoxid fest-gestellt, [234] (1956). Das bei 1050 C erhaltene BO lag dabei in glasartiger Form vor, das nichtin kristallines Material zu uberfuhren war. Es handelt sich somit um das bereits beschriebene(BO)n-Polymer. Die Dichte wurde zu 1.765 g/cm3 bestimmt und kein Losungsmittel gefunden.Der Stoff reagierte jedoch heftig mit Wasser und Alkoholen unter Bildung von Wasserstoff undSpuren von Boranen (BxHy).

Der Dampfdruck von Boroxid war 1957 auch Gegenstand der Untersuchungen Scheers, [235].Die Experimente wurden im Temperaturbereich zwischen 1410 und 1620 K durchgefuhrt undergaben bei allen betrachteten Temperaturen einen etwas niedrigeren Dampfdruck als bei Soulenet al., [231]. Mogliche Fehlerquellen in den Messungen wirken sich allerdings derart aus, dassdie Diskrepanz zwischen den beiden tendenziell geringer ausfallen konnte. Die Molmasse derGasphasenspezies wurde ebenfalls experimentell bestimmt und ergab mit 62 ± 9 g/mol einenWert, der zwischen B2O2 und B2O3 liegt.

In Erweiterung dieser Arbeit hat Scheer 1958 neue Ergebnisse vorgestellt, [156], die zeigen,dass es zwischen 1300 und 1500 K in der festen und flussigen Phase zu einer Reaktion zwischenBor und B2O3 kommt. Diese Reaktion produziert B2O2(g), das neben B2O3(g) in der Gasphasevorliegt. Die Existenz des Borsuboxids wurde durch neue Messungen der Molmasse und durch

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D.6 Literatur zu Stoffdaten und Reaktionskinetik 257

Rontgenbeugungsanalyse bestatigt. Sein Dampfdruck wurde gemessen und um den Anteil desB2O3 entsprechend den bereits beschriebenen Messungen korrigiert. Das Ergebnis dieser Arbeitwird auch in den Modellen der PSU-Gruppe verwendet.

McCloskey et al. haben 1961 die Herstellung und Struktur des polymeren (BO)n untersucht,[236]. Es wurden verschiedene Synthetisierungswege verglichen und die Eigenschaften der Pro-dukte bei uber 500 C analysiert. Als Edukte wurden Spezies gewahlt, die bekanntermaßen denBindungstyp B-B enthalten, da die Untersuchung dieser Bindung Teil der Zielstellung einer Rei-he von Experimenten war. Ein Resultat dieser Arbeit sind mehrere Vorschlage fur die chemischeStruktur des Polymers (BO)n mit mindestens einer Bindung vom Typ B-B auf zwei Boratomestatt ausschließlicher B-O-Bindungen.

Kimpel und Moss haben 1968 den Schmelzpunkt von Bor in vier unterschiedlichen Reinheitenvon 98.9 bis 99.6% untersucht, [237]. Bis dahin waren die Angaben zum Schmelzpunkt desBors sehr unterschiedlich und variierten zwischen 2223 bis 2573 K, bei sechs verschiedenenQuellen. Fur die hier durchgefuhrten Experimente wurde eine relative Genauigkeit von etwa±0.5% angegeben. Der Schmelzpunkt fur zu 99.0 bis 99.6% reines Bor liegt nach den neuenErkenntnissen bei 2329 bis 2347 ±19 K. Die Borschmelze konnte bei langsamer Abkuhlung um111 K unterkuhlt werden.

Theoretische Berechnungen der wichtigen Reaktion H2 + BO → H + HBO hat Page 1989durchgefuhrt, [142]. Die Edukte, der Ubergangszustand und die Produkte dieser kollinearenAbstraktionsreaktion wurden mit Hilfe einer ab initio multiconfiguration self-consistent-field -Beschreibung (MCSCF) und einer multireference configuration interaction-Berechnung (MRCI)untersucht. Diese Reaktion ist deshalb so relevant, weil sie einen der Engpasse in der Verwirk-lichung des Energiedichtevorteils des Bors darstellt. Ein bedeutender Anteil dieser chemischenEnergie wird namlich durch die Bildung der Spezies HOBO (HBO2) in der Gasphase geschluckt.Zum Verstandnis der Verzweigungsreaktionen zwischen den beiden Hauptendprodukten B2O3

und HBO2 sind genaue Kenntnisse der Elementarreaktionen notwendig. Ein wichtiges Ergebnisder hier genannten Berechnungen ist ein neuer und deutlich negativerer Wert der Bildungsen-thalpie von HBO (-60 kcal/mol), der die genannte Reaktion exotherm werden lasst, im Gegen-satz zu vorherigen Annahmen. Dies fuhrt zu sich deutlich verandernden Reaktionsverlaufen, aufdie in Kapitel 6 genauer eingegangen wird. Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante wurde zuk(T ) = 2.96 · 10−22T 3.29e−2200/T bestimmt.

Garland et al. (1990), [238], haben experimentelle Untersuchungen zur Reaktionskinetik vonBH-Radikalen mit O2, CH4, C3H8, C2H4, NO und H2O im Temperaturbereich 298 bis 750 Kin einem Hochtemperaturreaktor durchgefuhrt. Die Radikale wurden photolytisch erzeugt undper Laser-induzierter Fluoreszenz (LIF) detektiert. Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstantenund die Aktivierungsenergie dieser in der Borverbrennung stattfindenden Reaktionen wurdenbestimmt und konnen in den entsprechenden Mechanismen in Arrheniusform implementiertwerden.

Cheng und Bauer haben Versuche in einem Stromungsrohrreaktor mit Boranen (BxHy)durchgefuhrt, [144] (1991). Mit LIF und spektroskopischen Methoden wurden Zwischenproduktedes reaktiven Zerfalls untersucht. Resultat der Auswertung dieser Analysen ist ein Vielschritt-Mechanismus fur von Sauerstoffradikalen attackiertes B5H9. Dieser umfasst 48 Elementarreak-tionen fur die B/H/O-Chemie und 22 fur die B5/H/O-Chemie. Eine Sensitivitatsanalyse fuhrteanschließend auf weniger als 12 relevante Elementarreaktionen. Die Reaktionsgeschwindigkeitenwurden allerdings nur bei 350 K angegeben. Da Borane in reduzierender Atmosphare entstehen,spielen sie in der Borverbrennung an Luft eine untergeordnete Rolle, sind aber evt. in fettenGemischen von Relevanz und daher teilweise in den zu verwendenden Mechanismen enthalten.

Hsieh und Yeh zeigen in ihrer Veroffentlichung von 1993, [159], dass man die Temperatureiner brennenden Boroberflache mittels einer bestimmten Technik basierend auf Infrarotemis-

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258 D STOFFEIGENSCHAFTEN

sionsspektroskopie unabhangig von der Emissivitat des Materials erfolgreich messen kann. Eswurden die Temperaturen wahrend der ersten Stufe der Borverbrennung gemessen sowie dieEmissivitat des Borpartikels in dieser Phase im Temperaturbereich 1040 bis 1120 K zu 0.75bis 0.88 bestimmt. Sie ist im Intervall 3125 bis 4000 nm unabhangig von der Wellenlange. DieProben wurden allerdings nur unter einem konstanten Winkel vermessen.

Die PA-Forschungsgruppe um Yetter et al. hat in einer ihrer Veroffentlichungen zur Borver-brennung in Gegenwart von Fluorspezies durch Sensitivitatsanalyse Schlussel-Elementarreaktio-nen extrahiert, die daher entweder experimentell oder theoretisch im Hinblick auf die Reaktions-kinetik naher untersucht werden sollten, siehe Kapitel 6. Soto hat 1995 zwei Aufsatze verfasst,die mehrere dieser Reaktionen betreffen. In [158] wird die Reaktion HBO + F → FBO + H mitverschiedenen theoretischen Methoden untersucht. Es wurde dabei ein neuer Komplex entdeckt,der bis dahin im Mechanismus unberucksichtigt geblieben war und der zwei mogliche Reak-tionswege ergibt. Außerdem wurden kinetische Parameter berechnet, die experimentell nichtzuganglich sind.

Ein weiterer Artikel von Soto, [239] betrifft die Elementarreaktionen BF + OH und BO +HF, die von der Yetter-Gruppe in diesem Zusammenhang ebenfalls als dominant eingestuft wur-den. Es wurden mittels ab initio multiconfigurational methods Energien, optimierte Geometrien,harmonische Vibrationsfrequenzen und Nullpunktenergien der Edukte, Zwischenprodukte undProdukte dieser Reaktionen berechnet.

Mit Hilfe einer Molekularsimulation haben Vast et al. 1995 grundlegende Eigenschaftenflussigen Bors untersucht, [240]. Es wird hier ein weiteres Mal bestatigt, dass bislang kein Pha-sendiagramm fur Bor bekannt ist. Die Berechnungen zeigen, dass Bor wahrend des Schmelz-vorgangs einen Ubergang vom Halbleiter zum Metall vollzieht, im Einklang mit den wenigenexperimentellen Beobachtungen.

Die Forschungsgruppe um S.L. Anderson hat 1996 in einem Artikel von Smolanoff et al., [150],eine neue Methode zur experimentellen Bestimmung von Oberflachenreaktionsgeschwindigkeitenbeschrieben. In diesem sogenannten cluster beam approach werden einfach ionisierte Atom-Agglomerate (cluster) von kontrollierter Große und Zusammensetzung als experimentelles ”Mo-dell“ genutzt, um makroskopische Oberflachen nachzubilden. Im Rahmen dieser Methode ist esmoglich, kinetische Parameter und Produktzusammensetzung elementarer Oberflachenreaktio-nen in weiten Temperaturbereichen und fur viele Oberflachenzusammensetzungen vorherzusa-gen. Auch uber Zwischenprodukte konnen thermodynamische Informationen gewonnen werden.Dieser Artikel erklart die grundlegenden Annahmen, die experimentelle Durchfuhrung und dieDatenverarbeitung dieses Ansatzes und schatzt die Zuverlassigkeit seiner Vorhersagen auf et-wa ±20% ein. Detaillierte Ergebnisse werden fur die Reaktion einer Boroxidoberflache mit HFgegeben, die im Zusammenhang mit dem Oxidschichtabbau eines Borpartikels in fluorhaltigenAtmospharen eine wichtige Rolle spielt. Daruber hinaus werden Ergebnisse fur Reaktionen reinenBors mit verschiedenen Spezies gezeigt, u.a. fur BF3.

In einem zweiten Artikel dieser Gruppe, [157], der schon kurz zuvor erschien, haben Smo-lanoff et al. 1995 Ergebnisse fur die Reaktion von Boroxiden mit Wasserstofffluorid prasentiertund den Einfluss von Additionsreaktionen von Wasserstoffatomen auf die Chemie der Boroxid-Clusterionen untersucht. Im Verlauf dieser Messungen ergab sich ein Mechanismus, der einfachenAngriff nur an reaktiven Orten auf denjenigen BnOm-Molekulen zulasst, die durch Addition derWasserstoffatome blockiert und somit in ihrer Reaktivitat gehemmt werden.

Smit et al. haben in [241] 1997 die Oxidationsprodukte Bor-basierter Feuerwerkskorper-treibsatze untersucht. Dies sind bei Natrium- und Lithiumnitrat als Oxidationsmittel vor allemAlkalimetall-Metaborate und B2O3.

Belyung et al. haben 1998 die Kinetik von BO-Reaktionen mit Sauerstoff, HCl und CO2

in einem weiten Temperaturbereich untersucht, [242], und mit AlO-Reaktionen verglichen; die

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D.6 Literatur zu Stoffdaten und Reaktionskinetik 259

Reaktionsgeschwindigkeit wurde mit LIF gemessen. Die Ergebnisse, insbesondere der Reaktionmit CO2, sind sehr wichtig fur die Genauigkeit des B/O/H/C-Mechanismus im PA-Modell.

Rosenband, Gany und Timnat haben 1998 in [243] Reaktionen von Bor- und Magnesiumpar-tikeln mit Wasserdampf unter Bildung von Wasserstoff thermochemisch analysiert. Es erfolgteine stabile exotherme Oxidation ohne Sauerstoff.

Hagio et al. haben 1998 ein neues Verfahren zur Herstellung moglichst reinen Bors vorge-stellt, [244]. Dabei werden Bordampfe durch Lichtbogenentladung von Borstaben erzeugt, dieanschließend durch einen Inertgasstrom abgesaugt und kondensiert werden konnen. Um eine aus-reichende elektrische Leitfahigkeit des Bors zu erhalten, mussen die Elektroden auf mindestens600 C erhitzt werden. Produkt sind amorphe Borpartikel mit 0.1 bis 1.0 µm Durchmesser. Bor-nitrid und Borkarbid konnen ebenfalls mit dieser Methode hergestellt werden, indem Stickstoffals Gas bzw. eine Graphitelektrode verwendet werden.

Politzer et al. haben 1999 in [245] mittels zweier verschiedener Dichtefunktionen in Moleku-larsimulationen die Molekulgeometrien, Energieminima bei 0 K, Enthalpien und freien Enthal-pien bei 298 K fur Atome und Molekule berechnet, die an der Zundung und Verbrennung vonBor beteiligt sind; die Ubereinstimmung mit vorhandenen Messdaten ist gut. Die Gasphasen-Bildungsenthalpien fur 58 Atome und Molekule wurden numerisch bestimmt und daraus die Re-aktionsenthalpien fur 83 mogliche Elementarreaktionen bei der Borverbrennung ermittelt. Furfunf Isomerpaare wurden die relativen Stabilitaten und Gleichgewichtskonstanten berechnet. DieErgebnisse konnen direkt fur den Reaktionsmechanismus der Princeton/Aerodyne-Gruppe ver-wendet werden, der in Kapitel 6 beschrieben wird; sie bilden die Grundlage der Bestimmung derReaktionsenthalpien und Gleichgewichtskonstanten fur mehrere hundert mogliche elementareZund- und Reaktionsschritte.

Millot et al. haben 2002 experimentelle Untersuchungen an flussigem Bor mittels beruhrungs-loser Methoden durchgefuhrt, [217]. Im Temperaturbereich zwischen 2360 und 3100 K wurdendie Dichte, die Oberflachenspannung, die spektrale und totale hemispherische Emissivitat vonflussigem Bor bestimmt. Dazu diente eine aerodynamische Technik, mit der man den flussigenBortropfen mit 3 mm Durchmesser durch einen Argon-Wasserstoffstrahl anhebt. Es zeigte sich,dass Bor im flussigen Aggregatzustand am Schmelzpunkt eine hohere Dichte hat als im festen.Die totale Emissivitat betragt ca. 0.36, im Gegensatz zu typischen Werten fur flussige Metalle,die niedriger liegen.

Tomaszkiewicz hat 2004 die Bildungsenthalpie von Bornitrid, BN, mit Fluor-Kalorimetriebestimmt, [246]. BN kommt in drei polymorphen Formen vor, von denen die hexagonale unddie kubische untersucht wurden. Bornitrid entsteht bei der Borverbrennung in stickstoffhaltigenAtmospharen in großeren Mengen, so auch im Meteor-Triebwerk und wurde im PA-Modellberucksichtigt.

Chin et al. haben 2004 molekulardynamische Untersuchungen fur den Reaktionsmechanis-mus von BO, B2O2 und BS mit H2 durchgefuhrt, [247], deren Ergebnisse auch auf den Bor-verbrennungsmechanismus der Princeton/Aerodyne-Gruppe entscheidenden Einfluss besitzen.Diese Veroffentlichung liefert thermodynamische und kinetische Daten fur eine große AnzahlReaktionen aus der Borverbrennung.

Weitere Molekularsimulationen stammen von der Gruppe um Barreto, die 2005 in [248] eineselbstkonsistente thermochemische Datenbasis fur 88 Spezies im B/F/H/N-System durch Be-rechnung der Elektronenstruktur erstellt hat. Es wurden sowohl stabile als auch Radikalspeziesberucksichtigt. Die bestimmten Großen waren die Atomisierungsenergie, die Bildungsenthalpiebei 0 K und 298.15 K und die Bindungsdissoziationsenergien aller Spezies. Es wurde eine guteUbereinstimmung mit experimentellen und theoretischen Referenzdaten gefunden. Fur die En-thalpie, Entropie und die spezifische Warmekapazitat werden Tabellen mit Polynomkoeffizientenfur deren Berechnung im Temperaturbereich zwischen 200 und 6000 K angegeben. Anwendungs-

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260 E HERLEITUNG DER DIFFERENTIALGLEICHUNGEN FUR BORPARTIKEL

gebiet ist fur diese Gruppe die Bildung von Bornitridfilmen in chemischen Bedampfungsreak-toren, engl. chemical vapor deposition (CVD), deren Vorhersagbarkeit ebenfalls stark von derReaktionskinetik und den thermodynamischen Eigenschaften abhangt.

In einem zweiten Artikel von Barreto et al. von 2005, [249], werden die Elementarreaktio-nen BF3 + BH und BF3 + BN im Temperaturbereich 200 bis 4000 K theoretisch untersucht.Fur diese Untersuchung wurde die konventionelle Theorie des Ubergangszustands herangezogen.Die Geometrie, Frequenz und potentielle Energie der Edukte, Zwischenprodukte und Produktewurden durch genaue Elektronenstrukturberechnungen ermittelt. Daraus wurde schließlich dieGeschwindigkeit der beiden Reaktionen berechnet. Beide Reaktionen sind fur den Reaktions-mechanismus der Princeton/Aerodyne-Gruppe von Belang, sofern Fluorspezies vorhanden sindund Reaktionen mit Stickstoff im Modell zugelassen werden.

Paradis et al., [220], haben 2005 Dichtemessungen flussigen, festen und unterkuhlten Borsahnlich Millot et al., [217], vorgenommen mit dem Unterschied, dass erstens die Probe in ei-ner reinen Argonatmosphare elektrostatisch angehoben wurde und zweitens die Erhitzung mitdrei Lasern in einer Ebene erfolgte, um Symmetrie herzustellen. Das hier betrachtete Tempe-raturintervall fur den flussigen Zustand liegt zwischen 2275 und 2460 K und ist kleiner als beiMillot. Die Ergebnisse weichen nicht unerheblich (±9%) von denjenigen aus [217] und anderenab, zeigen jedoch einen ahnlichen Trend.

Die thermodynamischen und kinetischen Eigenschaften der Reaktionen von BO und BSmit Wasserstoff H2 haben Yin et al. 2006 in [250] im Temperaturintervall zwischen 200 und1200 K untersucht. Die Reaktionen mit BO sind auch Teil des PA-Modells und wegen des hohenWasserstoffanteils in den Gasgeneratorprodukten von großer Bedeutung. Basis der theoretischenBerechnungen sind die statistische Thermodynamik und die Theorie des Ubergangszustands.

Mohanty et al. haben 2007 in [251] die Herstellung von 99.7% reinem Borkarbid mit hohemBoranteil, d.h. BxC mit x > 4, in einem B2O3-Magnesium-Kohlenstoff-basierten mikropyre-tischen Prozess beschrieben. Das Bor zu Kohlenstoff-Verhaltnis verschiedener Proben wurdeexperimentell bestimmt. Von Interesse ist insbesondere das binare Phasendiagramm fur dasBor-Kohlenstoff-System.

E Herleitung der Differentialgleichungen fur das Borpartikel

In diesem Abschnitt wird die detaillierte Herleitung der wahrend der Verbrennung eines Bor-Einzelpartikels zu losenden Differentialgleichungen vorgestellt. Diese basieren auf einer Enthal-pie- und ein bzw. zwei Massenbilanzen.

E.1 Allgemeine Form der Enthalpiebilanz fur ein offenes Mehrkomponenten-system

Fur die Aufstellung der Energiebilanz fur das brennende Borpartikel wird die Systemgrenze umdas Partikel inklusive der Oberflache gelegt. Die Gasphase um das Partikel befindet sich bei dieserBilanz also außerhalb des Systems. Da ein Austausch von Energie und Masse zwischen Partikelund Umgebung erfolgt, handelt es sich thermodynamisch um ein offenes System. Deshalb wirddie Bilanz fur die Enthalpie des Partikels H aufgestellt.

Wie in Abschnitt 7.1.1 gezeigt, ist die Biotzahl der Borpartikel Bi in dieser Anwendungviel kleiner als eins, so dass die Temperaturgradienten innerhalb des Partikels sehr gering sind.Daher ist die vereinfachende Annahme zulassig, dass das Borpartikel von raumlich konstanterTemperatur ist. Von außen uber die Systemgrenze tretende Warmestrome und an der Oberflacheablaufende heterogene Reaktionen fuhren zu einer sofortigen Anderung der Temperatur des ge-

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E.1 Allgemeine Form der Enthalpiebilanz fur ein offenes Mehrkomponentensystem 261

samten Partikelmaterials. Es bleibt auf diese Weise ausschließlich eine zeitliche Veranderlichkeit,so dass nur gewohnliche Differentialgleichungen zu losen sind.

Zur Herleitung geht man zunachst von einer allgemeinen Zustandsfunktion

Z = Z(T, P, n1, n2, . . . , nK)

fur ein Stoffgemisch mit K Komponenten aus. Eine Differentiation dieser Zustandsfunktionliefert

dZ =(∂Z

∂T

)P,nj

dT +(∂Z

∂P

)T,nj

dP +K∑i=1

(∂Z

∂ni

)T,P,nj 6=i

dni , (421)

wobei die partielle Ableitung in der Summe

Zi ≡(∂Z

∂ni

)T,P,nj 6=i

(422)

als partielle molare Zustandsgroße der Komponente i bezeichnet wird. Sie gibt an, wie sich dieZustandsgroße Z durch isotherm-isobare Zugabe von dni Molen der Komponente i andert undist, wie aus der Definition 422 hervorgeht, von der Temperatur, dem Druck und den Molmengensamtlicher Komponenten der betreffenden Phase abhangig, vgl. [252], S. 126ff. Damit gilt ineinem geschlossenen System bei fester Temperatur und festem Druck

Z =K∑k=1

Zknk . (423)

Betrachtet man die Enthalpie als Zustandsgroße, so erhalt man die Gleichung

dH =(∂H

∂T

)P,nj

dT +(∂H

∂P

)T,nj

dP +K∑i=1

(∂H

∂ni

)T,P,nj 6=i

dni . (424)

Es ist zu beachten, dass die partielle molare Enthalpie

Hi ≡(∂H

∂ni

)T,P,nj 6=i

(425)

ungleich dem chemischen Potential µi ist, da man bei der Umwandlung der Potentialfunktion

H = H(S, P, n1, n2, . . . , nK) (426)

dH = V dP + TdS +K∑i=1

µi dni (427)

mit µi =(∂G

∂ni

)T,P,nj 6=i

(428)

in die in Druck und Temperatur explizite Darstellung H = H(T, P, n1, n2, . . . , nK) an Informa-tion verliert und letztere keine Potentialfunktion ist, s. S. 109 in [252].

In einem offenen System ohne Phasenwechsel gilt damit fur die zeitliche Anderung der En-thalpie

dH

dt=(∂H

∂T

)P,nj

dT

dt+(∂H

∂P

)T,nj

dP

dt+

K∑i=1

(∂H

∂ni

)T,P,nj 6=i

dnidt

. (429)

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262 E HERLEITUNG DER DIFFERENTIALGLEICHUNGEN FUR BORPARTIKEL

Aus Gleichung 423 folgt fur die Enthalpie eines isobaren, isothermen, geschlossenen Systems

H =K∑k=1

Hknk . (430)

Das Analogon im offenen isothermen und isobaren System ist eine Enthalpieanderung, diedurch die konvektive oder diffusive Zu- und Abfuhr von Stoff hervorgerufen wird. Diese beinhaltetauch die uber die Systemgrenze tretenden, durch heterogene Oberflachenreaktionen oder Ver-dunstung hervorgerufenen Stoffstrome. Die Stoffstrome ergeben sich aus der zeitlichen Anderungder Molzahl des festen oder flussigen Bors bzw. Boroxids und implizieren einen Enthalpiestrom

Hi =

(∆Hf,298,i +

∫ T

298 KcP,molar,i(T ) dT

)ni , (431)

der sich aus der molaren Enthalpie der Spezies i ∈ B, B2O3 multipliziert mit ihrem Stoffstromuber die Systemgrenze ergibt. Dies ist gleich der partiellen molaren Enthalpie der Komponente imultipliziert mit ihrer zeitlichen Molzahlanderung. Durch diese Große wird die Massenanderungdes Partikels durch Reaktionen oder Verdampfung berucksichtigt.

Hierbei ist zu beachten, dass die Summe der reaktiven Strome aus dem System einerseits undder zu- und abgefuhrten Edukte und Produkte aus der Gasphase andererseits gerade die Reakti-onsenthalpie ergibt, wobei sich ein Teil der Edukte, namlich Bor und B2O3, bereits innerhalb desthermodynamischen Systems befindet. Die Bildungsenthalpie des Elements Bor ist zwar definiti-onsgemaß gleich null, doch der Anteil

∫ T298 K cP,molar,B(T ) dT der Enthalpie des Bors verschwindet

nicht. Die durch Oberflachenreaktionen hervorgerufenen Molenstrome ni entsprechen der Reak-tionsgeschwindigkeit unter Einbeziehung der potentiell vorhandenen diffusiven Hemmung. DerAnteil des Bors, der ohne Reaktion verdampft, erzeugt ebenfalls eine Molzahlanderung des Sy-stems, die mit der negativen12 Verdampfungsenthalpie multipliziert wird.

Die Indices der partiellen Ableitungen der Zustandsgroßen weisen auf die Großen hin, die furdie Bildung der partiellen Ableitung konstant gehalten werden. Dies sind diejenigen Zustands-großen, nach denen in den ubrigen Termen ebenfalls partiell abgeleitet wird. Fur das offeneSystem in Gleichung 429 ist hinzuzufugen, dass die Molzahl nj der Komponente j genau dannkonstant gehalten wird, wenn ihr Stoffmengenstrom nj verschwindet. Eine Indizierung mit derForderung nj = const ist also gleichwertig mit der Aussage nj = 0, die den dritten Term inGleichung 429 verschwinden lasst.

Die Ableitung der Enthalpie nach der Temperatur bei konstantem Druck und fester Zusam-mensetzung ist gleich dem Produkt aus Masse des Partikels und der spezifischen Warmekapazitatbei konstantem Druck (

∂H

∂T

)P,nj

= mP cP . (432)

Der zweite Term auf der rechten Seite der Gleichung 429, die Ableitung der Enthalpie nachdem Druck bei konstanter Temperatur und unveranderter Zusammensetzung, ist nicht gleichdem Volumen, denn dies erhalt man nur im isentropen Fall

V =(∂H

∂P

)S,nj

6=(∂H

∂P

)T,nj

. (433)

Die Differenz zwischen den beiden Ableitungen wird durch den aufsummierten Unterschied zwi-schen partieller molarer Enthalpie und chemischem Potential kompensiert. Im vorliegenden An-wendungsfall wird von einem isobaren System ausgegangen, weshalb der genannte Term in jedemFall zu null wird.

12Es wird die negative Verdampfungsenthalpie eingesetzt, da die Verdunstung dem System Energie entzieht.

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E.1 Allgemeine Form der Enthalpiebilanz fur ein offenes Mehrkomponentensystem 263

Somit lasst sich der erste Hauptsatz der Thermodynamik in Form der zeitlichen Anderungder Enthalpie im offenen isobaren System fur den Fall ohne Phasenwechsel schreiben als

dH

dt= mP cP

dT

dt+

∑i=B(s/l),B2O3(l)

(∆Hf,298, i +

∫ T

298 KcP,molar,i(T ) dT

)ni

=∑j

Qj +KGas∑l=1

(∆Hf,298, l +

∫ T

298 KcP,molar,l(T ) dT

)nl . (434)

Dabei wurden kinetische Energie, der Einfluss außerer Kraftfelder und der Oberflachenspannunggegenuber den hier dominierenden Effekten vernachlassigt. KGas bezeichnet die Anzahl der anden Reaktionen teilnehmenden Gasphasenspezies.

Ein Sonderfall tritt auf, wenn ein Phasenwechsel stattfindet, in dieser Anwendung also derSchmelzvorgang des festen Borpartikels zu einem flussigen Tropfen. Dann bleibt die Temperaturwahrend des Vorgangs konstant und die Enthalpie des Systems erhoht sich um die Schmelz-enthalpie ∆Hm. Dieser Prozess hat eine endliche Geschwindigkeit und wird durch die Fort-schrittsvariable f , 0 ≤ f ≤ 1, beschrieben, wobei f = 0 den festen und f = 1 den flussigenAggregatzustand beschreibt. Somit ist der erste Term auf der rechten Seite der Gleichung 434durch

mP ∆Hmdf

dt(435)

zu ersetzen.Wahrend des Phasenwechsels andert sich auch die Dichte des Partikels13, wodurch es sich

ausdehnt oder zusammenzieht. Dies ruft eine Volumenanderungsarbeit P dV hervor, da dasumgebende Gas verdrangt wird oder sich entspannt, sowie eine Druckanderungsarbeit V dP

H = U + P V

dH = dU + P dV + V dP , (436)

wobei die Enthalpie des Systems im isobaren Fall, in dem die Druckanderungsarbeit entfallt,von einer Anderung der Partikeldichte praktisch unberuhrt bleibt, da die Volumenanderungs-arbeit beim Schmelzen in diesem Anwendungsfall etwa sechs Großenordnungen geringer als dieSchmelzenthalpie ist.

Daraus ergibt sich die Formulierung des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik in Formder zeitlichen Anderung der Enthalpie im offenen isobaren System wahrend des Phasenwechsels

dH

dt= mP ∆Hm

df

dt+

(∆Hf,298,B +

∫ T

298 KcP,molar,B(T ) dT

)nB

=∑j

Qj +KGas∑l=1

(∆Hf,298, l +

∫ T

298 KcP,molar,l(T ) dT

)nl . (437)

Auch hier wurden kinetische Energie, der Einfluss außerer Kraftfelder und der Oberflachenspan-nung vernachlassigt.

13Die Dichte des festen bzw. flussigen Bors ist eine Funktion der Temperatur. Mangels gesicherter Messdatenwerden die beiden aus dem PSU-Originalmodell ubernommenen Werte verwendet, die im Falle des festen Borsbei Raumtemperatur, bei flussigem Bor wohl knapp oberhalb der Schmelztemperatur gemessen wurden. Im je-weiligen Aggregatzustand werden sie daher als konstant angenommen. Die hier beschriebene thermodynamischeBetrachtung kann jedoch immer angewandt werden, unabhangig vom Schmelzvorgang.

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264 E HERLEITUNG DER DIFFERENTIALGLEICHUNGEN FUR BORPARTIKEL

E.2 Allgemeine Form der Massenbilanz fur ein reagierendes Borpartikel

Die Massenbilanz fur das Borpartikel setzt die zeitliche Anderung der Partikelmasse der abrea-gierenden und durch Verdunstung in die umgebende Gasphase ubergehenden Bormasse gleich.Das zeitliche Differential der Masse lautet

dmP

dt=

d

dt(ρP VP )

=dρPdt

43πr3

P + ρP 4πr2P

drPdt

= 4πr2P

[rP3

(dρPdT· dTdt

)+ ρP

drPdt

]. (438)

Wahrend des Phasenubergangs bei der Schmelztemperatur Tm berechnet sich die Dichteande-rung mit der Zeit entsprechend

dρPdt

∣∣∣∣ph

= (ρP, l (Tm)− ρP, s(Tm))df

dt, (439)

wobei ρP, l die Dichte des flussigen und ρP, s die des festen Bors bezeichnet. Hiermit ergeben sichdie folgenden Massenbilanzen fur den Aufheizprozess bzw. Wechsel des Aggregatzustands

dmP

dt= 4πr2

P

[rP3

(dρPdT· dTdt

)+ ρP

drPdt

]= −4πr2

P

nR∑j=1

m′′B,Reakt. j + m′′vap

(440)

dmP

dt

∣∣∣∣ph

= 4πr2P

[rP3

(ρP, l − ρP, s)df

dt+ ρP, ph

drPdt

]= −4πr2

P

nR∑j=1

m′′B,Reakt. j (441)

mit der abreagierenden Massenstromdichte des Bors m′′B,Reakt. j aus der globalen heterogenen Re-aktion j und der Massenstromdichte des verdunstenden Bors m′′vap sowie der linear interpoliertenDichte

ρP, ph = ρP, s(Tm) + (ρP, l(Tm)− ρP, s(Tm)) f (442)

wahrend des Schmelzvorgangs. Die Gesamtanzahl der Oberflachenreaktionen wird mit nR be-zeichnet.

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