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12 Umwelt- biotechnologie Einführung Identifizieren neuer Gene mittels Metagenomik Anreicherung der Kulturen für Umweltproben Sequenzabhängige Techniken in der Metagenomik Auf Funktion oder Aktivität beruhende Umweltanalysen Ökologie und Metagenomik Natürliche Attenuation von Schadstoffen Weiterführende Literatur

Molekulare Biotechnologie || Umweltbiotechnologie

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Page 1: Molekulare Biotechnologie || Umweltbiotechnologie

12Umwelt-biotechnologie

Einführung

Identifizieren neuer Gene mittels Metagenomik

Anreicherung der Kulturen für Umweltproben

Sequenzabhängige Techniken in der Metagenomik

Auf Funktion oder Aktivität beruhende Umweltanalysen

Ökologie und Metagenomik

Natürliche Attenuation von Schadstoffen

Weiterführende Literatur

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336 Umwelt biotechnologie12

Einführung

Unsere Umwelt diente stets als Quelle neuer Pro-dukte und als Inspiration zur Entwicklung neuer Technologien. Die menschliche Spezies weiß die Umwelt sehr erfolgreich für sich zu nutzen. Ebenso gut ist sie aber auch darin, die Umwelt für kurz-fristige Profite zu zerstören oder zu schädigen. Un-sere sichtbare Umwelt ist katalogisiert und kartiert, Gebiete in der Tiefsee oder im unzugänglichsten Dschungel sind jedoch nach wie vor weitgehend unbekannt. Selbst viele Teile der sichtbaren Umwelt beherbergen noch unbekannte Lebensformen, die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind, wie Bakterien und Viren. Diese leben in der Luft, im Wasser und an Land. Viele von ihnen zeichnen sich durch einen einzigartigen Stoffwechsel aus und manche durch zuvor nicht gekannte Fähigkeiten. Zahlreiche Or-ganismen können in extremen Umgebungen leben, die man einst als zu heiß oder zu trocken für die Existenz von Leben erachtete.

Schätzungen zufolge gibt es in der Biosphäre un-gefähr 1031 bis 1032 Viruspartikel und damit eine Zeh-nerpotenz mehr als Wirtszellen. Die „Virosphäre“ (im Englischen spricht man bisweilen von virosphere) stellt wahrscheinlich die größte Quelle für neue Gene dar. Zu dem Zeitpunkt, als dieses Buch geschrie-ben wurde, hatte man erst zwischen 0,1 und 1 % der Mikroorganismen in Kultur gezüchtet. Selbst die Mehrzahl jener, die bei moderaten Temperaturen im Boden oder anderen gewöhnlichen Lebensräumen vorkommen, wurde nicht kultiviert. Neben der DNA in Lebensformen findet sich in der Umwelt auch noch jede Menge freie DNA, die ebenfalls als Quelle für neue Gene dienen könnte. Das Gebiet der Um-weltbiotechnologie hat die Erforschung dieser zuvor verborgenen Lebensformen und DNA revolutioniert. Welche Geheimnisse bergen sie? Welche neuen En-zyme und Proteine wird man finden?

Heute werden molekularbiologische Techniken direkt auf die Umwelt angewendet, um Viren und Bakterien zu erforschen, die nicht in Kultur gezüch-tet werden. In der Hoffnung, neue Gene zu finden, werden routinemäßig mittels PCR zufällige Sequen-zen aus zahlreichen Umweltproben amplifiziert. Im Anschluss an die PCR wird die DNA sequenziert (zu PCR und Sequenzierung s. Kap. 4). Mithilfe com-putergestützter Techniken wird dann ermittelt, ob diese (oder eine nahe verwandte) Sequenz bereits identifiziert ist oder ob es sich um eine völlig neue handelt (s. Kap. 8). Des Weiteren werden Microarrays

erstellt, um die Zahl und Typen der in verschiede-nen Umwelten vorkommenden Mikroorganismen zu vergleichen (s. Kap. 8). Fast jede der in der ersten Hälfte dieses Buches erwähnten Methoden mit re-kombinanter DNA kann auf Proben aus der Umwelt angewandt werden.

Die Umweltbiotechnologie lässt sich in verschie-dene Teilgebiete unterteilen. Dazu gehören die direkte Erforschung der Umwelt, Forschungen mit Fokus auf angewandte Techniken oder Forschungen, bei denen man Informationen aus der Umwelt auf anderen Gebieten anwendet. Dieses Kapitel befasst sich mit direkten Analysen der Umwelt und mit den natürli-chen biochemischen Prozessen. In späteren Kapiteln werden auch Forschungen über angewandte Techni-ken oder Ergebnisse aus der Umweltforschung mit praktischer Anwendungsmöglichkeit behandelt. Bei der Untersuchung verschiedener Umwelten könn-ten neue Lebensformen, neue Stoffwechselwege oder einzelne neue Gene entdeckt werden. Die Techniken der Genomik haben dieses sich rasch ausdehnende Gebiet revolutioniert.

Unsere Umwelt beherbergt zahlreiche unsichtbare

Lebensformen wie Viren, Bakterien oder sonstige

„genetische Einheiten“ (s. Kap. 4).

Identifizieren neuer Gene mittels Metagenomik

Als Metagenomik bezeichnet man die Erforschung des Genoms ganzer Lebensgemeinschaften mikros-kopischer Lebensformen. Zu den angewandten gene-tischen Methoden gehören unter anderem shotgun-DNA-Sequenzierung, PCR und RT-PCR. Manchmal können im Rahmen solcher Forschungen Mikroor-ganismen, Viren oder freie DNA in der natürlichen Umwelt identifiziert werden, indem man Gene oder DNA-Sequenzen dieser Organismen findet. Die Me-tagenomik baut auf das Wissen auf, dass alle Ge-schöpfe Nucleinsäuren besitzen, die für verschiedene Proteinprodukte codieren. Daher muss man die Or-ganismen nicht unbedingt kultivieren, sondern kann sie auch anhand einer bestimmten Gensequenz, eines bestimmten Proteins oder Metaboliten erkennen. Die Vorsilbe Meta- bedeutend „umfassender“ und wird beispielsweise auch bei der Metaanalyse verwendet, wobei mehrere getrennte Analysen statistisch kombi-

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Identifizieren neuer Gene mittels Metagenomik 337 12

niert werden. Die Herangehensweise in der Metage-nomik gleicht der in der Genomik. Der Unterschied zwischen Genomik und Metagenomik liegt in der Natur der Proben.

Bei der Genomik steht ein Organismus im Mit-telpunkt, die Metagenomik befasst sich hingegen mit einem Gemisch von DNA mehrerer Organismen, „genetischer Einheiten“ (d.h. Viren, Viroide, Plas-mide etc.) und/oder freier DNA. In der Metage-nomik erforschen, katalogisieren und analysieren Wissenschaftler die gegenwärtige Vielfalt an Mikro-organismen. Sie entdecken neue Proteine, Enzyme und biochemische Reaktionswege. Zudem hoffen sie, Einblicke in die Eigenschaften und Funktionen der neuen Organismen liefern zu können. Die durch die Metagenomik gesammelten Erkenntnisse haben das Potenzial, unseren Umgang mit der Umwelt zu unse-rem Nutzen oder Schaden zu beeinflussen.

Mithilfe der Metagenomik wurden neue nützli-che Gene in der Umwelt entdeckt, beispielsweise für neue Antibiotika, Enzyme, die Schadstoffe abbauen, und Enzyme, die neue Produkte synthetisieren (Ta-belle 12.1). Auch in der Vergangenheit wurden durch Erforschung von Mikroorganismen aus der Umwelt zahlreiche nützliche Produkte entdeckt. Anfang des 20. Jahrhunderts erforschte Selman Waksman Acti-nomyceten im Boden und entdeckte dabei das An-tibiotikum Streptomycin. In ähnlicher Weise wurde durch metagenomische Forschungen (per Zufall) ein

weiteres Antibiotikum entdeckt, das Turbomycin. Auf der Suche nach Hämolysin-verwandten Genen im Boden unterzogen Wissenschaftler eine Meta-genombibliothek (s. weiter unten) einem Screening. Hämolysin ist ein bakterielles Toxin, das die Mem-branen dafür anfälliger Zellen durchlöchert. Durch die so entstandenen Poren kann der Zellinhalt aus-treten und die Zelle stirbt ab. Außerdem bewirkt Hä-molysin die Lyse roter Blutkörperchen und erzeugt eine klare Zone um eine Bakterienkolonie auf Blu-tagarplatten. Einige E. coli-Klone aus der Bibliothek wiesen eine dunkelrote oder orange Färbung auf. Bei weiterer Analyse dieser Klone fand man die beiden neuen Antibiotika Turbomycin A und B (Abb. 12.1). Es wurden auch neue biologische Abbauwege in Bakterien festgestellt, die kontaminierte Flächen bewohnen. In Bakterien, die diese Schadstoffe als Energiequelle nutzen, identifizierte man Enzyme, welche die toxischen Wirkungen von Schadstoffen auf Erdölbasis reduzieren. Selbst Bakterien, die in radioaktiv verseuchten Umgebungen gedeihen, wur-den entdeckt.

Die Metagenomik erforscht die Genome ganzer

Lebensgemeinschaften mikroskopischer Lebens-

formen. Durch Analysen von DNA-Proben aus der

Umwelt konnte man zahlreiche neue Proteine iden-

tifizieren.

Tabelle 12.1 Durch gene mining identifizierte Gene und Proteine

Gen für Herkunft der Umweltprobe

Esterasen hypersaline anoxische Tiefseebecken im Mittelmeer

Lipasen Bodenproben aus der Umgebung der Universität Göttingen; Bodenproben der landwirt-

schaftlichen Forschungsstation Madison, Wisconsin, USA

Amylasen Bodenproben aus der Umgebung der Universität Göttingen; Bodenproben der landwirt-

schaftlichen Forschungsstation Madison, Wisconsin, USA

Chitinasen Brackwasser und Wasser aus den Küstengewässern der Delaware Bay, USA

Antibiotika

Turbomycin A und B Bodenproben der landwirtschaftlichen Forschungsstation Madison, Wisconsin, USA

Polyketid-Synthasen Bodenprobe von einem Acker in La Cote Saint André, Isère, Frankreich

Vitaminbiosynthese mit Avidin angereicherter Waldboden aus der Umgebung von Göttingen; sandiger Boden

von einem Strand bei Kavala, Griechenland; Vulkanerde vom Mt. Hood, Oregon, USA

4-Hydroxybutyrat-

Dehydrogenase

Bodenproben von einem Zuckerrübenfeld bei Göttingen, einer Wiese bei Northeim und aus

dem Flusstal der Nieme

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338 Umwelt biotechnologie12

12.1 In einer Metagenombibliothek entdeckte neue AntibiotikaBeim Screening einer Metagenombibliothek auf Hämolyseaktivität stellte man drei dunkelbraun gefärbte E. coli-Kolonien

fest. Der sezernierte Farbstoff erwies sich als Gemisch aus zwei verschiedenen Pigmenten (rot und orange). Die reinen

Pigmente zeigen eine starke antimikrobielle Wirkung gegen grampositive und gramnegative Bakterien. Durch Sequenzie-

rung des klonierten Inserts konnte man die für die Synthese der Antibiotika verantwortlichen Gene identifizieren. Verän-

dert aus Gillespie et al (2002). Appl Environ Microbiol 68 (9): 4301–4306.

drei neue gefärbte Klone

klare Zone um eineE. coli-Kolonie aufgrundder Hämolyseaktivität

auf einer Blutagarplatte ausplattierte Metagenombibliothek

Isolierung undSequenzierung der DNA

aus braunenE. coli-Kolonien

Identifikation des braunenPigments durch Fraktionierung

orange

Turbomycin Arot

Turbomycin B

neue Genefür einen

Antibiotika-syntheseweg

N

N

N

HH

H

N

H

N

H

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Anreicherung der Kulturen für Umweltproben 339 12

Anreicherung der Kulturen für Umweltproben

Da eine Metagenombibliothek nur so gut ist wie ihr Inhalt, versucht man das Ausgangsmaterial für metagenomische Forschungen mit verschiedenen Methoden zu verbessern. Zu den Methoden der An-reicherung zählen beispielsweise die Markierung mit stabilen Isotopen (engl. stable isotope probing, SIP), BrdU-Anreicherung und suppressive Subtraktions-hybridisierung.

Die als stable isotope probing (SIP) bezeichnete Methode der Markierung mit stabilen Isotopen wurde ursprünglich entwickelt, um Einkohlenstoffverbin-dungen während ihres Metabolismus durch kulti-vierte Methylotrophe (Bakterien, die auf Einkohlen-stoffverbindungen wachsen) zu verfolgen. Während des Wachstums der Bakterien konnten markierte Vorstufen der Kohlenstoffverbindungen bis in Fett-säuren verfolgt werden. Diese Methode wurde dann so angepasst, dass man sie auf Umweltproben anwen-den konnte, die zum Erstellen von Metagenombib-liotheken gesammelt wurden. Dazu wird eine Was-ser- oder Bodenprobe aus der Umwelt zunächst mit einer Vorstufe wie Methanol, Phenol, Carbonat oder Ammoniak vermischt, die mit einem stabilen Isotop wie 15N, 13C oder 18O markiert wurden (Abb. 12.2). Wenn die Organismen in der Probe das Vorstufen-substrat verstoffwechseln, wird das stabile Isotop in ihr Genom eingebaut. Bei der anschließenden Isolie-rung und Trennung der DNA durch Zentrifugation erweisen sich die Genome, die das markierte Substrat eingebaut haben, als „schwerer“ und können von der anderen DNA in der Probe abgetrennt werden. Die schwerere DNA wandert während der Zentrifugation in einem Cäsiumchloridgradienten weiter. Wie wei-ter unten beschrieben, kann die DNA direkt zur Her-stellung einer Metagenombibliothek verwendet oder in Vektoren kloniert werden. Als besonders nützlich erweist sich diese Technik bei der Suche nach neuen Organismen, die Schadstoffe abbauen können wie Phenol in dem abgebildeten Beispiel.

Bei einer verwandten Technik zur Anreicherung der DNA sich aktiv vermehrender Bakterien in einer Umweltprobe wird 5-Brom-2-desoxyuridin (BrdU) hinzugegeben. Diese Substanz wird nicht nur in ei-nen Teil der Stoffwechselprodukte der Bakterien ein-gebaut, sondern in die DNA und RNA sämtlicher Bakterien oder Viren, die sich aktiv vermehren. Man beachte, dass weder abgetötete oder dormante Bak-terien oder Viren noch freie DNA durch diese Me-

thode markiert werden. Wie zuvor wird die Boden- oder Wasserprobe isoliert und mit BrdU inkubiert. Sämtliche Bakterien, die sich aktiv vermehren, neh-men das Nucleotidanalogon auf und bauen es in ihre DNA ein. Anschließend wird die BrdU-markierte DNA isoliert; dies erfolgt entweder mit Antikörpern gegen BrdU oder durch Dichtegradientenzentrifuga-tion (s. Abb. 12.2).

RNA-SIP zielt darauf ab, RNA (nicht DNA) aus einer Umweltprobe zu isolieren. SSU-rRNA (engl. small subunit ribosomal RNA), also die 16S-rRNA von Bakterien oder die 18S-rRNA von Eukaryoten, eignet sich hervorragend als Biomarker, denn sie ist essenziell für alles zelluläre Leben. Sie kommt in Zel-len in großen Mengen vor und ist bei verschiedenen Arten variabel. Außerdem gibt es eine riesige Daten-bank verschiedener SSU-rRNA-Sequenzen, die eine Identifikation relativ einfach machen. Beim RNA-SIP wird die SSU-rRNA in der Umweltprobe markiert. Wie zuvor beschrieben, werden den Proben dazu 13C-markierte Vorstufen bereitgestellt. Diese werden unabhängig von der Zellteilung in die SSU-rRNA eingebaut, weil ribosomale RNA in sämtlichen Zel-len produziert wird, die Proteine synthetisieren und nicht nur in Zellen während der Replikation. Diese Technik liefert sowohl Informationen über dormante Bakterien als auch über solche, die aktiver sind. Ähn-lich wie zuvor wird die RNA isoliert und mittels Dichtegradientenzentrifugation aufgetrennt. Die rRNA-Banden aggregieren bei der Zentrifugation meist dicht beieinander. Daher müssen die Fraktio-nen wiederholt aufgetrennt werden. Auch die zuletzt übrig bleibende SSU-rRNA-Fraktion kann noch Spu-ren von kontaminierenden, nichtmarkierten rRNAs enthalten, sodass man bei deren Beurteilung sehr vorsichtig sein muss.

Mittels RNA-SIP lassen sich viele verschiedene Mikroorganismen in Umweltproben nachweisen. So hat man beispielsweise Wasser aus einer aero-ben industriellen Abwasseraufbereitungsanlage auf Phenol-abbauende Mikroorganismen hin analysiert. Dazu wurde das Wasser mit 13C-markiertem Phenol inkubiert und die SSU-rRNA durch Zentrifugation isoliert. Anschließend wurden die rRNAs isoliert und mittels RT-PCR, gefolgt von einer denaturierenden Gradienten-Gelelektrophorese amplifiziert. Die Ban-den wurden massenspektrometrisch analysiert, um die häufigste rRNA-Sequenz zu ermitteln. Interes-santerweise stellte sich ein Organismus der Gattung Thauera aus der Gruppe der β-Proteobakterien als sehr häufig heraus, obwohl man diesen gewöhnlich unter denitrifizierenden Bedingungen findet. Vorher

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340 Umwelt biotechnologie12

Bodenprobe

(Methano-trophe)

12C-DNA normale DNA

BrdU-DNA(aktiv wachsend)

sammelt nurBrdU-markierte DNA

13C-DNA

13CH4

13CH4

13 CH 4

13CH4

Boden/Wasser + BrdU

alle sich aktiv vermehrendenBakterien bauen BrdU ein

methanotrophe Bakterienbauen 13CH4 ein

Isolieren der DNA

Zentrifugation„Immunocapture“12.2 Stable isotope probing

und BrdU-AnreicherungUmweltproben können für be-

stimmte Bakterienpopulationen

angereichert werden, indem man

sie mit einer markierten Vorstufe

wie 13C-Methan (links) oder BrdU

(rechts) markiert. Nach Isolierung

der DNA aus der Probe kann

man die markierte DNA mittels

Zentrifugation oder „Immunocap-

ture“ von der übrigen Boden-DNA

abtrennen.

12.3 Suppressive Subtraktionshybridisierung (SSH)Zu Beginn der SSH teilt man die Probe in zwei Hälften auf und gibt jeweils zwei verschiedene Linker hinzu. Anschließend

vermischt man beide mit einer großen Menge normaler DNA, wodurch reichlich Tester:Driver-Heterohybride entstehen

(die rosa/violett gefärbten Stränge). Jede Probe enthält nach wie vor einige einzelsträngige Abschnitte, die keinen kom-

plementären Strang gefunden haben, darunter auch einige normale oder Driver-DNA und einige Tester-DNA mit einem

Linker. Nun werden die beiden Pools vermischt (zu diesem Zeitpunkt liegen sie nicht denaturiert vor). Die einzelsträngi-

gen Abschnitte von Tester A und Tester B lagern sich aneinander und bilden ein Hybridmolekül mit zwei verschiedenen

Linkern auf jeder Seite. Durch Auffüllen der einzelsträngigen Bereiche wird der gesamte Pool für die PCR vorbereitet.

Dann fügt man die Primer zu den beiden verschiedenen Linkern hinzu. Durch die PCR werden nur die Tester A:Tester B-

Heterohybride amplifiziert, weil den anderen Hybriden entweder eine Primer-Bindungsstelle fehlt oder über den Linker ein

self-annealing erfolgt und sie eine Schleifenstruktur bilden.

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Anreicherung der Kulturen für Umweltproben 341 12

Tester Adie Hälfte der DNA aus der

kontaminierten Bodenprobemit Linker A

DriverDNA aus normalem Boden

(im Überschuss)

Tester Bdie Hälfte der DNA aus der

kontaminierten Bodenprobemit Linker B

Vermischen, Denaturierung,Renaturierung

Vermischen, annealing mit ssDNA

AusgangsproduktePCR-Produkte

Auffüllen der Enden und Amplifikation des gesamten Gemischs mittels PCR

Tester A:B-Hybride

einzigartigeTester-A-Sequenz

komplementäreeinzigartige

Tester-B-Sequenz

annealing der Linker aufgrund voninverted repeats

fehlende Primer-Bindungsstellen

nur eines wirdamplifiziert

einzigartigeSequenz aus derkontaminiertenBodenprobe

Vermischen, Denaturierung,Renaturierung

}

}

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342 Umwelt biotechnologie12

war man davon ausgegangen, dass Pseudomonaden das Phenol abbauen.

Bei einer anderen Technik zur Anreicherung von Kulturen, der suppressiven Subtraktionshybridisie-rung (SSH), macht man sich die genetischen Unter-schiede zwischen Proben aus verschiedenen Gebieten zunutze. Bei der normalen Subtraktionshybridisie-rung hybridisiert man zwei verschiedene Proben und entfernt die mRNA, die sich als gleich herausstellt; somit verbleibt nur noch jene mRNA, die sich in den beiden Proben unterscheidet (s. Kap. 3). Nach dem gleichen Prinzip funktioniert die SSH. Zunächst muss man zwei unterschiedliche Bedingungen schaf-fen. Beispielsweise kann man eine Bodenprobe von einem verseuchten Standort mit einer aus der Nähe, von einem nicht kontaminierten Boden, vergleichen. Die beiden Bodenproben werden einen unterschied-lichen Gehalt an Mikroorganismen aufweisen. Mik-roorganismen, die an der kontaminierten Stelle be-sonders häufig vorkommen, verarbeiten den Schad-stoff möglicherweise in ihrem Stoffwechsel.

Nach Isolation der DNA der beiden Proben dient die kontaminierte Bodenprobe als sogenannte Tester-DNA, die Probe des „normalen“ Bodens als Driver. Die Tester-DNA wird aufgeteilt in zwei Hälften; an de-ren Enden werden jeweils verschiedene Linker gekop-pelt, sodass sich ein Tester A und ein Tester B ergeben. Anschließend werden Tester A (mit Linker A), Tester B (mit Linker B) und Driver-DNA gemischt, denatu-riert, um Einzelstränge zu erhalten, und danach neu hybridisiert. Die Driver-DNA liegt gegenüber den Tes-tern im Überschuss vor. Das gewährleistet, dass DNA-Fragmente von Bakterien außerhalb des kontaminier-ten Bereichs in größerer Zahl vorliegen als Bakterien von der kontaminierten Stelle. Die Driver-DNA bildet durch annealing mit allen häufigen DNA-Fragmenten doppelsträngige Hybride, von denen jeweils nur ein Strang mit dem Linker gekoppelt ist. Sämtliche einzig-artige Tester-DNA, die in dem nicht kontaminierten Boden nicht vorkommt, kann ungehindert mit sich selbst hybridisieren und A:A-, B:B- oder A:B-Hybride bilden. Dem Hybridisierungsgemisch werden noch zusätzlich PCR-Primer beigefügt; ein Primer erkennt Linker A, der andere Linker B. Wie in Abbildung 12.3 zu sehen, werden durch die PCR ausschließlich Tester:Tester-Hybride amplifiziert. Da A:A- und B:B-Hybride gegenläufige Linker aufweisen, bilden diese Hybride während des annealing eine pfannenähnliche Struktur und werden bei der PCR nicht amplifiziert. Es erfolgt also nur eine Amplifikation der A:B-Hybride, und diese repräsentieren einzigartige Sequenzen, die sich nur in der kontaminierten Probe finden.

Beim stable isotope probing (SIP) werden einer

Umweltprobe schwere Isotope zugefügt. Dadurch

lassen sich Bakterien oder Viren, die sich aktiv

vermehren, von den übrigen Organismen unter-

scheiden.

RNA-SIP ähnelt SIP, nur werden hierbei die

schweren Isotope in die SSU-rRNA eingebaut. Für

diese Sequenzen müssen die Organismen keine

Zellteilung durchmachen, sie müssen aber metabo-

lisch aktiv sein.

Mit der suppressiven Subtraktionshybridisierung

(SSH) kann man in zwei verschiedenen Proben

vorhandene Mikroorganismen vergleichen; dazu

eliminiert man identische DNA und unterzieht die

einzigartigen Sequenzen einer genaueren Analyse.

Sequenzabhängige Techniken in der Metagenomik

Früher wurden die sequenzabhängigen Techniken in der Metagenomik direkt an kultivierten Proben aus der Umwelt durchgeführt. Im Jahr 1985 sequenzierten Pace und Kollegen die 5S- und 16S-rRNA-Gensequen-zen direkt an Umweltproben ohne Kultur. Zu jener Zeit war dies technisch schwierig. Einfacher gestaltete sich die Analyse spezifischer Organismengruppen ab Anfang der 1990er-Jahre, als mehr und mehr die PCR-Techniken Einzug hielten. Mithilfe von PCR-Primern, die spezifisch für 16S-rRNA-Sequenzen waren, identi-fizierten Wissenschaftler die verschiedenen Organis-men in einer Umweltprobe. Diese Techniken setzen gewisse Kenntnisse der Sequenzen voraus. Überdies lässt sich ein neuer Organismus mit dieser Methode nur anhand seiner 16S-rRNA-Sequenz identifizieren. Über die Physiologie oder Genetik des Organismus erhält man dadurch keine Informationen.

Durch das Erstellen von Metagenombibliothe-ken kann man die gesamte genetische Ausstattung neu entdeckter Lebensformen identifizieren, ohne diese vorher kultivieren zu müssen. Aus der Ge-nomsequenz kann man dann die Physiologie und Funktion des Organismus ableiten. Dazu isoliert man DNA (oder RNA) aus der Umwelt (in einigen Fällen erfolgt noch eine Anreicherung, wie zuvor beschrie-ben). Anschließend erstellt man aus der DNA, die ein Gemisch von Fragmenten zahlreicher Genome darstellt, eine Bibliothek. Solche Bibliotheken ähneln herkömmlichen Genombibliotheken, mit der Aus-

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Sequenzabhängige Techniken in der Metagenomik 343 12

nahme, dass die Ausgangs-DNA Sequenzen vieler verschiedener Organismen enthält und nicht nur die eines einzigen.

Im Grunde kloniert man die gesamte aus einer Umweltprobe isolierte DNA in einen Plasmidvektor und überführt diese Konstrukte in Escherichia coli. Natürlich gelten für diese Bibliothek die gleichen Permutationen wie für eine Bibliothek aus nur einem einzigen Genom. Große DNA-Fragmente können in künstliche Bakterienchromosomen (BACs, bacterial artificial chromosomes) kloniert werden, kleine Ab-schnitte in Plasmide. Um festzustellen, ob ein be-stimmtes Enzym oder Protein in der Bibliothek vor-handen ist, kann man die DNA aus der Umweltprobe in Expressionsvektoren klonieren. Aus Umweltpro-ben isolierte mRNA kann man auch vor dem Klonie-

ren mithilfe von Reverse Transkriptase in cDNA kon-vertieren. Eine solche cDNA-Bibliothek repräsentiert Gene, die in der Umwelt aktiv exprimiert werden. Durch diese Methode vermeidet man eine Klonie-rung nichtcodierender DNA. Natürlich gelten die gleichen Vorbehalte: Die Bibliothek ist immer nur so gut wie ihre Ausgangs-DNA oder -mRNA. Ist diese verunreinigt oder in kleine Stücke zerschnitten, ist die Bibliothek wertlos. Außerdem kann es vorkom-men, dass ein Teil der DNA aus der Umweltprobe nicht in der Bibliothek repräsentiert ist, weil er sich nicht isolieren lässt.

Man kann Metagenombibliotheken sequenzieren, um neue Gene zu finden, oder auf neue Proteinfunk-tionen analysieren (Abb. 12.4). Viele Umweltbiologen wollen neue Enzyme entwickeln oder finden, die

Anreicherung der Kultur

Klon der gesamten Sequenz

mRNA DNA

Umweltprobe

auf der Sequenzbasierende Analysen

auf der Aktivitätbasierende Analysen

direkte Sequenzierungder gesamten Bibliothek

Expression deroffenen Leseraster in

geeignetem Wirt

Metatranskriptomik

• genspezifische PCR• Microarrays• Integronanalyse• FISH• RT-PCR• in situ-PCR• „phylogenetische Anker“

• Expressionsanalyse• Phagen-Biopanning• Differential Display• „Genfallen“• SIP

Metagenomik

Extraktion derNucleinsäuren

Gen-produkt

GGeGeen-npprrooduktt

12.4 Techniken für die Analyse von UmweltprobenAus Umweltproben isolierte DNA

oder mRNA kann man mit vielen

verschiedenen Techniken analysie-

ren. Sämtliche Methoden laufen

darauf hinaus, das Genprodukt und

dessen Funktion in der Umwelt zu

ermitteln.

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344 Umwelt biotechnologie12

Schadstoffe oder verunreinigende Substanzen ab-bauen. Durch Screening der Bibliothek mit einer Se-quenz, die konservierte Domänen bekannter Enzyme enthält, kann man neue Enzyme finden. Auf ähnli-che Weise kann man mithilfe von PCR-Primern für konservierte Domänen bekannter Enzyme nie zuvor identifizierte Gene aus der Bibliothek amplifizieren. So ermöglichen beispielsweise aromatische Oxygena-sen den Abbau aromatischer Kohlenwasserstoffe, wie sie in Erdöl und Kohle vorkommen. Diese Schad-stoffe werden von verschiedenen Organismen abge-baut. Deren Gene und die daran beteiligten Reakti-onswege bilden wesentliche Ziele für das sogenannte Stoffwechsel-Engineering (engl. pathway engineering oder auch metabolic engineering; s. Kap. 13). Durch Verwendung von PCR-Primern für konservierte Re-gionen bekannter aromatischer Oxygenasen kann man die Gene für neue (aber verwandte) Oxygenasen in den Umweltproben identifizieren.

Auf der Sequenz beruhende Analysen für Meta-genombibliotheken sind beispielsweise Microarrays (s. Kap. 8), FISH (s. Kap. 3), RT-PCR (s. Kap. 4), Se-quenzierung mithilfe von „phylogenetischen Ankern“ (engl. phylogenetic anchors) und Integronanalyse (s. unten). Für die Sequenzierung mit phylogenetischen Ankern identifiziert man zunächst die Sequenz eines bekannten Gens. Oft wird als Erstes ein Markergen wie das 16S-rRNA-Gen identifiziert, anschließend erfolgt dann die Sequenzierung der Regionen strom-aufwärts und stromabwärts des Markers.

So hat man beispielsweise eine 16S-rRNA-Se-quenz aus Meerwasser als spezifisches Genomfrag-ment von γ-Proteobakterien identifiziert. Dem 16S-rRNA-Gen benachbart befand sich ein Gen, das dem für Bacteriorhodopsin ähnelte, einer Transmembran-protonenpumpe, die auf Licht reagiert. Ursprünglich dachte man, die Gene für Bacteriorhodopsine exis-tierten nur bei Archaea. Wie diese Analyse zeigte, weisen andere Meeresbewohner ähnliche Gene auf.

Auch mit Microarrays kann man Typen und An-zahl verschiedener Organismen in einer Umwelt-probe ermitteln. Dazu erstellt man zunächst einen Microarray aus einzigartigen Sequenzen bekannter Organismen. Auf diesen wird dann die fluoreszenz-markierte DNA aus der Umweltprobe hybridisiert. Die Ergebnisse können bestätigen, ob ein bestimmtes Bakterium, Virus oder Gen vorhanden ist oder nicht; die relative Häufigkeit kann man anhand der Intensi-tät der Fluoreszenz feststellen. Ähnliche Informatio-nen erhält man mittels FISH und RT-PCR. Hier wird die DNA der Umweltprobe nur mit wenigen Sonden beziehungsweise Primern analysiert. Die Ergebnisse sind sehr viel direkter und darauf ausgerichtet, be-kannte Organismen zu identifizieren.

Mit der Integronanalyse (engl. integron analysis) kann man offene Leseraster feststellen, die von In-tegrons verwendet werden; damit lassen sich mehr neue, bislang unbekannte Gene identifizieren als mit den bisher genannten Techniken (Abb. 12.5). Integ-rons sind verwandt mit Transposons (s. Kap. 1) und

Sequenzierung der Sargasso-SeeIm Jahr 2004 veröffentlichte das Wissenschaftsmagazin

Science eine der umfassendsten Metagenomanalysen

(Science 304: 66–74). Craig Venter (der mit seiner Firma

das menschliche Genom sequenzierte) setzte sich in ei-

nem großangelegten Unterfangen zum Ziel, die aus der

Sargasso-See isolierte DNA zu sequenzieren. Die Sar-

gasso-See ist ein Bereich des Nordatlantik mit relativ

hohem Salzgehalt. Daher vermutete man hier eine gerin-

gere Biodiversität. Auf einer Fahrt mit seinem Segelboot

entnahm er an verschiedenen Stellen in rund anderthalb

Metern Tiefe Wasserproben. Nach dreimaligem Filtern

mit jeweils immer feineren Filtern wurden die Wasser-

proben eingefroren. Die Filter sandte er von Zeit zu Zeit

zur DNA-Sequenzierung nach Maryland. Dort wurde die

DNA extrahiert und mit hohem Druck durch eine kleine

Öffnung gepresst, um sie in kleine Abschnitte zu zer-

legen. Ähnlich wie bei der Analyse des menschlichen

Genoms wandte Venters Forschungsgruppe die Methode

der shotgun-Sequenzierung an und ließ die überlappenden

Sequenzabschnitte dann per Computer zusammensetzen.

Wie sich bei diesen Analysen herausstellte, weist die

Sargasso-See mit rund 1800 verschiedenen Arten von

Mikroorganismen einen höheren Artenreichtum auf, als

erwartet. Gefunden wurden 150 neue Arten von Bakterien

und Archaea sowie über 1,2 Millionen neue Gene. Inter-

essanterweise entdeckten die Wissenschaftler auch mehr

als 700 verschiedene Bacteriorhodopsingene. Mithilfe von

Bacteriorhodopsin machen sich Bakterien die Energie des

Lichtes zunutze; es ist nahe verwandt mit Rhodopsin, dem

lichtempfindlichen Protein in den Augen von Säugetieren.

Die bei diesen Forschungen ermittelten Sequenzen sind

für alle Interessierten kostenlos online abrufbar auf der

Webseite des National Center for Biotechnology Informa-

tion (NCBI; http://www.ncbi.nlm.nih.gov).

Exkurs 12.1

Page 11: Molekulare Biotechnologie || Umweltbiotechnologie

Sequenzabhängige Techniken in der Metagenomik 345 12

von besonderer Bedeutung für die Ausbreitung von Genen für Antibiotikaresistenz und andere Eigen-schaften, durch die der Wirt in einer bestimmten Umgebung einen Wachstumsvorteil erlangt. Bei In-tegrons handelt es sich um genetische Elemente mit einer Erkennungsstelle (attI) für den Einbau eines als Genkassette bezeichneten DNA-Abschnitts, einem Promotor zur Expression der Genkassette (Pc) und einem Gen für Integrase (intI) – das Enzym, wel-ches die Rekombination der Genkassette in das In-tegron bewirkt. Genkassetten sind DNA-Abschnitte mit einem oder zwei offenen Leserastern (ORF, engl. open reading frame) ohne Promotoren, flankiert von 59-Basen-Elementen (59-be, auch als attC-Stellen bezeichnet). Wenn die Integrase die 59-be-Sequenz erkennt, schneidet sie die Genkassette heraus und

baut sie stromabwärts des Pc-Promotors ein. Das ermöglicht die Expression des offenen Leserasters in Protein. Die 59-be-Sequenzen können unterschied-lich lang sein, müssen jedoch eine sieben Nucleotide umfassende konservierte Sequenz enthalten.

Die Genkassetten sind der interessante Teil des Szenarios und der Schlüssel zur Integronanalyse. Erstmals identifiziert wurden Genkassetten, weil sie vielfach Antibiotikaresistenzgene codieren; sie kön-nen jedoch Gene aller Art codieren. Durch ein Scree-ning von Metagenombibliotheken mithilfe von PCR-Primern, welche die 59-be-Sequenzen erkennen, kann man diese offenen Leseraster amplifizieren. Mit dieser Methode konnte man neue Gene identifizie-ren, die mit denen für DNA-Glykosylasen, Phospho-transferasen und Methyltransferasen verwandt sind.

Pint

Pint

Pc

AttI

AttI

59-be 59-be

+

Integrasegen

Integrasegen

Genkassette

Integron mit Genkassette

Integron (ohne Genkassette)

offenesLeseraster

offenesLeseraster

IntI-Protein

Expression desoffenen Leserasters

als Protein

12.5 IntegronanalyseIntegrons sind genetische Elemente,

die Genkassetten einbauen und ex-

primieren. Ein Integron enthält drei

Hauptbestandteile: Ein Integrasegen

unter Kontrolle seines eigenen Pro-

motors (Pint), eine attI-Sequenz zum

Einbau der Genkassette und einen

Promotor zur Expression der Gen-

kassette (Pc). Wenn die Integrase

exprimiert wird, sucht sie das Ge-

nom nach Genkassetten ab. Diese

schneidet die Integrase dann heraus

und baut sie an der attI-Sequenz in

das Integron ein. Mithilfe von PCR-

Primern für 59-be-Sequenzen kann

man sämtliche offenen Leseraster in

Genkassetten isolieren und potenzi-

ell neue Gene identifizieren.

Page 12: Molekulare Biotechnologie || Umweltbiotechnologie

346 Umwelt biotechnologie12

Außerdem kann man so auch neue Antibiotikare-sistenzgene finden. Die Integronanalyse erweist sich ebenfalls als nützlich für die Erforschung der bak-teriellen Evolution und des Gentransfers, weil diese Elemente während der Konjugation von Bakterium zu Bakterium übertragen werden können.

Mit Metagenombibliotheken kann man die gesamte

genetische Ausstattung neu entdeckter Lebens-

formen identifizieren, ohne dazu den Organismus

kultivieren zu müssen.

DNA aus Umweltproben kann man mit verschie-

denen Methoden analysieren, zum Beispiel FISH,

Microarrays, Sequenzierung und RT-PCR.

Durch Analyse der an bekannte Gene angren-

zenden Regionen kann man neue Gene mit vielen

verschiedenen Funktionen identifizieren. Man

spricht hier von einer Sequenzierung mithilfe „phy-

logenetischer Anker“.

Integrons ähneln Transposons, haben jedoch

die Fähigkeit, Gene verschiedener Organismen ein-

zufangen und diese auf andere zu übertragen. Bei

einer Integronanalyse einer Metagenombibliothek

wird mittels PCR die Sequenz zwischen den 59-be-

Sequenzen amplifiziert, welche die vom Integron

eingefangenen Gene erkennt.

Auf Funktion oder Aktivität beruhende Umweltanalysen

Neben den auf Sequenzen beruhenden Methoden kann man Metagenombibliotheken auch auf ver-schiedene Funktionen hin analysieren (Abb. 12.6). Zu den funktionellen Methoden gehören beispielsweise Expressionsanalysen mit verschiedenen „Genfallen“ (engl. genetic traps) und das Phagen-Biopanning. Selbst die bereits beschriebene Methode des stable isotope probing könnte man als funktionsbasierte Me-thode kategorisieren, sofern es sich bei dem mar-kierten Substrat um einen spezifischen Metaboliten handelt, der die Kultur auf Basis der Stoffwechsel-funktion anreichert. Der Analyse einer Metagenom-bibliothek durch Sequenzierung sind Grenzen ge-setzt. Zum einen lässt sich die Funktion zahlreicher Gene fremder Organismen nicht von deren Sequenz ableiten. Zum anderen kann es vorkommen, dass man eine völlig neue Klasse von Genen gar nicht findet, wenn man nur mit bekannten Genen nach neuen Mitgliedern einer Genfamilie sucht. Für die

Suche nach Enzymen, die Bacteriorhodopsin ähneln, würden Wissenschaftler zur Analyse der Bibliothek beispielsweise Primer verwenden, die bekannten Bacteriorhodopsinen gleichen. Damit würden sie si-cher einige Gene identifizieren, andere jedoch nicht, wenn ihre Sequenzen zu sehr abweichen. Bei einer Analyse dieser Bibliothek auf Protonenpumpen, die auf Licht reagieren, würde man hingegen sämtliche Enzyme identifizieren, die diese Funktion erfüllen, ganz gleich, welche Sequenz sie aufweisen.

Die Expressionsanalyse ist von der Wahl des Ex-pressionsvektors abhängig. Die Expression von Pro-teinen aus metagenomischen DNA-Fragmenten er-folgt, wenn man diese in einen Vektor mit Start- und Stoppsequenzen für die Transkription und Trans-lation kloniert. Anschließend muss man sich einen einfachen Test für die Zielfunktion ausdenken. Bei-spielsweise kann man die Bibliotheksklone auf ei-nem bestimmten toxischen Schadstoff ausplattieren. Wenn eines der Bibliotheksinserts für ein Enzym co-diert, das den Schadstoff abbaut, wird dieser spezielle Bibliotheksklon wachsen. Das DNA-Insert kann man dann isolieren und sequenzieren.

Für eine weitere funktionelle Analyse verknüpft man metagenomische DNA „in frame“ mit einem Gen für grün fluoreszierendes Protein (GFP), dem der Promotor fehlt. Die Gene vieler Enzyme werden durch deren eigene Substrate angeschaltet. Wird die-ser Typ Gen vor ein Promotor-loses GFP kloniert, so erfolgt die Regulation des GFP-Gens durch dasselbe Substrat. Ist das interessierende Substrat im Wachs-tumsmedium für die Bibliothek enthalten, werden sämtliche Klone mit Genen, die durch das Substrat aktiviert werden, ebenfalls GFP produzieren. Dies zeigt sich in einer grünen Fluoreszenz der Zellen. Eine schnelle und einfache Möglichkeit zur Isolie-rung der fluoreszierenden Klone bietet die Durch-flusscytometrie (FACS, s. Kap. 6).

Das größte Hindernis für funktionsbasierte Analy-sen ist eine erfolgreiche Genexpression. Den Wirtsor-ganismus (z.B. E. coli ) zur Expression fremder Gene zu veranlassen, ist eine Art Glücksspiel: Manche Genpro-dukte wirken toxisch auf den Wirtsorganismus, manche benötigen zur Expression andere Faktoren, und wieder andere haben vielleicht eine sehr geringe Aktivität. Ein weiteres Problem stellt ganz einfach die Menge dar. Gewöhnlich ist die Zahl potenzieller Klone, die ein ge-wünschtes Gen enthalten, gering; daher müssen riesige Mengen von Klonen analysiert werden, um nur ein oder zwei Gene zu identifizieren. So wurden beispiels-weise die Lipasen, die in Bodenproben aus Deutsch-land identifiziert wurden (s. Tabelle 12.1), nur in einem

Page 13: Molekulare Biotechnologie || Umweltbiotechnologie

Auf Funktion oder Aktivität beruhende Umweltanalysen 347 12

von 730 000 Metagenomklonen gefunden. In einem anderen Fall fand man beim Screening von 1 480 000 Klonen lediglich zwei neue Na+/H+-Antiporter. Aus diesem Grund sind die Methoden zur Anreicherung der Kultur ein bedeutender Aspekt beim Erstellen von Metagenombibliotheken (s. weiter vorne).

Beim Phagen-Biopanning in der Metagenomik wird im Grunde die gleiche Methode angewandt

wie beim Phagen-Display (s. Kap. 9). Klonierte DNA-Inserts werden als Fusionsproteine mit einem Pha-genhüllprotein auf der Phagenoberfläche exprimiert. Weil die an der Oberfläche exprimierten Proteine nur Abschnitte von Fremdproteinen tragen, spielen die mit einer heterologen Expression einhergehen-den Probleme hier nur eine untergeordnete Rolle. Die klonierte DNA stammt von irgendwelchen in

wachsende Kolonien besitzenEnzyme zum Abbau des Substrats

Substrat

Phage mit verschiedenen Peptiden derMetagenombibliothek an der Oberfläche

Produkt

a Expressionsanalyse

fluoreszierende Bakterienzelle

b Assoziationsanalyse

c Phagen-Biopanning

Substrat GFPBibliotheksinsert

GFPEnzym

Glas-kugel

Glas-kugel

12.6 Auf der Funktion beruhende Methoden in der Metagenomika Bei einer Expressionsanalyse

(engl. expression screening) werden

jene Klone identifiziert, die durch

Verstoffwechslung eines bestimm-

ten Substrats wachsen. Um das

Wachstum anderer Bibliotheksklone

zu unterdrücken, muss dieses

Substrat die einzige Quelle für Koh-

lenstoff, Stickstoff oder Schwefel

in einem Minimalmedium sein. b

Durch Assoziationsanalyse (engl.

guilt-by-association) kann man ex-

primierte Gene identifizieren, deren

Produkte ein bestimmtes Substrat

metabolisieren. Voraussetzung ist,

dass der natürliche Promotor für

die verantwortlichen Gene ebenfalls

vorhanden ist, sofern die in die

Bibliothek eingebaute Sequenz (Bib-

liotheksinsert; engl. library insert) für

die Verstoffwechslung des Substrats

verantwortlich ist. Ist dieser Promo-

tor aktiv, so kann er ein Reportergen

wie gfp exprimieren, welches für das

grün fluoreszierende Protein codiert.

Positive Zellen können dann durch

Durchflusscytometrie (FACS, engl.

fluorescent activated cell sorting;

s. Kap. 6) von den anderen isoliert

werden. c Mittels Phagen-Biopan-

ning kann man Proteinbindungs-

partner identifizieren. Dazu werden

Peptide aus einer Metagenombi-

bliothek an ein Hüllprotein eines

Bakteriophagen gekoppelt und auf

dessen extrazellulärer Oberfläche

exprimiert. Bringt man den Phagen

mit dem interessierenden Bindungs-

partner zusammen (immobilisiert an

einer Glaskugel), binden jene Meta-

genompeptide, die an das interessie-

rende Protein binden, an die Kugel

und lassen sich leicht vom Rest des

Phagenklons isolieren.

Page 14: Molekulare Biotechnologie || Umweltbiotechnologie

348 Umwelt biotechnologie12

der Umweltprobe enthaltenen Organismen. Somit könnten die exprimierten Proteinabschnitte Teil ei-nes Enzyms, eines Membranproteins usw. sein. Der Erfolg einer Phagen-Display-Bibliothek hängt daher von der Screening-Methode ab. Mittels Phagen-Bio-panning kann man beispielsweise Bindungspartner für einen bestimmten Schadstoff, Metaboliten oder selbst für ein anderes Protein identifizieren. Ist das Zielmolekül an einer Glaskugel immobilisiert, so werden sämtliche Phagen, die ein an das Zielprotein bindendes Proteinsegment tragen, an der Kugel haf-ten bleiben. Danach kann man den Phagen isolieren und das DNA-Insert sequenzieren, um die dafür ver-antwortliche Sequenz zu ermitteln.

Durch Screening der metagenomischen Expressi-

onsbibliothek auf eine bestimmte Funktion, wie das

Wachstum auf einem Schadstoff, lassen sich neue

Gene identifizieren, deren Produkte diesen Schad-

stoff abbauen.

Bei einer Expressionsanalyse ist die Metage-

nombibliothek eine Expressionsbibliothek, d.h. der

Vektor enthält die Initiations- und Terminations-

sequenzen für die Transkription und Translation.

Steht dem Bibliotheksklon zum Wachstum nur ein

einziges Substrat zur Verfügung, so vermehren sich

nur jene Klone, die das Substrat tatsächlich ver-

stoffwechseln können.

Assoziationsanalysen beruhen darauf, dass

das Bibliotheksinsert die natürlichen Promotoren

enthält, die vom Substrat reguliert werden. Wenn

das Substrat seinen natürlichen Promotor aktiviert,

enthalten die Vektorsequenzen ein Reportergen,

das exprimiert wird.

Durch Phagen-Biopanning lassen sich Probleme

vermeiden, wie sie bei der Expression so vieler

verschiedener Gene einer Metagenombibliothek

entstehen. Durch diese Methode lassen sich neue

Bindungspartner für ein bestimmtes Protein oder

Substrat identifizieren.

Ökologie und Metagenomik

Wie in der Einführung erwähnt, werden in der Me-tagenomforschung in Umweltproben enthaltene Bak-terien, Viren und selbst einfache „genetische Ein-heiten“ analysiert. Die Ergebnisse dieser Forschun-gen können in vielen Bereichen von praktischem Nutzen sein, unter anderem auch in der ökologi-schen Forschung. So hat man beispielsweise mittels Metagenomtechniken die gesamte Genomsequenz

symbiontischer Organismen ermittelt. Zum Beispiel leben Bakterien der Gattung Buchnera symbiontisch in Blattläusen. Diese Bakterien produzieren für die Blattläuse essenzielle Aminosäuren. Als Gegenleis-tung liefern die Blattläuse den Bakterien Kohlenstoff und Energiequellen. Diese Beziehung ist so verfloch-ten, dass keiner der beiden Organismen ohne den anderen leben kann. Die Bakterien haben so viele ih-rer ursprünglichen Funktionen eingebüßt, dass man sie beinahe als Organellen bezeichnen könnte. Da es keine Möglichkeit gibt, die Bakterien außerhalb von Blattläusen zu kultivieren, lässt sich keine herkömm-liche Genombibliothek erstellen. Daher erstellte und sequenzierte man stattdessen eine Metagenombib-liothek, die sowohl DNA der Blattläuse als auch von Buchnera enthielt. Das tatsächliche Ausmaß der wechselseitigen Abhängigkeit kam erst ans Licht, als man beide Genome analysierte.

Ganz ähnlich ging man vor, als man das gesamte Genom von Bakterien aus Bartwürmern (Pogono-phora) aus der Tiefsee sequenzierte. Die Bartwürmer leben in der Umgebung von Hydrothermalschloten in einer schwefelreichen Umgebung mit Temperaturen von bis zu 400 °C. Die Würmer besitzen weder Mund noch Verdauungstrakt und sind für ihre Ernährung völlig auf symbiontische Vertreter der Proteobakte-rien angewiesen. Die Bakterien leben in einer spe-zialisierten Struktur, dem sogenannten Trophosom, und oxidieren dort Schwefelwasserstoff zur Energie-gewinnung. Mithilfe dieser Energie stellen sie Ami-nosäuren her, von denen sich der Wurm ernährt. Im Gegenzug sammelt der Wurm Schwefelwasserstoff, Sauerstoff und Kohlendioxid und transportiert diese zu den Bakterien. Die Metagenombibliothek enthielt sowohl Bartwurm- als auch Bakteriengenome, lie-ferte jedoch zuvor unbekannte Informationen über die Bakterien. So besaßen die Bakterien zum Beispiel Gene für Flagellen, was darauf schließen lässt, dass sie möglicherweise auch eine mobile Phase aufwei-sen. Tatsächlich legen andere Beobachtungen nahe, dass die Bakterien sich durch das Meerwasser fortbe-wegen und andere junge Würmer besiedeln.

Die Metagenomik kann auch dazu beitragen, die Konkurrenz und Kommunikation unter Mikroor-ganismen zu verstehen. Diese Forschungen könnten weitreichend Anwendung in vielen Umwelten fin-den. Mittels funktioneller Metagenomik kann man kleine Moleküle identifizieren, die für das Überleben der Mikroorganismen wichtig sind, etwa Antibiotika. Metagenombibliotheken können mittels funktionel-ler Tests zur Identifikation neuer Antibiotika auf An-timikrobenaktivität hin untersucht werden. Zusätz-

Page 15: Molekulare Biotechnologie || Umweltbiotechnologie

Natürliche Attenuation von Schadstoffen 349 12

lich kann man mit sequenzbasierten Analysen der Metagenombibliotheken Synthasen identifizieren, die neue Polyketide herstellen können (das sind Antibio-tika, die mit Erythromycin und Rifampycin verwandt sind; zur Polyketidsynthese s. Kap. 13). Mit weiteren funktionellen metagenomischen Screenings konnte man Quorum-sensing-Moleküle identifizieren. Diese sind Indikatoren für die Populationsdichte von Bak-terien. Da viele Bakterien nur dann Eukaryotenzellen infizieren oder Toxine bilden, wenn sie in ausreichen-der Zahl vorhanden sind, bietet das Eingreifen in den bakteriellen Kommunikationsprozess des Quorum sensing eine neue Möglichkeit der antibakteriellen Therapie. Somit ist dieses Gebiet von direkter klini-scher Bedeutung. Durch Koexpression von Metage-nomklonen mit dem Reporter GFP konnte man neue Quorum-sensing-Moleküle identifizieren. Wenn die Klone ein Quorum-sensing-Molekül exprimieren, aktiviert dies die Expression von GFP und bringt die Bakterien zum Fluoreszieren. Anschließend kann man den Quorum-sensing-Metagenomklon mittels FACS oder mikroskopisch isolieren, sequenzieren und so die Identität der beteiligten Gene feststellen.

Das Identifizieren neuer Gene mithilfe der Metage-

nomik erweist sich als sehr vielversprechend für

das Verständnis unserer Umwelt und potenziell

auch für die Lösung einiger Gesundheitsprobleme

des Menschen.

Natürliche Attenuation von Schadstoffen

Auch in der biogeochemischen Forschung kann man die Metagenomik einsetzen. Wenn wir wissen, wie sich Bakterien auf die Umwelt auswirken, werden wir dadurch vielleicht auch Wege finden, das Über-leben unserer eigenen Art zu sichern. Erkenntnisse, wie es Bakterien schaffen, in extremen Umwelten zu überleben, bringen vielleicht für die Biotechnologie nützliche biochemische Prozesse ans Licht. Am be-deutendsten ist jedoch: Wenn wir herausfinden, wie Bakterien mit Schadstoffbelastungen zurecht kom-men, ist es eventuell möglich, an nützliche Enzyme zu gelangen, um die von uns selbst verursachte Um-weltverschmutzung zu beseitigen.

Rasche Fortschritte hat die Biotechnologie bei-spielsweise auf dem Gebiet der biologischen Sanie-

rung oder Bioremediation gemacht. Unsere Umwelt ist durch zahlreiche menschengemachte Schadstoff-verbindungen verunreinigt, ob aus dem alltäglichen Gebrauch, unbeabsichtigt oder vorsätzlich in die Umwelt gelangt. Viele Umweltbiotechnologen erfor-schen „biologische“ Methoden zur Reinigung der Umwelt. Durch Ausbringen von Organismen, die einen Schadstoff abbauen können, ließe sich eine Verschmutzung tatsächlich auf sehr einfache, kosten-günstige Weise reinigen.

Häufig haben natürlich vorkommende Mikro-organismen die Fähigkeit, vom Menschen erzeugte Schadstoffe abzubauen. So verfügt beispielsweise Rhodococcus über ein äußerst vielfältiges Repertoire an Stoffwechselwegen zum Abbau von Schadstof-fen. Dazu gehören: kurz- und langkettige Alkane, aromatische Moleküle (sowohl halogenierte als auch nitrosubstituierte) sowie hetero- und polyzyklische aromatische Verbindungen wie Chinolon, Pyridin, Thiocarbamat, s-Triazin-Herbizide, 2-Mercaptoben-zothiazol (eingesetzt als Vulkanisationsbeschleuni-ger), Benzothiophen, Dibenzothiophen, MTBE (s. unten) und die verwandten Ethyl-tert-butylether (ETBE). Zunächst besitzt Rhodococcus verschiedene Enzyme, die toxische Verbindungen abbauen, etwa Cytochrom-P450-Enzyme. Diese wirken sehr effizi-ent und vielseitig in Oxidationsreaktionen und kata-lysieren viele Reaktionen, darunter die Epoxidierung (Abb. 12.7). Weitere Enzyme, die entscheidende Ab-bauschritte katalysieren, sind unter anderem Mono- oxygenasen und Dioxygenasen; diese spielen eine Rolle beim Abbau aromatischer Verbindungen (s. Kap. 13).

Darüber hinaus können mehrere Stämme von Rhodococcus in Lösungsmitteln wie Ethanol, Butanol, Dodecan und Toluol überleben, die viele andere Bak-terien abtöten. Die Erdöl-abbauenden Stämme haften sogar an Öltröpfchen! Rhodococcus-Spezies finden sich in Umwelten aller Art, etwa in Atommüllse-dimenten, in tropischen und arktischen Böden, an Orten in Europa, Japan und den Vereinigten Staaten. Aus genetischer Sicht hat Rhodococcus zudem einzig-artige Eigenschaften, die für den biologischen Ab-bau von Vorteil sind. Das Genom des Rhodococcus-Stammes RHA1 umfasst 9,7 Mb DNA, darunter ein Chromosom und drei große lineare Plasmide. Die Plasmide könnten eine entscheidende Rolle spielen, weil sie für den Gentransfer und Rekombinations-ereignisse von Bedeutung sind. Die Gene für die katabolen Enzyme finden sich oft in Form von Clus-tern, flankiert von inverted repeats (invertierten Se-quenzwiederholungen); das legt nahe, dass sie durch Rekombination erworben und von Stamm zu Stamm

Page 16: Molekulare Biotechnologie || Umweltbiotechnologie

350 Umwelt biotechnologie12

weitergegeben werden. Durch einen solchen horizon-talen Gentransfer können diese katabolen Regionen in andere Bakterien wie Pseudomonas und Mycobac-terium gelangen. In Kapitel 13 über Stoffwechsel-Engineering werden einige Plasmide beschrieben, die Schadstoff-abbauende Enzyme codieren.

Verschiedene Schadstoffe werden auf unter-schiedliche Weise abgebaut. In manchen Fällen kann ein einzelner natürlich vorkommender Organismus einen Schadstoff vollständig abbauen. Für den voll-ständigen Abbau anderer Schadstoffe ist mehr als ein Bakterientyp notwendig. Manche Schadstoffe wer-den sehr langsam abgebaut. Schwermetalle können nicht chemisch abgebaut werden und werfen daher größere Probleme auf als organische Moleküle. Die meisten Umweltbiotechnologen suchen nach Mikro-organismen, die das Schwermetall in eine feste Phase absondern. Durch Umwandlung solcher Schwerme-talle wie Uran aus einer wässrigen Phase in eine feste Phase lassen sich zum Beispiel Trinkwasservorräte reinigen. So können bestimmte anaerobe Mikroor-ganismen Uran (VI) zu Uran (IV) reduzieren, indem sie dieses Metall als terminalen Elektronenakzeptor verwenden. Dadurch wird Uran von einer flüssigen in eine unlösliche Form umgewandelt. Im Rahmen einer Studie mischte man an einem mit Uran kon-taminierten Standort (Old Rifle, Colorado, USA) Acetat ins Grundwasser. Acetat wirkt als Elektronen-donator und regt die Metall-reduzierenden Bakte-rien dazu an, Uran in die feste Phase umzuwandeln. Innerhalb von 50 Tagen konnte auf diese Weise bei einigen kontaminierten Quellen der Urangehalt auf unter das gesetzlich vorgeschriebene Maß verringert werden. Trotz dieser recht vielversprechenden Ergeb-

nisse verflüchtigte sich das Acetat mit der Zeit, und die Konzentration an löslichem Uran stieg wieder an. Daher werden vor allem Forschungen notwendig sein, um Möglichkeiten zu finden, wie man Uran dauerhaft aus dem Grundwasser beseitigen kann.

Als weiterer hartnäckiger Schadstoff kann Me-thyl-tert-butylether (MTBE) das Grundwasser be-lasten. Es dient als Antiklopfmittel in Benzin. Von ei-ner Verseuchung des Grundwassers mit MTBE wurde schon in vielen Fällen berichtet. Eine natürliche Me-thode zur Reinigung solcher Verschmutzungen wäre also von großem praktischen Nutzen. In den USA wurde MTBE von der Umweltschutzbehörde (United States Environmental Protection Agency) als poten-zielles Cancerogen eingestuft; daher darf Trinkwas-ser maximal 20 bis 40 μg/L enthalten. An einer kontaminierten Stelle im Bundesstaat South Caro-lina waren große Mengen MTBE-haltiges Benzin aus einem unterirdischen Speichertank einer Tankstelle ausgetreten und in einen Drainagegraben gelangt. Die MTBE-Konzentration im Wasser war gering, und in der zwei Meter breiten Lücke zwischen der anaeroben und aeroben Zone wurde MTBE von na-türlich vorkommenden Mikroorganismen abgebaut. Daraufhin durchgeführte Untersuchungen bestätig-ten, dass Bakterien wie Methylobium petroleophilum PM1 MTBE in Übergangsbereichen von anaeroben (anoxischen) zu aeroben (oxischen) Bedingungen abbauen können. Als man in South Carolina in die anaeroben Bereiche des Einzugsgebietes der MTBE-Kontaminierung eine Verbindung ausbrachte, die Sauerstoff freisetzte, verringerte sich dort der Ge-halt an MTBE von 20 mg/L auf 2 mg/L. Dies zeigt, dass eine Biostimulation eine gute Methode zur

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S

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12.7 Durch Rhodococcus kataly-sierte OxygenasereaktionenRhodococcus kann verschiedene

Reaktionen katalysieren, darunter

die Epoxidierung durch Cytochrom-

P450-Enzyme (a), die Hydroxylierung

von Alkylgruppen durch Alkan-Mono-

oxygenasen (b) und die Sulfoxidation

von Sulfid zu Sulfoxid (c).

Page 17: Molekulare Biotechnologie || Umweltbiotechnologie

12Weiterführende Literatur 351

Reinigung von Kontaminationen sein könnte. Un-ter Biostimulation versteht man das Ausbringen von Nährstoffen, Oxidantien oder Elektronendonatoren in die Umwelt, um dadurch natürlich vorkommende Mikroorganismen zum Abbau eines Schadstoffs an-zuregen. In anderen mit MTBE kontaminierten Ge-bieten muss man vielleicht eine Bioaugmentation durchführen, also die spezifischen Mikroorganismen plus ihre Energiequelle ausbringen. Dabei kann es sich um natürlich vorkommende Mikroorganismen handeln, um mehrere verschiedene Organismen ge-meinsam oder auch um genetisch modifizierte Orga-nismen (s. Kap. 13).

Bei der biologischen Sanierung oder Bioremediation

werden Organismen wie Bakterien dazu verwendet,

mit Schadstoffen belastete Gebiete zu reinigen.

Verschiedene Schadstoffe werden auf unter-

schiedliche Weise abgebaut. Manchmal kann ein

einziger natürlich vorkommender Organismus einen

Schadstoff vollständig abbauen. Für den komplet-

ten Abbau anderer Schadstoffe sind bisweilen meh-

rere verschiedene Bakterien erforderlich.

Unter Biostimulation versteht man das Aus-

bringen von Nährstoffen, Oxidantien oder Elek-

tronendonatoren in die Umwelt, um natürlich

vorkommende Mikroorganismen zum Abbau eines

Schadstoffs anzuregen.

Bei einer Bioaugmentation werden nicht nur

spezifische Mikroorganismen, sondern auch deren

Energiequellen zur Reinigung eines schadstoffbe-

lasteten Gebiets ausgebracht.

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