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35 Max-Planck-Institut für Biochemie Prof. Dr. Elena Conti Am Klopferspitz 18 82152 Martinsried Tel.: +49 (0)89 / 857 836 02 E-Mail: [email protected] www.biochem.mpg.de 34 FRAUEN IN DER BIOTECHNOLOGIE Professorin Elena Conti geht am Max-Planck-Institut für Biochemie den molekularen Maschinen auf den Grund WIR WOLLEN DIE MOLEKULAREN SCHREDDER VERSTEHEN Conti studierte von 1986 bis 1991 Chemie an der Universität Pavia und setzte das Studium ab 1992 mit dem Schwerpunkt Biochemie am Imperial College London fort, wo sie im Jahr 1996 mit einer Arbeit zur Proteinkristallographie promoviert wurde. Von 1997 bis 1999 war sie Postdoktorandin an der Rockefeller University in New York City. Von 1999 bis 2005 übernahm sie die Gruppenleitung am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg. Seit Januar 2006 ist Elena Conti Direktorin am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried, wo sie das Arbeitsgebiet „Zelluläre Strukturbiologie“ leitet. 2008 wurde Conti mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis ausgezeichnet. 35 Was genau sind Ihre Aufgabenbereiche im MPI? Seit 2006 bin ich Direktorin und wis- senschaftliche Mitarbeiterin am Max- Planck-Institut für Biochemie in Mar- tinsried. Ich leite dort eine 25-köpfige Forschungsgruppe bestehend aus Wis- senschaftlern und Technikern unter- schiedlichster Nationalitäten und wis- senschaftlicher Herkunft. An was forschen Sie zur Zeit? Können Sie uns das bitte mit Beispielen erläu- tern? Genau wie wir Menschen einen Schred- der benutzen um Dokumente zu ver- nichten, die nicht länger nützlich sind oder potenzielle, gefährliche Daten enthalten, benutzen Zellen molekulare „Maschinen“ um unerwünschte oder mangelhafte Makromoleküle abzubau- en. RNAs bilden eine große Familie von Makromolekülen. Diese sind in allen Zellen vorhanden und haben verschie- dene Funktionen, z. B. ermöglichen sie die Umwandlung von Genominforma- tionen in Proteine. Fehler in der RNA Synthese oder unerwünschte RNA-Ak- kumulation können Zellen beschädigen und zu krankhaften Veränderung im Organismus führen. Daher ist es für den Zellstoffwechsel sehr wichtig, fehlerhafte oder nicht mehr benötigte RNA zu beseitigen. Wir forschen an großen molekularen „Ma- schinen“, die die Zellen zum Abbau der fehlerhaften bzw. nicht mehr benötig- ten RNA-Moleküle verwenden. Ein großes Ziel ist es zu verstehen, wie diese „molekularen Schredder“ auf- gebaut sind, wie diese im Kern funkti- onieren und wie sie reguliert werden können. Glauben Sie, dass für Frauen in der Bio- technologie andere Bedingungen herr- schen als für Männer? Die Arbeitsbedingungen sind für männ- liche und weibliche Wissenschaftler ei- gentlich die Gleichen: Alle Personen im Labor haben Zugang zur gleichen Infra- struktur und Ausstattung. Dennoch ist es so, dass sich, nicht absichtlich aber durch das soziale Gefüge unserer Ge- sellschaft getrieben, subtile Vorurteile klassischer Geschlechterrollen ein- schleichen können. Gibt es noch eine männliche Dominanz in der Biotechnologie? Auch in der Biotechnologie ist eine männliche Dominanz in Führungspo- sitionen beobachtbar – das ist aber nichts Ungewöhnliches, sondern ein in vielen Berufen bis heute weit verbrei- » Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass das wissenschaftliche Umfeld meist durch eine sehr offene und unterstützende Arbeits- kultur geprägt ist. « tetes Bild. Das soll aber auch nicht hei- ßen, dass wir in einer feindseligen und machohaften Kultur leben im Gegen- teil! Aus meiner Erfahrung kann ich sa- gen, dass das wissenschaftliche Umfeld meist durch eine sehr offene und unter- stützende Arbeitskultur geprägt ist. Möchten Sie einen Blick in die Zukunft werfen? Ich denke, dass die Zukunft für deut- sche Naturwissenschaften sehr viel- versprechend ist, da Deutschland über ein sehr stabiles und vielfältiges Sys- tem zur Wissenschaftsförderung ver- fügt. Ich bin der Auffassung, dass die deutsche Gesellschaft im Großen und Ganzen anerkennt, dass Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung wichtig sind um das Land in Sachen Technologie und medizinischer Innovation voranzu- bringen. Vielleicht hat in der Zukunft ja jeder „Science Park“ in Deutschland mit akademischen oder Biotech Firmen ei- nen Kindergarten wie die fantastischen BioKids. Susanne Simon

MOLEKULAREN SCHREDDER VERSTEHEN - izb-online.de · tetes Bild. Das soll aber auch nicht hei-ßen, dass wir in einer feindseligen und machohaften Kultur leben – im Gegen-teil! Aus

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Max-Planck-Institut für BiochemieProf. Dr. Elena ContiAm Klopferspitz 1882152 Martinsried

Tel.: +49 (0)89 / 857 836 02E-Mail: [email protected] www.biochem.mpg.de

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FRAUEN IN DER BIOTECHNOLOGIE

Professorin Elena Conti geht am Max-Planck-Institut für Biochemie den molekularen Maschinen auf den Grund

WIR WOLLEN DIE MOLEKULAREN SCHREDDER VERSTEHEN

Conti studierte von 1986 bis 1991 Chemie an der Universität Pavia und setzte das Studium ab 1992 mit dem Schwerpunkt Biochemie am Imperial College London fort, wo sie im Jahr 1996 mit einer Arbeit zur Proteinkristallographie promoviert wurde. Von 1997 bis 1999 war sie Postdoktorandin an der Rockefeller University in New York City. Von 1999 bis 2005 übernahm sie die Gruppenleitung am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg. Seit Januar 2006 ist Elena Conti Direktorin am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried, wo sie das Arbeitsgebiet „Zelluläre Strukturbiologie“ leitet. 2008 wurde Conti mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis ausgezeichnet.

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Was genau sind Ihre Aufgabenbereiche im MPI?

Seit 2006 bin ich Direktorin und wis-senschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Biochemie in Mar-tinsried. Ich leite dort eine 25-köpfi ge Forschungsgruppe bestehend aus Wis-senschaftlern und Technikern unter-schiedlichster Nationalitäten und wis-senschaftlicher Herkunft.

An was forschen Sie zur Zeit? Können Sie uns das bitte mit Beispielen erläu-tern?

Genau wie wir Menschen einen Schred-der benutzen um Dokumente zu ver-nichten, die nicht länger nützlich sind oder potenzielle, gefährliche Daten enthalten, benutzen Zellen molekulare „Maschinen“ um unerwünschte oder mangelhafte Makromoleküle abzubau-en.

RNAs bilden eine große Familie von Makromolekülen. Diese sind in allen Zellen vorhanden und haben verschie-dene Funktionen, z. B. ermöglichen sie die Umwandlung von Genominforma-tionen in Proteine. Fehler in der RNA Synthese oder unerwünschte RNA-Ak-kumulation können Zellen beschädigen und zu krankhaften Veränderung im Organismus führen.

Daher ist es für den Zellstoffwechsel sehr wichtig, fehlerhafte oder nicht mehr benötigte RNA zu beseitigen. Wir forschen an großen molekularen „Ma-schinen“, die die Zellen zum Abbau der fehlerhaften bzw. nicht mehr benötig-ten RNA-Moleküle verwenden.

Ein großes Ziel ist es zu verstehen, wie diese „molekularen Schredder“ auf-gebaut sind, wie diese im Kern funkti-onieren und wie sie reguliert werden können.

Glauben Sie, dass für Frauen in der Bio-technologie andere Bedingungen herr-schen als für Männer?

Die Arbeitsbedingungen sind für männ-liche und weibliche Wissenschaftler ei-gentlich die Gleichen: Alle Personen im Labor haben Zugang zur gleichen Infra-struktur und Ausstattung. Dennoch ist es so, dass sich, nicht absichtlich aber durch das soziale Gefüge unserer Ge-sellschaft getrieben, subtile Vorurteile klassischer Geschlechterrollen ein-schleichen können.

Gibt es noch eine männliche Dominanz in der Biotechnologie?

Auch in der Biotechnologie ist eine männliche Dominanz in Führungspo-sitionen beobachtbar – das ist aber nichts Ungewöhnliches, sondern ein in vielen Berufen bis heute weit verbrei-

» Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass das wissenschaftliche Umfeld meist durch eine sehr offene und unterstützende Arbeits-kultur geprägt ist. «

tetes Bild. Das soll aber auch nicht hei-ßen, dass wir in einer feindseligen und machohaften Kultur leben – im Gegen-teil! Aus meiner Erfahrung kann ich sa-gen, dass das wissenschaftliche Umfeld meist durch eine sehr offene und unter-stützende Arbeitskultur geprägt ist.

Möchten Sie einen Blick in die Zukunft werfen?

Ich denke, dass die Zukunft für deut-sche Naturwissenschaften sehr viel-versprechend ist, da Deutschland über ein sehr stabiles und vielfältiges Sys-tem zur Wissenschaftsförderung ver-fügt. Ich bin der Auffassung, dass die deutsche Gesellschaft im Großen und Ganzen anerkennt, dass Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung wichtig sind um das Land in Sachen Technologie und medizinischer Innovation voranzu-bringen. Vielleicht hat in der Zukunft ja jeder „Science Park“ in Deutschland mit akademischen oder Biotech Firmen ei-nen Kindergarten wie die fantastischen BioKids. Susanne Simon