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www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2014 B. Hoppe. © SOCIO-MEDICO Verlag Molekulargenetik im Zusammenhang mit dem Einsatz von Thrombozytenaggregationshemmern und Antikoa- gulantien: Hilfreich bei der Therapieentscheidung? PD DR. BERTHOLD HOPPE FACHBEREICH LABORATORIUMSMEDIZIN & TOXIKOLOGIE, LABOR BERLIN CHARITÉ VIVANTES GMBH INSTITUT FÜR LABORATORIUMSMEDIZIN UND PATHOBIOCHEMIE, CHARITÉ UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN Die Pharmakogenetik wird als eine wesentliche Komponente der personalisierten Medizin aufgefasst und in diesem Zusammenhang viel diskutiert. Hinsichtlich gerinnungshemmend wirkender Medikamente wird derzeit lediglich für das Clopidogrel und die Gruppe der Vitamin-K-Antagonisten eine wesentliche phar- makogenetische Beeinflussung beschrieben. In diesem Artikel wird der aktuelle Kenntnisstand zu diesem Themenkomplex dargestellt.

Molekulargenetik im Zusammenhang mit dem Einsatz von ... · Originalbeitrag VC-online 2014 B. Hoppe. © SOCIO-MEDICO Verlag Molekulargenetik im Zusammenhang mit dem Einsatz von

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www.vascularcare.de Originalbeitrag VC-online 2014 B. Hoppe. © SOCIO-MEDICO Verlag

Molekulargenetik im Zusammenhang mit dem Einsatz von Thrombozytenaggregationshemmern und Antikoa-gulantien: Hilfreich bei der Therapieentscheidung?

PD DR. BERTHOLD HOPPE

FACHBEREICH LABORATORIUMSMEDIZIN & TOXIKOLOGIE,

LABOR BERLIN – CHARITÉ VIVANTES GMBH

INSTITUT FÜR LABORATORIUMSMEDIZIN UND PATHOBIOCHEMIE,

CHARITÉ – UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN

Die Pharmakogenetik wird als eine wesentliche Komponente der personalisierten

Medizin aufgefasst und in diesem Zusammenhang viel diskutiert. Hinsichtlich

gerinnungshemmend wirkender Medikamente wird derzeit lediglich für das

Clopidogrel und die Gruppe der Vitamin-K-Antagonisten eine wesentliche phar-

makogenetische Beeinflussung beschrieben. In diesem Artikel wird der aktuelle

Kenntnisstand zu diesem Themenkomplex dargestellt.

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Pharmakogenetik

Der Bereich der Pharmakogenetik

wurde vor mehr als einer Dekade als

ein wesentlicher Hautpfeiler der per-

sonalisierten Medizin beschrieben,

und es wurde eine rasante Entwick-

lung des medizinischen Fortschritts

hierdurch vorausgesagt [Evans

1999]. Beispielsweise in Hinblick auf

Therapien im Bereich der Hämatolo-

gie/Onkologie ist die Pharmakogene-

tik zu einem wesentlichen Bestand-

teil des medizinischen Alltags ge-

worden. Betrachtet man die labor-

medizinische Diagnostik, sind aller-

dings bislang relativ wenige Biomar-

ker, beispielsweise TPMT bzw.

UGT1A1 vor Therapie mit Thiopuri-

nen bzw. Irinotecan, in die erweiterte

Routinediagnostik überführt worden.

Pharmakogenetik und Gerin-nungshemmer

Bislang sind lediglich beim P2Y12-

Hemmer Clopidogrel sowie bei den

Vitamin-K-Antagonisten – in der Lite-

ratur im Wesentlichen am Beispiel

des Warfarin diskutiert – relevante

pharmakogenetische Effekte be-

kannt. Dies schlägt sich in der aktuell

von der FDA geführten Auflistung der

pharmakogenetischen Biomarker

nieder, in der lediglich für diese bei-

den Pharmaka Einträge zur pharma-

kogenetischen Beeinflussung existie-

ren. Rein zahlenmäßig überwiegen

in der Literatur in diesem Zusam-

menhang die Publikationen zu

Warfarin. Auch wenn für beide Medi-

kamente die pharmakogenetische

Charakterisierung noch nicht Ein-

gang in die übliche medizinische

Praxis gefunden hat, erscheint die

Rationale für diese Diskrepanz zwi-

schen Empfehlung und Praxis in bei-

den Fällen unterschiedlich gut nach-

vollziehbar.

Pharmakogenetik der Vitamin-K- Antagonisten

Vitamin K ist von wesentlicher Be-

deutung bei der sogenannten γ-

Carboxylierung von Proteinen, durch

die beispielsweise die Gerinnungs-

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faktoren II, VII, IX und X erst ihre

physiologische Funktionsfähigkeit er-

halten. Durch den Einsatz von Vita-

min-K-Antagonisten wird ein wesent-

liches Enzym, der Vitamin-K- Epo-

xidreduktase-Komplex 1 (VKORC1),

in seiner Funktion beeinträchtigt, die

zur kontinuierlichen Regenerierung

von funktionstüchtigem Vitamin K

notwendig ist. Es resultiert eine Phä-

notyp der dem Vitamin-K-Mangel

vergleichbar ist. Die Vitamin-K-

Antagonisten werden durch Ver-

stoffwechselung durch Cytochrom

P450 metabolisiert und eliminiert

(Abb. 1) [Oldenburg 2007].

Abbildung 1: Vitamin-K-Antagonisten: Pharmakogenetik. Sowohl für VKORC1 als auch für das

involvierte Cytochrom P450,

CYP2C9, ist eine große Zahl an ge-

netischen Varianten bekannt, von

denen einige die Funktionsfähigkeit

deutlich beeinflussen. Beim CYP2C9

werden unter anderem die Allele *1,

*2 und 3 unterschieden, von denen

CYP2C9*1 das unbeeinträchtigt akti-

ve Allel darstellt, wohingegen

CYP2C9*2 und *3 mit einer deutlich

verminderten Aktivität einhergehen.

Träger dieser non-CYP2C9*1-Allele

weisen daher eine reduzierte Elimi-

nationsgeschwindigkeit und damit

eine prolongierte Medikamentenwir-

kung auf. Für das VKORC1 werden

zum Teil Genotypen beschrieben,

bei denen die Aktivität des Enzym-

komplexes reduziert ist. Bei den ent-

Abb. 1: Vitamin K Antagonisten – Pharmakogenetik

Vitamin K Antagonisten

Inaktive Metaboliten CYP2C9

Non-CYP2C9*1/*1: Verminderte Inaktivierung

VKORC1-Varianten: Erhöhte oder verminderte

VKA-Empfindlichkeit

Modifiziert nach Oldenburg J et al. J Thromb Haemost 2007; 5, s1: 1-6

VKORC1-abhängige γ-Carboxylierung

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sprechenden Personen kann im sel-

tenen Extremfall ein Bild resultieren,

das klinisch schwierig vom Bild eines

alimentären Vitamin-K-Mangels bzw.

einer Vergiftung mit einem Vitamin-

K-Antagonisten zu trennen ist. Beim

hochfrequenten VKORC1 -1639G>A

Genotyp wird eine beim G-Allel ver-

minderte Sensitivität des VKORC1

auf Vitamin-K-Antagonisten be-

schrieben.

Eine Vielzahl an Arbeiten belegt,

dass die Verwendung der beschrie-

benen genetischen Information zu

CYP2C9 und VKORC1 -1639G>A

bei der Planung der Therapie mit

Vitamin-K-Antagonisten Parameter

wie die „Time to therapeutic range“,

die „Time to stable INR“, „Percenta-

ge of time in the therapeutic range“

oder „Percentage of out-of-range

INR“, d.h. Kenngrößen, die den Zeit-

raum bis zum (stabilen) Erreichen

des Ziel-INRs charakterisieren, posi-

tiv beeinflusst. Ein Überblick hierzu

wird von Fung et al. gegeben [Fung

2012].

In einer Arbeit, der Medco-Mayo

Warfarin Effectiveness Study, wur-

den nicht diese intermediären Phä-

notypen, sondern der klinische End-

punkt der stationären Wiederauf-

nahme nach Beginn der Therapie mit

Warfarin untersucht [Epstein 2010].

Im Vergleich zu einer historischen

Kontrollgruppe ließ sich dem An-

schein nach durch Verwendung einer

pharmakogenetischen Charakterisie-

rung die Zahl der Hospitalisierungen

um ca. 30% senken (Figure 1 in Re-

ferenz Epstein 2010). Der positive

Effekt, der durch die Verwendung

der Pharmakogenetik in diesem Fall

beschrieben wurde, bezog sich so-

wohl auf die Gesamt-Hos-

pitalisierungsrate als auch auf die

durch Blutungen und Thromboembo-

lien verursachte.

Die Autoren zogen die Schlussfolge-

rung, dass eine „Warfarin-Geno-

typisierung“ einen großen, statistisch

signifikanten und klinisch bedeuten-

den Effekt bewirke und vor Beginn

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einer Warfarin-Therapie ernsthaft in

Erwägung zu ziehen sei.

Betrachtet man allerdings den Hin-

tergrund des Studienkonzepts ge-

nauer, so sind Zweifel an der Belast-

barkeit dieser Aussage angebracht

(Abb. 2). So bestand bei über 70%

der Patienten – all denjenigen, die

nicht die Kombination der häufigsten

Genotypen für VKORC1 bzw.

CYP2C9 aufwiesen – die Hand-

lungsempfehlung darin, entweder

gehäufte INR-Kontrolle in Erwägung

oder aber – im Fall der Kombination

des CYP2C9*1/*1 und des VKORC1

-1639 G/G Genotyps – eine höhere

Anfangsdosis des Warfarin in Be-

tracht zu ziehen und somit implizit,

den Behandlungsverlauf engmaschi-

ger zu überwachen.

Abbildung 2: Warfarin-Pharmakogenetik: Prozedere der Medca-Mayo Warfarin

Effectiveness Study. Führt höhere Vigilanz zu reduzierter Komplikationsrate?

Insofern mag bei der Interpretation

dieser Studie die Frage erlaubt sein,

ob die Verbesserung des klinischen

Verlaufs unter Warfarin-Therapie

1. This most common genotype is likely to exhibit normal response to warfarin.

2. […] less than normal sensitivity to warfarin. Warfarin dose increase may be required to maintain optimal INR.

3. […] mild sensitivity to warfarin. Frequent INR monitoring should be considered.

4. […] moderate sensitivity to warfarin. Warfarin dose decrease and frequent INR monitoring should be considered.

5. […] high sensitivity to warfarin. Warfarin dose decrease and frequent INR monitoring should be considered.

6. […] very high sensitivity to warfarin. Warfarin dose decrease and frequent INR monitoring should be considered.

7. […] very high sensitivity to warfarin. Warfarin dose decrease and frequent INR monitoring should be considered.

Abb. 3: Warfarin-Pharmakogenetik – Prozedere Medco-Mayo Warfarin Effectiveness Study

War

farin

-Em

pfin

dlic

hkei

t

VKORC1

CYP2C9

*1/*1 *1/*2 *1/*3 *2/*2 *2/*3 *3/*3

-1639 G/G 2 3 3 3 4 5

-1639 A/G 1 (29.2%) 4 4 4 5 6

-1639 A/A 4 5 6 6 6 7

Höhere Vigilanz reduziert Komplikationsrate?!

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durch eine entsprechende pharma-

kogenetische Charakterisierung tat-

sächlich auf diese Maßnahme selbst

zurückzuführen ist oder aber, ob die

Verbesserung nicht lediglich auf eine

erhöhte Vigilanz und eine erhöhte

Frequenz an INR-Kontrollen zurück-

geht. Interessanterweise, wird exakt

dieser Punkt, die Zahl der INR-

Kontrollen bzw. der ambulanten

Wiedervorstellungen, in der genann-

ten Arbeit ausdrücklich nicht ausge-

wiesen.

Bei der Überwachung einer Therapie

mit Vitamin-K-Antagonisten ist die

Orientierung an der INR ein integra-

ler Bestandteil. Diese Kontrollunter-

suchungen erlauben es, überschie-

ßende Reaktionen frühzeitig zu er-

kennen und entsprechend zu reagie-

ren. Auch in Hinblick auf Patienten,

die aufgrund ihrer Disposition höhere

Dosierungen des Vitamin-K-

Antagonisten benötigen, besteht we-

gen der bis zum stabilen Erreichen

der Ziel-INR überlappenden Thera-

pie mit Heparin bei ausreichend

aufmerksamer Therapiekontrolle kein

besonderes Risiko. Es scheinen da-

her Zweifel an der zwingenden Not-

wendigkeit einer routinemäßigen

pharmakogenetischen Diagnostik vor

Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten

angebracht zu sein.

Pharmakogenetik von Clopidogrel

Die Thrombozytenfunktionshem-

mung durch Clopidogrel, die bei ver-

schiedenen atherothrombotischen

Konstellationen nach wie vor zur

gängigen Praxis gehört, wird nicht

durch das Pharmakon selbst son-

dern durch aktive Metaboliten her-

vorgerufen, die im Rahmen der

Clopidogrel-Verstoffwechselung ge-

neriert werden. Diese Metabolisie-

rung ist stark von genetischen Vari-

anten einiger der beteiligten Proteine

abhängig (Abb. 3).

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Abbildung 3: Clopidogrel: Metabolische Aktivierung

Dies erscheint schon bei der ersten

Betrachtung im Vergleich zu den Vi-

tamin-K-Antagonisten von größerer

Bedeutung zu sein, da eine labordi-

agnostische Wirkungskontrolle bei

der Therapie mit Thrombozytenag-

gregationshemmern durchaus nicht

üblich ist.

Bereits 2006 wurde an gesunden

Probanden gezeigt, dass der Geno-

typ des CYP2C19 Einfluss auf das

Restniveau der Thrombozytenfunkti-

on unter Clopidogrel nimmt [Hulot

2006]. Für CYP2C19 wird der so ge-

nannte High-Metabolizer Genotyp

CYP2C19*1 von den so genannten

Low-Metabolizer Genotypen

CYP2C19*2 oder *3 unterschieden.

Low-Metabolizer generieren unter

Therapie mit Clopidogrel geringere

Mengen an aktiven Metaboliten, und

die bei Ihnen erreichte Thrombozy-

Abb. 4: Clopidogrel – metabolische Aktivierung

Clopidogrel

Clopidogrel

ABCB1 Aufnahme

Metabolisierung

Aktive Metaboliten

2-Oxo-Clopidogrel

CYP 2C19

CYP 1A2 CYP

2B6

CYP 3A4

CYP 2C9 CYP

3A5 CYP 2B6 CYP

2C19

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tenfunktionshemmung ist signifikant

schwächer ausgeprägt als bei High-

Metabolizern [Holmes 2011]. Dieser

labordiagnostisch fassbare interme-

diäre Phänotyp ist mit Hilfe verschie-

dener, heute gängiger Thrombozy-

tenfunktionstests gut charakterisier-

bar. Auch wenn die Beziehung zwi-

schen Thrombozytenrestfunktion

unter Aggregationshemmung und

klinischem Verlauf unter dieser The-

rapie mittlerweile relativ gut belegt

ist, ist eine einfache Analogiebildung

im Sinne der Annahme, dass der

CYP2C19 Genotyp auch den klini-

schen Verlauf unter Clopidogrel be-

einflussen müsse, wenn er die In-

vitro-Wirkung dieser Therapie beein-

flusse, nicht zulässig. Allerdings ist

die Beziehung zwischen CYP2C19

und dem klinischen Verlauf unter

Clopidogrel mittlerweile durch ver-

schiedene entsprechende Studien

gut belegt. So beschreiben Collet

und Mitarbeiter (2009) eine bei Low-

Metabolizern ungünstigere Prognose

nach akutem Myokardinfarkt unter

Therapie mit ASS und Clopidogrel

verglichen mit High-Metabolizern.

Insbesondere die Frequenzen an

Reinfarkten sowie an Stent-

Thrombosen war in dieser Gruppe

verglichen mit dem High-Metabolizer

Genotyp CYP2C19*1 signifikant er-

höht. Verschiedene andere Arbeits-

gruppen beschrieben zeitgleich und

im weiteren Verlauf die klinische Re-

levanz von CYP2C19 bei akutem

Myokardinfarkt bzw. bei akutem Ko-

ronarsyndrom (ACS) [Mega 2010].

Von einer, dem aktuellen Kenntnis-

stand nach ungefähr dem CYP2C19

vergleichbaren Bedeutung ist der

Genotyp des Transportproteins

ABCB1. Dieses Protein ist unter an-

derem auf der apikalen Membran

intestinaler Epithelien lokalisiert und

wirkt als Efflux-Pumpe der Aufnahme

von Clopidogrel entgegen. Die hoch-

frequente genetische Variante

ABCB1 3435C>T ist mit einer ver-

mehrten Expression dieses Proteins

und einer verminderten Clopidogrel-

Plasmakonzentration assoziiert. Für

homozygote Träger dieser geneti-

schen Variante (ABCB1 3435TT)

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wird nach perkutaner Koronarinter-

vention (PCI) bei ACS ein ungünsti-

gerer Verlauf unter Therapie mit ASS

und Clopidogrel beschrieben [Mega

2010a]. Bemerkenswert ist in diesem

Zusammenhang, dass bei Berück-

sichtigung auch des CYP2C19 Ge-

notyps über ein Beobachtungsinter-

vall von 450 Tagen die Frequenz

eines Ereignisses (kardiovaskulär

bedingter Todesfall, Reinfarkt, Apop-

lex cerebri) von 6,3% für

CYP2C19*1/*1 & ABCB1 3435 non-

TT Träger auf 13,6% für Patienten

mit der Kombination Low-Metabolizer

(CYP2C19*2) & ABCB1 3435TT an-

steigt.

Um die klinische Bedeutung dieser

Befunde ausreichend würdigen zu

können, muss an dieser Stelle fest-

gehalten werden, dass die Frequen-

zen sowohl des Low-Metabolizer-

Genotyps (CYP2C19) als auch der

Homozygotie ABCB1 3435TT in der

normalen Bevölkerung bei ca. 30%

liegt, so dass bei einer relevanten

Zahl an Patienten mit einer vermin-

derten Response auf Clopidogrel zu

rechnen ist.

Handlungsoptionen zur Pharma-kogenetik von Clopidogrel

Die Möglichkeiten, wie mit den

pharmakogenetischen Besonderhei-

ten des Clopidogrel umgegangen

werden kann, sind vielfältig. Im Sinne

einer optimalen Therapieführung er-

scheint bei den genannten Häufigkei-

ten für die Disposition zum Non-

Responder die Therapie mit

Clopidogrel ohne eine labordiagnos-

tische Wirkungskontrolle als proble-

matisch. Für die funktionelle Charak-

terisierung der gewünschten, thera-

pieinduzierten Thrombozytenfunkti-

onshemmung stehen verschiedene

Labortests zur Verfügung, mit deren

Hilfe einige Tage nach Beginn der

Therapie mit Clopidogrel die Throm-

bozytenrestfunktion und somit die

Therapieresponse (in vitro) ermittelt

werden können. Im Vergleich zur

genetischen Charakterisierung kön-

nen mindestens zwei Vorteile ge-

nannt werden. Zum einen ist bei

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Standarddosierung mit 75 mg

Clopidogrel pro Tag nicht bei allen

Low-Metabolizern (CYP2C19) eine

nicht ausreichende Thrombozyten-

funktionshemmung nachweisbar; der

Anteil liegt nach der aktuellen Litera-

tur bei ca. 50% [Mega 2011]. Zum

anderen erfasst die Thrombozyten-

funktionstestung auch die Wirkung

möglicherweise interagierender Ko-

medikationen. Der wesentliche

Nachteil der phänotypischen Charak-

terisierung liegt darin, dass sie erst

einige Tage nach Beginn der Medi-

kation aussagekräftig ist, d.h., dass

sie in der akuten Situation nicht zu-

verlässig anwendbar ist. Zumindest

für den CYP2C19 Genotyp wurde im

vergangenen Jahr eine Point-of-

Care-Testing-fähige Technik für die

Genotypisierung beschrieben und im

klinischen Einsatz getestet [Roberts

2012]. In dieser Arbeit wurden Pati-

enten mit PCI bei ACS in der akuten

Situation genotypisiert. In einem Arm

wurde bei Vorliegen des High-

Metabolizer-Genotyps eine Stan-

dardmedikation mit ASS und

Clopidogrel und bei Low-

Metabolizer-Genotyp die Medikation

mit Prasugrel anstelle von

Clopidogrel verwendet. Im zweiten

Arm wurde unabhängig von der Ge-

notypisierung die Standardmedikati-

on mit ASS und Clopidogrel verab-

reicht. Letztendlich konnte mit Hilfe

der am CYP2C19-Genotyp orientier-

ten Therapiedifferenzierung die bei

Low-Metabolizern im nicht differen-

zierenden Arm auftretende vermin-

derte Thrombozytenfunktionshem-

mung zuverlässig vermieden wer-

den. Ob mit Hilfe dieser Strategie

auch klinische Endpunkte optimiert

werden können, kann zum jetzigen

Zeitpunkt aufgrund noch fehlender

Studien nicht gesagt werden.

Schlussfolgerungen

Die Pharmakogenetik bietet im Zu-

sammenhang mit gerinnungshem-

menden Therapien bislang nur weni-

ge Ansatzpunkte. Diese beschrän-

ken sich zur Zeit auf (a) CYP2C9

und VKORC1 bei Therapie mit Vita-

min-K-Antagonisten sowie (b) auf

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CYP2C19 und ABCB1 bei

Clopidogrel.

Während im Zusammenhang mit der

Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten

aufgrund der ohnehin notwendigen

INR-Kontrollen eine generelle gene-

tische Charakterisierung von

CYP2C9 und VKORC1 wenig sinn-

voll erscheint, würde eine Kontrolle

der Response beim Einsatz von

Clopidogrel bei einem relevanten

Anteil der behandelten Patienten

potentiell zu einer Therapieoptimie-

rung führen. Zum jetzigen Zeitpunkt

erscheint die Charakterisierung der

Response unter laufender

Clopidogrel-Therapie mit Hilfe von

Thrombozytenfunktionstests und bei

non-Response gegebenenfalls die

genetische Charakterisierung das

praktikabelste Vorgehen darzustel-

len. In wie weit die genetische Cha-

rakterisierung in der akuten Situation

und eine hierauf gestützte Thera-

piedifferenzierung klinisch vorteilhaft

wäre, muss durch entsprechende

Studien noch untersucht werden.

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Wir danken dem Autor!

Korrespondenzadresse:

PD Dr. med. Berthold Hoppe

Fachbereich Laboratoriumsmedizin & Toxikologie

Labor Berlin – Charité Vivantes GmbH

Institut für Laboratoriumsmedizin und Pathobiochemie

Charité – Universitätsmedizin Berlin

Campus Virchow-Klinikum

Sylter Straße 2

13353 Berlin

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