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Dr. Nikolaus Buschmann
Geschichte
2010–2012
Motive der Fügsamkeit Zur historischen Semantik der Treue in der neueren deutschen Geschichte
Fragestellung
Auf welche kulturell verfügbaren Motive greifen Menschen zurück, um politische Gefolgschaft oder militärischen Gehorsam zu begründen? Wie verschränken sich Selbst- und Weltauslegungen mit der Modellierung politischer Ordnungen?
Eine Antwort lautet, dass in der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts der öffentliche Rekurs auf „Treue“ dazu beitrug, „Fügsamkeit“ (Max Weber) im Konzept der subjektiven Autonomie zu verankern: Treuediskurse spielten so eine zentrale Rolle für die kollektive Identitätsstiftung und Mobilisierung.
Ziel der Arbeit ist es, Möglichkeitsbedingungen, Orte und Funktionsweisen dieser Diskurse zu untersuchen und den semantischen Wandel des Treuebegriffs inner-halb dieser Diskurse zu rekonstruieren.
Vorgehensweise
Das Projekt fragt nach Verwendungen des Treuebegriffs in Politik, Kirche, Militär und Schule sowie nach semantischen Verästelungen in Theologie, Pädagogik, Philosophie, Staatsrecht und Literatur. Es fokussiert drei Analysefelder:
1. Wurde Herrschaft bislang eher von den Herrschenden aus bestimmt, rücken nun die Bedingungen von Herrschaft in den Blick. Die Beherrschten werden als Konstituenten der Herrschaft wie als historische Akteure ernst genommen.
2. Da Treue als Begriff sozialer Relation angelegt ist, vermeidet der Ansatz eine essentialistische Verkürzung von Identität und fragt stattdessen nach deren wechselseitiger Herstellung.
3. Das Politische stellt sich in dieser Perspektive als ein Kommunikationsraum dar, der in diskursiven und symbolischen Praktiken konstituiert wird.
Wüsste ich nicht, dass die Treue so alt ist wie die Welt, so würde ich glauben, ein deutsches Herz habe sie erfunden. Heinrich Heine
Ergebnisse
1. In der „Sattelzeit“ (Koselleck) wurde Treue ein fester Bestandteil des bürger-lichen Wertehimmels wie des nationalen Diskurses und damit verknüpfter Subjektkonzepte. In der Folgezeit kam es zur Polarisierung des Treuediskurses. Dabei prallten zwei diametral entgegengesetzte Ordnungsmodelle aufein-ander: das der Verfassungstreue und das der Monarchentreue.
2. Nach der Reichsgründung verschmolz der monarchische mit dem nationalen zu einem staatsaffirmativen Treuediskurs: Der Monarch inszenierte sich als Bezugspunkt der Untertanentreue wie als Repräsentant der bürgerlichen Nation. Kritik an diesem Modell führte zur diskursiven Ausgrenzung aus der Treuegemeinschaft auf der Kontrastfolie imaginierter Feinde.
3. 1914 überspannte der Treuediskurs die politischen Gräben nur kurz. Den Legitimitätsverlust der Monarchie konnte die Republik nicht dazu nutzen, ihr Ordnungsmodell durchzusetzen. Die Treue durchlief einen Funktionswandel und befeuerte den symbolpolitischen Kampf gegen den Staat.
4. Der Nationalsozialismus inszenierte sich als Treuegemeinschaft. Mit dem vollumfänglichen Verfügungsanspruch über den Einzelnen erfolgte die Entgrenzung der Treue in scharfer Abgrenzung zu „Gemeinschaftsfremden“.
5. Nach 1945 tauchte der Treuebegriff in den Debatten über den 20. Juli und die Bundeswehr auf. Als Leitwert staatsbürgerlicher Gesinnung war er wegen seiner nationalsozialistischen Kontaminierung umstritten und verschwand aus der politischen Sprache. Es folgte die Privatisierung der Treuesemantik.
Nationalgeistdebatte Gustav Roethe
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