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Arch. Otorhinolaryngol. 221, 61-65 (1978) Archives of Oto-Rhino-Laryngology Springer-Verlag 1978 Mucoepidermoidtumor, eingeschlossen in einen Parotislymphknoten W. Schulze und O. Kleinsasser Hals-Nasen-Ohrenklinik der Philipps-Universit~t Marburg (Gesch~iftsffihrender Direktor: Prof. Dr. O. Kleinsasser), DeutschhausstraBe 3, D-3550 Marburg/Lahn Mueoepidermoid Tumor Enclosed in a Parotid Lymphnode Summary. First report on a mucoepidermoid tumor arosen within a parotid lymphnode, as a result of a malformation. Key words. Mucoepidermoid tumor - Parotid lymphnode. Zusammenfassung. Erster Bericht fiber einen als Resultat einer Fehlbildung prim/Jr innerhalb eines Parotislymphknotens entstandenen Mucoepidermoidtu- mor. Sehliisselwiirter: Mucoepidermoidtumor - Parotislymphknoten. Die Lymphknoten der Glandula parotis sind der Sitz zahlreicher, auf dem Boden von Fehlbildungen entstehender Tumoren. Am bekanntesten unter diesen ist das bei /ilteren M/innern hgufige Adenolymphom, gekennzeichnet durch papill~ir gewucherte Onkocyten innerhalb eines Lymphknotens. Viel seltener sind das Sebaceolymphom, das von in Lymphknoten eingeschlossenen Talgdrfisen gebildet wird, die intralym- phonodul/iren Epidermoidcysten sowie in Lymphknoten eingeschlossene Acinuszell- tumoren. Die Beobachtung eines in einem Lymphknoten eingeschlossenen Mucoepider- moidtumors als weiteres Beispiel yon Hamartoblastomen der Parotis scheint uns einer Ver6ffentlichung wert, da wir keinen Bericht fiber einen gleichartigen Fall ken- nen. Fallbericht Eine 56 Jahre alte Krankenschwester hatte schon seit 3 Jahren am unteren Rand der rechten Parotis einen Knoten bemerkt, der manchmal Schmerzen verursachte. Wir konnten einen deutlich druckschmerzhaften Knoten von etwa Kirschgr6Be in dieser 0302-9530/78/0221/0061/$ 01.00

Mucoepidermoidtumor, eingeschlossen in einen Parotislymphknoten

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Arch. Otorhinolaryngol. 221, 61-65 (1978) Archives of Oto-Rhino-Laryngology �9 Springer-Verlag 1978

Mucoepidermoidtumor, eingeschlossen in einen Parotislymphknoten

W. Schulze und O. Kleinsasser

Hals-Nasen-Ohrenklinik der Philipps-Universit~t Marburg (Gesch~iftsffihrender Direktor: Prof. Dr. O. Kleinsasser), DeutschhausstraBe 3, D-3550 Marburg/Lahn

Mueoepidermoid Tumor Enclosed in a Parotid Lymphnode

Summary. First report on a mucoepidermoid tumor arosen within a parotid lymphnode, as a result of a malformation.

Key words. Mucoepidermoid tumor - Parotid lymphnode.

Zusammenfassung. Erster Bericht fiber einen als Resultat einer Fehlbildung prim/Jr innerhalb eines Parotislymphknotens entstandenen Mucoepidermoidtu- mor.

Sehliisselwiirter: Mucoepidermoidtumor - Parotislymphknoten.

Die Lymphknoten der Glandula parotis sind der Sitz zahlreicher, auf dem Boden von Fehlbildungen entstehender Tumoren. Am bekanntesten unter diesen ist das bei /ilteren M/innern hgufige Adenolymphom, gekennzeichnet durch papill~ir gewucherte Onkocyten innerhalb eines Lymphknotens. Viel seltener sind das Sebaceolymphom, das von in Lymphknoten eingeschlossenen Talgdrfisen gebildet wird, die intralym- phonodul/iren Epidermoidcysten sowie in Lymphknoten eingeschlossene Acinuszell- tumoren.

Die Beobachtung eines in einem Lymphknoten eingeschlossenen Mucoepider- moidtumors als weiteres Beispiel yon Hamartoblastomen der Parotis scheint uns einer Ver6ffentlichung wert, da wir keinen Bericht fiber einen gleichartigen Fall ken- nen.

Fallbericht

Eine 56 Jahre alte Krankenschwester hatte schon seit 3 Jahren am unteren Rand der rechten Parotis einen Knoten bemerkt, der manchmal Schmerzen verursachte. Wir konnten einen deutlich druckschmerzhaften Knoten von etwa Kirschgr6Be in dieser

0302-9530/78/0221/0061/$ 01.00

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Abb. 1. Ubersicht, Mucoepidermoidtumor in einem Parotislymphknoten

Abb. 2. Grol3enteils solider Tumorknoten, mit einzelnen verschleimenden Zellen (HE etwa 33 x)

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Abb. 3. Die st~irkere Vergrfl3erung zeigt einen fast nur aus hochdifferenzierten epidermoiden Zellen und verschleimenden Zellen aufgebauten Tumor. Keine Zellatypien, keine Intermedi~irzellen (HE etwa 250 x)

Abb. 4. Bildung yon gangartigen Strukturen und Schleimcysten (HE etwa 300 x)

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Region tasten. Der Tumor wurde freigelegt, er lag dem unteren Pol der Parotis unmittelbar an, war aber nicht von Driisenparenchym eingeschlossen. Die Ge- schwulst war von fibr6sen verfilzten Gewebe umgeben und erwies sich als etwa 1,5 : 1 : 1 cm grog, h6ckerig, glatt gekapselt und graurot. An der Schnittfl~iche er- kannte man im Zentrum eines Lymphknotens knotiges, grauweiges Gewebe.

Uberraschend war der histologische Befund" In einem Lymphknoten einge- schlossen fand sich in soliden Str/ingen und von kleinen Cysten durchsetzten Ballen wucherndes Tumorgewebe (Abb. 1). Das Tumorgewebe bestand aus gr6gtenteils gut differenzierten epidermoiden Zellen, mit runden Kernen, deutlich erkennbaren Cy- toplasmagrenzen und einzelnen Desmosomen (Abb. 2). Viele dieser Zellen erschie- nen aufgebl~iht und waren mit Schleim erffillt [PAS-positiv, Alcianblau positiv, Tolu- idinblau positiv (Abb. 3)]. Neben diesen monozellul~ir verschleimenden Zellen fan- den sich auch multiple kleinere Schleimcystchen (Abb. 4). Sogenannte intermedi/ire Zellen, Kerndysplasien und Mitosen fehlten. Der Tumor entsprach damit in jeder Hinsicht einem gutartigen Mucoepidermoidtumor [4]. Der einh/Jllende Lymphkno- ten hatte eine deutliche Kapsel, die nur am Hilus nicht vollst~indig war. Hier grenzte das Tumorgewebe direkt an das umgebende Bindegewebe. An anderen Stellen waren Randsinus und Marksinus sowie Keimzentren deutlich zu erkennen.

Aufgrund dieses Befundes beffirchteten wir, dag doch eine Metastase eines Mucoepidermoidtumors vorliege. Wit suchten daher nach dem Prim/irtumor in der Nase, den Nebenh6hlen, der Mundh6hle und im Pharynx, in der Mandibula und der Lunge, fanden ihn aber nicht. Ansehliegend haben wir eine konservative Parotidek- tomie, eine Exstirpation der Glandula submandibularis und eine Neck Dissection ausgeffihrt. Speicheldrfisen- und Lymphknotenmaterial wurde in Stufenserien zerlegt und durchmustert" Es war aber nirgendwo ein Prim/irtumor zu erkennen. Die Pa- tientin ist nun 4 Jahre in Beobachtung und es sind keine weiteren Zeichen eines Tumors aufgetreten.

Wir sind demnach sicher, daft es sich in diesem Fall um die erste (publizierte) Beobachtung eines in einem Parotislymphknoten entstandenen Mucoepidermoid- tumors handelt.

Diskussion

In den in der Glandula parotis liegenden und in den ihr anliegenden Lymphknoten finden sich relativ h/iufig Einschl/isse von Speicheldr/isengewebe. Meist handelt es sich um kleine Tubuli, mit einem Epithel, das den Schaltstficken oder den intralobu- l~iren G/ingen entspricht. (Noch nie haben wir Acinus- oder Streifenstfickepithel gesehen.) In manchen F/illen ist die Lymphkn&chenkapsel in diesem Bereich nicht ganz geschlossen und man sieht, wie sich Parotisparenchym kontinuierlich als Aus- l~iufer in den Lymphknoten hinein erstreckt. Die Entstehung dieser Fehlbildungen ist unschwer zu erkl~iren. Neisse konnte schon 1892 beobachten, wie die aus dem Mundbuchtepithel aussprossenden Parotisknospen von einem Lymphocyten- schwarm eingeh/illt wurden [7]. Tritt in der weiteren Entwicklung an einer Stelle eine Entwicklungshemmung ein und wird die Trennung von epithelialem und lymphati- schem Gewebe nicht vollzogen, so entsteht ein Lymphknoten, der Parotisepithel

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eingeschlossen h/ilt. (Bei der Entwicklung der Glandula submandibularis und sublin- gualis fehlen diese Lymphocytenschwiirme weitgehend, es fehlen demnach hier auch die Epitheleinschlfisse im lymphatischen Gewebe.) Diese kleinen Fehlbildungen ge- winnen nur dann an Bedeutung, wenn das eingeschlossene Epithel zu wuchern be- ginnt und ein Tumor entsteht. A m h/iufigsten findet bei M/innern im h6heren Alter eine onkocyt/ire Metaplasie und papill/ire Proliferation statt und es entstehen ein oder mehrere Adenolymphome [6]. Die Sebaceolymphome entwickeln sich offenbar aus kleinen Talgdrfisen, die man ab und zu im Schaltstfickbereich der Parotis findet [3]. Eigenartigerweise wurde der mit weitem Abstand h/iufigste Parotistumor, der Mischtumor, noch nie in einem Parotislymphknoten eingeschlossen gefunden. Nur Bernier u. Bhaskar erw/ihnten mit wenigen Zeilen einen teilweise in einen Lymph- knoten eingeschlossenen Mischtumor [2]. Beobachtungen von Acinuszelltumoren [1, 5] und nun auch eines Mucoepidermoidtumors in Parotislymphknoten ergfinzen das Spektrum denkbarer Hamartoblas tome der Parotis wieder um einen Abschnitt. Die praktische Bedeutung dieser F/ille liegt darin, daft diese beiden Tumorarten auch metastasieren k6nnen -- und die Differentialdiagnose zwischen der Metastase eines okkulten Prim/irtumors und einem primgr in einem Lymphknoten entstandenen Tu- mors sehr schwierig sein kann.

Literatur

1. Abrams, A. M., Cornyn, J., Scofield, H. H., Hansen, L. S.: Acinic cell adenocarcinoma of the major salivary glands. A clinicopathologic study of 77 cases. Cancer 18, 1145-1162 (1965)

2. Bernier, J. L., Bhaskar, S. N.: Lymphoepithelial lesions of salivary glands. Histogenesis and classifi- cation based on 186 cases. Cancer 11, 1156-1179 (1958)

3. Kleinsasser, O.: fiber das Sebazeolymphom der Parotis. Mschr. Ohrenheilk. 98, 318-325 (1964)

4. Kleinsasser, O.: Mucoepidermoidtumoren der Speicheldr/isen. Arch. klin. exp. Ohr.-, Nas.- u. Kehlk.-Heilk. 193, 171--189 (1969)

5. Kleinsasser, O., Hfibner, G., Klein, H. J.: Acinuszelltumoren der Glandula parotis. Arch. klin. exp. Ohr.-, Nas.- u. Kehlk.-Heilk. 189, 33-50 (1967)

6. Kleinsasser, O., Klein, H. J., steinbach, E., Hfibner, G.: Onkocyt/ire adenomartige Hyperplasien, Adenolymphome und Onkocytome der Speicheldrfisen. Arch. klin. exp. Ohr.-, Nas.- u. Kehlk.- Heilk. 186, 317-336 (1966)

7. Neisse, R.: Uber den Einschlu/3 yon Parofisl/ippcben in Lymphknoten. Anat. Hefte 10, 289--305 (1898)

Eingegangen am 2. Januar 1978