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Inhalt
Musik und Lebenswelt
Auf kaum einem anderen Gebiet hat sich die Globalisierung so schnell und unbemerkt vollzogen wie in der Musik. Durch Migrationsbewegungen mischen sich Kulturen, Instrumente und Rhythmen und lassen ganz neue Musikkreationen entstehen, die weltweit Menschen bewegen. Diese vielfältigen Verschmelzungen werden häufig unter dem Begriff „Globale Musik“ zusammengefasst.Musik ist nicht nur Ausdruck von Gefühlen wie Freude, Wut oder Trauer, sondern kann
auch politische oder religiöse Botschaften transportieren, kulturelle Identität stiften und soziale Transformationsprozesse initiieren und begleiten.Diesen vielfältigen Funktionen von Musik wollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung „Lebenswelten erkunden: Musik in der globalisierten Welt“ im April 2012 nachspüren. Die Tagung für Lehrkräfte aller Fachrichtungen wurde von Brot für die Welt und dem Arbeitskreis Pädagogik anlässlich seines 20jährigen Bestehens organi
siert. Dieses Heft fasst die vielseitigen Diskussionen, Anregungen und Erkenntnisse dieser Tagung zusammen. Eine zentrale Frage der Tagung war, wie sich Musik für Globales Lernen kreativ einsetzen lässt. Mit besonderem Fokus auf Musikkulturen Lateinamerikas wurden die Geschichte und Wirkungen politischer Lieder in Lateinamerika, die Zusammenhänge von Musik und Religion sowie die transformative Kraft von Hip Hop Gruppen und Jugendorchestern in sozialen Problemvierteln lateinameri
Praxis3 Auf den Spuren der
Musik4 Politische Texte
Infos5 Musikstil Forró6 Politische Lieder7 Hip Hop gegen Gewalt8 Jugendorchester9 Musik und Glaube
Konkret10 Kolumbien
Nachrichten11 Veranstaltungen
Berghof Foundation / Friedenspädagogik TübingenCorrensstraße 12, 72076 TübingenTelefon: 07071 92051-0Fax: 07071 92051-11info-tuebingen@berghof-foundation.orgwww.friedenspaedagogik.dewww.berghof-foundation.org
Die Zeitschrift GLOBAL LERNEN wendet sich an Lehrerinnen und Lehrer der Sekundar-stufen. Sie erscheint drei mal pro Jahr und kann kostenlos bezogen werden.
GLOBAL LERNEN wird von „Brot für die Welt“ in Zu sammenarbeit mit dem „Arbeitskreis Pädagogik“ und der Berghof Foundation erstellt.Sie können GLOBAL LERNEN abonnieren (s. Seite 12).
ISSN 0948-7425
Service für Lehrerinnen und Lehrer
Ausgabe 2012-2
Kontakte für Globales Lernen
Brot für die Welt Stafflenberg straße 76 70184 StuttgartTelefon: 0711 2159-568Fax: 0711 [email protected]
Brot für die Welt • Global Lernen, 2012-2
22 DAS THEMA
Konzeption von Global Lernen
Die Zeitschrift „Global Lernen“ bietet Ihnen folgende Rubriken: 1. Praxis
Direkt im Unterricht und in der Bildungsarbeit einsetzbare Arbeitsblätter (Seite 3 und 4) 2. Info: Zur Diskussion
Hintergrundinformationen zum jeweiligen Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln (Seite 5 bis 9)3. Brot für die Welt konkret
Stellungnahmen, Einschätzungen und Projekte von „Brot für die Welt“ zum Thema (Seite 10)4. Nachrichten
Wissenswertes aus der Bildungsarbeit von „Brot für die Welt“, dem Arbeitskreis „Pädagogik“ und der Berghof Foundation. (Seite 11)
Praxis – zum Einsatz der Arbeitsblätter
Die Arbeitsblätter auf den Seiten 3 und 4 sind jeweils für den Einsatz im Unterricht konzipiert. Das entsprechende Arbeitsblatt wird für alle Schülerinnen und Schüler kopiert. Die Arbeitsblätter bieten Zugang und Möglichkeiten der Auseinandersetzung zu folgenden Aspekten des Themas:
Arbeitsblatt 1: Die Musikkarte verdeutlicht, dass es in Lateinamerika nicht nur den „Samba de Janeiro“ gibt. Die Schülerinnen und Schüler lernen im Zuge ihrer Recherchen die musikalische Vielfalt des Kontinents kennen. Am Beispiel der Musik können sie die Vermischung von Kulturen durch Globalisierungsprozesse und Migrationsbewegungen erfahren. Die Präsentation der eigenen Rechercheergebnisse für ein externes Publikum setzt Kreativität frei.
Arbeitsblatt 2: Für die Arbeit mit ausgewählten Musikstücken bieten sich verschiedene Zugänge an. Die Schülerinnen und Schüler nähern sich zunächst über das Anhören und Ansehen des Videos an das Lied an. Auch ohne den Inhalt in der fremden Sprache gleich zu verstehen, können die durch das Lied ausgelösten Emotionen und erste Interpretationen diskutiert werden. Mithilfe der Hintergrundtexte auf den Seiten 6 und 7 gelingt die Vertiefung und Einordnung der Lieder in ihren sozialen und politischen Kontext. Anschließend können die Schülerinnen und Schüler als Transferleistung die Inhalte der Lieder in eine kreative, darstellerische Präsentation bringen. Alternativ können sie eigene so ziale und politische Fragen und Probleme in eigenen Liedtexten verarbeiten. In einer Abschlussdiskussion können die Möglichkeiten und Grenzen der Musik als politisches Ausdrucksmittel und die Gefahren des Missbrauchs von Musik als Propaganda (vgl. auch S. 9) thematisiert werden.
kanischer Großstädte erkundet. Gesangs und Tanzübungen unter Anleitung erfahrener Musik und Tanzpädagoginnen und pädagogen von „albaKultur“ aus Köln sorgten für ganzheitliche Erfahrungen der musikalischen Vielfalt Lateinamerikas.
Das Thema in der SchuleDie Jugendphase ist für die meisten Menschen untrennbar mit Musik verbunden. Jugendliche lieben Musik und drücken damit ein bestimmtes Lebensgefühl aus. Musik verdeutlicht aber auch politische Haltungen, sie dient der Abgrenzung von den Eltern oder signalisiert Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder Subkultur. Viele Jugendliche machen selbst Musik, um sich auszudrücken oder um An
Tanz und Theater, darstellende Kunst, Musik, mündliche Literaturformen, Sprachen und Handwerkstraditionen gehören zum weltweiten immateriellen Kulturerbe. Durch Globalisierungseinflüsse gehen diese Kulturformen in den letzten Jahren beschleunigt verloren. Sie zu erhalten, ist Ziel des „UNESCOÜbereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes“ von 2003.
Beispiele aus der repräsentativen Liste der UNESCO:• argentinischer und uruguayischer Tango• tibetische Oper in China• HeiligBlutProzession im belgischen Brügge• kolumbianischer „Carnaval de Negros y Blancos“.http://www.unesco.de/immaterielles-kulturerbe.html
http://www.unesco.org/culture/ich/
Immaterielles Kulturerbe
erkennung zu erhalten. Das Grundinteresse der Jugendlichen an Musik lässt sich für das Globale Lernen nutzen. Über die Musik lernen Schülerinnen und Schüler die Lebenswelten von Menschen in anderen Weltregionen kennen. Geschichte, Politik und soziale Lebenswelten lateinamerikanischer Länder werden durch die Beschäftigung mit ausgewählten Musikstücken auch emotional greifbar. Die Kraft, die Musik für einen sozialen Wandel entfalten kann, ist auch Ermutigung von Schülerinnen und Schüler, ihre eigenen politischen und sozialen Anliegen kreativ, musikalisch oder performativ auszudrücken. Das fächerübergreifende Arbeiten in Sozialkunde, Geschichte, Geografie, Religion und Ethik, Kunst, Sport und Musik bietet sich hier ganz besonders an.
Das „UNESCOÜbereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ von 2005 setzt sich u. a. folgende Ziele: • Uneingeschränkte kulturelle Selbstbestimmung von Indivi
duen und sozialen Gruppen auf Basis der Menschenrechte, • Anerkennung der „Doppelnatur“ von Kulturgütern und
dienstleistungen als Handelsware und als Träger von Identitäten, Wertvorstellungen und Bedeutungen,
• Recht eines Staates auf eigenständige Kulturpolitik, (…)• Integration von Kultur in nachhaltige Entwicklung,• Gleichberechtigung zu anderen internationalen Abkommen
wie z. B. GATT (1994) und GATS (1995). Deutsche UNESCO-Kommission: Weißbuch „Kulturelle Vielfalt
gestalten“, Bonn, 2009, S. 2.
Kulturelle Vielfalt
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PRAXIS. ZUM HERAUSNEHMEN UND KOPIEREN
AUFGABEN1) Suchen Sie sich einen der oben aufgeführten Musikstile
aus. Recherchieren Sie weitere Informationen zu dessen Ur sprüngen, zur Geschichte des Landes, sowie Bilder und Musik beispiele.
2) Erstellen Sie eine Präsentation (z. B. eine Musikcollage, eine Kursbeschreibung für eine Tanzschule, eine Konzertankündigung, eine Reiseroute auf den Spuren der Musik, einen Spendenaufruf einer Entwicklungsorganisation).
3) Präsentieren Sie Ihre Arbeit im Plenum. 4) Spüren Sie in Ihrer Stadt oder Region Menschen auf, die aus
Lateinamerika kommen oder lange dort gearbeitet haben. Viele Kirchen, EineWelt Gruppen und Entwickungsorganisationen vermitteln Kontakte zu Referentinnen und Referenten, die Workshops in Schulen anbieten. Vielleicht möchten
Sie Ihr gewonnenes Wissen aber auch selbst weitergeben und z. B. eine „Reise ohne Koffer“ für ein Publikum veranstalten.
Die Idee von „Reisen ohne Koffer“Da viele Seniorinnen und Senioren in Alteneinrichtungen nicht mehr selbst reisen können, bringen Freiwillige vom „Forum interkulturelle Begegnung“ in NRW die Länder einfach zu ihnen. Sie laden Musikgruppen ein, bereiten eine Präsentation über Land und Leute vor, zeigen Ausstellungen oder Bilder und bringen typisches Essen und Getränke mit, so dass die älteren Menschen das fremde Land mit allen Sinnen erfahren können. Quelle: Lobeck de Fabris, Kordula 2007:
Forum Interkulturelle Begegnung, Düsseldorf, Evangelisches
Zentrum für innovative Seniorenarbeit, S. 12.
CUMBIAPaartanz, der von afrikanischen Sklaven als „Cumbé“ nach Kolumbien gebracht und mit indianischen und spanischen Elementen vermischt wurde.Percussion, Flöte, Akkordeon, Rasseln, Gesang, Instrumente der Indigenen
SALSAExilkubanerinnen und -kubaner brachten in den 70er Jahren ihre Musikstile (z. B.: Son, Danzón, Rumba) in die USA und mischten sie dort mit Jazz.Percussion (z. B.: Conga) Rasseln, Bass, Piano, Posaunen, Trompeten und Sänger
FORRÓTraditionelle Musik und Paartanz aus den ländlichen Regionen Nordbrasiliens mit osteuropäischen Einflüssen (Polka).Akkordeon, Triangel, Zabumba (Basstrommel)
SAMBASchneller afrobrasilianischer Tanz, der durch den Karneval in Rio de Janeiro weltbekannt wurde.Percussion, Agogo (Glocken), Schüttelrohr
REGGAETONModerne Mischung aus Reggae, Dancehall, Merengue und Latin Hip Hop. Im 21. Jahrhundert in ganz Lateinamerika bekannt.Percussion, Bass, EGitarre, Piano, elektronische Effekte
FOLKLORE / HUAYNOTraditionelle Musik der Indigenen Bevölkerungen in Bolivien und Peru.Gitarre, Bambusflöten, Panflöten, Trommeln
TANGOUrbaner Musik und Tanzstil, der in Argentinien und Uruguay durch die Mischung europäischer (z. B. italienischer, spanischer und polnischer) und afroamerikanischer Elemente entstand.Klavier, Kontrabass, Violinen, Bandoneon
LATIN HIP HOP / RAP / HOUSE /JAZZ / ROCK / POPModerne Musikstile mit oftmals spanischsprachigen Texten, die sich seit den 1960er Jahren stark durch lateinamerikanische Einwanderer in den USA verbreiteten.Je nach Stilrichtung, z. B. EGitarren, Percussion, elektronische Instrumente
Quellen: www.americalatina.de/html/musik.html,
www.virusmusic.de/lateinamerikanische-musik.php, wikipedia > Lateinamerikanische Musik
Auf den Spuren der Musik
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44 PRAXIS 2. ZUM HERAUSNEHMEN UND KOPIEREN
Lesen Sie den Text des Liedes und schauen Sie sich das Video dazu an. Beschreiben Sie, welche Emotionen das Lied bei Ihnen auslöst. Versuchen Sie sich den Inhalt des Liedes zu erschließen, schlagen Sie unbekannte Begriffe im Wörterbuch nach.
EinordnungLesen Sie nun zusätzlich die Hintergrundinformationen (Peru: S. 6, Kolumbien: S. 7). Dort finden Sie auch jeweils die deutschen Übersetzungen der Lieder. Beschreiben Sie, inwiefern sich dadurch Ihr erster Eindruck des Liedes verändert.
HintergrundrechercheRecherchieren Sie weitere Informationen zur politischen Geschichte in Peru bzw. zur Lebenssituation von Jugendlichen in Kolumbien. Überlegen Sie sich eine kreative Form der Darstellung ihrer Rechercheergebnisse.
Kreativer ZugangEntwickeln Sie eine pantomimische, künstlerische oder tänzerische Darstellung, die die Inhalte des Liedes verdeutlicht.
TextproduktionSchreiben Sie einen eigenen Liedtext zu einem politischen, sozialen oder gesellschaftlichen Problem, das Sie bewegt. Geben Sie an, welchen Musikstil Sie wählen würden.
Anregungen zur Arbeit mit Liedern
Politische Texte, früher und heute
Hip Hop in Kolumbien heute
Mejores Dias LlegaranAhora se sientes y se sanan esos momentosRecordarlos es como soñar despiertoAyer pasé cerca a un polizónMe requisó y me preguntó:
Si Usted es artista por qué anda a pie?Porque en la pinta no se le véLe contesté al agente: Estoy contento, Sé que vendrán mejores momentos(…)Muchos homicidios, demasiados funeralesperro come perro, se perdieron los modales(…)Coro:Mejores dias llegarantanta guerra yaNecesitamos la paz (2 x)Interpreten: ESK-LONES (2010)
Video zum Lied unter www.youtube.com/watch?v=RxnZ2q9ifs4&
feature=related
Das politische Lied in Peru (70er/80er)
Flor de RetamaVengan todos a ver hay vamos a verEn la plazuela de Huanta, amarillito flor de retamaAmarillito amarillando flor de retamaDonde la sangre del pueblo ahí se derramaAllí mismito florece amarillito flor de retamaAmarillito amarrillando flor de retama.
Por Cinco Esquinas están, los sinchis entrando estánVan a matar estudiantes, huantinos de corazónAmarillito, amarillando flor de retamaVan a matar campesinos, huantinos de corazónAmarillito amarillando flor de retama
La sangre del pueblo tiene rico perfume.Huele a jazmines, violetas, geranios y margaritasA pólvora y dinamitaA pólvora y dinamita!! Carajo!!Komponist: Ricardo Dolorier Urbano (1969), Interpretin: Martina
Portocarrero (1980)
Video eines Konzerts: www.youtube.com/watch?v=J7jwNHlGErA
Diashow mit spanischem Untertitel:
www.youtube.com/watch?v=aafB_jPfQvU&feature=related
Brot für die Welt • Global Lernen, 2012-2
5555INFO: ZUR DISKUSSION
Musikstile Lateinamerikas: der Forró
Martin, wie bist du mit dem Forró in Berührung gekommen?Zum Forró, den man übrigens mit gehauchtem h und offenem o, also Fohó ausspricht, bin ich über den brasilianischen Musiker Valdir Santos gekommen. Er war vor knapp zwei Jahren auf Tournee in Deutschland, die von „albaKultur“ in Köln organisiert wurde. Außerdem war ich letztes Jahr für zwei Monate im Nordosten Brasiliens, in der Stadt Caruaru, die weltweit als Hauptstadt des Forrós gilt. In Juni finden dort riesengroße Feste statt, die „Festa Junina“. Dort wird einen Monat lang Forró gespielt und zwei Millionen Touristen strömen in die Stadt. Forró ist ursprünglich eine sehr traditionelle Musik. Sie wird von einem Trio mit einem Akkordeon, das Sanfona heißt, einer Triangel und einer Zabumba, also einer brasilianischen Basstrommel gespielt. Valdir Santos ist ein Musiker, der verglichen mit dem traditionellen Forró eine
Die musikalische Vielfalt Lateinamerikas ist riesig. Durch Kolonialismus und Migration bilden afrikanische, indigene, und europäische Musikstile eine bunte Mischung, die sich laufend weiterentwickelt. Der Musiker und Musikpädagoge Martin Rixen aus Köln hat sich in Brasilien mit dem Musik- und Tanzstil Forró beschäftigt. Er war ein Referent der diesjährigen Tagung des AK Pädagogik.
modernere Variante spielt. In seinen Songs haben EGitarre, Drumsets und andere Perkussionsinstrumente Einzug gehalten. Und was ganz wichtig ist: er spricht in seinen Texten auch soziale Themen an.
Was bedeutet denn das Wort Forró?Es gibt zwei Geschichten, woher das Wort stammen könnte. Einem Mythos zufolge entstand es in der Zeit, als die Engländer eine Zugstrecke durch den Nordosten bauen wollten. Um die Arbeiter bei Laune zu halten, fanden Partys statt, die „for all“ – für alle – waren. Die Verballhornung davon ist dann Forró. Wahrscheinlicher ist aber eher, dass es vom portugiesischem Wort „Forrobodó“, was „fröhliches Beisammensein“ oder „tänzerisches Fest“ bedeutet.
Forró kann man also auch tanzen? Ja, er war das Tanzvergnügen der Landarbeiter. Er ist ein sehr sinnlicher Tanz, ein Paar
tanz, mit engem Körperkontakt. Unter Forró versteht man verschiedene Musikrichtungen. Es gibt Forró selbst, Xote, Xaxado, Baião und Arrastape. Arrastape wird sehr schnell getanzt, wobei man buchstäblich von einem Fuß auf den anderen springt.
Kommt der Forró jetzt auch nach Deutschland?Ich habe zumindest in Großstädten den Eindruck, dass es eine Riesenwelle wird. In Köln wurden im letzten Jahr unzählige Tanzkurse angeboten.
Es gibt auch mehr ForróPartys, auf denen LiveBands spielen. Einige davon stammen bereits aus Deutschland, wie das Kölner Forró Trio Capangas. Zusammen mit Valdir Santos haben wir ein Konzert an einer Schule veranstaltet. Es waren 120 Schüler im Alter von 15 bis 17 Jahren dort. Mittendrin habe ich mit meiner Frau angefangen zu tanzen. Wir haben die Schülerinnen und Schüler dazu geholt, sodass schließlich über die Hälfte von ihnen auf der Tanzfläche waren. Es war super schön und ich habe auch das Feedback von den Lehrern bekommen, dass die Schüler durch diese praktische Erprobung das Thema viel besser aufgenommen haben.
Das Interview mit Martin Rixen
führte Anne Romund, Redak-
tion Global Lernen.
Weitere Informationen zu Valdir
Santos sowie Hörproben finden
Sie unter: www.nrw-kultur.de/
projekte/projekte/das-3-ohr/
treffpunkt-musikkulturen/
klangkosmos/klangkos-
mos-2010/valdir-santos.html#0
Brot für die Welt • Global Lernen, 2012-2
66 INFO: ZUR DISKUSSION
Politische Lieder in Lateinamerika
Die politischen Bewegungen der 60er, 70er und 80er Jahre in Lateinamerika sind eng verknüpft mit politischenLiedern. Das peruanische Volkslied „Flor de Retama“ steht sinnbildlich für den Protest gegen Militärdiktaturen, Krieg und Unterdrückung.
La Nueva CanciónDas Lateinamerika der 60er, 70er und 80er Jahre war geprägt durch eine ganze Reihe sozialer und politischer Umwälzungen. Die Revolutionen in Kuba und Nicaragua sowie die blutigen Militärdiktaturen in Chile und Argentinien veränderten die politischen Landschaften fundamental. Die Auflehnung der Bauern und
Studierenden und die Kämpfe der Guerilleros gegen Diktatur, Großgrundbesitzer, gegen die USA und den westlichen Imperialismus beschäftigten weltweit die Menschen. Eines hatten alle diese Umwälzungen in Lateinamerika gemeinsam. Sie wurden begleitet und getragen von Liedern. Aus diesen Liedern ist eine eigene Kultur entstanden: „La Nueva Canción“.
stand als Protest gegen ein Massaker an Studenten, welches im Juni 1969 in Huanta im Departement Ayacucho stattgefunden hatte. Die damalige Militärregierung hatte ein Gesetz zur Einführung von Studiengebühren an öffentlichen Schulen verabschiedet. Als eine Gruppe von Studenten eine Schule besetzte, schickte die Regierung die Spezialeinheit „Sinchis“ der Polizei aus Lima. Mindestens 20 Studenten wurden dabei getötet, unter ihnen einige Exschüler von Dolorier.
Kommt alle und seht her, kommt und seht auf dem Platz von Huanta blüht gelber Ginster.Wo das Blut des Volkes fließt,genau da blüht der gelbe Ginster.
Aus fünf Ecken kommen die Sinchis auf den Platz.Sie werden die Studenten ermorden, Huantiner im HerzenGelber, gelber Ginster.Sie werden die Bauern ermorden, Huantiner im HerzenGelber, gelber Ginster.
Das Blut des Volkes hateinen süßen Duft,es riecht nach Jasmin, nach Veilchen,Geranien und Margariten,nach Pulver und DynamitKaracho!
Komponist: Ricardo Dolorier
Urbano (1969), Interpretin
Martina Portocarrero (1980)
Text aus dem Spanischen von
Anne Romund.
1968–1980Militärregierung, Verfassung wird außer Kraft gesetzt.
1980–1988Neue Verfassung wird erarbeitet und zivile Regierung gewählt, Guerillagruppe „Leuchtender Pfad“ beginnt bewaffneten Kampf, schwere Gewalt auf beiden Seiten.
1990–2000 Fujimori wird Staatspräsident, setzt Verfassung außer Kraft, und lässt zahlreiche Guerillaführer verhaften. Viele geben ihre Waffen ab.
2000Korruptionsvorwürfe gegen Fujimori, dieser sucht Asyl in Japan, Alejandro Toledo folgt als erster indigener Präsident.
2003Wahrheits und Versöhnungskommission zählt fast 70.000 Tote im Bürgerkrieg zwischen 1980 und 2000.
2009Fujimori wird wegen des Einsatzes von Todesschwadronen zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt.
Flor de Retama
Eckdaten von Peruim 20. Jahrhundert
In diesen „neuen Liedern“ wurde traditionelle Volks musik mit Sozialkritik verknüpft. Sie waren Ausdruck der politischen Bewegungen und transportierten die Ideen der Revolutionäre durch ganz Lateinamerika.Vgl. DRS 2: Auf den Spuren
politischer Lieder quer durch
Lateinamerika, Atlas, Radiosen-
dung 20.08.2011, www.drs2.ch.
Wirkungs-geschichte eines LiedesDas Lied „Flor de Retama“ des peruanischen Komponisten Ricardo Dolorier Urbano ent
Zu Anfang der 1980er Jahre nahm die Folkloresängerin Martina Portocarrero das Lied erneut auf. Inzwischen war Peru zur Demokratie zurückgekehrt, befand sich aber im bürgerkriegsähnlichen Zustand zwischen Regierung und der Guerillaorganisation Leuchtender Pfad. In der Stadt Ayacucho kam es zu zahlreichen Massakern, da die „Sinchis“ die lokale Bevölkerung verdächtigten, die Guerrilla zu unterstützen. „Flor de retama“ entwickelte sich in Ayacucho und später in Lima rapide zur Hymne gegen die Massaker der „Sinchis“. In den nächsten
zehn Jahren wurde es mehr als 30 Mal aufgenommen. Heute gilt „Flor de retama“ als ein Symbol der damaligen Zeit. 2006 wurden Besucher eines Konzertes von Martina Portocarrero zu ihren politischen Bewertungen des Liedes befragt. Die Mehrheit sah das Singen oder Hören von „Flor de retama“ jedoch nicht mehr als einen politischen Akt, sondern als Mittel der Erinnerung an. Das Protestlied war zu einem Werkzeug der Nostalgie geworden.
Mendivil, Julio 2007: Auch Lieder
entwickeln soziale und ver-
persönlichte Biografien, in:
sythema 21:1, 83-89 (Auszüge,
gekürzt und leicht verändert).
Brot für die Welt • Global Lernen, 2012-2
77INFO: ZUR DISKUSSION
Mit Hip Hop gegen Gewalt
Es werden bessere Tage kommenJetzt beruhigt es sich, diese Momente werden vergehenSich an sie zu erinnern ist wie wach träumenGestern ging ich an einem Polizisten vorbeier hielt mich fest und fragte mich:
Wenn Sie Künstler sind, warum geh‘n Sie dann zu Fuß?Denn an ihrem Äußeren erkennt man es nicht.Ich antwortete dem Beamten: Ich bin froh, dass ich weiß, dass bessere Tage kommen werden (...)
So viel Totschlag, zu viele BeerdigungenHund frisst Hund, die Umgangsformen verkommen (...)
Refrain:Es werden bessere Tage kommen, zu viel Krieg schon Wir brauchen Frieden (2 x)
Interpreten ESK-LONES (2010)
Übersetzung aus dem Spani-
schen von Anne Romund.
Songtext
Für den UnterrichtDie vollständige Geschichte über Mateo und die Hip Hopper aus Medellín ist als Multimediapräsentation auf der CDROM „Peace Counts 2.0: Die Erfolge der Friedensmacher“ erhältlich. Die CDRom enthält insgesamt 10 Porträts von erfolgreichen Friedensmachern aus aller Welt.
Sie wurde 2011 gemeinsam von der Berghof Foundation / Friedenspädagogik Tübingen und der Agentur Zeitenspiegel Reportagen entwickelt und eignet sich hervorragend für den Einsatz im Unterricht.
Bestellungen an:
Berghof Foundation /
Friedens pädagogik Tübingen
(Kontakt siehe Seite 1)
Mateo auf CD-ROM
„Warum bist Du gegangen, ohne uns auf Wiedersehen zu sagen? Warum, Gott, ging mein hermano, er war kein malo.“ Jeder zweite Song der „Esklones“ (gesprochen: Eskalones) handelt von Mord, Verlust und Trauer in der Comuna 13. Den Song „Ruhe in Frieden“ hat Chelo geschrieben, Bandleader der „Esklones“ und Bruder des 14jährigen Mateo. Chelo wurde im August 2010 erschossen.
Comuna 13In der Comuna 13 leben rund 140.000 Menschen. Sie ist nicht irgendein Armenviertel in Lateinamerika, sondern zum Symbol für den Teufelskreis
aus Armut, Drogen und Gewalt geworden. Die Regierung hat die Comuna 13 zur militarisierten Zone gemacht: An vielen Ecken wachen Soldaten oder Polizisten mit Schnellfeuergewehren und schusssicheren Westen.
Unsichtbare Grenzen verlaufen zwischen den von Gangs und Drogenmafia kontrollierten
eremodell Auftragskiller sein, das sich bisher als einziges im Armenviertel anbot: Dies ist das Ziel der Band „Esklones“, die sich mit über 80 Rappern, Tänzern und GraffitiKünstlern in der „Elite de Hip Hop“ zusammengeschlossen haben. Die Älteren lehren die Jungen. Neben MC, Graffiti, DJ ist Breakdance das vierte Unterrichtsfach der Hip Hop Schule.Der Erfolg der „Elite“ hat sich herumgesprochen, immer mehr Hip Hopper aus der Comuna 13 wollen Mitglieder werden. Die Stadterwaltung von Medellín zahlt jedem Hip
Mit Rap-Gesang, Tanz und Graffiti widersetzen sich der 14-jährige Mateo, die Band Esk-lones und die „Elite de Hip Hop“ dem Drogenkrieg in der berüchtigten Comuna 13, einem Armenviertel in Medellín, Kolumbiens zweitgrößter Stadt. Ein mutiger Versuch mit offenem Ausgang.
Stadtverwaltung. „Unser Ziel ist es die Comuna 13 durch unseren Hip Hop zu verändern!“
Textgrundlage: Mateo will
leben, in: Anne Romund / Uli
Jäger / Tilman Wörtz: Peace
Counts 2.0: Der Erfolg der Frie-
densmacher (DVD), Tübingen,
2011.
Die „Elite de Hip Hop“ ist Teil
des Jugendnetzwerks RED
JUVENIL in Medellín, das von
Brot für die Welt unterstützt
wird (siehe S. 10).
Stadtbezirken. Regelmäßig gibt es Schießereien, Kämpfe um jedes Haus. Kinder, Frauen und Alte können sich frei bewegen. Für junge Männer sind Grenzverletzungen dagegen lebensgefährlich: Sie könnten für Spitzel oder gar Killer der feindlichen Drogenbande gehalten werden. Jeder junge Mann in der Comuna 13 ist ein potentielles Bandenmitglied der einen Seite und damit Feind der anderen.
Hip Hop SchuleEine Schule gründen und Kindern und Jugendlichen ein alternatives Vorbild zum Karri
Hop Lehrer für drei Monate ein Stipendium in Höhe eines Mindestlohns von umgerechnet 200 Euro monatlich, lädt die Hip Hopper zu Festivals ein oder in den Schulunterricht. Viel Geld und Respekt für jemanden, der bisher als Taugenichts galt.
„Es muss darum gehen, Respekt durch Hip Hop zu erwerben, nicht durch Waffen; Feste zu feiern, ohne Kokain zu schnupfen; aber auch Geld zu verdienen, nur eben ohne dafür jemanden umzulegen.“ sagt Jason, Mitglied der Elite und Kontaktperson für die
Brot für die Welt • Global Lernen, 2012-2
88 INFO: ZUR DISKUSSION
Transformationspotenzial der Musik
Soz ia le Strukturen – E inkommen – Te i lhabe – Fr iedenskultur
Gesellschaft
GruppeTeamarbeit – So l idar i tät – Empathie
Ein Orchester verändert Ecuadors Jugend
Welche Rolle spielt die Musik in Ecuador?Die Musik ist ein Lichtblick für Ecuador, für Lateinamerika, und für die gesamte Welt. Vor 37 Jahren hatte Maestro Abreú (der Gründer des venezolanischen Musikprojekts „El Sistema“) die geniale Idee Musik zur „sozialen Rettung“ zu nutzen.Ich glaube, dass die Musik einzigartige Fähigkeiten hervorbringt, wie Disziplin, Konzentration, Teamarbeit, das Verfolgen gemeinsamer Ziele.Musik hat somit nicht nur ästhetischen Charakter, sondern sie wird zum Präventionsprogramm und zur beruflichen Förderung. Darüber hinaus hat Musik diese wunderbare spirituelle Seite, die Freude und Emotionen bei den Menschen weckt. All diese
für das, was sie machen. Ich denke, dass dieser spirituelle Reichtum die materielle Armut besiegt.
Die jungen Menschen, die wir hier ausbilden, kommen oft aus anderen Provinzen. Ich erinnere mich daran, dass wir Kühlschränke und Betten gekauft haben; der gesamte zweite Stock der Stiftung war für jene gedacht, die hier in Quito keine Bleibe hatten.Einige von diesen Jugendlichen, die zunächst keine Chance auf eine „bessere“ Zukunft hatten, sind heute Mentoren und Vorbilder für
Elemente stärken die ecuadorianische Gesellschaft.
Was ist das Beson-dere an der FOSJE?Wir erleben wirtschaftliche Höhen und Tiefen, aber das gemeinsame Merkmal ist die große Liebe der Personen
Durch Musik Kindern und Jugendlichen aus ärmeren Fami-lien eine Chance zu geben – das ist das Ziel von „Sinfonia por la vida“ in Ecuador. Das Förderprogramm wurde von der ecuadorianischen Stiftung FOSJE ins Leben gerufen. Magdalena Jäger aus Rottenburg hat ein Jahr lang als weltwärts-Freiwillige beim FOSJE-Jugendorchester in Quito gearbeitet. Sie sprach mit dem Direktor der FOSJE, Patricio Aizaga, über die Bedeutung der Musik für die soziale Ent-wicklung der Jugend und des Landes.
die nächsten Generationen, nicht nur in Hinblick auf die Musik, sondern Vorbilder als Menschen.Ein anderer großer Erfolg stellt die Qualität der Musik dar. Die erste Generation, das erste Jugendsinfonieorchester in Ecuador, ist heute das Philharmonieorchester Ecuadors.
Was hilft der FOSJE in ihrer Arbeit?Vor allem das, was du und andere hier als Freiwillige tun: Interesse zeigen, hier bei uns sein, unsere Probleme zu teilen, sich mit uns zu freuen. Ich glaube, dass ist das Größte, was man geben kann.Wichtig ist außerdem, dass die Menschen sich öffnen und verstehen, was die Verbindung zwischen sozialer Entwicklung, sozialer Inklusion und Musik ist. Die Musik ist ein ganzheitliches Universum, welches dem Menschen alle Möglichkeiten der sozialen Entwicklung anbietet.
Ein Video zur Arbeit der FOSJE
gibt es auf englisch bei:
www.youtube.com/
watch?v=l92eFFEaXfU
Zum venezolanischen Musikpro-
jekt „El Sistema“ gibt es einen
gleichnamigen Film mit beglei-
tendem Unterrichtsmaterial:
www.el-sistema-film.com
Anerkennung
Selbstvertrauen – Diszip
lin
Individuum
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Brot für die Welt • Global Lernen, 2012-2
99INFO: ZUR DISKUSSION
Zum Verhältnis von Musik und Glauben
Gerade die rechtsextreme Szene gilt es hier besonders kritisch zu beobachten.
c) Singen als Kraftquelle zum DurchhaltenGerade in Zeiten von Diktatur und Gewaltherrschaft ist Singen aber auch häufig etwas Subversives und entwickelt eine Widerstandskraft, die mit Waffen gar nicht zu bewerkstelligen ist. Musik und Singen wirken damit identitätsstiftend, schaffen ein Zusammengehörigkeitsgefühl und ermöglichen das Durchhalten in dunkler Zeit. Musik, Singen und Glaube sind Quellen der Kraft.
Ein Buch voller LiederIn der Bibel gibt es mit den Psalmen ein ganzes Buch voller Lieder. Darin werden all die Gefühle ausgedrückt, die uns in den unterschiedlichsten Augenblicken bewegen, vom Leid, der Angst und der Klage bis hin zum Dank und zum Jubel. Selbst in Augenblicken tiefster Verzweiflung und Angst ist Gott nicht nur der Ansprechpartner für das, was Menschen umtreibt und Menschsein infrage stellt, sondern das Singen der Psalmen entwickelt eine Wirkkraft, die die Beter verändert, so dass sich die Klage und Verzweiflung in Hoffnung verwandelt, selbst dann, wenn am Horizont noch nicht einmal ein Streifen dieses Zukunftslichtes erkennbar ist.
Theologische Bausteinea) Singen angesichts eines Gottes, der Befreiung schenktDie Menschen der Bibel haben die Erfahrung gemacht, dass Gott Befreiung schenkt! Am augenfälligsten wird das im Exoduserlebnis erkennbar, wo Gott den Israeliten die Freiheit ermöglicht, gegen all die militärische und politische Macht des damaligen Großreiches Ägypten. Und was geschieht als erstes nach diesem Ereignis: Die Menschen singen und musizieren! Im MirjamLied (2. Mose 15, 20f.) heißt es: „Da nahm Mirjam, die Prophetin, Aarons Schwester, eine Pauke in ihre Hand und alle Frauen folgten ihr nach mit Pauken im
Reigen. Und Mirjam sang ihnen vor: Lasst uns dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan; Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt.“
b) Singen als Akt des Be-kenntnisses, oder: Es ist nicht egal, was man singtDie Musikgeschichte kennt für jede Stimmung, jede Lebenslage einen Musikstil,
ins Moor!“ (Text: Johann Esser/Wolfgang Langhoff, 1933)
d) Musik und Singen beschreiben eine neue Wirklichkeit aus der Pers-pektive Gottes Wer sich mit Musik und Singen befasst, der erkennt, dass Singen und Musik immer wieder zum Ausdruck bringen, was Menschen wichtig ist und wofür wir denn eigentlich stehen. Und gerade die Kirchenmusik ist immer mehr als bloße Unterhaltung, bringt sie doch den ins Spiel, von dem Christen glauben, dass er der Herr der Geschichte ist. Wer würde das etwa beim Lied „Eine feste
Musik und Religion bringen Menschen zusammen wie dieses Bild einer Marienprozession in Brasilien zeigt.Roland Deinzer, Religionslehrer und langjähriges Mitglied des AK Pädagogik sprach während der Jahrestagung des AKs in seiner Andacht die vielfältigen Verbindungen von Musik und Glauben an. Die Andacht soll hier in Aus zügen wiedergegeben werden.
der das zum Ausdruck bringt, was einen im Herzen umtreibt, was die Seele bewegt, sei es der Blues oder die Opernarie.Allerdings stimmt es nicht, wenn der Volksmund sagt: „Wo man singt, lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.“ Wer an die Marschmusik denkt oder an Propagandalieder, die von Menschen in Diktaturen gesungen werden mussten, der weiß, dass es auch Musik und Gesang gibt, die schlechten Zielen dienen und von denen man sich abgrenzen muss.
Als ein für mich sehr eindrückliches Beispiel möchte ich an das Lied der Moorsoldaten erinnern, das im August 1933 im Konzentrationslager Börgermoor im Emsland entstanden ist. Die Nazis hatten allen Grund dieses Lied zu verbieten, heißt es doch in der letzten Strophe: „Doch für uns gibt es kein Klagen, ewig kann‘s nicht Winter sein.Einmal werden froh wir sagen: Heimat, du bist wieder mein. Dann ziehn die Moorsoldaten nicht mehr mit dem Spaten
Burg ist unser Gott“ nicht irgendwie spüren. Wer so etwas singen kann, der will das Weltganze nicht sich selber überlassen. Der will es in den Horizont des Reiches Gottes stellen, das bereits seine Strahlen auf die Gegenwart richtet und uns Mut macht zum Durchhalten und Raum gibt für Visionen einer neuen Welt.
Roland Deinzer: Andacht an-
lässlich der Jahrestagung des
AK Pädagogik, 22. 04. 2012
(Auszüge, gekürzt und leicht
bearbeitet)
Brot für die Welt • Global Lernen, 2012-2
1010 BROT FÜR DIE WELT KONKRET
Kolumbien: Gegen das Vergessen
Hilfe für die OpferMenschenrechtsanwältin in Kolumbien zu sein ist lebensbedrohlich. Viele werden von Geheimdienst und Armee eingeschüchtert oder gar ermordet. Trotzdem setzen sich Soraya Gutiérrez und ihre Kollegen des Anwaltskollektivs „José Alvear Restrepo“ dafür ein, dass Menschenrechtsverletzungen aufgeklärt und bestraft werden. Mit Eilbriefaktionen setzt sich das Menschenrechtsnetzwerk von Brot für die Welt für die Unversehrtheit seiner Partner ein.
Einsatz für Land-rechteDie Nasa, die Ureinwohner der Provinz Cauca, verteidigen bereits seit der Kolonialisierung ihre Autonomie und Kultur. Sie fordern ihr Land zurück, um ihre Familien ernähren zu können. Sie mobilisieren die Menschen mit ihren friedlichen Protesten, die allerdings immer wieder mit Gewalt beendet werden. Brot für die Welt tritt für die Rechte der Nasa ein, u. a. durch Briefe und Interventionen in Kolumbien und Deutschland.
Perspektiven für KinderAllein in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá müssen über 80.000 Kinder als Straßenverkäufer arbeiten. Viele andere verdingen sich als Hausangestellte oder Bauarbeiter oder werden als Prostituierte ausgebeutet.
Auch Reinel García musste als Kind als Strassenverkäufer arbeiten. Heute leitet er die Einrichtung Creciendo Unidos („Gemeinsam wachsen“) um arbeitenden Kindern eine alternative Zukunftsperspektive anzubieten. Sie können dort Schulabschlüsse und Ausbildungen machen. Bei seinem Besuch in Deutschland berichtete Reinel Garcia von der Situation der Kinderarbeiter in Bogotá. Die Schülerinnen und Schüler der Realschule in Neusäß sammelten mit einer Schuhputzaktion Geld zur Unterstützung der Kinder in Kolumbien.
Jugendliche in KolumbienDIe Millionenstadt Medellín ist das Ziel vieler Flüchtlinge. „Täglich kommen neue Leute, die gewaltsam aus anderen Landesteilen vertrieben werden“, erzählt der 22jährige Leonardo. Im Alltag spielen die Kinder „Räuber und Gendarm“. Wenn sie älter werden, wird dieses Spiel Realität: Sie werden zu korrupten Polizisten, Autodieben, Milizen – Opfern und Tätern.Leonardo ist im RED JUVENIL organisiert, dem Jugendnetzwerk von Medellín. Im RED JUVENIL entwickeln die jungen Männer und Frauen eigene Vorstellungen einer anderen, demokratischen und gleichberechtigten Gesellschaft.Über 500 Mitglieder verschiedener Jugendgruppen sind im RED JUVENIL zusammengeschlossen. Zu ihren Aktivitäten
Denkt man an Kolumbien, so fallen einem Drogen, Gewalt und der blutige Bürgerkrieg ein, der seit über 50 Jahren herrscht. Millionen Menschen wurden von ihrem Land ver-trieben. Doch Kolumbien hat auch eine lebendige Zivilge-sellschaft, die für Frieden und Gerechtigkeit eintritt. Brot für die Welt unterstützt Organisationen, die sich für die Rechte von Kindern und Jugendlichen und für die Aufklä-rung von Menschenrechtsverletzungen engagieren.
gehören Musik und TheaterWorkshops, Gruppentreffen, Austausch mit anderen Initiativen, gemeinsame Selbstbestimmungsprozesse, Konzerte und gewaltfreie Aktionen. Die Interessenschwerpunkte setzen die Jugendlichen selbst.
Kontakt: Brot für die Welt,
Ökumenisches Lernen und
Handeln – Kolumbien und Peru,
Jochen Schüller
kolumbien@brot-fuer-die-welt.
de
Telefon: 040 20238365
Mobil: 0179 1095737
www.brot-fuer-die-welt.de/
kolumbien
Mit dem Programm „Ökumenisches Lernen und Handeln – Kolumbien und Peru“ will „Brot für die Welt“ den direkten Kontakt zwischen den Partnern aus Kolumbien und Menschen in Deutschland herstellen. In der Begegnung wollen wir voneinander lernen. Auf ihrem Weg zu Frieden und Gerechtigkeit können wir unsere Partner unterstützen durch:• Anteilnahme und Austausch, um die Gewissheit zu geben, nicht alleine zu sein.• Öffentlichkeit, denn die fürchten die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen. Deshalb bedeutet öffentliche Aufmerksamkeit Schutz für diejenigen, deren Engagement von den Machthabern nicht gern gesehen wird.• Protest, wenn sie wegen ihrer Friedens und Menschenrechtsarbeit bedroht oder verfolgt werden.• Politische Unterstützung, um den Interventionen von „Brot für die Welt“ und anderen Hilfswerken bei der deutschen Bundesregierung mehr Gewicht zu verleihen.• Finanzielle Unterstützung durch eine Spende für die Aktion „Brot für die Welt“.
Ökumenisches Lernen und Handeln
Brot für die Welt • Global Lernen, 2012-2
1111NACHRICHTEN
Nachrichten
SPENDENKONTO:
Brot für die WeltEvang. Darlehnsgenossenschaft Kiel, KontoNr.: 500 500BLZ: 210 602 37
BILDNACHWEIS:
Magdalena Jäger: S. 8; Christoph
Krackhardt: S. 4 (links), 6; Antonia
Preggo: S. 5; dpa picture alliance:
S. 9; Anne Romund: S. 11; Jochen
Schüller: S. 10; Antonia Zennaro /
Zeitenspiegel: S. 1, 4 (rechts), 12.
„Es war sehr interessant zu sehen, wie man Tänze nutzen kann, um musikalische Traditionen nachzuvollziehen. Wir haben in unserer AG kurzerhand die Musikgeschichte Kubas von den afrikanischen Sklaventänzen und religiösen Traditionen wie der Santería bis zum modernen Salsa nachgetanzt.“„Die GesangsAG hat gezeigt, dass eine Laiengruppe innerhalb von zwei Stunden brasi
Stimmen der Tagungsteilnehmenden
CD-ROM: Frieden hören !
In dieser CDROM werden in bislang einmaliger Art und Weise wichtige Aspekte von „Krieg und Frieden“ durch Beispiele aus klassischer Musik „hörbar“ gemacht. Die 38 Hörbeispiele mit einer Gesamtspieldauer von rund drei Stunden wurden aus Werken verschiedener Komponisten der Vergangenheit und der Gegenwart ausgewählt. Zu jedem Hörbeispiel wird ein erläuternder Kommentar des Bremer Friedensforschers Prof. Dr. Dieter Senghaas angeboten, der die Hörbeispiele auch ausgewählt und systematisiert hat.
lianische Kinderlieder singen lernen kann. Wir sollten uns auch mehr trauen, das im Unterricht auszuprobieren.“„Man muss immer auch den Kontext beachten, in dem ein Lied gesungen wird. Wenn ich die Moorsoldaten höre, denke ich nicht an Freiheit, sondern daran, dass ich dieses Lied als Schüler in der DDR immer singen musste. Das Lied wurde für Propagandazwecke missbraucht.“
IMPRESSUM:
GLOBAL LERNEN, Service
für Lehrerinnen und Lehrer
18. Jahrgang, Nr. 2, 2012
Herausgeber: Aktion „Brot für
die Welt“ in Zusammenarbeit
mit dem Arbeitskreis Pä dagogik
und der Berghof Foundation /
Friedenspädagogik Tübingen
© Aktion „Brot für die Welt“
Erscheint 3mal jährlich
Redaktion: Anne Romund /
Uli Jäger
Layout: Christoph Lang,
www.8421medien.de
Druck: Pfitzer Druck, Renningen
ISSN 09487425
NACHHALTIG CO2-NEUTRALISIERTDURCH WIEDERAUFFORSTUNG INDEUTSCHLAND MIT KLIMAPRINT ®
Jubiläum des AK Pädagogik „Lebenswelten erkunden – Musik in der globalisierten Welt am Beispiel Lateinamerika“ lautete das Thema der 20. Jahrestagung des Arbeitskreises Pädagogik von „Brot für die Welt“, die vom 20.–22. April in Landau/Pfalz stattfand. 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland waren der Einladung von Ursula Hildebrand, Referentin für Schulpädagogik bei „Brot für die Welt“ und Dr. Anton Geiser, Dozent am EFWI gefolgt.Zu Beginn der Veranstaltung würdigte Ursula Hildebrand
die Arbeit des Arbeitskreises Pädagogik und dankte allen Beteiligten für ihr jahrelanges ehrenamtliches Engagement. Dank der intensiven Mitarbeit von interessierten Lehrkräften bildet Globales Lernen mittlerweile die Grundlage der Schulpädagogik bei „Brot für die Welt“. Entsprechend viele Lehrerfortbildungen hat das evangelische Hilfswerk in den vergangenen Jahren dazu durchgeführt und mehr als 30 Unterrichtsmaterialien veröffentlicht.
Besonders bemerkenswert: Die Zeitschrift GLOBAL LER-NEN, die „Brot für die Welt“ in Kooperation mit dem Tübinger Institut für Friedenspädagogik (seit 2012 Berghof Foundation) herausgibt, feierte in diesem Jahr ebenfalls ein Jubiläum: Mit Heft 1/2012, das sich schwerpunktmäßig mit Rio+20 befasst, ist bereits die 50. Ausgabe erschienen.Im Mittelpunkt der Tagung stand die lateinamerikanische Musik und deren Bedeutung für die politische, religiöse und soziale Entwicklung in Lateinamerika. Die Kernfrage der Veranstaltung lautete: Wie kann durch Musik Globales Lernen in Schulen umgesetzt werden? Ein hochkarätiges Referententeam vom albaKulturbüro aus Köln versuchte dies zu beantworten und führte die Gäste zunächst theoretisch, dann auch mit vielen Praxisbeispielen an das Thema heran. Mit Musik mehr
über fremde Menschen und Kulturen erfahren – dass dies didaktisch anspruchsvoll und zugleich unterhaltsam sein kann, hat die Jubiläumstagung des AK Pädagogik deutlich gemacht.
Die CDROM enthält darüber hinaus ausdruckbare Biographien zu allen Komponisten und Hintergrundmaterialien.Berghof Foundation Friedens-
pädagogik Tübingen / Brot für
die Welt (Hrsg.): Frieden hö-
ren! – Annäherungen an den
Frieden über klassische Musik,
Tübingen 2009 (2. Auflage).
Preis: 15,00 Euro
Bezug: Berghof Foundation /
Friedens pädagogik Tübingen,
Corrensstr.12, 72076 Tübingen,
Tel.: 07071 92051-0
Fax: 07071 92051-11
E-Mail: info-tuebingen@
berghof-foundation.org
Brot für die Welt • Global Lernen, 2012-2
1212
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Die bislang erschie nenen Ausgaben von GLOBAL LERNEN
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NACHRICHTEN
„Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.“Victor Hugo
1/95 Frauen gestalten die Welt
2/95 Ächtung von Landminen
3/95 Katastrophenhilfe1/96 Menschenrechte2/96 Umwelt und Entwick
lung3/96 Globales Lernen1/97 Globalisierung2/97 Kinder im Krieg
3/97 Schulpartnerschaften1/98 Sport und Eine Welt2/98 Kinderarbeit3/98 ÖRK: Gewalt über
winden1/99 Lokale Agenda an Schulen2/99 Erlassjahr 20003/99 Konfliktbearbeitung1/00 Globales Lernen und
Expo 2000
2/00 Ernährungssicherung3/00 Kampagne gegen
Kleinwaffen1/01 Arbeit und Ausbildung2/01 Internationaler
Terrorismus3/01 FußballWM in Asien1/02 Erdöl2/02 Wasser3/02 Grundbedürfnisse1/03 Neue Welt(un)ordnung23/03 Gerechtigkeit1/04 Universale Werte23/04 Zivilgesellschaft1/05 Gesichter des Hungers2/05 Fair Play for Fair Life3/05 Gewaltprävention1/06 Fairer Handel2/06 Versöhnung3/06 Müllexport1/07 Ernährungskrise2/07 Klimawandel3/07 Hum. Interventionen
1/08 Jugend und Gewalt2/08 Zukunftsfähigkeit3/08 Solidarität1/09 Finanzkrise2/09 Entwicklungs
zusammenarbeit3/09 Südafrika1/10 Atomwaffen2/10 Gender und Frieden3/10 Katastrophenhilfe1/11 Landraub2/11 Migration1/12 Weltkonferenz Rio+20
Die Ausgaben von GLOBAL LERNEN sind im Internet als pdf-Datei abrufbar: www.brotfuerdiewelt.dewww.globallernen.de