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Journal für Generationengerechtigkeit 11. Jahrgang · Ausgabe 1/2011 ISSN 1617-1799 Thema: Institutionen für Zukunftsverantwortung

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Thema: Institutionen für Zukunftsverantwortung

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2 Journal für Generationengerechtigkeit11. Jahrgang · Ausgabe 1/2011

Die Gutachter dieser Ausgabe(in alphabetischer Reihenfolge):

Prof. Tracy Bach ist Professorin für Jura am Vermont Law School EnvironmentalLaw Center und am University of Iowa Center for HumanRights, USA. 2010/2011 verbringt sie als Fulbright-Stipendia-tin ein Jahr im Senegal.

Prof. Dr. Andrew Dobson ist Professor für Politikwissenschaft an der Keele University,UK. Er gehört dort der School of Politics, International Relati-ons and the Environment (SPIRE), und dem Research Institutefor Law, Politics and Justice an.

R. Andreas Kraemer ist Direktor des Ecologic Instituts in Berlin und Visiting Assistant Professor an der Duke University im Rahmen des‚Duke in Berlin’-Programms.

Shlomo Giora Shohamwar der erste Commissioner for Future Generations in Israel. Er ist Dozent an den Jura-Fakultäten der Universitäten von Tel Aviv und Bar Ilan, Israel.

Prof. Michael Wallack ist Associate Professor am Department of Political Science ander Memorial University of Newfoundland, Kanada.

Prof. Dr. Burns H. Weston ist der Direktor der Climate Legacy Initiative, einem Gemeinschaftsprojekt des Vermont Law School EnvironmentalLaw Center und des University of Iowa Center for HumanRights. Als Bessie Dutton Murray Distinguish ed Professor leitete er das Center for Human Rightsder Universität Iowa bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1999.

Inhaltsverzeichnis

Thema: Institutionen für Zukunftsverantwortung

Editorial 3

Wie die Rechte zukünftiger Generationen auf europäischer Ebene geschützt werden können 4von Dr. Maja Göpel and Malte Arhelger

Straftaten gegen zukünftige Generationen: Die Implementierung intergenerationeller Gerechtigkeit durch Internationales Strafrecht 11von Sébastien Jodoin

Der parlamentarische Kommissar für künftige Generationen Ungarns und sein Einfluss 20von Dr. Éva Tóth Ambrusné

Rezensionen

Ulrich Grober: Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffs 27Rezensiert von Jörg Tremmel

Kathleen Dean Moore / Michael P. Nelson: Moral Ground. Ethical Action for a Planet in Peril 29Rezensiert von Franziska Plümmer

Richard P. Hiskes: e Human Right to a Green Future – Environmental Rights and Intergenerational Justice 31Rezensiert von Joseph Burke

David Willetts: e Pinch. How the baby boomers took their children’s future – and why they should give it back 33Rezensiert von Raphaelle Schwarzberg

Manuel J. Hartung / Cosima Schmitt: Die netten Jahre sind vorbei. Schöner leben in der Dauerkrise 35Rezensiert von Wolfgang Gründinger

Call for Papers

Call for Papers: 3. Demografie-Preis für Nachwuchswissenschaftler 36

ImpressumHerausgeber: Prof. Dr. Dr. Jörg Tremmel - JuniorprofessorInstitut für PolitikwissenschaftWirtschafts- und Sozialwissenschaftliche FakultätEberhard Karls Universität Tübingen Tel.: +49(0)7071-2975296Email: [email protected]: Jörg TremmelRedaktion: Verena Farhadian, Hans-Ulrich KramerLayout: Angela Schmidt, OblaDesignDruck: LokayDruck, Königsberger Str. 3, 64354 Reinheim

Das Journal für Generationengerechtigkeit (JfGG) erscheinthalbjährlich und publiziert Artikel, nachdem sie ein Peer-Re-view Verfahren durchlaufen haben. Das Editorial-Board setztsich aus 50 internationalen Experten zusammen, die auszehn verschiedenen Ländern stammen und neun Disziplinenrepräsentieren. Der Einzelpreis pro Heft beträgt 30 Euro. Die in das Heft eingestreuten Zitate wurden von der Redak-tion ausgewählt, nicht von den Autoren.Im Sinne einer geschlechtsneutralen Sprache wird im Heftdie männliche und die weibliche Wortform abgewechselt.

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ieses Heft widmet sich ‚Institutio-nen für Zukunftsverantwortung’ –sowohl den bestehenden als auch

denen, die es geben müsste, um die Gegen-wartspräferenz der Demokratie spürbar zumildern. Demokratien tendieren dazu, dieGegenwart der Zukunft vorzuziehen. Wahl-volk und gewählte Politiker streben Vorteilean, die möglichst kurzfristig anfallen sollen.Die Kosten dafür werden gerne in die Zu-kunft verlagert. Der Rhythmus der Demo-kratie richtet sich nach Wahlperioden, alsonach Zeiträumen von 4 oder 5 Jahren. Demokratie, so wie sie bisher erdacht undumgesetzt wurde, hat das Problem der Ge-genwartsfixierung weitgehend ignoriert. Diewichtigsten Demokratiebegründungstheo-rien, die liberale, die pluralistische sowie diepartizipatorische, bieten keine Lösungen anfür den ‚presentism’ unseres Staatswesens. Esbesteht also nicht nur ein Umsetzungsdefi-zit, sondern auch ein theoretisches Defizitinnerhalb der Subdisziplin der Politikwis-senschaft, die gemeinhin als ‚Politischeeorie’ bezeichnet wird. Das Problem wird sich nicht durch kosme-tische Reformen beheben lassen. Die jahr-hundertealte Gewaltenteilung in Legislative,Exekutive und Judikative, wie sie von Mon-tesquieu 1748 entworfen wurde, ist heutenicht mehr zeitgemäß. Eine neue institutio-nelle Ebene, welche die Interessen künftigerGenerationen in heutige Entscheidungspro-zesse einbringt, ist nötig, um die politischenSysteme zukunftsorientiert zu machen. Derheutige Demos kann im 21. Jahrhundert dieLebensbedingungen zukünftiger Generatio-nen weit stärker beeinträchtigen als in frü-heren Zeiten. Dies könnte es rechtfertigen,das 1762 von Rousseau postulierte Prinzipder Volkssouveränität davon abhängig zumachen, dass dadurch nicht die Freiheiteines zukünftigen Demos zu stark einge-schränkt wird.Überlegen wir einmal, was sich ändernwürde, wenn in einer Demokratie die Inter-essenskonflikte nicht mehr wie heute durchdie Mehrheit der Wahlberechtigten, sonderndurch die Mehrheit der Betroffenen ent-schieden würden. Ohne Zweifel wären dieMehrheitsverhältnisse bei wichtigen politi-schen Entscheidungen anders. Als Beispieldafür mag die Energiepolitik dienen: Die

von den heutigen Generationen betriebeneForm der Energiegewinnung – mit demSchwerpunkt auf fossilen Energieträgern –ermöglicht derzeit einen hohen Lebensstan-dard, nimmt aber dafür gravierende Nach-teile in der mittelfristigen Zukunft vonfünfzig bis hundert Jahren in Kauf. Selbstwenn nur diejenigen künftigen Individuen,die in den nächsten 200 Jahren geborenwerden, bei der nächsten Bundestagswahlüber die heutige Energiepolitik mit abstim-men könnten, würden alle Parteien einenviel schnelleren Übergang zu erneuerbarenEnergien in ihre Parteiprogramme schrei-ben.Aber das Problem ist keineswegs auf denökologischen Bereich beschränkt. Lange vordem Aufkommen der modernen Umwelt-bewegung galt übermäßige Staatsverschul-dung als Paradebeispiel für den sorglosenUmgang mit der Zukunft. Schon 1816 dis-kutierte omas Jefferson Lösungsvor-schläge für dieses Problem. MangelndeInvestitionen in Bildung oder ausbleibendeAnpassungen von umlagefinanzierten Sozi-alversicherungssystemen sind weitere Bei-spiele für Zukunftsvergessenheit.Künftige Generationen können heute nichtwählen, sie können nicht am Willensbil-dungsprozess partizipieren, sie sitzen nichtin Talkshows und schreiben keine Zei-tungsartikel. Es gibt also eine Repräsentati-onslücke. Diese gestaltet sich anders als beifrüheren Fällen fehlender Repräsentation,etwa die der Frauen vor Einführung desFrauenwahlrechts. Künftige Generationenkönnen grundsätzlich nur advokatorisch,also über Dritte, repräsentiert werden. Wiekönnte dies in der Praxis aussehen?Der Artikel Wie die Rechte zukünftiger Ge-nerationen auf europäischer Ebene geschütztwerden können von Maja Göpel und MalteArhelger (World Future Council, Brüssel) listet akribisch auf, wann und wo bisher inder europäischen Gesetzgebung auf künftigeGenerationen Bezug genommen wurde. Sodann vergleichen die Autoren einige bestehende Institutionen für mehr Genera-tionengerechtigkeit nach spezifischen Krite-rien. Göpel/Arhelger schlagen abschließendeinen ‚Kommissar für künftige Generatio-nen’ nach ungarischem Vorbild auf euro-päischer Ebene vor.

Im zweiten Artikel, verfasst von SébastienJodoin (Centre for International Sustaina-ble Development Law, Montreal), steht einejuristische Innovation im Mittelpunkt. InStraftaten gegen zukünftige Generationen: DieImplementierung intergenerationeller Gerech-tigkeit durch Internationales Strafrecht plä-diert Jodoin für die Einführung des neuenStraftatbestandes der ‚Verbrechen gegenkünftige Generationen’. Der InternationaleStrafgerichtshof soll in die Lage versetzt wer-den, solche Straftaten zu verfolgen (ebensowie heute schon die ‚Verbrechen gegen dieMenschlichkeit’). Jodoin führt exakt aus,wie das Statut von Rom dafür ergänzt wer-den müsste. Den ersten Teil des Heftes komplettiert einHintergrundartikel von Éva Tóth Am-brusné, in dem die ungarische Autorin dieArbeitsweise und den Einfluss des parla-mentarischen Kommissars für künftige Ge-nerationen in Ungarn beschreibt. Der erstvor kurzem installierte Kommissar ist mitstarken Kompetenzen ausgestattet, um dieInteressen künftiger Generationen zu schüt-zen. Das ungarische Modell gilt daher Wis-senschaftlern und NGOs als Inspiration fürlandesspezifische Lösungen.

Im zweiten Teil dieses Heftes finden Sie dieRezensionen der Bücher Die Entdeckung derNachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffsvon Ulrich Grober; Moral Ground. EthicalAction for a Planet in Peril von KathleenDean Moore und Michael P. Nelson; eHuman Right to a Green Future – Environ-mental Rights and Intergenerational Justicevon Richard P. Hiskes; e Pinch. How thebaby boomers took their children’s future – andwhy they should give it back von David Wil-letts sowie Die netten Jahre sind vorbei vonManuel J. Hartung und Cosima Schmitt.

Viel Spaß beim Lesen!

Jörg Tremmel, Institut für Politikwissen-schaft, Eberhard Karls Universität Tübingen

Editorial

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Wie die Rechte zukünftiger Generationen auf europäischer Ebene geschützt werden könnenvon Dr. Maja Göpel und Malte Arhelger

usammenfassung: Zukünftige Gene-rationen sind zukünftige Bürger mitRechten. Deshalb sollten Rechtssy-

steme diese durch geeignete Institutionen schüt-zen. Im Fall der EU findet sich ingrundlegenden Gesetzestexten ein expliziterBezug auf intergenerationelle Gerechtigkeit,aber paradoxerweise existiert keine Institution,um diese abzusichern. Dies ist insofern proble-matisch, als dass repräsentative Demokratienauf kurzfristige Erfolge und Interessen von heu-tigen Wählerinnen ausgerichtet sind. Leichtwerden Zukunftsbelange als politisch unbe-quem aufgeschoben. Wir argumentieren des-halb dafür, dass verantwortliche Politik diesemstrukturellen Problem aktiv begegnen sollteund schlagen ein zeitliches Checks-and-Balances-System vor. Anhand eines Vergleichsvorhandener politischer Instrumente und derAnalyse ihres effektiven Einflusses auf den Ge-setzgebungsprozess schlagen wir die Schaffungeines europäischen Bürgervertreters vor, der sichexplizit und aktiv für die Rechte zukünftigerGenerationen einsetzt. Im Ausblick schließenwir einen Überblick über die jüngsten Ent-wicklungen in dieser Richtung an.1

Die Rechte zukünftiger GenerationenIn der philosophischen Debatte ist nach wievor unklar, wie die normativen Konzepte‚Verpflichtung’, ‚Rechte’ oder ‚Schaden’ zuinterpretieren sind, wenn man sie im Kon-text der Intergenerationalität verwendet.Das liegt hauptsächlich daran, dass künftigeMenschen noch nicht existieren und folglichihre Anzahl, Identität und Interessen unbe-

stimmt sind.2 Obwohl es keine kohärenteethische eorie dazu gibt, schreiben diemeisten Menschen dem Leben zukünftigerGenerationen moralische Relevanz zu. DerDiskurs hierüber geht deshalb typischer-weise von Rechten aus. Wenn universelle

Menschenrechte für alle gelten, warum soll-ten zukünftige Generationen davon ausge-schlossen sein? Warum sollte dies dann nichtauch Pflichten für gegenwärtige Generatio-nen mit sich bringen?

Es scheint daher angebracht, zukünftigeMenschen als Träger von Rechten zu be-trachten - auch wenn es keine klare Bestim-mung gibt, was dies für gegenwärtigeMenschen praktisch und rechtlich impli-ziert.3

In diesem Aufsatz geht es nicht darum, wasgenau man künftigen Generationen zu hin-terlassen hat, sondern darum, wie Möglich-keiten und Chancen auf eine ähnlicheWahlfreiheit bei der Bildung von Gesell-schaften gesichert werden können. Wir sindder Ansicht, dass die gegenwärtige Genera-tion verpflichtet ist, Entwicklungen zu ver-hindern und Trends aufzuhalten, die dieseMöglichkeiten und Chancen gefährden, wieetwa der Verlust an Biodiversität, Klima-wandel, Raubbau an Ressourcen, Fortbeste-hen und Verschlimmerung von extremerArmut und Ungleichheit, um nur einige zunennen. Politische Institutionen spielendurch ihre Regulationsfähigkeit eine bedeu-tende Rolle in der Ausübung der entspre-chenden Verantwortlichkeiten. Mit Blickauf die zunehmende legislative Bedeutungder Europäischen Union untersucht dieserAufsatz, wie europäische Institutionen denSchutz künftiger Generationen verbessernkönnten. Er schließt mit der Empfehlungzur Schaffung einer neuen Körperschaft mitausdrücklichem Mandat für diesen Zweck.

Zukünftige Generationen in der europäischen GesetzgebungDie Prämisse für die folgenden Vergleicheund Analysen ist, dass sich aus der europäi-schen Politik der letzten Dekaden ein Impe-rativ für die institutionelle Repräsentationkünftiger Generationen ableiten lässt. Wirsubstantiieren diese Prämisse durch einenkurzen historischen Abriss zum Status künf-tiger Generationen in internationalen Ver-trägen und Konventionen.Grundsätzlich ist es wichtig, zwischen expli-zitem und implizitem Bezug auf künftige

Generationen zu unterscheiden. Zu den im-pliziten Formulierungen zählen ‚Erbschaft’,insofern dies einschließt, dass etwas an eineNachkommenschaft weitergegeben wirdsowie das Prinzip der ‚nachhaltigen Ent-wicklung’, wie im Brundtland Report von1987 definiert: „Entwicklung, die den Be-dürfnissen der Gegenwart genügt, ohne dieFähigkeit künftiger Generationen zu beein-trächtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu dek-ken.“4 Der Bezug auf künftige Generationenim europäischen Kontext reicht von explizitund nicht-bindend bis implizit und bin-dend, und erhält in der europäischen Ge-setzgebung einen immer prominenterenPlatz.

Zukünftige Generationen und europäische UmweltpolitikDie Erklärungen und Empfehlungen derUN-Konferenz von 1972 in Stockholm stel-len den Beginn einer institutionalisiertenUmweltpolitik dar. Der Begriff ‚zukünftigeGenerationen’ findet sich nicht nur an prominenter Stelle in der Präambel, sondernauch in den Prinzipien 1 und 2.5 Der Wort-laut der Abschlusserklärung hatte Einfluss aufdie ersten Formulierungen innerhalb einereuropäischen Umweltpolitik. Im europäischenKontext werden zukünftige Genera tionenzum ersten Mal im Umweltaktionsprogrammder Europäischen Gemeinschaft [Programmeof Action of the European Communities on theEnvironment] von 1973 erwähnt. Die Euro-päische Gemeinschaft fordert, dass ein Be-wusstsein für Umweltprobleme notwendig istund „dass Bildungsaktivitäten stattfindensollten, damit die gesamte Gemeinschaft sichdes Problems bewusst wird und ihre Verant-wortlichkeiten gegenüber nachkommendenGenerationen vollständig wahrnimmt.“6 Inder Empfehlung der Kommission zumSchutz von Vögeln und ihres Lebensraumsvon 1974 findet sich ebenfalls ein impliziterBezug auf künftige Generationen, denn dortheißt es, dass „die öffentliche Meinung Zug-vögel mehr und mehr als gemeinschaftlichesErbe betrachtet.“7 Allerdings waren diese Formulierungen kaum von bindendem Cha-rakter und nicht Teil einer integrierten politi-schen Strategie.

Z

Es war nie das Volk, das sich über dieUniversalität von Menschenrechten beschwerte, noch war es das Volk, welches Menschenrechte als etwas vom Westen oder Norden Aufgedräng-tes betrachtete. Es waren vielmehr ihre Führer, die dies taten./ Kofi Annan /

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diesem auch als Aarhus Konvention bekann-ten Abkommen wird erklärt, dass „jede Per-son das Recht hat, in einer ihrer Gesundheitund ihrem Wohlergehen zuträglichen Um-welt zu leben, und die Pflicht, sowohl indi-viduell als auch in Gemeinschaft mitanderen, die Umwelt zu schützen und zuverbessern, zum Wohle gegenwärtiger undkünftiger Generationen.“16 Vor allem wennes darum geht, für eine Institution zumSchutze künftiger Generationen einzutreten,sollte man beachten, dass diese Präambel dieStaaten verpflichtet, Bürger in der Ausübungihrer Rechte und Pflichten zu unterstützen.Denn darin heißt es: „Um in der Lage zusein, dieses Recht in Anspruch zu nehmenund dieser Pflicht nachzukommen, müssenBürger Zugang zu Informationen haben, be-rechtigt sein, an Entscheidungsprozessenteilzunehmen und Zugang zu Gerechtigkeitin Umweltfragen haben.“ Und: „Bürgerkönnten auf Hilfe angewiesen sein, um ihreRechte auszuüben.“17 Jedoch ging diesebahnbrechende Konvention nicht vor 2006in europäisches Recht über.18

Von Rio nach BrüsselSeit der Veröffentlichung des Brundtland-Berichtes 1987 haben zukünftige Generatio-nen im Europäischen Rat sowohl implizit alsauch explizit Beachtung gefunden, wenn-gleich nur in nicht-bindenden Deklaratio-nen. Nichtsdestotrotz zeigt dies, dassintergenerationelle Gerechtigkeit ein wach-sendes Anliegen europäischer Politiker ge-worden ist. Die erste Deklaration, in der dieprominente implizite Formel der nachhalti-gen Entwicklung wieder auftaucht, ist dieErklärung des Rhodes-Gipfels [Rhodes Sum-mit Declaration] zur Umwelt von 1988,worin steht, dass „nachhaltige Entwicklungeines der vordringlichsten Ziele aller politi-scher Maßnahmen der Gemeinschaft seinmuss.“19 Ein anderes, auffällig deutlichesBeispiel ist die Erklärung des Dublin-Gip-fels [Dublin Summit Declaration] zum öko-logischen Imperativ von 1990. Darin heißtes, dass „die Menschheit Fürsprecher der na-türlichen Umwelt ist und die Pflicht zu auf-geklärter Fürsorge für diese sowie künftigeGenerationen hat.“20 Angesichts dieserDeutlichkeit ist jedoch ebenso auffällig, dassdiese Erklärung bislang nur wenig bewirkthat. Das Prinzip der nachhaltigen Entwick-lung gewinnt nach der UN-Konferenz zuUmwelt und Entwicklung 1992 in Rio deJaneiro an Fahrt, in Form des Fünften Um-welt-Aktionsprogramms Towards Sustaina-bility.21

halten.“ Auch das kulturelle Erbe sei zu be-rücksichtigen.11 Insgesamt bezieht sich dieeuropäische Gesetzgebung in den 1970erJahren jedoch nur vereinzelt und implizit aufzukünftige Generationen.

Internationale Verträge: Zukünftige Generationen durch die HintertürHauptsächlich über die Konventionen derVereinten Nationen (UN) findet der Bezugauf künftige Generationen schließlich docheinen Weg in die europäische Gesetzgebung,in erster Linie in Präambeln. Zum erstenMal ist dies bei der Konvention zum Erhaltmigrierender Wildtierarten [Convention onthe conversation of migratory species of wildanimals] von 1982 der Fall. Laut ihrer Prä-ambel „hat jede Generation der Menschheitdie Ressourcen der Erde für zukünftige Ge-nerationen in der Hand und hat die Pflicht,dafür zu sorgen, dass dieses Erbe erhaltenbleibt und, sofern es genutzt wird, es klugzu nutzen.“12 Zweitens nimmt die Präambelder UN Konvention zur Biodiversität aufkünftige Generationen Bezug.13 Wieder lässtsich beobachten, wie der implementierendeEntschluss des Europäischen Rates 1993 diePositionen der UN übernimmt. Der Ent-schluss des Europäischen Rates sieht vor,dass sich die EU an diese Konvention hält,weil „der Erhalt von Biodiversität ein globa-les Anliegen ist und es somit der Gemein-schaft und ihren Mitgliedsstaaten gebührt,sich an den internationalen Anstrengungenzu beteiligen.“ Die Präambel führt fort, dass„die Erhaltung und nachhaltige Nutzungvon Biodiversität“ geeignete Mittel seien,um dieses Ziel zu erreichen.14 Drittens ent-hält die Erklärung der UN-Organisation fürBildung, Wissenschaft und Kultur(UNESCO) zu den Verantwortlichkeitender gegenwärtigen Generationen gegenüberkünftigen Generationen von 1997 zwölf Ar-tikel, in denen erläutert wird, welche Anlie-gen für den Schutz künftiger Generationenals relevant betrachtet werden – darunterauch nicht-ökologische Ziele wie Bildung,Frieden, gemeinschaftliches Erbe und kul-turelle Diversität.15 Diese Erklärung ist je-doch rechtlich nicht bindend.Viertens, vom rechtlichen Standpunkt ausam bemerkenswertesten, enthält die Kon-vention zum Zugang auf Information, öffent-liche Partizipation an Entscheidungsprozessenund Zugang zu Gerechtigkeit in Umweltfragen,das Ergebnis einer regionalen UN-Konven-tion von 1998, eine konkrete Beschreibung,wie sich Rechte künftiger Generationen alsgegenwärtige Pflichten darstellen können. In

Unterdessen verschwinden normative Bezüge auf künftige Generationen fast voll-ständig mit der Annahme erster verbindli-cher Teile einer europäischen Umwelt-gesetzgebung. Dies ist sicherlich auch aufdas damals viel engere legislative Mandat derEuropäischen Kommission zurückzuführen.Damals bestand das alleinige Ziel der Ge-meinschaft in der Schaffung eines gemein-samen Marktes und beinhaltete wederBezüge auf künftige Generationen noch aufdie Umwelt. Dementsprechend forderte dieAbfall-Rahmenrichtlinie [Waste FrameworkDirective] von 1975, einer der ersten recht-lich bindenden Texte im Umweltbereich,zwar die „Wiederverwertung von Müll [...]um natürliche Ressourcen zu erhalten“,8

bezog sich dabei aber auf die Funktions-tüchtigkeit des gemeinsamen Marktes und

auf Artikel 235 des Römischen Vertrages,der die Handlungen der Gemeinschaft fürden Fall regelt, dass keine andere rechtlicheGrundlage besteht.Die Badegewässer-Richtlinie von 1976 [Bat-hing Water Directive] stellte eine ähnliche Si-tuation dar: Es wird dargelegt, dass dieÜberwachung von Badegewässern notwen-dig ist, um die Ziele eines gemeinsamenMarktes zu erreichen, doch wird eine rechtweite Definition von ‚Badegewässer’ ange-wendet.9 Ähnlich beschreibt die Vogel-Richtlinie [Bird Directive] von 1979 denSchutz wilder Vogelarten in der EU als Mit-tel, um die Ziele des gemeinsamen Markteszu erlangen, wobei ausnahmsweise auch ge-sagt wird, dass „wilde Vogelarten, die aufdem Gebiet der europäischen Mitgliedsstaa-ten natürlicherweise vorkommen [...] ein gemeinsames Erbe darstellen“, und „langfri-stiger Schutz und Management der natürli-chen Ressourcen [als] wesentlicher Teil desErbes der europäischen Völker“ betrachtetwird.10 Zudem steht in der Präambel derRichtlinie zur Erfassung von Umweltein-flüssen [Environmental Impact Assessment Di-rective] von 1985, dass die Auswirkungenmenschlichen Einflusses auf die Natur be-obachtet werden müssen, „um die Erhaltungder Artendiversität sicherzustellen und dieReproduktionsfähigkeit des Ökosystems alsgrundlegende Ressource des Lebens zu er-

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Für eine erfolgreiche Technologiemuss die Realität Vorrang vor derWerbung um die Öffentlichkeit ha -ben, denn die Natur lässt sich nichtzum Narren halten./ Richard P. Feynman /

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Italien, Portugal, Slowakei, Slowenien). Fastalle Verfassungstexte führen die Rolle desStaates für den Schutz der Umwelt an.29

Trotz reichlicher Bezüge auf intergeneratio-nelle Gerechtigkeit im Rahmen des Verfas-sungsrechts auf nationaler und europäischerEbene und trotz der Tatsache, dass seit demCardiff-Gipfel 1998 – und dreier weitererGipfel zu diesem ema (Helsinki 1998,Göteborg 2001 und Barcelona 2002) – ver-sucht wurde, europäische Nachhaltigkeits-maßnahmen zu institutionalisieren, gibt esweder einen Mechanismus, um sicherzustel-len, dass die selbst auferlegten Verpflichtun-gen zu nachhaltiger Entwicklung einge-halten werden, noch eine klar formulierteAbsicht, einen solchen Mechanismus einzu-richten. Eine entsprechende gesetzliche Re-gelung müsste sich auf Artikel 352 desLissabonner Vertrages beziehen; der Ratkann geeignete Maßnahmen treffen, um dieim Vertrag vereinbarten Ziele zu erreichen,sofern diese nicht durch die Regelungen desVertrages selbst erreichbar sind.30

Vorhandene intergenerationelle Checks-and-BalancesIm Unterschied zu gegenwärtig lebendenMenschen können zukünftige Menschennicht selbst gegen jetzige politische Ent-scheidungen protestieren oder darlegen, in-wiefern diese ihr Leben und Wohlergehenbeeinträchtigen. Einige Länder auf der Welthaben diese Repräsentationslücke erkanntund Institutionen eingerichtet, um die In-teressen künftiger Menschen zu schützen. Indiesem Aufsatz befassen wir uns nur mit In-stitutionen, die am Gesetzgebungsprozessteilnehmen können.31 Unser vorrangigesZiel besteht darin, einzuschätzen, inwieweitsolche Institutionen wichtige Regierungsin-novationen in repräsentativen Demokratiensein könnten, so dass wesentliche Mandateund Funktionen für die europäische Regie-rungsebene definiert werden können. Es ist zunächst hilfreich, die Begrifflichkei-ten zu klären, um die verschiedenen Artenvon zeitlichen Checks-and-Balances ausein-ander zu halten, die in nationalen politi-schen Systemen vorkommen. Wir werdenInstitutionen danach unterscheiden, wieihre Vertreter eingesetzt werden sowie nachihrer rechtlichen Grundlage. Wir nenneneine Institution bestehend aus direkt ge-wählten Parlamentariern, die auf der Basisparlamentarischer Verfahrensregeln operieren,ein ,parlamentarisches Komitee´; ,parla-mentarischer Kommissar´ ist eine Institu-tion, die ein berufener oder indirekt

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gewählter Nicht-Parlamentarier innehat, derauf der Basis von parlamentarischen Verfah-rensregeln operiert, und ,Kommissar´ eineInstitution, die aus einem berufenen oderindirekt gewählten Nicht-Parlamentarier be-steht, der auf der Basis einer unabhängigenGesetzgebung operiert. In der akademischenLiteratur werden noch weitere mögliche Me-chanismen der zeitlichen Checks-and-Balances diskutiert, darunter fest reservierteParlamentssitze,32 deliberative Kontrollme-chanismen33 und besondere Zweite Kam-mern.34 Wir werden unsere Diskussion aufbereits vorhandene Fälle beschränken.

Einige Bemerkungen zur MethodologieWir versuchen zu bestimmen, welches Mo-dell sich am besten für unser Ziel eignet,einen starken Mechanismus der zeitlichenChecks-and-Balances einzurichten. Dieideale Institution sollte zwei Anforderungenerfüllen. Erstens sollte sie der Forderung derGewaltenteilung genügen. Das heißt, siesollte unabhängig sein und ihre Funktionsollte darin bestehen, politische Wirksam-keit zu erhöhen, indem Machtmissbrauchbeschränkt wird. Der Missbrauch politischerMacht kann politische und wirtschaftlicheKosten für gegenwärtige und zukünftige Ge-nerationen verursachen. Zu den Kosten fürgegenwärtige Generationen gehören solche,die durch Reibungen im politischen Prozessentstehen, etwa Legitimationsdefizite durchmangelnde Abstimmung oder als unzuläng-lich empfundene Gesetzgebung. Zu den Ko-sten für künftige Generationen gehören zumBeispiel die Kosten durch Klimawandel,Verlust an Biodiversität oder die Auswir-kungen riskanter Technologien, zumal dieseKosten steigen, wenn sie nicht frühzeitig be-rücksichtigt werden. Zweitens sollte die In-stitution in der Lage sein, das hohe Maß anUngewissheit zu integrieren, das mit lang-fristigen Entwicklungen verbunden ist, undüber die Möglichkeit verfügen, technologi-sche und soziale Innovationen in ihre Über-legungen aufzunehmen. Auf dieser Grundlage lassen sich sechs Kri-terien für eine vergleichende Analyse be-stimmen. Damit die Institution in der Lageist, Machtmissbrauch durch gegenwärtigeInstitutionen einzuschränken, muss sie 1)unabhängig und 2) leistungsfähig sein.Damit die Institution die Effizienz politi-scher Maßnahmen steigern kann, muss sie3) transparent und 4) demokratisch legiti-miert sein. Während die Interessen der ge-genwärtigen Generation denen zukünftigerGenerationen zuwiderlaufen können, sollte

6

Nachhaltige Entwicklung: ZukünftigeGenerationen in den VerträgenIm Amsterdamer Vertrag von 1997 erhiel-ten zukünftige Generationen ihren erstenimpliziten Auftritt in europäischen Verträ-gen in Form eines Prinzips zur nachhaltigenEntwicklung.22 Die Europäische Charta derGrundrechte von 2000 ist der erste grundle-gende Rechtstext, in welchem zukünftigeGenerationen explizit genannt werden. Inder Präambel heißt es, dass die somit festge-

schriebenen Rechte mit Verpflichtungen gegenüber zukünftigen Generationen ein-hergehen.23 Das Dokument wird mit derAnnahme des Vertrages von Lissabon, 2008,rechtsverbindlich. Mehrere Artikel diesesVertrages beinhalten Bezüge auf künftigeGenerationen in Form des Prinzips dernachhaltigen Entwicklung, und zwar Arti-kel 3 und 21, sowie Artikel 37, der besagt,dass „ein hohes Maß an Umweltschutz undVerbesserung der Umweltqualität in die Po-litik der Union integriert und sichergestelltwerden müssen, in Übereinstimmung mitdem Prinzip der nachhaltigen Entwick-lung.“24 Seit dem Amsterdamer Vertrag von1997 ist das Prinzip der nachhaltigen Ent-wicklung zur vorherrschenden Sprachrege-lung im europäischen Diskurs zurUmweltpolitik geworden. Dies gilt nicht nurfür die Ratsbeschlüsse, die zur Implemen-tierung des Prinzips drängen (Luxemburg1997, Cardiff 1998, Wien 1998, Köln 1999und Helsinki 1999), sondern auch für ver-schiedene politische Programme der Euro-päischen Union. Dazu gehören, ambekanntesten, die Europäische Strategie zurnachhaltigen Entwicklung, A SustainableEurope for a Better World 25 (2001), und seineÜberarbeitungen von 200526 und 2009,27

sowie der Aktionsplan zu Umwelttechnolo-gien28 von 2004.Es scheint auch bemerkenswert, dass sich inverschiedenen Verfassungen von EU-Mit-gliedsstaaten Bezüge auf intergenerationelleGerechtigkeit finden. Acht Verfassungenenthalten expliziten Bezug auf künftige Ge-nerationen (Belgien, Tschechien, Estland,Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Polenund Schweden) und fünf Verfassungen ver-weisen mittels des Konzepts des Erbes indi-rekt auf künftige Generationen (Finnland,

Die Kreditkrise besteht darin, von unseren Kindern zu leihen; die Klima- krise besteht darin, von ihnen zustehlen. / David Pencheon /

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7

Institution Land 1) unabhängig 2) leistungs- 3) transparent 4) demokratisch 5) zugangs- 6) leichtfähig legitimiert berechtigt erreichbar

Parlamentari-sches Komitee

Tabelle 1. Beispiele institutioneller Mechanismen zeitlicher Checks-and-Balances in einem Vergleich

Finnland (Tu-levaisuusvalio-kunta, 1999),Deutschland(Parlamen -t arischer Beiratfür Nachhal-tige Entwick-lung 2006).

Separate Insti-tution inner-halb der Legis-lative, bestehtaus gewähltenParlamenta-riern. Einge-bettet in parla-mentarischeVerfahrens re-geln. Separates Budget (Finnland).35

Institution, dieBerichte veröf-fentlicht undandere ständigeAusschüsseberät.36

Die Mitgliederhaben im Plenar Stimm-recht.

Durch Mandatdazu angehal-ten, langfristigeRegierungs-strategien um-zusetzen. DieInstitution veröffentlichtregelmäßig allgemeine Berichte sowiespezifische Be-richte und Ver-lautbarungenüber aktuelleemen.

Durch die Re-gierung einge-setzte(Deutschland)oder aus parla-mentarischenDebatten her-vorgegangeneInstitution(Finnland).Die Mitgliederwerden direktgewählt.

Mitgliederkönnen nachschriftlicheroder mündli-cher AnfrageRegierungsin-formationenerhalten. DieMitgliederkönnen Unter-suchungenüber zukünf-tige Szenarienin unterschied-lichen Politik-felderninitiieren(Finnland).

Die Institutionsoll die Kom-munikationzwischen wich-tigen politi-schen Akteurenverbessern unddie allgemeineÖffentlichkeitin die Debatteüber nachhal-tige Entwick-lung einbe-ziehen.37

Parlamentari-scher Kommissar

Israel (IsraeliCommissionfor Future Generations,2001-2006).

Operiert aufder Basis parla-mentarischerVerfahrensre-geln. SeparatesBudget, wel-ches Teil desParlaments-budget ist.38

Institution ver-öffentlicht Ver-lautbarungen.Sie könnteauch um eineVerschiebunglegislativer Ent-scheidungenbitten, umzuvor Stellung-nahmen abzu-geben.39

Durch Mandatzur Berichter-stattung überGesetzesent-würfe angehal-ten, die„signifikanteFolgen fürkünftige Gene-rationenhaben.“40

Die Institution veröffentlichtregelmäßig allgemeine Berichte.

Durch parla-mentarischeAbstimmungauf der Grund-lage parlamen-tarischerVerfahrensre-geln eingesetzteInstitution.Die Mitgliederwerden mitHinblick aufihre Leistungenernannt.41

Institution hatZugang zustaatlichen Ein-richtungen, de-finiert im StateComptrollerAct.42 Der In-stitution stehtes offen, sichüber Gesetzezu äußern undParlamentarierzu beraten. DieMitgliederkönnen in par-lamentarischenAusschüssenauftreten.

Der Institutionwerden alleGesetzesent-würfe sowie Sekundärrechtvorgelegt. Defacto wurde sieein Eingangs-tor für wirt-schaftliche undzivilgesell-schaftliche Ak-teure.43

Kommissar Kanada (Com-missioner forEnvironmentand Sustaina-ble Develop-ment, 1995),Ungarn (ParliamentaryCommissionerfor Future Generations,2006), Neu-seeland (Parlia-mentaryCommissionerfor the Envi-ronment,1986).

Operiert aufder Basis einerunabhängigenGesetzgebung.Separates Bud-get, welches imStaatshaushaltfestgelegt undvom Parlamentverabschiedetwird.

Institution, diedie Aussetzungadministrativeroder andererGesetze initiie-ren kann, diemöglicherweiseirreversibleUmweltschä-den verursa-chen können.Sie muss hier-für vor Gerichterscheinen. Siekann zudemNormenkon-trollen im Fallerechtsunmäßi-ger Akte einlei-ten, d.h., wennGesetze funda-mentale Rechteverletzen.44

Durch Mandatdazu angehal-ten, „denSchutz dergrundlegendenRechte auf einegesunde Um-welt zu ge-währleisten“,45

was ein funda-mentales Rechtist. Die Institu-tion veröffent-licht regelmäßigallgemeine Be-richte.

Durch parla-mentarischeAbstimmungfür die jewei-lige Legislatur-periodeeingesetzte In-stitution. DieMitglieder wer-den auf derGrundlageihrer Leistun-gen ausgewähltund von derParlaments-mehrheit bestä-tigt (Ungarn).46

Die Institutionkann jede Artvon Aktivitätuntersuchen,beschränktwird sie hierbeinur durch dieWahrung vonStaatsgeheim-nissen, nichtjedoch durchGeschäftsge-heimnisse. Sie kann dasParlament dazudrängen,schwerwie-gende wider-rechtliche Aktezu erörtern.Die Mitgliederkönnen imParlament auf-treten.47

Jedem wird dasPetitionsrechtgewährt. DieInstitutionkann Untersu-chungen auchselbstständigdurchführen.

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die Körperschaft doch demokratisch legiti-miert sein. So wird durch ihre Schaffung dieBedeutung hervorgehoben, die zukünftigenGenerationen beigemessen wird. Ein Rechts- staat funktioniert im Allgemeinen ähnlich:Eine Klägerin mag mit einem Urteil gegensie unzufrieden sein, aber trotzdem die Le-gitimität der Rechtsinstitutionen anerken-nen, die das Gemeininteresse zu schützenhaben. Damit die Institution mit Ungewiss-heit umgehen kann, sollte sie 5) Zugang zu

allen relevanten Informationen haben und6) weithin offen sein für Expertenmeinun-gen sowie die Belange der Bürger, damitwohlinformierte und breit angelegte Dis-kussionen möglich sind. In der Praxismögen Aktivitäten, die unter 6) fallen, iden-tisch sein mit solchen, die unter 3) fallen.Doch Transparenz ist eine Output-bezogeneQualität, Offenheit dagegen Input-bezogen.Je offener die Institution ist, desto schnellerkann sie sich an Veränderungen anpassenund desto geringer das Risiko, dass ihrFokus systematisch auf Einzelinteressen be-schränkt bleibt. Wie sollen diese Kriterien bei einem Ver-gleich von Institutionen gewichtet werden?Jede Institution, die eines dieser sechs Kri-terien erfüllt, kann zu einem gewissen Maßals Mechanismus der temporalen Checks-and-Balances auftreten. Doch je mehr derKriterien eine Institution erfüllt, desto bes-ser scheint sie für diese Aufgabe gerüstet.Mit diesen Bemerkungen im Hinterkopfvergleichen wir nun bestehende Institutio-nen (siehe Tabelle 1).

Andeutungen zum Abschluss Welche Schlussfolgerungen können aus demVergleich gezogen werden? Erstens sehen wirnun, inwieweit vorhandene Institutionenden benannten Kriterien genügen. Wenneine Körperschaft, die als Mechanismus dertemporalen Checks-and-Balances auftritt, 1)unabhängig im Sinne der Gewaltenteilungsein soll, dann sollten Positionen in dieserKörperschaft nicht durch Personen besetztsein, die auch eine Position in einem ande-ren Zweig der politischen Gewalten inneha-ben. Idealerweise sollte diese Institutionauch eine unabhängige Rechtsgrundlage be-sitzen, um ihre Unabhängigkeit von der ent-sprechenden Körperschaft zu erhöhen. Derungarische Kommissar genießt die größte

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Unabhängigkeit, obgleich sein Budget derEntscheidung der Országgyülés (das ungari-sche Parlament) unterliegt.

Wenn eine Einrichtung 2) leistungsfähigsein soll, dann sollte sie rechtlich bindendeKompetenzen besitzen. Der ungarischeKommissar ist der einzige mit rechtsver-bindlichen Werkzeugen. Man sollte hinzu-fügen, dass der israelische Kommissar überde facto-Vetomacht verfügte: Er konnte dasRecht zu Ansprachen taktisch ausnutzen, sodass Entscheidungen hinausgezögert undletztlich fallengelassen wurden, falls der par-lamentarische Ablaufplan keine Verzöge-rungen erlaubt hat.48 Aber diese Macht istriskant, weil sie leicht das Vertrauen zwi-schen dem Beauftragten und der Parla-mentskommission untergräbt. Wenn eineKörperschaft 3) transparent sein soll, bedarfsie eines eindeutigen und direkten Mandatsund sollte regelmäßig über ihre ErgebnisseBericht erstatten. Während alle untersuch-ten Körperschaften regelmäßig berichten,hat der ungarische Kommissar das eindeu-tigste Handlungsmandat. Der Einfluss alleranderen Körperschaften hängt von der Ak-tivität einer dritten, entweder exekutivenoder legislativen Körperschaft ab. Wenn eineInstitution 4) legitimiert sein soll, sollte siebreite öffentliche Unterstützung genießenoder sogar aus bürgerschaftlichem Handelnhervorgegangen sein. Während die israeli-sche Kommission ‚von oben nach unten’ in-stalliert wurde, wurden ihreArbeitsergebnisse weithin mittels guter Me-dienbeziehungen kommuniziert.49 Der un-garische Kommissar wurde nach einerGraswurzel initiative durch die bürgerschaft-liche Organisation Védegylet (Protect theFuture) eingesetzt.50 Die parlamentarischenKommissionen haben hingegen den größtenEinfluss auf politische Akteure.51 Wenn eineKörperschaft 5) den nötigen Zugang zu In-formationen haben soll, braucht sie umfas-sende Autorität, Informationen abzufragen.Das Mandat des ungarischen Kommissars isthier am großzügigsten. Schließlich, wenndie Körperschaft 6) offen sein soll, sollte sieinstitutionalisierten und umfassenden Inputzulassen. Wiederum scheint das Mandat desungarischen Kommissars in dieser Hinsichtam weitesten zu gehen, wenn man bedenkt,dass man sich mit Petitionen an ihn wendenkann wie an einen Ombudsmann. Zweitens, muss man sich über den heuristi-schen Wert dieses Vergleiches im Klarensein: Es gibt zwar einige Anzeichen, dass dasModell des ungarischen parlamentarischen

Kommissars zukünftige Generationen wirk-sam vor gegenwärtigem Machtmissbrauchschützen kann. Aber dies heißt weder, dasses sich um einen Automatismus handelt,noch dass das ungarische Modell sich alsVorlage auf andere Gesetzgebungen über-tragen lässt. Es ist eher angebracht zu be-haupten, dass das ungarische Modell deninteressantesten Präzedenzfall darstellt, wennes darum geht, einen wirkungsvollen Me-chanismus zeitlicher Checks-and-Balancesauf europäischer Ebene einzurichten. SeinMandat ist aber auf den Schutz der Umweltbegrenzt, wohingegen der israelische Kom-missar zwölf Politikbereiche beaufsichtigtund damit einem ganzheitlichen Schutz derLebensbedingungen für künftige Generatio-nen näher kommt, ähnlich der oben zitier-ten UNESCO-Erklärung.Da die fundamentalen Rechte aus dem Lis-sabonner Vertrag ohnehin kein Recht aufsaubere Umwelt einschließen, könnte dasMandat einer europäischen Körperschaft aufdie übergeordnete Zielsetzung der Europäi-schen Union aufbauen, wie sie der Artikel 3des Vertrages definiert: „den Frieden zu för-dern, ihre Werte und das Wohlergehen ihrerVölker.“52 Konkrete Ziele, die Artikel 3 inden Subparagraphen benennt, umfassenmehrere Politikfelder, von Wirtschaft überSicherheit bis Kultur. Wenn all diese Zieleals grundlegend für das Wohlergehen derMenschen heute definiert werden, müsstensie konsequenter Weise auch langfristig, fürBürgerinnen von morgen, geschützt werden.Ein solches Mandat würde auch die beste-henden Selbstverpflichtungen der Europäi-schen Union zu nachhaltiger Entwicklungals übergeordnetem Politikziel unmittelbarunterstützen: Zur Zeit wird die Nachhaltig-keitsstrategie als Nebenschauplatz behandeltund einzelne Gesetze werden trotz Bekun-dungen zu sektorübergreifender Integrationweiter in getrennten Abteilungen mit be-schränkten Arbeitsbereichen und separatenZielen entworfen. Die Arbeit einer Körper-schaft für zukünftige Generationen miteinem horizontalen Mandat würde die Ab-stimmung zwischen Sektoren und die Dis-kriminierung gegenüber langfristigenInteressen eindämmen. Das offiziell formu-lierte Ziel „intergenerationeller Solidarität“in Artikel 3 würde Zähne bekommen unddamit die Umsetzung politischer Maßnah-men für Nachhaltigkeit verbessern. Für dieeuropäische Bühne wäre es jedoch hilfreich,den Begriff ‚Kommissar’ zu vermeiden, umVerwechselungen mit EU-Kommissarenvorzubeugen. Ein ‚Europäischer Hüter der

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Reife ist die Fähigkeit, Ungewissheitertragen zu können. / John Huston Finley /

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künftigen Generationen’ wäre eine möglicheSprachregelung, oder auch eine ,Ombuds-person für zukünftige Generationen´.

Initiativen für eine europäische Repräsentation künftiger GenerationenDer letzte Abschnitt wird sich mit früherenInitiativen für die Einrichtung einer institu-tionellen Repräsentanz für künftige Genera-tionen befassen und einige Strategien fürweiteres Handeln andeuten. Im vergangenenJahrzehnt sind alle diese Initiativen aus derZivilgesellschaft hervorgegangen.53

Die wichtigste Initiative wurde von Védegy-let organisiert. Als 2006 das Gesetz zur Ein-richtung des ungarischen Kommissars fürkünftige Generationen verabschiedet wurde,entschied sich Védegylet, auch auf der euro-päischen Ebene aktiv zu werden.54 Die Ak-tivisten gewannen Unterstützung von derkonservativen Abgeordneten des Europa-parlamentes (MEP) Kinga Gál, die nochdrei weitere MEPs für die Initiative hinzu-gewann. Im Juni 2008 organisierte dieGruppe eine öffentliche Veranstaltung imEuropäischen Parlament und im Septemberbegann sie eine Unterschriftensammlung fürdie ,Schriftliche Erklärung zur Notwendig-keit einer Vertretung zukünftiger Genera-tionen in der Europäischen Union´. DerText forderte, dass die Kommission und derRat drei Möglichkeiten untersuchen sollen,um die Rechte künftiger Generationen zuschützen. Erstens könnte der Schutz künfti-ger Generationen Teil der Verantwortlich-keiten des vorhandenen europäischen Om-budsmannes werden. Zweitens könnten Fra-gen der intergenerationellen Gerechtigkeitin das Portfolio eines Europakommissars in-tegriert werden. Drittens könnte die Euro-päische Grundrechteagentur beauftragtwerden, die Rechte künftiger Generationenzu stärken.55 Jedoch wurde die Annahme derErklärung am Ende der Legislaturperiode,ohne weitere zivilgesellschaftliche Unter-stützung in Brüssel und ohne die notwen-dige Anzahl von Unterschriften für dieAnnahme, nicht erreicht. Doch die derzeitige Legislaturperiode bieteteine neue Gelegenheit, die Initiative für dieRechte zukünftiger Generationen wiederzu-beleben. Dieser Aufsatz zielte darauf ab, viel-versprechende Ansätze zu untersuchen. Diein der Erklärung der MEP von 2008 vorge-schlagenen Optionen scheinen politisch ein-facher und ökonomisch günstiger. Aber einHüter mit explizitem Mandat zur Verteidi-gung der Rechte zukünftiger Generationenwäre ein soliderer Mechanismus für tempo-

rale Checks-and-Balances – in Entscheidun-gen, die einen erheblichen Einfluss auf dieLebensqualität im nächsten Jahrhunderthaben werden: Infrastruktur, Energie, Um-weltschutz und Umwelttechnologien.

Anmerkungen1. Wir danken Benedek Jávor sowie PeterRoderick, Alice Vincent und mehreren an-onymen Gutachtern. 2. Die Debatte hierzu ist mittlerweile zuumfangreich, um hier angeführt zu werden.Vgl. z.B. Schwartz 1978: 11-12; Parfit 1984:351-361. Für einen Überblick über diejüngsten Argumentationen vgl. Tremmel2010: 43-46.3. Zur rechtlichen Situation in den USA vgl.Bach/Weston 2009: 28-53.4. United Nations General Assembly 1987:54.5. UN Conference on the Human Environ-ment 1972: 3.6. European Communities 1973: 1-2.7. European Commission 1975: 24-25.8. European Communities 1975: 39-41.9. European Communities 1976: 1-7.10. European Communities 1979: 1-18.11. European Communities 1985: 40-48.12. European Communities 1982: 10-22.13. European Union 1993: 1-20.14. European Union 1993: 1-20.15. UNESCO 1997.16. UNECE 1998: 2.17. UNECE 1998: 2.18. European Union 2009: 13.19. European Communities 1988: 11.20. European Communities 1990: 24.21. European Union 1998: 1.22. European Union 1997: 7, 24.23. European Union 2000: 8.24. European Union 2008: 15, 17, 29.25. European Commission 2001.26. European Commission 2005.27. European Commission 2009.28. European Commission 2004.29. Einen Überblick sowie den Wortlaut derjeweiligen Passagen findet man in Earthju-stice 2007: 126-147; Tremmel 2006: 192-196.30. European Union 2008: 196.31. Wir diskutieren z.B. nicht den aus-schließlich beratenden französischen Rat fürdie Rechte zukünftiger Generationen, ein-gerichtet von der Republik Frankreich(1993) und abgeschafft von der RepublikFrankreich (2003), nachdem der Rat funk-tionsuntüchtig geworden war, weil sein Prä-sident in Reaktion auf die Wiederaufnahmevon Atomtests in Frankreich zurücktrat.

Vgl. Mathieu 1999.32. Dobson 1996: 133-134.33. Ekeli 2009: 449-451.34. Stein 1998: 439-441.35. Tiihonen 2006: 79.36. Deutscher Bundestag 2009: 2.37. Deutscher Bundestag 2009: 3.38. Eine nicht offizielle Übersetzung desdurch die Knesset erlassenen Gesetzes unddessen ursprünglichen Entwurfes kann anfolgender Stelle gefunden werden:Jávor/Rácz 2006: 197.39. Jávor/Rácz 2006: 193.40. Jávor/Rácz 2006: 192.41. Jávor/ Rácz 2006: 195-196.42. Jávor/Rácz 2006: 197. Vergleiche mitShlomo/Lamay 2006 92-93.43. Shlomo/Lamay 2006: 109.44. Magyar Köztársaság 1993.45. Magyar Köztársaság 1993.46. Magyar Köztársaság 1993.47. Magyar Köztársaság 1993.48. Shlomo/Lamay 2006: 95.49. Shlomo/Lamay 2006: 96-98.50. Gosseries/Jávor 2008.51. Tiihonen 2006: 87.52. European Union 2008: 17.53. Siehe auch: Collins 2009: 323.54. Gosseries/Jávor 2008.55. Gál/Alvaro/Vigenin et al. 2008.

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Eingereicht: 14. April 2010Angenommen: 11. Januar 2011

Journal für Generationengerechtigkeit11. Jahrgang · Ausgabe 1/2011

Straftaten gegen zukünftige Generationen: Die Implementierung intergenerationeller Gerechtigkeit durch Internationales Strafrechtvon Sébastien Jodoin

usammenfassung: IntergenerationelleGerechtigkeit verlangt nicht nurbestmögliche Politik und Praxis, son-

dern auch die Vorbeugung und Unterbindungschädlicher und moralisch verwerflichermenschlicher Verhaltensweisen, welche schwer-wiegende Auswirkungen auf die langfristigeGesundheit, die Sicherheit und die Überle-bensgrundlagen von Gruppen von Individuenhaben. Während viele internationale Strafta-

ten indirekte Folgen für das Wohlergehen ge-genwärtiger und zukünftiger Generationenhaben, kann man nicht sagen, dass das derzeitbestehende Strafrecht geeignet ist, intergenera-tionelle Rechte direkt und eindeutig zu schüt-zen. Die Entwicklung eines neuen Typs voninternationalen Straftaten, des Verbrechens ge-genüber künftigen Generationen, könnte einvielversprechender Weg sein, intergenerationelleGerechtigkeit herzustellen. Mit solch einem

Verbrechen wären Handlungen oder Verhal-tensweisen strafbar, durch die bestehendes in-ternationales Recht in Bezug aufwirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechtesowie in Bezug auf die Umwelt ernsthaft ver-letzt wird.1

EinleitungIntergenerationelle Gerechtigkeit bleibt einweitgehend abstraktes Konzept der interna-

Z

Maja Göpel ist Wirt-schaftswissenschaftle-rin mit Fokussierungauf politische Aspekte.Ihr Schwerpunktbe-reich liegt auf demGebiet des Institutio-nalismus. Seit No-

vember 2006 arbeitet sie für die WorldFuture Council Foundation als DirektorinZukunftsgerechtigkeit.

Kontaktdaten:World Future CouncilBei den Mühren 7020457 HamburgDeutschlandEmail:[email protected]: http://www.worldfuturecouncil.org/

Malte Arhelger ist po-litischer Philosoph.Schwerpunktmäßigbefasst er sich mit Fra-gen der intergenera-tionellen Ethik undnachhaltiger Entwick-lung. Zurzeit arbeitet

er als politischer Berater.

Kontaktdaten:World Future CouncilHead OfficeBei den Mühren 7020457 HamburgDeutschlandEmail: [email protected]: http://www.worldfuturecouncil.org/

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12 Journal für Generationengerechtigkeit11. Jahrgang · Ausgabe 1/2011

tionalen Politik – es wird in keinem bin-denden Instrument des internationalenRechts anerkannt. Obgleich es in einigennicht-bindenden internationalen Instru-menten Bezüge auf Begriffe wie Rechte oderInteressen zukünftiger Generationen gibt,existieren keinerlei rechtliche Mittel, umdiese Rechte direkt geltend zu machen oderzu schützen. Angesichts der wachsendenund progressiven Weiterentwicklung des in-ternationalen Rechts, halte ich die indirekteAnwendung solcher vorhandenen rechtli-chen Verpflichtungen für den wohl frucht-barsten Weg, intergenerationelle Gerech-tigkeit auf internationaler Ebene wirksam zuimplementieren. Ich befasse mich nur mit zwei Bereichen in-ternationalen Rechts, die für intergeneratio-nelle Gerechtigkeit besonders entscheidendsind: internationale wirtschaftliche, sozialeund kulturelle Rechte sowie internationalesUmweltrecht. In der Tat besteht kaum einZweifel, dass die drängendsten Herausfor-derungen, die sich derzeit für verletzlicheBevölkerungsteile und Gemeinschaften stel-len – fehlender Zugang zu Nahrung, Was-ser, Obdach, Gesundheit, physischerSicherheit, sowie die Folgen weitgreifenderUmweltzerstörung – wichtige und langfri-stige Folgen für künftige Generationenhaben. Um den genannten Bedrohungen für zu-künftige Generationen zu begegnen, ist alsoein neuer Ansatz erforderlich. In diesemAufsatz beschäftige ich mich mit einem solchen Ansatz: die Möglichkeit, die Rechtezukünftiger Generationen durch internatio-nales Strafrecht zu schützen.2 Meine grund-legende Annahme besteht darin, dassintergenerationelle Gerechtigkeit nicht nurerfordert, bestmögliche Politik und Praxisaufzunehmen, sondern auch schädlichemund moralisch verwerflichem Verhalten vor-zubeugen und es zu unterdrücken. Ich legedar, dass die langfristigen Auswirkungenmancher Handlungen auf die Gesundheit,die Sicherheit und die Überlebensmöglich-keiten von Gruppen von Individuen in sol-chem Ausmaß und mit solcher Schwereauftreten, dass sie als internationale Strafta-

ten angesehen werden sollten. Um die Ver-einbarkeit mit bestehendem internationalemStrafrecht zu wahren, konzentriere ich mich

auf Handlungen oder Verhaltensweisen, dieeine schwerwiegende Verletzung existieren-den internationalen Rechts (in Bezug aufwirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechteoder in Bezug auf die Umwelt) darstellen.

Die Idee, das internationale Strafrecht indieser Weise zu nutzen, versucht, auf den be-merkenswerten Erfolgen im Bereich der in-ternationalen Strafgerechtigkeit dervergangenen 15 Jahre aufzubauen. In Folgeder ersten Erfahrungen bei der Einrichtungvon internationalen ad hoc-Straftribunalen

für die Konflikte im ehemaligen Jugoslawienund Ruanda Mitte der 1990er Jahre, hat dieinternationale Gemeinschaft einen perma-nenten Internationalen Strafgerichtshof(ICC) installiert, gegründet auf das Römi-sche Statut zum Internationalen Strafge-richtshof (Vertrag von Rom), das 1998 aus-gehandelt wurde und seit 2002 in Kraft ist.

Im Jahr 2010 gehören ihm 111 Mitgliederan.3 Es gibt infolgedessen etablierte Regelnund Mechanismen, sowohl auf der nationa-len wie auf der internationalen Ebene, umEinzelpersonen, die grundlegende Normendes internationalen Rechts verletzen, straf-rechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Diesstellt einen vielversprechenden Weg dar, umintergenerationelle Gerechtigkeit zu imple-mentieren. Natürlich sollte man die Erfolgeund die Wirksamkeit des ICC nicht über-bewerten, aber wie ich am Ende zeigenwerde, hängen die Vorteile eines neu ge-schaffenen internationalen Straftatbestandesnicht allein davon ab, dass diese am ICCverhandelt werden.

Ich gehe folgendermaßen vor: Zunächst untersuche ich die Möglichkeit, die Rechtezukünftiger Generationen durch das beste-hende internationale Strafrecht zu schützen.Danach nehme ich die Schaffung einerneuen Kategorie von internationalen Straf-taten in den Blick, und zwar Straftaten ge-genüber künftigen Generationen, wonachsolche Handlungen und Verhaltensweisenverboten wären, die schwerwiegende lang-fristige Folgen für Gesundheit, Sicherheitund Überlebensmöglichkeiten von Gruppenund Gemeinschaften von Menschen haben.Abschließend diskutiere ich die Vorzüge und

Aussichten für die Implementierung inter-generationeller Gerechtigkeit durch interna-tionales Strafrecht.

Bestehende internationale Straftatbe-stände und die Rechte zukünftiger GenerationenDie meisten internationalen Straftatenhaben vielfältige langfristige Auswirkungenfür die betroffenen Personen oder Bevölke-rungsteile. Internationale Strafgerichtshöfeund Tribunale können dazu beitragen, nach-folgende Generationen vor der künftigen

Ausübung von Grausamkeiten zu bewahren,indem sie Verbrechen gegen die Mensch-lichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermordbestrafen und für Abschreckung sorgen. Au-ßerdem strebt die internationale Strafge-richtsbarkeit auch danach, zu Frieden undVersöhnung zwischen geteilten Nationenund Regionen beizutragen, früher began-gene Verbrechen und Missetaten zu bestra-fen und ihrer zu gedenken.4 Allerdings wirdsich an späterer Stelle noch zeigen, dass be-stehende internationale Straftatbestände wieKriegsverbrechen, Verbrechen gegen dieMenschlichkeit und Völkermord5 nur be-grenzt bei einer Verletzung ökonomischer,sozialer und kultureller Rechte und schwererUmweltschäden anwendbar sind.

KriegsverbrechenKriegsverbrechen sind schwerwiegende Ver-letzungen internationaler Gesetze, die imFalle bewaffneter Konflikte zur Anwendungkommen. Es gibt natürlich eine ganze Reihesolcher Verletzungen, die auch die Rechtezukünftiger Generationen schädigen, dar-unter das Distinktionsprinzip, wonach Zi-vilpersonen und zivile Objekte vor Angriffenzu schützen sind,6 und das Prinzip der Ver-hältnismäßigkeit, welches Angriffe verbietet,die gegenüber dem erwarteten konkretenund unmittelbaren militärischen Nutzenunverhältnismäßige Auswirkungen auf Zi-vilpersonen und -objekte haben.7

Eine Menge der zahlreichen Regelungen zuKriegsverbrechen, die das Statut von Romenthält, könnten dazu dienen, Verhalten zubestrafen, das die Rechte künftiger Genera-tionen verletzt.8 Eine bestimmte Art vonKriegsverbrechen ist besonders relevant fürdie Rechte zukünftiger Generationen: das

Ich bin kein Verfechter häufiger Gesetzes- und Verfassungsänderungen, dochGesetze und Institutionen müssen mit dem menschlichen Geistesfortschritt inEinklang stehen./ Thomas Jefferson /

Das Leben kann nur rückschauendverstanden werden; doch gelebtwerden muss es vorausschauend./ Søren Kierkegaard /

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13Journal für Generationengerechtigkeit11. Jahrgang · Ausgabe 1/2011

Kriegsverbrechen, „einen absichtlichen An-griff zu führen, in dem Wissen, dass dieserAngriff [...] weitreichenden, langfristigenund schwerwiegenden Schaden an der na-türlichen Umwelt anrichten wird, und dereindeutig nicht im Verhältnis steht zum erwartbaren konkreten und unmittelbarenmilitärischen Gesamtnutzen.“9 Dieses Ver-brechen ist das einzige im Statut von Rom,das sich spezifisch und direkt auf Umwelt-schädigung bezieht. Es gründet auf die Arti-kel 35(3) und 55(1) des Zusatzprotokolls zuden Genfer Konventionen vom 12. August1949, zum Schutz von Opfern internatio-naler bewaffneter Konflikte (Zusatzprotokoll1). Die Reichweite dieses Kriegsverbrechensist leider ziemlich beschränkt, da es die Straf-verfolgung solcher Entscheidungen aus-schließt, die auf hinlänglich vernünftigeErwägungen zurückgehen und in gutemGlauben, in schwierigen Situationen undhäufig auf der Grundlage unvollständigerInformationen getroffen wurden.10 Hinzukommt, dass für diesen Straftatbestand alledrei Aspekte der Umweltschädigung gege-ben sein müssen: weitreichend, langfristigund schwerwiegend.Während dieser Straftatbestand dazu dienenkönnte, eine Art des Verhaltens, das dieRechte zukünftiger Generationen verletzt(militärisches Handeln, das weitreichende,langfristige, schwerwiegende Umweltschä-den verursacht) zu verfolgen, steht dieserWeg wie bei allen anderen Arten von Kriegs-verbrechen nur offen, sofern das Fehlverhal-ten im Rahmen eines bewaffnetenKonfliktes auftritt. In Friedenszeiten ist es sonicht anwendbar.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit Artikel 7 des Römischen Statuts definiertVerbrechen gegen die Menschlichkeit alseine Reihe verbotener Handlungen, etwaMord, Vernichtung und Folter „als Teil einesumfassenden oder systematischen Angriffs,der sich gegen jegliche Zivilbevölkerungrichtet.“. Vor allem zwei solcher Verhaltens-weisen könnten auch eine Verletzung derRechte zukünftiger Generationen darstellen:Drangsalierung11 und andere inhumaneHandlungen.12

Das Römische Statut bestimmt das Verge-hen als „Drangsalierung gegenüber irgend-einer identifizierbaren Gruppe oderGemeinschaft aus politischen, rassischen,nationalen, ethnischen, kulturellen, religiö-sen oder geschlechtsbezogenen Gründenlaut §3, oder aus anderen Gründen, die nachinternationalem Recht als unzulässig gelten,

in Verbindung mit jeglicher Handlung, diein jenem Paragraphen benannt wird, oder ir-gendeinem anderen Verbrechen gemäß derRechtsprechung des Gerichtes.“.13 Sonstigeinhumane Handlungen werden im Römi-schen Statut als solche definiert, die irgend-eine Handlung der Art einschließen, die „inähnlicher Weise absichtsvoll großes Leidoder schwerwiegende Verletzungen des Kör-pers oder der geistigen oder physischen Ge-sundheit verursacht.“. Somit muss die Frage,ob eine bestimmte Handlung in die Kate-gorie der sonstigen inhumanen Handlungenfällt, von Fall zu Fall erwogen werden.14 Ele-mente einer solchen Handlung, die zu dengenannten Handlungsweisen ‚vergleichbar’sein sollten, sind Schwere, Charakter, tat-sächliche Schädigung von geistiger oderphysischer Gesundheit, beabsichtigte Zufü-gung von Schaden und der Zusammenhangvon Handlung und Folgeschaden.15

Die Verwendung dieser zwei Straftatbe-stände, um die Verletzung der Rechte zu-künftiger Generationen zu verfolgen, würdeeine Interpretation erfordern, die auch dieVerletzung wirtschaftlicher, sozialer und kul-tureller Rechte abdeckt. Es gibt nur wenigePräzedenzfälle, die einen so umfassendenAnsatz zur Interpretation dieser Straftatbe-stände unterstützen. Die Strafverfolgung betreffend, hat die Kupreskic-Strafgerichts-kammer erklärt, „die umfassende Zerstö-rung von Wohnungen und Eigentum“ stelleeine „Zerstörung des Lebensunterhalteseiner bestimmten Bevölkerung“ dar undkonstituiere daher eine „grobe und eindeu-tige Leugnung fundamentaler Menschen-rechte und Drangsalierung, sofern ausGründen der Diskriminierung begangen.“.16

Die meisten Auslegungen der Reichweitevon Drangsalierung und sonstiger inhuma-ner Handlungen blieben in der Praxis aller-dings auf Verletzungen ziviler undpolitischer Rechte begrenzt, wodurch ernst-hafter mentaler oder physischer Schadenentsteht.Letztendlich stellt die generelle rechtlicheForderung, dass Verbrechen gegen dieMenschlichkeit „im Rahmen umfassenderoder systematischer Angriffe, die sich gegendie Zivilbevölkerung richten“17 verübt wor-den sein müssen, das größte Hindernis dafürdar, Schädigungen der Rechte künftiger Ge-nerationen als Verbrechen dieser Art zu ver-folgen. Die Forderung, dass ein Angriff aufdie Zivilbevölkerung stattfand, impliziert,dass jeglicher Misshandlung der Zivilbevöl-kerung die gleiche Schwere zukommt, wieein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.18

Der Ausdruck ‚Angriff’ bezieht sich auf„einen Handlungsablauf, der eine Vielzahlvon Handlungsausübungen einschließt“, diegemeinsam auf ein Verbrechen gegen dieMenschlichkeit hinauslaufen. Ein Angriffauf die Zivilbevölkerung soll darüber hinausweitreichend oder systematisch sein. DasRömische Statut führt zudem ein politischesElement des Angriffs ein, insofern dieHandlung „zu Gunsten eines Staates odereiner Organisationspolitik“19 stattfindensoll. Somit fordert das Römische Statut fürVerbrechen gegen die Menschlichkeit, dassein Staat oder eine Organisation, sei esdurch ihre Handlungen, sei es durch klar ab-sichtliches Nichteingreifen, einen aktivenAngriff gegen die Zivilbevölkerung führtoder zu einem solchen beiträgt.20

VölkermordArtikel 2 der Völkermord-Konvention defi-niert Völkermord als eine Anzahl von Hand-lungen, darunter Tötung oder erzwungeneÜbergabe von Kindern, „die mit der Absichtausgeübt werden, eine nationale, ethnische,rassische oder religiöse Gruppe als eine sol-che ganz oder teilweise zu vernichten.“. Dreider unter Völkermord fallenden Handlun-gen könnten für die Verfolgung von Verletzungen der Rechte zukünftiger Gene-rationen angewendet werden: Das Verursa-chen ernsthafter körperlicher oder geistigerSchäden an Mitgliedern der Gruppe (Römi-sches Statut, Art. 2b); absichtsvolles Zufü-gen von Lebensbedingungen, die geeignetsind, gänzliche oder teilweise Vernichtungzu bewirken (Römisches Statut, Art. 2c);und Maßnahmen, die dazu dienen, Neuge-burten in der Gruppe zu verhindern (Römi-sches Statut, Art. 2b).21

Um diese Straftatbestände für die Verfol-gung von Verletzungen der Rechte zukünf-tiger Generationen zu benutzen, wäre esnötig, wie auch bei den Verbrechen gegendie Menschlichkeit, die Reichweite derStraftatbestände auszuweiten, um Verlet-zungen sozialer, ökonomischer und kultu-reller Rechte ebenfalls zu erfassen. Zu denwesentlichen Handlungen, die ernsthaftenSchaden an Geist und Körper verursachen,zählen „Folter, Vergewaltigung und nicht-tödliche physische Gewalt, die zu Verstüm-melung oder schwerwiegenden Verlet zungenäußerer oder innerer Organe führt“ sowie„das Zufügen starker Angst oder Terror, Ein-schüchterung oder Bedrohung.“22 Ebensolegen die ICC Merkmale von Verbrechenstat-beständen fest, dass derartige Handlungen

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14 Journal für Generationengerechtigkeit11. Jahrgang · Ausgabe 1/2011

„Akte der Folterung, Vergewaltigung, sexu-ellen Gewalt oder der inhumanen oder er-niedrigenden Behandlung einschließen, abernicht notwendigerweise nur auf diese be-schränkt sind.“23 Mit Blick auf die absichts-volle Zufügung von Lebensbedingungen,die auf die physische Vernichtung einerGruppe abzielen, hat eine Kammer desICTR erklärt, hierunter fielen „Umstände,die zu langsamem Sterben führen, beispiels-weise der Mangel an angemessener Wohn-statt, Kleidung, Hygiene und medizinischerVersorgung oder exzessive Arbeit oder phy-sische Strapazen“ sowie „Vergewaltigung,das Aushungern einer Gruppe von Men-schen, die Reduktion notwendiger medizi-nischer Dienstleistungen unter einMinimum, und das Vorenthalten hinrei-chender Überlebenshilfen für einen ange-messenen Zeitraum.“24 Diese ICC Merkmalevon Verbrechenstatbeständen wiederholenzum großen Teil die oben angegebene Definition, wonach Lebensbedingungen„absichtlichen Entzug von überlebensnot-wendigen Ressourcen wie Nahrung odermedizinische Dienstleistungen, oder die sy-stematische Vertreibung aus Wohnstätteneinschließen können, aber hierauf nicht be-schränkt sein müssen.“.25 Das Vergehen ‚Geburtenverhinderung innerhalb einer be-stimmten Gruppe’ wurde so definiert, dassdarunter sexuelle Verstümmelung, Sterilisa-tion, erzwungene Geburtenkontrolle, Ge-schlechterseparation, Heiratsverbot undVergewaltigung fallen.26 Wiederum sind dieMöglichkeiten begrenzt, die materialen Bestandteile dieser Straftaten so zu interpre-tieren, dass sie auch Menschenrechtsverlet-zungen einschließen, die für die Rechtezukünftiger Generationen von Belang sind. Selbst wenn man aber diese Verbrechenstat-bestände des Völkermords so auslegenkönnte, dass Verletzungen der Rechte zu-künftiger Generationen darunter fallen,würde die generelle Forderung in Bezug aufVölkermord weiterhin ein ernstzunehmen-des Hindernis darstellen, denn es wird derBeweis gefordert, dass „die Absicht [vor-liegt], eine nationale, ethnische, rassischeoder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zuvernichten.“. Außerdem ist die Definitionvon ‚Gruppe’ auf die benannten Merkmaleder Nationalität, Ethnie, Rasse oder Religionbeschränkt und umfasst keine Gruppen, diedurch andere Merkmale gekennzeichnetsind.

ZwischenfazitDie obige Analyse zeigt, dass es tatsächlichmöglich sein könnte, vorhandenes interna-tionales Strafrecht für die Verfolgung vonVerhalten zu verwenden, welches die Rechtekünftiger Generationen schwer verletzt. Vorallem das Kriegsverbrechen eines Angriffs,der zu weitreichendem, langfristigem undschwerwiegendem Schaden an der natürli-chen Umwelt führt, ist von unmittelbarerBedeutung für die Rechte zukünftiger Ge-nerationen. Da dieser Straftatbestand jedochnur für die Verfolgung von Handlungen ein-schlägig ist, die im Rahmen bewaffneterKonflikte begangen werden, deckt er Scha-den, der in Friedenszeiten der Umwelt zu-gefügt wird, nicht ab. Die Anwendung vonStraftatbeständen wie Verbrechen gegen dieMenschlichkeit und Völkermord würde ge-

wisse Innovationen bei der Anwendungnötig machen, um Arten von Menschen-rechtsverletzungen und Umweltschäden zuerfassen, die für die Rechte zukünftiger Ge-nerationen am wichtigsten sind. Die größ-ten Hindernisse bestünden in diesem Fallallerdings in der Beschränkung ihrer An-wendbarkeit auf Situationen, in denen mas-sive Gewalt oder schwere Verletzungenziviler und politischer Rechte im Spiel sind.Obwohl viele internationale Verbrechens -tatbestände mittelbare Auswirkungen für dieRechte und Interessen zukünftiger Genera-tionen haben, kann man nicht davon spre-chen, dass das vorhandene internationaleStrafrecht gut gerüstet ist, um generatio-nenübergreifende Rechte direkt und ein-deutig zu schützen.

Verbrechen gegen zukünftige Generationen Das Konzept der ‚Verbrechen gegen künftigeGenerationen’In Anbetracht der Begrenzungen, die sichfür die Anwendung des bestehenden inter-nationalen Strafrechtes bei der Verfolgungvon Verhalten ergeben, welches die Rechtezukünftiger Generationen schädigt, hat dieExpertenkommission zur Zukunftsgerech-tigkeit des Weltzukunftsrates im Jahr 2006das Centre for International Sustainable Development Law beauftragt, die Entwick-lung eines neuen internationalen Straftatbe-standes, eines Verbrechens gegenüber

zukünftigen Generationen, zu prüfen unddahingehend zu beraten.27 Die nachstehendeDefinition eines solchen Verbrechens wurdeim Zuge von Arbeitstreffen, Beratungen undZusammenkünften von international hoch-rangigen Richtern und Anwälten des inter-nationalen Strafrechts, der internationalenMenschenrechte und des internationalenUmweltrechts im Zeitraum von 2007-2010weiter präzisiert.28 Der Initiative zur Ent-wicklung eines neuen Straftatbestandes ‚Ver-brechen gegen künftige Generationen’ waran einer Definition gelegen, die mit derSprache und den Regelungen des Statutsvon Roms vereinbar ist. Diese letztlich ent-wickelte Definition lautet wie folgt:

1. Zu den Verbrechen gegen künftige Gene-rationen zählen jegliche nachfolgende Akteim Rahmen jeglicher menschlicher Betäti-gungsfelder, seien es militärische, ökonomi-sche, kulturelle oder wissenschaftlicheBetätigungen, sofern sie mit dem Wissenum die beträchtliche Wahrscheinlichkeitschwerwiegender Folgen für die langfristigeGesundheit, Sicherheit oder Überlebens-möglichkeiten einer beliebigen identifizier-baren Gruppe oder eines beliebigenidentifizierbaren Kollektivs ausgeführt wer-den:(a) Zwang der Mitglieder einer beliebigenidentifizierbaren Gruppe oder eines beliebi-gen identifizierbaren Kollektivs, unter Be-dingungen zu leben oder zu arbeiten, dieihre Gesundheit oder Sicherheit in ernsthaf-ter Weise gefährden, darunter Zwangsarbeit,Zwangsprostitution und Menschenhandel;(b) Widerrechtliche Aneignung oder Be-schaffung von öffentlichen oder privatenRessourcen und Besitztümern der Mitglie-der einer beliebigen identifizierbarenGruppe oder eines beliebigen identifizierba-ren Kollektivs, einschließlich weitreichendeUnterschlagung, Veruntreuung oder ander-weitige Hinterziehung solcher Ressourcenoder Besitztümer durch öffentliche Vertre-ter;(c) Absichtsvoller Entzug von Gegenstän-den, die für das Überleben der Mitgliedereiner beliebigen identifizierbaren Gruppeoder eines beliebigen identifizierbaren Kol-lektivs unerlässlich sind, einschließlich dieHinderung des Zugangs zu Wasser- undNahrungsquellen oder die Vergiftung vonWasser- und Nahrungsquellen durch schäd-liche Organismen oder Verschmutzung;(d) Gewaltsame Vertreibung der Mitgliedereiner beliebigen identifizierbaren Gruppeoder eines beliebigen identifizierbaren Kol-

Es gehört zu der Aufgabe der den-kenden Menschen, nicht der Seiteder Scharfrichter anzugehören./ Albert Camus /

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15Journal für Generationengerechtigkeit11. Jahrgang · Ausgabe 1/2011

lektivs in umfassender oder systematischerWeise;(e) Treffen von Maßnahmen, welche dieGesundheit der Mitglieder einer beliebigenidentifizierbaren Gruppe oder eines beliebi-gen identifizierbaren Kollektivs ernstlich ge-fährden, einschließlich die Hinderung amZugang zu medizinischen Dienstleistungen,Einrichtungen und Behandlungen, das Vorenthalten oder Verzerren von Informa-tionen, die für die Vorbeugung und Be-handlung von Krankheit oder Behinderungnotwendig sind, oder die Ausführung ir-gendeiner Art von medizinischen oder wis-senschaftlichen Experimenten, die wederdurch eine medizinische Behandlung ge-rechtfertigt noch im Interesse der Proban-den sind;(f ) Verhinderung der Ausübung ihrer Kul-tur, des Bekennens und Ausübens ihrer Re-ligion, der Benutzung ihrer Sprache,Aufrechterhaltung ihrer kulturellen Prakti-ken und Traditionen und Erhaltung ihrerbasalen sozialen und kulturellen Institutio-nen gegenüber Mitgliedern einer beliebigenidentifizierbaren Gruppe oder eines beliebi-gen identifizierbaren Kollektivs;(g) Verhinderung des Zugangs zu primärer,sekundärer, technischer, beruflicher oder hö-herer Bildung gegenüber Mitgliedern einerbeliebigen identifizierbaren Gruppe odereines beliebigen identifizierbaren Kollektivs;(h) Verursachung von weitreichenden, lang-fristigen und schwerwiegenden Schäden ander natürlichen Umwelt, einschließlich derVernichtung ganzer Spezies oder Ökosy-steme;(i) Widerrechtliche Verunreinigung vonLuft, Wasser und Boden durch den Ausstoßvon Substanzen oder Organismen, die eineernstliche Gefährdung für Gesundheit, Si-cherheit oder Überlebensmöglichkeiten fürMitglieder einer beliebigen identifizierbarenGruppe oder eines beliebigen identifizierba-ren Kollektivs darstellen;(j) Andere Akte gleichartigen Charakters,durch die absichtsvolle und schwerwiegendeGefährdungen für Gesundheit, Sicherheitoder Überlebensmöglichkeiten für die Mit-glieder einer beliebigen identifizierbarenGruppe oder eines beliebigen identifizierba-ren Kollektivs eintreten.

2. Die Wendung „eine beliebige identifizier-bare Gruppe oder ein beliebiges identifizier-bares Kollektiv“ bezeichnet jegliche zivileGruppe oder Gemeinschaft, die sich geo-graphisch, politisch, rassisch, national, eth-nisch, kulturell, religiös oder in Hinsicht auf

ihr Geschlecht oder durch andere Merkmalebestimmen lässt, die laut internationalemRecht als unzulässige Gründe für Diskrimi-nierung gelten.

Wie diese Bestimmung klarstellt, sind Ver-brechen gegen zukünftige Generationenweder Verbrechen der Zukunft noch Ver-brechen in der Zukunft. Erfasst werden viel-mehr Taten oder Verhaltensweisen, die inder Gegenwart ausgeführt werden, in derGegenwart ernsthafte Folgen haben undhöchstwahrscheinlich auch für die Zukunfternsthafte Folgen haben werden. Außer ineinem Fall sind die betroffenen Opfer Ein-zelpersonen, die zum Zeitpunkt der Verbre-chen schon lebendig sind. Die einzigeAusnahme stellt der Unterparagraph (h) dar,wonach schwerwiegende Beschädigungender Umwelt strafbar sind, ohne dass es in derGegenwart individuelle Opfer geben muss.Verbrechen gegen die Menschlichkeit rich-ten sich nicht direkt gegen alle Menschen,in ähnlicher Weise richten sich Verbrechengegen künftige Generationen nicht direktgegen zukünftige Generationen. Es wirdeher Verhalten bestraft, das durch seineSchwere als Verletzung der Rechte zukünfti-ger Generationen einer betroffenen Gruppeoder eines betroffenen Kollektives charakte-risiert werden kann. Offensichtlich erfasstdas Kriterium ‚Schädigung von Menschenoder der Umwelt in der Gegenwart’ keineHandlungen oder Verhaltensweisen, vondenen nur zukünftige Generationen, aberkeine gegenwärtigen Generationen betroffensind.Wie auch andere internationale Strafrechts-regelungen setzen sich die ‚Verbrechen anzukünftigen Generationen’ aus zwei Teilenzusammen: einen Einleitungsparagraphen,der die allgemeine rechtliche Forderung dar-legt, durch die bestimmte verbotene Akte inden Status internationaler Verbrechen geho-ben werden, und eine Liste der verbotenenAkte. Für ein Verbrechen gegen zukünftigeGenerationen wäre somit erforderlich, dasseiner der verbotenen Akte aus den Unterpa-ragraphen 1(a)-(j) der Bestimmung began-gen wird, mit dem Wissen um „diebeträchtliche Wahrscheinlichkeit schwer-wiegender Folgen für die langfristige Gesundheit, Sicherheit oder Überlebens-möglichkeiten einer beliebigen identifizier-baren Gruppe oder eines beliebigenidentifizierbaren Kollektivs“. Das impliziertnicht, dass der verbotene Akt jedes einzelneMitglied der fraglichen Gruppe oder desKollektivs betreffen muss, sondern lediglich,

dass die Tat gegen die Mitglieder der identi-fizierbaren Gruppe oder des identifizierba-ren Kollektivs gerichtet ist und von solchemAusmaß, dass eine erhebliche Wahrschein-lichkeit besteht, dass die negativen Konse-quenzen für diese Gruppe oder diesesKollektiv auf lange Sicht eintreten werden.Außerdem ist klar, dass ein Verbrechengegen zukünftige Generationen vorliegenkann, noch ehe die in der generellen gesetz-lichen Regelung aufgelisteten Konsequenzeneintreten. Dies ist ähnlich wie beim Verbre-chen des Genozids, das ja nicht erfordert,dass jedes einzelne Mitglied einer Gruppevernichtet wird, ehe man einen Völkermordverfolgt, der hierauf abzielt. Im Kontext der Verbrechen gegen künftigeGenerationen stellt diese Forderung eineWissensanforderung dar, wie auch beiKriegsverbrechen und Verbrechen gegen dieMenschlichkeit. Es wird aber keine spezifi-sche Absicht verlangt, wie beim Völkermord,weil man so den schwierigen Nachweis um-gehen kann, dass bestimmte Aktivitäten mitder Absicht ausgeführt wurden, eine identi-fizierbare Gruppe oder ein Kollektiv nach-haltig zu schädigen. DieWissensanforderung in der allgemeinenrechtlichen Bestimmung des Verbrechenswäre erfüllt, wenn man zeigen könnte, dassein Verursacher um die hohe Wahrschein-lichkeit der aufgelisteten verbotenen Konse-quenzen gewusst hat oder das Risiko ihresEintretens im normalen Ereignisverlauf wis-sentlich in Kauf genommen hat.29 Diesesvorhanden gewesene Wissen muss zudemaus den relevanten Fakten und Umständendes gegebenen Falles zu erschließen sein.30

Die Rede von ,erheblicher Wahrscheinlich-keit` rührt aus dem üblichen internationa-len Recht und bezeichnet standardmäßig dasmentale Element der Verantwortlichkeit. Esist erforderlich, dass der Verursacher wusste,dass seine Handlungen eine erheblicheWahrscheinlichkeit implizieren, die aufgeli-steten verbotenen Folgen zu verursachen;der Verursacher braucht folglich nicht zuwissen, ob seine Handlungen oder sein Ver-halten die einzige Ursache oder die sine quanon-Ursache der verbotenen Konsequenzenist.31

Verbrechen gegen zukünftige Generationenhätten damit einen relativ weiten Anwen-dungsbereich. Der Einleitungsparagraph er-läutert, dass sie eine breite Spanne vonHandlungen und Verhalten erfassen sollenund in Friedens- wie in Kriegszeiten ausge-übt werden können. Zudem gibt der zweiteParagraph eine breite Definition von einer

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16 Journal für Generationengerechtigkeit11. Jahrgang · Ausgabe 1/2011

Unter-paragraphen

Zweck Quellenerklärung

1(a) Bestraft schwere Verletzungen des Rechts auf Freiheit undSicherheit sowie des Rechts auf freie Wahl des Wohnsitzesund des Aufenthaltes (Internationales Abkommen über zivileund politische Rechte [International Convenant on Civil andPolitical Rights], (ICCPR) Art. 9 und 12), des Rechts auffreie Wahl des Arbeitsplatzes sowie des Rechts, unter siche-ren und gesunden Bedingungen zu arbeiten (InternationalesAbkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte[International Convenant on Economic, Social and CulturalRights] (ICESCR), Art. 6(1) und 7(1)).

Entspringt den Verbrechenstatbeständen der Zwangsar-beit und des Menschenhandels als Tatbestände der Skla-verei (Römisches Statut, Art. 7(1) (c)) sowie dererzwungenen Prostitution als Verbrechen gegen dieMenschlichkeit (Römisches Statut, Art. 7(1) (g)).

1(b) Bestraft schwerwiegende Verletzungen des allgemeinenPrinzips des internationalen Rechts auf eine dauerhafteSouveränität über Ressourcen, welches besagt, dass dieStaatsbürger von der Suche nach den Ressourcen und derdaraus resultierenden nationalen Entwicklung profitieren.33

Weitet ein ähnliches Kriegsverbrechen, das der Plünde-rung, hiermit auch auf Friedenszeiten aus (RömischesStatut, Art. 8(2) (b) (xvi)) und stützt sich ferner auf denStraftatbestand der Korruption, wie er in Artikel 17 derUN-Konvention gegen Korruption dargelegt wird.34

Bestraft schwere Verletzungen des Rechts auf Leben, mit be-sonderer Bezugnahme auf das Recht auf Nahrung und Was-ser (ICESCR, Art. 11).

Bestraft eine der gravierendsten Verletzungen des Rechts aufWohnraum (ICESCR, Art. 11(1)).

Weitet ein ähnliches Kriegsverbrechen auch auf Frie-denszeiten aus (Römisches Statut, Art. 8(2) (v) (xxv))und greift damit auf den zugrunde liegenden Akt desGenozides zurück (Römisches Statut, Art. 6(c)).

Stützt sich auf die allgemeine Anmerkung des UN-Aus-schusses für Angelegenheiten betreffend das Internatio-nale Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelleRechte (ICESCR) und die im Abkommen enthaltene Be-zugnahme auf das Recht auf Wohnraum (Allgemeine An-merkung Nr. 7).

Bestraft eine der gravierendsten Verletzungen des Rechts aufGesundheit (ICESCR, Art. 12).

Stützt sich auf die allgemeine Anmerkung des UN-Aus-schusses für Angelegenheiten betreffend das Internatio-nale Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelleRechte (ICESCR) und die im Abkommen enthaltene Be-zugnahme auf das Recht auf Gesundheit (AllgemeineAnmerkung Nr. 12) und weitet damit ein ähnlich for-muliertes Kriegsverbrechen auf Friedenszeiten aus (Römi-sches Statut, Art. 8(2) (b) (x)).

Bestraft schwere Verletzungen des Rechts auf Kultur (ICCPR,Art. 27 und ICESCR, Art.15).

Stützt sich auf frühere Entwürfe der Völkermordkonven-tion [Genocide Convention], welche auch das Verbrechendes kulturellen Genozides umfasst.35

Bestraft eine der schwerwiegendsten Verletzungen desRechts auf Bildung (ICESCR, Art. 13).

Stützt sich auf die allgemeine Anmerkung des UN-Aus-schusses für Angelegenheiten betreffend das Internatio-nale Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelleRechte (ICESCR) und die im Abkommen enthaltene Bezugnahme auf das Recht auf Bildung (Allgemeine An-merkung Nr. 13).

Bestraft schwere Verletzungen der allgemeinen, unter das in-ternationale Recht fallenden Pflicht, gravierende Umweltge-fahren und Umweltschäden zu vermeiden.36

Basiert auf einem ähnlich formulierten Kriegsverbrechen(Römisches Statut, Art. 8(2) (b) (iv)).

Bestraft schwere Verletzungen des Rechts auf Leben, insbe-sondere des Rechts auf Gesundheit, Wohnraum, Nahrungund Wasser (ICESCR, Art. 11 und 12).

Stützt sich auf die allgemeine Anmerkung des UN-Aus-schusses für Angelegenheiten betreffend das Internatio-nale Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelleRechte (ICESCR) und die im Abkommen enthaltene Be-zugnahme auf das Recht auf Gesundheit, Wohnraum,Nahrung und Wasser (Allgemeine Anmerkung Nr. 12, 14und 15).

Bestraft schwere Verletzungen von Rechten, wie sie durchandere Unterparagraphen geschützt werden.

Stützt sich auf eine ähnliche umfassende Bestimmung be-treffend Verbrechen gegen die Menschlichkeit (RömischesStatut, Art. 7(1) (k)).

1(c)

1(d)

1(e)

1(f )

1(g)

1(h)

1(i)

1(j)

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17Journal für Generationengerechtigkeit11. Jahrgang · Ausgabe 1/2011

„beliebigen identifizierbaren Gruppe oderKollektiv“. Diese Definition, die sich aufeine ähnliche Formulierung im Art. 7(1)(h)des Römischen Statuts bezieht, bedeutet,dass Verbrechen gegen künftige Generatio-nen für eine große Bandbreite von einzelnenoder spezifischen menschlichen Bevölke-rungsteilen anwendbar sind, die sich durchgemeinsame geographische, politische, ras-sische, nationale, ethnische, kulturelle, reli-giöse, geschlechtsbezogene oder andereMerkmale abgrenzen lassen.

Handlungen, die als Verbrechen gegen zukünftige Generationen verboten sindDie nebenstehende Tabelle stellt den Zweckund die Quellen für die verbotenen Hand-lungen dar, die in den Unterparagraphen1(a)-1(j) der ‚Verbrechen gegen zukünftigeGenerationen’ aufgelistet werden. Die Ta-belle zeigt, dass als Verbrechen an künftigenGenerationen solche Handlungen strafbarwären, die bereits als Verletzungen der in-ternationalen Menschenrechte32 oder durchandere internationale Konventionen verfolgtwerden können oder die eine Ausweitungdes Anwendungsbereiches der Verbrechengegen die Menschlichkeit oder der Kriegs-verbrechen darstellen würden.

ZusammenfassungAuch wenn es ein gewisses Potential für dieAnwendung des internationalen Strafrechtsgibt, um Verhalten zu verfolgen, das schwer-wiegende Auswirkungen für die Rechte zu-künftiger Generationen hat, ist diese Optiondoch auf Grund der Begrenzungen, die mitden vorhandenen Definitionen internatio-naler Straftaten gegeben sind, von einge-schränkter Nützlichkeit. Deshalb hat derWeltzukunftsrat das Projekt zur Etablierungeines neuen Straftatbestandes ‚Verbrechengegen zukünftige Generationen’ initiiert,um die Interessen zukünftiger Generationenausdrücklich und eindeutig zu schützen.Die Etablierung dieses neuen Straftatbe-standes hätte zwei wichtige Vorteile. Zu-nächst einmal würde dies Mechanismen undProzeduren für individuelle strafrechtlicheVerantwortung zur Verfügung stellen, sodass ernsthafte Verletzungen der wirtschaft-lichen, sozialen und kulturellen Rechte unddes internationalen Umweltrechts sowohlauf inländischer wie auf internationalerEbene verfolgt werden können. Ein Zusatzzum Römischen Statut des ICC würde jeneStaaten, die ihn ratifizieren, tatsächlich dazuverpflichten, die Fälle zu untersuchen unddie Schadensverursacher nach ihrem heimi-

schen Strafrechtssystem zu inhaftieren undvor Gericht zu stellen. Hierin besteht eigentlich nach dem Römi-schen Statut die primäre Verpflichtung derStaaten. Was auch immer man mit Blick aufdie Wirksamkeit des ICC kritisch einwen-den mag, der ICC ist eine Institution, dieheimische Bemühungen um ein Ende derStraflosigkeit internationaler Verbrechen er-gänzen soll. Nur wenn ein Staat nicht wil-lens oder nicht fähig ist, Verbrechen gegenzukünftige Generationen selbst zu untersu-chen, käme dem ICC die Macht zu, dies anStelle der heimischen Autoritäten zu über-nehmen. Im Hinblick hierauf sollte festge-halten werden, dass das ICC befugt ist, einefür schuldig befundene Person zu einer Ge-fängnisstrafe zu verurteilen, Geldstrafen auf-zuerlegen und Gewinne, Eigentum undVermögenswerte einzuziehen, die direktoder indirekt aus der Straftat herrühren37

oder auch eine Schadensbemessung anzu-ordnen, die Wiedergutmachung, Entschä-digung oder Wiederherstellung nach sichzieht.38

Zweitens, neben dem unmittelbaren Vor-teil, dass Strafverfolgung auf nationaler undinternationaler Ebene möglich würde,würde die Einrichtung von ‚Verbrechengegen zukünftige Generationen’ Juristenund Gesetzgebern ein neues Werkzeug undKonzept an die Hand geben, um die Be-deutung bestimmter Normen und Werteaufrechtzuerhalten und Verhalten zu kriti-sieren, das diese Normen und Werte ver-letzt. Der Begriff des internationalenVerbrechens ist in der Tat eines der wichtigsten Mittel, mit dessen Hilfe die in-ternationale Gemeinschaft moralischschändliches Verhalten verurteilen kann.Worin seine Schwächen auch immer beste-hen mögen, diese grünschnabelige interna-tionale Strafgerechtigkeit stellt ein stärkeresReglement für eine Bestrafung von Schädenan zukünftigen Generationen dar, als alles,was bisher im Rahmen des internationalenRechts verfügbar ist. Das Römische Statut sieht die Möglichkeiteiner Ausweitung der Regelungen, die mitVerbrechensbekämpfung zu tun haben, imRahmen der Rechtssprechung des ICC aus-drücklich vor.39 Natürlich besteht keinZweifel, dass die Bemühungen, ein neues in-ternationales Konzept im Sinne eines Ver-

brechens gegen zukünftige Generationen zuschaffen, seine Verunglimpfer und Kritikerfinden würde. Es liegt außerdem auf derHand, dass es wohl einige Jahre dauernwürde, ehe diese Bemühungen Früchte tra-gen. Ungeachtet dieser ernsthaften Hinder-nisse gibt es aber zwei Gründe, dieAussichten einer Kampagne zu Gunsteneines Verbrechens gegen zukünftige Gene-rationen auf lange Sicht optimistisch zu wer-ten. Der erste Grund liegt darin, dass die Merk-male und die Geschichte des Feldes des in-ternationalen Strafrechtes weitgehendermutigend sind. Das bestehende interna-tionale Strafrecht schließt bestimmte Ele-mente ein, die von konzeptueller Bedeutungfür den Begriff des Verbrechens an zukünf-tigen Generationen sind. Einerseits kannSchaden, der durch internationale Verbre-chen entsteht, oft ganze Gemeinschaften be-treffen, wie im Falle des Völkermords oderder Verbrechen gegen die Menschlichkeit.Andererseits zeigt die Geschichte des inter-nationalen Strafrechts, insbesondere dieEntwicklung von Verbrechen gegen dieMenschlichkeit, dass es für die Ausweitungdes Anwendungsbereiches des internationa-len Strafrechtes Präzedenzfälle gibt. Verbre-chen gegen die Menschlichkeit traten iminternationalen Strafrecht im Zuge desZweiten Weltkrieges auf, als Neuschöpfungder Charta des Internationalen Militärtri-bunals zu Nürnberg (Nürnberg Charta).40

Während der Verhandlungen, aus denen dieCharta von Nürnberg resultierte, wurde of-fensichtlich, dass bestimmte Verbrechen, dievon den Nazis begangen wurden, nichtunter bestehende Gesetze fielen, allem vorandie Grausamkeiten, die von den Deutschengegen ihre eigenen Landsleute verübt wor-den waren. Um diese Leerstelle zu schließen,entwarfen die Alliierten eine dritte Katego-rie von Verbrechen, Verbrechen gegen dieMenschlichkeit, und schlossen damit dieLücke in den Regelungen, die für Verbrechen gegen den Frieden und fürKriegsverbrechen getroffen worden waren.41

Ursprünglich bestand eine enge Verknüp-fung zwischen Verbrechen gegen dieMenschlichkeit und anderen Kategorien desinternationalen Verbrechens, da die Chartavon Nürnberg eine Rechtssprechung inBezug auf diese Kategorie nur insofern er-laubte, als sie im Zuge oder in Verbindungmit der Ausführung von Kriegsverbrechenund Verbrechen gegen den Frieden verübtwurden. Heute bestehen Verbrechen gegendie Menschlichkeit in Handlungen, die in

Wo es keine ernsthaften Bemühun-gen gibt, gibt es keinen Fortschritt. / Frederick Douglass /

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Friedenszeiten ebenso verübt werden unddie als internationales Verbrechen angesehenwerden, nicht wegen eines Zusammenhangsmit einem bewaffneten Konflikt, sondernwegen ihrer Schwere.42 So wie Verbrechengegen die Menschlichkeit als Reaktion aufeine Gesetzeslücke etabliert wurden, zieltauch die Einführung von Verbrechen gegenkünftige Generationen darauf ab, eine Lückein den bestehenden Gesetzen zu schließenund existierende Tabus zu stärken, die fürakzeptierbares menschliches Verhalten gel-ten. Außerdem geht es auch bei Verbrechengegen zukünftige Generationen, ähnlich wiebei Verbrechen gegen die Menschlichkeitdarum, Verhalten zu kriminalisieren, daszwar in Friedenszeiten ausgeführt wird, aberin Kriegszeiten ein Kriegsverbrechen dar-stellt. Es ist wichtig anzumerken, dass Verbrechengegen künftige Generationen von anderenpotentiellen Kandidaten für einen Ein-schluss in das Römische Statut abgegrenztwerden können, wie etwa der Drogenhan-del oder der Terrorismus. In Rom sprachsich die Mehrheit der Staaten aus dreiHauptgründen gegen einen Einschluss jenerVerbrechen aus: diese Verbrechen habeneinen ganz anderen Charakter; es besteht dieGefahr, das ICC mit weniger wichtigen Ver-brechen zu überlasten und es gibt bereitswirksame Systeme internationaler Koopera-tion, um solche Verbrechen zu unterbin-den.43 Es ist sicher richtig, dass einedrohende Überlastung mit Aufgaben einHindernis für die Einführung von ,Verbre-chen gegen künftige Generationen’ darstellt.Auf der anderen Seite ähneln Verbrechengegen künftige Generationen - im Gegen-satz zu Drogenhandel und Terrorismus - imCharakter den anderen internationalen Ver-brechen. (Dies sind z.B. Verletzungen vonüblichem Recht oder Vertragsnormen, mitdenen Werte geschützt werden sollen, dievon der internationalen Gemeinschaft fürwichtig erachtet werden und für deren Un-terdrückung es gleichwohl ein universellesInteresse gibt.)44 Doch in all diesen Fällensind die vorhandenen Mechanismen für dieBestrafung von Verletzungen ökonomischer,sozialer und kultureller Rechte sowie ernst-hafter Beschädigung der Umwelt eindeutiginadäquat.Der zweite Grund, optimistisch zu sein, liegtdarin, dass die Idee, eine neue Form des Ver-brechens zu schaffen, um die Rechte künfti-ger Generationen zu schützen, dasinternationale Recht voranbringen würde,allerdings ganz in dem Sinne, dass angemes-

sene Bestrafung für Verhalten ermöglichenwürde, welches die internationale Gemein-schaft ohnehin schon als sträflich betrachtet.Tatsächlich bauen Verbrechen gegen zu-künftige Generationen auf internationalesRecht auf, indem versucht wird, den An-wendungsbereich existierender internatio-naler Verbrechen von Kriegszeiten aufFriedenszeiten auszuweiten oder Strafver-antwortung für bereits im internationalenRecht bestehende Verbote einzurichten. Wasden zweiten Punkt angeht, scheint es vordem Hintergrund des Prinzips, dass alleMenschenrechte gleich behandelt werdensollten,45 kaum gerechtfertigt, den Bereichdes internationalen Rechts auf die Katego-rie der ernsthaften Verletzung bürgerlicherund politischer Rechte zu beschränken. Mitanderen Worten, die Schaffung eines ‚Ver-brechens gegen zukünftige Generationen’ istmit einem Schlüsselprinzip der internatio-nalen Menschenrechte verträglich: Dass alleRechte gleich, wechselseitig verknüpft undunteilbar sind. Es sollte zudem bemerkt wer-den, dass der Straftatbestand des ,Verbre-chens gegen künftige Generationen’, indemer darauf abzielt, ökonomische, soziale undkulturelle Rechte zu schützen, der Haupt-kritik entgeht, die Staaten und Korporatio-nen mit Blick auf jene Rechte vorgebrachthaben, nämlich dass diese zu vage sind undeher positive Verpflichtungen (ein bestimm-tes Verhalten auszuführen) als negative Ver-pflichtungen (ein bestimmtes Verhalten zuunterlassen) auferlegt werden. Indem sie dieabsichtsvolle Ausübung von ernsthaften Ver-letzungen wirtschaftlicher, sozialer und kul-tureller Rechte in den Blick nehmen, stellenVerbrechen gegen künftige Generationeneinen eindeutigen und ‚negativen’ Ansatz fürdiese Rechte dar. Auf jeden Fall gibt es triftige Gründe anzu-nehmen, dass die Verbreitung und Verwen-dung des Begriffes des ,Verbrechens gegenkünftige Generationen’ vorteilhaft seinkönnte, auch unabhängig von einer Erwei-terung des Römischen Statut. Der Begriffdes ,Verbrechens gegen künftige Generatio-nen’ könnte eine wesentliche Rolle dabeispielen, zu zeigen, dass ernsthafte Brüche in-ternationalen Rechts, einschließlich Verlet-zungen von wirtschaftlichen, sozialen undkulturellen Rechten und gravierende Um-weltschädigungen moralisch falsch sind unddie schärfste Verurteilung verdienen. Letzt-endlich geht es bei der Idee, internationalesStrafrecht anzuwenden, um intergeneratio-nelle Gerechtigkeit zu implementieren,ebenso sehr darum, moralisch falsches Ver-

halten zu bestrafen und ihm vorzubeugen,wie darum, bestehende Tabus in Bezug aufangemessenes Verhalten zu stärken. Anwälteund Politiker, denen intergenerationelle Ge-rechtigkeit ein Anliegen ist, sollten verstärktdarüber nachdenken, welche Rolle die Kri-minalisierung bestimmter abscheulicherHandlungen für die Vorbeugung, Bestra-fung und Verurteilung solchen Verhaltensspielen könnte – zum Wohle künftiger Ge-nerationen.

Anmerkungen1. Die geäußerten Ansichten stellen alleinedie Meinung des Autors dar. Sie repräsentie-ren damit in keiner Weise die Ansichten ir-gendeiner Organisation, mit welcher derAutor in Kontakt steht. Entliehen sind die-sem Artikel einige Gedanken aus dem, vonSébastien Jodoin verfassten Artikel Crimesagainst Future Generations: A New Approachto Ending Impunity for Serious Violations ofEconomic, Social, and Cultural Rights and Se-vere Environmental Harm, WFC & CISDLLegal Working Paper (März 2010). Dieseund andere relevante Materialien stehenunter folgender Adresse zur Verfügung: www.crimes-againstfuturegenerations.org.

2. Ich respektiere die Existenz anderer Vor-schläge für einen internationalen Umweltge-richtshof und auch für einen internationalenUmweltstrafgerichtshof. Doch diese Projekteunterscheiden sich grundlegend von meinemAnsatz. Erstens befassen sich diese Projektemit Umweltstraftaten allein, während meinVorschlag sich zusätzlich mit der Verletzungwirtschaftlicher, sozialer und kulturellerRechte beschäftigt. Zweitens stehen sie nichtin Übereinstimmung mit dem bestehendeninternationalen Strafrecht. Wenn zum Bei-spiel das Projekt von Adolfo Perez Esquivel(Perez Esquivel / e Dalai Lama 2007) neueUmweltverbrechen als neue Art der Verbre-chen gegen die Menschheit sieht, so sollteeingewandt werden, dass das Konzept desVerbrechens gegen die Menschlichkeit einespezifische Definition im internationalenStrafrecht hat. In dieser Definition wird je-doch kein Bezug auf Umweltstraftaten ge-nommen. Sie kann auch nicht, wie imArtikel erklärt, in einer Weise geändert wer-den, dass sie den Tatbestand der Umwelt-schädigung aufgreift. Das Projekt des International Court for theEnvironment Foundation (siehehttp://www.icefcourt.org/.) berücksichtigtsowohl staatliche und individuelle Verant-wortlichkeit für internationale Verbrechen.

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Allerdings existiert das Konzept des Staats-verbrechens einfach nicht im internationalenStrafrecht, denn letzteres bezieht sich alleineauf die Individualebene.3. United Nations General Assembly 1998:arts. 15 and 17-19.4. Für allgemeine Informationen über dieseunterschiedlichen Zielsetzungen internatio-nalen Strafrechts, siehe Drumbl 2007.5. Obwohl die Straftat der Aggressionsaus-übung ebenfalls im Statut von Rom aufge-führt wird, wurde dessen Wesen bisher nochnicht definiert und der Straftatbestand tratbisher noch nicht als solcher in Kraft.6. International Committee of the Red Cross1977: arts. 51-52.7. International Committee of the Red Cross1977: arts. 51(5)(b), 57(2)(a)(iii) and57(2)(b).8. United Nations General Assembly 1998:arts. 8(2)(a)(ii)-8(2)(a)(iv), 8(2)(b)(ii),8(2)(b)(iv), 8(2)(b)(x), 8(2)(b)(xx) and8(2)(b)(xxv).9. United Nations General Assembly 1998:art. 8(2)(b)(iv).10. Pfirter 1999: 149-151.11. United Nations General Assembly 1998:art. 7(1) (h).12. United Nations General Assembly 1998:art. 7(1) (k)).13. United Nations General Assembly 1998:art. 7(1)(h).14. Prosecutor v. Kordic and Cerkez 2001:paras. 271-272.15. Prosecutor v. Kayishema 1999: paras. 148-51.16. Prosecutor v. Kupreskic u.a. 2000: para.631.17. Zusätzlich zu den allgemeinen rechtli-chen Voraussetzungen, fordert das RömischeStatut bezüglich des Aspektes der Drangsa-lierung, dass dieser in Verbindung mit einerweiteren internationalen Straftat sowie vordem Hintergrund einer besonderen diskri-minierenden Absicht begangen wurde. 18. Prosecutor v. Kunarac 2002: para. 86.19. United Nations General Assembly 1998:art. 7(2)(a).20. United Nations Preparatory Commissionfor the International Criminal Court 2000:art. 7(3).21. United Nations General Assembly 1998:article 2(b); United Nations General Assem-bly 1998: article 2(c); United Nations Gene-ral Assembly 1998: art. 2(b).22. Prosecutor v. Seromba 2008: para. 46.23. United Nations Preparatory Commissionfor the International Criminal Court 2000:art. 6(b), fn. 3.

24. Prosecutor v. Kayishema 1999: paras. 115-16.25. United Nations Preparatory Commissionfor the International Criminal Court 2000:art. 6(c), fn. 4.26. Prosecutor v. Akayesu 2001: paras. 507-508.27. Die Expertenkommission wurde durchden World Future Council mit dem Ziel insLeben gerufen, neue Gesetze und Strategienzu entwerfen, um so menschliche Sicherheit,ökologische Integrität und soziale Gerech-tigkeit im Interesse künftiger Generationenzu gewährleisten (siehe www.worldfuture-council.org). Das Centre for InternationalSustainable Development Law hat sich dasZiel gesetzt, auf Nachhaltigkeit bedachte Ge-sellschaften und den Schutz der Ökosystemezu fördern, indem es das Verständnis fürsowie die Entwicklung und die Umsetzungvon internationalen Gesetzen für eine nach-haltige Entwicklung voranbringt (siehewww.cisdl.org). 28. Für eine vollständige Analyse und Kom-mentierung, siehe den Verweis in Anmer-kung 1.29. United Nations General Assembly 1998:art. 30(3) and Prosecutor v. Kunarac 2002:para. 102.30. United Nations Preparatory Commissionfor the International Criminal Court 2000:para. 3.31. Prosecutor v. Blaskic 2004: para. 42.32. Die unten angeführten Verweise bezie-hen sich auf die United Nations General As-sembly 1966a beziehungsweise auf dieUnited Nations General Assembly 1966b.33. Schrijver 1997: 390-392.34. United Nations General Assembly 2003.35. Economic and Social Council 1948: art.HI.36. See United Nations Conference on theHuman Environment 1972: principle 21.Siehe auch United Nations Yearbook of theInternational Law Commission1991: at 107.37. United Nations General Assembly 1998:art. 77.38. United Nations General Assembly 1998:art. 75.39. United Nations General Assembly 1998:arts. 121(5) and 1231(1).40. Cassese 2003: 70.41. Bassiouni 1992: 17, 22-24; Cassese2003: 68-69.42. Cassese 2003: 64-65; Robinson 2001: 57.43. Hebel and Robinson 1999: 81, 86.44. Cassese 2003: 23.45. World Conference on Human Rights1993: Para. 5: “Alle Menschenrechte sinduniversal, unteilbar, interdependent und in

Wechselbeziehung stehend. Die internatio-nale Gemeinschaft muss Menschenrechte all-gemein in einer fairen und gleichen Weisesowie auf derselben Basis und mit derselbenGewichtung behandeln. Auch wenn die Be-deutung nationaler und regionaler Beson-derheiten und verschiedener historischer,kultureller, wirtschaftlicher und religiöserHintergründe bedacht werden müssen, ist esdennoch die Pflicht der Staaten, ungeachtetihres wirtschaftlichen, politischen und kul-turellen Systems, alle Menschenrechte undfundamentale Freiheiten zu fördern und zuschützen.“

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Eingereicht: 31.03.2010Angenommen: 10.06.2010

Sébastien Jodoin ist ju-ristischer wissenschaft-licher Mitarbeiter amCentre for Internatio-nal Sustainable Deve-lopment Law, wissen-schaftlicher Mitarbeiteram McGill Centre for

Human Rights and Legal Pluralism sowiewissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich öf-fentliche Interessenwahrung bei Amnesty In-ternational Kanada.

Kontaktdaten:Centre for International Sustainable Deve-lopment Law (CISDL), Chancellor Day Hall, 3644 Peel Street,Montreal, QuebecH3A 1W9, Canada.Email: [email protected]

Journal für Generationengerechtigkeit11. Jahrgang · Ausgabe 1/2011

Der parlamentarische Kommissar für künftige GenerationenUngarns und sein Einflussvon Dr. Éva Tóth Ambrusné

usammenfassung: Der parlamenta-rische Kommissar für künftige Ge-nerationen Ungarns ist eine ziemlich

einzigartige Institution, die im Jahr 2008 ge-gründet wurde. Der Kommissar ist mit starkenund sehr spezifischen Kompetenzen und Befug-nissen ausgestattet, um die Interessen künftigerGenerationen zu schützen. Die Veröffentli-chung seines ersten Jahresberichts1 vor dem Par-lament gibt Anlass, die Wirksamkeit der von

ihm verwendeten Instrumente auf die zu för-dernde Generationengerechtigkeit zu beurtei-len.

Amtsgründung des parlamentarischenKommissars für künftige Generationen2

Die Idee der Institutionalisierung der Re-präsentation künftiger Generationen in Un-garn tauchte erstmals vor mehr als zwanzigJahren auf. Diese Idee wurde im Sommer

2008 Wirklichkeit, als das Amt des parla-mentarischen Kommissars für künftige Ge-nerationen (im Folgenden: Kommissar) inUngarn ins Leben gerufen wurde. Der Wegzum Ziel war jedoch nicht einfach. Die ungarische Nichtregierungsorganisation,Schützt die Zukunft’ (auf ungarisch: Véde-gylet) investierte über Jahre hinweg erhebli-che Anstrengungen, um die politischenParteien von der Wichtigkeit zu überzeugen,

Z

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die Stimme künftiger Generationen in derGegenwart zu hören. Die erste Runde derVerhandlungen zwischen 2000 und 2002war nicht erfolgreich. Zwei Mitglieder desParlaments legten dem Parlament einen Ge-setzesentwurf vor, der in zwei parlamentari-schen Ausschüssen diskutiert wurde, von dergrößten Oppositionspartei jedoch nicht un-terstützt wurde. Zu diesem Zeitpunkt schienein politischer Konsens und die Zweidrittel-mehrheit im Parlament, die benötigtwurde,3 noch sehr fern. ,Schützt die Zu-

kunft’ intensivierte ihre nationale Kampa-gne im Jahr 2006 erneut, nachdem sie dieIdee der Vertretung künftiger Generationenauch auf europäischer Ebene zu fördern be-gonnen hatte. Politische Parteien waren imJahr 2006, als in Ungarn gewählt wurde,eher bereit, sich für den Vorschlag zu erwär-men, da die Unterstützung einer noblen In-itiative, wie die Vertretung der künftigenGenerationen, bei den meisten Wählern po-sitiv angenommen wurde. Der Gesetzesent-wurf wurde erneut in zwei Ausschüssen desParlaments diskutiert und dieses Mal wurdedie Initiative angenommen. Leider endetedie Legislaturperiode ohne eine endgültigeAbstimmung. ,Schützt die Zukunft’ reali-sierte dann im Jahr 2007, dass eine Über-einkunft aller Parteien unentbehrlich war.Die Initiative nahm maßgeblich an Fahrt zu,nachdem es der Organisation gelang, allefünf Parlamentsparteien zu überzeugen.Eine Partei, die Allianz der Freien Demo-kraten, erachtete es als besonders wichtig,die staatliche Verwaltung kostengünstig zuhalten, weswegen sie dem Gesetz ihre Un-terstützung versagte, solange es die Errich-tung einer zusätzlichen staatlichenInstitution beinhaltete. Der Konflikt wurdedurch den Vorschlag gelöst, die Stellung desstellvertretenden Menchenrechtskommissarsnach Gesetz LIX von 1993 auf den Parla-mentarischen Beauftragten für BürgerlichesRecht zu übertragen (im Folgenden: Om-budsman-Gesetz).4 Die größte Oppositi-onspartei wurde durch das Betonen derausgeprägten Kompetenz des neuen Om-budsmannes, staatliche Behörden zu unter-suchen, überzeugt. Die regierende Parteiunterstützte das Gesetz, da die beiden Ab-

geordneten, die das Gesetz erstmals an dasParlament einreichten, ihr angehörten. Zwei weitere Umstände trugen zum Erfolgder Initiative ,Schützt die Zukunft’ bei. Er-stens war jeder Akteur der ungarischen Poli-tik auf der Suche nach ein wenigErleichterung von den politischen Span-nungen, welche das Bekanntwerden derRede des Ministerpräsidenten über die Vor-enthaltung von Informationen über denStaatshaushalt im Vorfeld der Wahlen ver-ursachte. Die Initiative von ,Schützt die Zu-kunft’ bot eine großartige Gelegenheit, demWähler zu zeigen, dass die Parteien noch inder Lage zur Zusammenarbeit waren. Zwei-tens nahm die Sensitivität gegenüber Um-weltschutzthemen auch aufgrund derverstärkten internationalen Aktivität in die-sem Bereich zu; sowohl der vierte IPCC-Sachstandsbericht als auch der Stern-Reportwurden in dieser Zeit veröffentlicht.

,Schützt die Zukunft’ traf eine exzellentestrategische Entscheidung, als sie eine Pres-sekonferenz organisierte, an der alle Parteiennach dem Prinzip des ,Runden Tisches´ teil-nahmen. Nachdem die gemeinsame Ent-scheidung aller Parteien der Presse bekanntgegeben wurde, konnte sich keine der Parteien einen Rückzieher leisten. Nochkonnten sie es sich leisten, über die wichtig-sten Kompetenzen des neuen Ombudsman-nes zu streiten, wie sie im ursprünglichen Vorschlag von ,Schützt die Zukunft’ nieder-geschrieben waren. Glücklicherweise ver-blieben 85 Prozent der ursprünglichvorgeschlagenen Kompetenzen im Text.Das ungarische Parlament verabschiedete dieÄnderung des Ombudsman-Gesetzes5 imDezember 2007 fast einstimmig, wodurchdie Gründung der Institution des parlamen-tarischen Kommissars für zukünftige Gene-rationen ermöglicht wurde. Der neueKommissar wurde erst im Mai 2008, nachdrei gescheiterten Wahlgängen, gewählt.6

Das Büro des parlamentarischen Kommis-sars für zukünftige Generationen arbeitetseit dem letzten Quartal 2008 mit einemvollen Mitarbeiterstab von 35 Angestellten,inklusive 19 Anwälten, zwei Ökonomen,einem Ingenieur, zwei Biologen, einem Kli-mawandel-Experten und einem Arzt. DasBüro besteht aus vier Abteilungen: einerRechtsabteilung, einer Strategie- und Wis-senschaftsabteilung, einer Abteilung für In-ternationale Beziehungen und einerKoordinierungsabteilung.

Auswirkungen des parlamentarischenKommissars für zukünftige GenerationenEs können mehrere Kriterien herangezogenwerden, um die Auswirkungen des Kom-missars zu messen. Die folgenden fünf Kri-terien sind nur Vorbedingungen für denzukünftigen Einfluss. Erstens muss derKommissar frei von jeglichem politischenEinfluss sein. Zweitens muss der Kommis-sar die richtigen Kompetenzen haben, die esihm erlauben, das Leben künftiger Genera-tionen auf eine positive Weise zu beeinflus-sen. Drittens der Kommissar muss dieseKompetenzen aktiv nutzen, d.h. konkreteLeistungen müssen nachgewiesen werden.Viertens müssen die konkreten Maßnah-men, die es dem Kommissar erlauben seineInitiativmacht auszuüben, zumindest in dereorie bestehen. Fünftens muss diese In-stitution eine angemessene Finanzierung er-halten. Wenn diese fünf Voraussetzungenerfüllt sind, existiert eine Chance, dass derKommissar einen positiven Einfluss auf dasLeben künftiger Generationen nehmenkann. Eine sichere Aussage darüber zu tref-fen, ob die Aktionen des Kommissars einensignifikanten Einfluss auf die Zukunft habenwerden oder nicht, ist aufgrund verschiede-ner Gründe schwer. Es gibt mehrere kom-plexe und interagierende Faktoren, die auchin kleineren Bereichen Einfluss auf dasLeben künftiger Generationen haben. Letzt-lich ist es auch schwierig, die richtige Me-thode für die Messung der langfristigenAuswirkungen zu bestimmen.

Unabhängigkeit und langfristige VisionLangfristiges Denken erfordert Freiheit vonjeglichem politischen Einfluss. Die meistenpolitischen Parteien haben die Tendenz, vonWahl zu Wahl zu planen. Der Kommissar istnur dem Parlament verantwortlich. Nur eineZweidrittelmehrheit des Parlaments kannsein Mandat wegen besonderer Umständebeenden. Seine Unabhängigkeit wird auchdurch die Länge der Amtszeit sichergestellt,die den Wahlzyklus um zwei Jahre überdau-ert, also insgesamt sechs Jahre währt. Der Kommissar berichtet dem Parlamentjährlich, wobei die formelle Annahme desBerichts nicht Bedingung für seine weitereTätigkeit ist. Darüber hinaus ist die Finan-zierung der Kommission nur vom Parlamentabhängig. Dem Büro des parlamentarischenKommissars für künftige Generationen wirdeine jährliche Finanzierung aus dem Staats-haushalt bereitgestellt. Es erhielt 266,8 Mil-lionen HUF im Jahr 2009 und 259,2Millionen HUF im Jahr 2010, was als ange-

Jede Regierung, ja jeder menschlicheNutzen und jede Freude, jede Tugendund jede kluge Handlung ist auf Kompromisse und Tauschgeschäftegegründet./ Edmund Burke /

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messene Unterstützung betrachtet werdenkann. Es kann festgestellt werden, dass dieInstitution die erste Voraussetzung erfüllt,also Unabhängigkeit und langfristiges Den-ken und so über das Potenzial verfügt, künf-tige Generationen zu beeinflussen.Die Unabhängigkeit der Institution hatzahlreiche Organisationen ermutigt, unsere

Zusammenarbeit zu suchen. So organisiertebeispielsweise der Verband der Verwaltungs-richter gemeinsam mit dem Kommissareinen Workshop für Richter, an dem Kolle-gen des Kommissars und der EuropäischenKommission Vorträge über EU-Umwelt-recht hielten. Zivilgesellschaftliche Organi-sationen und sogar Ministerien verlassensich oft auf unser Team von Rechtsanwälten,die bei juristischen Analysen ihre Hilfe an-bieten. Der Kommissar nahm auch mehr-mals die Rolle eines Mediators zwischenzivilgesellschaftlichen Organisationen undMinisterien ein oder leitete deren Arbeits-gruppen. Die Arbeitsgruppe über den Zu-gang zu Informationen, die vonKernkraftwerksbetreibern geleitet wird oderdie Ad-hoc-Expertengruppe zur ungarischenStrategie gegen die (von der EuropäischenUnion genehmigte) Zulassung genetischveränderter Organismen, sind als vielsa-gende Beispiele zu nennen. Das Klima-Pro-gnose-Projekt und das Projekt fürnachhaltige Gemeinschaften (siehe unten)sind hervorragende Beispiele für einen lang-fristigen, strategischen und pro-aktiven Ar-beitsplan des Kommissars. Beide Projekteentwickeln und fördern nachhaltige Zu-kunftsszenarien und Modelle.

Kompetenzen des parlamentarischenKommissars für zukünftige GenerationenDie ungarische Verfassung garantiert dasRecht auf eine gesunde Umwelt, sie enthältaber keine Hinweise auf künftige Genera-tionen. Das Verfassungsgericht interpretiertedie Verfassung in seiner Entscheidung7 je-doch so, dass der Staat verpflichtet sei, dieQualität des natürlichen Lebensraums fürkünftige Generationen zu bewahren. Ineiner weiteren Entscheidung,8 erklärte dasVerfassungsgericht außerdem, dass dasGrundrecht auf Leben und Menschenwürde

eine Verpflichtung für den Staat generiere,institutionalisierten Schutz für die Lebens-bedingungen künftiger Generationen be-reitzustellen. Das Ombudsman-Gesetzerfüllt daher diese Verpflichtung durch dieSchaffung einer neuen Institution, die dasRecht auf eine gesunde Umwelt nicht nurfür gegenwärtige, sondern auch für zukünf-tige Generationen garantiert.Das ungarische Ombudsman-System be-steht aus dem ,allgemeinen Ombudsman’für Bürgerrechte im Allgemeinen und dreispeziellen Ombudsleuten, zuständig für eth-nische und Minderheitenrechte, Recht aufPrivatsphäre und Informationsfreiheit sowiefür die Repräsentation der zukünftigen Ge-nerationen. Die Schaffung der Position einesspeziellen Ombudsman ist dann gerechtfer-tigt, wenn die Identität derer, deren verfas-sungsmäßiges Recht verletzt wurde, nichteindeutig festgestellt werden kann oder aberdas informationelle Ungleichgewicht zwi-schen denjenigen, die das Recht verletzenund denen, deren Recht verletzt wurde,nicht durch staatliche Hilfe bei der Vertre-tung vor Gericht gelöst werden kann. DerKommissar erfüllt beide Kriterien. Die Argumentationsgrundlage für die Än-derung des Ombudsman-Gesetzes bieteteine gute Ausgangsbasis mit einer Einfüh-rung in die Zuständigkeiten des Kommis-sars fortzufahren. Das Ziel derGesetzgebung besteht darin, die natürlichenBedingungen des Lebens und der Gesund-heit heutiger und künftiger Generationen zuschützen; das gemeinsame Erbe der Mensch-heit zu bewahren und für die gemeinsamenAnliegen der Menschheit Lösungen anzu-bieten; die Freiheit der Wahl, die Lebens-qualität und den ungehinderten Zugang zunatürlichen Ressourcen zu bewahren. Dahermuss es die kommissarische Pflicht sein,künftige Generationen in den langfristigenEntscheidungen zu repräsentieren, die er-heblich deren Lebensbedingungen beein-flussen könnten und die Durchsetzung derGesetze zu erleichtern, die den Zustand derUmwelt betreffen. Dementsprechend regelt § 27 / B. (1) desOmbudsman-Gesetzes die folgenden Kom-petenzen für den Ombudsmann: Überwa-chung, Bewertung und Kontrolle derDurchsetzung der gesetzlichen Bestimmun-gen zur Gewährleistung der Nachhaltigkeitund Verbesserung der Umwelt und Natursowie die Untersuchung aller Unregelmä-ßigkeiten, von denen er Kenntnis erlangtund die hiermit in Zusammenhang stehen.Der Begriff ,rechtliche Bestimmungen zur

Gewährleistung der Nachhaltigkeit’ erwei-tert die Kompetenzen des Kommissars überdie Überwachung der Durchsetzung derstreng eingegrenzten Umweltschutzfälle hin-ausgehend. Es ist schwierig, die Grenzen desKonzeptes des Umweltschutzrechts und derNachhaltigkeit genau zu definieren und zubestimmen. Deshalb war es wichtig, unmit-telbar nach dem operativen Start über diewichtigsten Funktionen und Kompetenzendes Kommissars innerhalb der Grenzen derVerfassung und des Ombudsman-Gesetzeszu entscheiden. Darüber hinaus nahm derKommissar in sein internes Untersuchungs-regelwerk9 eine obligatorische Prüfung sei-ner Kompetenz als ersten Schritt desPrüfverfahrens auf. Gerade bei der Unter-suchung von Querschnittsthemen stößt derKommissar jedoch immer wieder auf Wi-derstand. Drei Faktoren beeinflussen die kommissari-schen Entscheidungen über die Details sei-ner Kompetenzen: Umweltschutzgesetzeund -prinzipien (insbesondere das Integrati-ons- und Vorsorgeprinzip), der wissen-schaftliche und öffentliche Diskurs, der zurEinrichtung der Institution führte, sowie dieErwartungen der Öffentlichkeit.10

Gesetzlich geregelte KompetenzenDie oben genannten Entscheidungen desVerfassungsgerichtes regeln den weitestenRahmen der kommissarischen Arbeit. Arti-kel 4 des Gesetzes LIII von 1995 über dieAllgemeinen Vorschriften für Umweltschutzliefert eine genauere Definition des Begriffs,Umwelt-Fall’: Jede Durchführung oder Un-terlassung von Aktivitäten, Entscheidungen,Maßnahmen etc. über die Elemente derUmwelt (Boden, Luft, Wasser, Artenvielfaltund ihre Bestandteile), ihr System oderStruktur. Das selbe Gesetz regelt alle folgen-den Bereiche, die einen Bezug zum Um-weltschutz haben, wie Energie, Land- undBodenschutz, Verkehr, Raumordnung, Was-ser- und Abfallwirtschaft, Natur- und Land-schaftsschutz und den Schutz historischerDenkmäler. Diese Querschnittsthemen be-gründen die kommissarische Kompetenz,solange sie die Beziehung zwischen Menschund Umwelt, den Schutz der Umwelt undnachhaltige Entwicklung beeinflussen.

Zusätzlich zu den eng definierten Umwelt-schutzfällen widmet sich der Kommissar be-stimmten wirtschaftlichen, sozialen undinstitutionellen Fragen, die einen Bezug zurNachhaltigkeit der Natur und der Umweltaufweisen, womit er auch in diesen Berei-

Ein Führer ist jemand, der einenSchritt vom gesamten System zurück-tritt und versucht, ein System zuschaffen, das gemeinschaftlicher undinnovativer ist und auf lange Sichtfunktioniert./ Robert Reich /

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chen eine aktive Rolle spielt. Die Integrationvon Umweltschutzaspekten in den Pla-nungsprozess des Staatshaushaltes sticht ausden mit Nachhaltigkeit verbundenen wirtschaftlichen Fragen hervor. Deshalb ver-öffentlichte der Kommissar eine Stellung-nahme, in welcher er den Entwurf desStaatshaushaltes hinsichtlich dessen Auswir-kungen auf den Bereich der Nachhaltigkeitanalysierte. Die Nachhaltigkeit staatlicherSubventionen, die für Transport, Energieoder Landwirtschaft vorgesehen sind, ver-folgte er ebenfalls aufmerksam.

Sensibilisierung, Umweltbildung und För-derung nachhaltiger Gemeinschaften tragenzu den sozialen Aspekten nachhaltiger Ent-wicklung bei und repräsentieren jene zu-sätzlichen Bereiche, in denen derKommissar zudem aktiv tätig ist. Die ge-meinsame Kommission für Umweltbildungund Sensibilisierung zusammen mit demNationalen Rat für Nachhaltige Entwick-lung zeigen die kommissarischen Bemü-hungen in diesem Bereich sehr gut auf. Diegemeinsame Kommission hat bereits eineErklärung zur Umweltbildung an Gymna-sien und Realschulen abgegeben und organisierte Treffen mit Umweltschutz-Journalisten. Der Kommissar spricht auch die institutio-nellen Erfordernisse der Nachhaltigkeit an,wie den Zugang zu und die Qualität der In-formationen über die Umwelt und den Rah-men der öffentlichen Partizipation.

Das Ombudsman-Gesetz stattet den Kom-missar in Bezug auf den Entscheidungspro-zess innerhalb der Europäischen Union mitnicht unerheblichen Kompetenzen aus,11

was eine Beteiligung an der Ausarbeitungder ungarischen Positionen in den Institu-tionen der Europäischen Union beinhaltet.Leider konnte der Kommissar dieser Ver-pflichtung bislang nicht nachkommen, daihm die dazu notwendigen Unterlagen bis-lang (noch) nicht von der Regierung zurVerfügung gestellt worden sind. Die Über-wachung und Erleichterung der korrektenAnwendung des europäischen Rechts istebenfalls ein besonders wichtiger Aspekt derArbeit des Kommissars, besonders seit 80-90 Prozent des ungarischen Umweltrechtsaus dem Recht der Europäischen Unionübernommen wurde. Auf dem Gebiet desVölkerrechts überwacht und bewertet derKommissar die inländische Durchsetzunginternationaler Konventionen in den fol-genden Bereichen: Umwelt- und Natur-

schutz, gemeinsames Erbe und gemeinsameAnliegen der Menschheit (wie das Welt-erbe).

Ein Fall, in dem über die Zuständigkeiten desKommissars diskutiert wurdeDer Vorschlag der ungarischen Staatshol-ding bezüglich der Neuordnung der Ver-waltung der öffentlichen Wasserversorgungund Abwassersysteme führte zu zahlreichenBeschwerden. Die Antragssteller waren überdie Notwendigkeit der Entscheidung unddie vom Unternehmen dargelegten Gründebesorgt. Diese erzeugen wiederum allgemei-nere Probleme, wie die Sicherheit der Trinkwasserversorgung und des Wasserma-nagements.Der Betrieb von Wasserversorgungsunter-nehmen und deren strategische Entschei-dungen beeinträchtigen den Zustand derWasserreserven und die Sicherheit der ge-sunden Trinkwasserversorgung immens.Der Kommissar erklärte seine Zuständigkeitin diesem Fall, weil Wasser ein nationalesGut und Teil des natürlichen Erbes ist. Des-sen Erhaltung und Sicherung sind für diemenschliche Gesundheit und befriedigendeLebensbedingungen entscheidend. Fehlen-der Schutz in diesem Bereich gefährdet dieGesundheit heutiger Generationen sowie dieExistenz künftiger Generationen.

Wissenschaftlicher und öffentlicher Diskursfördern den Aufbau der Kommission und dieErwartungen der ÖffentlichkeitAls sekundäre Quelle für die Auslegung derKompetenzen des Kommissars darf man dieVorarbeit von ,Schützt die Zukunft’ und diewissenschaftlichen Beiträge von Staatspräsi-dent László Sólyom und Prof. BoldizsárNagy nicht übersehen. Der erste Vorschlagfür die Einrichtung der neuen Institutionsah weitreichendere Kompetenzen für denKommissar vor. Vom größeren Konzept derGenerationengerechtigkeit blieb nur derUmweltschutz der heutigen Generation imverabschiedeten Gesetzesentwurf bestehen,was jedoch zwangsläufig auch zur Bewah-rung der Lebensbedingungen künftiger Ge-nerationen beiträgt. Der Kommissar fühltsich jedoch immer noch verpflichtet, seineAktivitäten auf dem Gebiet des Umwelt-rechts mit größter Rücksicht auf die Inter-

essen künftiger Generationen zu erfüllenund sieht sich hier auch im Einklang mitden öffentlichen Erwartungen.Die Kompetenzen des Kommissars sindnicht so umfangreich wie die Aufgabenlistein der UNESCO-Erklärung über die Ver-antwortung heutiger Generationen gegen-über künftiger Generationen, aber einevernünftige Anzahl von Bereichen wird ge-deckt. Der Kommissar ist außerdem in derLage, alle bestehenden globalen Verpflich-tungen der gegenwärtigen Generationen gegenüber künftigen Generationen voran-zutreiben, wie sie die Doktrin über Genera-tionengerechtigkeit von Prof. Edith BrownWeiss festlegt.12 Damit wird auch die zweiteVoraussetzung für eine mögliche Einfluss-nahme zugunsten künftiger Generationenerfüllt.

Tätigkeiten und Auswirkungen desKommissarsDie dritte Voraussetzung für eine Beeinflus-sung der Zukunft – neben einer langfristi-gen Vision und den richtigen Kompetenzen– ist die tatsächliche kommissarische Akti-vität. Die Aktivitäten des Kommissars inden oben genannten Bereichen können indrei Kategorien unterteilt werden: Ermitt-lung, parlamentarische Interessenvertretung,wissenschaftliche und strategische For-schung.

ErmittlungDie Untersuchung verfassungsrechtlicherUnregelmäßigkeiten stellt die Hauptaufgabedes Kommissars dar. Der Rahmen des Ver-fahrens ist im Ombudsman-Gesetz festge-legt und die Details durch die internenVerfahrensvorschriften geregelt. Die Grundlage des Untersuchungsverfah-rens des Kommissars ist die gleiche wie dieVorgehensweise des allgemeinen Ombuds-mans,13 nur dass seine Machtbefugnisse ein-flussreicher sind. Die offizielle Begründungdes Ombudsman-Gesetzes erklärt diesenUnterschied mit dem besonderen Charakterder Umwelt- und Naturschutzfälle: Die ver-zögerten oder illegalen Handlungen der Ver-waltungsbehörden führen oft zu extremhohen Kosten oder unermesslichen und ir-reversiblen Schäden für die Umwelt. Jeder kann einen Antrag an das Büro desKommissars stellen und manchmal werdendie Ermittlungen sogar von Amts wegen ein-geleitet. Es gibt nur zwei Einschränkungen:Fälle, in denen die endgültige administrativeEntscheidung vor mehr als einem Jahr ge-troffen wurde und wo ein Gerichtsverfahren

Wenn die schönsten Landschaftennach Menschen benannt werdensollten, sollen es die edelsten undwürdigsten Menschen allein sein./ Henry David Thoreau /

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für die Überprüfung des Beschlusses insLeben gerufen oder eine rechtskräftige ge-richtliche Entscheidung getroffen wurde.Die Untersuchung beginnt mit der Ausar-beitung eines Ermittlungsplans und der Organisation eines Untersuchungsteams,bestehend aus Rechtsanwälten, einschließ-lich eines internationalen Anwalts wennnötig, und einem Experten des wissen-schaftlich zu untersuchenden Umweltbe-reichs (z.B. Biologe, Umwelt-Ingenieur).Das Kooperationsverfahren zwischen denverschiedenen Disziplinen und Abteilungenspiegelt den Grundsatz der Integration wie-der. Der Kommissar und seine Kollegenmüssen während der Recherchezeit Zugangzu allen Räumen und Zugriff auf alle Un-terlagen erhalten, ohne eine gesonderte ge-richtliche Genehmigung. Die Untersuchungendet in einer Erklärung des Kommissars.Die endgültige Fassung der Erklärung wirdin einem iterativen Prozess erarbeitet. JederInteressent ist aufgefordert, zu den Entwür-fen der Erklärung Stellung zu nehmen.

Der Kommissar hat in der zweiten Jahres-hälfte 2008 und im Jahr 2009 422 Be-schwerden erhalten. In 271 Fällen wurdenErmittlungen eingeleitet und in 97 Fällenabgeschlossen. In 37 Fällen gab der Kom-missar eine Erklärung ab und in 26 Fällenfand er Unregelmäßigkeiten. Leider gibt eseinen erheblichen Nachholbedarf. Dieskann durch die Tatsache erklärt werden, dasswir eine sehr junge Institution sind. DieStrukturen und Methoden des Büros,ebenso wie die Ausbildung des Personals,mussten erst entwickelt werden. Das Ombudsman-Gesetz stattet den Kom-missar mit sehr speziellen Maßnahmemög-lichkeiten14 aus, die er ergreifen kann, umdie Umwelt zu schützen und eine nachhal-tige Entwicklung zu erleichtern. Die ihm zurVerfügung stehenden Maßnahmen werdenin die abschließenden Erklärungen einbezo-gen. Die untersuchten Behörden, Organisa-tionen und Privatpersonen müssen auf dieErklärung des Kommissars innerhalb einerbestimmten Frist reagieren. Dies ist der erstePunkt in dem Verfahren, an dem der Kom-missar eine Rückmeldung über seine Arbeiterhält und die unmittelbare Wirkung seinerErklärung messen kann. Die verschiedenen zur Verfügung stehendenMaßnahmen des Kommissars haben sehrunterschiedliche Auswirkungen, deshalb istes sinnvoll, sie getrennt zu analysieren:

1. EmpfehlungenWenn verfassungsrechtliche Unregelmäßig-keiten entdeckt werden, gibt der Kommissarder Behörde, die auf die Unangemessenheitaufmerksam gemacht hatte oder der Auf-sichtsbehörde sowie den Privatpersonen undOrganisationen, Empfehlungen. Nebenkonkreten Empfehlungen zur Abhilfe kannder Kommissar auch allgemeine Empfeh-lungen geben. Diese Empfehlungen habenkeine unmittelbare rechtliche Wirkung, d.h.dass sie nicht verbindlich sind, was dieWahrscheinlichkeit ihrer Wirkung reduziert.Der Kommissar muss die Adressaten seinerEmpfehlungen von der Richtigkeit seinerAussagen und der Notwendigkeit und Sinn-haftigkeit seiner empfohlenen Maßnahmenüberzeugen. Eine sorgfältige Recherche undeine solide rechtliche Analyse sind daher ent-scheidend für die Akzeptanz der Empfeh-lungen. Um die Wahrscheinlichkeit einerBefolgung der Empfehlungen zu erhöhen,nutzt der Kommissar oft die Medienöffent-lichkeit, was sich als ein wirksames Instru-ment zur Druckausübung auf Behörden undUnternehmen bewiesen hat, die in den Er-klärungen angesprochen werden.

2. Maßnahmen direkter rechtlicher Wirkung Neben ,weichen’ Empfehlungen des Kom-missars, kann er ferner auch Maßnahmenunmittelbarer rechtlicher Wirkung einleiten.Erstens kann der Kommissar die Aussetzungder Vollstreckung von Verwaltungsentschei-dungen beantragen, wenn es dem ersten An-schein nach illegal erscheint und ihreUmsetzung zu irreversiblen Schäden derUmwelt führen könnte. Zweitens kann derKommissar jede Person oder Organisationdazu auffordern, jede Aktivität einzustellen,die der Umwelt schadet. Die angesprochenePerson muss innerhalb einer vom Kommis-sar gewählten Frist reagieren. Im Falle einerunbefriedigenden Antwort kann der Kom-missar die Aussetzung der beanstandetenAktivität vor Gericht beantragen. Drittenskann der Kommissar alle geltenden admini-strativen und gerichtlichen Überprüfungs-verfahren initiieren oder daran teilnehmen.Er kann gegen jede umweltrelevante Ent-scheidung der Verwaltungsbehörden Beru-fung einlegen und/oder die gerichtlicheÜberprüfung derselben einleiten. Er kann ingerichtlichen Verfahren im Namen jederPartei eingreifen, die eine Überprüfung vonVerwaltungsentscheidungen über die Um-welt anstrebt.

Die oben genannten Maßnahmen zeigen,dass das Ombudsman-Gesetz den Kommis-sar mit starken Befugnissen ausgestattet hat.In der Tat steht der Kommissar den anderendrei Ombudsleuten (die Kommissare fürDatenschutz, nationale und ethnische Min-derheiten und Bürgerrechte) durch seine Be-fugnisse vor. Es kann gefolgert werden, dassdiese Instrumente in der Lage sind, sich aufdie Umwelt und das Leben der heutigen undkünftigen Generationen tiefgreifend auszu-wirken. Einzelne Bestimmungen der Ge-schäftsordnung gewährleisten eineobligatorische Überwachung der Durchset-zung der Erklärungen. Dies ermöglicht demKommissar, weitere notwendige Schritte imFalle der Nichteinhaltung trotz positiver Er-streaktion auf seine Erklärung einzuleiten.Eine Folgeuntersuchung wurde im Fall des,Green Investment Scheme’ (Ein Modell,nach welchem die Erlöse aus dem Verkaufvon Emissionszertifikaten in andere Um-weltprojekte fließen sollen) durch das Mini-sterium für Umwelt und Wasserwirtschafteingeleitet. Der Kommissar wird eingreifen,wenn das Ministerium Unregelmäßigkeitenim Zusammenhang mit Einnahmen ausdem Kyoto-Emissionshandel feststellensollte.

Beispiele für Fälle, in denen die kommissa-rische Untersuchung und Erklärung direktepositive Wirkungen erzeugte: 1. Die Kommunalverwaltung im Bezirk XV.in Budapest plante, ihre Raumordnung zuändern, um höhere bauliche Dichte zu er-möglichen. Das Gebiet der geplanten Ent-wicklung liegt in der Nähe einerverkehrsreichen Autobahn und erfährt be-reits eine deutliche Umweltbelastung durchLärm- und Luftverschmutzung, deren Wertedie Grenzwerte überschreiten. Der Kom-missar kam zu dem Schluss, dass eine wei-tere Erhöhung der Anzahl derWohneinheiten und die Verringerung desaußergewöhnlich hohen Anteils an Grünflä-chen in diesem Bezirk die Ursache für wei-tere ökologische Probleme sein würden. DerKommissar erklärte, dass die Entwicklungnicht vereinbar mit dem Grundsatz nach-haltiger Entwicklung wäre. Die Erklärungbetonte die Wichtigkeit der Berücksichti-gung von Umweltaspekten bei räumlichenPlanungsverfahren. Die Gemeinde ent-schied sich gegen die Raumplanung und füreine Konsequenzenanalyse, die im Einklangmit den Schlussfolgerungen der Kommis-sion erarbeitet werden soll.

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2. Der vorläufige Raumordnungsplan derGemeinde Piliscsaba sah den Bau eines un-terirdischen Wasserreservoirs auf einemKarstgebiet für Trinkwasser und Wasserab-füllung für kommerzielle Zwecke vor. Dader Wasserhaushalt des Gebiets bereits un-ausgeglichen war, war die geplante Erschlie-ßung von zusätzlichem Wasser inakzeptabel.Die Gemeindeverwaltung ordnete eineÜberprüfung der Planungsmaßnahmen an.

3. Der Kommissar überprüfte den Entwurfeines Smogalarm-Plans der Stadt Miskolc.Die Einführung von Warnstufen bei hoherSmogbelastung durch eine kommunale Anordnung soll Sofortmaßnahmen zur Re-duzierung der Luftverschmutzung ermögli-chen. Der Entwurf enthielt keine klarenDefinitionen zentraler Begriffe wie ,Smog-Situation’. Der Kommissar erklärte, dass un-klare Begriffe eine wirksame Umsetzungverhindern und zu verzögertem Tätigwerdenführen könnten. Die Kommunalversamm-lung akzeptiert die Empfehlungen des Om-budsmannes und überarbeitete denEntwurf.

4. Zwei Antragssteller beschwerten sich überdie übermäßige Geräuschentwicklung aus-gehend von einer naheliegenden Faserplat-tenfabrik in der Stadt Mohács. DieUntersuchung ergab, dass der Fabrikbetriebübermäßige Lärmbelästigung verursachte,weswegen die Umweltbehörde den Betrei-bern einen Aktionsplan zur Lärmminderungverordnen hätte sollen. Der Kommissarstellte außerdem fest, dass die Aufsichtsbe-hörde versäumt hatte, Geldbußen zu ver-hängen. Die Erklärung des Kommissarshatte zur Folge, dass die Behörden eine Ge-räuschpegelmessung durchführten und be-schlossen, die notwendigen Maßnahmen zuergreifen.

Beispiele von Fällen mittelbarer Auswir-kung: 1. Eine zivile Organisation reichte eine Be-schwerde gegen ein geplantes und autori-siertes Kraftwerk in der Pufferzone einesWeltkulturerbes in der Stadt Szerencs ein.Die kommissarische Untersuchung ergab,dass sich das Kraftwerk negativ auf das Ge-biet auswirken würde. Der traditionelleWeinbau und die Kulturlandschaft, die denTitel Weltkulturerbe möglich gemacht hat-ten, würden durch die Energieproduktionaus auf Gras basierter Biomasse gefährdet.Auch die Energieeffizienz und die Auswir-kungen auf den Verkehr waren unter den

zahlreichen Problemen, die der Kommissarfeststellte. Dennoch berücksichtigte keineder Behörden während dem Zulassungsver-fahren die Auswirkungen des Vorhabens aufdas Weltkulturerbe. Die Aufsichtsbehördewies die Empfehlungen des Ombudsman-nes zurück und auch das Gericht entschiedzu Gunsten der Behörde. Ein Aspekt desFalles ging jedoch erfolgreich aus. Die Un-tersuchung ergab, dass die Welterbekonven-tion in Ungarn nicht korrekt umgesetztwurde, weswegen der Kommissar Empfeh-lungen zur Vorbereitung des Gesetzes zumWelterbe geben konnte. Der Minister fürKultur und Bildung akzeptierte die Emp-fehlungen und beteiligte den Kommissarsogar am Ausarbeitungsverfahren.

2. Die Gemeindeversammlung von Páty be-schloss eine Verordnung, welche den Baueines großen Golfplatzes, eines Hotels und1400-1600 Wohneinheiten erlaubte. DerKommissar folgerte in seiner Erklärung, dassder Bau nicht dem Budapester Ballungs-raum-Gesetzes15 entspricht, da die Anlage inden Schutzbereich zwischen Siedlungen ein-dringt. Darüber hinaus war bedenklich, dassausschließlich die Interessen der Entwickler,die das Raumplanungsverfahren bestimm-ten, berücksichtigt und dem öffentlichen In-teresse gegenüber bevorzugt behandeltworden waren. Kumulative Auswirkungenwaren ebenfalls nicht angemessen bewertetworden. Zusätzlich würden sich bestehendeUmweltprobleme im Ballungsraum derHauptstadt Budapest verschlimmern. DieVersammlung wies die Erklärung des Kommissars zurück, weswegen sich derKommissar zur Überprüfung an das Verfas-sungsgericht wenden wird.

Politische InteressenvertretungDer Kommissar muss zu jedem Gesetzes-entwurf und jeder staatlichen Initiative kon-sultiert werden, durch die die Umwelt odernachhaltige Entwicklung beeinflusst werdenkönnte.16 Außerdem darf er seine Meinungüber die langfristige Entwicklung der Ge-meinden und Raumordnungspläne oder an-dere Pläne und Konzepte der Gemeindenausdrücken, die sich unmittelbar auf dasLeben künftiger Generationen auswirken.17

Er kann seine Position sogar in parlamenta-rischen Ausschüssen präsentieren und er ist

einer jener Wenigen, die während der parla-mentarischen Plenarsitzungen das Wort er-greifen dürfen.18 Wenn der Kommissar imZuge einer Untersuchung feststellt, dass einegesetzliche Regelung das Recht auf eine gesunde Umwelt gefährdet oder dass seineBemerkungen im legislativen Konsultati-onsverfahren vernachlässigt wurden, kann ereine verfassungsrechtliche Überprüfung derRechtsnorm beim Verfassungsgericht19

einleiten. Ferner kann er nationalen oderkommunalen Gesetzgebern Änderungen be-stehender oder die Einführung neuer Ge-setze vorschlagen.20

Der Kommissar erhielt in den Jahren 2008und 2009 119 Gesetzesinitiativen und be-teiligte sich in 81 Konsultationsverfahrenüber Legislativvorschläge. In diesen beidenJahren regte er die Annahme oder Änderungvon 17 Vorschlägen an. Er initiierte einenVerfassungsbericht beim Verfassungsgerichtund plant in naher Zukunft vier weitere An-träge einzureichen. Der Kommissar über-reichte die meisten seiner umfangreichenVorschläge den zuständigen parlamentari-schen Ausschüssen (Ausschuss für Umwelt-schutz, Haushaltsausschuss, Büro fürFinanzen und Bilanzprüfung, Ausschuss fürLandwirtschaft), hat in der parlamentari-schen Plenarsitzung das Wort aber nochnicht ergriffen. Die Mitglieder des kommis-sarischen Teams nahmen in den Jahren 2008und 2009 aktiv an 130 Konferenzen teil.Der Kommissar organisierte drei Konferen-zen, um die Ökologisierung des Haushalts-plans, Indikatoren für Nachhaltigkeit, denKlimagipfel in Kopenhagen und vieles mehrzu diskutieren.Der Kommissar erschien in 353 Pressearti-keln auf 473 Seiten. Die Auftritte in Online-und Printmedien erreichen schätzungsweise84 Millionen Leser. 258 Radio- und Fern-sehsendungen diskutierten die Arbeit desKommissars.Das Ombudsman-Gesetz gibt dem Kom-missar ein sehr mächtiges Werkzeug an dieHand, indem es seine Mitwirkung am legis-lativen Beratungsverfahren gestattet. Leiderkann der Kommissar seine Macht nicht vollausschöpfen. Zuweilen wird ihm der Geset-zesentwurf nicht früh genug zugeleitet, umihm die Möglichkeit zu geben, einen we-sentlichen Beitrag leisten zu können. Dar-über hinaus ist er von der Annahme vonVerhandlungspositionen im nationalen EU-Entscheidungsprozess völlig ausgeschlossen.

Fälle, in denen das kommissarische Engage-ment direkte positive Auswirkungen hatte:

Wenn du einen Wald fällst, ist esegal wie viele Sägewerke du hast,wenn es keine Bäume mehr gibt./ Susan George /

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1. Der Kommissar verfocht die staatliche Fi-nanzierung landwirtschaftlicher Gendaten-banken erfolgreich. In seinen Briefenmachte er den Landwirtschaftsminister unddas Parlament auf die Risiken mangelnderFinanzierung sowie Privatisierung von Gen-datenbanken aufmerksam. Ungarn hat dendrittreichsten landwirtschaftlichen Genpoolinnerhalb der Europäischen Union. Die Be-deutung dieser Gendatenbanken wird of-fensichtlich, wenn man die aufkommendenökonomischen und ökologischen Heraus-forderungen in Folge des Klimawandels be-rücksichtigt. Eine abnehmende Artenvielfaltlandwirtschaftlicher Pflanzen verringert dieNahrungsmittelsicherheit irreversibel. 2. Der Kommissar identifizierte mehrere Be-stimmungen im Entwurf zum Forstgesetz,die zu weiche Vorschriften für Waldbewirt-schaftung vorgeben. Er wies darauf hin, dassdie Machtbeschneidung der Naturschutzbe-hörden im Bereich von Forstaufsichtsange-legenheiten den Schutz der Wäldergefährden. Der Kommissar präsentierteseine Feststellung auch dem parlamentari-schen Umweltausschuss. Dieser Fall kann alsErfolgsgeschichte betrachtet werden, damehrere Abgeordnete infolge dessen Vor-schläge zur Gesetzesänderung einreichten,die der kommissarischen Erklärung glichen.

Beispiele von Fällen mittelbarer Auswirkun-gen:Der Kommissar kam zu dem Schluss, dassder Haushaltsentwurf 2010 kein ökonomi-sches Modell sei, welches positive Chancenfür künftige Generationen garantierenwürde. Indem die Chance vertan wurde, dasSystem der Haushaltsregulierung nach Zie-len des Umweltschutzes zu gestalten, warUngarn nicht unter den Ländern, welcheökologische Investitionen als eine der mög-lichen Lösungen für die Wirtschaftskrise inBetracht zogen, was sich mittel- und lang-fristig hätte bezahlt machen können. DerKommissar betonte in seinem Standpunktauch einige der problematischsten Punktedes Haushaltsentwurfs, wie die unwirksameAnwendung von Umweltsteuern, die Redu-zierung der Finanzierung für öffentliche Ver-kehrsmittel sowie die Reduzierung derSubventionen für nachhaltige landwirt-schaftliche und regionale Entwicklungspoli-tik. Seine Stellungnahmen an denPremierminister und eine Konferenz, dievom Kommissar organisiert wurde, hattenkeine Auswirkungen auf die Verabschiedungdes Haushaltsgesetzes 2010.

Strategie und ForschungWie bereits erwähnt, interpretiert der Kom-missar seine Kompetenzen so umfassend wiemöglich, um Generationengerechtigkeit zufördern. Er fungiert nicht nur als Beschwer-destelle, sondern auch als proaktiver Be-schützer der Rechte künftiger Generationen.Um dem Gesetzgeber und der Gesellschaftein nachhaltiges Entwicklungsmodell anbie-ten zu können, betreibt der Kommissar For-schung und fördert nachhaltiges Denken.Strategische Planung und Forschung sind es-sentiell, um die Bereiche zu bestimmen, indenen die Gesellschaft nachlegen muss, umdas Interesse zukünftiger Generationen zusichern. Entscheidungsträger müssen er-mahnt werden, weiter zu denken als bis zumEnde ihrer eigenen Amtszeit. LangfristigeWirkungen sind jedoch schwierig zu mes-sen. Je spezifischer die Modelle sind, welchedie Forschung liefert, und je mehr sie unsereheutigen materialistischen Werte beeinflus-sen, desto größere Auswirkungen werden sieauf das Leben künftiger Generationenhaben.Das Projekt zum Klimawandel der Strategie-und Wissenschaftsabteilung zielt darauf ab,die Grenzen und Möglichkeiten zu untersu-chen, die sich aus dem angestrebten Ziel, dieTreibhausgasemissionen bis 2050 um 80Prozent zu reduzieren, ergeben. Das Projektwill Fragen aufwerfen und die Aufmerksam-keit auf die Notwendigkeit langfristiger Sze-narien und zeitnaher Reaktionen auf dieHerausforderungen des Klimawandels len-ken. In einem Brief an die im Parlament ver-tretenen Parteien forderte der Kommissardiese auf, ein ,grünes Minimum’ in denWahlkampf einzubeziehen, das eine 80-pro-zentige Reduzierung der Treibhausgase bis2050 anvisiert. In Folge des Projekts wurdeder ungarische Treibhausgasemissionshaus-halt schon festgelegt. Er wird außerdemklare Ziele bezüglich der Treibhausgasemis-sionen setzen und verschiedene möglicheSzenarien für die Entwicklung bereitstellen.Die Unmissverständlichkeit der Forderun-gen ist ein großer Vorteil dieses Projekts, dasich so die Wahrscheinlichkeit positiver Wir-kungen erhöht.Um nachhaltige Werte und Lebensweisen zufördern, untersucht und fördert das Nach-haltigkeitsprojekt Gesellschaftsgruppierun-gen, die an der Umsetzung aller Aspekte –ökologischer, ökonomischer und sozialer –nachhaltiger Entwicklung in ihren Siedlun-gen beteiligt sind. Das Projekt umfasst mehrals 30 Kommunen mit innovativen Lösun-gen im Bereich der nachhaltigen Landwirt-

schaft, Abfallwirtschaft, Energie- und Wär-meerzeugung, Ernährungssicherheit undsogar Bildung. Der Kommissar bietet diesenInitiativen professionelle und koordinativeUnterstützung. Die Auswirkungen diesesVorhabens können in diesem Stadium je-doch noch nicht ermittelt werden.

HindernisseDie größte Herausforderung, welcher derKommissar entgegentreten muss, ist daskonkurrierende Interesse der wirtschaftli-chen Entwicklung. Wenn der Kommissareine Untersuchung eines Projektes beginnt,das erhebliche finanzielle Investitionen um-fasst, wird seine Kompetenz in der Regel vonder Gemeinde oder den Planern in Frage ge-stellt und ihm werden zahlreiche formellerechtliche Probleme in den Weg gelegt. Indiesen Fällen legt der Kommissar Wert aufZusammenarbeit mit den Planern und allenBeteiligten. Er versucht, den Entwicklerndie Bedeutung der Nachhaltigkeit nahe zubringen und Verständnis für seine Untersu-chung zu erzielen. Eine zweite Herausforderung ist die proble-matische Interaktion mit den Ministerien,da sie sich nicht immer mit den Gesetzes-entwürfen an den Kommissar wenden. DerKommissar erinnert dann in diesen Fällendie Ministerien höflich, aber bestimmt anihre Verpflichtungen. Es gibt auch Fälle, indenen er eingeschränkten Zugang zu Doku-menten hat, die in Zusammenhang miteiner Untersuchung stehen. Der Kommissarversucht auch die Herangehensweise derUmweltschutzbehörden zu ändern. Er för-dert vernetztes Denken und die Verpflich-tung, dem EU-Recht nachzukommen, auchwenn es nicht ordnungsgemäß umgesetztwird. Um diese Ziele zu erreichen sammelteer mehrere Fälle, die ähnliche Probleme auf-zeigen und veröffentlicht umfassende Stel-lungnahmen, wie z.B. über die Einhaltungdes EU-Rechts.

SchlussfolgerungenDer Kommissar wurde mit angemessenenund wirksamen Kompetenzen ausgestattet,um die Interessen der zukünftigen Genera-tionen zu schützen. Die Kompetenzen undMaßnahmen des Kommissars sind durch einangemessenes Maß an Durchsetzungskraftbestimmt. Der Kommissar zeigte in seinemersten Zyklus der Berichterstattung, dass erdiese Kompetenzen aktiv im Interesse derzukünftigen Generationen nutzt. Rezeptionund Wirkung der kommissarischen Aktivi-täten zeigen ein vielversprechendes Bild.

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Das Modell ist besonders in jenen Bereichenerfolgreich, in denen Umweltschutz mit an-deren Interessen konkurriert und die Ent-scheidungsträger nicht der Umweltbehördeangehören oder dieser verpflichtet sind (wiebei der kommunalen Raumplanung). Derandere Bereich, in dem wir das Gefühlhaben, unsere Existenz sei notwendig, ist dieHaushaltsplanung. Die Entscheidungsträgermüssen ständig daran erinnert werden, dassdas Recht zukünftiger Generationen auf einegesunde Umwelt auch in Zeiten der globa-len Finanzkrise respektiert werden muss.Der Kommissar ist auch in seiner Rolle alsVermittler zwischen den verschiedenen Re-gierungszweigen oder Entscheidungsträgernund Nichtregierungsorganisationen erfolg-reich. Manchmal reicht die Ankündigungeiner kommissarischen Untersuchung, umUmweltschutzinteressen in den Fokus desInteresses zu bringen. Diese Konfliktfeldergibt es in jedem Land, weswegen dieses Mo-dell die Interessen zukünftiger Generationenüberall fördern könnte. Darüber hinaus gibtes die Institution des Ombudsmannes auchin vielen anderen Ländern, was den erfor-derlichen Rahmen für die verbreitete Ein-richtung eines ähnlichen Amtes in anderenLändern bietet.

Anmerkungen1. Jahresbericht des Ombudsmannes für zu-künftige Generationen, 2008-2009 (nur auf

Ungarisch). http://beszamolo.jno.hu/2. Die Informationen für diesen Abschnittstammen von einem Interview mit BenedekJávor, ehemaliges Mitglied der NGO,Schützt die Zukunft’ vom 26. März 2010.3. Abschnitt 2. (2) des Gesetzes LIX überden Parlamentarischen Beauftragten fürBürgerrechte (im Folgenden: das Ombuds-man-Gesetz).

4. http://jno.hu/de/menu=legisl_t&doc=LIX_of_1993?5. Gesetz CXLV von 2007 über die Ände-rung des Gesetzes LIX von 1993 über denParlamentarischen Kommissar für Bürger-rechte.6. Der Kommissar wird, nach dem er vomPräsidenten der Republik nominiert wurde,von einer Zweidrittelmehrheit der Mitglie-der des Parlaments gewählt. Der Präsidentkonsultierte die parlamentarischen Parteiennicht über seine Kandidaten. Die Parteienbezogen sich auf diese Tatsache, als sie dieersten drei Nominierten nicht unterstützten.7. Entscheidung 28/1994.8. Entscheidung 64/1991.9. Regelwerk des Ombudsmannes für künf-tige Generationen (nur auf Ungarisch).http://jno.hu/hu/?&menu= vizsgrend.10. Diese drei Faktoren wurden im Jahres-bericht des Ombudsmannes für künftigeGenerationen 2008-2009 identifiziert underarbeitet (S. 33).11. Artikel 27 / B. (3) g)-h).12. Brown Weiss, Edith (1989): In Fairnessto Future Generations. International Law,Common Patrimony, and IntergenerationalEquity. New York: United Nations Univer-sity. 13. Artikel 18 des Gesetzes LIX von 1993.14. Artikel 27/B-F des Gesetzes LIX von1993.15. Gesetz LXIV von 2005 über die Raum-ordnung des Budapester Ballungsgebietes.16. Artikel 27 / B. e) des Gesetzes von 1993LIX.17. Artikel 27 / B. f ) des Gesetzes von 1993LIX.18. Resolution 46/1994 (IX.30.) OGY überdie Geschäftsordnung des Parlaments derRepublik Ungarn, Reglement-Nr. 45 (1). Eskönnen der Präsident der Republik, ein Mit-

glied der Regierung, der Präsident des Ver-fassungsgerichts, der Präsident des OberstenGerichtshofs, der Generalstaatsanwalt, derOmbudsmann, der Präsident des staatlichenRechnungshofes, Personen, die zu einerStellungnahme vor dem Parlament bei einerDiskussion des von ihnen eingereichten Be-richtes verpflichtet sind, und im Falle einerparlamentarischen Erörterung von Fragenim Zusammenhang mit der europäischenIntegration auch ungarische Abgeordnetedes Europäischen Parlaments, an Plenarsit-zungen des Parlaments teilnehmen und dasWort ergreifen.19. Artikel 22. Gesetz LIX von 1993.20. Artikel 25. Gesetz LIX von 1993.

Dieser Artikel wurde keinem doppelblindenPeer-review-Verfahren unterzogen.

Dr. Éva Tóth Am-brusné ist juristischeBeraterin in der Abtei-lung für InternationaleBeziehungen, Büro desOmbudsmannes fürzukünftige Generatio-nen. Sie ist spezialisiert

in internationalem Umweltrecht und euro-päischem Umweltrecht.

Kontaktdaten: Dr. Éva Tóth AmbrusnéBüro des Ombudsmannes für zukünftigeGenerationenPostfach 40, H-1387 Budapest, Ungarn

E-Mail: [email protected]: http://jno.hu/en/

Ulrich Grober: Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffs

Rezensiert von Jörg Tremmel

s gibt wenige Sachbücher, die manauch dann zu lesen beginnen kann,wenn man übermüdet ist. Die Ent-

deckung der Nachhaltigkeit des gelerntenJournalisten Ulrich Grober ist eines davon.Ein Grund dafür ist der Schreibstil des Bu-ches. Gäbe es einen Preis für die schönsten

Metaphern zum ema Nachhaltigkeit,Grober hätte ihn verdient. Er denkt undschreibt in Bildern und macht Nachhaltig-keit dadurch plastisch und greifbar. Vorbildist ihm dabei Rachel Carsons „geniale Me-tapher“ (S. 30) in ihrem Buchtitel Derstumme Frühling (1962).

In Grobers Buch überwiegen kurze Haupt-sätze. Fremdwörter werden erklärt. Groberverwendet auch ein ungewöhnliches Zitier-system. Da keine hochgestellten Zeichen –schon gar keine eingeklemmten Namen wieim Harvard-System – den Lesefluss störensollen, schreibt Grober alle zitierungsbe-

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dürftigen Wörter im Haupttext kursiv. ImAnhang werden sie dann wiederholt und dieQuelle hinzugefügt. Für ein Fachbuch wäredas umständlich, bei einem Sachbuch ist esinnovativ.Grober bringt dem Leser seine Quellennahe, indem er in Originalsprache – auf La-tein, Französisch, Englisch, Italienisch,Schwedisch, Althochdeutsch – zitiert. Abernie um den Leser, der dieser Sprachen nichtmächtig ist, auszuschließen. Stets folgt dieÜbersetzung auf dem Fuße. Auch einige Lie-der, die für Grober das Nachhaltigkeitsden-ken zum Ausdruck bringen, zitiert Grober.All dies liest sich leicht und ist dennoch lehr-reich.

Aber nun zum Inhalt des Buches: Grobersucht Spuren für Nachhaltigkeitsbewussteinin früheren Epochen und in nicht-westli-chen Kulturen. Seinen Ausgangspunkt be-schreibt er so: „Eines scheint mir gewiss: DieIdee der Nachhaltigkeit ist weder eine Kopf-geburt moderner Technokraten noch einGeistesblitz von Ökofreaks der GenerationWoodstock. Sie ist unser ursprünglichstesWeltkulturerbe (S. 13)“. Er wird fündig inden Texten von Franz von Assisi, Goethe,Descartes, Spinoza, Leibniz, ja sogar beiShakespeare. So ist das Buch auch eine ‚tourde horizon’, ein bildender Durchgang durchdie Europäische Geistesgeschichte. Seineese: „Ein Kreis schließt sich: Abad undschamar – bebauen und bewahren – nachhal-ten und nutzen – sustain und develop, diefranziskanische Kommunion mit der Natur,Spinozas Vorstellungen vom Leben der mul-titudo im Einklang mit der natura naturans,Goethes Traum vom auauchzenden Weltall,Albert Schweitzers Ehrfurcht vor dem Leben– die alten Visionen verbinden sich mit denneuesten Einsichten der Erdpolitik und er-scheinen in verjüngter Gestalt auf der Welt-bühne. Es kam etwas in die Welt, wasextrem weitreichend war. Die Tragweitehaben wir bis heute nicht verstanden. DieEntdeckung der Nachhaltigkeit geht weiter“(S. 267 f.). Solange Grober in früheren Zeiten Spurensucht, irrt er nicht. Würde er aber behaupten(was er nicht tut), frühere Epochen hättendem Nachhaltigkeitsgedanken näher ge-standen als unsere, so wären Zweifel ange-bracht. Zurecht hat Hans Jonas in seinemBuch Das Prinzip Verantwortung darauf hin-gewiesen, dass eine globale Natur- und Zu-kunftsethik zu allen Zeiten vor dem 20.Jahrhundert unnötig war. Der Mensch hatteim 2., 14., oder 18. Jahrhundert schlicht

nicht die Möglichkeit, das weltweite Klimazu beeinflussen oder radioaktives Materialmit einer jahrtausendelangen Halbwertszeitanzuhäufen. Insofern wurde eine Erweite-rung der traditionellen Ethik erst nötig, alsdie technischen Möglichkeiten in der Neu-zeit stark zunahmen.

Grober sucht ‚die Idee’ des Nachhaltigkeits-konzeptes, aber er sucht auch Spuren desWortes selbst, also dessen etymologische Be-deutung. In meinem eigenen Buch1 über dieBegriffsgeschichte des deutschen Wortes,Nachhaltigkeit’ schreibe ich, dass dieser Be-griff nur eine der möglichen Optionen war,als eine deutsche Übersetzung des englischenWortes ‚sustainability’ gesucht wurde. Gro-ber fragt nun: „Aber was ist, wenn ‚sustaina-bility’ historisch eine Übersetzung von‚Nachhaltigkeit’ war, und nicht umgekehrt?“(S. 18). Aber wie sollte es dazu gekommen sein?„Das allgemeinsprachliche Wort ‚nachhaltig’ist im Deutschen schon sehr früh zu einemfachsprachlichen Terminus geworden. Vorfast 250 Jahre avancierte es zum Leitbegriffdes deutschen Forstwesens. Es bezeichnetseitdem die Verpflichtung der Forstwirt-schaft, Reserven für künftige Generationen‚nachzuhalten’. Mitte des 19. Jahrhundertsübersetzte man ‚nachhaltige Forstwirtschaft’ins Englische: ‚sustained yield forestry’. Indieser sprachlichen Form und mit klar um-rissener Bedeutung gelangte es in die inter-nationale forstliche Fachsprache und kurznach der Gründung der Weltorganisationauch in das Vokabular der Vereinten Natio-nen.“ (S. 20). An anderer Stelle heißt es:„Wie die französische Formulierung ‚rende-

ment soutenu’ beruht ‚sustained yield’ aufeiner Ableitung des lateinischen ‚sustenare’“(S. 212). Allerdings gäbe es auch bei dieserHypothese zwei Wurzeln für den Nachhal-tigkeitsbegriff, eine deutsche und eine latei-nische, denn weder das (heute nicht mehrgebräuchliche) deutsche Substantiv ‚Nach-halt’ noch das Verb ‚nachhalten’ und ent-sprechend auch nicht das Adjektiv‚nachhaltig’ stammen etymologisch vom la-teinischen ‚sustenare’ ab. Oder aber manübersetzt ‚sustainable’ gar nicht mit ‚nach-haltig’. Volker Hauff hat in der Übersetzungdes Brundtland-Berichtes eine andere Über-setzung (‚dauerhaft’) gewählt - ein Aspekt,über den Grober den Leser im Unklarenläßt.

Der Nutzen dieses Buches für die Nachhal-tigkeitsdebatte besteht vor allem in GrobersQuellenarbeit in waldwirtschaftlichen Tex-ten. Seit von Carlowitz die Sylvicultura oeco-nomica, oder haußwirthliche Nachricht undNaturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht (1713) veröffentlicht hatte, war die‚nachhaltige’ Waldbewirtschaftung imdeutschsprachigen Raum ein fachsprachli-cher Terminus. Wer sich auf die Suche nachden Wurzeln des deutschen Wortes ‚Nach-haltigkeit’ macht, der stößt auf waldwirt-schaftliche Zusammenhänge, folglich liegtein Schwerpunkt des Buches auf der Wald-wirtschaft. Die ruchlose Plünderung derWälder für Schifffahrt und billiges Feuerholzim 17. Jahrhundert, der dadurch resultie-rende Beinahe-Bankrott einiger Nationenund als Antwort die Entwicklung des Wald-bewirtschaftungsgedankens in England,Frankreich und Deutschland nehmen meh-rere Kapitel des Buches ein. Man lernt, wasdie ‚Umtriebszeit’ ist (das Zeitmaß für dasHeranwachsen eines Baumes vom Keimlingbis zum ausgewachsenen, als hiebreif erach-teten Baumstamm), wie ein ‚Normalbaum’beschaffen ist (der Schaft besteht aus einemKegelstumpf im unteren und einem Parabo-loidstumpf im oberen Bereich) und dass eszwei Verfahren für Waldverjüngung gibt (dienatürliche und die künstliche) (S. 170 ff.).Anschaulich schildert das Buch, wie zwi-schen 1750 und 1900 im Namen der forst-wirtschaftlichen Nachhaltigkeit riesigeMonokulturen – Turbowälder – geschaffenwurden. Grobers Satz „Die Idee der Nach-haltigkeit eng mit dem Gedanken der Öko-logie zu verbinden erschien nun als dasGebot der Vernunft.“ (S. 180) wird vor die-sem Hintergrund verständlich. Mit dem Be-ginn des fossilen Zeitalters, also der Nutzung

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der ‚unterirdischen Wälder’, verringerte sichder Bedarf an Brennholz und somit derDruck auf die heimischen Wälder als Ener-gielieferanten.Grober vertritt nicht den Standpunkt, dassdie forstwirtschaftliche Definition vonNachhaltigkeit die Bedeutung des Wortesauch für die Gegenwart festlege. Aber wel-che Position Grober in den heftigen Defini-tionskämpfen um das Wort einnimmt,bleibt unklar. Er listet zwar verschiedenegängige Definitionen auf (S. 20-21), willsich aber hier nicht entscheiden: „Jede dieserFormeln erfasst Wesentliches. Aber wie beiallem Formelhaften besteht die Gefahr derVerkürzung und der Abnutzung. TausendMal gehört und gelesen, verlieren sie voll-ends ihre inspirierende Kraft.“ Auf die in derFachwissenschaft diskutierte Frage nach dem

sinnvollsten Nachhaltigkeitskonzept – etwader enge Greifswalder Ansatz versus einembreiten Nachhaltigkeitsverständnis unterEinschluss von Gerechtigkeit zwischen Nordund Süd, Männern und Frauen und Armund Reich – geht Grober nicht ein. Immer-hin macht er deutlich, dass er die so ge-nannte Drei-Säulen-Definition vonNachhaltigkeit ablehnt (S. 272). Sein Buchwill aber nicht analytisch sein. Es will schönsein.Eine Arbeitsdefinition benötigt er allerdingsauch, um den Nachhaltigkeits-‚Gedanken’von anderen Gedanken abzugrenzen. Aufdie forstwirtschaftliche Bedeutung, die erherausarbeitet, wurde schon eingegangen.Sämtliche anderen von ihm zitierten Texte,Lieder und Bilder handeln von Bewahrenund Entwickeln, von Gerechtigkeit, von

Verantwortung für künftige Generationenund von Sorge um das ‚fragile Raumschiff’Erde. Hier fördert er Interessantes und Er-staunliches aus ‚Urtexten’ (so seine vierte Ka-pitelüberschrift) wie auch aus dem Beginndes neuen Denkens seit der 1968-Revolte zuTage.

Ulrich Grober (2010): Die Entdeckung derNachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffs.München: Verlag Antje Kunstmann. 301 Sei-ten. ISBN: 9783888976483. Preis: 19.90 €.

Zitierte Literatur:Tremmel, Jörg (2003): Nachhaltigkeit alspolitische und analytische Kategorie. Derdeutsche Diskurs um nachhaltige Entwick-lung im Spiegel der Interessen der Akteure.München: oekom Verlag.

Kathleen Dean Moore / Michael P. Nelson:Moral Ground. Ethical Action for a Planet in Peril

Rezensiert von Franziska Plümmer

er von Kathleen Dean Moore(Philosophie-Professorin an derOregon State University) und Mi-

chael P. Nelson (Professor für Umweltethikan der Michigan State University) herausge-gebene Sammelband bringt insgesamt 88Beiträge zusammen. Es handelt sich umganz unterschiedliche Textformen: Briefe,wissenschaftliche Artikel, leidenschaftlichePamphlete und Gedichte. Sie malen Bildervon einer besseren Welt und fordern denpersönlichen Einsatz jedes Menschen. DieBeiträger kommen aus Nordamerika, Afrika,Australien, Asien und Europa. BarackObama, Papst Johannes Paul II, der DalaiLama und Erzbischof Desmond Tutu dürf-ten die bekanntesten Autoren sein, aberauch Wissenschaftler aus verschiedenen Dis-ziplinen versammelt dieses Buch. Die Beiträge stammen von Autoren, die alleTeil der internationalen Diskursgemein-schaft sind und sich der Information oderdem aktivem Handeln zugunsten von Nach-haltigkeit verschrieben haben. Die Autorenerhielten keine Honorare, sie schrieben al-lein im Dienst der moralischen Bildung undErziehung. Kurzum: In diesem einzigartigenSammelband finden Wissenschaftler unter-schiedlicher Disziplinen, Umwelt- und

Menschenrechtsaktivisten, Politiker, Gläu-bige verschiedenster Religionen und eologen, Journalisten und Literaten zu-sammen. Die ungewöhnliche Form des Bu-ches, sein hoher Anspruch und die Auswahlder Autoren machen die Lesezeit auch zueiner inspirierten Zeit. Die Herausgeber stellen gleich in ihrer Ein-leitung fest, dass Information über die Kon-

sequenzen schlechten Handelns allein nichtausreiche, um Menschen dazu zu bewegen,eine reich- und nachhaltige Welt zu schaf-fen. Die sachliche Informationspflicht derWissenschaft sei erfüllt, so die Herausgeber,nun sei es Zeit, die ethisch moralische Dis-kussion zu beleben. Drei wesentliche Zielewerden eingangs genannt: erstens soll einglobaler ethischer Konsens unter den mora-lischen und intellektuellen Führern undWissenschaftlern herausgearbeitet werden,zweitens ruft es zu individuellem umweltge-rechtem Handeln auf, indem es das morali-sche Bewusstsein stärkt und drittens betontes, dass wir alle moralische Akteure sind unduns dabei ernst nehmen sollten. Diese hand-lungsleitenden Prämissen führen zu einereinzigen Schlussfolgerung: Jetzt aktiv wer-den! Der Sammelband ist in vierzehn Sektionenunterteilt. Jede dieser Sektionen beantwortetdie Frage, ob wir verpflichtet sind, uns umdie Zukunft unseres Planeten zu kümmern,mit Ja: „Ja, für das Überleben der Mensch-heit“; „Ja, weil es die Gerechtigkeit ver-langt“; „Ja, weil die Welt schön ist“, um nureinige Beispiele zu nennen. Tugendethische,konsequentialistische, ökozentrische und äs-thetische Argumente werden so voneinan-

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der getrennt, was dem Band Struktur gibt.Um die Sektionen inhaltlich zu unterlegen,werden sie von einer argumentativen Einlei-tung zu Beginn und einer konkreten ethi-schen Handlungsanweisung am Endeeingerahmt. ematisch spielt die globaleErwärmung die größte Rolle, gefolgt vomVerlust der Biodiversität. Überbevölkerungund Atommüll werden seltener thematisiert.

Die Beiträge und Anmerkungen könnenjeder gesondert für sich gelesen werden. Sobeschreibt E. O. Wilson, emeritierter Pro-fessor für Entomologie an der Harvard Uni-versität, wie unser historischer Verrat an derNatur unsere Zivilisation erst möglichmachte. Die Menschheit habe einen gefähr-lichen Weg eingeschlagen (S. 22). Heute er-nähre sie sich fast ausschließlich von vierNutzpflanzen – Weizen, Reis, Mais undHirse. Die rund 50.000 anderen für die Er-nährung geeigneten Pflanzen würden igno-riert, was die Biodiversität enormeinschränke und langfristig die Nahrungs-mittelsicherheit gefährde. Überdies habe uns die technische und com-puterbasierte Revolution auf einen Weg ge-führt, der uns von unseren spirituellen undästhetischen Qualitäten entfremde. Unservolles geistiges Potential könnten wir sonicht erreichen. Das Wunder unserer Naturzu erfahren, bliebe uns verwehrt, wenn wirdie Natur nicht als das betrachten können,was sie sein sollte: „von niemandem beses-sen, aber von allen beschützt“ (S. 23). Es sei,so Wilson weiter, Bestandteil unserer Frei-heit, ein Gefühl für eben dieses Land undunseren Platz darin zu erfahren. Uns immerweiter von der Natur zu entfernen, sei derfalsche Weg und hielte uns davon ab, die„tief erfüllende Wohltätigkeit des natürli-chen Erbes der Menschheit zu erfahren“ (S.24). Wilson deutet auf das Dilemma unsereseigenen Fortschritts hin, wenn er schreibt,dass zwar naturwissenschaftliche Bildungder Schlüssel, andererseits das exponentielleWachstum des biologischen Wissens kaumnoch zu erfassen sei. Zur Lösung der dreivon ihm angesprochenen Probleme – Un-kenntnis der Umwelt, mangelhafte natur-wissenschaftliche Bildung und derunheimliche Erkenntnisfortschritt in derBiologie – müssen diese als ein und dasselbebetrachtet werden und uns dazu führen, dieAugen für folgende Einsicht zu öffnen: Weilwir Teil der Natur sind, ist ihr Schicksalauch das unsrige. Der Umweltaktivist und Autor Bill McKib-ben dagegen schreibt ein leidenschaftliches

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Pamphlet voller Anschuldigungen, aberauch Ideen für den Umgang mit dem bereitsangerichteten Schaden an der Natur. Ausseiner Sicht kommt die Warnung vor demTreibhauseffekt zu spät: „Wir haben bereitsdas Holozän, die zehntausend Jahre stabilenKlimas, in denen die Menschheit sich ent-wickeln und prosperieren konnte, definitivbeendet. Die CO2-Konzentration, die indieser Ära kaum um 275 ppm schwankte,liegt heute bei 390 ppm, Tendenz steigend.“(S. 175). McKibben sieht keine Chance,dass wir die Welt so hinterlassen, wie wir siegeerbt haben. Unsere ganze Lebensweise, in-klusive unserer Ernährung, sei falsch gewe-sen. Nun müssen wir laut McKibben „etwasMutigeres tun, als die uns bekannte Welt zuretten“ (so der Titel des Beitrags), nämlichanerkennen, dass sie sich auf gefährliche undabscheuliche Weise verändern wird undtrotzdem versuchen, das Beste daraus zu ma-chen. Die Katastrophe kommt, aber überdas Ausmaß können wir noch entscheiden,meint der Autor. Auch wenn wir nicht mehrverhindern können, dass die physische Weltbeschädigt wird, so sollten wir wenigstensdie menschliche Welt verbessern. Eines derzu bewältigenden Probleme sei zum Beispieldas der Vereinfachung und Individualisie-rung unserer Welt und unserer Gesellschaft.„Wir haben im Durchschnitt nur noch halbso viele Freunde wie vor 50 Jahren.“ (S.176). Und das ist etwas, das wir ändern kön-nen. Eine neue Verbundenheit unter Men-schen kann die Ideen und Aktionenschaffen, von denen unsere Zukunft ab-hängt. Der Kampf gegen billige fossileBrennstoffe ist gleichzeitig der Kampf fürGemeinschaft und Nachbarschaft. Das per-sönliche Engagement McKibbens lässt sichaus diesem Beitrag definitiv heraushören.Die Leserin kann sich mitreißen lassen undproblemlos zustimmen. Ob man deswegenjedoch anfängt, seine Nachbarn in beschrie-bener Weise zu lieben, ist eher fragwürdig. Unter der Vielfalt der Beiträge findet sichauch das von Libby Roderick für diesenBand getextete Lied „Winterweizen“. Win-terweizen steht hier für die Dinge, die vonMenschen gesät werden, jedoch erst sehr vielspäter geerntet werden können. Sie ver-gleicht die Träume – von helfenden Men-schen, von einer heilen Erde – die sie alsKind hatte, mit denen von heute und be-merkt, dass es immer noch die gleichen sind.Jede Generation gebe diese Träume weiterund hoffe, die nächste würde sie wie imFrühling wieder aufblühen lassen und wei-tertragen. Ein frommer Wunsch und mit Si-

cherheit sehr poetisch formuliert, steht erdoch in Nachbarschaft von konkreteren Be-obachtungen ein wenig allein. Es ist sicher nicht selbstverständlich, dassunter den wenigen Europäern (darunter derPapst von Rom und der Patriarch der or-thodoxen Kirche) auch der Tübinger Ju-niorprofessor Jörg Chet Tremmel imSammelband zu finden ist. Aber Tremmelhat sich auch in der englischsprachigen Welteinen Namen als Vorkämpfer für Genera-tionengerechtigkeit und Zukunftsvorsorgegemacht. Sein Beitrag trägt den Titel „DasNiemandsland der Ethik“. Der menschlicheEinfluss hat sich laut Tremmel mit fort-schreitender Technik ausgedehnt und so be-einflussen wir heute das Leben von weit inder Zukunft lebenden Generationen. Unsernuklearer Müll, so eines von Tremmels Bei-spielen, wird noch in mehreren hunderttau-send Jahren seine potentiell tödlicheWirkung entfalten. In Anbetracht unserernoch recht jungen verschriftlichten Ge-schichte von nur 10.000 Jahren belastendiese neuen Phänomene – wie Nuklearmüll,Klimawandel und Leerfischung der Ozeane– kommende Generationen in neuen Zeit-maßen. Mit einem Zitat von ImmanuelKant betont er, dass Menschen immer nurin der Umwelt leben können, die vorherigeGenerationen für sie geschaffen und hinter-lassen haben. Die Annahme einer natürli-chen Verbesserungsrate von Generation zuGeneration sei jedoch obsolet geworden.Zukünftige Generationen könnten nichtlänger als „verwöhnte Erben“ (S. 447) be-trachtet werden, vielmehr würden sie allerVoraussicht nach die Opfer heutiger kurz-sichtiger Politiken. Der enorme Einfluss desMenschen auf die Natur sei ein Produkt un-serer modernen Zeit, die bisher gültigenethischen Maximen seien darauf nicht ein-gestellt. Was fehlt, so der Autor, ist eineEthik, die über die direkt absehbaren Fol-gen hinaus argumentiert: Ein noch zu er-schließendes Niemandsland. Die beschriebenen vier Beiträge geben einenGeschmack für die Verschiedenheit der imSammelband zusammengeführten Autoren.Diese Sammlung dient sicher der Diskurs-förderung für eine nachhaltige Welt, indemsie ein lebendiges Bild von Missständen undVerbesserungsmöglichkeiten malt, wirkt je-doch gleichzeitig ein wenig überambitio-niert. Obwohl die einzelnen Autorensicherlich Gemeinsamkeiten haben, scheintdie Hoffnung auf einen Konsens mit klarerHandlungsanweisung für die Menschheit,einen ‚Moral Ground’, sehr euphorisch.

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Trotzdem ist der Sammelband eine emp-fehlenswerte Lektüre, da er nicht nur Wis-senswertes über Umweltprobleme und denmenschlichen Umgang mit der Natur ver-mittelt, sondern auch ein gutes Gefühl gibt:

ein Gefühl, dass etwas getan werden muss,aber auch getan werden kann.

Kathleen Dean Moore / Michael P. Nelson(Hg.) (2010): Moral Ground. Ethical Ac-

tion for a Planet in Peril. San Antonio: Tri-nity University Press. 504 Seiten. Bisher nurauf Englisch erschienen. ISBN:9781595340665. Preis: $24.95.

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Richard P. Hiskes: The Human Right to a Green Future – Environmental Rights and Intergenerational Justice

Rezensiert von Joseph Burke

ichard P. Hiskes ist Professor fürPolitische eorie und lehrt an derUniversity of Connecticut, etwa

1500 Meilen von der Stelle des BP Öldesa-sters entfernt, an der seit dem 20. April 2010die Erde regelrecht ausblutet. Trotz der gro-ßen Entfernung scheinen die politischenAuswirkungen des schweren Ölteppichs bisin den Norden in den Nutmeg Staat zu rei-chen. In der Einleitung des nur auf Englischvorliegenden Buches, e Human Right to aGreen Future – Environmental Rights and In-tergenerational Justice, kommt Hiskes derWut der Amerikaner zuvor, die sich nun ge-nötigt sehen, den viertgrößten Konzern derWelt zur Verantwortung zu ziehen: „DerUmweltschutz braucht einen neuen undkräftigeren Wortschatz, der auf die gegen-wärtigen, zentralen politischen Ideen derMenschenrechte und Gerechtigkeit fußt.“(S. 2).Folglich tritt Hiskes an, eine Rechtfertigungfür ökologische Menschenrechte zu ent -wickeln, die er als eine Grundlage für inter-generationelle ökologische Gerechtigkeitversteht. Hiskes Ziel ist es, einen Anspruchauf saubere Luft, Wasser und Erde zu be-gründen, weil „man sich kaum Rechte vor-stellen kann, die lebensnotwendiger und fürandere Rechte grundlegender sind, als dasRecht auf saubere Luft, Wasser und Erde.“(S. 39). Dies ist, wie er selbst zugesteht, ein schwie-riges Unterfangen: (1) Umweltrechte wur-den bisher, vor allem im Vergleich zur erstenGeneration der politischen und zivilen Men-schenrechte, oft als unbedeutsamere Rechteangesehen; (2) ökologische Menschenrechtekönnten mit anderen Rechten unvereinbarsein; (3) ökologische Menschenrechte er-scheinen unfähig, den Konflikt zwischenUniversalismus und Partikularismus zu

lösen. Der Versuch, Rechte für zukünftigeGenerationen zu etablieren, birgt ähnlicheHürden, allem voran ihre Abhängigkeit vonumstrittenen Kollektivrechten und das un-vermeidbare Problem der – mangelnden –Reziprozität zwischen gegenwärtigen undzukünftigen Menschen.Hiskes ist sich über die Schwierigkeiten, diesich für einen auf Rechte basierenden An-satz intergenerationeller ökologischer Ge-rechtigkeit stellen, im Klaren. Hauptsächlichargumentiert er für drei miteinander ein-hergehende Positionen: neu aufkommendeökologische Menschenrechte, Kommunita-rismus und reflexive Reziprozität. Dass Hiskes sich an die Idee der Menschen-rechte wendet, um uns, unsere Nachweltund unsere Umwelt zu schützen, ist das Erbeder fortwährenden Bemühungen der Natur-rechtstradition des 17. Jahrhunderts. Margaret MacDonald schreibt: „[Ein Na-turrecht] neigt in gewisser Weise dazu, sich

in jeder Krise menschlicher Angelegenhei-ten zu erneuern, wenn der normale Bürgerversucht oder von seiner Regierung erwar-tet, die zwar unklare, aber feste Überzeu-gung zu vertreten, dass der Bürger keinebloße Schachfigur in einem politischen Spielist, kein Objekt irgendeiner Regierung oderRegel, sondern das lebendige, protestierendeIndividuum, um dessentwillen die politi-schen Spiele gespielt und Regierungen ge-schaffen werden.“ (in: MacDonald 1949, S.21). Die Naturrechtstradition besagt, dassunsere ewigen und unveräußerlichen Rechteaus dem Fundament der Natur hervorge-hen. Entscheidend ist, dass sich unser Ver-ständnis von dieser Natur in den letztenJahrhunderten extrem verändert hat. Hiskesbehauptet, dass Naturrechte tendenziellnicht mehr im Kontext eines irrationalenund amoralischen Naturzustandes als Quelleverankert werden. Stattdessen bestehe dasAnliegen der Menschenrechtstheorie in An-erkennung und Schutz der Menschenwürde,wie in Artikel 1 der Allgemeinen Erklärungder Menschenrechte exemplifiziert: „AlleMenschen sind frei und gleich an Würdeund Rechten geboren. Sie sind mit Vernunftund Gewissen begabt und sollen einanderim Geist der Brüderlichkeit begegnen.“ (S.31). Diese Veränderung, die über die letz-ten 400 Jahre vonstatten ging, ist nach Hiskes ein Anzeichen dafür, dass Men-schenrechte durch jene Relationen konsti-tuiert werden, die Gewissen und Würdeermöglichen. Dieses Konzept der „mensch-lichen Natur“ wurde durch die relativ jun-gen Arbeiten von Gilligan, Kristeva,Foucault, Taylor und Habermas wiederbe-lebt. In den Arbeiten dieser ungleichen Den-ker sieht Hiskes eine Gemeinsamkeit,nämlich die gestiegene Anerkennung rela-tionaler Einflüsse auf unser Verständnis

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menschlicher Identität. Was es bedeutet,Mensch zu sein und somit die notwendigenKriterien zu erfüllen, um Menschenrechtezu besitzen, wird in unseren Interaktionengeformt, nicht losgelöst von Gesellschaft. Esist nicht überraschend, dass Rechte neu„aufkommen“ können, wenn man bedenkt,dass Menschenrechte im Verbund mit Schä-den auftauchen, die zu einem bestimmtenZeitpunkt in der Gesellschaft mit dem jeweiligen technologischen Stand vorkom-men: „Ökologische Rechte sind Menschen-rechte, die an einem bestimmten Punkt inder Menschheitsgeschichte ‚aufkamen’, alsunmittelbares Resultat der zunehmendenzwischenmenschlichen Verbin- dungen.“ (S.40). Die natürliche Umwelt formt und prägtunsere Interaktion und somit unser Selbst-verständnis. Pflichten, die solchen neu aufkommendenRechten entsprechen müssen, machen einesehr spezielle Zuweisung von Verantwort-lichkeit nötig. Wenn es um Umweltschädengeht, müssen wir kollektive Verantwortungauf Akteure anwenden und von dem abwei-chen, was Hiskes ‚strikte Kausalität’ nennt(S. 44). Kollektive Verantwortung bestehtimmer da, wo eine Gruppe, der wir angehö-ren, Vorteile gern annimmt, und wo das Po-tenzial für ernsthaften Schaden ausakkumulierten, koordinierten individuellenHandlungen resultiert, die für sich nicht alsschädlich gelten mögen. Indem er Verant-wortung auf moralische Gemeinschaften beschränkt, übersieht Hiskes jedoch mögli-cherweise, dass hier auch neue Typen vontransnationalen politisch-ökonomischenAkteuren relevant sein könnten.Der zentrale Punkt des Buches ist sicherlichHiskes’ Vorstellung von reflexiver Rezipro-zität. Eine lange Tradition der PolitischenPhilosophie sah Reziprozität als Kriteriumdafür, ob das Konzept der ‚Gerechtigkeit’ ineinem bestimmten Fall zum Tragen kommtoder nicht. Mindestens bis Epikur reicht dieAnnahme zurück, dass der Begriff der Ge-rechtigkeit in Situationen nicht anwendbarist, wo keine Möglichkeit besteht, auf je-mandes Handlungen zu reagieren oder zu-mindest Gleiches mit Gleichem zuvergelten. Dies hat einige eoretiker bewo-gen, manche Menschen und alle nicht-menschlichen Tiere als Wesen jenseits desBereiches zu sehen, in dem GerechtigkeitAnwendung findet. Analog können, primafacie, auch künftige Generationen in keinerWeise auf Handlungen einer vorherigen Ge-neration reagieren, mit denen es keine le-benszeitliche Überschneidung gibt. Folglich

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mussten eoretiker aus dieser Schule Rezi-prozität als notwendige Bedingung für Ge-rechtigkeit negieren, um für die Plausibilitätvon intergenerationeller Gerechtigkeit zu ar-gumentieren, oder sie mussten zeigen, dasszwischen nicht-überschneidenden Genera-tionen in der Tat reziproke Beziehungen be-stehen. Wer den ersten Weg ging, sah sichmit dem ganzen Gewicht der kontraktuali-stischen Tradition konfrontiert. Anderehaben versucht, intergenerationelle Rezi-prozität zu begründen, zum Beispiel durchdie Fähigkeit, das Andenken früherer Gene-rationen zu beflecken oder zu verherrlichen.Hiskes unternimmt eine Mischung aus beidem. Zunächst kritisiert er die Überbe-tonung des Individualismus in der ökono-mischen ‚tit-for-tat’-Reziprozität, die manRawls und Gauthier zuschreibt, und die a-soziale tugendethische Perspektive, wie siedie Arbeiten von Lawrence C. Becker reprä-sentieren. Vor diesem Hintergrund stelltHiskes seine Idee von reflexiver Reziprozitätvor. Er argumentiert, dass gegenwärtige Ge-nerationen ökologische Interessen mit spä-teren Generationen teilen und dass dieAbsicherung letzterer mit dem Schutz derersteren symbiotisch ist. Diesen Punkt illu-striert das folgende wichtige, etwas längere,Zitat: “Man bedenke also, dass diese Inter-essen [an sauberer Luft, sauberem Wasserund sauberem Boden] schon durch ihre ArtGegenwart und Zukunft auf wichtige Weisevereinen. Sie existieren gewissermaßen si-multan jetzt und in der Zukunft als ein undderselben Zeit (…). Wir können künftige In-teressen an Umweltqualität nicht schützen,ohne zugleich unsere eigenen zu schützen,und wir können unsere eigenen Interessennicht schützen, ohne zugleich künftige zuschützen. Daher ist unser Handeln zumSchutz jener künftigen Interessen nicht nurein Dienst an der Zukunft, sondern halltgleichsam in unserem eigenen Interesse wie-der, die künftigen zu schützen. In anderenWorten, wenn wir die ökologischen Interes-sen der Zukunft als jetzige Interessen erken-nen, die wir teilen und die für unsgleichermaßen basal sind, dann stellt unserSchutz künftiger Interessen reziprok einenSchutz unserer eigenen Interessen dar.“ (S.59-60). Auf die Bedeutung von Gemeinschaften fürdie Identitätsbildung verweisend, behauptetHiskes¸ dass sich menschliche Identität ineiner Gemeinschaft bildet und dass diesesauf Gemeinschaft gründendes Selbstver-ständnis zum Teil auch von künftigen Ge-nerationen abhängt: „ein Teil dessen, was in

einer stark gemeinschaftlichen Verbindunggeteilt wird, ist ein Gefühl der kollektivenIdentität, einer Identität, die ‚konstitutiv’ fürdie individuelle Identität als Mitglied seinkann, wenn sie Rücksicht auf zukünftigeMitglieder einschließt.“ (S. 66). Zudemkomme wiederum der Umwelt eine heraus-ragende Rolle zu, denn „unsere natürlicheUmwelt ist eine einzigartige physikalischeManifestation unserer Verbundenheit mitunseren Zeitgenossen ebenso wie mit denen,die zu ihrer Zeit unseren Raum, unser Land,unser Wasser und unseren Boden erben werden.“ (S. 66). Reziproke Beziehungenzwischen denjenigen Mitgliedern innerhalbeiner moralischen Gemeinschaft sind alsomöglich, da „wir auf die ökologischen Men-schenrechte jener [Künftigen] verweisenmüssen, um so stark wie möglich für unsereeigenen zu argumentieren. Dies, so scheintmir, ist eine derart enge wechselseitige Ver-bindung, dass unsere reziproke Abhängig-keit deutlich wird und intergenerationelleUmweltgerechtigkeit möglich.“ (S. 66).Hiskes stellt sich den Staat als bestgeeigneteund kohärenteste Konzeptualisierung einermoralischen Gemeinschaft vor. Warumnicht die Religionsgemeinschaft, die Sport-mannschaft oder die Firma als moralischeGemeinschaft? Er gibt eine pragmatischeund eine theoretische Rechtfertigung: EineNation (oder ein Nationalstaat) ist am besten ausgerüstet, um als Adressat vonMenschenrechten zu agieren, denn Men-schenrechte sind „Geschöpfe nationaler Re-gierungen“, die „auf dieser Ebene sowohlgeschützt als auch, möglicherweise, miss-braucht werden.“ (S. 70). In der weiterenArgumentation lehnt sich Hiskes an J.S.Mill und John Rawls an, um den Fokus aufNationen als ein gemeinschaftlich getrage-nes Konzept der Identität und die speziellenVerpflichtungen zu begründen, die aus ge-teilter Staatsangehörigkeit hervorgehen (S.83). Um der Gefahr zu entgehen, mit derUnterstützung des Nationalismus womög-lich autoritäten Regierungen das Wort zureden, stellt Hiskes die Demokratie als einenwesentlichen Ausgleichsmechanismus dar(S. 84) und plädiert für einen gemäßigtenNationalismus.Wie sollte im nationalen Rahmen nun kon-kret gehandelt werden? VerfassungsmäßigeBestimmungen, insbesondere die Aufnahmeökologischer Menschenrechte auf saubereLuft, Wasser und Erde in jede nationaleVerfassung sind die stärkste Option (S.126). Ihre rechtliche Durchschlagkraft, ko-ordinierende Führung und die Möglichkeit,

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„Handlungen einer schmalen (oder schmal-spurig denkenden) Mehrheit einzuschrän-ken, die langfristigem Umweltschutzschaden könnten…“ (S. 132), sind starkeGründe dafür, Verfassungen zur Verteidi-gung dieser Menschenrechte zu benutzen.Ökologische Menschenrechte in die Verfas-sungen einzubauen, hilft nicht nur derWahrung der substantiellen Rechte, sondernauch prozeduraler Rechte, wie Informati-onsfreiheit und das Recht auf Partizipationin umweltrelevanten Entscheidungen(S.133). Auf diese Weise verstärkt die Ver-fassungsoption wiederum die eigentlicheGrundlage eines Menschenrechts auf saubere Umwelt, nämlich unsere demokra-tische Gemeinschaftsidentität: „Demokra -tische Politik macht aus NationenGemeinschaften und versetzt die Bürger ineinen geteilten Bedeutungsraum [realm ofmeaning], in dem Freiheit möglich ist“ (S.90). Als Resultat dieser Freiheit entstehenunsere moralischen Verpflichtungen, diewiederum unser Selbstverständnis als Teileiner Gemeinschaft nähren – laut Hiskes ein‚Engelskreis’.

Wie stark ist diese Argumentation von His-kes? Zunächst hat Hiskes gezeigt, dass verfassungsmäßige Bestimmungen ein ge-eignetes Mittel sind, aber die entscheidendeinhaltliche Füllung steht noch aus. Des Wei-teren ist nicht ganz klar, weshalb er so zu-versichtlich ist, dass partizipatorischeDemokratie dem Schutz der Umwelt dient.Warum sollte man davon ausgehen, dass

verstärkte Bürgerbeteiligung zu verstärktemSchutz der Umwelt zu Gunsten der gegen-wärtigen und/oder künftigen Generationenführt? Unsere notorische Vernachlässigungder Zukunft könnte auch ein Grund sein,auf diese Mittel beim Schutz von Wasser,Luft und Boden zu verzichten. Ebenfalls problematisch ist die zeitliche Ho-mogenität von ‚Gemeinschaft’. Die Interna-tionale Organisation für Migration schätzt,dass es im Jahr 2010 etwa 214 MillionenMigranten auf der Welt gab, und dies zeigteinen rapiden Anstieg seit den 1980ern, dernun alle Weltregionen betrifft. An wengenau denken wir also, wenn wir uns dieMitglieder unserer künftigen Nation vor-stellen? Es kann sich nicht lediglich ummeine oder meines Nachbarn Ur-Ur-Urenkel handeln. Möglicherweise sind diezukünftigen Mitglieder meiner Gemein-schaft die Nachkommen der jetzigen Ein-wohner weit entfernter Länder. Lässt mandies gelten, dann sollten nach Hiskes’ An-satz die ökologischen Menschenrechte an-derer Gemeinschaften auch für mich einerhebliches Anliegen sein. Doch woher weißich, welche Gemeinschaften dies betrifft?Sollte ich den empirischen Fakten und denwissenschaftlichen Voraussagen folgen?Sollte ich mich direkt denjenigen zuwenden,die mir heute moralisch ähnlich sind, oder eswahrscheinlich morgen sind? Allerdings, wieweit sollte ich dabei vorausschauen? MeineKritik an Hiskes ist, dass die moralische Ge-meinschaft, die ich als meine zukünftige an-sehe, kaum aus den Menschen meiner

jetzigen moralischen Gemeinschaft bestehenwird, außer man wünscht eine Befürwor-tung einer sehr restriktiven Migrationspoli-tik. Hiskes hat ein klares und wichtiges Buch ge-schaffen, das die Menschenrechte auf einegesunde Umwelt in einer gemeinschaftli-chen nationalen Identität begründet. Damithat er sich allerdings die Gefahren des Na-tionalismus ins Boot geholt. Seine Ausfüh-rungen zur Identitätspolitik muss man nichtteilen.

Richard P. Hiskes (2009): e Human Rightto a Green Future. Environmental Rights andIntergenerational Justice. Cambridge: Cam-bridge University Press. 171 Seiten.ISBN: 978-0-521-87395-6. Preis: 45.00 £

Zitierte Literatur:MacDonald, Margaret (1949): NaturalRights. In: Waldron, Jeremy (1984) (Hrsg.):eories of Rights. Oxford: Oxford Univer-sity Press.

International Organization for Migration(2010): World Migration Report. e Fu-ture of Migration.

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David Willetts: The Pinch. How the baby boomers took their children’s future – and why they should give it back

Rezensiert von Raphaelle Schwarzberg

as Buch e Pinch (übersetzt etwa:Das Kneifen oder Der Zangengriff)von David Willetts hätte kaum zu

einem besseren Zeitpunkt veröffentlichtwerden können. Die öffentliche Aufmerk-samkeit im Vereinigten Königreich wurdeim Kontext der Wahl von David Cameronzum Premierminister und dessen De -fizitreduktionsprogramm auf die angebli-chen Exzesse der älteren Generationengelenkt. Willetts’ angesehene Stellung alsMinister für „University and Science“ wirdzweifellos helfen, seine Sichtweise auf inter-

generationelle Gerechtigkeit in die öffentli-che Debatte zu bringen. Wie der Untertitel des nur auf Englisch vor-liegenden Buches, How the baby boomerstook their children’s future – and why theyshould give it back, bereits andeutet, möchtedas Buch das Verhalten der verschiedenenGenerationen seit dem Zweiten Weltkriegaus der Perspektive der intergenerationellenGerechtigkeit beleuchten. Die Hauptthesedes Buches lässt sich wie folgt zusammen-fassen: Es gibt ein Ungleichgewicht, eineUngerechtigkeit, zwischen den Babyboomer

und ihrer Nachfolger-Generation. Als einezahlenmäßig große Generation haben diegeburtenstarken Jahrgänge (geboren zwi-schen 1945 und 1965) außergewöhnlichprofitiert. Die Babyboomer würden nichtnur kulturell dominieren, sondern sie besä-ßen auch einen unverhältnismäßig großenAnteil an Wohlstand und Eigentum: 3,5 Bil-lionen von insgesamt 6,7 Billionen Pfunddes gesamten Vermögens des Landes (S. 76).Außerdem könnten die Babyboomer ihr po-litisches und ökonomisches Programm, ins-besondere in Bezug auf Renten und

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Gesundheitsversorgung, durch demokrati-sche Wahlen allen anderen Generationenaufzwingen. In solch einer Gerontokratiemit entsprechender Umverteilung von Jungzu Alt durch den Staat seien die Jüngeren die‚Gekniffenen’. Willetts verweist auf Voraus-sagen des Finanzministeriums (HM Trea-sury 2008): „Es wird vorausgesagt, dass derAnteil der altersbezogenen Ausgaben vonetwa der Hälfte der gesamten Regierungs-ausgaben der Jahre 2007/2008 bis zu2057/2058 auf 60% steigen wird“ (S. 39).Zwar sind diese Zahlen im Vergleich zu an-deren europäischen Ländern wie Frankreichund Deutschland sehr niedrig (S. 41), trotz-dem könne, so Willetts, solch ein Anstiegder öffentlichen Ausgaben nur durch Steu-ererhöhungen finanziert werden, die wie-derum die aktive Generation schulternmüsse.Zur Untermauerung seines Hauptargu-ments führt Willetts verschiedene Gründean, die dazu geführt haben sollen, dass esden Babyboomer besser geht als jeder Gene-ration vor oder nach ihnen. Diese sind: Ultraindividualismus, die Laissez-Faire-Haltung der Gesellschaft und die Deregu-lierung des Arbeitsmarktes, wodurch derZugang von Frauen und Ausländern ermög-licht wurde. Diese Veränderungen führtenalle dazu, so der Autor, dass mit den Res-sourcen der Gesellschaft verschwenderischumgegangen wurde. Außerdem führe dieTransformation der Familienstrukturen (z.B.immer kleinere Haushalte) zu größerer Un-gleichheit. Die parallel verlaufende Ab-nahme der zivilen Partizipation sei sehr zubedauern. In Kapitel 10 bemängelt Willettsvor allem die schulische Segregation und dieBetonung auf Soft Skills, wodurch die Mög-lichkeiten der sozial Schwächsten beschränktwürden. Lösungen hierfür seien die Ände-rung der Eintrittsregeln in Beschäftigungs-verhältnisse, die Bereitstellung ausreichenderArbeitsplätze und bessere Informationsmög-lichkeiten. Willetts diskutiert auch ökologische Her-ausforderungen, mit denen zukünftige Ge-nerationen zu kämpfen haben werden. DasZiel des Autors ist hierbei, den Leser für dieNotwendigkeit der Einführung einer nied-rigeren sozialen Diskontrate zu gewinnen.Dies sei besonders wichtig, da zukünftigeGenerationen angesichts der ökonomischenUngewissheiten der nächsten 40 Jahre wahr-scheinlich schlechter als die gegenwärtigenGenerationen gestellt sein werden.Ich werde nun versuchen, einige aus meinerSicht problematische Punkte zu thematisie-

ren. Zunächst interessiert mich, wie wahrscheinlich das Herannahen einer Ge-rontokratie ist. Die Annahme, dass die Ba-byboomer ihre Position und ihre Anzahlallein zu ihrem Vorteil nutzen, ist voreilig.Es gibt fundierte akademische Debatten dar-über, ob eine Bevölkerungsalterung zu mehrseniorenzentrierten Dienstleistungen führt.

Nach Tepe und Vahuysse (2009) ist es wich-tig, zwischen zwei Arten altersbezogenerAusgaben zu unterscheiden, wenn einegroße Generation in die Rente geht: Erhö-hungen der individuellen Renten oder Er-höhungen des Gesamtvolumens. Da eineBevölkerungsalterung den ‚objektiven‘ Be-darf an Rentenausgaben steigert, würdesogar ein Politiker, der nicht wiedergewähltwerden muss, die Rentenausgaben insgesamterhöhen müssen. Alle Rentensysteme, dieauf einen unbefristeten gesetzlich festgeleg-ten Anspruch basieren, führen ceteri paribuszu erhöhten Gesamtausgaben, wenn dieZahl der älteren Menschen mit Anspruchauf eine Rente wächst. Von Tendenzen zueiner Gerontokratie kann man also nur spre-chen, wenn die Bevölkerungsalterung zu-sätzlich die individuellen Renten erhöht. Dieempirischen Befunde auf europäischerEbene sind gemischt: Nach Kohli (2010) istdie „Unterstützung für den öffentlichen Ge-nerationsvertrag immer noch unter allen Altersgruppen verbreitet“ (S. 184). Ande-rerseits fanden Bonoli und Hausermann(2010) heraus, dass in der Schweiz das Alterein guter Prädiktor für gerontokratischeRentenpolitik ist. Auch fand eine Studie vonWilkoszewski (2009) für Deutschland Be-lege, dass der Lebenszyklus- und Altersab-schnitt, in dem sich die Mehrzahl derWähler befinden, eine starke Auswirkung

auf die Unterstützung für öffentliche Trans-ferpolitik haben. Aufgrund dieser gemisch-ten wissenschaftlichen Ergebnisse könnteWilletts Behauptung der steigenden Wäh-lermacht der Senioren (S. 250) relativiertwerden. Zur gleichen Zeit könnten die Er-folge der Partei für die Rechte der Älteren,die ‚Senior Citizens Party’ im VereinigtenKönigreich, allerdings darauf hinweisen,dass das Problem tatsächlich in Zukunft anSchärfe zunehmen wird.Wie begründet Willetts intergenerationelleVerpflichtungen? Willetts erklärtes Ziel istes, unser Verständnis von intergenerationel-ler Gerechtigkeit zu vertiefen. Was Willettsals angemessene intergenerationelle Trans-fers ansieht, wird in Kapitel 5 e SocialContract beleuchtet. In diesem Kapitel stelltWilletts eine dreifache Begründung für in-tergenerationelle Gerechtigkeit vor, die je-doch teilweise inkonsistent ist, insbesonderebezüglich ihrer Rechtfertigungen oder Kon-sequenzen. Sein erster Pfeiler für Verpflich-tungen gegenüber der Nachwelt ist einenaturalistische Herleitung von Kooperationaus biologischen Argumenten (Neurobiolo-gie, Dawkins’ so genanntes egoistischesGen), der zweite erklärt Kooperation durchrationale und eigennützige Akteure (Spiel-theorie) und der dritte besteht aus einer ver-wässerten Rawlschen Vertragstheorie. Es gibt jedoch Probleme, wenn eklektizi-stisch viele verschiedene eorien genutztwerden. Spieltheoretische Modelle (S. 93-96) sind eben nicht immer eine angemes-sene Grundlage für die Kooperationzwischen rationalen Akteuren. Im Gegenteil,die dominante Strategie kann Lose-Lose be-deuten, wie es im Gefangenendilemma ver-anschaulicht wird. Zwar können einigespieltheoretische Modelle (wie beispielsweise„repetitive games“ bei selbstbeschränkendenVerträgen und Reputationseffekten) Koope-ration erklären. Aber zwischen nicht-über-lappenden Generationen fehlen geradeSanktionsmechanismen für die spätere Ge-neration. Wir können uns solche Spiele alsonur mit überlappenden Altersgruppen vor-stellen, eine beträchtliche Einschränkungderer Anwendung. Bezüglich der eorie von Rawls ist es wertzu bemerken, dass Rawls’ Ausgestaltung des‚Naturzustandes’ variiert, wie von vielen Kri-tikern (z.B. Tremmel 2009) bemerkt. Nur ineinem Modell sieht er die vertragsschließen-den Parteien als Oberhaupt von Familien an.Willetts Fokus auf Familien als Träger derintergenerationellen Gerechtigkeit ist dem-entsprechend problematisch. Rawls ist in

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seinen späteren Schriften, etwa Justice asFairness: A Restatement (2001) von einer fa-milienzentrierten zu einer auf einzelne Indi-viduen zentrierten eorie umgeschwenkt.

Willetts mixt eine große Anzahl von Diszi-plinen und verschiedener eorien, um demLeser eine lebendige und originelle Darstel-lung der ökonomischen und sozialen Situa-tion des heutigen Vereinigten Königreichszu geben. Wortgewandtheit und Ausdruck-stärke kennzeichnen dieses Buch, aber es istkeine akademische Arbeit. Trotz umfangrei-cher Referenzen der neuesten Literatur kannman die Präsenz des politischen Manneshinter dem Stift leicht erkennen. Wir dür-fen nun gespannt sein, wie Willetts es schaf-fen will, alle von ihm skizziertenHerausforderungen in seiner neuen Positionals Bildungsminister aufzulösen.

David Willetts (2010): e Pinch. How thebaby boomers took their children’s future - andwhy they should give it back. London: Atlan-

tic Books. 336 Seiten. ISBN: 978 1 84887231 8. Preis: £18.99.

Zitierte Literatur:Bonoli, Giuliano / Häusermann, Silja(2010): Who Wants What from the WelfareState? Socio-structural Cleavages in Distri-butional Politics: Evidence from Swiss Refe-rendum Votes. In: Tremmel, Joerg (Hg.): AYoung Generation Under Pressure. Berlin:Springer, 187-205.

HM Treasury Report (2008): Long-termPublic Finance Report: An Analysis of FiscalSustainability. http://webarchive.nationalar-chives.gov.uk/+/http://www.hm-treasury.gov.uk/d/bud08_longterm_586.pdf. Abge-rufen 14. Juli 2010.

Kohli, Martin (2010): Age Groups and Ge-nerations: Lines of Conflict and Potentialsfor Integration. In: Tremmel, Joerg (Hg.): AYoung Generation Under Pressure. Berlin:Springer, 169-186.

Rawls, John (2001): Justice As Fairness.A Restatement. Cambridge/Massachusetts:Harvard University Press.

Tepe, Markus / Vanhuysse, Pieter (2009):Are Aging OECD Welfare States on thePath to Gerontocracy? Evidence from 18Democracies, 1980-2002. In: Journal of Pu-blic Policy. Vol. 29 Part I, 1-28.

Tremmel, Joerg C. (2009): A eory of In-tergenerational Justice. London: EarthscanPublishing.

Wilkoszewski, Harald (2009): Age Trajecto-ries of Social Policy Preferences. Support forIntergenerational Transfers from a Demo-graphic Perspective. Max Planck Institutefor Demographic Research Working Paper2009-034. http://www.demogr. mpg.de/pa-pers/working/wp-2009-034.pdf . Abgerufen14. Juli 2010.

Journal für Generationengerechtigkeit11. Jahrgang · Ausgabe 1/2011

Manuel J. Hartung/Cosima Schmitt: Die netten Jahre sind vorbei. Schöner leben in der Dauerkrise

Rezensiert von Wolfgang Gründinger

rüher war alles besser. Früher, da gingdie Jugend noch gegen die herr-schenden Verhältnisse auf die Straße.

Da brannten noch Autos und die Springer-Redaktion. Da gab es noch einen RudiDutschke. Das war die glorreiche Zeit der68er-Revolte, gegen das Establishment, fürsexuelle Befreiung und die Überwindungdes faschistoiden Kapitalismus.Heute geht die junge Generation lieber aufPraktikumssuche als auf die Barrikaden.Krise, na und? Die angepassten Karrieristenvon heute kümmerten sich lieber um sichselbst statt um das System, klagen alterndeFeuilletonisten über die langweilige Jugend,die alles mit sich machen lasse, anstatt gegenUngerechtigkeit zu rebellieren.Die Zeit-Journalisten Manuel J. Hartung(Jg. 1981) und Cosima Schmitt (Jg. 1975)schreiben mit viel Verve gegen das Märchender Politikverdrossenheit an. Statt in selbst-gerechter Nostalgie zu schwelgen, sollten dieAlten sich lieber überlegen, in welche Weltwir Jungen eigentlich hinein geboren wur-den: Leistungsdruck im Bachelor, die Zu-

mutungen der Arbeitswelt und das Gefühlder Dauerkrise, mit der die GenerationPraktikum laufen gelernt hat.„Die netten Jahre sind vorbei“, lautet derpassende Buchtitel, der die Lebenslage der

jungen Generation treffend auf den Punktbringt: Wer heute Ende zwanzig ist oderjünger, ist nichts anderes gewöhnt als Sozi-alabbau, Effizienzdruck und abgelehnte Be-werbungsschreiben. Seit wir denkenkönnen, wurde uns eingetrichtert, dass wirvon der Gesellschaft oder dem Sozialstaatnichts mehr erwarten können, dass wir un-seres eigenen Glückes Schmied sein müssen.Doch zu einer Kohorte der angepassten, ver-zweifelten Egoisten hat uns das nicht ge-macht. Klar: Die Wahlbeteiligung unterJungen mag historisch niedrig sein. Klar: Indie Parteien drängt es die Jungen nichtmehr. Das Parteibuch, notieren die Autorenzu Recht, sei heute kein Indiz mehr für ge-sellschaftliches Engagement.Den neuen Typus jungen Politikmachensumschreiben sie mit dem Begriff des „effi-zienten Idealismus“: Junge Menschen heuteüberlegen sich genauer, wie sie mit ihrer ei-genen Kraft und möglichst schnell mög-lichst viel erreichen können.Die Ochsentour in den Parteien, wo manerstmal zehn Jahre Kassenwart sein muss,

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um überhaupt eine Chance auf relevanteMitsprache zu haben, ist jungen Menschenheute zu zäh. Statt in eine Partei gehen jungeLeute lieber zu NGOs, machen ein Prakti-kum im Altenheim oder starten einen On-line-Aufruf.Von Fatalismus ob der gesellschaftlichenPerspektivlosigkeit sei bei den „Krisen-Kön-nern“ jedenfalls nichts zu spüren. Statt zu la-mentieren, schwingen sie sich lieber zurWeltverbesserung auf und richten sich ihrschönes Leben in der Dauerkrise ein.Neu sind die Erkenntnisse von Hartung undSchmitt zwar nicht. Was sie zusammentra-gen, kann man längst in den Shell-Studienfinden, deren Label der „pragmatischen Ge-neration unter Druck“ noch immer up-to-date ist.Was das Buch trotzdem lesenswert macht,ist die auch Laien leicht verständliche Ab-handlung oft abstrakter soziologischer Be-funde, und die Authentizität, mit der dieselbst noch (wenigstens einigermaßen) jun-gen Autoren sie vorzutragen verstehen.Insbesondere ist eine derart prägnante unddoch nüchterne Erklärung, warum es imProtestjahr 2009 eigentlich eine Viertelmil-lion Studenten und Schüler zum Bildungs-streik auf die Straßen trieb, kaum irgendwo

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anders zu finden. Brillant auch, wie lockerund doch mit Substanz sie über die Bologna-Hochschulreform schreiben. Ein mutigerAufruf wider die Generation Warmduscher!

Enttäuschend hingegen ist leider das brisan-teste Kapitel über den drohenden Krieg derGenerationen. Mit der eigenen Elterngene-ration gebe es zu wenig Zündstoff, als dasssich daran ein politisierbarer Konflikt ent-zünden könne, und schon gar nicht inner-halb der eigenen Familie, so die Prämissevon Hartung/Schmitt.Den Krieg der Generationen prophezeien siedaher nicht gegen die „68er“, sondern gegendie „64er“, d.h. gegen die geburtsstarkenJahrgänge der Babyboomer. Wenn die inRente gehen, stehe ein Millionenheer einerreichen, einflussreichen Altenlobby mitsamtihren Wählerstimmen einer kleinen ScharJüngerer gegenüber. Verteilungskonflikte umGeld, Macht und Ressourcen seien vorpro-grammiert, von Rentenerhöhungen über al-lerlei weitere Wahlgeschenke auf Pump.Die Autoren gehen derart in ihrer Überzeu-gung auf, dass sie es versäumen, diesen dochdramatischen Lagebericht mit wissenschaft-lichen Belegen ausreichend zu unterfüttern.Wirklich schwach werden sie aber, wenn es

um konkrete Lösungskonzepte geht – dafordern sie nur die Revolution gegen die Ba-byboomer, bleiben aber konstruktivereIdeen schuldig: Wie soll diese Revolutiondenn bitteschön aussehen? Sollen die Jun-gen die Alten bei Demos verkloppen? KeineHüftgelenke mehr ab 70? Rentenkürzungen,die dann die Jungen umso härter treffen,wenn die selbst mal alt sind?Es wäre falsch, die sich zuspitzenden Vertei-lungskonflikte zwischen Jung und Alt totzu-schweigen oder abzustreiten. Insofern istHartungs und Schmitts Buch ein mutigerAufruf für eine neue, bunte Jugendbewe-gung.Anstatt aber einen Krieg der Generationenals ultimative Notwendigkeit an die Wandzu malen, hätten sie sich lieber Gedankenmachen sollen, wie die schwelenden Kon-flikte befriedet werden können. Denn manstelle sich vor: Es ist Krieg, und keiner gehthin.

Manuel J. Hartung / Cosima Schmitt: Dienetten Jahre sind vorbei. Schöner leben in derDauerkrise. Campus-Verlag: Frankfurt a.M./New York 2010. 196 Seiten. Preis: 17,90 €.

Journal für Generationengerechtigkeit11. Jahrgang · Ausgabe 1/2011

3. Demografie-Preis für Nachwuchswissenschaftler 2010/11

ie Stiftung für die Rechte zukünfti-ger Generationen (SRzG) vergibtim Jahr 2011 den dritten Demo-

grafie-Preis in Höhe von insgesamt 10.000 €.Der Preis wurde von der Stiftung Apfelbaumangeregt und wird von ihr finanziert. Mit demPreis will die SRzG die gesellschaftliche Dis-kussion über den demografischen Wandel undseine Konsequenzen fördern, ihr eine wissen-schaftliche Grundlage verleihen und den Entscheidungsträgern Handlungsperspektivenaufzeigen.

ema des PreisesDer Demografie-Preis 2010/11 wird zu demema:

„Mehr Alte – wenige Junge: Wo ist eineMachtverschiebung zwischen den Gene-rationen schon heute sichtbar und wiekann sie ausgeglichen werden?“

ausgeschrieben. Der folgende Text soll IhnenAnregungen für einen Wettbewerbsbeitragvermitteln.

emenaufrissSeit langem zeichnet sich ein tiefgreifenderdemografischer Wandel ab: Wir werden we-niger und älter. Die aktuelle Bevölkerungs-

vorausberechnung des Statistischen Bundes-amtes kommt für Deutschland zu dem Er-gebnis, dass die Bevölkerung bis 2060 auf65 Millionen Menschen (heute: 82 Millio-nen) zurückgehen wird. Außerdem wird 2060 jeder Dritte über 65Jahre und nur noch etwa jeder Sechste unter20 Jahre alt sein; heute leben noch ungefährgleich viele unter 20jährige und über 65jäh-rige in Deutschland. Damit verändert sichdie Relation zwischen der Bevölkerung imRentenalter und derjenigen im Erwerbsalterdeutlich, was der so genannte Altenquotientverdeutlicht: Heute kommen auf 100 Perso-nen in der Altersgruppe 20 bis 64 Jahre 33Rentnerinnen und Rentner (Menschen ab65 Jahren). 2060 wird dieser Altenquotient

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Das Journal unterstützt die Ausschreibung des Generationengerechtigkeits-Preises der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Es handelt sich um einen mit 10.000 Euro dotierten Aufsatzwettbewerb für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler.Die besten Arbeiten werden in dieser Zeitschrift gedruckt:

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bei ca. 60 liegen. Das heißt: Auf 100 Perso-nen im erwerbsfähigen Alter kommen dann60 Rentner. Die Entwicklung hin zu einer neuen Gene-rationenschichtung in der Gesellschaft lässtsich höchstens abmildern, aber nicht stop-pen. Denn die Alterung der Bevölkerung istdurch die geburtenstarken Jahrgänge der50er und 60er Jahre, die etwa ab 2015 inden Ruhestand gehen und denen keine Ko-horten entsprechender Größe folgen, bereitsvorbestimmt. Weltweit lassen sich ähnliche Trends beob-achten. Deshalb ist es umso wichtiger, dasssich sowohl Politik als auch Gesellschaft undWirtschaft schon heute auf die neue Gene-rationenschichtung in der Gesellschaft ein-stellen und sowohl bereichsspezifische alsauch ressortübergreifende Lösungen fürdiese Herausforderung entwickeln.Bereits im April 2008 warnte der ehemaligeBundespräsident Roman Herzog vor einer„Rentnerdemokratie“ in Deutschland, umauf die Problematik von nominell immermehr älteren Wählern hinzuweisen. Aberkönnte aus der deutschen Demokratie tat-sächlich eine ‚Gerontokratie’ werden, in derdie Jungen nichts mehr zu sagen haben?Werden Wahlen und Wahlkämpfe durchden demografischen Wandel beeinflusst?Konnte man diesen Trend bereits bei derBundestagswahl 2009 erkennen, als im Vor-feld der Wahl eine Rentengarantie für die äl-teren Menschen ausgesprochen wurde?Auch in den Parteien stellt sich die Frage, obund wie sich die Alterung der Gesellschaftin ihren Programmen und der Besetzungvon Parteigremien inzwischen abzeichnet.Kann und soll man dem entgegenwirken,indem man z.B. Jugend- oder Generatio-nenquoten etabliert? Das hieße, dass in denentsprechenden Gremien, ähnlich wie beiFrauenquoten, ein bestimmter Prozentsatzjüngerer Menschen vertreten sein müsste.Interessant in diesem Zusammenhang istauch die Frage, ob sich die Mittel zur Inter-essensartikulation von jungen und altenMenschen unterscheiden: Junge Menschenengagieren sich stärker im Internet und ma-chen von ihrem passiven und aktiven Wahl-recht weniger Gebrauch als die ältereGeneration – mit entsprechenden Auswir-kungen für ihre politische Vertretung. EinLösungsweg könnte sein, dafür zu sorgen,dass Jüngere wieder mehr zum Gestalten derrepräsentativen Demokratie ermutigt wer-den, beispielsweise zur Parteigründung wiein der Stadt Monheim, wo die JugendparteiPeto inzwischen sogar den Bürgermeister

stellt. Ein anderer Weg könnte die Verlage-rung des Wahlprozedere ins Internet sein: Sowar beispielsweise in Estland bereits 2005die Kommunalwahl per ‚Internet-Voting’möglich.Mit Blick auf den Sozialstaat könnte eine in-teressante Fragestellung sein, ob sich dasAusgabenschema von Wohlfahrtsstaaten indem Sinne verändern wird, dass auf die äl-tere Generation entfallende Ausgaben(Rente, Pflege, Invalidität, Gesundheit) stei-gen während die die jüngere Generation betreffenden Ausgaben (Bildung, Familien-förderung) sinken und falls ja, wie diese Gerechtigkeitslücke geschlossen werdenkönnte? Hier wäre es denkbar, die Ausgabenund Einnahmen nach entsprechenden Ko-horten bzw. Generationen öffentlich darzu-stellen, um zumindest eine gesellschaftlicheSensibilisierung für die Problematik zu er-zeugen.Dass im Bereich der Sozialpolitik neue Prio-ritäten gesetzt werden, lässt sich auch konkret vor Ort analysieren, wo der zuneh-mende Abbau von Infrastruktur für jungeMenschen (Schulen, Kitas, Jugendclubs) beigleichzeitig stattfindendem Aufbau einer In-frastruktur für Ältere bereits festzustellen ist.Lässt sich daraus ableiten, dass die Gemein-wohldefinition zunehmend ‚älter’ wird undsind beispielsweise generationsübergreifendeEinrichtungen, wie z.B. die Mehrgeneratio-nenhäuser, die richtige Antwort auf dieseEntwicklung? Auch der wirtschaftliche Bereich wird vonder Alterung betroffen sein. Wie reagierendie Unternehmen darauf? Zeigt sich hier tat-sächlich eine Machtverschiebung hin zu denÄlteren, beispielsweise durch das Festhaltenan Pfründen wie dem Senioritätsprinzipoder haben die Jungen hier aufgrund des zu-nehmenden Facharbeitermangels mehrChancen und Möglichkeiten? Wäre auch fürUnternehmen und ihre Gremien, wie Vor-stand und Aufsichtsrat, eine Generationen-bzw. Jugendquote der richtige Weg?Auch Überlegungen, wie im Zusammen-hang mit Facharbeitermangel und längerenLebensarbeitszeiten sowie der Vereinbarkeitvon Familie und Beruf Potenziale für neueKooperationsformen der Generationen er-schlossen werden können, sind willkom-men. Denkbar wären etwa Mentoring- undPatenschaftsansätze, die dazu beitragen kön-nen, die unterschiedlichen Lebensweltenvon Alt und Jung zusammenzuführen unddie Interessendiskrepanz auf diese Weise auf-zulösen bzw. abzumildern. Unsere Bilder von Generationen werden vor

allem in Kultur und den Medien geprägt.Die Altenberichtskommission hat soebenuntersucht, welche Altersbilder in der Ge-sellschaft vorliegen. Aber wie kann das Ver-ständnis für die Benachteiligung Jüngerer inder alternden Gesellschaft geweckt werden?Sind Filme wie „2030 - Aufstand der Jun-gen“ (ZDF, 11.01.2011) das richtige Mittel? Es wird keine Arbeit erwartet, die das ge-samte emenspektrum abdeckt. Bitte kon-zentrieren Sie sich auf einzelne Aspekte, dieSie vertiefend bearbeiten. Denkbar und er-wünscht sind möglichst bereichsübergrei-fende Ansätze.Besonderen Wert legen SRzG und StiftungApfelbaum auf konkrete Lösungsvorschläge.Zunächst sollte der Ist-Zustand bzw. dasProblem („Wo ist eine Machtverschiebungbereits sichtbar?“) beschrieben und analy-siert werden. Darauf aufbauend, ggf. ausge-hend von einem Soll-Zustand, ist es wichtig,die erforderlichen Maßnahmen (z.B. Geset-zesänderungen, Wahlrechtsänderungen fürdie Internetwahl, Quoteneinführung, Kom-munikationsstrategien zum Agendasetting)möglichst detailliert darzustellen. Gesuchtwerden innovative Lösungsvorschläge, diedas Potenzial haben, eine politische Debatteanzustoßen. Wichtig dabei ist, sich mit seiner Arbeit vonden bisher entwickelten Modellen aus denGenerationengerechtigkeitspreisen der SRzGzur Verankerung von Generationengerech-tigkeit im Grundgesetz (2001/02), zur Ein-führung eines Wahlrechts von Geburt an(2005/06) und zur Generation Praktikum(2007/08) abzugrenzen und neue Wege zuentwickeln (vgl. Hinweise im Literaturver-zeichnis).

TeilnahmeEinsendeschluss Ihrer Arbeiten ist der01.10.2011. Die Jury besteht aus:• Volker Amrhein (Projektbüro Dialog der Generationen)• Prof. Dr. Christiane Dienel (nexus Institut Berlin)• Carsten Köppl (Journalist; Behörden Spiegel)• Prof. Dr. Meinhard Miegel (Denkwerk Zukunft)• Prof. Dr. Claudia Neu (Hochschule Niederrhein)•Harald Wilkoszewski (Max-Planck-Institut für DemographischeForschung Rostock)• Dr. Ole Wintermann (Bertelsmann Stiftung)

Journal für Generationengerechtigkeit11. Jahrgang · Ausgabe 1/2011

Page 38: N SA S I Generationengerechtigkeitgenerationengerechtigkeit.info/wp-content/uploads/2014/06/jfgg1-2011.pdfMoral Ground. Ethical Action for a Planet in Peril 29 Rezensiert von Franziska

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Hinweis: Übersicht und Dokumentationbisheriger Fragestellungen aus dem Gene-rationengerechtigkeitspreis und dem De-mografie-Preis finden sich unter:http://www.generationengerechtigkeit.de >Preise

Journal für Generationengerechtigkeit11. Jahrgang · Ausgabe 1/2011

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