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15 Freitag, 14. Juli 2017 Sport Umsturz an der Tour de France Hans-Peter Hildbrand E s ist kein typischer Tag in den Pyrenäen. Keine Hitze, kein Asphaltflimmern, kei- ne Schlacht um Getränke. Nur Re- gen und Nebel. Dennoch ist die Radsport-Geschichte den ganzen Tag greifbar. Von Tarbes (Fahrer- streik 1978 mit Bernard Hinault – zu viele Transfers) über den Col de Mente (Luis Ocana stürzt 1971 in Gelb – Aufgabe) und den Col de Balès (Leader Andy Schleck hat Defekt – Alberto Contador greift an und übernimmt Gelb). Auch die letzten Meter dieser ersten Pyrenäen-Etappe mit der Ankunft auf dem Peyragudes er- innern an ein weiteres Spektakel: 2012 fährt Chris Froome viel stärker fährt als sein Teamkolle- ge Bradley Wiggins. Froome muss aber bergauf bremsen, weil Wiggins das Gelbe Trikot trägt. Schliesslich greift man einen Teamkollegen nicht an! Auf dieser 12. Etappe aber hält sich Froomes Helfer Mikel Landa nicht an das eherne Gesetz. Der Baske hat die besseren Beine, aber bremst nicht. Auf den letzten stei- len 300 Metern verliert Froome 17 Sekunden auf seinen Helfer und 22 auf Etappensieger Romain Bar- det (Fr). Der Italiener Fabio Aru entthront den Briten als Leader. Wenige Minuten zuvor sind Froome und Aru noch Seite an Seite – auf Abwegen. In einer Kurve sind sie für einen Moment orientierungslos und fahren ge- radeaus zwischen die parkenden Wohnwagen der Fans. Doch die Konkurrenten attackieren nicht, sondern warten fair, bis Froome und Aru wieder dran sind. Froome: «Das war eine enge Kurve am Beginn eines Anstiegs. Ein paar von uns haben die nicht bekommen, und dann ist es so pas- siert. Aber wir waren schnell aus dem Gras zurück auf dem Kurs.» Gut im Bilde ist indes Stefan Küng. Fast ungewollt gehört der Thurgauer lange zu einer Flucht- gruppe. «Ich fuhr nach 20 km vor- ne im Feld, als attackiert wurde. Da bin ich halt mit. Ich habe es als Test für Eintagesrennen gesehen – aber eben, ich habe 80 Kilo und nicht 60 wie Bergspezialisten.» Eine Touretappe wie einst. Mit fünf Pässen und einer Bergankunft. Ver- irrten Fahrern und Leader-Wechsel. Pau–Peyragudes (214,5 km) 1. Bardet (Fr) 5:49:38. 2. Uran (Kol) 0:02 zur. 3. Aru (It) gl. Zeit. 4. Landa (Sp) 0:05. 5. Meintjes (SA) 0:07. 6. Martin (Irl) 0:13. 7. Froome (Gb) 0:22. 8. Bennett (Neus) 0:27. 9. Yates (Gb) gl. Zeit. 10. Nieve (Sp) 1:28. 11. Quintana (Kol) 2:04. – Ferner: 14. Contador (Sp) 2:15. 48. Frank (Sz) 13:43. 50. Küng (Sz) 15:17. 55. Wyss (Sz) 16:35. 56. Schär (Sz) gl. Zeit. 99. Hollen- stein (Sz) 24:05. 156. Albasini (Sz) 34:18. Gesamt: 1. Aru 52:51:49. 2. Froome 0:06. 3. Bardet 0:25. 4. Uran 0:55. 5. Martin 1:41. 6. Yates 2:13. 7. Landa 2:55. 8. Quintana 4:01. 9. Bennett 4:24. 10. Meintjes 4:51. 11. Contador 7:14. – Ferner: 43. Frank 52:01. 72. Wyss 1:17:56. 82. Küng 1:22:23. 12. ETAPPE « Das war eine enge Kurve, und wir haben sie nicht bekommen.» Chris Froome Froome fährt in Camper und verliert Gelb Froome (in der Kreismitte in Gelb) und Aru neben ihm kriegen die Kurve nicht und fahren mitten in die Wiese mit den parkenden Wohnwagen. Nach einigen Sekunden haben sie ihre Räder wieder auf Kurs und nehmen die Verfolgung der Konkurrenten auf. «Halbe Sachen sind nicht mein Ding» Spirig zeigt ihre Kids Carl Schönenberger (Text) und Thomas Meier (Fotos) D en Spaziergang durch die Tierwelt auf dem Zü- richberg nehmen Nico- la, ihr Mann Reto, Sohn Yannis (4) und Malea gemütlich. Unge- wohnt für die Frau mit dem aus- geprägten Bewegungsdrang. Für Nicola Spirig (35) stimmts auch so. «Für mich ist wichtig, dass sich die ganze Familie wohlfühlt», sagt sie. Sie sei zwar bereits wieder Sportlerin, «aber kein Trainingsplan bestimmt den Alltag, sondern die bald acht Wochen alte Malea.» Angefangen, sich wieder zu bewegen, habe sie nach ihrer zweiten Schwangerschaft zwar etwas früher bei Yannis. «Aber erst seit zwei Wochen kann ich meine sportliche Betätigung wieder als ‹Training› bezeich- nen.» Mittlerweile seien es zwei Einheiten pro Tag, «aber noch kurze, zwischen eineinhalb und zwei Stunden». Dann rufe Ma- lea, weil sie Hunger habe. Der Familienzuwachs hat aber nichts am sportlichen Ehr- geiz der Olympiasiegerin von 2012 in London und Olympia- zweiten 2016 in Rio geändert. Sie gebe auf dem Velo schon wieder ganz schön Gas. «Es soll ja intensiv sein, wenn ich nur so kurz Zeit habe.» Spirig betont: «Wenn ich etwas mache, mache ich das konsequent. Halbe Sachen sind nicht mein Ding, weder in der Familie noch beim Studium oder im Sport.» Was ihre Wettkampfpläne betrifft, bleibt Nicola offen. «Im Herbst will ich erstmals ernst- haft starten. Dann will ich wis- sen, wo ich im Vergleich mit den anderen stehe.» Wo sie das Comeback gibt, ist noch nicht fix. Auch da werde Malea ent- scheiden, ob sie an einen Wett- kampf auf die Bahamas reise oder irgendwo ohne weiten Flug antrete. Sicher ist bloss: Für Nicola gibts dann keinen Jogging- Plausch wie jetzt beim 5-km-Run im und um den Zürcher Zoo. 54 Tage nach der Geburt von Töchterchen Malea zeigt ihr Mami und Triathlon-Olympiasiegerin Nicola Spirig den Zürcher Zoo. Fotos: Getty Images, Screenshots SRF Familienfreuden Nicola Spirig schlenderte durch den Zürcher Zoo mit Mann Reto, Sohn Yannis (4) und Baby Malea. Nicola Spirig (3. v. l.) beim Plausch-Run nur 54 Tage nach der Geburt von Tochter Malea. Neuer Leader Der Italiener Fabio Aru, Vueltasieger und Giro-Zweiter von 2015, hat die Führung von Froome übernommen.

Nach einigen Sekunden haben Froome fährt in Camper...Chris Froome Froome fährt in Camper und verliert Gelb Froome (in der Kreismitte in Gelb) und Aru neben ihm kriegen die Kurve

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Page 1: Nach einigen Sekunden haben Froome fährt in Camper...Chris Froome Froome fährt in Camper und verliert Gelb Froome (in der Kreismitte in Gelb) und Aru neben ihm kriegen die Kurve

15Freitag, 14. Juli 2017 Sport

Umsturz an der Tour de France

Hans-Peter Hildbrand

E s ist kein typischer Tag in den Pyrenäen. Keine Hitze, kein Asphaltflimmern, kei-

ne Schlacht um Getränke. Nur Re-gen und Nebel. Dennoch ist die Radsport-Geschichte den ganzen Tag greifbar. Von Tarbes (Fahrer-streik 1978 mit Bernard Hinault – zu viele Transfers) über den Col de Mente (Luis Ocana stürzt 1971 in Gelb – Aufgabe) und den Col de Balès (Leader Andy Schleck hat Defekt – Alberto Contador greift an und übernimmt Gelb).

Auch die letzten Meter dieser ersten Pyrenäen-Etappe mit der Ankunft auf dem Peyragudes er-innern an ein weiteres Spektakel: 2012 fährt Chris Froome viel stärker fährt als sein Teamkolle-ge Bradley Wiggins. Froome muss aber bergauf bremsen, weil Wiggins das Gelbe Trikot trägt. Schliesslich greift man einen Teamkollegen nicht an!

Auf dieser 12. Etappe aber hält sich Froomes Helfer Mikel Landa nicht an das eherne Gesetz. Der Baske hat die besseren Beine, aber bremst nicht. Auf den letzten stei-

len 300 Metern verliert Froome 17 Sekunden auf seinen Helfer und 22 auf Etappensieger Romain Bar-det (Fr). Der Italiener Fabio Aru entthront den Briten als Leader.

Wenige Minuten zuvor sind Froome und Aru noch Seite an Seite – auf Abwegen. In einer Kurve sind sie für einen Moment orientierungslos und fahren ge-radeaus zwischen die parkenden Wohnwagen der Fans. Doch die Konkurrenten attackieren nicht, sondern warten fair, bis Froome und Aru wieder dran sind.

Froome: «Das war eine enge Kurve am Beginn eines Anstiegs. Ein paar von uns haben die nicht bekommen, und dann ist es so pas-siert. Aber wir waren schnell aus dem Gras zurück auf dem Kurs.»

Gut im Bilde ist indes Stefan Küng. Fast ungewollt gehört der

Thurgauer lange zu einer Flucht-gruppe. «Ich fuhr nach 20 km vor-ne im Feld, als attackiert wurde. Da bin ich halt mit. Ich habe es als Test für Eintagesrennen gesehen – aber eben, ich habe 80 Kilo und nicht 60 wie Bergspezialisten.»

Eine Touretappe wie einst. Mit fünf Pässen und einer Bergankunft. Ver-irrten Fahrern und Leader-Wechsel.

Pau–Peyragudes (214,5 km) 1. Bardet (Fr) 5:49:38. 2. Uran (Kol) 0:02 zur. 3. Aru (It) gl. Zeit. 4. Landa (Sp) 0:05. 5. Meintjes (SA) 0:07. 6. Martin (Irl) 0:13. 7. Froome (Gb) 0:22. 8. Bennett (Neus) 0:27. 9. Yates (Gb) gl. Zeit. 10. Nieve (Sp) 1:28. 11. Quintana (Kol) 2:04. – Ferner: 14. Contador (Sp) 2:15. 48. Frank (Sz) 13:43. 50. Küng (Sz) 15:17. 55. Wyss (Sz) 16:35. 56. Schär (Sz) gl. Zeit. 99. Hollen-stein (Sz) 24:05. 156. Albasini (Sz) 34:18. Gesamt: 1. Aru 52:51:49. 2. Froome 0:06. 3. Bardet 0:25. 4. Uran 0:55. 5. Martin 1:41. 6. Yates 2:13. 7. Landa 2:55. 8. Quintana 4:01. 9. Bennett 4:24. 10. Meintjes 4:51. 11. Contador 7:14. – Ferner: 43. Frank 52:01. 72. Wyss 1:17:56. 82. Küng 1:22:23.

12. ETAPPE

«Das war eine enge

Kurve, und wir haben sie nicht bekommen.»Chris Froome

Froome fährt in Camper und verliert Gelb

Froome (in der Kreismitte in Gelb) und Aru neben ihm kriegen die Kurve nicht und fahren mitten in die Wiese

mit den parkenden Wohnwagen.

Nach einigen Sekunden haben sie ihre Räder wieder auf Kurs und nehmen die Verfolgung der Konkurrenten auf.

«Halbe Sachen sind nicht mein Ding»Spirig zeigtihre Kids

Carl Schönenberger (Text) und Thomas Meier (Fotos)

D en Spaziergang durch die Tierwelt auf dem Zü-richberg nehmen Nico-

la, ihr Mann Reto, Sohn Yannis (4) und Malea gemütlich. Unge-wohnt für die Frau mit dem aus-geprägten Bewegungsdrang. Für Nicola Spirig (35) stimmts auch so. «Für mich ist wichtig, dass sich die ganze Familie wohlfühlt», sagt sie. Sie sei zwar bereits wieder Sportlerin, «aber kein Trainingsplan bestimmt

den Alltag, sondern die bald acht Wochen alte Malea.»

Angefangen, sich wieder zu bewegen, habe sie nach ihrer zweiten Schwangerschaft zwar etwas früher bei Yannis. «Aber erst seit zwei Wochen kann ich meine sportliche Betätigung wieder als ‹Training› bezeich-nen.» Mittlerweile seien es zwei Einheiten pro Tag, «aber noch kurze, zwischen eineinhalb und zwei Stunden». Dann rufe Ma-lea, weil sie Hunger habe.

Der Familienzuwachs hat aber nichts am sportlichen Ehr-

geiz der Olympiasiegerin von 2012 in London und Olympia-zweiten 2016 in Rio geändert. Sie gebe auf dem Velo schon wieder ganz schön Gas. «Es soll ja intensiv sein, wenn ich nur so kurz Zeit habe.» Spirig betont: «Wenn ich etwas mache, mache ich das konsequent. Halbe Sachen sind nicht mein Ding, weder in der Familie noch beim Studium oder im Sport.»

Was ihre Wettkampfpläne betrifft, bleibt Nicola offen. «Im Herbst will ich erstmals ernst-haft starten. Dann will ich wis-sen, wo ich im Vergleich mit den anderen stehe.» Wo sie das Comeback gibt, ist noch nicht fix. Auch da werde Malea ent-scheiden, ob sie an einen Wett-kampf auf die Bahamas reise oder irgendwo ohne weiten Flug antrete.

Sicher ist bloss: Für Nicola gibts dann keinen Jogging-Plausch wie jetzt beim 5-km-Run im und um den Zürcher Zoo.

54 Tage nach der Geburt von Töchterchen Malea zeigt ihr Mami und Triathlon-Olympiasiegerin Nicola Spirig den Zürcher Zoo.

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FamilienfreudenNicola Spirig schlenderte durch den

Zürcher Zoo mit Mann Reto, Sohn Yannis (4) und Baby Malea.

Nicola Spirig (3. v. l.) beim Plausch-Run nur54 Tage nach der Geburt von Tochter Malea.

Neuer LeaderDer Italiener Fabio Aru, Vueltasieger

und Giro-Zweiter von 2015, hat die Führung von Froome übernommen.