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487 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 83 (2014), Heft 7 Fachthemen DOI: 10.1002/stab.201410169 Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit sind die primären Anforderungen, die an Stahlkonstruktionen regenerativer Technologien gestellt werden, so dass die Auslegung und Errich- tung dieser Konstruktionen vorwiegend durch monetäre und techni- sche Gesichtspunkte beeinflusst wird. Zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten aufseiten der Planung, Herstellung und Fertigung von Stahlkonstruktionen fehlen derzeit geeignete Instru- mente, um die Nachhaltigkeit ganzheitlich zu dimensionieren. Auf Basis bestehender Bewertungssysteme aus dem Hochbau wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „NaStafEE“ eine Methode zur ganzheitlichen Nachhaltigkeitsbewertung stählerner Tragstrukturen für regenerative Technologien entwickelt. Mit Hilfe der entwickelten Methodik können unterschiedliche Bauweisen und Ausführungsva- rianten unter Berücksichtigung von Anforderungen an eine nach- haltige Bauweise verglichen werden. Der Beitrag beschäftigt sich mit der Methodenentwicklung sowie der beispielhaften An- wendung auf stählerne Gründungsstrukturen von Offshore-Wind- energieanlagen sowie Stahlfermenter von Biogasanlagen. Sustainability of steel constructions of renewables. Mechanical resistance, serviceability and durability are the primary require- ments for steel structures of renewable energies. During design and execution, these structures are mainly influenced by economic and technical aspects. Currently, there is a lack of appropriate in- struments for a holistic sustainability approach in order to con- sider sustainability aspects during the stages of design, manufac- turing and erection of steel constructions. Based on existing rating systems originating from the building sector, a method for a holis- tic sustainability assessment of steel structures for renewables has been developed within the research project “NaStafEE”. With the help of the sustainability rating system, different types of construction and variants of execution can be compared under consideration of requirements for sustainability aspects. This arti- cle deals with the development of the rating system and the ex- emplary application to steel support structures of offshore wind energy turbines and to steel digesters of biogas power plants. 1 Einleitung Im Bereich der Energieversorgung stellt die Nachhaltigkeit der Energiegewinnung einen Schwerpunkt der modernen Gesellschaft und dementsprechend politischer Ziele dar. Langfristig sollen schädliche Emissionen wie beispielsweise CO 2 reduziert werden und der Anteil Erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch von aktuell rund 23 % [1] auf min- destens 35 % bis zum Jahr 2020 sowie auf mindestens 80 % Nachhaltige Stahlkonstruktionen für Erneuerbare Energien Peter Schaumann Anne Bechtel Rasmus Eichstädt Natalie Stranghöner bis zum Jahr 2050 erhöht werden [2]. Nicht zuletzt durch den beschlossenen Ausstieg der Bundesregierung aus der Atomenergie bis zum Jahresende 2022 [3] kommt der Nut- zung Erneuerbarer Energien eine signifikante Rolle zu. Zukünftig stellt die Nutzung von Offshore-Windener- gie sowie von Biomasse bzw. Biogas eine wichtige Säule der deutschlandweiten Energieversorgung dar. Bis zum Jahr 2030 wird seitens der Bundesregierung eine installierte Offshore-Leistung von 15000 MW angestrebt. Dies ent- spricht einer mittleren, jährlichen Netzanbindung von ca. 950 MW bzw. 190 neuen Anlagen bei durchschnittlich 5 MW pro Anlage. Für den Ausbau dieser regenerativen Technologien werden Stahlkonstruktionen benötigt, die den Anforderungen einer nachhaltigen Energieversorgung gerecht werden. Der Anteil von Baustahl ist insbesondere im Offshore-Einsatz signifikant, da die Gründungsstruktu- ren wie Monopiles, Jackets oder Tripods hauptsächlich aus Stahl gefertigt werden ([4], [5]). Dahingehend wird der Großteil der existierenden Biogasfermenter bisher vorwie- gend in Betonbauweise ausgeführt, so dass der derzeitige, deutschlandweite Anteil dieser Bauweise mit ca. 90 bis 95 % beziffert werden kann ([6], [7]). Der hierfür teilweise sehr aufwändige Fertigungs- und Installationsprozess soll durch den vermehrten Einsatz kostengünstiger, dünnwan- diger Stahlschalen zukünftig erleichtert werden. Unter An- nahme eines Szenarios mit 100 % aller Biogasbehälter in Stahlbauweise ergibt sich bis zum Jahr 2020 ein im Mittel jährlicher Baustahlbedarf von etwa 55000 t bis 120000 t. Die Auslegung von Stahlkonstruktionen erfolgt bisher vorwiegend aufgrund ökonomischer und technischer Ge- sichtspunkte. Nachhaltigkeitsbezogene Aspekte werden insbesondere aufgrund fehlender Hilfestellungen und Emp- fehlungen nicht oder nur sekundär berücksichtigt. Die Op- timierung dieser stählernen Tragstrukturen unter Berück- sichtigung von Nachhaltigkeitseffekten stellt daher eine wichtige Planungsaufgabe dar. Im Rahmen des durch das BMWi geförderten Forschungsprojektes „Nachhaltige Stahl- konstruktionen für Erneuerbare Energien“ (NaStafEE) wurde ein Instrument zur Nachhaltigkeitsbewertung dieser Stahlkonstruktionen entwickelt. 2 Systeme und Methoden zur Bewertung der Nachhaltigkeit 2.1 Bestehende Systeme Als Ausgangspunkt zur Entwicklung der Bewertungsme- thodik wurde das bestehende Bewertungssystem des Bun- Jörn Berg Anna Gorbachov Hermann-Josef Wagner Julian Röder

Nachhaltige Stahlkonstruktionen für Erneuerbare Energien

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487© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 83 (2014), Heft 7

Fachthemen

DOI: 10.1002/stab.201410169

Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit sind die primären Anforderungen, die an Stahlkonstruktionen regenerativer Technologien gestellt werden, so dass die Auslegung und Errich-tung dieser Konstruktionen vorwiegend durch monetäre und techni-sche Gesichtspunkte beeinflusst wird. Zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten aufseiten der Planung, Herstellung und Fertigung von Stahlkonstruktionen fehlen derzeit geeignete Instru-mente, um die Nachhaltigkeit ganzheitlich zu dimensionieren. Auf Basis bestehender Bewertungssysteme aus dem Hochbau wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „NaStafEE“ eine Methode zur ganzheitlichen Nachhaltigkeitsbewertung stählerner Tragstrukturen für regenerative Technologien entwickelt. Mit Hilfe der entwickelten Methodik können unterschiedliche Bauweisen und Ausführungsva-rianten unter Berücksichtigung von Anforderungen an eine nach-haltige Bauweise verglichen werden. Der Beitrag beschäftigt sich mit der Methodenentwicklung sowie der beispielhaften An-wendung auf stählerne Gründungsstrukturen von Offshore-Wind-energieanlagen sowie Stahlfermenter von Biogasanlagen.

Sustainability of steel constructions of renewables. Mechanical resistance, serviceability and durability are the primary require-ments for steel structures of renewable energies. During design and execution, these structures are mainly influenced by economic and technical aspects. Currently, there is a lack of appropriate in-struments for a holistic sustainability approach in order to con-sider sustainability aspects during the stages of design, manufac-turing and erection of steel constructions. Based on existing rating systems originating from the building sector, a method for a holis-tic sustainability assessment of steel structures for renewables has been developed within the research project “NaStafEE”. With the help of the sustainability rating system, different types of construction and variants of execution can be compared under consideration of requirements for sustainability aspects. This arti-cle deals with the development of the rating system and the ex-emplary application to steel support structures of offshore wind energy turbines and to steel digesters of biogas power plants.

1 Einleitung

Im Bereich der Energieversorgung stellt die Nachhaltigkeit der Energiegewinnung einen Schwerpunkt der modernen Gesellschaft und dementsprechend politischer Ziele dar. Langfristig sollen schädliche Emissionen wie beispielsweise CO2 reduziert werden und der Anteil Erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch von aktuell rund 23 % [1] auf min-destens 35 % bis zum Jahr 2020 sowie auf mindestens 80 %

Nachhaltige Stahlkonstruktionen für Erneuerbare Energien

Peter SchaumannAnne Bechtel Rasmus Eichstädt Natalie Stranghöner

bis zum Jahr 2050 erhöht werden [2]. Nicht zuletzt durch den beschlossenen Ausstieg der Bundesregierung aus der Atomenergie bis zum Jahresende 2022 [3] kommt der Nut-zung Erneuerbarer Energien eine signifikante Rolle zu.

Zukünftig stellt die Nutzung von Offshore-Windener-gie sowie von Biomasse bzw. Biogas eine wichtige Säule der deutschlandweiten Energieversorgung dar. Bis zum Jahr 2030 wird seitens der Bundesregierung eine installierte Offshore-Leistung von 15000 MW angestrebt. Dies ent-spricht einer mittleren, jährlichen Netzanbindung von ca. 950 MW bzw. 190 neuen Anlagen bei durchschnittlich 5 MW pro Anlage. Für den Ausbau dieser regenerativen Technologien werden Stahlkonstruktionen benötigt, die den Anforderungen einer nachhaltigen Energieversorgung gerecht werden. Der Anteil von Baustahl ist insbesondere im Offshore-Einsatz signifikant, da die Gründungsstruktu-ren wie Monopiles, Jackets oder Tripods hauptsächlich aus Stahl gefertigt werden ([4], [5]). Dahingehend wird der Großteil der existierenden Biogasfermenter bisher vorwie-gend in Betonbauweise ausgeführt, so dass der derzeitige, deutschlandweite Anteil dieser Bauweise mit ca. 90 bis 95 % beziffert werden kann ([6], [7]). Der hierfür teilweise sehr aufwändige Fertigungs- und Installationsprozess soll durch den vermehrten Einsatz kostengünstiger, dünnwan-diger Stahlschalen zukünftig erleichtert werden. Unter An-nahme eines Szenarios mit 100 % aller Biogasbehälter in Stahlbauweise ergibt sich bis zum Jahr 2020 ein im Mittel jährlicher Baustahlbedarf von etwa 55000 t bis 120000 t.

Die Auslegung von Stahlkonstruktionen erfolgt bisher vorwiegend aufgrund ökonomischer und technischer Ge-sichtspunkte. Nachhaltigkeitsbezogene Aspekte werden insbesondere aufgrund fehlender Hilfestellungen und Emp-fehlungen nicht oder nur sekundär berücksichtigt. Die Op-timierung dieser stählernen Tragstrukturen unter Berück-sichtigung von Nachhaltigkeitseffekten stellt daher eine wichtige Planungsaufgabe dar. Im Rahmen des durch das BMWi geförderten Forschungsprojektes „Nachhaltige Stahl-konstruktionen für Erneuerbare Energien“ (NaStafEE) wurde ein Instrument zur Nachhaltigkeitsbewertung dieser Stahlkonstruktionen entwickelt.

2 Systeme und Methoden zur Bewertung der Nachhaltigkeit2.1 Bestehende Systeme

Als Ausgangspunkt zur Entwicklung der Bewertungsme-thodik wurde das bestehende Bewertungssystem des Bun-

Jörn BergAnna GorbachovHermann-Josef WagnerJulian Röder

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2.2 Bewertungssystem für Stahlkonstruktionen Erneuerbarer Energien

Die bestehenden Bewertungssysteme [8] und [9] sind auf-grund unterschiedlicher Bauwerkszielfunktionen und dar-aus resultierender Schwerpunkte bei Planung und Bemes-sung nicht direkt auf Stahlkonstruktionen regenerativer Technologien übertragbar. In Anlehnung an diese Methode wurde das in [10] entwickelte Bewertungssystem in die Ka-tegorien Ökologie, Ökonomie, Soziologie, Technik und Pro-zess unterteilt. Zunächst wurden die bestehenden Krite-rien aus [8] und [9] sowie weitere Kriterien aus etablierten Bewertungssystemen und Studien der Stahlbauindustrie hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf den geplanten Unter-suchungsrahmen – die lasttragende Stahlkonstruktion von Gründungsstrukturen von Offshore-Windenergieanlagen sowie Fermenter von Biogasanlagen – geprüft und um neue Kriterien erweitert. Im Rahmen einer umfassenden Literaturrecherche wurden über 200 anwendbare Kriterien zur Bewertung von Nachhaltigkeitsaspekten erfasst, aus denen anhand einer Relevanzanalyse 35 Kriterien in die Bewertungsmethode integriert wurden (s. Bild 1, [7], [10]). Als funktionelle Einheit wurde die lasttragende Stahlkon-struktion gewählt, so dass der Großteil der Kriterien pro-duktbezogen ist. Darüber hinaus wurden Kriterien entwi-

des „Nachhaltiges Bauen“ in Form des Handbuchs der Deut-schen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) [8] sowie das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für Bun-desgebäude (BNB) [9] gewählt, mit deren Hilfe Büro- und Verwaltungsgebäude hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit transparent bewertet werden können. In den sechs Kate-gorien der ökologischen, ökonomischen, soziokulturellen und funk tionalen, technischen, prozessbedingten sowie standortbedingten Qualität wird die Nachhaltigkeit über die Vergabe von Bewertungspunkten ermittelt. Jeder Kate-gorie sind unterschiedliche Kriterien und Indikatoren mit entsprechenden Bezugseinheiten untergeordnet, die zur spezifischen Quantifizierung der Nachhaltigkeit dienen. Die jeweiligen Bewertungspunktzahlen werden entweder direkt (z. B. das Treibhauspotential in Kilogramm CO2-Äquivalent) oder indirekt unter Verwendung von so ge-nannten Checkpunkten bei mehreren zur Verfügung ste-henden Indikatoren für ein Kriterium bestimmt. Bedeu-tungs- und Anpassungsfaktoren ermöglichen eine unterschiedliche Wichtung der einzelnen Kriterien inner-halb einer Kategorie. Unter Ansatz einer gewichteten Ver-teilung der fünf maßgebenden Kategorien und unter Ver-nachlässigung der Standortqualität werden die Bewer-tungspunkte schließlich zu einem Ausnutzungsgrad der Nachhaltigkeit des gesamten Objektes summiert.

Bild 1. Darstellung der im Katalog enthaltenen Kriterien, aufgeteilt nach den einzelnen NachhaltigkeitskategorienFig. 1. List of criteria allocated to the appropriate sustainability categories

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3 Anwendung auf Stahlkonstruktionen regenerativer Technologien

3.1 Abgrenzung des Untersuchungsrahmens3.1.1 Gründungsstruktur einer Offshore-Windenergieanlage

Bei Offshore-Windenergieanlagen wird unterschieden zwi-schen den tragenden Konstruktionselementen Gründung, Unterstruktur (Jacket, Tripod, Tripile oder Monopile), Turm und Turbine (s. Bild 2). Die Verbindung zwischen Unter-struktur und Gründungspfählen wird zumeist über so ge-nannte Grout-Verbindungen hergestellt, wohingegen die an den Turm angrenzenden Konstruktionselemente Unter-struktur und Turbine mit Hilfe von Ringflanschverbindun-gen an diesen angebunden sind (s. auch [14]). Eine Material-massenanalyse ergab, dass bei einer Offshore-Windenergie-anlage mit Stahl-Unterstruktur (bspw. Jacket) 90 % der insgesamt eingesetzten Materialien aus dem Werkstoff Stahl bestehen. Demzufolge hat eine Nachhaltigkeitsbetrachtung

ckelt, die eine Nachhaltigkeitsbewertung auf Unterneh-mensebene ermöglichen, um das nachhaltige Handeln der involvierten Unternehmen insbesondere im Rahmen der Herstellung berücksichtigen zu können.

Zur Erstellung einer ganzheitlichen Nachhaltigkeits-bilanz ist die Betrachtung der einzelnen Kriterien insbeson-dere der produktbezogenen Dimension über den gesamten Lebenszyklus der Stahlkonstruktion erforderlich – ange-fangen bei der Tragwerksplanung sowie der Herstellung der Vorprodukte über die Nutzung bis hin zum Rückbau der Konstruktion und deren Verwertung. In Anlehnung an DIN EN 15804 [11] und DIN EN 15978 [12] sowie nach Hauke und Siebers [13] wurden daher die Lebenszyklus-phasen A bis D definiert, die um eine Planungsphase sowie eine Fertigungsphase ergänzt wurden und denen die einzel-nen Kriterien der fünf Kategorien zugeordnet sind (s. Ta-belle 1). Aufgrund unterschiedlicher Bauwerkszielfunktio-nen und der spezifischen Betrachtung der Stahlkonstruk-tion verschiebt sich im Vergleich zum Gebäudebereich die Relevanz einzelner Lebenszyklusphasen von der Nutzungs-phase in Richtung der Herstellungs-, Fertigungs- und Er-richtungsphasen A1 bis A7.

Zur Sicherstellung einer möglichst praxisnahen An-wendung ist der Bewertungskatalog samt seiner Kriterien in Form eines Anwendungstools aufbereitet, mit dessen Hilfe schließlich Polardiagramme für die jeweiligen Kategorien Ökologie, Ökonomie, Soziologie, Technik und Prozess er-stellt werden. Abgrenzend zu den bestehenden Systemen in [8] und [9] wird kein kumulierter Nachhaltigkeitsindex berechnet. Das Bewertungssystem ermöglicht einen unab-hängigen Vergleich unterschiedlicher Tragkonstruktionen und Ausführungsvarianten hinsichtlich ihrer nachhaltigen Auswirkung, so dass Optimierungseffekte in einzelnen Kri-terien herausgearbeitet werden können.

Im folgenden Abschnitt wird die Bewertungsmethodik anhand zweier Anwendungsbeispiele – der Gründungsstruk-tur einer Offshore-Windenergieanlage und des Fermenters einer Biogasanlage – exemplarisch für die Kategorie der Öko-logie verdeutlicht. Die Vorgehensweise für die vier übrigen Kategorien der ökonomischen, sozialen, technischen und prozessbedingten Nachhaltigkeit erfolgt analog und ist in Ab-schnitt 3.3 anhand ausgewählter Kriterien zusammengefasst. Der Schlussbericht zum Forschungsvorhaben NaStafEE [10] beinhaltet weitere Untersuchungsergebnisse sowie eine um-fangreiche Darstellung der Bewertungsmethode.

Tabelle 1. Definierte Lebenszyklusphasen in Anlehnung an DIN EN 15804 [11], DIN EN 15978 [12] sowie Hauke und Siebers [13]Table 1. Defined life cycle stages according to EN 15804 [11], EN 15978 [12] and Hauke and Siebers [13]

Planung Herstellung Fertigung/Errichtung

Nutzung Rückbau/Recycling

Gutschriften/Belastungen

0 A1-3 A4-7 B C D

01 Entwurf und Bemessung

A1 Rohstoff-beschaffung

A4 Transport zur Fertigungsstätte

B1 Nutzung C1 Rückbau Möglichkeiten zur …

B2 Instandhaltung C2 Rücktransport … Wiederverwendung

02 Projekt- management

A2 Transport A5 Fertigung B3 Instandsetzung C3 Abfallbehand-lung

… Recyclingpotential

A3 Herstellung A6 Transport zur Baustelle

B4 Austausch C4 Beseitigung … Rückgewinnung

A7 Errichtung

Bild 2. Stählerne Tragkonstruktion und -elemente mit Jacket- (links) und Tripod- (rechts) UnterstrukturFig. 2. Steel construction and elements with jacket (left) and tripod (right) substructure

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der stählernen Tragstruktur hinsichtlich einer Optimierung den größten Effekt. Am Beispiel einer Gründungsstruktur, bestehend aus gerammten Gründungspfählen und aufgelös-ter Unterstruktur (Jacket und Tripod), werden im nachfol-genden Abschnitt 3.2 die Effekte und Auswirkungen dieser Stahlkonstruktion sowie der Umgebungsbedingungen im Hinblick auf ökologische Kriterien dargestellt.

3.1.2 Fermenter einer Biogasanlage

Zu den Bestandteilen einer Biogasanlage gehören neben der Anlagentechnik üblicherweise ein Güllevorlagerbehäl-ter, ein oder mehrere Faulbehälter (Fermenter) sowie ein Gärrestbehälter, welche in unterschiedlichen Bauarten und Werkstoffen ausgeführt werden können. Im Rahmen der nachfolgenden Betrachtung liegt der Fokus auf einem Fermenter in Stahlbauweise mit 2000 m3 Füllvolumen. Die beiden untersuchten Varianten unterscheiden sich haupt-sächlich hinsichtlich des Werkstoffes und der Verbindungs-technik – zum einen beschichteter Baustahl in geschweiß-ter Ausführung und zum anderen nichtrostender Stahl mit geschraubten Verbindungen (s. exemplarisch Bild 3). Die Randbedingungen der beiden untersuchten Ausführungs-

varianten sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Neben dem Werkstoff und der Verbindungstechnik unterscheiden sich die beiden Fermenter in der Dachkonstruktion, die bei der Variante aus Baustahl durch ein Festdach aus Baustahl und bei der Variante aus nichtrostendem Stahl durch ein Membrandach aus einem textilen Kunststoffgewebe ausge-führt ist.

Die im nachfolgenden Abschnitt 3.2 veranschaulich-ten Ergebnisse der Nachhaltigkeitsbewertung sind aus-schließlich für die untersuchten Beispielvarianten mit teil-weise eigens getroffenen Annahmen gültig und dürfen nicht grundsätzlich für die jeweiligen Bauweisen herange-zogen werden. Die Darstellung der Ergebnisse dient aus-schließlich zur Erläuterung und Veranschaulichung der entwickelten Bewertungsmethodik.

3.2 Bewertung der ökologischen Nachhaltigkeit

Die ökologische Nachhaltigkeitsbewertung sowie die zuge-hörigen Kriterien beruhen auf einer vereinfachten Ökobilan-zierung der Konstruktionen gemäß DIN EN ISO 14040 [15]. Hierbei werden die im Rahmen einer Massenbilanz zusammengestellten Werkstoffe und Aufwandsdaten der jeweiligen Konstruktion mit Ökobilanzdaten aus der Ökobau.dat-Datenbank [16] bzw. aus Umweltproduktde-klarationen (EPD) verknüpft [17]. Die Ergebnisse der öko-logischen Nachhaltigkeitsbewertung für die untersuchten Ausführungsvarianten einer Gründungsstruktur einer Off-shore-Windenergieanlage sowie eines Fermenters einer Biogasanlage sind jeweils in Form eines Polardiagrammes, in welchem die einzelnen Achsen auf den Maximalwert der ermittelten Indikatorwerte normiert sind, in den Bil-dern 4 und 6 dargestellt.

3.2.1 Gründungsstruktur einer Offshore-Windenergieanlage

Es wurden die stählernen Gründungsstrukturen Jacket und Tripod anhand der entwickelten Methode und Krite-rien untersucht und bewertet. Die Eingangswerte für die Bewertung sind in Schaumann et al. ([17], [18]) dargestellt. Es wurde für jede Kategorie eine Analyse in Form eines Polardiagramms sowie eine Gegenüberstellung einzelner Werte über die Lebenszyklusphasen vorgenommen. Im Folgenden werden nur die ökologischen Auswirkungen betrachtet. Es zeigte sich bei Gegenüberstellung von Jacket- und Tripod-Ergebnissen, dass insbesondere die eingesetzte

Bild 3. Beispiele für Biogasfer-menter aus beschichtetem Bau-stahl (links: Foto: Schachtbau Nordhausen GmbH) und nicht-rostendem Stahl (rechts: Foto: IML)Fig. 3. Examples for biogas digesters of coated structural steel (left: photo: Schachtbau Nordhausen GmbH) and stain-less steel (right: photo: IML)

Parameter Variante A Variante B

Werkstoff Baustahl nichtrostender Stahl

Stahlsorte S235J2+N S355J2+N

X5CrNi18-10 X6CrNi-MoTi17-2-2

(1.4301)(1.4571)

Korrosions-schutzsystem

Beschichtung auf Expoxidharzbasis

Verbindungs-technik

geschweißt geschraubt

Durchmesser 13,9 m 20,1 m

Höhe 14,0 m 6,3 m

Volumen 2000 m3 2000 m3

Wanddicke 5 bis 6 mm 1,5 bis 2,5 mm

Stahlmasse 35 t 8 t

Lebensdauer 20 Jahre 20 Jahre

Tabelle 2. Randbedingungen des betrachteten Untersu-chungsrahmens der ausgewählten BiogasfermenterTable 2. Parameters of the investigated systems of biogas digesters

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Stahlmenge einen ausschlaggebenden Faktor für die öko-logische Qualität darstellt. Für den Tripod wurde inklusive der Gründungspfähle eine Stahlmasse von ~ 1300 t be-rücksichtigt, wohingegen für das Jacket eine Stahlmasse von ~ 830 t angesetzt wurde. Die von den Jacket-Werten aufgespannte Fläche im Polardiagram ist insgesamt kleiner und weist damit einen besseren Nachhaltigkeitswert auf als dies die Tripod-Struktur ergab. Einzelne Werte sind je-doch im Vergleich zur Tripod-Konstruktion erhöht. Auf-grund des erhöhten Fertigungsaufwands für die Referenz-struktur Jacket ergab sich gegenüber der Tripod-Struktur ein erhöhter Primärenergiebedarf U2b (s. Bild 4). Um Aus-wirkungen hinsichtlich des Korrosionsschutzes darzustel-len, wurde angenommen, dass eine der Gründungsstruktu-ren, hier das Jacket, mit deutlich mehr Opferanoden aus Aluminium bestückt ist. Durch den erhöhten Einsatz von Aluminium in Form von Opferanoden steigt der Bedarf an Wasser und dementsprechend nimmt der Wert des entspre-chenden Kriteriums U4 (s. Bild 4) ebenfalls einen höheren

Wert an als dies für die Vergleichsstruktur Tripod der Fall ist. Neben der grafischen Darstellung in Bild 4 sind weiter-hin die ökologischen Kriterien tabellarisch abgebildet. Die beiden kursiv dargestellten Kriterien Feinstäube U10 und Lärmbelastung U12 können aufgrund derzeit fehlender Angaben in den entsprechenden Datenbanken noch nicht erfasst werden.

Neben den einzelnen Kriterien wurden die ökologi-schen Effekte der einzelnen Lebenszyklusphasen A bis D sowohl für das Jacket als auch für die Tripod-Unterstruktur gegenübergestellt. Es zeigt sich, dass insbesondere die Le-benszyklusphase A „Planung bis Errichtung“ im Hinblick auf die ökologische Auswirkung der Stahlkonstruktion aus-schlaggebend ist (s. Bild 5). Obwohl in der Betriebsphase, Lebenszyklusphase B, Wartungs- und Instandsetzungsin-tervalle mit zeit- und kostenintensiven Offshore-Transpor-ten berücksichtigt wurden, wird ein wesentlich geringerer Gesamtprimärenergiebedarf benötigt. Die Lebenszyklus-phase C berücksichtigt den Rückbau der Stahlkonstruktion,

Nr. Abkürzung Kriterienbezeichnung

U1 PEnicht erneuerbar Primärenergie, nicht erneuerbar

U2a PEgesamt Primärenergie, gesamt

U2b PEerneuerbar Primärenergie, erneuerbar

U3 ADP abiotischer Ressourcenbedarf

U4 WB Wasserbedarf

U5 GWP Treibhauspotential

U6 ODP Ozonschichtabbaupotential

U7 POCP photochemisches Oxidantienbildungspotential

U8 AP Versauerungspotential

U9 EP Eutrophierungspotential

U10 PM Feinstäube

U11 RGU Risiko für Mensch und Umwelt

U12 N Lärmbelästigung

U13a PSA Recyclingpotential, Primärstahlanteil

U13b SV Recyclingpotential, Stahlverlust

U14 AE Abfallaufkommen

Bild 4. Ökologische Ergebnisse in Form eines Polardiagrammes (links) und Kriterien (rechts) für die beiden untersuchten Ausführungsvarianten einer Gründungsstruktur einer Offshore-WindenergieanlageFig. 4. Ecological results depicted in polar diagram (left) and criteria (right) for the investigated variants of execution of a steel support structure of an offshore wind energy turbine

Bild 5. Ökologische Ergebnisse am Beispiel von vier Kriterien für die Lebenszyklusphasen A bis D eines Jackets (links) und eines Tripods (rechts)Fig. 5. Ecological results at the example of four criteria for the life cycle stages A to D for a jacket (left) and tripod (right)

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wobei die Gründungspfähle nach derzeitigen Annahmen im Meeresboden verbleiben. In der Lebenszyklusphase D werden Gutschriften bspw. resultierend aus dem Recyc-lingprozess bewertet, welche folglich mit negativem Anteil in die Darstellung eingehen. Aufgrund der Recycling-freundlichkeit des Werkstoffs Stahl, welcher nahezu voll-ständig in den Kreislauf zurückgeführt werden kann, ist es von großer Bedeutung, die Kreislaufführung dieses Werk-stoffes in dem Bilanzierungsmodell zu integrieren. Dies wurde anhand des Closed-Loop-Ansatzes [17] durchgeführt.

3.2.2 Fermenter einer Biogasanlage

Die Auswertung der ökologischen Kriterien für die beiden untersuchten Ausführungsvarianten eines Biogasfermen-ters zeigt, dass sich mit Ausnahme der Kriterien Risiko für Mensch und Umwelt U11 und Wasserbedarf U4 für die Variante aus nichtrostendem Stahl deutlich niedrigere Werte als für die Variante aus Baustahl ergeben (s. Bild 6). Trotz unterschiedlicher spezifischer Werte der beiden Werk-stoffe stehen die Ergebnisse vorwiegend in direktem Zu-sammenhang mit der eingesetzten Stahlmasse, welche für die Variante aus Baustahl etwa dem 4,5-fachen der Masse für die Variante aus nichtrostendem Stahl entspricht. Bei den Kriterien U11 und U4 überschreiten die spezifischen Werte des nichtrostenden Stahls aufgrund höherer Schwer-metallemissionen sowie eines höheren spezifischen Was-serbedarfes die der Variante aus Baustahl. Für den Indika-tor des Primärstahlanteils des Kriteriums Recyclingpotential U13a ergeben sich aufgrund des ausschließlich eingesetzten Sekundärmaterials während der Stahlherstellung deutliche Vorteile für die Variante aus nichtrostendem Stahl. Für den Großteil der Indikatoren sind die Herstellungs- und Errich-tungsphase aufgrund der Relevanz der eingesetzten Stahl-masse ausschlaggebend, so dass die Nutzungs- und Rück-

bau- bzw. Recyclingphase hingegen tendenziell von gerin-gerer Bedeutung sind. Aufgrund des Recyclingpotentials von Stahl ergeben sich in der der Phase D nach Tabelle 1 deutliche Gutschriften für die einzelnen Indikatoren.

An dieser Stelle sei erneut darauf hingewiesen, dass die ökologischen Ergebnisse eine beispielhafte Betrachtung darstellen und lediglich zur Veranschaulichung der Bewer-tungsmethodik dienen. Sie dürfen daher nicht grundsätz-lich für die betrachteten Ausführungsvarianten herangezo-gen werden. Die Ergebnisse der mithilfe des entwickelten Bewertungstools erstellten Ökobilanz sind aufgrund be-grenzter Eingabedaten sowie teilweise eigens getroffenen Annahmen nicht mit den Ergebnissen einer detaillierten Ökobilanzierung beziehungsweise einer Umweltprodukt-deklaration Typ III (EPD) gleichzusetzen. Ökologische Auswirkungen eines gesamten Windparks wurden bereits von Wagner et al. [19] durchgeführt.

3.3 Ausgewählte Nachhaltigkeitskriterien

Zur Bewertung der ökonomischen Nachhaltigkeit über die gesamte Lebensdauer einer Anlage kann das genormte Verfahren der Lebenszykluskostenberechnung in Anleh-nung an DIN EN 15643-4 [20] angewendet werden. Neben der eingesetzten Materialmenge und -art machen die Trans-portwege sowie der Fertigungsaufwand einen großen An-teil der Lebenszykluskosten aus. Bei Offshore-Windener-gieanlagen wird ein maßgebender Anteil der Kosten durch die Fertigungs- und Installationsprozesse verursacht, wie eigene Untersuchungen ergaben. Nachfolgende Lebenszy-klusphasen wie Rückbau und Betrieb verursachen im Ge-gensatz zur Lebenszyklusphase A geringere Kosten.

Die Kategorie Soziologie umfasst nachhaltigkeitsbe-zogene Kriterien, welche soziale Aspekte für einen Arbeit-nehmer während der Fertigung der Stahlkonstruktion wie beispielsweise Arbeitssicherheit, Aus- und Weiterbildung oder Familienfreundlichkeit berücksichtigen. Während der Errichtung und Wartung von Offshore-Windenergieanla-gen stellen insbesondere die Arbeitssicherheit und Vorhal-tung geeigneter Notfallmaßnahmen einen großen Einfluss-faktor dar.

Gründungsstrukturen von Offshore-Windenergieanla-gen sowie Fermentern von Biogasanlagen ist gemein, dass erhöhte Anforderungen an das technische Kriterium des Korrosionsschutzes bestehen. Korrosionsschutzsysteme mit mehrlagigen Beschichtungen wirken sich aufgrund ih-rer chemischen Zusammensetzung insbesondere auf die ökologischen Kriterien signifikant aus. Während der Appli-kation ist neben der Verwendung möglichst lösemittel-freier Systeme auf eine gründliche Oberflächenvorberei-tung sowie eine vollflächige Anwendung zu achten. Er-höhte Nutzungsdauern sowie die Wiederverwendbarkeit der Konstruktion wie z. B. bei geschraubten Biogasfermen-tern beeinflussen die Nachhaltigkeit ebenfalls positiv.

Planerische und prozesstechnische Abwicklungen im Bereich des Bauprozesses werden in der Kategorie Prozess-qualität berücksichtigt. Dabei werden u. a. Transportmen-gen, -güter und -wege sowie die eingesetzten Verkehrsträ-ger erhoben und ausgewertet. Insbesondere die Wahl des Verkehrsträgers, ob per Bahn, Lkw oder Schiff, und die Länge der Transportstrecke haben einen großen Effekt auf diesen Aspekt der Nachhaltigkeit. Dies konnte in Untersu-

Bild 6. Ökologische Ergebnisse in Form eines Polardiagram-mes für die beiden untersuchten Ausführungsvarianten eines BiogasfermentersFig. 6. Ecological results depicted in polar diagram for the investigated variants of execution of a biogas digester

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chungen an den Referenzstrukturen Tripod und Jacket un-ter Verwendung unterschiedlicher Herstellungsorte und Transportwege sowie Verkehrsträger festgestellt werden.

3.4 Stärkung des Marktpotentials von stählernen Biogasanlagen

Derzeit werden weiterführende Untersuchungen vorange-trieben, um das Marktpotential von Biogasanlagen in Stahl-bauweise zu stärken und die Konkurrenzfähigkeit gegen-über konkurrierenden Bauweisen zu steigern. Geplant ist die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsbewertungsme-thodik mit Fokussierung des Betrachtungsrahmens auf die gesamte Biogasanlage inklusive der Anlagenkomponenten sowie unter Berücksichtigung des Biogasprozesses und sei-ner Auswirkungen auf das Korrosionsverhalten der einge-setzten Werkstoffe. Dies beinhaltet eine Anpassung und Erweiterung des bestehenden Kriterienkataloges. Bei der ausschließlichen Betrachtung der Stahlkonstruktion spie-len vorwiegend Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit der Fermenter eine entscheidende Rolle. Infolge der Erweiterung der Systemgrenze auf die gesamte Biogasanlage nimmt die Bedeutung der Nutzungsphase erheblich zu und die Bauwerkszielfunktion verschiebt sich in Richtung der Gewinnung Erneuerbarer Energie, so dass als funktionelle Einheit die elektrische Leistung in kWel angesetzt werden kann. Die Erarbeitung von geeigneten, konstruktionsabhängigen und kriterienbezogenen Refe-renzwerten ist daher erforderlich, um eine Grenzzustands-betrachtung der Nachhaltigkeit für stählerne Biogasanla-gen durchführen zu können. Dies beinhaltet insbesondere die unterschiedliche Wichtung der verschiedenen Nach-haltigkeitskategorien bzw. -kriterien.

4 Zusammenfassung und Ausblick

Auf Basis der Bewertungssysteme des DGNB und BNB wurde eine Bewertungsmethodik entwickelt, mit deren Hilfe Stahlkonstruktionen regenerativer Technologien un-ter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bewer-tet werden können. Die Bewertungsmethodik umfasst ei-nen Katalog mit 35 Bewertungskriterien, welche die Kate-gorien Ökologie, Ökonomie, Soziologie, Technik und Prozess abdecken. Die Gegenüberstellung verschiedener Ausführungsvarianten hat gezeigt, dass ein Vergleich in Bezug auf nachhaltigkeitsorientierte Gesichtspunkte grundsätzlich möglich ist und aussagekräftige Schlussfol-gerungen gezogen werden können. Mit Hilfe der ökologi-schen Nachhaltigkeitsbewertung können einzelne Lebens-zyklusphasen und eingesetzte Werkstoffe mit erhöhten Beiträgen an den Gesamtergebnissen identifiziert und Op-timierungspotentiale abgeleitet werden. Während der An-wendung der Bewertungsmethodik sind identische Rand-bedingungen einzuhalten, um einen maßstabsgetreuen Variantenvergleich zu ermöglichen. Eine Zusammenfas-sung aller einzelnen Kriterien zu einem gesamten so ge-nannten Ausnutzungsgrad der Nachhaltigkeit ist aufgrund derzeit fehlender Referenzwerte nicht möglich. Die Metho-dik dient insbesondere als Entscheidungshilfe und zur Nachhaltigkeitssensibilisierung aufseiten der Planung, Herstellung und Fertigung von Stahlkonstruktionen für Erneuerbare Energien.

Danksagung

Die vorgestellten Ergebnisse und entwickelte Bewertungs-methode wurden im Rahmen des Forschungsprojektes „NaStafEE – Nachhaltige Stahlkonstruktionen für Erneu-erbare Energien“ (Laufzeit: 05/2010-10/2012) als Teil des Verbundforschungsprojektes NASTA initiiert durch die Forschungsvereinigung Stahlanwendung e. V. (FOSTA) [21] erarbeitet. Das IGF-Vorhaben (16599 N/FOSTA Nr. P844) der FOSTA wurde über die Arbeitsgemeinschaft industri-eller Forschung (AiF) im Rahmen des Programms zur För-derung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Die Autoren bedanken sich für die finanzielle Unterstützung beim BMWi sowie für die organisatorische Unterstützung bei der FOSTA und im Speziellen für die hervorragende Betreuung des Forschungsprojektes durch Herrn Dr. Gregor Nüsse M.Sc. Weiterhin bedanken sich die Autoren bei allen projektbeteiligten Industriepartnern für die Unterstützung und die Bereitstellung von Informa-tionen während der Projektlaufzeit.

Literatur

[1] Zeitreihen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, unter Verwendung von Daten der Ar-beitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat), Dezember 2013.

[2] EEG – Gesetz zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energien. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2011, Teil I, Nr. 42, Bundesanzei-ger Verlag, Bonn 2011, gültig ab 01. 01. 2012.

[3] Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2011, Teil 1, Nr. 43, Bundesanzei-ger Verlag, Bonn 2011, gültig ab 06. 08. 2011.

[4] 4coffshore: Global Offshore Wind Farms Database, http://www.4coffshore.com/offshorewind/, 05/2013, Suffold, UK.

[5] Schaumann, P., Bechtel, A.: Nachhaltigkeitsbewertung stählerner Tragkonstruktionen von Windenergieanlagen. Stahlbau 82 (2013), H. 9, S. 665–670.

[6] Stranghöner, N.: Nachhaltigkeit von Stahlstrukturen zur Ge-winnung Erneuerbarer Energien. Deutscher Stahlbautag 2012, 18. Oktober 2012, Aachen.

[7] Stranghöner, N., Berg, J., Gorbachov, A., Schaumann, P., Bechtel, A., Eichstädt, R., Wagner, H.-J., Baack, C., Lohmann, J.: Nachhaltigkeitsbewertung stählerner Tragkonstruktionen Erneuerbarer Energien. Stahlbau 82 (2013), H. 1, S. 42-48.

[8] Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB): DGNB Handbuch – Neubau Büro- und Verwaltungsgebäude. Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V., Stuttgart, 2009.

[9] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für Bundesgebäude (BNB). http://www.bnb-nachhaltigesbauen.de/, 03/2014, Berlin.

[10] Schaumann, P., Bechtel, A., Eichstädt, R., Wagner, H.-J., Baack, C., Lohmann, J., Stranghöner, N., Berg, J., Gorbachov, A.: Nachhaltige Stahlkonstruktionen für erneuerbare Ener-gien (NaStafEE). FOSTA-Schlussbericht zum AiF-Forschungs-vorhaben gefördert durch das BMWi (IGF: 16599 N), Düs-seldorf, 2014 (in Vorbereitung).

[11] DIN EN 15804:2012-04: Nachhaltigkeit von Bauwerken – Umweltproduktdeklaration – Grundregeln für die Produkt-

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P. Schaumann et al. · Nachhaltige Stahlkonstruktionen für Erneuerbare Energien

494 Stahlbau 83 (2014), Heft 7

kategorie Bauprodukte. Deutsche Fassung EN 15804:2012, Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin: Beuth Verlag.

[12] DIN EN 15978:2012-10: Nachhaltigkeit von Bauwerken – Bewertung der umweltbezogenen Qualität von Gebäuden – Berechnungsmethode. Deutsche Fassung EN 15978:2011, Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin: Beuth Verlag.

[13] Hauke, B., Siebers, R.: Ökobilanzieller Vergleich von Hal-len unterschiedlicher Bauweisen. bauforumstahl e. V., Düssel-dorf, 2012.

[14] Schaumann, P., Böker, C., Bechtel, A., Lochte-Holtgreven, S.: Support Structures of Wind Energy Converters. CISM Course and Lectures, Vol. 531, Environmental Wind Engineering and Design of Wind Energy Structures, pp. 191–253, Udine, Italien, Springer press.

[15] DIN EN ISO 14040:2009-11: Umweltmanagement – Öko-bilanz – Grundsätze und Rahmenbedingungen. Deutsche und Englische Fassung EN ISO 14040:2006, Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin: Beuth Verlag.

[16] Ökobau.dat: Datenbank Version 2011. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, http://www.nach-haltigesbauen.de/baustoff-und-gebaeudedaten/oekobaudat.html, 05. 10. 2012, Berlin.

[17] Schaumann, P., Bechtel, A., Wagner, H.-J., Baack, C., Lohmann, J., Stranghöner, N., Berg, J.: Zur Nachhaltigkeitsbe-wertung von Stahlkonstruktionen für regenerative Energien. Stahlbau 80 (2011), H. 10, S. 711–719.

[18] Schaumann, P., Bechtel, A., Wagner, H.-J., Stranghöner, N.: Indicators for Sustainability Assessment of Renewables. Pro-ceedings of third International Symposium on Life-Cycle Civil Engineering. IALCCE 2012, pp. 1745 – 1752, Wien, Österreich.

[19] Wagner, H.-J., Baack, C., Eickelkamp, T., Epe, A., Lohmann, J., Troy, S.: Die Ökobilanz des Windparks alpha ventus. Münster: LIT-Verlag 2010.

[20] DIN EN 15643-4:2012-04: Nachhaltigkeit von Bauwerken – Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden – Teil 4: Rah-menbedingungen für die Bewertung der ökonomischen Qua-lität. Deutsche Fassung EN 15643-4:2012, Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin: Beuth Verlag.

[21] Nuesse, G., Limbachiya, M., Herr, R., Wieland, H.-J.: Active management of the early innovation phases in steel applica-tion research for the construction sector. Steel Construction 4 (2011), No. 1, pp. 34–40.

Autoren dieses Beitrages:Univ.-Prof. Dr.-Ing. Peter Schaumann,Dipl.-Ing. Anne Bechtel,Dipl.-Ing. Rasmus Eichstädt,Institut für Stahlbau,Leibniz Universität Hannover,Appelstraße 9A, 30167 Hannover,[email protected]

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Natalie Stranghöner,Jörn Berg M.Sc.,Anna Gorbachov M.Sc.,Institut für Metall- und Leichtbau,Universität Duisburg-Essen,Universitätsstraße 15, 45141 Essen,[email protected]

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Hermann-Josef Wagner,Dipl.-Ing. Julian Röder,Lehrstuhl Energiesysteme und Energiewirtschaft,Ruhr-Universität Bochum,Universitätsstraße 150, 44801 Bochum,[email protected]