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12/16/2011 1 Universität Stuttgart Prof. Dr.-Ing. Martin Kranert Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft Nahrungsmittelabfälle - eine unterschätzte Größe BGK- Humustag Fulda, 30.11.2011 erstellt von Prof. Dr.-Ing. Martin Kranert Dipl.-Ing. Gerold Hafner Dipl.-Ing. Jakob Barabosz Dipl.-Ing. Heiko Schuller Universität Stuttgart Prof. Dr.-Ing. Martin Kranert Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft 1. Einführung 2. Definition Lebensmittelabfall 3. Erste Untersuchungsergebnisse zu Lebensmittelabfällen 4. Lebensmittelverbrauch und „graue“ Energie 5. Lebensmittelprojekte in Deutschland 6. EU-Ziele bis 2020 7. Problematik 8. Schlussfolgerungen Inhalt

Nahrungsmittelabfälle - eine unterschätzte Größe · 12/16/2011 1 Prof. Dr.-Ing. Martin Kranert – Lehrstuhl fürAbfallwirtschaft und Abluft Universität Stuttgart Nahrungsmittelabfälle

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12/16/2011

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Universität StuttgartProf. Dr.-Ing. Martin Kranert – Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft

Nahrungsmittelabfälle- eine unterschätzte Größe

BGK- HumustagFulda, 30.11.2011

erstellt von

Prof. Dr.-Ing. Martin KranertDipl.-Ing. Gerold Hafner

Dipl.-Ing. Jakob BaraboszDipl.-Ing. Heiko Schuller

Universität StuttgartProf. Dr.-Ing. Martin Kranert – Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft

1. Einführung

2. Definition Lebensmittelabfall

3. Erste Untersuchungsergebnisse zu Lebensmittelabfällen

4. Lebensmittelverbrauch und „graue“ Energie

5. Lebensmittelprojekte in Deutschland

6. EU-Ziele bis 2020

7. Problematik

8. Schlussfolgerungen

Inhalt

12/16/2011

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Universität StuttgartProf. Dr.-Ing. Martin Kranert – Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft

Studie der FAO:Jährlich werden ca. 1/3 –1,3 Milliarden Tonnen- aller für den Verzehr bestimmter Lebensmittel weggeworfen

Spiegel-online vom 17.10.2011:…in den Industriestaaten werden jährlich mehr als 220 Millionen Tonnen Essen weggeworfen (FAO), rund 20 Millionen Tonnen sind es in Deutschland, etwa 250 Kilogramm pro Bundesbürger.

Quelle: Spiegel-online

500.000 Laster, eine Kette von Berlin bis Peking…alle haben das selbe Geladen…weggeworfene Lebensmittel (Stuttgarter Nachrichten vom 05.10.2011)

Lebensmittel im Abfall

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Kreuzberger S., Thurn V.: Die Essensvernichter

Lebensmittel im Abfall

ca. 165 kg/E.aDistribution, Restaurants, Kantinen und zu Hause(New York Times)

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Wieviel ist es nun wirklich?

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Akteure und Zusammenhänge

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Definition Lebensmittelabfall

� rohe und verarbeitete Lebensmittel

� umfasst die in den Lebensmitteln enthaltenen Kerne, Schalen und Knochen sowie die Verpackungen, soweit solche vorhanden sind und in den Daten enthalten sind

Dabei wird unterschieden:

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Vermeidbare LM-Abfälle (Beispiele)

� zum Entsorgungszeitpunkt uneingeschränkt genießbar

� wären bei rechtzeitiger Verwendung genießbar gewesen

• aus verschiedenen Gründen nicht marktgängig (landwirtschaftliche Produktion, Bruch und Fehlchargen, (Weiter-)Verarbeitung, Handel) bzw.

• aus unterschiedlichen Gründen nicht gegessen (Großküchen- und Gastronomiebetriebe, Konsument)

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Fakultativ vermeidbare LM-Abfälle (Beispiele)

� Mischung von vermeidbaren und nicht vermeidbaren Lebensmittelabfällen handelt (z.B. Speisereste, Kantinenabfälle), eine genauere Differenzierung ist jedoch nicht möglich (Literatur)

� Aufgrund unterschiedlicher Konsumentengewohnheiten als teilweise vermeidbar eingestuft (z.B. Brotrinde, Apfelschalen).

Diese Kategorie wird vor allem in der britischen Literatur verwendet (WRAP).

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Nicht vermeidbare LM-Abfälle (Beispiele)

� Üblicher Anfall bei der Speisenzubereitung

� enthält

• nicht essbare (z.B. Knochen, Kerne, Schalen) und essbare Bestandteile (z.B. Gurkenschalen, Kartoffelschale),

• aufgrund von Umwelteinflüssen (z.B. Hagel, Schädlingen/Krankheitserregern, Überschwemmungen) weggeworfen bzw. nicht geerntet. (soweit Datenlage diese Erhebung zulässt),

• Verpackungen, soweit solche vorhanden sind und in den Daten enthalten sind.

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Anfallstellen und Mengen an Lebensmittelabfall

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Lebensmittelabfall aus Haushalten in D

Quelle: Cofresco (2011)

∑: 80 kg/(E*a)

- 6,6 Mio Mg/a Lebensmittelabfall (ca. 80 kg/(E*a))- Wert ca. 25,4 Milliarden EUR/a (ca. 309 EUR/(E*a))

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- 16 Pilothaushalte mit insgesamt 43 Personen

- Monitoring über 3 Monate mit Hilfe von rechnergestützten Tagebüchern:

- 1. Monat: Ist-Situation des Konsumverhaltens und der Abfallmenge

- 2.Monat: durch unterschiedliche Maßnahmen Einflussnahme auf Konsum und Wegwerfverhalten

- 3.Monat: Verhaltensänderungen durch angewandte Maßnahmen verifizieren (oder auch zu falsifizieren)

Untersuchung im LK Ludwigsburg (GreenCook)Lebensmittelabfall in 16 Pilothaushalten

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Lebensmittelabfall in 16 Pilothaushalten in LB

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Quelle: Barabosz, 2011

∑: 17,5 kg/(E*a)

Lebensmittelabfall in 16 Pilothaushalten in LB

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Gründe für vermeidbare Lebensmittelabfälle in Pilothaushalte in LB

14%

26%

20%

3%

21%

16%

Lebensmittel-Abfallmenge

Verteilung nach Grund (Gesamt: ca. 123,5 kg)

Mindesthaltbarkeit

falsche Lagerung

keine Lust

bereits schlechtes Produkt gekauft

zu viel gekocht

Sonstiges / k.A.

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Lebensmittel im Restmüll im Landkreis LB, 2010

Fleisch/Wurst, 18,8%

Käse, 11,8%

Konserven, 2,5%

Obst/Gemüse/Sal-at 1,1%

Süßwaren, 15,3%Suppen/Kräuter, 0,

0%

Tee/Kaffee, 0,3%

Brot/Teigwaren, 35,0%

Rest, 15,1%

Prozentuelle Zusammensetzung der Lebensmittelabfälle(verpackt) 3kg/(E*a)

Universität StuttgartProf. Dr.-Ing. Martin Kranert – Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft

Fleisch/Wurst, 14,4%

Käse,2.4%

Obst/Gemüse/Salat39,8%

Brot/Teigwaren, 32,0%

Rest 11,4%

Prozentuelle Zusammensetzung der Lebensmittelabfälle(unverpackt) 2 kg/(E*a)

Lebensmittel im Restmüll im Landkreis LB, 2010

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Universität StuttgartProf. Dr.-Ing. Martin Kranert – Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft

Lebensmittelabfall in 30 Pilothaushalten in Österreich

Quelle: Selzer, 2010

∑: 22,5 kg/(E*a)

Universität StuttgartProf. Dr.-Ing. Martin Kranert – Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft

Zusammensetzung der Lebensmittel im Restabfall in einer oberösterreichischen Region

∑: 15,6 kg/(E*a)

Quelle: Schneider, Lebersorger 2009

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Universität StuttgartProf. Dr.-Ing. Martin Kranert – Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft

Lebensmittelabfall im deutschen Handel

Universität StuttgartProf. Dr.-Ing. Martin Kranert – Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft

Genießbarer Lebensmittelabfall aus zwei österreichischen Discount-Märkten

� Laufzeit 10 Wochen

�Gesamtmenge: 4600 kg

�45 kg/(Filiale*d) => 13,5 t/ /(Filiale*a)

�45 % Gemüse, 27% Obst, 28% Sonstige(Milchprodukte, Fleisch, etc.)

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Universität StuttgartProf. Dr.-Ing. Martin Kranert – Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft

Lebensmittelverbrauch und „graue Energie“

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20,8

22,3

33,7

60,7

70,6

88,4

88,6

90,43

97,9

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Eier

Fett

Käse

Zucker

Kartoffeln

Obst

Fleisch

Getreide

Gemüse

Milch

kg/E.a

Lebenmittelverbrauch in Deutschland 2007/08

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Landwirtschaft

2,0

1,2

3,6

1,3

1,8

0,8

5,9

2,0

1,4

2,1

0,5

17,0

0,8

2,8

2,4

1,6

3,8

3,9

56,4

31,7

30,0

0 10 20 30 40 50 60

Weizen

Mais

Reis

Bohnen

Soja

Karotten

Spargel

Kopfsalat

Spinat

Blumenkohl

Tomate Freiland

Tomate Treibhaus

Äpfel

Kirschen

Weintrauben

Erdbeeren

Sonnenblumen

Raps

Rindfleisch

Schweinefleisch

Geflügelfleisch

MJ/kg

Primärenergieeinsatz in der Landwirtschaft

zur Produktion von 1 kg ...

Quelle: verändert nach Taylor; C.:

Produktionsweise

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Lebensmittelverarbeitung

6,0

18,4

8,0

9,0

8,6

19,6

30,3

3,8

11,9

28,7

7,2

19,1

51,4

82,3

16,6

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Weizenbrot

Knäckebrot

Keks

Kuchen

Torte

Pizza mit Fleisch

Kartoffelpüree

Yoghurt

Sahne, Creme…

Käse

Quark

Butter

Brühwurst

Schinken

Fischkonserve

MJ/kg

Primärenergieeinsatz in der Lebensmittelverarbeitung

zur Produktion von 1 kg ...

Quelle: verändert nach Taylor; C.:

Inklusiv Vorketten

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„Lebensmittelprojekte“ in Deutschland

� Nordwesteuropa: “GreenCook –länderübergreifende Strategie für den nachhaltigenUmgang mit Lebensmitteln”

� Nordrhein-Westfalen: „Verringerung von Lebensmittelabfällen – Identifikation von Ursachen und Handlungsoptionen in NRW“ (Studie erstellt durch FH-Münster + Verbraucherzentrale NRW im Auftrag des MKULNV NordrheinWestfalen)

� Bundesrepublik Deutschland: „Ermittlung der weggeworfenen Lebensmittelmengen und Vorschläge zur Verminderung der Wegwerfrate bei Lebensmitteln in Deutschland“ (Studie erstellt durch Universität Stuttgart im Auftrag des BMELV)

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EU-Ziele bis 2020 (Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa)

� Reduzierung des Ressourcen-Inputs in der LM-Kette um 20 %

� Halbierung der genusstauglichen Lebensmittelabfälle

� Mitteilung über nachhaltige Lebensmittel bis spätestens 2013

� Methodik für Nachhaltigkeitskriterien für wichtige Lebensmittel bis 2014

� Grünbuch über die nachhaltige Verwendung von Phosphor bis 2012

� Mitgliedsstaaten sollen die LM-Verschwendung als Bestandteil der Abfallvermeidungsprogramme bis 2013 aufnehmen

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Problematik

� Keine wissenschaftlich abgesicherte und repräsentative Datenbasisfür Deutschland vorhanden

� Datenerhebung schwierig (u.a. aufgrund der Vielzahl von Akteuren)

� Große Schwankungsbreiten von Ergebnissen unterschiedlicherStudien

� Keine einheitliche Systematik(Definitionen, Systemgrenzen, Methodik, etc.) => Vergleichbarkeitunterschiedlicher Studien nur eingeschränkt möglich

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Universität StuttgartProf. Dr.-Ing. Martin Kranert – Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft

Schlussfolgerungen

� Erarbeiten einer einheitlichen Definition von Lebensmittelabfall

� Schaffung einer wissenschaftlich abgesicherten Datenbasis

� Einrichtung eines nationalen Monitoringsystemswünschenswert

� Einrichtung einer nationalen Plattform (runder Tisch o.ä.)

� Einbindung aller relevanten Akteure, EU-Kontext

� Lebensmittelproduktion mit hoher Energie- und Klimarelevanz

� Vermiedene Lebensmittelabfälle tragen zum Ressourcen- und Klimaschutz bei

� Nicht vermeidbare Lebensmittelabfälle einer energetischenNutzung (Biogas) und stofflichen Verwertung (Kompost) zuführen.

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !