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Dialogforum
Biotopverbund Bonn, 3./4. November 2010
Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt
Dokumentation
Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt
Dialogforum zur biologischen
Vielfalt Bonn, 3./4. November 2010
Dokumentation
1
Dialogforum zur biologisch
en Vielfalt
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund………………………………………………………………………………………………….. 2
Ziele des Dialogforums…………………………………………………………………………………..… 2
Programm…………………………………………………………………………………………………….2
Teilnehmende am Dialogforum…………………………………………………………………………….4
Ergebnisse……………………………………………………………………………………………………4
Vorträge……………………………………………………………………………………………………….5
Podiumsdiskussion………………………………………………………………………………………….16
Impressionen von der Veranstaltung……………………………………………………………………...17
Ansprechpartner
Dr. Anita Breyer
Bundesumweltministerium
Referat N I 2
Robert-Schuman-Platz 3
53175 Bonn
E-Mail: [email protected]
Dr. Peter Finck
Bundesamt für Naturschutz
Fachgebiet I 2.1
Konstantinstraße 110
53179 Bonn
E-Mail: [email protected]
Text und Gestaltung
nova-Institut für Ökologie und Innovation
Arno Todt
Chemiepark Knapsack
Industriestraße 300
50354 Hürth
E-Mail: [email protected]
Titelfoto: intention, Bonn
Nationale Strategie zu biologischen Vielfalt
Dialogforum zur biologischen
Vielfalt Bonn, 3./4. November 2010
Dokumentation
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Dialogforum Biotopverbund Bonn, 3./4. November 2010
Hintergrund
Der Umsetzungsprozess für die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) wurde im Dezember 2007 mit einem nationalen Forum und sieben regionalen Foren begonnen. Mit dem zweiten Nationalen Forum im Herbst 2008 begann eine neue Phase des Umsetzungsprozesses. Einen Schwerpunkt dieser Phase bilden Dialogforen, in denen mit unterschiedlichen Akteurs-gruppen themenspezifisch an der Umsetzung der NBS gearbeitet wird.
Im Rahmen dieser Umsetzungsphase fand das Dialogforum „Biotopverbund“ am 3./4. November 2010 im Bundesamt für Naturschutz in Bonn statt. Das Forum widmete sich einem zentralen Akti-onsfeld der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt: die Vernetzung von Schutzgebieten zu funktional zusammenhängenden Biotopverbundsystemen, die für die Erhaltung der biologischen Vielfalt von zentraler Bedeutung sind. Dieser länderübergreifende Biotopverbund soll mindestens 10 Prozent der Landesfläche umfassen. Besonderer Wert wird auf die Vernetzung der Lebens-räume auch außerhalb von Schutzgebieten gelegt.
Ziele des Dialogforums
Ziel dieses Dialogforums war es, die Bedeutung des Biotopverbundes in der Diskussion zu stär-ken. Der Blick sollte insbesondere auf die Notwendigkeit eines Biotopverbundes auch außerhalb von Schutzgebieten gelenkt und bei den mit raumrelevanten Planungen und konkreten Natur-schutzmaßnahmen befassten Akteuren bekannt gemacht werden. Auf Basis aktueller Biotopver-bundkonzepte und konkreter Umsetzungsbeispiele sollten die Möglichkeiten zur Realisierung des Biotopverbunds in der Landschaft ausgelotet werden.
Außerdem zielte die Veranstaltung darauf ab, den Informationsaustausch zwischen den zustän-digen Behörden und Verbänden zu fördern. Schließlich erscheint es geboten, auch im politischen Bereich auf die Bedeutung des Biotopverbunds mit dem Ziel hinzuweisen, eine stärkere Unter-stützung von dieser Seite zu erreichen.
Programm
Mi, 03.11.2010
13:00
Begrüßung, Dr. Uwe Riecken, BfN
13:10 Biotopverbund und biologische Vielfalt in Deutschland, Ursula Heinen-Esser, Parlamentarische Staatssekretärin im BMU
13:30 Einführung in die Thematik Dr. Peter Finck, BfN
Nationale Strategie zu biologischen Vielfalt
Dialogforum zur biologischen
Vielfalt Bonn, 3./4. November 2010
Dokumentation
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Dialogforum zur biologisch
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14:00 Länderübergreifender Biotopverbund in Deutschland - Grundlagen und Fachkonzept,
Dr. Kersten Hänel, Universität Kassel & Daniel Fuchs, Büro PAN München
14:45 Kaffeepause
15:15 Rettungsnetz Wildkatze, Thomas Mölich, BUND Thüringen
15:45 Biotopverbund in NRW, Richard Genkinger, LANUV NRW
16:15 Integration des Biotopverbunds in die räumliche Gesamtplanung, Dr. Birgit Hertzog, Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge
16:45 E+E-Projekt „Holsteiner Lebensraumkorridore“, PD Dr. Heiner Reck, Ökologie-Zentrum Universität Kiel
17:15 Konzept u. Umsetzung eines ökologischen Netzwerkes in den Niederlanden, Drs. Bram Vreugdenhill, Provinz Gelderland, Niederlande
18:00 Ende erster Tag
Do, 04.11.2010
9:00 Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit an Bundeswasserstra-ßen - Ein Beitrag des Bundesverkehrsministerium zur Biotopvernetzung, Dr. Birgit Esser, BMVBS
9:30 Umsetzung des Bayerischen Biotopverbundkonzepts im Rahmen des Programms „BayernNetz Natur“, Dr. Jens Sachteleben, Büro PAN München
10:00 Verbund im Zentrum Deutschlands: Naturschutzgroßprojekt „Grünes Band Eichsfeld – Werratal“, Holger Keil & Walter Stelte, Heinz-Sielmann-Stiftung, Herbigshagen
10:30 Biotopverbund längs u. quer: Naturentwicklung in der renaturierten Lippeaue, Dr. Margret Bunzel-Drüke, Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz Soest & Ulrich Detering, Bezirksregierung Arnsberg
11:00 Kaffeepause
11:30 Podiumsdiskussion
Diskussionsleitung: Heinz Werner Persiel, BBN e.V.
• Gertrud Sahler, AbtL. Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung, BMU
• Dr. Uwe Riecken, BfN
• Ulrich Stöcker, DUH
• Dr. Martin Woike, AbtL. Forsten und Naturschutz, MKULNV NRW
• Dr.-Ing. Markus Leibenath, IÖR, Dresden
• Felix Stenschke, UAL. Wasserstraßen und Schifffahrt, BMVBS
12:45 Zusammenfassung Dr. Anita Breyer, BMU
Nationale Strategie zu biologischen Vielfalt
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Vielfalt Bonn, 3./4. November 2010
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Dr. Uwe Riecken, BfN, begrüßt die Teilnehmenden
Dr. Anita Breyer, BMU, fasst die Veranstaltungsresultate zusammen
Teilnehmende am Dialogforum
An der Veranstaltung haben rund 100
Personen aus Verwaltung, Politik,
Verbänden sowie Wissenschaft und
Planung teilgenommen. Das Spektrum
reichte von Vertretern von Bundes- und
Landesministerien und -fachbehörden,
Bezirksregierungen und Umweltämtern über
den Sachverständigenrat für Umweltfragen,
Universitäten und Planungsbüros bis hin zu
Stiftungen und Verbänden wie NABU, BUND
und VDN.
Ergebnisse
Mit der Veranstaltung wurde ein breites
Spektrum von Akteuren auf der Ebene der
Länder und Regionen erreicht, die für die
Realisierung des Biotopverbundes in
Deutschland relevant sind. Die große Zahl
der Teilnehmenden demonstriert das
beträchtliche fachliche Interesse an dem
Thema. Der intensive fachliche Austausch
durch die Vorträge und die Diskussionen im
Plenum und jenseits des formalen Rahmens
haben wichtige Informationen und Impulse
für einen länderübergreifenden Biotopverbund geliefert sowie eine gute Basis für eine weitere
Zusammenarbeit gelegt.
Fachlich ist deutlich geworden, dass die Verbesserung des politischen Stellenwerts des Themas
und die Verankerung in Politik und Gesellschaft eine wichtige Voraussetzung für eine grüne Infra-
struktur, wie dem länderübergreifenden Biotopverbund, bilden. Eine große Bedeutung kommt
dabei der engen Verbindung mit der Nationalen Strategie für biologische Vielfalt zu. Offensichtlich
wurde auch, dass ein bundesweiter Biotopverbund wichtige Beiträge zur Minderung der Folgen
des Klimawandels für Natur und Umwelt liefert.
Bei der aktuellen Entwicklung des Biotopverbundes wurde für viele Bundesländer ein guter Status
bei der Konzeptentwicklung, aber eine weniger befriedigende Situation bei der Umsetzung fest-
gestellt. Die Integration der Biotopverbund-Planung auf allen Ebenen der Raumordnungsplanung
könnte einen Ansatz bieten, diese Entwicklung zu verbessern. Als besonders wichtig wurde dabei
die Zusammenarbeit mit den Kommunen angesehen. Das Vorgehen in Bayern könnte als Bei-
spiel dienen. Das im BNatSchG verankerte Ziel, der Biotopverbund solle mindestens 10 Prozent
Nationale Strategie zu biologischen Vielfalt
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der Landesfläche umfassen, wurde kritisch beleuchtet, da es leicht als rein quantitatives Ziel fehl-
interpretiert und dann, scheinbar allein aufgrund der ausgewiesenen Schutzgebiete, als erfüllt
angesehen wird. Diese Betrachtung vernachlässigt die für den Biotopverbund zentralen und im
Gesetz geforderten Funktionsbeziehungen.
Deutlich wurde auch, dass beim Aufbau des länderübergreifenden Biotopverbundes noch stärker
als bislang die wichtigen Funktionen dieser Struktur für Natur und Gesellschaft (Ökosystem-
dienstleistungen) herausgestellt und mit Naturnutzern, insbesondere der Land- und Forstwirt-
schaft, noch enger zusammen gearbeitet werden sollte.
Das Thema Biotopverbund könnte zudem in den Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik
(GAP) der EU mit dem Ziel platziert werden, Agrarumweltmaßnahmen auch in die Gebietskulisse
eines landesweiten bzw. länderübergreifenden Biotopverbundes zu lenken. Darüber hinaus wur-
de vorgeschlagen, dass sich das BMU noch stärker dafür einsetzt, dass mehr Mittel der GAP zur
Finanzierung von Naturschutz und Biotopverbund im Sinne von „öffentlichem Geld für öffentliche
Güter“ eingeplant werden.
Besonders begrüßt wurde in der Veranstaltung die Initiative des BMVBS, als Eigentümer von
7.300 Kilometer Bundeswasserstraßen, auf der Grundlage des neuen Wasserhaushaltsgesetzes
weit reichende Synergien zwischen Biotopverbund, Verkehr und Wasserwirtschaft zu entwickeln.
Aus den Erfahrungen der Referenten wurden schließlich drei Erfolgsfaktoren deutlich, die auf den
Entwicklungsprozess zu einem bundesweiten Biotopverbund zutreffen: 1) Langfristigkeit und
Kontinuität bei den Instrumenten, 2) Freiwilligkeit, Kooperation und Partnerschaft mit unterschied-
lichen Akteursgruppen, 3) aktive, fördernde Rolle des Staates.
Vorträge
Biotopverbund und biologische Vielfalt in Deutschland
Ursula Heinen-Esser, Parlamentarische
Staatssekretärin im
Bundesumweltministerium
Der Schutz der biologischen Vielfalt steht
ganz oben auf der politischen Agenda. Die
Natur mit ihrer biologischen Vielfalt erbringt
in vielfältigen Bereichen wichtige Dienstleistungen, ohne die der Gesellschaft immense Kosten
entstehen würden. Der Erhalt von Natur und biologischer Vielfalt lohnt sich. Jenseits von wirt-
schaftlichen Argumenten ist die Bewahrung der Schöpfung jedoch bereits aus ethischen Ge-
sichtspunkten notwendig. Naturschutz darf nicht als Luxus betrachtet werden, sondern als Zu-
kunftsverantwortung und Lebensversicherung.
Das Ziel, bis zum Jahr 2010 den Rückgang der biologischen Vielfalt zu stoppen oder zumindest
signifikant zu verlangsamen, wurde weltweit und auch in Deutschland verfehlt.
Nationale Strategie zu biologischen Vielfalt
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Dialogforum zur biologisch
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Allerdings wurden in Deutschland auch Erfolge erzielt - gerade im Artenschutz. Verbesserungen
bei so wichtigen Arten wie Biber, Wanderfalke, Uhu, Seeadler und verschiedenen Fledermausar-
ten sind zu verzeichnen.
Auch im Gebietsschutz ist mittlerweile viel erreicht worden. Deutschland verfügt über eine Kulisse
aus nationalen Schutzgebieten verschiedener Kategorien sowie einem über 15 Prozent der Lan-
desfläche umfassenden Anteil am europäischen Schutzgebietsnetz Natura 2000. Problematisch
stellt sich allerdings die geringe Größe vieler Gebiete dar: 60 Prozent der Naturschutzgebiete
sind kleiner als 50 Hektar. Darüber hinaus werden die nicht unter Schutz stehenden Flächen
immer intensiver beansprucht. Mit dem weiteren Ausbau der Infrastrukturnetze schreitet zudem
die Zerschneidung zusammenhängender Gebiete voran. Auch der Ausbau der intensiven Bio-
masseerzeugung für regenerative Energien kann zur Einschränkung der Bewegungsräume von
Tieren und des Austausches zwischen Populationen beitragen. Schließlich wird auch der Klima-
wandel, allen Prognosen zufolge, Verschiebungen in den Lebensräumen von Arten und das Auf-
brechen bestehender ökologischer Vernetzungen bewirken. Durch diese Entwicklungen schreitet
die Verinselung von Lebensräumen und Arten voran; Populationen verlieren die Möglichkeiten
zum Austausch mit dem Effekt der genetischen Verarmung. Die Folgen können Inzucht, Missbil-
dungen bis hin zum lokalen oder regionalen Aussterben von Arten sein. Die Errichtung eines
funktionalen und zusammenhängenden Biotopverbunds ist daher von zentraler Bedeutung für die
Erhaltung der biologischen Vielfalt.
Ziel des Bundesumweltministeriums ist es, einen bundesweiten, länderübergreifenden Biotopver-
bund voran zu bringen, mit den existierenden Schutzgebieten einschließlich der Natura 2000
Gebiete als Herzstücke. In den vergangen Jahren wurden von den unterschiedlichen Akteuren
erhebliche Anstrengungen zur Verwirklichung des Biotopverbunds auf allen Ebenen unternom-
men. Allerdings sind diese Anstrengungen vielfach selbst „verinselt“ geblieben. Das Fachkonzept
des BfN mit den vier Elementen a) trockene Lebensräume, b) feuchte Lebensräume, c) Waldle-
bensräume und d) Fließgewässer kann hier einen wichtigen Orientierungsrahmen auch für die
Aktivitäten der Länder liefern.
Einführung in die Thematik
Dr. Peter Finck, Bundesamt für
Naturschutz, Bonn
Das Thema Biotopverbund reicht bis in die
1970er Jahre zurück. Aktuelle
Rechtsgrundlage sind die Paragraphen 20
und 21 des Bundesnaturschutzgesetzes
(BNatSchG), wonach mindestens 10
Prozent der Landesfläche für den
Biotopverbund vorgesehen sind. Fachlich geht es in dem Gesetz um drei Ziele: a) die Sicherung
heimischer Tier- und Pflanzenarten sowie deren Populationen, Lebensräume und Lebensge-
meinschaften, b) die Bewahrung, Wiederherstellung und den Erhalt funktionsfähiger ökologischer
Wechselbeziehungen und c) die Verbesserung des Natura 2000 Netzwerks. Als Bestandteile
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Vielfalt Bonn, 3./4. November 2010
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dieses Verbundes sind Kernflächen, Verbindungsflächen und Vernetzungselemente vorgesehen.
In den Biotopverbund sollen bestehende Schutzgebiete eingehen, soweit sie für die Erreichung
der Ziele geeignet sind.
Deutschland hat eine wichtige Funktion für den Biotopverbund auf europäischer Ebene. Die Not-
wendigkeit eines grenzüberschreitenden Biotopverbundes resultiert aus a) der fehlenden Bedeu-
tung von Grenzen für wandernde Arten, b) grenzüberschreitenden Flüssen, c) großflächigen
grenzüberschreitenden Wäldern und d) grenzüberschreitenden Alpentälern. Die europäische
Initiative „European Green Belt“ bildet einen wichtigen Baustein für einen europäischen Biotop-
verbund.
Die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben für den länderübergreifenden Biotopverbund steht auf
der Tagesordnung von Bund und Ländern. Wesentliche Grundlagen und Konzepte liegen bei
vielen Bundesländern und auf Bundesebene vor. Einen wichtigen Realisierungsansatz bildet die
Verknüpfung mit anderen raumrelevanten Sektoren und Planungen, wie denen der Land- und
Forstwirtschaft, der Verkehrsinfrastruktur und der Raumordnung. Darüber hinaus gilt es, das
öffentliche Bewusstsein für die Notwendigkeit des Biotopverbundes und die Erhaltung der biologi-
schen Vielfalt zu stärken.
Schließlich wird mit der Realisierung eines länderübergreifenden Biotopverbundes auch ein wich-
tiger Beitrag zur Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt geleistet; und sie
trägt als Anpassungsstrategie zur Minderung der Folgen des Klimawandels bei.
Länderübergreifender Biotopverbund in Deutschland – Grundlagen und Fachkonzept
Dr. Kersten Hänel, Universität Kassel
Das vorgestellte Konzept für einen
länderübergreifenden Biotopverbund wurde
von dem Büro PAN aus München, der
Leibniz Universität Hannover, der Universität
Kassel und dem Ökologie-Zentrum der
Universität Kiel erarbeitet. Das Konzept setzt sich aus Flächen für den Biotopverbund, Funktions-
bzw. Suchräume zur Vernetzung und Achsen des Biotopverbundes zusammen. Für die Bewer-
tung und Auswahl der Flächen entscheidend waren die Qualität der Gebiete, ihre Lage im Raum
sowie das Vorkommen von Zielarten. Kriterien zur Beurteilung der Qualität bildeten a) die Flä-
chengröße, b) die Ausprägung, c) Vollständigkeit von Biotopkomplexen und d) die Unzerschnit-
tenheit. Datenquelle des Fachkonzeptes bilden 1,5 Millionen Geodatensätze und 1,9 Millionen
Sachdatensätze aus den Biotopkartierungen der Länder.
Als Flächen mit einer länderübergreifenden Bedeutung für den Biotopverbund wurden 7.264
Quadratkilometer an Offenlandlebensräumen, das entspricht 2,15 Prozent der Bundesfläche,
13.770 Quadratkilometer an Waldlebensräumen (3,87 Prozent der Fläche Deutschlands) und
28.000 Kilometer an Fließgewässern identifiziert. Die räumliche Darstellung erfolgte an Hand von
Karten.
Nationale Strategie zu biologischen Vielfalt
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Die Ermittlung der Verbundachsen erfolgte auf der Basis von so genannten Such- bzw. Funkti-
onsräumen für die Vernetzung sowie anhand von großflächigen Entwicklungspotenzialen. Die
Suchräume wurden wie die Flächen für den Biotopverbund mit Hilfe der Biotopkartierungen der
Länder und ergänzender Daten durch eine national einheitliche GIS-basierte Vorgehensweise
erarbeitet, die Lebensraumflächen abgestuft nach Distanz- bzw. Konnektivitätsklassen zu größe-
ren Raumeinheiten aggregiert. Im Ergebnis entstanden Verbundsysteme/Netzwerke für Trocken-,
Feucht- und Waldlebensräume. Auf dieser Grundlage wurden dann unter Berücksichtigung von
großräumigen Entwicklungspotenzialen die national bedeutsamen Verbundachsen anhand von
Regelsätzen abgeleitet und mit den Bundesländern abgestimmt. Darüber hinaus wurde ein Netz-
werk bzw. ein Korridorsystem für Großsäuger, resultierend aus dem F+E Vorhaben „Prioritäten-
setzung Wiedervernetzung“, einbezogen. Mit Hilfe dieser neuen Grundlagen und Informationen
aus den Nachbarstaaten konnten schließlich die international bedeutsamen Verbindungen identi-
fiziert werden.
Weiterhin wurden in dem Vorhaben 22 Defiziträume identifiziert, in denen die Ausstattung mit
wertvollen Biotopen besonders gering ist. Dazu gehören die bayerischen Schotterebenen, die
Lößbörden und das Nordwestdeutsche Tiefland.
Die Ergebnisse des Gesamtkonzeptes, die im Rahmen mehrerer F+E-Vorhaben erarbeitet wur-
den, liefern erstmals länderübergreifende bundesweite Informationen zum Biotopverbund und
können so landesweite Überlegungen und Planungen zum Biotopverbund stützen und um die
nationale Ebene ergänzen. Die Inhalte können eine räumlich-strategische Leitlinie für bundeswei-
te Programme und Initiativen bilden (z.B. Naturschutzgroßprojekte, Bundesprogramm Wiederver-
netzung) und ihre Berücksichtigung in Planungen (z.B. in der Verkehrswegeplanung, Raumord-
nung) ist zukünftig geboten.
Rettungsnetz Wildkatze
Thomas Mölich, Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland (BUND),
Thüringen
Der BUND mit den Landesverbänden
Bayern, Hessen und Thüringen führt seit
2004 das Projekt Rettungsnetz Wildkatze
durch. Die Arbeit erfolgt mit Unterstützung
unterschiedlicher Partner, wie dem Land
Thüringen, der Deutschen Umwelthilfe und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Ge-
genstand dieses Projekts ist die Aktualisierung des Verbreitungsbildes für die Wildkatze sowie die
Entwicklung und Umsetzung eines Schutzkonzeptes. Dabei dient die Wildkatze auch als Zielart
und Sympathieträger für die Wiederherstellung eines Biotopverbundes von Wäldern. Die Arbeiten
beruhen auf einem Wildkatzenwegeplan, der unter Beteiligung des Helmholzzentrums für Um-
weltforschung (UFZ) ausgearbeitet wurde.
Der BUND hat in verschiedenen Gebieten Korridorprojekte zum Lückenschluss umgesetzt und
das Auftreten der Wildkatze mit unterschiedlichen Methoden kontrolliert. Zu den Arealen gehört
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Dialogforum zur biologisch
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ein Korridor zwischen Hainich und Thüringer Wald, die Werra-Aue, das Vogtländische Oberland,
der Mühlhäuser Landgraben und das Biosphärenreservat Rhön. Der BUND kooperiert bei diesem
Vorhaben mit einer Fülle von Partnern, die von ehrenamtlich engagierten Bürgern über Verwal-
tungen auf Regional- und Landesebene und Politik bis hin zu Verbänden und Wissenschaft
reicht. Begleitet werden die Maßnahmen durch intensive regionale und bundesweite Öffentlich-
keitsarbeit.
Seit Januar 2010 wird das Rettungsnetz Wildkatze in Thüringen, unterstützt aus dem Europäi-
schen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER), weitergeführt.
Ein sich anschließendes LIFE+-Projekt hat eine Kommunikationskampagne zum Thema „Biotop-
vernetzung – Netze des Lebens“ zum Gegenstand.
Biotopverbund in NRW
Richard Genkinger, Landesamt für
Natur, Umwelt und Verbraucherschutz
NRW (LANUV)
Nach erfolgreichem Abschluss einer ersten
Phase zur Sicherung eines Schutzgebiets-
netzes als Grundlage des Biotopverbunds
auf regionaler Ebene verlagern sich die
Arbeitsschwerpunkte zunehmend auf die
Optimierung des Verbunds für Populationen planungsrelevanter Arten und auf Strategien zur
Minderung möglicher Folgen des Klimawandels.
Die Regionalplanung übernimmt in NRW die Funktion des Landschaftsrahmenplans. Fachbeiträ-
ge des Naturschutzes und der Landschaftspflege des Landesamts für Natur, Umwelt und
Verbraucherschutz NRW (LANUV) werden als Planungsgrundlage erstellt und eingebunden. Im
Erarbeitungs- und Genehmigungsverfahren der Regionalpläne sind verschiedene Verbände und
Verwaltungsebenen, z.B. Gemeinden, beteiligt. Belange des Umwelt- und Naturschutzes werden
überwiegend durch das LANUV und die Naturschutzverbände vertreten. Durch die intensive und
frühzeitige Einbindung in die gesamtplanerische Abwägung bestehen für alle Beteiligten gute
Möglichkeiten des Interessenausgleichs und der Konfliktminimierung. Die Regionalplanung trifft
räumliche Festlegungen für nachgeordnete Planungen, wobei die formulierten Ziele und Be-
reichsdarstellung auf den nachgeordneten Planungsebenen zu beachten sind. Zur Darstellung
und Umsetzung der Biotopverbundnetze sind die Flächengröße des Planungsraumes und der
Planungsmaßstab gut geeignet. In den rechtskräftigen Regionalplänen sind als Ziel der Regio-
nalplanung bisher 514.929 Hektar, circa 15 Prozent der NRW-Landesfläche, als Bereiche für den
Schutz der Natur dargestellt und damit als Vorrangflächen des Naturschutzes und der Land-
schaftspflege planungsrechtlich festgelegt.
Zur Anpassung des Biotopverbundes an aktuelle Rahmenbedingungen wie Erhaltung der Biodi-
versität, Minderung der Folgen des Klimawandels und Umsetzung des Artikels 10 der FFH-
Richtlinie wird in NRW der zielartenbezogene Biotopverbund erarbeitet. Ziel ist die Sicherung der
Populationen der für NRW planungsrelevanten Arten sowie der Erhalt ihrer natürlichen Mobilität
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Dialogforum zur biologisch
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und genetischen Variabilität. Der Verbund dient der frühzeitigen Minderung negativer Lebens-
raumveränderungen bzw. der Klimafolgen und der Verbesserung der Populationsentwicklung.
Durch die Abgrenzung und den Schutz geeigneter Korridore zur Vernetzung der bestehenden
Vorkommen, durch Vermeidung einer weiteren Fragmentierung der Lebensräume sowie durch
Neuanlage oder Wiederherstellung von Habitaten soll der negative Trend gestoppt werden.
Außerdem geht es darum, bei der Vielzahl von Veränderungen in der Landschaft, negative Ent-
wicklungen frühzeitig zu erkennen, um sachgerechte Reaktionen vorzubereiten. Als zukünftiger
Schwerpunkt kommt der Folgenabschätzung des Klimawandels auf Populationen eine hohe Be-
deutung zu. Artspezifische und differenzierte Analysen sind hier erforderlich. Für Amphibien ist
z.B. die Simulation von zukünftigen Szenarien der Änderung von Temperatur, Niederschlag und
Verdunstung zur Abschätzung des frühzeitigeren Trockenfallens von Laichgewässern und des
Landschaftswasserhaushalts notwendig. Mit der Auswertung der regionalen Veränderungen der
klimatischen Wasserbilanz während sensibler Zeitabschnitte im Jahresverlauf wurden erste Er-
gebnisse gewonnen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind negative Auswirkungen während der
Laich- und Entwicklungsphase auf zahlreiche Vorkommen des Laubfrosches im Tiefland zu er-
warten, während für die Lebensräume der Geburtshelferkröte nur geringe Bilanzänderungen
prognostiziert werden. Mit dem zielartenbezogenen Biotopverbund sollen Möglichkeiten aufge-
zeigt werden, um Maßnahmen zur Erhaltung und Anpassung der betroffenen Populationen auf
Landschaftsebene effizient umzusetzen.
Integration des Biotopverbundes in die räumliche Gesamtplanung
Dr. Birgit Hertzog, Landkreis
Sächsische Schweiz – Osterzgebirge
Mit der Analyse und Bewertung von
Biotopen und Lebensraumkomplexen in der
Region „Oberes Elbtal/Osterzgebirge“ wurde
ein wichtiger naturschutzfachlicher Beitrag
zum Landschaftsrahmenplan des Regional-
plans „Oberes Elbtal/Osterzgebirge“ geleistet. Die Resultate bilden eine gute Grundlage für die
Übernahme eines Biotopverbundsystems in den Regionalplan.
Gegenstand der vorgestellten Arbeit war eine flächendeckende Potenzialbewertung nach einheit-
licher Methodik unter Nutzung moderner GIS-Arbeitsmethoden auf Basis verfügbarer Daten zur
Erstellung eines „objektivierten“ Verbundkonzeptes. Die Datengrundlage bildeten die flächende-
ckende CIR-Biotoptypen- und Landnutzungskartierung und die selektive Biotopkartierung des
Freistaates Sachsen sowie die Gebietskulisse für die Ausweisung eines ökologischen Verbund-
systems des Landschaftsprogramms Sachsen. Hinzugenommen wurden Artdaten des Natur-
schutzes sowie die Schutzgebietskulisse in der Planungsregion. Die Auswahl der Zielarten baut
auf die Repräsentativität für die Planungsregion, verschiedene Lebensraumkomplexe sowie die
Schutzwürdigkeit der Arten auf.
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Zu den Elementen des ökologischen Verbundsystems gehören großflächige schutzwürdige Le-
bensräume, Trittsteinbiotope sowie Verbindungsbiotope, die als lineare Verbundelemente dafür
sorgen, dass ein möglichst engmaschiges ökologisches Netz entsteht. Das Potenzial der einzel-
nen Areale hinsichtlich ihrer Verbundfunktion wurde auf Basis von drei Bewertungsstufen einge-
ordnet: a) sehr hoch, b) hoch sowie c) mittlere und nachrangige Bedeutung. Darüber hinaus wur-
den Konfliktbereiche sowie Änderungs- und Ergänzungsvorschläge eingearbeitet. Die Darstellung
der Resultate für den Landkreis erfolgte an Hand von Karten.
E+E Projekt „Holsteinische Lebensraumkorridore“
PD Dr. Heiner Reck, Ökologie-Zentrum
der Universität Kiel
Das E+E Projektgebiet in Schleswig-
Holstein befindet sich zwischen den Auto-
bahnen A20, A21 und A7. Der Raum ist als
Schlüsselstelle von Lebensraumkorridoren,
die in Ost-West- und in Nord-Süd-Richtung
verlaufen, von bundesweiter Bedeutung. Das Areal bietet gute Voraussetzungen zur Entwicklung
und Erprobung einer Wiedervernetzungsinfrastruktur und überörtlichen Vernetzung z.B. bei Rot-
hirsch, Otter, Laubfrosch und Haselmaus. Es bietet zudem eine gute Verbundeignung für a) Moo-
re, Heiden und Trockenrasen, b) Wälder und c) Gewässer.
Das Vorhaben gliedert sich in drei Phasen: a) 2010-2012 Korridorknoten Kiebitzholm (A21), b)
2011-2013 Lebensraum und Hinterlandanbindung A20 sowie c) 2012-2014 Korridorknoten Bro-
kenlande, Osterau, Bad Bramstedt mit Hinterlandanbindung (A7). Die erste Projektphase ist in
ihrer Durchführung gesichert. Im Projektraum zwischen den drei Verkehrsachsen geht es um den
Waldkorridor Halloh, den Heidekorridor Bark, Gewässerkorridor Osterau und den Waldkorridor
Segeberger Forst.
In der Umsetzung der ersten Projektphase steht die Entwicklung von Gewässer-, Heide- und
Waldkorridoren im Bereich des Korridorknotens Kiebitzholm im Vordergrund. Der Maßnahmen-
plan lässt sich unter den Begriffen „Sichern, Pflegen und Entwickeln“ zusammenfassen, um zu
einer Verdichtung von Kernflächen zu kommen und ein Linearhabitat zu schaffen. Naturwald-
Bänder sind als eine Maßnahme ins Auge gefasst. Eine optimierte Straßengestaltung mit Eigen-
mitteln des Straßenbaus soll mit einbezogen werden. In jedem Fall werden bereits bestehende
Singulärmaßnahmen in Form von Kompensationsbiotopen und Natura 2000 Gebieten in das
übergreifende Konzept eingebunden, so dass ein Verbund von Vorrangflächen und artenreichen
Gebieten entsteht. Hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse haben sich bei den Arbeiten im Gebiet
Negernbötel folgende Grundprinzipen als erfolgreich erwiesen: Freiwilligkeit der Beteiligung, Prä-
ferenz öffentlichen Eigentums sowie Public-Private-Partnerships.
Nationale Strategie zu biologischen Vielfalt
Dialogforum zur biologischen
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Dialogforum zur biologisch
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Konzept und Umsetzung eines ökologischen Netzwerks in den Niederlanden
Drs. Bram Vreugdenhill, Provinz Gelderland,
Niederlande
In den Niederlanden wird seit 1990 das EHS Programm
(Ecologische Hoofdstructuur) umgesetzt mit dem Ziel einer
nachhaltigen Erhaltung der Vielfalt an Arten, Ökosystemen
und Landschaften. Grundpfeiler bilden der Schutz, der
Ausbau, die Vernetzung und Verbesserung sowie die Bewirt-
schaftung von Flächen. Es ist ein erfolgreiches Konzept, an
dem seit 20 Jahren eine Vielzahl von Partnern arbeiten und
das Anhaltspunkte für die Umsetzung des Biotopverbunds in
Deutschland liefern kann. EHS hat eine Laufzeit von 30
Jahren und soll 2020 enden. In diesem Rahmen hat der
niederländische Staat rund 600 Millionen Euro öffentlicher Mittel jährlich für den Naturschutz zur
Verfügung gestellt. Die Naturschutzpolitik in den Niederlanden ist gegenwärtig allerdings mit star-
ken Einsparungen konfrontiert. Wie sich dieser Umstand genau auswirken wird, ist noch nicht
genau bekannt. Eine Reduzierung des EHS Programms ist zu befürchten.
Zur Umsetzung hat das Land mit den 12 Provinzen Verträge über eine integrierte Gebietsentwick-
lung abgeschlossen. Gemeinsam mit den regionalen Interessensvertretern werden integrierte
Planungen für ländliche Räume ausgearbeitet. Die Provinzen organisieren die Zusammenarbeit,
koordinieren die Projekte und helfen bei der Beantragung der Fördermittel. Die enge Zusammen-
arbeit von nationalen Stellen und Provinzen bei EHS haben zu einer hohen Kohärenz der Politik
und Praxis auf nationaler und regionaler Ebene geführt. Die Dezentralität ermöglicht maßge-
schneiderte Lösungen.
Seit 1990 wurden viele Flächen erworben und neue Naturgebiete geschaffen. Der Erfolg des
Programms liegt in konsistenten langfristigen Verträgen und einer entsprechenden Finanzierung.
Eine Verlängerung von EHS über 2020 hinaus wird angestrebt, da die Entwicklung aufgrund von
schwierigen Eigentumsverhältnissen, Flächenverfügbarkeit und Ausweisung von Naturschutzge-
bieten langsamer verläuft als vorgesehen.
Ein EHS Praxisbeispiel bildet der Veluwe Plan, an dem 18 Städte und Gemeinden sowie Behör-
den und Verbände Maßnahmen zur Naturverbesserung und Vernetzung umsetzen. 3.000 Hektar
Landwirtschaftsflächen wurden dabei zu Naturflächen. Im Rahmen des Programms „Raum für
Flüsse“ wurde eine Vielzahl von Projekten umgesetzt, bei denen für Fließgewässer neuer Raum
geschaffen, die Naturentwicklung gestärkt, die Naherholung verbessert und der Rohstoffabbau
ermöglicht wurde. Das dritte Beispiel stellt das Programm Bachkorridore in Ost-Gelderland dar,
von dem Natur, Landwirtschaft und Wasserwirtschaft profitieren. Die Isolierung von Naturgebieten
in der Region wird durch die Verbindung von Kernbereichen aufgehoben. Naturgebiete werden
wiedervernässt und Bäche renaturiert, so dass ein Gewässersystem entsteht, das an den Klima-
wandel angepasst ist und auch für die Landwirtschaft Vorteile bietet.
Nationale Strategie zu biologischen Vielfalt
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Vielfalt Bonn, 3./4. November 2010
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Dialogforum zur biologisch
en Vielfalt
Dokumentation
Aus den EHS Erfahrungen ergibt sich grundsätzlich, dass eine solche Entwicklung einen langjäh-
rigen Prozess bildet, der Geduld erfordert. Eine langfristige Finanzierung sollte gewährleistet
werden. Eine konstruktive Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Partnern ist ebenso wichtig
wie eine aktive und fördernde Rolle des Staates.
Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit an Bundeswasserstraßen
Dr. Birgit Esser, Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
(BMVBS)
Mit dem Inkrafttreten des novellierten
Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) zum
1.3.2010 besteht für die Wasser- und Schiff-
fahrtsverwaltung des Bundes (WSV) die Verpflichtung zur Herstellung der Durchgängigkeit der
Staustufen der Bundeswasserstraßen. Weiterhin geht es nun um eine aktive Rolle bei der Um-
setzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und der Entwicklung von Synergien zwischen ver-
kehrlichen Belangen, Ökologie und Naturschutz.
Derzeit ist die ökologische Durchgängigkeit bei circa 260 Staustufen der WSV nicht ausreichend
gegeben, insbesondere im Hinblick auf den Auf- und Abstieg von Fischen und ihren Schutz an
Wasserkraftanlagen. Im Herbst dieses Jahres hat das BMVBS ein Priorisierungskonzept für
Maßnahmen zur Durchgängigkeit der Bundeswasserstraßen vorgelegt. Die Umsetzung erfolgt ab
2011.
Seitens der WSV wird eine Durchgängigkeit der Wasserstraßen „längs und quer“ angestrebt.
Dieser Ansatz beinhaltet neben der Durchgängigkeit auch die wasserwirtschaftliche Unterhaltung
entsprechend WRRL und damit die Pflege, Entwicklung und Verbesserung des ökologischen
Zustandes der Gewässer. Die WSV wird vielfältige ökologisch relevante Beiträge leisten, die
jedoch die Funktionsfähigkeit der Verkehrswege nicht in Frage stellen und nicht zu einer Verlage-
rung des Verkehrs auf weniger umweltverträgliche Verkehrsträger führen dürfen. Zu den ökolo-
gisch orientierten Maßnahmen gehören unter anderem die Verbesserung der Durchgängigkeit an
Bauwerken, die Zulassung morphologischer Dynamik außerhalb des Fahrrinnenkastens, die
Maßnahmengestaltung im Vorland und die Entwicklung von Uferstrukturen
(www.bafg.de/fallbeispiele).
Zukünftig wird es für das BMVBS verstärkt um die Verknüpfung von Naturschutz, Wasserwirt-
schaft und Infrastruktur gehen. Dabei liegen wichtige Herausforderungen in der integrierten
Flussgebietsplanung mit übergreifender, ganzheitlicher Betrachtung, die frühzeitige Einbeziehung
ökologischer Belange sowie die Entwicklung neuer (Sekundär-)Lebensräume mit hohem ökologi-
schem Wert.
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Dialogforum zur biologisch
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Umsetzung des bayerischen Biotopverbundkonzepts im Rahmen von „BayernNetz Natur“
Dr. Jens Sachteleben, Büro PAN
München
BayernNetz Natur ist die Realisierung eines
landesweiten Biotopverbundsystems sowie
des bayerischen Arten- und Biotopschutz-
programms im Rahmen größerer Natur-
schutzprojekte. Seit 1986 wurden bzw.
werden insgesamt 365 Projekte mit einer durchschnittlichen Fläche von 17,9 Quadratkilometern
durchgeführt. Insgesamt wurden bislang damit circa 25 Prozent der Landesflächen einbezogen.
Aus 10 repräsentativen Projekten wird die Bilanz gezogen, dass in den Projekten auf 11 bis 91
Prozent der Flächen Maßnahmen umgesetzt werden und/oder eine rechtliche Sicherung der
Gebiete stattgefunden hat. Die Beteiligung am BayernNetz Natur bietet den Projektträgern insbe-
sondere zusätzliche Mittel und höhere Fördersätze, Publicity und Unterstützung durch die Pro-
jektgruppe BayernNetz Natur.
Die drei Prinzipien des Netzes - Freiwilligkeit, Kooperation und staatliche Unterstützung - haben
sich als Erfolgsfaktoren erwiesen. Bei der Freiwilligkeit geht es zum Beispiel um den Verzicht auf
hoheitliche Maßnahmen. Bei der Kooperation setzt man auf die Stärkung der Eigenverantwortung
durch lokale, nichtstaatliche Partner, langfristige Perspektiven in der Vermarktung und Öffent-
lichkeitsarbeit sowie lokale Projektbetreuer als Motoren. Erfolgskontrollen zeigen, dass das
BayernNetz Natur insgesamt erfolgreich ist.
Verbund im Zentrum Deutschlands: Naturschutzgroßprojekt „Grünes Band Eichsfeld - Werratal
Holger Keil, Heinz-Sielmann-Stiftung,
erbigshagen
it dem Naturschutzgroßprojekt „Grünes
and Eichsfeld – Werratal“ wird entlang des
rüheren deutsch-deutschen Grenzstreifens
in Biotopverbund zwischen Harz und
ainich entwickelt. Das Projektgebiet
mfasst 31.300 Hektar, im Kerngebiet 18.500 Hektar, 130 Kilometer des Grünen Bandes. In dem
ebiet zu 75 Prozent mit Wald und Gehölzen bedenkt ist, finden sich 340 Arten der deutschen
oten Liste. Über 60 Prozent der vorkommenden Lebensräumtypen sind gefährdet. Räumlich
estehen vier Projektschwerpunkte: a) Südharz und Rhume-Ellersystem, b) Untereichsfeld und
hmgebirge, c) Leinetal und d) Obereichsfeld und Werratal. Arten der folgenden drei Gruppen
on Landschaftskomplexen werden von dem Verbund profitieren: a) überwiegend Wald- und
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Halboffenlandschaften, b) überwiegend trockene Landschaften und c) Niederungen und Flussau-
en.
Im Rahmen des 11-jährigen Vorhabens mit einer Laufzeit bis 2020 sollen das Grüne Band ge-
schützt, der Biotopverbund entwickelt, herausragende Waldlebensräume erhalten, vorhandene
Kulturlandschaft gepflegt und naturnahe Fließgewässer entwickelt und geschützt werden. Die
Gesamtkosten sind auf 10,8 Millionen Euro kalkuliert. Besondere Herausforderungen dieses
Großprojektes liegen in teilweise ungeklärten Eigentumsverhältnissen, kleinparzelligem Eigen-
tum, Akzeptanzproblemen beim Waldnaturschutz sowie den anspruchsvollen Verwaltungsstruktu-
ren mit drei Bundesländern und sechs Landkreisen.
Biotopverbund längs und quer: Naturentwicklung in der renaturierten Lippeaue
Dr. Margret Bunzel-Drüke, AG
Biologischer Umweltschutz Soest und
Ulrich Detering, Bezirksregierung,
Arnsberg
Der Fluss Lippe in NRW hat eine Länge von
220 Kilometern und ein Einzugsgebiet von
5.000 Hektar. Die Ökologie des Flusses ist
konfrontiert mit dem Ausbau, Stauhaltung sowie der Abwärme von Kraftwerken. Typisch sind
Verwallungen, die den Fluss von der Aue trennen. Seit 1995 ist die Lippeaue in sieben größeren
Bereiche renaturiert worden.
Im Bereich der Lippesee-Umflut wurde auf einem Abschnitt von 2,6 Kilometern und 16 Hektar die
Durchgängigkeit wieder hergestellt, die Ufer entfesselt und renaturiert sowie die Verwallungen
durch Flutrinnen aufgebrochen. Die Baukosten beliefen sich auf 8,5 Millionen Euro. Als Indikator
für den Erfolg der Maßnahmen in diesem Bereich dient die Zunahme von Eisvogel- und Ufersee-
schwalben-Vorkommen. Im Gebiet der Klostermersch wurden die Lippe und ihre Aue auf einer
Strecke von 10,5 Kilometern und einer Fläche von 430 Hektar, auch in Verbindung mit umfang-
reichen Erdbewegungen, renaturiert. „Wildbereiche“ mit extensiven Rindern und Pferden wurden
eingerichtet. Die Kosten für die Maßnahmen betrugen 6,5 Millionen Euro. Heute sind Wiesenrau-
te und Wiesen-Silge in der Aue wieder zu finden. Das dritte Beispiel bildet die Renaturierung der
Disselmersch mit Seitenvernetzungen der Lippe, wie etwa den Disselbach, die bei Hochwasser
als erstes voll laufen. Fließgewässer, Stillgewässer im Auentiefpunkt und breitere Kuhlen wurden
ebenso entwickelt wie Mündungstrichter. Das Wiederauftreten des Fisches Quappe mit allen
Entwicklungsstadien dient als Indikator für den Erfolg der Maßnahmen.
Im Gesamtergebnis ist der Fischbestand in der Lippe bei Klostermersch seit der Renaturierung
1997 um das drei- bis vierfache gestiegen. Die Vorkommen von Steinbeißern und Laubfröschen
haben ebenso deutlich zugenommen wie die Verbreitung gefährdeter Entenarten.
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Podiumsdiskussion
Ein Schlüssel zur Schaffung eines
länderübergreifenden Biotopver-
bunds in Deutschland, liegt in der
Verbesserung des politischen
Stellenwerts des Themas und der
Verankerung in Politik und Gesell-
schaft. Bedeutsam ist dabei die
enge Verbindung mit der Nationalen
Strategie für biologische Vielfalt.
Dabei gilt es, den Flächenanspruch
des Naturschutzes darzustellen und
zu sichern sowie die enorme euro-
päische Bedeutung des Biotop-
verbundes in Deutschland zu ver-
deutlichen.
Gute Ansätze zur stärkeren Verankerung des Themas bilden die wichtigen Funktionen des Bio-
topverbundes für Natur und Gesellschaft (Ökosystemdienstleistungen) und eine noch bessere
Zusammenarbeit mit Naturnutzern auf Augenhöhe. Von Vorteil wäre insbesondere die engere
Kooperation mit der Land- und Forstwirtschaft, auch um das Thema Biotopverbund in den Ver-
handlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) besser zu platzieren. Es wurde vorgeschlagen,
dass das BMU sich bei interministeriellen Gesprächen nicht nur auf die zweite Säule fokussieren
sollte, sondern auch auf die erste Säule, mit dem Ziel, hier zusätzliche Mittel für die Umsetzung
des Biotopverbundes zu gewinnen. Die GAP bilde gerade in Zeiten immer knapperer Mittel ein
wichtiges Instrument für Naturschutz und Biotopverbund.
Bezüglich der Finanzierung des länderübergreifenden Biotopverbundes wird der Staat kein zu-
sätzliches Bundesprogramm Biotopverbund einrichten. Allerdings dürften sich im Rahmen des
künftigen Bundesprogramms Biologische Vielfalt Möglichkeiten bieten, die Entwicklung relevanter
Naturgebiete zu unterstützen. Auch hier wurde die Relevanz der Abstimmung bei der Entwicklung
des nationalen Netzes von Biotopen mit der Umsetzung der Nationalen Strategie für biologische
Vielfalt deutlich.
Bei der aktuellen Entwicklung des Biotopverbundes ist in vielen Bundesländern gegenwärtig eine
gute Konzeptentwicklung aber weniger eine erfolgreiche Umsetzung zu verzeichnen. Um hier zu
systematischen Fortschritten zu kommen, sollte die Planung zum Biotopverbund auf allen Ebe-
nen der Raumordnungsplanung integriert werden, wie das in einigen Ländern bereits erfolgt ist.
Insbesondere die Zusammenarbeit mit den Kommunen sollte intensiviert werden. Wichtige An-
satzpunkte bieten sich bei den Flächennutzungsplanungen der Kommunen sowie bei der Infor-
mation und Sensibilisierung der Stadt- und Gemeinderäte für das Thema. Um diese Entwicklung
zu forcieren, wurde in der Diskussion auch vorgeschlagen, in Abstimmung mit den Ländern die
Möglichkeit der Aufstellung eines Raumordnungsplans des Bundes nach § 17 (1) Raumord-
Die Podiumsteilnehmenden v.li.n.re.: Dr. Uwe Riecken (BfN), Felix Stenschke (BMVBS), Gertrud Sahler (BMU), Heinz Werner Persiel (BBN), Dr. Martin Woike (MKULNV NRW), Ulrich Stöcker (DUH), Dr.-Ing. Markus Leibenath (IÖR)
Nationale Strategie zu biologischen Vielfalt
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Dialogforum zur biologisch
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nungsgesetz (ROG) zu prüfen, welcher z.B. Freihalteräume für den Biotopverbund festgelegen
könnte oder eine verbindliche Vorgabe für Umsetzungsfristen im Bundesnaturschutzgesetz einzu-
führen.
Deutlich wurde in der Diskussion, dass sich mit dem Ansatz, 10 Prozent der Landesfläche für den
Biotopverbund vorzusehen, eine Schwierigkeit verbindet: Dieses rein quantitative Ziel sei unter
Umständen relativ leicht zu erfüllen, ohne dass ein funktionierender Biotopverbund entsteht. Es
bestehe somit die Gefahr, dass die Funktionsbeziehungen zwischen den Gebieten in der politi-
schen Realität vernachlässigt werden.
Besonders gewürdigt wurden die Planungen, die das Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (BMVBS), als Eigentümer von 7.300 Kilometer Bundeswasserstraßen, anstellt.
Die Verpflichtungen, die sich auf Grund des neuen Wasserhaushaltsgesetzes auch für die Bun-
deswasserstraßen ergeben, bieten hervorragende Möglichkeiten für die Realisierung eines blau-
en Netzes in Deutschland und die Entwicklung von Synergien zwischen Biotopverbund, Verkehr
und Wasserwirtschaft. Bund und Länder sollten dazu in die Abstimmung eintreten.
Schließlich wurden die guten Möglichkeiten, die das Thema Biotopverbund zur Kommunikation
und Integration weiterer Naturschutzthemen wie Wildnis, Gewässer etc. bietet, erörtert. Deutlich
wurde dabei, dass das Thema auch die Gefahr einer Rückzugsstrategie des Naturschutzes auf
Restflächen beinhaltet, der begegnet werden müsse. Denn ein Ziel sollte es bleiben, größere
ungestörte Kernbereiche zu entwickeln und zu einer Extensivierung der Landnutzung zu kom-
men.
Impressionen von der Veranstaltung