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Natur- und Umweltschutz Filderstadt in Spezialthema Lebensraum Hecke Spezialthema Lebensraum Hecke 2011 filder stadt das zentrum der filder

Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

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Page 1: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Natur- undUmweltschutz

Filderstadtin

SpezialthemaLebensraum Hecke

SpezialthemaLebensraum Hecke2011

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der filder

Page 2: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Natur- und Umweltschutz

Filderstadt

2011

in

Herausgegeben vonUmweltschutzreferat und Umweltbeirat

der Stadt Filderstadt

Page 3: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Inhaltsverzeichnis

Spezialthema Lebensraum Hecke

Hecken: Landschaftstyp und Lebensraum

Gehölzarten der Hecken

Pflege von Hecken

Wie weit muss ich von der Grenze wegbleiben –wer muss die Hecke schneiden – wem gehört dieser Apfel?Einige Impressionen zum Nachbarrecht Baden-Württemberg

Zur Bedeutung von Hecken für die Sicherung der heimischenArtenvielfalt – eine kritische Betrachtung heutiger Naturschutzpraxis

Die Bedeutung von Hecken für den Naturschutz

Die Krautschicht einer Hecke

Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen?!

Fledermäuse nutzen Hecken als Flugkorridore

Von Spöttern, Heckenschützen und Serienkillern:die Vögel der Heckenlandschaften

Die Dorngrasmücke, ein typischer Heckenbewohner

Eberhard Mayer und Hartmut Spahr, Biotopkartiergruppe Filderstadt

Margit Rosenfelder, Tiefbauamt/Grünflächenabteilung Filderstadt

Brighid Schulz, Gärtnermeisterin,Firma Schweizer Baumpflege und Forst Filderstadt

Andrea Weber, Umweltschutzreferat Filderstadt

Gabriel Hermann, Arbeitsgruppe für Tierökologie und PlanungFilderstadt

Margit Riedinger, Umweltschutzreferentin Filderstadt

Gertrud Miehlich, Biotopkartiergruppe Filderstadt

Andrea Weber, Umweltschutzreferat Filderstadt

Peter Endl, Diplom-Biologe, Tierökologische Gutachten,Biotopkartiergruppe Filderstadt

Eberhard Mayer, Biotopkartiergruppe Filderstadt

Peter Maasdorff, Biotopkartiergruppe Filderstadt

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Hecken und Saumstrukturen und deren Bedeutung als Lebensraumfür die Zauneidechse

Hecken als Lebensraum für Insekten

Hecken in Gärten (Ziergehölze und immergrüne Hecken)

Scherlachhecke – Naturoase Filderstadts

Benjeshecken im Naturdenkmal Wacholderheide Haberschlai

Die Heckenlandschaft der Gutenhalde: Landschaftspflegedurch die Sozialtherapeutische Jugendarbeit

Das Heckengäu – Feldhecken waren Namensgeber

Das Umweltschutzreferat wird 25

om keltischen Plateau zum einzig natürlichen See der

Filderstädter Streuobstwiesen-GUIDES

Mobiles Mosten in Filderstadt

Stand der Erkundungs- und Sanierungsarbeiten auf derAltablagerung in der Ramsklinge

Impressum

Peter Endl, Diplom-Biologe, Tierökologische Gutachten,Biotopkartiergruppe Filderstadt

Jürgen Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung Filderstadt

Margit Rosenfelder, Tiefbauamt/Grünflächenabteilung Filderstadt

Ulrich Forschner, BUND Filderstadt

Dieter Vogel, Arbeitskreis Natur und Umwelt,Schwäbischer Albverein Ortsgruppe Bonlanden

Eberhard Mayer, Biotopkartiergruppe Filderstadt

Simone Hotz, Geschäftsstelle PLENUM Heckengäu

Margit Riedinger, Umweltschutzreferentin Filderstadt

V CreuseSimone Schwiete, Umweltschutzreferentin Filderstadt

Thomas Haigis, Referent für Bürgerbeteiligung undStadtentwicklung Filderstadt

Steffen Geitner, Obst- und Gartenbauverein Bonlanden undFilderstädter Streuobstwiesen-GUIDE

René Schiemann, Diplom-Geologe TÜV Süd

Aktuelles

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Page 5: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Hecken: Landschaftstyp und Lebensraum

Eberhard Mayer und Hartmut Spahr, Biotopkartiergruppe Filderstadt

Naturnahe Hecken sind Landschaftstypen innerhalb derKulturlandschaft, die vor allem durch einen linienförmigen Auf-

wuchs von dicht beieinander stehenden Sträuchern, Büschen und Bäumengebildet werden. Sie sind wichtig für das Landschaftsbild, die landwirtschaft-liche Nutzung und das Kleinklima. Sie können auch an Bedeutung alsLebensraum für lokal bedrohte Tier- und Pflanzenarten gewinnen, wenn sieoffen gehalten (gepflegt) werden und wenn sie von artenreichen Saum-strukturen umgeben sind.

Die Bezeichnung „Hecke“ stammt vermutlich aus dem Althochdeutschen:und bedeuten hegen und umzäunen. In vielen Ortsnamen ist

heute noch der Wortteil „hagen“ oder „hag“ zu finden!

Hecken in der freien Landschaft sind meist nicht zufällig, sondern durchmenschliche Einwirkung innerhalb landwirtschaftlicher Nutzungsformenentstanden. Aus folgenden Gründen wurden beispielsweise Heckenangelegt (oft zusammen mit Steinriegeln): zur Grenzmarkierung, zurUmzäunung von Weideland, zur Befestigung von Hangbereichen, alsWindschutz, als Brennholzquelle („Wald des kleinen Mannes“) oder alsBienenweide und Früchtelieferant.

Im süddeutschen Raum wurden Hecken vor allem als Feldgehölze und zurWeideland-Umzäunung angelegt. Wir finden sie deshalb entlang vonFeldwegen und an Böschungen, aber auch in Verbindung mit Wald- undBachrändern. Insbesondere zusammen mit Wacholderheiden undTrockenrasen bilden sie seltene und wertvolle Lebensräume.

Hecken und Feldgehölze sind in ihrer Struktur – analog zu Obstwiesen undWäldern – in mehrere vertikale „Schichten“ bzw. Stockwerke gegliedert:

In der wachsen vor allem Moose, Flechten und Pilze. Hier

hegga, heg hag

Wie entsteht eine Hecke eigentlich?

Wie ist eine Hecke aufgebaut?

Bodenschicht�

Was sind Hecken?

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Page 6: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Die besteht aus einem Pflanzenbewuchs bis etwa einemhalben Meter Höhe. Dieser Saum aus Stauden und Wildkräutern istbotanisch besonders wertvoll und sollte auf beiden Längsseiten derHecke in einer Breite von mehreren Metern vorhanden sein. DieKrautschicht dient als Zufluchts- und Brutort für viele Tierarten, z. B. fürden Feldhasen und für die Bodenbrüter.

Zur zählen austriebsfähige Holzgewächse zwischen 0,5und 5 m Höhe. Hier leben vor allem Insekten und buschbrütendeVogelarten, welche die Sträucher auch als Nahrungsplatz und Ansitzwartenutzen.

In der finden wir Gehölze über 5 m Höhe. Idealerweisesind dies Einzelbäume (Überhälter), die von Insekten als Entwicklungs-standort und von Vögeln als Singwarte, Späh- und Brutplatz genutztwerden.

Heckentypen können aus verschiedenen Sichtweisen definiert werden.Aus der vorstehend beschriebenen stufigen Aufbaustruktur lassen sich dreiHeckentypen ableiten:

bestehen lediglich aus der Krautschicht sowie ausniedrigen Sträuchern mit einer Höhe von zwei bis drei Metern.

setzen sich dagegen aus der Krautschicht, bis zu 5 m hohemGebüsch und beidseits niedrigen Sträuchern zusammen. Bäumekommen in der Hochhecke nicht vor.

beinhalten die Merkmale und Schichten der beidenerstgenannten Heckentypen. Zusätzlich kommen Einzelbäume über 5 mHöhe hinzu, die bewusst als Solitärgehölze gepflanzt und gepflegtwurden, beispielsweise als landschaftsprägende Elemente, als Sitz- oderSingwarte für Vögel oder zum Schutz von Weidevieh.

Aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte, ihrer Funktion oder regionalerGegebenheiten lassen sich weitere Heckentypen beschreiben:

sind typische süddeutsche Einzelhecken, die sich

Krautschicht

Strauchschicht

Baumschicht

Welche Heckentypen gibt es?

Niederhecken

Hochhecken

Baumhecken

Gäulandhecken

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leben zahlreiche Insekten (Käfer!), Spinnen, Schnecken, und anderewirbellose Tiere. Fuchs, Dachs, Iltis, Wiesel, Erdbienen, und Grillengraben sich in den Boden.

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oder Knicks kommen im norddeutschen Raum vor. Siewurden als Grünlandhecken gezielt angepflanzt, um wertvollesAckerland vor Verbiss durch das Weidevieh zu schützen. Wallhecken sindmit Bäumen und Sträuchern bewachsene Erd- und Steinwälle, die zurEinfriedung dienen.

sind Totholzhecken, die vor allem durch Ablagerung vonÄsten und Zweigen sowie durch Samenanflug entstehen (nach HermannBenjes).

werden angepflanzt, um der Winderosion undeinströmender Kaltluft entgegen zu wirken.

sind naturferne Gehölze, die in Haus- und Kleingärten zurVerschönerung oder als Sichtschutz gezielt gepflanzt wurden.

Leider gibt es in Filderstadt nur noch wenige landschaftsprägende Hecken.Hauptursachen dafür sind:

Hoher Landschaftsverbrauch durch Autobahn- und Bundesstraßenbau,Flughafenausbau sowie Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten,wodurch „wertlose“ Hecken verdrängt wurden.

Durch Technisierung und Rationalisierung in der Landwirtschaft werdenHecken und Feldgehölze zu unproduktiven Flächen.

Wallhecken

Benjeshecken

Windschutzstreifen

Zierhecken

Filderstädter Heckenlandschaften

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Feldhecke an der Zufahrtzur Gutenhalde

von Wegen, Rainen und Böschungen erstrecken und teilweise „wild“entstanden sind.

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Die circa 1 km lange in Plattenhardt ist die längste Hoch-und Baumhecke unserer Stadt. Sehr wertvolle Heckenstrukturen finden wirauch in den Hanglagen des Gebiets in Bonlanden.Im Bereich der bei der Filderklinik und des Gewanns

beim Altenheim verbinden und ergänzen sich Heide- undHeckenflächen zu artenreichen Lebensräumen. Einige wenige Hecken-abschnitte finden sich noch in der Feldflur zwischen Sielmingen und Hart-hausen sowie zwischen Bonlanden und Harthausen; darüber hinaus inPlattenhardt in der Steinenfurt, den Egerten, den Spitz- und Schilleräckern.In Bernhausen existieren Hecken – mit wenigen Ausnahmen – nur noch alsBachbegleitgehölze. Einige stufig mit Heckensträuchern gestaltete Wald-ränder sind weitere positive Beispiele, während die entlang den Bundes-straßen gepflanzten Heckensäume nur einen geringen Wert als artenreicheLebensräume für Pflanzen Tiere aufweisen können.

Scherlach-Hecke

Sandbühl / Gutenhalde

Haberschlai-Heide

„Auf der Heid“

und

Flurbereinigungen und Asphaltierung der Feldwege trugen diesemUmstand Rechnung, indem Hecken, Böschungen und so genannte„Zwickel“ weitgehend beseitigt wurden.

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Gehölzarten der Hecken

Margit Rosenfelder, Tiefbauamt/Grünflächenabteilung Filderstadt

Die wichtigsten Arten auf der Grundlage der „Potentiellen natür-lichen Vegetation von Baden-Württemberg“, herausgegeben vonder Landesstelle für Naturschutz und Landespflege in Baden-Württemberg.

Im Bereich der Filder kommen der Hainsimsen-Buchenwald im klein-flächigen Wechsel mit anderen Waldgesellschaften und der Reiche Hain-simsen-Buchenwald im Wechsel mit Waldmeister- bzw. Perlgras-Buchen-wald, vor.

Wald-HaselZweigriffeliger Weißdorn

Eingriffeliger WeißdornRoter Hartriegel

PfaffenhütchenGemeiner Liguster

Gemeine HeckenkirscheSchlehe / Schwarzdorn

HundsroseTrauben-Holunder (Roter Holunder)

Wolliger SchneeballGemeiner Schneeball

FeldahornSpitzahorn

Berg-AhornSand- oder Weißbirke

HainbucheGemeine Esche

Rot-BucheVogel-KirscheTrauben-Kirsche

Die wichtigsten Straucharten sind:

Die wichtigsten Baumarten sind:

Corylus avellana,Crataegus laevigata,Crataegus monogyna,Cornus sanguinea,Euonymus europaeus,Ligustrum vulgare,Lonicera xylosteum,Prunus spinosa,Rosa canina,Sambucus racemosa,Viburnum lantana,Viburnum opulus,

Acer campestre,Acer platanoides,Acer pseudoplatanus,Betula pendula,Carpinus betulus,Fraxinus excelsior,Fagus sylvatica,Prunus avium,Prunus padus,

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Hagebutte

Page 10: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Sorbus aucuparia,Sorbus torminalis,Ulmus glabra,Sorbus domestica,Alnus glutinosa,Quercus petraea,Quercus robur,

(Malus pumila) (Pyrus communis)

Gemeine EberescheElsbeere

BergulmeSpeierling

RoterleTraubeneiche

Stieleiche

Wildapfel und die Wildbirne .Wichtig ist hier die Bezugsquelle, da man sonst häufig Bastarde mit Kultur-obstsorten erhält.

Vor der Anpflanzung einer Hecke sind eine ganze Reihe wichtiger Fragen zuklären:

Wo steht die Hecke am besten?Wie viel Platz steht ihr zur Verfügung?Welche Gehölze sollen gepflanzt werden?In welchem Abstand sind die Sträucher zu pflanzen?Wann soll gepflanzt werden?

Zweck der Hecke und Heckentyp bestimmen (Wind-, Erosions-, Sicht-schutz, Ökologie)Standort der Hecke (geeignete Fläche auswählen)Klärung nachbarrechtlicher FragenWelche Pflanzen verwenden?Pflanzplan erstellen (Pflanzabstände usw.)Angebote einholen, Material bestellen: Pflanzen, ZaunmaterialBodenvorbereitungPflanzungSchutzzaunPflege der Neupflanzung (mulchen, ausmähen), Regelung der lang-fristigen Pflege und des Unterhaltes

Die benutzten Sträucher sollen circa 60 bis 80 Zentimeter und junge Bäume2 bis 3 Meter groß sein. Wie in der Forstwirtschaft, wo schon seit langem dasSaat- oder Pflanzgut mit Herkunftsnachweisen versehen sein muss, wirdauch in der Landschaftspflege immer öfters gefordert, nicht nur stand-ortgerechte Pflanzenarten zu verwenden, sondern auch auf die Herkunft(Provenienz) und auf gebietstypische Besonderheiten zu achten. So sollte

Wildobstarten :

Planung:

Checkliste für das Anlegen einer Hecke:

Pflanzenauswahl

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Pfaffenhütchen

Page 11: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

man in Baumschulen beim Kauf von Heckensträuchern nachfragen, woherdie Pflanzen stammen.In einer Hecke kommen natürlich nicht alle oben aufgelisteten Pflanzen-arten gleichzeitig vor. Für die Auswahl der zu verwendenden Arten sind auchdie Standortbedingungen zu beachten (Bodenart, Kleinklima, Wasserver-sorgung).

Sind die Länge der geplanten Hecke und die Anzahl der Reihen bekannt unddie Gehölzarten und ihre Mengenverhältnisse sowie die Pflanzabstände be-stimmt, kann man die Anzahl der benötigten Pflanzen berechnen.Sehr hilfreich für die spätere Pflanzarbeit ist die Erstellung eines Pflanz-planes. Dieser dient da-zu, die Reihenfolge derPflanzen in der zukünfti-gen Hecke maßstabge-treu (z. B. im Maßstab1:100) einzutragen. DiePflanzen werden durchein Symbol oder einBuchstabenkürzel dar-gestellt. So kann man inaller Ruhe die Anord-nung der Gehölze pla-nen und braucht sich imGelände nicht mehr dar-um zu kümmern, was man als nächstes wo pflanzen soll.Sehr wichtig ist es, die langsamwüchsigeren Arten, die als Einzelpflanzezwischen den Hauptarten (Schlehe, Weißdorn, Rose) kaum eine Chancehätten, beispielsweise in Gruppen von 10 Pflanzen zu setzen. Bäumewerden im Heckenzentrum angepflanzt; hierdurch wird ein stufiger Aufbauder Hecke erreicht. Bei ihnen soll der Pflanzabstand mindestens 5 bis 8Meter betragen.

Hecken werden in unbelaubtem Zustand und, wegen der Winterfeuchte fürden Boden, am besten im November/Dezember gepflanzt.

Der Gras- und Krautbewuchs soll während der ersten drei Jahre gemähtwerden. Das Mulchen mit Rindenmulch oder Stroh reduziert den Krautauf-wuchs. Bei anhaltender Trockenheit müssen Neupflanzungen unbedingtregelmäßig gegossen werden.

Pflanzplan

Pflanzzeit

Pflege

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Feldhecke in Filderstadt

Page 12: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Um eine auch im unteren Bereich dichte Hecke zu erhalten, wird sieerstmalig 3 bis 10 Jahre nach dem Pflanzen auf den Stock gesetzt; hierdurchkommt es zu dichten bodennahen Verzweigungen der Sträucher.

Beispiel für einen Pflanzplan:

Abkürzungen:Ps Cm CaVl Ac SrRc Lv Cs

Prunus spinosa, Cornus mas, Corylus avellana,Viburnum lantana, Acer campestre, Sambucus racemosa,Rosa canina, Ligustrum vulgare, Cornus sanguinea

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Page 13: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Pflege von Hecken

Brighid Schulz, Gärtnermeisterin,Firma Schweizer Baumpflege und Forst Filderstadt

Hecken gliedern und strukturieren Räume in unserer landwirtschaft-lichen Kulturlandschaft sowie in Gärten und Anlagen. DerPlatzanspruch der Hecken und die Grenzverhältnisse (zum Nach-

barn, zum nächsten Landbesitz, zur Straße, …) erfordern unterschiedlichePflegemaßnahmen. Überalterte Hecken verkahlen von innen, haben kaumnoch Früchte und bilden Totholz bis zum ganzen Absterben eines Strauchs.Früher holten sich die Bauern einen Teil ihres Brennholzes aus den Hecken,indem sie einzelne starke Äste bodennah heraussägten und trugen somit zueiner Verjüngung und zum Erhalt der Flurhecken bei.

Die Pflege einer Neuanplanzung begrenzt sich in den ersten drei Jahren aufdas Ausmähen des Krautaufwuchses, um den Heckensträuchern das An-wachsen zu erleichtern. Sie können sonst von dem Gras- und Krautbewuchs„erdrückt“ werden. Außerdem muss in einer Trockenperiode zusätzlich fürBewässerung gesorgt werden.Nach drei bis zehn Jahren werden einzelne Sträucher/Heckenabschnitteentweder bis auf wenige Zentimeter über dem Boden abgesägt, um einebodennahe Verzweigung zu bekommen oder es werden einzelne ältere Ästeherausgesägt, womit die Form und Funktion des Heckengehölzes erhaltenbleibt und lediglich verjüngt wird. Bäume sind von dieser Schnittmaßnahmeausgenommen, es können jedoch Stamm- und Stockaustriebe entferntund/oder eine Kronenpflege durchgeführt werden.Ein Formschnitt, der an der Hecke gerade entlang geht (siehe Garten-begrenzungshecken) ist zu vermeiden, da diverse Lebensbereiche vonHeckenbewohnern stark beeinträchtigt werden.

Der Pflegeschnitt wird im Winterhalbjahr (Oktober bis Ende Februar)durchgeführt.Die Häufigkeit der Maßnahmen variiert. Die Landesanstalt für Umweltschutzempfiehlt eine Flurheckenpflege alle 10 bis 25 Jahre, der NABU alle 10 bis 15Jahre. Dabei werden nur bestimmte Abschnitte von jeweils circa 20 m Längeauf den Stock gesetzt. Haben diese Sträucher erneut ausgetrieben und eine

Pflegekonzept Filderstadt

Pflegeintervalle

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Page 14: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Höhe erreicht, die Pflanzen und Tieren Schutz gibt, können die anderenAbschnitte wenige Zentimeter über dem Boden abgesägt werden. So kanneine Hecke sukzessiv innerhalb mehrerer Jahre komplett erneuert werden.

Es gibt verschiedeneMöglichkeiten, eine He-cke zu schneiden, jenach Zielsetzung.

Bei einer Pflanzung vonwurzelnackten, zwei- bisdreijährigen Sträuchernwerden die Wurzeln ein-gekürzt, um eine bes-sereWurzelbildung nachder Pflanzung anzure-gen. Um das Gleichge-wicht zwischen Wurzelnund Trieben herzustel-len, sollten auch dieoberirdischen Pflanzen-teile ungefähr ein Drittelbis ein Viertel eingekürzt werden. Der Strauch wächst besser an, die Nähr-stoff- und Wasserversorgung in alle Pflanzenteile erfolgt einfacher und derNeuaustrieb ist buschiger.Pflanzen, die mit einem Ballen gepflanzt werden, brauchen nicht unbedingteinen Rückschnitt, können aber leicht ausgelichtet werden.

Ein Erhaltungsschnitt ist eine Maßnahme, die nicht unbedingt jährlich,jedoch wiederholt regulierend und erhaltend eingreift, ohne die natürlicheWuchsform zu zerstören. Dabei werden einige ältere Äste bodennahabgesägt, störende Zweige entfernt und einige Triebspitzen eingekürzt.Diese Methode ist die aufwändigste und erfordert Zeit und Übung, um dasGesamtbild des Strauchs und der Hecke vollständig zu erhalten, ist abergleichzeitig die schonendste Art der Erhaltung und Verjüngung.

Das „auf Stock setzen“ heißt, alte Sträucher bis auf ein paar Zentimeterüber dem Boden abzuschneiden und den Pflanzen somit die Möglichkeitzum erneuten Austreiben zu geben. Dies gilt für die meisten hierzulande

Heckenschnitt

Pflanzschnitt

Erhaltungsschnitt

„Auf Stock setzen“

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Hecken benötigen einen regelmässigen Formschnitt

Page 15: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

verwendeten Heckensträucher. Bei dieser Methode wird jedoch kurzfristigradikal in den Lebensraum der Tiere eingegriffen, die den Schutz des„Gestrüpps“ für sich beanspruchen. Langfristig ist der Schaden begrenzt,wenn von einer Hecke jeweils nur Abschnitte (bis zu circa 20 m Länge)runtergesetzt werden und die restlichen Abschnitte noch erhalten bleibenbis der Aufwuchs wieder stabil ist.

Der Formschnitt bezieht sich auf die Hecken, denen begrenzt Platz in Höheund Breite gegeben ist (die meisten Gartenhecken). Diese Art von Hecken-schnitt erfolgt ein- bis zweimal jährlich, je nach Wuchskraft der Pflanzen.Angefangen mit einem Heckenschnitt wird im Jahr nach der Pflanzung.Dadurch wird die Verzweigung der Äste angeregt und man erhält eineblickdichte Hecke. Leichter Rückschnitt erfolgt ab Ende Juli (Vogelbrut!) fürimmer- und sommergrüne Pflanzungen. Der starke Rückschnitt ältererHecken, der gegebenenfalls bis ins Holz geht, sollte im Frühjahr, wenn dieharten Fröste vorbei sind und die Temperaturen steigen, vorgenommenwerden. Zum Heckenschnitt selber muss hier angemerkt werden, dass dieSeiten am besten nach oben hin schmaler werdend geschnitten werdensollten, da die Wasser- und Nährstoffversorgung in den oberen Bereichenzu stärkerem Wachstum führt und in den bodennahen Ästen durch die vonoben überhängenden Ästen die geringe Lichtzufuhr zur Verkahlung derHecke führen kann.

Hecken-/Formschnitt

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Page 16: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Wie weit muss ich von der Grenze wegbleiben –wer muss die Hecke schneiden – wem gehört

dieser Apfel? Einige Impressionen zumNachbarrecht Baden-Württemberg

Andrea Weber, Umweltschutzreferat Filderstadt

Wer kennt sie nicht – die Frage nach den Grenzabständen, der Pflegeund dem Apfel, der von Nachbars Baum so verlockend über dieGrundstücksgrenze hängt? Diese und andere Fragen hinsichtlich

des Eigentums und dessen Pflege wurden bereits 1959 von Baden-Württemberg – als erstes deutsches Bundesland – im Nachbarrechtsgesetz(NRG) aufgegriffen. Es enthält Vorschriften zum baulichen und pflanzlichenNachbarrecht: Regelungen zu Grenzabständen, Notleitungsrecht, Hammer-schlags- und Leiterrecht. Das NRG ist Privatrecht – das BürgerlicheGesetzbuch (BGB) und das NRG ergänzen sich.

Das Nachbarrecht unterscheidet innerhalb undaußerhalb einer Ortschaft, mit damit verbundenengrößeren und kleineren Abständen von toten(Zäune und Mauern, § 11 NRG) oder lebenden(Hecken und Spaliereinrichtungen, § 12 NRG)Einfriedungen zu einer Grundstücksgrenze:„Hecken müssen gemessen ab der Mittelachse desder Grenze nächsten Stammes oder Triebes beiAustritt aus dem Boden einen Pflanzabstand von0,50 m einhalten und dürfen dann nicht höher als1,80 m sein. Höhere Hecken müssen in einem derMehrhöhe entsprechenden Abstand zurückgesetztwerden. Eine Hecke mit einem Abstand von 1 mzur Grenze darf also bis zu 2,3 m hoch werden.Außerdem sind Hecken bis zur Hälfte desvorgeschriebenen Abstandes zurückzuschneiden.§ 12 Abs. 2 Satz 1 NRG“. „Liegt das Nachbar-

grundstück in Innerortslage, darf die Hecke, wenn sie nicht höher als 1,8 mist, bis zur Grenze wachsen. § 12 Abs. 2 Satz 2 NRG.“§ 16 NRG befasst sich mit den Grenzabständen von einzelnen Bäumen,Sträuchern und anderen Gehölzen. Dabei gilt die Faustregel, je höher undmächtiger die entsprechende Pflanze werden kann, umso größer muss auchder Abstand zur Grundstücksgrenze sein.

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Die Früchte eines Baumes, dieauf das Nachbargrundstückfallen, gehören dem Eigen-tümer des Nachbargrund-stückes, § 911 BGB

Page 17: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Was ist nun mit überhängenden Zweigen, Wurzeln und natürlich demverlockenden Äpfelchen auf dem überhängenden Ast des Obstbaumesmeines Nachbarn? „Als Grundstückseigentümer können Sie verlangen, dassdie vom Nachbargrundstück auf Ihr Grundstück herabhängenden Zweige ander Grenze abgeschnitten werden, soweit sie die Benutzung IhresGrundstückes stören, § 910 BGB.“ Wenn Sie Ihrem Nachbarn eineangemessene Frist gesetzt haben, er dem aber innerhalb dieser Frist nichtnachkommt, können Sie die Zweige selbst abschneiden und auch behalten.Allerdings sind hier naturschutzrechtliche Bestimmungen zu beachten: Lautdem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) vom 29.07.2009, § 39 Abs. 3 Satz5., 2. ist es verboten: „Bäume, die außerhalb des Waldes, von Kurzumtriebs-plantagen oder gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen, Hecken,lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März biszum 30. September abzuschneiden oder auf den Stock zu setzen; zulässigsind schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachsesder Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen.“ Zusätzlich gilt inFilderstadt die Baumschutzsatzung, eine Verordnung des LandratsamtesEsslingen als Untere Naturschutzbehörde zum Schutz von Baumbeständenin der Großen Kreisstadt Filderstadt vom 25.09.1987, § 1 Abs. 1: „Auf demGebiet der Großen Kreisstadt Filderstadt werden innerhalb der im Zusam-menhang bebauten Ortsteile einschließlich der im jeweils maßgebendenFlächennutzungsplan dargestellten Neubaugebiete Bäume mit mindestens80 cm Stammumfang sowie Taxus baccata (Eiben) ab 60 cm Stammumfang,gemessen 100 cm über dem Erdboden, unter Schutz gestellt. Beimehrstämmigen Bäumen ist die Summe der Stammumfänge maßgebend.“„Bei Obstbäumen und Bäumen, die auf öffentlichen Wegen oder derenZubehörden – Nebenwegen, Dämmen oder Böschungen – oder nachpolizeilicher Vorschrift in regelmäßiger Anordnung längs der Straße auf denangrenzenden Grundstücken gepflanzt sind, ist dieses Recht abereingeschränkt: Die Beseitigung herüberragender Zweige kann der Besitzerdes Nachbargrundstücks nur bis zur Höhe von 3 m verlangen. DieBeseitigung der Zweige auf voller Höhe ist an besondere Voraussetzungengeknüpft, die Sie §§ 23 Abs. 2 und 25 Abs. 1 Satz 2 NRG entnehmen können“.„Die Früchte eines Baumes oder Strauches, die auf das Nachbargrundstückfallen, gehören dem Eigentümer des Nachbargrundstückes, § 911 BGB. Siedürfen die Früchte aber nicht von den herüberragenden Ästen pflücken oderschütteln. Solange Früchte mit dem Baum verbunden sind, gehören sie demEigentümer des Baumes“.

Das Lesen und Auslegen von Gesetzestexten ist nicht einfach und vor allemnicht Jedermanns Sache. Ich bin durch meine Internetrecherche auf dieDatei „Das Nachbarrecht in Baden-Württemberg“ des JustizministeriumsBaden-Württemberg gestoßen. Hier braucht man keine Juristenausbildung:

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Page 18: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Die Texte sind klar und mit Beispielen (siehe oben) erläutert. Sie finden Sieunter folgender Internetadresse: http://justizportal-bw.de/servlet/PB/menu/1153547/index.html oder können die Broschüre beim Justiz-ministerium Baden-Württemberg, Schillerplatz 4 in 70173 Stuttgartbeziehen.

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Page 19: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Zur Bedeutung von Hecken für die Sicherungder heimischen Artenvielfalt – eine kritische

Betrachtung heutiger Naturschutzpraxis

Gabriel Hermann, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung Filderstadt

„Erhalt der Biodiversität“ ist auch unter Politikern zu einem häufigverwendeten Schlagwort der öffentlichen Umwelt- und Naturschutz-

diskussion geworden. Weitgehender Konsens besteht inzwischen darüber,dass Arten nicht nur in tropischen Regenwäldern bedroht und schutz-bedürftig sind. Vielmehr ist auch in unseren europäischen Kulturland-schaften ein drastischer Schwund biologischer Vielfalt nachgewiesen, derdurch die bisherigen Naturschutzstrategien weder gestoppt noch deutlichverlangsamt werden konnte.

Dabei fehlt es durchaus nicht nur an privatem und behördlichemEngagement, einschlägigen Gesetzen, verfügbaren Geldmitteln und Flächenoder faktisch umgesetzten Naturschutzmaßnahmen. Wenn Biodiversitätwirksam geschützt werden soll, muss aber gefragt werden, ob Aktivitätenund Maßnahmen tatsächlich denjenigen Arten zu Gute kommen, diegegenwärtig am stärksten gefährdet und damit am schutzbedürftigsten sind.

Hecken- und sonstige Gehölzpflanzungen gehören hierzulande – mitgroßem Abstand – zu den am häufigsten realisierten, aktiven Natur-schutzmaßnahmen, sei es im Rahmen von Biotopverbundplanungen oderals „Ausgleich“ für Landschaftseingriffe. Doch tragen Hecken wirklich dazubei, die Bestände der bei uns rückläufigen, gefährdeten oder vom Aus-sterben bedrohten Arten nennenswert zu stabilisieren?

Bereits eine oberflächliche Analyse der Roten Listen weist klar auf dasGegenteil hin: Nahezu bei allen Artengruppen, für die Gefährdungsanalysenderzeit zur Verfügung stehen, ist nur ein verschwindend geringer Anteil derbedrohten Arten auf Gebüsche mittlerer Standorte in einem landwirt-schaftlich genutzten Umfeld angewiesen. Und selbst unter den wenigenArten, auf welche dies zutreffen mag, wird man kaum eine finden, die vonpraxisüblichen Heckenpflanzungen nachweislich profitierte.Ein wesentlicher Grund hierfür ist fast banal: Wir leben derzeit in einemKlimaraum, in dem sich nahezu jedes dauerhaft ungenutzte Stück Land

Kein Mangel an Gehölzen – kein Mangel an üblichen Heckenarten

Biodiversität in Gefahr

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früher oder später auf ganz natürliche Weise mit Gehölzen und schließlichmit Wald bestockt. Dies geschieht – von vielen weitgehend unbemerkt –heute mehr denn je. Nämlich auf zahllosen, ehemals landwirtschaftlichgenutzten Flächen ertragsschwacher Standorte: Wo vor 30 bis 50 Jahrenblumenreiche Raine ab und zu mit der Sense gemäht wurden, wachsenheute dichte Schlehenhecken. Wo nasse Wiesen früher sporadischerStreunutzung dienten, breiten sich jetzt Weidengebüsche aus. Wo offeneWiesenbäche den Lebensraum des Braunkehlchens strukturierten, säumenheute vielfach dichte Gehölzreihen die Bachufer. Und wo schließlich – wieauf den Stubensandstein-Platten des Schönbuchs – noch vor wenigenJahrzehnten sonnige Heideflächen zu finden waren, stockt heute fastausnahmslos dichter Wald.

An Gehölzen und Wald besteht in unserer Landschaft kein Mangel an sich,denn diese Biotope nahmen in den letzten Jahrzehnten auch ohne direktesmenschliches Zutun fast in allen Naturräumen deutlich zu. Die an Gehölzegebundenen Arten sind folgerichtig nur dann gefährdet, wenn sie sehrspezielle Gehölzstrukturen (z. B. uralte Bäume, großdimensioniertes Tot-holz), eine besondere Umgebung (z. B. Magerrasen), extreme Standorteoder aber ein bestimmtes, in der Regel „seltenes“ Mikroklima benötigen(z. B. der Segelfalter, Krüppelschlehen über offenemBoden oder Gestein).

Selbst der Neuntöter – eine häufig für Hecken als charakteristischbezeichnete Brutvogelart – ist in gepflanzten Naturschutzhecken nurausnahmsweise einmal zu finden. Dorngebüsche bilden für ihn eben nureinen zwar wichtigen, keineswegs aber allein entscheidenden Teillebens-raum. Bezeichnenderweise brüten im Landkreis Esslingen derzeit 5 bis 10Neuntöter-Paare – und damit ein regional sehr bedeutender Bestand dieserSingvogelart – auf der seit Jahren brachliegenden Abdeckung einer großenMülldeponie. Wohlgemerkt: Dort wurden nach Abschluss der Bauarbeitenkeinerlei Hecken oder Gebüsche gepflanzt! Die wenigen, von denReviervögeln als Brutplatz benötigten Einzelgehölze kamen ganz vonalleine. Entscheidend für die derzeit sehr hohe Lebensraumqualität dieserFläche für den Neuntöter ist vielmehr das großflächig optimale Nah-rungsangebot insektenreicher Ruderalfluren. Mit diesem Beispiel will derVerfasser mitnichten für mehr Mülldeponien als geeignete Naturschutz-maßnahme plädieren. Es macht aber deutlich, dass im Naturschutz vielkonsequenter nach den im Mangel befindlichen Strukturen gefragt werdenmüsste. Mehrere Jahre lang ganz sich selbst überlassene Brachen auf nichtmit Gehölzen bepflanzten oder anderweitig begrünten Rohboden-standorten gehören zweifellos dazu (weitere Beispiele siehe unten). Siehätten – als Naturschutzmaßnahme geplant und umgesetzt – mannigfachen

Iphiclides podalirius:

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Nutzen für rückläufige und bedrohte Arten.

Als Zwischenfazit kann man also festhalten: Hecken können bestimmteFunktionen erfüllen, für die Sicherung der – heute bedrohten – heimischenArtenvielfalt spielen sie aber kaum eine Rolle oder nur dann, wenn sie einesehr spezielle Struktur und bestimmte Standorteigenschaften aufweisen.Mit dem vielfach vermittelten, eher an Landschaftsästhetik orientiertenIdealbild einer „Naturschutzhecke“ hat das dann aber wenig zu tun.

Dass die meisten unserer Naturschutzhecken allenfalls in ihrer frühenPionierphase oder bei Absterbeprozessen der Gehölze schutzbedürftigeArten beherbergen, ist in Anbetracht des oft großen Engagements privaterund behördlicher Naturschützer für diesen Lebensraumtyp sehr zubedauern. Schlimmer noch ist aber, dass man nicht selten auf Fälle stößt, indenen Gehölzpflanzungen selbst zum Gefährdungsfaktor bedrohter Artenwurden. Hierzu drei Beispiele:

1. Der Storchschnabel-Bläulingist

bundes- wie landesweit eine ge-fährdete und regional stark zu-rückgehende Schmetterlings-art. Im Landkreis Böblingenetwa sind von mehr als 20,Mitte der 1990er Jahre be-kannten Vorkommen inzwi-schen nur noch sechs übriggeblieben (eigene Daten un-veröffentlicht; Stand 2010).Den typischen Lebensraumbilden im Schönbuch schmaleHochstaudensäume und nasseKleinbrachen entlang von offenen Wiesenbächen und Gräben. Mehreredieser Habitate wurden aber – zweifellos in gut gemeinter Absicht – mitGebüschen oder Weidenstecklingen bepflanzt, wodurch die lokalenPopulationen des Bläulings innerhalb weniger Jahre ihren Lebensraum(durch Beschattung) verloren und verschwanden.2. Ähnliche Beispiele gibt es von den Fildern. Hier wurden – ebenfallsunabsichtlich aufgrund mangelnder Sorgfalt – mehrere Vorkommen desgefährdeten Wiesenknopf-Ameisenbläulingsdurch Gehölzpflanzungen ausgelöscht [1].3. Der Kiebitz-Brutbestand nahm in Baden-Württemberg während derletzten 20 Jahre um mehr als 90 Prozent ab [2, 3]. Eine Art also, um die

Gehölzpflanzung als Gefährdungsursache

(Polyommatus eumedon)

(Maculinea nausithous)

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Der bedrohte Storchschnabel-Bläuling (Poly-ommatus eumedon) wird immer wieder durchHeckenpflanzung gefährdet, weil Gehölze dievon ihm benötigten, sonnig stehenden Futter-pflanzen beschatten und verdrängen.(Foto: Trautner)

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sich der Naturschutz vorrangig kümmern müsste. Wie man heute weiß,hatte der dramatische Rückgang verschiedene Ursachen. Ein sehrwesentlicher Beeinträchtigungsfaktor war das Aufwachsen Kulissenbildender Feldgehölze, Baumreihen und auch Hecken, deren Nähe vonder Offenlandart Kiebitz strikt gemieden wird. Trotz der inzwischenmassiven Bestandsgefährdung dieser relativ bekannten und beliebtenVogelart finden in Unkenntnis ihrer Ansprüche auch heute nochGehölzpflanzungen in Brutgebieten oder in deren unmittelbarer Nähestatt. Tatsächlich bestandsstützende Naturschutzmaßnahmen hin-gegen, die für den Kiebitz wohlbekannt sind [3], scheiternkeineswegs nur am Widerstand betroffener Landwirte (Anlage vonAckerblänken), sondern auch oft an massiven Einwänden des privatenoder behördlichen Naturschutzes (notwendige Beseitigung vonGehölzkulissen in potenziellen Brutgebieten).

An obigen Beispielen wird deutlich, dass selbst „populäre“ und deshalbauch regelmäßig umgesetzte Naturschutzmaßnahmen (wozu Hecken-pflanzungen fraglos zählen), am sachlich zu begründenden Bedarf weitvorbeizielen und schlimmstenfalls selbst zum Verlust gefährdeter Elementeder Biodiversität beitragen können.

Hecken und Bäume werden in der Öffentlichkeit sehr häufig – doch zuUnrecht – als „besonders wertvolle Landschaftselemente“ für den Erhalt derArtenvielfalt wahrgenommen.

Nicht so dagegen eine Vielzahl anderer Standorte und Strukturen, die inunserer heutigen Kulturlandschaft großflächig im Mangel sind und geradefür die am meisten gefährdeten Arten herausragende Bedeutung hätten. Siefinden kaum – zumindest kaum positive – Beachtung. Die Liste der unterArtenschutzaspekten wirklich dringend benötigten Strukturen ist lang undwird vielleicht Manchen irritieren, der als Träger der heimischen Arten-vielfalt in erster Linie möglichst „ungestörte“ Lebensräume vermutet. Essind stattdessen vielmehr bestimmte „Störstellen“, denen die heute bei unsam stärksten bedrohten Arten ihren speziellen Lebensraum verdanken:

Rutschungen und andere Erosions„schäden“ an Steilhängen,Vegetationslücken in intensiv, aber düngungsfrei beweidetenMagerrasen,sterile Sand- und Kiesflächen entlang unregulierter Flüsse,Brandflächen in Heidegebieten,weiträumig gehölzarmes Extensivgrünland in großräumigen Auen,vegetationsfreie Torfstellen in „gestörten“ Mooren,

Was wäre anstatt der Pflanzung von Hecken und anderen Gehölzennotwendig?

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Kahlschläge in offenen Wäldern,im Sommer austrocknende Tümpel, ganz ohne Schattenspendendes Ufergehölz,nicht begrünte Schwarzbrachen in Ackerbaugebieten,zeitweilig überschwemmte Äcker oderregelmäßig (alle 5 bis 10 Jahre) auf den Stock gesetzte Gehölze desOffenlandes.

All dies sind Beispiele für Mangelstrukturen, die zum Erhalt der mittel-europäischen Artenvielfalt fundamentale Bedeutung hätten und damitweitaus wichtiger wären, als Hecken- oder Baumpflanzungen. Nicht vonungefähr beherbergen ausgerechnet Truppenübungsplätze, auf denenregelmäßig Kettenfahrzeuge die Vegetationsdecke „verwunden“, oder auchMaterialabbaugebiete wie Braunkohle-Tagebaue, außergewöhnlich vieleunserer höchstgradig bedrohten Arten. Letztere finden derzeit weder in der„Normallandschaft“, noch in den Naturschutzgebieten geeigneten Lebens-raum: Ziegenmelker, Heidelerche, Raubwürger, Steinschmätzer, Brach-pieper; um stellvertretend einmal fünf der in Baden-Württemberg amstärksten gefährdeten (oder schon verschwundenen) Brutvögel zu nennen.Keine einzige von ihnen wird bei uns durch Hecken zu fördern oder vor demAussterben zu bewahren sein.

Was ist die Konsequenz für den angewandten Naturschutz? An erster Stellediejenige, dass gewohnte und auch lieb gewonnene Leitbilder genauhinterfragt werden müssen. Dazu gehört insbesondere die Frage, welcheArten denn – lokal wie auch überregional – auf welche Schutzmaßnahmenam dringendsten angewiesen sind?

Sind es – etwa in landwirtschaftlich genutzten Räumen der Filder – Amsel,Rotkehlchen und Mönchsgrasmücke, die man durch übliche Heckenpflan-zungen fraglos fördern könnte?

Oder wären es hier nicht viel eher Arten wie das Rebhuhn, der Neuntöter,der Feldschwirl, die Wachtel oder die Schafstelze? Letztere bräuchten ganzandere Biotope als die typische Naturschutzhecke (vgl. „ideale Insekten-Vielfalt-Hecke“ im Beitrag von TRAUTNER in diesem Heft [5]), nämlichsolche mit möglichst wenigen Gebüschen, dafür aber breiten, kraut- undinsektenreichen Säumen. Not tut hier die Neuanlage von Säumen undBuntbrachen, nicht aber die Neupflanzung von Hecken. Vielmehr müsstenschon vorhandene Gebüsche wieder durch regelmäßiges „auf den Stocksetzen“ und Abräumen des Gehölzschnittes gepflegt werden.

Ein nachahmenswertes Beispiel hierzu geben zielgerichtete Maßnahmen

Kurzes Fazit für den Naturschutz

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der Heckenpflege, die von ehrenamtlichen Artenschützern im Neckartal beiTübingen angestoßen und mit umgesetzt wurden. Das Ergebnis ist aus Sichtdes Verfassers beeindruckend: Im Frühjahr 2010 waren fast alle der ab 2008gezielt auf den Stock gesetzten oder stark verjüngten Hecken undFeldgebüsche nach vielen Jahren wieder mit Revieren des stark gefährdetenRebhuhns besetzt (GEISSLER-STROBEL, mdl.).

[1] GEISSLER-STROBEL, S., KAULE, G., SETTELE, J. (2000): GefährdetBiotopverbund Tierarten? Langzeitstudie zu einer Metapopulation desDunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings und Diskussion generellerAspekte. -Natur und Landschaft 32 (10): 293-299.[2] HÖLZINGER, J., BOSCHERT, M. (2001): Die Vögel Baden-Württembergs.Nicht-Singvögel 2. -Ulmer-Verlag Stuttgart.[3] ORNITHOLOGISCHE GESELLSCHAFT BADEN-WÜRTTEMBERG(OGBW) (2010): ADEBAR-Kartierung Baden-Württemberg, Arbeitskartenzur Verbreitung der Brutvögel Deutschlands (http://www.ogbw.de/-adebar.html).[4] MÜLLER, W., GLAUSER, C., SATTLER, T., SCHIFFERLI, L. (2009): Wirkungvon Maßnahmen für den Kiebitz in der Schweiz undEmpfehlungen für die Artenförderung. -Orn. Beob., 106 (3): 327-350.[5] TRAUTNER, J. (2010): Hecken als Lebensraum für Insekten.

Zitierte Literatur

Vanellus vanellus

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Die Bedeutung von Hecken für den Naturschutz

Margit Riedinger, Umweltschutzreferentin Filderstadt

Naturnahe und natürliche Hecken sind -- ähnlich den Fließgewäs-sern -- wichtige lineare Verbundelemente in unserer Kulturland-schaft.

In intensiv genutzten Kulturlandschaften und damit ist die Filder mit ihrenSonderkulturen inbegriffen, können Hecken im Wechsel mit Ackerrainenentlang von Wegen, Böschungen und Gräben ein im Sinne des Biotop-verbundes wichtiges Netz bilden. Sie strukturieren und vernetzen Acker-landschaften und werten diese somit entscheidend auf. Weiterhin schaffensie Verbindungen zwischen flächenhaften Biotopstrukturen wie Wäldern,Grünland oder Streuobstwiesen.

Aus diesem Grund besitzen Hecken oft einen Schutzstatus als Naturdenk-mal, als geschütztes Biotop nach Naturschutzgesetz Baden-Württemberg(NatSchG) oder nach Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG).

Laut Bundesnaturschutzgesetz sind natürliche oder naturnahe Fließ-gewässer, Stillgewässer (inklusive Hülen) samt ihrer begleitenden Gehölzegeschützt (§ 30 BNatSchG, 2010).Die Gehölze befestigen die Uferböschung, ins Gewässer hängende Wurzelnbieten Unterschlupf für Wassertiere und Fische. Sie sind Ansitzwarten fürEisvogel, bieten Nistplätze für Vögel und oft setzen sich Libellen undTagfalter ins Blattwerk. Natürlich müssen die hier stockenden Gehölze anihre nass-feuchte Umgebung gut angepasst sein. Eine Schlehe findet sich nurschwer zurecht, hingegen sind Strauchweiden, Schneeball und Pfaffen-hütchen optimal angepasst, und auch Hasel und Liguster kommen gutzurecht. Als Baumarten sind die Erlen, Eschen, Traubenkirschen undBaumweiden zu nennen, sie bilden zugleich das Grundgerüst für die sehrseltenen Auwälder. Da heute kaum noch eine regelmäßige flächigeÜberschwemmung stattfindet und der Nutzungsdruck auf die Auen groß ist,werden die Fließgewässer meist von Galeriegehölzen und Feuchtgebüschenim Wechsel mit Hochstaudensäumen begleitet. Manchmal ist selbst das nichtmehr vorhanden, da die landwirtschaftliche Nutzung bis an denGewässerrand heran reicht.

Geschützte Hecken

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Die in solchem Milieu typische Hecke ist das so genannte Gebüsch feuchterStandorte. Meist hat es zusammen mit dem Bach einen Schutzstatus alsgeschütztes Biotop oder als Naturdenkmal (ND).In Filderstadt sind vier Gebüsche feuchter Standorte geschützt: AmWeiherbach in Harthausen, im Gewann Hebbergwiesen in Plattenhartzusammen mit Nasswiesen, im Gewann Bechtenrain am Steinbruch (ND)und am Bach in der Maurerklinge (ND). Ein Fleinsbachabschnitt samt Ufer-gehölz sowie ein Abschnitt des Reutegrabens mit Weidengehölz sind alsNaturdenkmale ausgewiesen.Als Ausgleichsmaßnahmen wurden entlang vieler Filderstädter Bäche undan Weihern Feuchtgebüsche angepflanzt. Sie sind wertvoll, auch wenn sie(noch) keinen Schutzstatus aufweisen.

Als Biotopkomplex mit Tümpel und Weiher finden sich Ufergehölze u. a. imGewann Stollenhau (ND) in Sielmingen, der Bärensee, Tümpel amUhlbergturm, in der Uhlberghalde (ND) und im Gewann Unteres Aichholzsowie am Tümpel der Waldorfschule.

Nach § 32 NatSchG Baden-Württemberg sind Hecken mit einer Mindestlängevon 20 m oder Feldgehölze mit einer Flächenausdehnung von mehr als 250m² geschützt. Als Beispiel sei hier die Scherlachhecke (zugleich Natur-denkmal) genannt, die in diesem Heft ausführlich beschrieben wird. Sie isteine Hecke mittlerer Standorte und hat zudem Abschnitte, in denen mal dieHasel, mal die Schlehe und mal der Holunder dominieren.

Hecken sind also sehr variabel und geradezu prädestiniert mit anderengeschützten Biotoptypen eine Verbindung zu einem Biotopkomplexeinzugehen. Hierdurch steigt die Strukturvielfalt deutlich an. Hier diewichtigsten, nach Landesnaturschutzgesetz geschützten:

Steinriegel mit mindestens 5 m Länge sind geschützt, oft werden sievon Hecken gesäumt oder überwachsen. Auf den Fildern eher seltenerzu finden, da die Böden tiefgründig und hochwertig sind. Häufig sindsie im Heckengäu (Name!) sowie auf der Albhochfläche oder im Alb-vorland.

(an Felsstandorten, sonnigenGeröll- und Steinschutthalden, auf trockenen flachgründigen Bödenund auf wechseltrockenen Böden). Diese Typen finden sich amnördlichen Steilrand der Alb oder randlich von Sanddünen beiKarlsruhe. In Bonlanden gibt es einige Schlehenhecken und Gebüschetrockenwarmer Standorte bei den Magerrasen der Gutenhalde.

Hecken in Verbindung mit Steinriegeln

Gebüsche trockenwarmer Standorte

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Feldhecken in Verbindung mit Wacholderheiden

Krummholzgebüsche

Hier darf natürlich die Bonländer Haberschlaiheide nicht fehlen. DieseWacholderheide ist zudem aufgrund ihrer Seltenheit und Besonderheitals flächenhaftes Naturdenkmal geschützt.

in den Alpen und den Hochlagen desSchwarzwaldes.

Bei uns finden sich Hecken meist als angepflanzte Hecken auf so genanntenmittleren Standorten. Nichtsdestotrotz entwickeln sie nach Jahren undJahrzehnten einen wertvollen Lebensraum mit hoher Bedeutung für denBiotopverbund.Als Beispiele hierfür seien Hecken entlang der Straßen am Haberschlaigenannt, im Gewann Steinenfurt und bei St. Vinzenz (Plattenhardt), amFleinsbach (Bernhausen), an der Klinkermühle (zwischen Bernhausen undSielmingen), in der Uhlberghalde, Wolfsklinge und Gutenhalde (Bon-landen), im Gewann Brandfeld (Harthausen) und im Gewann Stützenäcker(Sielmingen), die nach dem Baden-Württembergischen Naturschutzgesetzbesonderen Schutz genießen.

Im Frühling stechen ganz besonders die Schlehenhecken mit ihrem üppigenweißen Blütenschleier ins Auge. Sie gelten aufgrund ihrer Dornen und

Hecken in Verbindung mit Trockenmauern

Hecken in Verbindung mit Hohlwegen

Trockenmauern mit einer Mindesthöhe von 0,5 m oder einer Flächevon mehr als 2 m² sind geschützt.

Hohlweg mit Hecke im Gewann Hochwiesen in Bernhausen.

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Hohlweg mit Feldhecke,im Gewann Hochwiesen,geschützt nach § 32 NatSchGBaden-Württemberg

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Beeren als sehr wichtiges Vogelschutzgehölz. Schlehenhecken aufFilderstädter Gemarkung: in Bonlanden im Gewann Bromberg, im GewannSandbühl und bei der Gutenhalde, in Plattenhart bei St. Vinzenz und an derWaldenbucher Straße (Naturdenkmal), Teile der Scherlachhecke, eineSchlehenhecke im Gewann Schilleräcker, in Bernhausen im GewannUnterer Bach/Lechfeld. Sie alle sind nach § 32 des Baden-Württem-bergischen Naturschutzgesetzes geschützt, die Hecke am Unteren Bach istzudem ein Naturdenkmal.

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Die Krautschicht einer Hecke

Gertrud Miehlich, Biotopkartiergruppe Filderstadt

Im Bereich von Filderstadt gibt es sehr viele Hecken, vor allem entlangvon Straßen, Wegen und Bächen. Für diese Beschreibung habe ichunsere längste Hecke, die Scherlachhecke ausgewählt. Sie ist eine

Feldhecke aus vielen verschiedenen Sträuchern und sie bildet eine Grenzezwischen Äckern und Wiesen. Die Scherlachhecke erstreckt sich von der B27bis nach Stetten hinauf. Der untere Teil der Hecke befindet sich auf dem fürdie Filder typischen Lössboden, auf beiden Seiten der Hecke ist fruchtbaresAckerland. Die westliche Hälfte der Hecke verläuft am Hang zwischenStreuobstwiesen, dort sind Ton- und Mergelschichten mit Quellhorizontenim Untergrund. Da die meisten Hecken der Filderebene auf denselbenrelativ feuchten Böden wachsen, findet man in allen Hecken etwa dieselbenPflanzen.

, bestehend aus einzelnen Bäumen,aus den verschiedenen Sträuchern,

mit niedrigen, nicht verholzenden Pflanzen.

Das Thema betrifft also die Pflanzen, die unter einer Hecke und an ihremSaum wachsen.

In der Krautschicht blühen sehr viele verschiedene Pflanzen: Da findet manAckerunkräuter, wie Disteln, Hirtentäschelkraut, Hohlzahn und Acker-winden neben typischen Wiesenpflanzen wie Rotklee, Storchschnabel,Löwenzahn, Scharfer Hahnenfuß, Hornklee, Gräser usw.Andere Pflanzen, wie z. B. Giersch und Johanniskraut oder Taubnesselnwachsen nur im Bereich der Scherlachhecke und nicht auch auf denangrenzenden Wiesen und Äckern. In diesem Bericht werden nur diePflanzen beschrieben, die typisch für die Hecken der Filder sind.

Bei einer Hecke kann man 3 Schichten unterscheiden:

Baumschicht

Strauchschicht

Krautschicht

Welche Pflanzen bilden die Krautschicht der Scherlachhecke?

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Warum wachsen die Heckenpflanzen weder auf Äckern noch aufWiesen?

Was blüht im Frühling?

Scharbockskraut

Buschwindröschen Goldhah-

nenfuß

Gundelrebe

Märzveilchen

Zypressenwolfsmilch

Knoblauchsrauke:

Weiße-

Gefleckte Taubnessel Goldnessel

Die meisten Heckenpflanzen sind mehrjährig, d. h. ihre Wurzeln über-wintern. Da die Äcker gepflügt und geeggt werden, haben dort mehrjährigePflanzen keine Chance. Eine Wiese wird mehrmals im Jahr gemäht, abermanche Pflanzen brauchen mehr Zeit, um ihre Blüten und ihre Samenauszubilden. Die erste Mahd kommt zu früh, die Pflanzen werden mitten inihrer Entwicklung abgemäht und können sich nicht mehr vermehren. Ineiner Hecke stört der Mensch den Lebensrhythmus der Pflanzen kaum, siehaben dort einen geschützten Lebensraum und günstigere Wachstumsbe-dingungen.

Nur im Frühjahr kommt die Sonne in das Innereder Hecke. Das gelbe , dasweiße und der

nutzen diese Sonne, um zu blühen undum in ihren Blättern Nährstoffe zu erzeugen, diesie für das nächste Jahr in ihren Wurzeln spei-chern.

Die mit ihren kleinen bläulichenLippenblüten bildet nach der Blüte langeAusläufer mit rundlichen derben Blättern, dieüberwintern. Diese Frühblüher sind wichtigeerste Nahrungsquellen für Insekten.

Am Heckensaum blüht das duftende und die hellgrüne.

Kaum auffallend, aber sehr häufig ist die ihre kleinenweißen Blüten sind mit Nektar gefüllt. Zerreibt man ihre Blätter zwischenden Fingern, weiß man, woher sie ihren Namen hat.

Im April findet man die und die rötliche, ebenso die .

Bienen und kurzrüsselige Hummeln saugen denNektar aus den Blüten. Die Ameisen werden voneinem nahrhaften Anhängsel an den Samenangelockt, so wird die Verbreitung der Samengesichert.

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Scharbockskraut

Knoblauchsrauke

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Wild wuchern und . Auchdie mit ihren unauffälligengelben Blüten ist überall vorhanden, ihre ge-trockneten Wurzeln wurden früher an Stelle vonGewürznelken verwendet.

Der ist ein dem Wiesenkerbelsehr ähnlicher Doldenblütler. Seinen Namen hater von den gelblichen Früchten und von den ver-

dickten Stängelknoten.

Auch der ist ein Doldenblütler,benannt nach seinen rauen Stängeln und bors-tigen Früchten. Die Früchte haften am Fell vonTieren und werden so verbreitet.

Der gelb blühende liebt trockeneBereiche der Hecke. Seine Früchte haben kleineHaken und werden ebenfalls durch Tiere ver-breitet.

Den nennt der Volksmund auchKatzenbaldrian. Der Duft seiner zahlreichen

kleinen rosa Blüten wirkt auf Katzen wie ein Aphrodisiakum. Während dieTinktur aus der Wurzel die Katzen erregt, beruhigt sie den Menschen.

Bekannt ist das gelbblühende. Das rote

Johannisöl, ein Extrakt aus Blät-tern und Blüten, gilt in derVolksmedizin als Heilmittel. Dieölgefüllten Zellen der Blätter siehtman im Gegenlicht als hellePunkte. Der lateinische Name

beschreibtdiese Besonderheit.

Viele winzige gelbe Blütchen hatdas , seine Blätterenthalten das Labferment, dasfrüher zur Milchgerinnung ver-

Brennnesseln Giersch

Echte Nelkenwurz

Was blüht im Sommer?

Goldkälberkropf

Klettenkerbel

Odermennig

Echten Baldrian

Echte Johanniskraut

Echte Labkraut

Hypericum perforatum

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Echte Nelkenwurz

Odermennig

Echtes Johanniskraut Echtes Labkraut

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wendet wurde.

Auch der blüht gelb, er ist einSchmetterlingsblütler wie die Vogelwicke, die durch ihreleuchtend blaue Blütenfarbe auffällt, sie klettert mit Hilfe

ihrer Blattranken an anderen Stauden indie Höhe.

Prächtig und auffällig ist diemit ihren stachligen Stängeln

und Blättern und dem eiförmigenBlütenkopf, an dem die lila Blütchen ineinem Ring aufblühen.

In feuchten Bereichen der Scherlach-hecke wachsen die , der rot-violette , das

mit rosa Blüten, unddas mit seinen nachHonig duftenden weißen Blütenrispen.

Die mit den blau bereiften Früchten und diemachen die Krautschicht fast undurch-

dringlich und bieten so den Tieren einen sicheren Unter-schlupf.Auch rankende Pflanzen sind an der Krautschicht beteiligt,besonders die mit ihren großen weißenTrichterblüten. und klettern an denSträuchern hoch, ebenso wie die verholzende lianenartige

haben sie in Bodennähe keine große Bedeutung.

Diese Beschreibung der Krautschicht der Scherlachhecke ist keineswegsvollständig. Es gibt hier kaum schützenswerte Pflanzen, denn viele dieserHeckenpflanzen findet man auch an Waldrändern, entlang von Straßen undWegen, an Bächen, Zäunen und auf Brachen.

Auffallend ist, dass viele der Pflanzen die Bezeichnung „echt” haben. Dasheißt, diese Pflanzen waren seit jeher für die Menschen wichtig. Die „echten”Pflanzen wurden gesammelt und als Heilmittel, als Gewürz oder als Teeverwendet.

Die Krautschicht der Hecke ist lebensnotwendig für Bodentiere, Insekten,

Echte Steinklee

Wilde

Karde

Roßminze

Blutweiderich Zottige

Weidenröschen

Echte Mädesüß

Kratzbeeren

Brombeeren

Zaunwinde

Zaunrübe Hopfen

Waldrebe

Echter Steinklee

Blutweiderich

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Wilde Karde

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Vögel und Säugetiere wie Mäuse, Iltis, Wiesel und Hasen, sie bietet ihnenNahrung und Schutz vor Feinden. Da die Äcker oft mit Insektiziden undHerbiziden besprüht werden, wird die Hecke am Feldrand zu einemÜberlebensraum für Pflanzen und Tiere.

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Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen?!

Andrea Weber, Umweltschutzreferat Filderstadt

Wie Sie bereits dem Artikel „Hecken: Landschaftstyp undLebensraum“ entnehmen können, bieten Hecken vielen TierenBrutraum und Neststandort, Rückzugsraum für Ruhepausen

sowie vor der Witterung und ihren Feinden, fungieren als Überwinte-rungsquartier sowie als Nahrungsquelle und sind damit wichtige Trittsteineim Biotopverbund in unserer ausgeräumten Feldflur.

Betrachten wir nun die Säugetiere, die in einer Hecke ihren Lebensraumfinden können, mal etwas genauer: Neben den Insektenfressern wie Igelund Spitzmäuse, finden sich Fledermäuse, Feldhase, Nagetiere wie Wühl-mäuse, Echte Mäuse und Bilche sowie die Raubtiere mit Marder, Hermelin,Fuchs und Dachs ein.

Unser gestachelter Freund gilt als eines der ältesten Säugetiere: er warbereits vor den Dinosauriern in der Kreidezeit (vor circa 65 MillionenJahren) vorhanden.

Er kommt bei Einbruch der Dämmerung aus seinem Tagesquartier undbeginnt mit der Futtersuche: Regenwürmer, Käfer, Schnecken, Asseln,Tausendfüßler, Insekten, Spinnen, nestjunge Mäuse und zerbrocheneVogeleier werden gefressen. Auch Aas verschmähen sie nicht, mitunter wirdgern etwas pflanzliche Kost zu sich genommen. Dabei ist er stets ganz Naseund Ohr: er wittert einen Regenwurm noch drei Zentimeter tief in der Erdeund kann eine Raupe auf 2 Meter Entfernung am Blatt nagen hören. In derKrautschicht einer Hecke findet der Igel nicht nur Nahrung, sondern siebietet ihm Versteck und Platz zum Überwintern mit einem runden Nest ausGras, Blättern und Moos.

Ihr Beiname heißt die Weißzähnige und sie gehört wie die Haus-und Gartenspitzmaus zur Gruppe der Weißzahnspitzmäuse. Trotz ihres

Die Insektenfresser:

Der Ritter im Stachelharnisch: oder euro-päischer Braunbrustigel

Die Weißzähnige: oder Feldspitzmaus

Erinaceus europaeus

Crocidura leucodon„leucodon“

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Namens gehört sie ebenso wenig wie die Fledermaus zu den Mäusen, dennsie ist im Gegensatz zu den Mäusen kein Samenfresser, sondern ein reinerInsekten-, Spinnen- und Schneckenjäger. Ein Blick in ihr Maul zeigt eingefährlich aussehendes Gebiss mit zahlreichen nadelspitzen Zähnen.Spitzmäuse haben einen sehr hohen Energiebedarf, um sich warm zu haltenund sich schnell bewegen zu können. Daher gehören sie zu dengeschäftigsten Jägern in einer Hecke: Innerhalb von 24 Stunden verspeisteine Spitzmaus annähernd soviel, wie sie selber wiegt. Das Gehör und derTastsinn sind bei den Weißzähnigen sehr fein ausgeprägt: mit Hilfe desFerntastsinns und den Schnurrhaaren können sie selbst Luftdruckwellenwahrnehmen. Als eines der Hauptbeutetiere der Schleiereule sindFeldspitzmäuse ähnlich fruchtbar wie Garten- und Hausspitzmäuse. ImWinter ziehen sie häufig in Ställe und Scheuen um, da es dort wärmer undreichhaltiger an Nahrung als in der Hecke ist.

Kaum ein Tier ist so populär wie er – als Osterhase wird er mindestensgenauso geliebt wie der Weihnachtsmann. Allerdings finden sich auchnegative Eigenschaften beim Hasen: Hasenfuß, Hasenherz oder Angsthaseverspotten vorsichtige Menschen.Feldhasen sind eigentlich Steppentiere. Sie scharren flache Erdmulden oderso genannte „Sassen“ als Ruheplätze. Durch ihre angepasste Fellfarbe sindsie schwer zu erkennen. Bei Gefahr drücken sie sich in die Sasse undergreifen erst im letzten Moment die Flucht in Hecken oder Baumbestände.Sie sind bekannte und schnelle Läufer (bis zu 70 Stundenkilometer und2 Meter hoch), die bei der Verfolgung Haken schlagen. Neben Gräsernfressen sie zusätzlich Kräuter, Früchte, Pilze und Knospen.

Am helllichten Tag begegnet man selten einer Waldmaus, da siedämmerungs- und nachtaktiv ist. Sie haust normalerweise im Freien inFeldern, Wäldern, Waldrändern, Hecken und Gärten. Im Winter kann sieauch in Häusern wohnen. Ihre unterirdischen Bauten haben meist zweiEingänge und zwei Kammern: den Schlafbereich mit dem Nest und dieVorratskammer. Ihre Nahrung besteht aus Gras- und Kräutersamen, Beerenund Obst. Waldmäuse klettern hervorragend, springen und schwimmengleichermaßen gut. Wenn es sehr schnell gehen muss, hüpft sie wie ein

Hasenartige: oder Feldhase

Echte Mäuse: oder Waldmaus

Lepus europaeus

Apodemus sylvatica

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Eine Karawane derFeldspitzmaus:die einander folgendenTiere beißen sich jeweilsan der Schwanzwurzeldes Vorhergehenden fest.

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Känguru auf den Hinterbeinen. Man findet ihre Nester sogar in Vogelkästen.

Wenn das Nahrungsangebot entsprechend groß ist, trifft man das Hermelinöfters in Hecken an. Das Hermelin ist dämmerungs- und nachtaktiv, kannaber auch tagsüber angetroffen werden. Es ist deutlich größer als einMauswiesel und ist stets an der schwarzen Schwanzspitze erkennbar. Selbstim Winter, wenn die Fellfarbe von hellbraun zu weiß wechselt, bleibt dieSchwanzspitze schwarz. Hermeline können sehr schnell laufen, kletternund schwimmen gut. Sie sind effektive Jäger und nutzen die Hecken alsSchleichweg und Rückzugsraum. Ihre Nahrung besteht aus Mäusen,Spitzmäusen, Vögeln und sogar Kaninchen. Sie sind die einzig wirksamenFeinde der Wühl- bzw. Schermaus, die sie in ihren Gängen verfolgen undtöten. Wieselmütter können bei einem Überangebot ihre Tragezeitverkürzen. Dagegen halten im Herbst befruchtete Tiere ihre Eier

in einer „Keimruhe“.

Sein Lebensraum befindet sich im Wald: Dort gräbt er seine Bauten, dieteilweise von mehreren Generationen genutzt werden und manchmal aucheinem Fuchs als Heimstätte dienen. Dachse sind sehr kräftig, leben geselligin Familienverbänden zusammen und sind fast ausschließlich nachtaktiv,was die Beobachtung sehr erschwert. Bei ihren nächtlichen Streifzügenbieten Hecken ihnen sowohl Nahrungs- als auch Zufluchtsraum. AlsAllesfresser ernähren sie sich zum großen Teil von Pflanzen: Obst – sie liebenKirschen! – Samen, Wurzeln, Knollen und Pilze. Daneben verzehren sieInsekten, Schnecken, Würmer, Vögel und Mäuse. In der kalten Jahreszeithält Meister Grimbart eine „Winterruhe“, die er jedoch bei kurzfristig warmerWitterung unterbricht und sich schnell vor dem nächsten Schnee und Kälteauf Futtersuche macht. In Filderstadt ist der Dachs im Filderstädter Forstsowie auch in den Streuobstwiesen heimisch.

Marderartige: oder Hermelin

oder Dachs bzw. Meister Grimbart – Tier des Jahres 2010

Mustela erminea

Meles meles

den Winterüber

Quellen:

TIERE AUF WOHNUNGSSUCHE, Ratgeber für mehr Natur am Haus, 1993, Pro Natur- Buch im DeutschenLandwirtschaftverlag BerlinCHINERY, MICHAEL: Naturschutz beginnt im Garten, 1986, Otto Maier Verlag, RavensburgKURZ, PETER / MACHATSCHEK, MICHAEL / IGELHAUSER, BERNHARD: Hecken, Geschichte und Ökologie,Anlage, Erhaltung & Nutzung, 2001, Leopold Stocker Verlag, Graz – StuttgartLOHMANN, MICHAEL: Der BLV Tierführer für unterwegs, 2006, BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, MünchenOBERHOLZER, ALEX und LÄSSER, LORE: Ein Garten für Tiere, Erlebnisraum Garten, 1997, Eugen UlmerGmbH & Co., StuttgartOHNSORGE, GERD, SCHEIBA, BERND: Tierspuren & Fährten in Feld und Wald, 2007, Bassermann VerlagMünchenSCHMID, ULRICH: 100 Tiere. Heimische Arten, die man kennen sollte, 2001, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH& Co., StuttgartSTEINER, HANS: Nützlinge im Garten, 1985, Eugen Ulmer GmbH & Co., Stuttgartwikipedia.de, die freie Enzyklopädie

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Page 37: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Fledermäuse nutzen Hecken als Flugkorridore

Peter Endl, Diplom-Biologe, Tierökologische Gutachten,Biotopkartiergruppe Filderstadt

Insgesamt wurden im Rahmen des Artenschutzprogramms Fledermäuse(Endl 2010b – Artenschutzprogramm Fledermäuse in Filderstadt inVorbereitung) 10 Fledermausarten in Filderstadt nachgewiesen, im

näheren Umfeld weitere 6 (u. a. Endl 2010a Artenschutzprogramm Fleder-maus in Leinfelden-Echterdingen). Fledermäuse nutzten dabei unterschied-lichste Habitate zur Jagd und als Leitlinie zum Flug vom Quartier in dieJagdhabitate. Lineare Heckenstrukturen spielen dabei eine besondere Rolle,da viele Fledermausarten strukturgebunden fliegen.

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In Filderstadt zeigt sich die Bedeutung von Heckenstrukturen insbesondereauf der offenen Filderebene. Bedeutsamste Heckenstruktur ist hierbeisicherlich die Scherlachhecke in Plattenhardt, die regelmäßig und in höhererIndividuendichte u. a. von Zwergfledermaus, Rauhautfledermaus, Bart-fledermausarten und Fransenfledermaus als Flugkorridor und Jagdhabitatgenutzt wird. Eine Ver-bindung besteht hierbeiin Richtung Bernhausenüber den baumbestan-denen Graben im Ge-wann „Wolfschlugen“.Auch Heckenbereicheum Harthausen sowieim Gebiet Sandbühl/Gu-tenhalde und im Bom-bachtal sind bedeutsameHabitate.

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Feldheckewestlich von Harthausen –

Leitlinie für Fledermäuse

Braunes Langohr - Strukturgebundenfliegende Art

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Von Spöttern, Heckenschützen und Serienkillern:die Vögel der Heckenlandschaften

Eberhard Mayer, Biotopkartiergruppe Filderstadt

Naturnahe Hecken sind in unserer ausgeräumten Filderlandschaftnicht gerade häufig anzutreffen. Auf allgemeine Hecken-Aspekte

wurde bereits im ersten Beitrag („Leitartikel“) eingegangen; heraus-zustreichen ist die Bedeutung offen gehaltener Hecken als wertvoller undwertgebender Lebensraum für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten.

Dass unsere so wertvoll für die heimische Tierwelt sind, hatmehrere Gründe:

mit ihrer Linienform (in der Regel Längsform) und vor allem denvorgelagerten Saumzonen sind sie ideale Trittsteine und Leitlinien fürLebensräume (Habitate) in intensiv genutzten Kulturlandschaften;

die Übergangsbereiche zwischen den verschiedenen Schichten undZonen sind gerade für die „Grenzgänger“ unter den Tieren (= Arten, diemehrere Biotoptypen nutzen) besonders attraktiv;

viele Tierarten, insbesondere , nutzen den Lebensraum Heckezum Aufenthalt, zur Nahrungssuche und zur Fortpflanzung (Brut).

Welche speziellen Ansprüche stellen Vögel als auffälligste Vertreter derTierwelt an ihren Lebensraum?Wie werden sie durch die Hecke erfüllt?

Sie brauchen zum Ausspähen ihrer Beutetiere und ihrerFeinde; in Einzelbäumen, auf den Spitzen der Sträucher und aufhinausragenden Seitenästen/Zweigen sind diese Anforderungengegeben.

Viele Singvogelarten benötigen zusätzlich zur Partner-werbung und zur Revierabgrenzung; auch diese Voraussetzungen wer-den auf den gleichen Hecken-Bestandteilen wie oben erfüllt.

Zur , also zum Schutz vor Feinden, sind Zufluchtsorte nötig; inder Kraut- und Bodenschicht der Hecke sowie im Dickicht desStrauchwerks sind sie vorhanden.

Hecken

Vögel

Sitzwarten

Singwarten

Deckung

Hecken als Lebensraum für Vögel

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Ein vorhandenes ist das wichtigste Erfordernis fürden dauerhaften Aufenthalt von Vögeln in einem Lebensraum. Hier gilt:je artenreicher die Pflanzen- und Insektenwelt der Hecke und ihrerUmgebung, umso vielfältiger ist auch das Vorkommen verschiedenerVogelarten.

Schließlich benötigen Vögel zur Fortpflanzung einen möglichst sicheren. Auch diese Voraussetzung ist in den verschie-

denen Heckenschichten (Boden/Saum, Strauch, Baum) erfüllt, ab-hängig davon, ob es sich bei den Vögeln um Boden-, Busch-, Baum- oderHöhlenbrüter handelt.

Wenn die oben genannten Anforderungen gegeben sind, können in unserenHeckenlandschaften bis zu 50 verschiedene Vogelarten im gesamtenJahresverlauf beobachtet werden. Viele davon sind „Allerweltsarten“, dieüberall vorkommen (z. B. Amsel, Buchfink, Meisen), andere bewohnenhäufig auch Bach- und Waldränder wie Zaunkönig, Rotkehlchen undZilpzalp. Diejenigen Vogelarten, die sich auf den mehrschichtigen Lebens-raum Hecke spezialisiert haben, sollen nun als „Charaktervögel“ odertypische Heckenbewohner näher betrachtet werden.

Typische Bewohner dieser Schicht sind die unter denVogelarten. Ist eine breite, ausgedehnte Heckensaumzone und Krautschichtvorhanden und fehlen gleichzeitig Greifvogel-Sitzwarten (Bäume undHochsträucher), kann in seltenen Fällen das auch auf den Fildern rargewordene hier vorkommen.Häufiger anzutreffen ist die , die sich meist im mittelhohenZweigwerk aufhält, aber ihr Nest in Bodennähe anlegt. Sie ist ein typischerHeckenbewohner, bleibt ganzjährig bei uns und ernährt sich überwiegendvon Sämereien und Knospen. Das wehmütige Lied, oft vom Gipfel einesStrauchs vorgetragen, erklingt bis weit in den Hochsommer hinein. ImWinter ziehen Goldammern in Trupps umher und besuchen Futterplätzeund Bauernhöfe. Vorkommen in Filderstadt: Verbreiteter Brutvogel derFeldflur und Hecken, aber auch in Heiden, Bachsäumen, Waldrändern undRandzonen von Streuobstwiesen gut vertreten. Insgesamt kann von einemBestand von circa 150 Brutpaaren ausgegangen werden.Seltenere und weitgehend unbekannte Bewohner der unteren Vegetations-schichten sind die Schwirle und Spötter. und

sind fast nie sichtbar und in Brennnesseldickichten, niedrigenStauden und Gestrüpp auch schwierig zu hören. Der leise Schwirrgesangdes Feldschwirls kann mehrere Minuten andauern, während der varianten-reiche, zwitschernde Spottgesang des Sumpfrohrsängers mit vielen Nach-

Nahrungsangebot

Brut- oder Nistplatz

Heckenspezialisten unter den Vögeln

Boden- und Krautschicht

Bodenbrüter

Rebhuhn

Goldammer

Feldschwirle Sumpf-

rohrsänger

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ahmungen durchsetzt ist und an mehreren Hecken-, Graben- undBachrändern unserer Gemarkung vorkommt. Der sehr ähnliche

singt lauter und schneidender; regelmäßig kann man ihn in derScherlachhecke in der Nähe der großen Eichenbäume hören.

Hier leben die eigent-lichen Heckenspezialis-ten wie Neuntöter, Gras-mücken und Hecken-braunelle.

Der gehörtzur Familie der Würger,ist aber keinesfalls – wieder Name andeuten mag– ein „Serienkiller“. Erist ein ganz besondererSingvogel (!), der einenhakenförmig geboge-nen Oberschnabel be-sitzt, falkenartig fliegt,rüttelt, auf die Beute he-rabstößt, sie eventuell aufspießt und unverdauliche Nahrungsreste wie einGreifvogel auswürgt (daher: Würger!). Den Namen Neuntöter vergab derVolksmund, denn unserem armen Vogel wurde unterstellt, dass er aus reinerMordlust erst neun Beutetiere tötet und aufspießt, bevor er eines davon ver-zehrt. Das stimmt natürlich nicht, denn die Beute wird auf Dornen und spit-zen Gegenständen aufgespießt, damit an kühlen Regentagen ein Nahrungs-vorrat zur Verfügung steht.

Der Neuntöter sitzt gerne auf den höchsten Stellen eines Gebüschs; dasMännchen ist wunderschön gefärbt und trägt eine auffällige schwarzeAugenbinde. Leider kommt dieser prächtige Vogel erst Anfang Mai zu uns,erledigt sein Brutgeschäft meist in dornenreichen Hecken oder anWaldrändern und zieht bereits im August wieder nach Ost- und Südafrikaweg. Beobachtungstipp: Gutenhalde oder Waldrand Weilerhau/Bildhau.

In Filderstadt kommen vier -Arten vor. Es handelt sich dabeiaber nicht um Insekten, sondern um Zugvögel, gute Sänger und typischeVertreter der Buschbrüter mit Napfnestern im dichten Gebüsch.Am weitaus häufigsten ist die , deren flötender Gesangaus allen Buschwerken und Sträuchern zu hören ist. Während das Männ-chen eine schwarze Kappe trägt („Mönch“!), ist diese beim Weibchenkastanienrot gefärbt. Schon viel seltener kommt die vor,

Gelb-

spötter

Strauchschicht

Neuntöter

Grasmücken

Mönchsgrasmücke

Gartengrasmücke

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Neuntöter - Jungvogel auf der Gutenhalde

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die leiser, aber länger anhaltend singt; ihr Gefieder ist einfarbig braungraumit etwas hellerer Unterseite. Recht selten finden wir diean Einzelgebüschen und Wegrändern (vor allem in der Sielminger Feldflur).Mit hellgrauer Kopfkappe, weißer Kehle und rostbrauner Oberseite ist siehübsch gefärbt; oft führt sie vom Heckenrand einen kleinen Singflug steilnach oben aus. Die kommt in Filderstadt sehr seltenvor, am ehesten an Ortsrändern und Gartenanlagen mit Hecken undBuschwerk. Im Vergleich zur Dorngrasmücke ist die Oberseite dunkelgrauer(ohne Rostbraun) und die Unterseite heller gefärbt; der Gesang hört sichwie ein lautes, hohes Klappern an.

Die ist in Filderstadt nicht sehr zahlreich. Sie istunauffällig grau und braun gefärbt, hat einen dünnen, zwitscherndenGesang (wie ein „quietschender Kinderwagen“) und brütet im Hecken-dickicht

In sehr hohen Sträuchern und in Einzelbäumen finden wir die Zweignestervon und . Diese Rabenvögel – wie auch

und – nutzen die hohen Äste und Zweige derHecken auch als Sitz- und Spähwarten. Wie aus dem Nichts und ähnlicheinem „Heckenschützen“ taucht ab und an der auf: in rasendemJagdflug und begleitet vom Gezeter der Kleinvögel streicht er an der Heckeentlang, um Singvögel (Feldsperlinge, Meisen, Goldammern, Amseln usw.)zu erbeuten.

Neben den oben genannten typischen und regelmäßigen Hecken-bewohnern konnten in den letzten 20 Jahren folgende Vogelarten alsseltene Durchzügler oder Wintergäste im Lebensraum Hecke beobachtetwerden:

Kuckuck (Hecken im Gewann Leerer Sack und bei den Sieben Linden),Nachtigall, Braunkehlchen und Bergfink (alle in der Scherlach-Hecke), Pirol(Baumschicht in unterer Sandbühl-Hecke), Raubwürger (mehrfacher Win-tergast auf Sturmflächen/Hecken im Weilerhau), Rotdrosseln, Schwanz-meisen und Erlenzeisige (in fast allen Heckenlandschaften Filderstadts).

Ausführliche Beiträge zum Vorkommen des Neuntöters und der Goldammerin Filderstadt finden Sie in den Naturkundlichen Jahresheften 1995/1996und 1999/2000.

Dorngrasmücke

Klappergrasmücke

Heckenbraunelle

Baumschicht

Elstern Rabenkrähen Ringel-

tauben Mäusebussarde

Sperber

Raritäten

Hinweis:

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Die Dorngrasmücke,ein typischer Heckenbewohner

Peter Maasdorff, Biotopkartiergruppe Filderstadt

nde April kommt sie aus dem afrikanischen Winterquartier zurück:die Dorngrasmücke. Ein unauffälliger Sommervogel, der gerne vonGebüsch zu Gebüsch schlüpft und einen kurzen, hübschen Singflug

vorführt. In Filderstadt ist der Vogel durchaus eine Seltenheit; wir finden ihnvor allem in der Sielminger Gemarkung an lückigen Feldhecken.

Die Dorngrasmücke ist etwa so groß wie eine Kohlmeise. Das Gefieder istoberseits rötlich erdbraun gefärbt. Das Männchen besitzt eine hellgraueKopfkappe und Hinterhals. Die Zügel und Halsseiten sind grau. Kinn, Kehleund Unterbacken sind weiß. Die Unterseite schimmert hell rötlichisabellfarben. Die Schwingen sind rostfarben-schwarz gemustert. Augen undSchnabel sind bräunlich, der Augenring weiß. Die Ständer sind gelblich. DasWeibchen ist matter gefärbt und hat einen bräunlichen Oberkopf.

Wenn die Hecke entlang des Hütten-wegs, der süd-östlich von Sielmin-gen hinauf zu den Dreilinden führt,erneut ihr grünes Kleid trägt, hörtder aufmerksame Spaziergänger einkratziges Gezwitscher. Verstecktsingt im Frühjahr die Dorngrasmü-cke ihr kurzstrophiges Liedchen.„Tacktack“ und „tze tze tze“ oder na-sal „wädwädwäd“ sind die Locktöne.Jetzt flattert der kleine Wicht abersingend steil empor. Dann fliegt erim Balzflug abwärts.

Im Gewann Rötlen, wo sich der Wirtschaftsweg und der Erdpfad kreuzen,beobachte ich die Dorngrasmücke. Oben, am Wasserbehälter angekommen,ist linker Hand ein Gestrüpp. Dort befindet sich ein heimlicher Fuchsbau.Mit dem Fernglas hole ich den Sänger, der auf einem dürren Ast sitzt, näherheran: es ist dieselbe Vogelart wie unten an der Kreuzung. Die gesträubtenweißen Kehlfedern fallen besonders auf. Zwei Brutpaare haben sich also in

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Dorngrasmücke

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der rund 600 Meter langen, aber lückigen und naturbelassenen Heckeeingefunden. Die offene, sonnige Feldmark ist eine der wenigen Lebens-räume dieses Buschschlüpfers in Filderstadt. Er fliegt nur kurze Streckenund bleibt dabei sehr niedrig. Die Dorngrasmücke brütet auch in der Näheder Sielminger Obstanlage an der Böschung des Hochaulindenweges sowiein einem Brombeerverhau bei der Verkehrsübungsanlage. Weitere spora-dische Brutgebiete sind die Scherlachhecke bei Plattenhardt und der Ge-hölzstreifen auf den Käppelesäckern westlich des Berghofes in Harthausen.

Im dichten Gezweig baut das Männchen zuerst alleine, dann zusammen mitdem Weibchen das napfförmige Nest, niedriger als ein Meter Höhe. Von Maibis Juni finden zwei Bruten statt. Ausgang September, wenn der Herbst naht,macht sich unser Vögelchen mit der hellen Kehle wieder auf die Reise insWinterquartier. Südlich der Sahara findet es in dieser Jahreszeit sein Futter.

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Hecke bei der Sielminger Obstanlage

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Hecken und Saumstrukturen und derenBedeutung als Lebensraum für die Zauneidechse

Peter Endl, Diplom-Biologe, Tierökologische Gutachten,Biotopkartiergruppe Filderstadt

Zauneidechsen besiedeln wärmebegünstigte, lückiger bewachseneund magere Habitate so u. a. trockene Waldränder, Bahndämme,Heideflächen, Steinbrüche, Kiesgruben, extensiver genutzte Klein-

gärten und ähnliche Lebensräume mit einem Wechsel aus offenen, locker-bödigen Abschnitten und dichter bewachsenen Bereichen. In kühlerenGegenden beschränken sich die Vorkommen auf wärmebegünstigteSüdböschungen. Bedeutsame Strukturelemente sind dabei Totholz,trockenwarme Böschungsbereiche, Natursteinmauern und Steinriegel.Feldhecken mit ausgeprägten Saumstrukturen stellen dabei ebenfallsbedeutsame Lebensräume für die Zauneidechse dar. Von Bedeutung für dieZauneidechse ist hierbei nicht der eigentliche Gehölzbestand der Heckesondern in erster Linie die angrenzenden Saumbereiche, die im Idealfall nurvon lückigem Bewuchs sind und mit zahlreichen „Störstellen“ versehen sind.Diese „Störstellen“ können u. a. Steinhaufen, Holzlager oder Rohboden-flächen sein, die von der Zauneidechse als Sonnenplatz genutzt werden.

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Feldhecke mit gut ausgebildetem Saum und Holzlagerfläche („Störstelle“)in Ackerflur nördlich von Harthausen

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Die Zauneidechse ist in Filderstadt noch als häufigere und verbreiteteReptilienart einzustufen, dennoch weisen viele Teilbestände nur wenigeExemplare auf, die zudem durch von der Zauneidechse nicht besiedelbareFlächen (Ackerflächen, Straßen, Siedlungsbereiche) voneinander getrenntsind. Auch hier weisen Hecken eine hohe Bedeutung auf, dienen sie dochals Leitlinien und Ausbreitungskorridore in der ansonsten ausgeräumtenLandschaft.

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Zauneidechsenpaar in lückig bewachsenem Heckensaum – südlich von Sielmingen

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Hecken als Lebensraum für Insekten

Jürgen Trautner, Arbeitsgruppe für Tierökologieund Planung Filderstadt

Es ist überraschend, wie häufig einerseits in der naturschutz-fachlichen Literatur sowie in Broschüren des amtlichen und ehren-

amtlichen Naturschutzes auf die besondere Bedeutung von Hecken für dieArtenvielfalt (auch der Insekten) hingewiesen wird, und wie wenig konkreteBeispiele man andererseits dafür findet: sowohl in der Literatur wie auch inder Landschaft.Eine Ursache hierfür ist wahrscheinlich, dass Erfahrungen und Beobach-tungen von inneren und äußeren Waldrändern auf die Fauna von Heckenübertragen wurden (z. B. bezüglich Schmetterlingen), was aber vielfachnicht der Realität entspricht. Und auch im agrarökologischen Zusammen-hang schreibt bereits TISCHLER (1980) [1]: „Die Funktion von Hecken alsReservoir für Nützlinge ist ebenso überschätzt worden wie die Vermutung,dass wichtige Schädlinge von dort her die Kulturen befallen.“Es darf aber auch nicht übersehen werden, dass Hecken heutzutage meistkeine günstige Struktur aufweisen, um in besonderem Maße zur Artenvielfaltbeizutragen: Viele sind überaltert und dadurch zu dicht, weisen kaum breite,begleitende Säume mit Gräsern und krautigen Pflanzen auf und dienenzudem häufig als Ablageort nährstoffreicher Reste aus der Landwirtschaftund dem privaten Gartenbau (Kompost, Grünschnitt).Hecken in unserer Kulturlandschaft sind also keinesfalls ein Garant für einehohe Insektenvielfalt und schon gar nicht dafür, besonders gefährdeteInsektenarten zu beherbergen. Hier kann allgemein auf den Beitrag vonHERMANN in diesem Band [2] hingewiesen werden.

Die Insektenfauna von Hecken hängt zunächst in besonderem Maße davonab, welche Pflanzenarten in der Hecke und ihren Begleitstrukturen vertretensind und welche Struktur die Hecke aufweist. Eine vielfältige Struktur ausGebüschen, größeren Einzelbäumen und besonnten „Lücken“ mit krautigerPflanzendecke begünstigt auch die Insektenvielfalt.Darüber hinaus spielen aber auch die Lage der Hecke und ihre Größe einebedeutende Rolle. Sehr kurze und schmale Hecken können von manchenArten nicht besiedelt werden, ebenso dann, wenn sie weiträumig isoliert von

Wovon hängt die Insektenfauna von Hecken ab?

Die Hecke – ein Garant für Vielfalt der Insekten.

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anderen entsprechenden Strukturen liegen. Denn nicht alle Insektenartensind flugfähig, zudem haben sie unterschiedliche Ausbreitungsstrategien.Nach einer Beschreibung für eine ideale „Insekten-Vielfalt-Hecke“ gefragt,würde der Autor folgende Empfehlung abgeben: Eine Hecke auf einermöglichst langen und breiten Fläche, die dann aber maximal zu 50 Prozentvon Gehölzen bestanden oder überschattet sein soll, während die anderen50 Prozent als möglichst nährstoffarme, blütenreiche Kraut- und Grasvegeta-tion ausgebildet ist. Nur standortheimische Pflanzen sollten vertreten sein.Die Gebüsche sollten zur Aufrechterhaltung einer vielfältigen Strukturregelmäßig abschnittsweise auf den Stock gesetzt, das Schnittgut abgefahrenoder vor Ort verbrannt werden. Große Einzelbäume sollten – solange keineerheblichen Konflikte mit anderen Aspekten auftreten (insbesondereWegesicherungspflicht) – ohne Pflegeeingriffe erhalten und auch Alt- undTotholzstrukturen aufweisen können. Gut wäre außerdem, wenn dieseHeckenstruktur in nicht allzu großer Entfernung zu anderen, vergleichbarenLebensraumstrukturen liegen würde, um einen Tieraustausch zwischenihnen gewährleisten zu können.Besonders wichtig ist, dass Hecken niemals dort entwickelt werden, wo sieLebensräume gefährdeter Arten von Säumen oder Magerrasen durchBeschattung bzw. von Offenlandvögeln durch Kulissenbildung bedrängenkönnten. Auch dies ist eine entscheidende Eigenschaft der „Idealhecke“.Eine solche „Idealhecke“ wäre im Übrigen in jedem Fall das Ergebnis einerregelmäßigen Pflege. Leider zeigt die Praxis, dass sachgerechte Heckenpfle-ge in den allermeisten Fällen unterbleibt. Heute werden Hecken in der Regelgepflanzt und anschließend sich selbst überlassen. Das längerfristigeErgebnis ist ein dichter, nährstoffreicher Gebüschstreifen ohne blumenrei-chen Krautsaum, der kaum Gemeinsamkeiten mit dem oben beschriebenenTypus aufweist. Zur „Idealhecke“ gehört also zwingend die regelmäßige,fachgerechte Pflege und der Blick darauf, die oben beschriebenen Qualitä-ten langfristig zu erhalten.

Wie andere gehölzbestandene Lebensraumtypen auch, weisen Hecken eineüberwiegend den Boden bewohnende Insektenfauna, dann diejenige derKrautschicht und schließlich diejenige der Strauch- und Baumschicht auf.Hier kann nur beispielhaft und kurz auf jeweils typische Vertreter eingegan-gen werden. Wichtig zu wissen ist dabei, dass es nach Kenntnisstand desAutors keine Insektenarten gibt, die ausschließlich in Hecken vorkommen.Alle Arten treten z. B. auch an Waldrändern oder in diversen Waldnutzungs-formen auf.Zur Bodenfauna zählen u. a. die Laufkäfer, über die bereits in einem frühe-ren Artikel der Schriftenreihe berichtet wurde [3]. In einzelnen untersuch-ten Hecken Filderstadts konnte eine sehr fragmentarisch ausgebildete

Beispiele für Insekten der Hecken

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Gehölzlaufkäferfauna mit wenigen Waldarten sowie einstrahlenden Artender umgebenden Äcker und Wiesen festgestellt werden, von denen einzelnedie Gehölze spezifisch als Winterquartier nutzen, z. B. der Bunte Enghalsläu-fer ( ) [4]. Auch aus der Scherlach-Hecke, der ausge-dehntesten Hecke Filderstadts – liegen eigene Aufsammlungen vor, diegroße Individuenzahlen überwinternder Ackerlaufkäfer in jener Heckezeigen. Die ist ein Beispiel für funktionale Verbindungen, die zwischenHecken und ihrem Umland auftreten können, wenngleich diesen keinebesonders hohe – insbesondere nicht an die Heckengehölze gebundeneBedeutung – zukommt.Zur Fauna der Krautschicht zählen z. B. die meisten Heuschrecken-Arten,viele Hautflügler (darunter Hummeln) sowie eine ganze Reihe anSchwebfliegen-, Wanzen- und Marienkäfer-Arten. Unter den Wanzen könnenbeispielsweise Arten auftreten, die an reifenden Samen typischer Pflanzender Heckensäume saugen [5]. Unter den Schwebfliegenarten sind auchsolche vertreten, deren Larven Blattläuse fressen und deren Imagines (diefortpflanzungsfähigen Fliegen selbst) dann Blüten des Heckensaumsbesuchen.Was die Strauch- und Baumschicht angeht, so kann hier vereinfacht zwi-schen den am oder im Holz lebenden und sich von diesem einschließlichHolzpilzen ernährenden Insektenarten und denjenigen unterschieden wer-den, die ausschließlich oder in besonderem Maße auf Blätter, Blüten oderFrüchte der Gehölzarten angewiesen sind.Soweit in Hecken auch größere, abgestorbene Ast- oder Stammteile vorhan-den sind, kann man dort verbreitete Totholzbewohner wie den Zwerghirsch-käfer bzw. Balkenschröter ( ) antreffen. Sind in derHecke Schneeball-Arten (Gehölze der Gattung ) vertreten, sokann man nicht selten – insbesondere in Waldnähe – feststellen, dass de-ren Blätter richtig ge-hend „skelettiert“ wur-den, d.h. vielfach nurnoch die Blattrippenübrig geblieben sind.Verursacher sind die Lar-ven eines Blattkäfers,nämlich des Schneeball-blattkäfers (

), der zu massier-tem Auftreten neigt. DerKäfer selbst ist gelb-braun und etwa einenhalben Zentimeter lang,seine im Frühjahr ausden in die Schneeball-

Anchomenus dorsalis

Dorcus parallelepipedusViburnum

Galerucellaviburni

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Raupe des Nierenfleck-Zipfelfalters (Thecla betulae),einer weit verbreiteten und wie die meistenHeckenbewohner ungefährdeten Art. (Foto: Trautner)

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zweige abgelegten Eier [6] schlüpfenden Larven sind schwarz.

Schmetterlinge schließlich sind – wenn standortheimische Gehölze vorkom-men – insbesondere mit der Gruppe der Nachtfalter sehr zahlreich in He-cken vertreten. Eine typische Tagfalterart der Hecken ist der Nierenfleck-Zipfelfalter ( ), dessen Lebensräume und die winterliche Su-che seiner Eier HERMANN [7] ausführlich schildert. Diese Art kann regelmä-ßig in Hecken mit Schlehe ( ) nachgewiesen werden, wenn-gleich die Falter eher selten zu beobachten sind. Effektive Methode der Be-standsaufnahme ist hier die Suche nach den Eiern im Winter, die an jungeSchlehenzweige abgelegt werden. Im o. g. Buch von HERMANN ist unter an-derem ein in Filderstadt fotografiertes Ei der Art abgebildet. Die Art überwin-tert bei uns also im Eistadium, ihre grünen, asselförmigen Raupen schlüpfenim Frühjahr und fressen an den Blättern der Schlehe oder anderer Wirtge-hölze. Die Falter fliegen dann im Sommer und vor allem im Frühherbst.

[1] TISCHLER, W. (1980): Biologie der Kulturlandschaft. – 253 S.; G. FischerVerlag, Stuttgart, New York.[2] HERMANN, G. (2010): Zur Bedeutung von Hecken für die Sicherung derheimischen Artenvielfalt - eine kritische Betrachtung heutiger Naturschutz-praxis[3] TRAUTNER, J. (2009): Ein Leben auf und in Filderstadts Böden: Laufkä-fer. – Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2009: 79-84[4] TRAUTNER, J., GEIGENMÜLLER, L. (2009): Die Laufkäferfauna des Na-turdenkmals „Zwei Linden“ mit Feldgehölz in Filderstadt (Coleoptera, Cara-bidae). – Jh. Ges. Naturkde. Württemberg, 165 (1): 289-300.[5] ACHTZIGER, R. (1991): Die Wanzen- und Zikadenfauna von Saumbioto-pen – Eine ökologisch-faunistische Analyse als Grundlage für eine natur-schutzfachliche Bewertung. – Berichte der ANL, 15: 37-68.[6] LÜHMANN, M. (1934): Zur Biologie des Schneeballenkäfers

Payk. – Entomologische Blätter, 30: 50-53.[7] HERMANN, G. (2007): Tagfalter suchen im Winter – Zipfelfalter, Schiller-falter und Eisvögel. – 228 S.; Books on Demand, Norderstedt.

Thecla betulae

Prunus spinosa

Galerucellaviburni

Zitierte Literatur

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Hecken in Gärten(Ziergehölze und immergrüne Hecken)

Margit Rosenfelder, Tiefbauamt/Grünflächenabteilung Filderstadt

In privaten Gärten erfüllen Hecken meistens noch eine andere Funktionals in der freien Landschaft. Neben der Eigenschaft als Lebensraum fürheimische Tiere soll die Hecke auch vor neugierigen Blicken aus der

Nachbarschaft und von der Straße her schützen. Zudem darf sie nicht vielGrundfläche in Anspruch nehmen, da die Gärten oft sehr klein sind, sie solldenkbar wenig Arbeit machen und natürlich soll sie schön aussehen undmöglichst auch noch blühen.

Es gibt sehr viele geeignete Gehölzarten, die sich für unterschiedlicheWuchshöhen von Hecken eignen. Davon können hier nur einige aufgelistetwerden. Gehölze, die sich für Schnitthecken eignen, können natürlich auchals frei wachsende Hecke gepflanzt werden. Dabei muss die natürlicheWuchshöhe und -breite beachtet werden, damit man dann nicht dochirgendwann anfängt, aus Platzgründen das Gehölz mit der Heckenscherezurück zu schneiden.

Während man Schnitthecken mit der Heckenschere in Form schneidet, ver-jüngt man frei wachsende Gehölze, indem man die dicken, alten Triebe ander Basis abschneidetund die jüngeren Triebeweiter wachsen lässt.Einige Arten vertragenauch einen radikalenRückschnitt bis auf denBoden – man nennt das„auf den Stock setzen“.

In der nachfolgendenListe stehen die jeweili-gen Sortennamen in An-führungszeichen, derdeutsche Name ist nurdort aufgeführt, wo eraus dem lateinischenNamen nicht ableitbar ist.

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Zierhecke mit Gartentreppe

Page 52: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Niedrige Einfassungshecken, teilweise ohne Schnitt möglich, bis circa80 cm Höhe:

Geschnittene Hecken von 60 bis 100 cm Höhe:

Geschnittene Hecken von 100 bis 150 cm Höhe:

Geschnittene Hecken von 175 bis 250 cm Höhe:

Berberis buxifolia „Nana“ „Atropurpurea Nana“Buxus sempervirens „Suffruticosa”Cotoneaster praecoxDeutzia gracilisGenista tinctoria „Royal Gold”Lonicera pileataPotentilla „Goldstar” „Kobold”Spiraea albifloraSpiraea „Anthony Waterer”Spiraea „Little Princess”

Berberis thunbergiiBerberis thunbergii „Atropurpurea“Cotoneaster dielsianusForsythia „Minigold“Ligustrum vulgare „Lodense“Ligustrum vulgare „Atrovirens“Philadelphus „Erectus“ –Prunus laurocerasus „Herbergii”Spiraea argutaSpiraea vanhouttei

Buxus sempervirens –Chaenomeles japonica –Deutzia kalmiifloraLigustrum vulgare „Lodense“Ligustrum vulgare „Atrovirens”Lonicera nitida „Elegant” –Lonicera xylosteum „Clarvey´s Dwarf ” –Ribes alpinum „Schmidt” –Taxus baccata –Taxus baccata „Overeynderi” „Hicksii”Thuja occidentalis „Smaragd” „Columna”

Acer campestre –Berberis Julianae „Superba“Cornus mas –Carpinus betulus –

und

oder

Gartenjasmin

BuchsZierquitte

HeckenkirscheHeckenkirsche

Alpen-JohannisbeereEibe, immergrün

undoder

Feldahorn

KornelkirscheHainbuche

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Forsythia „Spectabilis“Ilex aquifolium,Ligustrum vulgare „Atrovirens” Ovalifolium”,Rosa rubiginosaTaxus baccata –Thuja

(Prunus laurocerasus)

immergrünund „ teilweise immergrün

Eibe, immergrünin Sorten

Abhängig vom vorhandenen Platz kann die Heckenpflanzung ein- bis drei-reihig ausgeführt werden. Eine mehrreihige Heckenanlage wird schnellerblickdicht.

Bei der Auswahl der Arten ist darauf zu achten, dass sie sich für die gegebe-nen Standortbedingungen eignen. Ist der Boden lehmig oder eher sandig,nass oder eher trocken, der pH-Wert sauer, neutral oder alkalisch, derStandort sonnig, halbschattig oder absonnig.

Wenn kleine Kinder den Garten nutzen, sollte man sich überlegen, ob aufstark giftige Gehölze, z. B. (Eibe), (Stechpalme), und

oder dornige, z. B. undverzichtet werden soll.

Für besseres Wachstum in den ersten Jahren muss der Boden um dieHeckenpflanzen frei von Grasbewuchs gehalten werden. Dies kann entwe-der durch regelmäßiges Freimähen erfolgen oder durch Aufbringen vonMulchmaterial wie Rindenhäcksel. Der Grasschnitt sollte nicht um dieGehölze angehäuft werden, da sich sonst die Wühlmäuse dort aufhalten unddie Wurzeln und Stammhälse abfressen.

Taxus Ilex Thuja Lor-

beerkirsche Berberis, Rosa

Ilex

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Scherlachhecke – Naturoase Filderstadts

Ulrich Forschner, BUND Filderstadt

Kaum ein anderes natürliches Flächenbiotop Filderstadts kann mitsolchen Superlativen aufwarten wie die Naturhecke im GewannScherlach-Hebberg im Westen der Gemarkung Filderstadts.

Mit rund einem Kilometer gestreckter Länge stellt sie eines der größtenNaturdenkmale in unserer Stadt dar. Entlang eines Bachlaufes wechseln sichdichtes Gebüsch mit hohen Eichen und lichten Kopfweidensäumen ab. Inunmittelbarer Nähe finden sich Glatthaferwiesen und Streuobstbestände,die das Gebiet für Vögel und andere Tiere als Lebensraum besonders reizvollmachen.So trifft man im Umfeldder Hecke auf alle Artenvon Meisen, auf Finken,Goldammern oder denWendehals. Auch der zuden stark gefährdetenArten gehörende Neun-töter sowie Greifvögelwie Falke, Bussard undHabicht leben hier. So-gar Störche wurden imvergangenen Frühjahr inder Nähe der Hecke ge-sichtet.

Seit nunmehr 25 Jahrenpflegt der BUND Filder-stadt als Pate die Heckeund sorgt dafür, dass dieVielfalt erhalten und dieEingriffe in Grenzen blei-ben, seien es Verunrei-nigungen durch Müll,Unrat oder auch Bioab-fälle der angrenzenden

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Page 55: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Landwirtschaft.

Ursprünglich aus einem Hohlweg eines landwirtschaftlich genutzten Wegesentstanden, entwickelte sich die Hecke in den letzten 50 Jahren zu einembeachtlichen Buschriegel. Nach und nach konnte sich das aus einemungenutzten Geländeabhang bestehende Brachland zu einem Lebensraumfür viele Sträucher und Vögel entwickeln. Nachdem benachbarte Acker-flächen in Wiesen umgewandelt und mit zusätzlichen Pflanzungen der Naturein wenig nachgeholfen wurde, entstand ein vielfältiger natürlicher Lebens-raum inmitten intensiv genutzten Agrarlandes.

Konservativen Pflegemaßnahmen wie Rückschnitt und Ausschnitt erwiesensich lange als ausreichend, um die Hecke im Zaum zu halten. Mit der Zeit trataber eine Überalterung der Strauchbestände ein. Brombeersträuchernahmen an einigen Stellen überhand, so dass man sich entschloss, eineGeneralsanierung der Hecke vorzunehmen. Dies erfolgte durch die Nut-zung finanzieller Mittel aus der Flughafenausgleichsabgabe in den erstenJahren der zurückliegenden Dekade. Inzwischen haben sich die Beständewieder erholt und das äußere Erscheinungsbild ist kaum von dem davor zuunterscheiden.

Dennoch bleibt auch die Scherlachhecke ein gefährdeter und sensiblerBereich. Dies zeigt beispielsweise die starke Abnahme des Rebhuhn-bestandes im Umfeld der Hecke. Nach Erhebungen der Biotopkartierer istdort aktuell nur noch ein Brutpaar nachweisbar. Hier macht sich dieAusräumung der Landschaft durch Flurbereinigungsmaßnahmen bemerk-bar. Auch wirken sich Freizeitnutzung wie Radfahrer und Spaziergänger mitfreilaufenden Hunden nachteilig aus. Die Hecke bildet eine der wenigenRückzugsräume für diese gefährdete Vogelart. Dies zeigt, wie wichtig auch inZukunft der Erhalt und die Pflege des Naturdenkmals Scherlachhecke ist.

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Benjeshecken im NaturdenkmalWacholderheide Haberschlai

Dieter Vogel, Arbeitskreis Natur und UmweltSchwäbischer Albverein Ortsgruppe Bonlanden

Als Ergebnis jahrzehntelanger Schafbeweidung ist im Gewann„Haberschlay“, Gemarkung Bonlanden, bereits im 19. Jahrhunderteine auf den Fildern einmalige Kulturlandschaft in Form der

Wacholderheide entstanden. In früherer Zeit hat die intensive Beweidungdie Harmonie zwischen offenen und bewachsenen Flächen erhalten. Durchden Strukturwandel der letzten Jahrzehnte hat jedoch die verfügbareBeweidungsfläche für den Schäfer zugenommen, so dass dieser auf solchemageren Standorte nicht mehr angewiesen war.

Dem Gang der Natur entsprechend ist die Folge der Bewaldungsprozess. DieSchönheit, Eigenart und Vielfalt der in langen Zeiträumen gewachsenenKulturlandschaft, der eine einmalige Rückzugs- und Reliktfunktion,biologisch und historisch, zukommt, war in diesem Fall höherwertigeinzustufen. Wärmeliebende Pflanzen- und Kleintiergemeinschaften findenhier eine letzte Rückzugsinsel. Aus der Sicht des Naturschutzes und derLandschaftspflege hat man sich in den 1980er Jahren entschlossen, dieWacholderheide Haberschlai als flächenhaftes Naturdenkmal unterNaturschutz zu stellen. Folge war, dass diese Kulturlandschaft vonMenschenhand und mit Maschineneinsatz erhalten werden soll.

Die 1900 gegründete Ortsgruppe Bonlanden des Schwäbischen Albvereinshat sich bereits in den 1950er Jahren und seit Abschluss desPatenschaftsvertrages mit der Stadt Filderstadt und Gründung desArbeitskreises Natur und Umwelt (AKNU) 1992 intensiv um die Erhaltungdieses Kulturjuwels ehrenamtlich eingesetzt.

Im Rahmen eines jährlichen Pflegeplanes, abgestimmt mit der StadtFilderstadt und dem Landratsamt Esslingen, werden bei fünf bis sechsPflegeeinsätzen Mäharbeiten sowie Gehölz- und Entbuschungsarbeitendurchgeführt. Im Rahmen dieser Pflegearbeiten werden auch neue

angelegt.

Die Benjeshecken haben eine noch junge Vergangenheit. Sie entstanden zuBeginn der 1980er Jahre durch die Entwicklung von Flurbereinigungs-

Benjeshecken

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konzepten mittels Feldhecken. Ihren Namen haben sie dem nieder-sächsischen Landschaftsgärtner, Naturfotograf und Schriftsteller HermannBenjes zu verdanken, der 2007 verstarb.

Benjeshecken, auch Totholzhecken genannt,werden auf der Wacholderheide entlang vonWegen zur Besucherlenkung und somit zur Ab-grenzung der schützenswerten Flächen angelegt.Auf dem Haberschlai wurden im Laufe derPflegemaßnahmen in den vergangenen 18 Jahrencirca 400 Meter Benjeshecken angelegt. Die ältesteBenjeshecke, entlang dem „Stäffelesweg“ wurdevor über 15 Jahren angelegt.

Das Prinzip der Benjeshecke besteht darin, dassdiese nicht durch Neuanpflanzung mit Jung-pflanzen, sondern durch Aufschichten von ge-schnittenen kleineren Baumkronen und Geäst

entsteht. Ein reines Ablagern von hölzernen Abfällen an einer beliebigenStelle bedeutend aber noch keine Benjeshecke.

Zur Neuanlage einer Benjeshecke werden entlang von bestehenden WegenBrombeergehölze, Gebüsch, hochgewachsene alte Hecken und kleinereBäume mit der Motorsäge und dem Freischneider (Motorsense) bis „auf denStock gesetzt“ (d. h. ebenerdig) und die darunter liegende Gras- undKrautschicht angeschnitten. Aus dem Holzschnittmaterial (so genanntesTotholz) werden die Baumkronen und Äste insbesondere von Buche, Eiche,Esche, Haselnuss und Schlehe wieder verwendet. Diese werden dann aufeiner Breite von 1 Meter bis 1,50 Metern locker aufgeschichtet bzw. ein-geflochten, damit die Benjeshecke licht- und luftdurchlässig bleibt. Dadurchwird ein Neuwachstum beschleunigt. Die Gesamthöhe beträgt zwischen1,50 Meter und 2 Metern.

Zur Verstärkung verwenden wir aus Baumkronen geschnittene Astgabeln,die angespitzt in den Boden gepflockt werden. So können längere Astteilevon Pflock zu Pflock eingeflochten werden. Die neue Benjeshecke erhältdadurch Auflagemöglichkeiten in circa 1 Meter Höhe und es ergibt sich beilängeren Abschnitten eine größere Stabilität.

Es sind nicht alle Holzarten zur Neuanlage einer Benjeshecken geeignet.Nach Anlegen der ersten Benjeshecken haben wir schnell bemerkt, dass sichdas Kronen- und Astmaterial der auf dem Haberschlai vorkommendenWacholdern, Kiefern und Birken nicht für die Neuanlage einer Benjeshecke

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eignet. Das tote Nadelholz verliert durch Austrocknung sehr schnell dieNadeln und Zapfen. Durch die abfallenden Nadeln und dem brüchigen,feinen Astmaterial des Birkenholzes wird der darunterliegende Bodenvollständig abgedeckt. Ein Neuaustrieb durch Windanflug von Samen unddurch Samen aus dem Kot rastender Vögel wird somit erschwert bzw.verhindert.

Der Vorteil von Benjeshecken in dieser Kulturlandschaft ist, auf schnelle undkostengünstige Weise einen Beitrag zum Biotopverbund zu leisten. Daslocker gelagerte Totholz bildet unmittelbar nach Erstellen einen neuenLebensraum für zahlreiche Vogelarten wie Heckenbrütern sowie Klein-säugern und Insekten. Auch die Kinder, die bei der Landschaftspflegemithelfen, sind mit Eifer beim Anlegen einer Benjeshecke dabei. DieWachstums- und Besiedlungsentwicklung lässt sich in den folgenden Jahrensehr gut beobachten. Somit stellen die Benjeshecken auch ein Mittel zurUmwelterziehung dar.

Neben den Vorteilen sind aber auch Nachteile zu nennen. Nach demGehölzschnitt sind bestimmte Arten wie z. B. die Brombeere, die auf demHaberschlai sehr häufig vorkommt, nach dem „auf den Stock setzen“ nochlange fähig, wieder auszuschlagen. Ebenso können konkurrenzstarkeHochstauden wie Brennnesseln oder Goldrute die Entwicklung einerBenjeshecke stören und verzögern. Hier muss in den folgenden Jahrennachgearbeitet werden, um diese Arten individuell zu entfernen.

Die Neuanlage von Benjeshecken verläuft auf dem Haberschlai sehrerfolgreich. Nach bereits zehn Jahren haben sich aus dem vormals lockeraufgeschichteten und geflochtenen Astmaterial bereits wieder stattlicheHecken von 2 Metern Breite und circa 3 Metern Höhe gebildet. Diese neuenHecken bilden eine naturnahe und wertvolle Vegetation und tragen zurWiederbesiedlung von Tier- und Pflanzenarten bei.

Beispielhaft war die Aktion „Politik macht mit“ zum 100-jährigen Bestehender Ortsgruppe Bonlanden im Jahr 2000. Initiiert durch Alt-Oberbürger-meister Dr. Bümlein und dem damaligen Umweltschutzreferenten HerrnHaigis haben Stadträtinnen und Stadträte mitgeholfen, eine neue circa 100Meter lange Benjeshecke anzulegen. Des Weiteren erhielten wir im Jahr2005 im Rahmen des Europäischen Naturschutzjahres einen Umweltpreisfür die Neuanlagen von Benjeshecken.

Weitere Informationen zur Ortsgruppe Bonlanden und dem ArbeitskreisNatur und Umwelt (AKNU) mit Terminen zu Landschaftspflegearbeitenkönnen Sie der Homepage oder demwöchentlichen Amtsblatt der Stadt Filderstadt entnehmen.

www.sav-bonlanden.de

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Die Heckenlandschaft der Gutenhalde:Landschaftspflege durch die Sozial-

therapeutische Jugendarbeit

Eberhard Mayer, Biotopkartiergruppe Filderstadt

Jahrhunderte alt ist wohl die Heckenlandschaft rund um dieGutenhalde, südlich von Bonlanden und oberhalb (östlich) des

Bombachtals gelegen. Auf den ertragsarmen, aber „steinreichen“ und teilssteil gelegenen Sandböden lohnt sich der Ackerbau kaum. Kein Wunderdeshalb, dass in den Hanglagen der Gutenhalde und des Sandbühls schonseit langem vor allem Weidewirtschaft betrieben wird. Reste von Wacholder-heiden und die lang gezogenen Heckenlinien zeugen von dieser Bewirt-schaftungsform; die jeweiligen Besitzer bzw. Pächter lebten dabei mit undteilweise auch von der Hecke. Zu ihren Aufgaben zählte und zählt auch heutenoch die „Pflege“ der landschaftsprägenden Heckenabschnitte.

Der Verein ist eine mildtätige Reha- und Jugendhilfe-Einrichtung, die thera-peutische Maßnahmen für erkrankte Jugendliche und junge Erwachsene bis21 Jahren mit bis zu 40 Plätzen durchführt. 1987/88 zog die Sozialtherapeu-tische Gemeinschaft in vier Häuser der oberen Gutenhalde ein. Im Jahre1995 wurde ein Pachtvertrag mit der Stadt Filderstadt über die Bewirtschaf-tung des Hofguts Gutenhalde geschlossen; eine der darin enthaltenenAufgaben ist die Landschaftspflege der ausgedehnten Heckenbereiche imGelände des Hofguts.Mit der Heckenpflege durch den Trägerverein wurde schon ab 1995/96begonnen, seit 2000 leitet diese Arbeiten. Er istausgebildeter Gärtner und Heilerziehungspfleger; auf dem Hofgut ist er alsArbeitstherapeut tätig und verantwortlich für den „grünen Bereich“ (Gehöl-ze, Gemüse, Blumen und Hoftiere – soweit möglich als Selbstversorger). Mitihm unterhielten wir uns speziell über die wichtige und anstrengendeHeckenpflege, wie sie von ihm und den Jugendlichen in mühevoller Arbeitdurchgeführt wird.

Natürlich ist die Heckenpflege körperlich anstrengend und – zumal in dennasskalten Wintermonaten – nicht immer vom Wetter begünstigt. „DieJugendlichen sind aber – trotz schwierigem Alter und Lebenssituation – mit

Der Verein Sozialtherapeutische Jugendarbeit e.V. Gutenhalde

Die Heckenpflege als Arbeitstherapie

Holger Meyer-Hafner

D ie Gutenhalde

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Eifer dabei. Wir vermitteln ihnen, dass dies eine sinnvolle Tätigkeit zumErhalt der schönen Natur und Landschaft rund um die Gutenhalde ist. DerVorteil ist: Man sieht, was man gemacht hat, und kann auch ein bisschen stolzdarauf sein, auch wenn die schwere Arbeit nicht gerade vergnügungs-steuerpflichtig ist“, berichtet Meyer-Hafner. Für ihn stehen die Begriffe„Therapie“ und „Landschaftspflege“ nicht konträr zueinander, beide Zielesind wichtig.Die Heckenpflege wird in der wachstumsfreien Periode zwischen Novemberund Februar durchgeführt; meist dauern die Arbeiten ein bis zwei Monatelang (in den Anfangsjahren auch länger). Im Schnitt wird vier Vormittagepro Woche „draußen“ gearbeitet; dabei sind jeweils 5 bis 7 Jugendliche und

1 bis 2 Praktikanten im Einsatz. Die Arbeit mit dem Holz, verbunden mitkörperlicher Anstrengung, ist für die Männlichen unter den Jugendlicheneine Herausforderung, die sie durchaus gerne annehmen.Die Einweisung und Aufsicht liegt bei Meyer-Hafner. Aus Arbeitssicherheits-Gründen ist er auch der Einzige, der die Motorsäge und die motorisierteHeckenschere bedient. Die Jugendlichen verrichten ausschließlichHandarbeit: Herausziehen und Zerkleinern der entnommenen Gehölze,Äste und Zweige, Aufladen auf den Anhänger, Abtransport mit dem Traktor,Stapeln und Spalten des Holzes. Das Stückholz wird teilweise auf demHofgut verheizt, der Rest wird an Ort und Stelle gesammelt, gestapelt undverbrannt. Häcksler sind also nicht im Einsatz.

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„Landschaftspfleger“ auf der Gutenhalde

Page 61: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Ach ja, und daneben gibt es noch einige andere Landschaftspfleger: imSommer beweiden Ziegen und Schafe die Heckensäume und Halb-trockenrasen der Gutenhalde.

„Die Pflegearbeiten führen wir nicht nach eigener Lust und Laune durch,sondern wir stimmen uns mit dem Landratsamt und der Stadt Filderstadtab“, sagt Meyer-Hafner. Dazu findet jährlich eine Besichtigung undBegehung statt, an der Herr Dr. Bauer von der Unteren Naturschutzbehördesowie Vertreter der Stadtverwaltung (Tiefbauamt und Umweltschutzreferat)teilnehmen. Dabei werden Einzelheiten besprochen und die nächstenArbeitsschritte vorgeplant. Mit dem Landratsamt Esslingen gibt es einenVertrag über die durchzuführenden Landschaftspflegemaßnahmen, derauch Entschädigungsregelungen nach den Landschaftspflege-Richtlinien(LPR) enthält.

Die „Sanierung“ und Pflege der Gutenhalde-Hecken ist bisher in folgendenAbschnitten erfolgt:

1995/1996 wurde mit den Arbeiten begonnen; in einem erstenAbschnitt wurde die nördliche Hecke zwischen Gutenhalde und Sand-bühl „auf Stock gesetzt“ und die hohen Pappeln usw. entfernt.

Danach wurde – nördlich des Gutshofs – mit der Freilegung dreiergroßer und sehr alter Linden fortgefahren, die durch jahrzehntelangeSukzession völlig zugewachsen waren. Die Renaturierung diesesgrößeren Abschnitts mit Umwandlung eines Wäldchens zurück in einenHalbtrocken- und Magerrasen war sehr aufwändig; dazu waren fünfWinterhalbjahre notwendig!

In den folgenden drei Jahren wurde die lang gezogene obere Heckezwischen Gutenhalde und den Herrenholz-Obstwiesen „saniert“. DieAltbäume mit Weiden, Pappeln, Ahorn und Hainbuchen waren teilweisevöllig verfault und massiv bruchgefährdet, so dass ein hoher Aufwandbetrieben werden musste.

Als nächster Abschnitt wurde die Hecke, die vom früheren Reitplatzschräg nach unten führt, zurückgenommen und „auf Stock gesetzt“. Fürdiese Arbeiten wurden zwei Winterperioden benötigt.

Die untere Hecke an der Böschung, welche das Hofgut von derViehweide zum Bombachtal hin abtrennt, wurde anschließend inweiteren zwei Jahren „verjüngt“.

Schließlich und endlich wurden die Heckenbereiche oberhalb derKläranlage in einem letzten Abschnitt in Angriff genommen.

Konzept und Durchführung der Heckenpflege

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Mit einem Zeitaufwand von rund 14 Jahren (!) wurde nun die Grund-sanierung der Gutenhalde-Hecken erfolgreich abgeschlossen. Die Hecken-pflege ist jedoch eine Daueraufgabe: „Demnächst fängt das Spiel wieder vonvorne an“, ahnt Meyer-Hafner schmunzelnd. Etwa alle 15 Jahre muss wiedereingegriffen werden, müssen vor allem schnellwachsende Bäume wieWeiden und Pappeln früh entnommen werden. Dabei wird darauf geachtet,dass früchtetragende Sträucher wie Schlehen (Schwarzdorn), Weißdorn,Ebereschen (Vogelbeeren), Heckenrosen mit Hagebutten und Holunderweitgehend als typische Heckenelemente erhalten bleiben; sie sind auchwichtig als Nahrungsquelle für Insekten, Vögel und andere Heckenbe-wohner.

Um Heckenlandschaften zu erhalten, müssen sie von Zeit zu Zeit gepflegtund verjüngt werden (siehe Beiträge hierzu an anderer Stelle dieserBroschüre). Dass der Verein Sozialtherapeutische Jugendarbeit dieseAufgabe im Gebiet der Gutenhalde übernimmt und damit gleichzeitig eineArbeitstherapie für kranke Jugendliche verbindet, ist lobenswert und bei-spielhaft.Holger Meyer-Hafner macht einen ausgeglichenen Eindruck, trotz allerMühen hat es ihm Spaß gemacht und Zufriedenheit gebracht. Wenn er vonunserem Sitzplatz auf die Umgebung des Hofguts blickt, gerät er insSchwärmen: „Es ist doch wunderschön hier! Zum ersten Mal in meinemLeben hab ich im Winter „richtige“ weiße Hermeline gesehen. Im Sommerkann ich den seltenen Neuntöter bei der Brut beobachten. In denTrockenmauern, Heckenrändern und Komposthaufen tummeln sichEidechsen, Blindschleichen sowie große und kleine Ringelnattern. Undwenn dann im Frühjahr noch Bienenragwurz und andere Orchideen blühenund ich im Herbst einzelne Fransenenziane finde, sind auch meinebotanischen Hoffnungen und Erwartungen voll erfüllt.“

Wer mag ihm da widersprechen?

Was ist, was bleibt?

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Page 63: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Das Heckengäu –Feldhecken waren Namensgeber

Simone Hotz, Geschäftsstelle PLENUM Heckengäu

A ls charakteristische Landschaft des Muschelkalks und Teil der süd-westdeutschen Schichtstufenlandschaft erstreckt sich das Hecken-gäu als langgezogenes Band von Vaihingen an der Enz im Norden bis

Haiterbach im Süden. Eingerahmt wird es im Westen durch den Nord-schwarzwald und im Osten durch das Stroh- und Korngäu. Mit seinen reizvollenLandschaften ist das Heckengäu aus dem Dornröschenschlaf erwacht undpräsentiert sich heute als leicht erreichbare Tourismusregion zwischen denBallungsräumen Stuttgart, Pforzheim und Karlsruhe.

Geprägt durch die flachgründigen, steinigen Böden des Oberen Muschelkalkshat sich im Heckengäu über Jahrhunderte eine ganz besondere Kulturlandschaftentwickelt. Ihr Strukturreichtum spiegelt sich in zahlreichen Natur- undLandschaftsschutzgebieten. Und er hat dazu geführt, dass das Land Baden-Württemberg das Heckengäu im Jahr 2002 als besonders reizvoll und charak-teristisch zu einer von landesweit nur fünf PLENUM-Regionen erhoben hat.

Ein insgesamt 1.111 km² großes Projekt-gebiet wurde abgegrenzt, über Land-kreisgrenzen hinweg. 39 Städte undGemeinden in den Landkreisen Ludwigs-burg, Calw, Böblingen und dem Enzkreiszählen zu PLENUM Heckengäu; rund 34% des Projektgebiets sind ausgewieseneSchutzgebiete.

Diese heute so schützenswerten Land-schaften im Heckengäu entstanden, weil besondere Wirtschaftsweisen ange-wandt und kleine Parzellen gebildet werden mussten. Insbesondere entstandendie landschaftsbildprägenden Lesesteinriegel, denn die Menschen lasen dieSteine von den Äckern und lagerten sie der Einfachheit halber entlang ihrerGrundstücksgrenzen ab. Die Feldhecken, die schließlich auf diesen Steinriegelnentstanden sind, gaben dem Heckengäu seinen Namen und seinen Charme. Undsie führten schon früh zur Entstehung typischer Biotope.

Im Regenschatten des Schwarzwalds und aufgrund der Bodenbeschaffenheitherrscht im Heckengäu Trockenheit vor. Die trockensten und flachgründigsten

Hecken wuchsen auf Lesesteinriegeln

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Radler im Heckengäu

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Gebiete wurden oft als „Teufels Hirnschale“ bezeichnet. Der Pflug der Bauernschrammte durch die dünne Bodenkrume und förderte permanent Steine nachoben. Heute wächst an solchen Stellen Magerrasen, der selten gewordenenPflanzen Lebensraum bietet und auch zahlreiche spezialisierte Tierartenbeheimatet. Lichte Kiefermischwälder wechseln ab mit Wacholderheiden undzahlreichen Hecken. Unter ökologischen Gesichtspunkten sind genau dieseFlächen als äußerst wertvoll einzustufen. Im Süden des Heckengäus haben sichgrößere Waldbereiche erhalten. Und dort, wo sich Fließgewässer in die kuppig-wellige Hochfläche eingeschnitten haben, sind in den Talauen feuchte Wiesen,naturnahe Bachabschnitte und Röhrichte anzutreffen. Diese bilden einenreizvollen Kontrast zu den wasserlosen Hochflächen, Mulden und Trockentälernder restlichen Muschelkalklandschaft.

Ein Ansatzpunkt zum Erhalt dieses wertvollen Naturraums ist „sanfterTourismus“, der im Einklang mit den verfolgten Naturschutzzielen steht. Dieschnelle Erreichbarkeit von verschiedenen umgebenden Ballungsräumen machtdas Heckengäu attraktiv für den Tages- und Wochenendausflug. Und so nenntsich die noch junge Tourismusinitiative auch „Heckengäu – Natur.Nah“.

Die kontrastreiche Gegend mit ihren vielfältigen, reizvollen Landschaften, ihrengemütlichen Städten und Gemeinden und ihrem historischen und kulturellenErbe besitzt viele Schätze: Das Heckengäu ist landschaftlich so besonders, weil essich aus den eingangs geschilderten Gründen in einer kleingliedrigen Strukturzeigt und so unterschiedliche Naturräume beherbergt. Im Norden beeindruckendie Steillagen an der Enz zwischen Roßwag und Mühlhausen, wo sich Weinrebenin Terrassen an den Hängen hinaufziehen; in der Mitte überwiegt derStreuobstbau und prägen die Obstbäume das Landschaftsbild wie amSchönbuchhang bei Herrenberg. Ganz im Süden meint man in den Tälern derNagold noch die Flößer fahren zu sehen.

Die Siedlungsstruktur brachte es mit sich, dass das Heckengäu überwiegend vonkleinen Gemeinden geprägt ist. Große Flächenanteile unterliegen noch einerlandwirtschaftlichen Nutzung. Die Fachwerkarchitektur, die einem in Dörfernund Städten begegnet, begeistert mit historischen Ansichten. Brauchtum undModerne wechseln sich ab.

Wer einen guten Eindruck bekommen möchte, was das Heckengäu ausmacht,dem sei der Gäu.Rand.Weg empfohlen, ein insgesamt 120 km langer Weg, vonMühlacker nach Freudenstadt, der jetzt mit neuem Namen neue Beachtung undBedeutung erfährt. Von vielen engagierten Ehrenamtlichen des Schwarzwald-vereins gepflegt, ist er durchgehend mit der roten Hagebutte auf grüner Rautebeschildert. Und das ist äußerst passend, denn der Hag- oder Heckenrose begeg-net man neben Schlehe und Mehlbeere eben besonders häufig im Heckengäu.

Heckengäu – Natur und Nah

Entlang des Gäu.Rand.Wegs prägen Hecken das Bild

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Die roten Früchte erfreuennicht nur das Auge derMenschen – die Hecken bie-ten auch Lebensraum undNahrung für Insekten, Vö-gel und auch für das Wild.Man kann den Weg fast alsPanoramaweg bezeichnen,denn die Aussichten sindimmer wieder grandios,wandert man auf dem Gäu.Rand.Weg doch der Längenach durch das Hecken-gäu. Die Landschaften wech-seln ständig und die ganzeVielfalt offenbart sich damit.Zahlreiche Naturschutzge-biete liegen am Weg, undnicht nur das – auch vieleliebenswerte Ortschaftenlocken, in denen sich im-mer wieder kulturelleKleinode entdecken lassenoder wo sich einfach aucheine gemütliche Einkehr indie regionale Gastronomieanbietet.Die Karte zum Gäu.Rand.Weg ist kostenlos bei derPLENUM Heckengäu-Ge-schäftsstelle, Parkstraße 16,71034 Böblingen, Tel.07031 7 663-1571 erhältlichoder unter www.hecken-gaeu-natur-nah.de abruf-bar. Lassen sie sich verzau-bern vom Charme desHeckengäus – genießen SieNatur und Nah!

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Das Umweltschutzreferat wird 25 Jahre

Margit Riedinger, Umweltschutzreferat Filderstadt

Ist das Umweltreferat in die Jahre gekommen? Keineswegs – all dieUmwelt- und Klimaschutzthemen sind topaktuell. Sie sind aus der„alternativen Ecke“ ins Blickfeld von Gesellschaft und Politik gerückt

und werden hier hoffentlich auch bleiben!

All die Aktivitäten der vergangenen 25 Jahre hier aufzulisten, würde denRahmen wahrlich sprengen, deshalb kann nur ein großer Bogen über einVierteljahrhundert voller Aktivitäten und Projekte gespannt werden.

August 1985: Einrichtung des ersten kommunalen Umweltschutz-referates im Landkreis unter der Leitung von Dr. Franz-Josef Obergföll.1987 wird das Ökologieprogramm zur Extensivierung von land-wirtschaftlichen Flächen mit den Landwirten ins Leben gerufen.August 1989: Das Umweltschutzreferat etabliert sich mit insgesamt 2,5Personalstellen, Andrea Weber, Gartenbautechnikerin, ist mit an Bord.1990: Der erste Zivildienstleistende heuert an und übernimmt dieBiotoppflege im Außenbereich. (Bis zum Jahr 2010 leisten insgesamt 20Zivis im Umweltschutzreferat ihren Dienst).Umsetzung vieler Maßnahmen auf der Grundlage des Umweltschutz-programms: 11 Messstellen für Grundwasserstände (in 22 Jahren kamensomit etwa 8.700 Einzelmessungen zustande), Analyse von Nitrat-einträgen aus der Landwirtschaft in Gewässer, Förderung vonGewässerrandstreifen durch extensive Bewirtschaftung. Tempo-30-Zonen in den Ortskernen, Information und individuelle Beratung derBürgerschaft durch Ausstellungen, Flyer und Pressearbeit.Umweltschutzprogramm: In diesem komplexen Programm wurdenErhebungen in den Disziplinen Landschaftsökologie, Flächenver-brauch, Lärm- und Luftbelastung, Altlasten, Gewässer- und Grund-wasserschutz zusammengeführt.1991 Referentenwechsel: Auf Dr. Obergföll folgt Diplom-GeografThomas Haigis.Pionierarbeit und die Schaffung eines Grundgerüstes: Das Biotopver-bundsystem wurde aus den wertvollen ehrenamtlichen Vorarbeiten derBiotopkartierer konzipiert und durch weitere Erhebungen von

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Universitäten, Fachhochschulen und der Bezirksstelle für Naturschutzund Landschaftspflege vervollständigt.Sondergutachten und für Filderstadt zugeschnittene Konzeptebesonders seltener Tierarten: Dunkler Wiesenknopf-Ameisen-Bläuling.1997: Preis für herausragende Leistungen im kommunalen Umwelt-schutz des Landes Baden-Württemberg.Seit 1999 Rebhuhnschutzprogramm: Konzept zum Schutz und Erhaltder Rebhuhnbestände im Zusammenwirken mit dem Hegering,Biotopern und Landwirten.2000 Referentenwechsel: Thomas Haigis wechselt ins Referat fürBürgerbeteiligung und Stadtentwicklung, die Nachfolge tritt Diplom-Biologin Simone Schwiete an. Schwerpunkte sind in dieser Zeit dieUmweltbildung, Ausstellungen und Naturerlebnistage.2001: Abfallprojekt mit dem Eduard-Spranger-Gymnasium Bernhausen,das mit dem Agendapreis des Landes Baden-Württemberg ausge-zeichnet wurde.2003 ließ sich leider der Abbau von Personalstellen nicht vermeiden.50 % im Sekretariat und 50 % in der Sachbearbeitung wurden gekürzt.2004: Erste Bürgersolaranlage auf der Höhensporthalle in Plattenhardt.Ab 2004/2005 Naturschutzprojekt mit La Souterraine.Seit 2007 spielt das Referat als Angebotspartner eine Rolle in derGanztagesschule (Bildungszentrum Seefälle Bonlanden).2007 bis 2010: Karin Hatt übernimmt die Elternzeitvertretung vonSimone Schwiete.Netzwerk Streuobst: In 25 Jahren hat das Umweltschutzreferat etwa2.000 Obsthochstämme mittels Gutscheinen pflanzen lassen.Seit 2009 führt die Oberbürgermeisterin Frau Dönig-Poppensiekerzusammen mit Filderstädtern Kindern und dem Umweltschutzreferateinen Herbstaktionstag unter dem Motto „Obst, Wiesen, Spaß“ durch.2010: Ulrike Wagner-Spahr kommt als Verwaltungsangestellte insUmweltschutzreferat; Ilse Bohnet, Dipl.-Ing. (FH) Landespflege ist seit2004 in Elternzeit; Christa Aumann, Verwaltungsangestellte ist in derpassiven Altersteilzeit.Seit Mitte 2010 teilen sich Simone Schwiete und Margit Riedinger, Dipl.-Ing. (FH) Landespflege, die Leitung des Umweltschutzreferats.2010 Mobile Moste: Beteiligung an der Mobilen Moste sowie Ausbildungvon 25 Streuobstwiesen-GUIDES in über 50 Stunden und 10 Unter-richtseinheiten (Theorie und Praxis).

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Umweltschutzreferat von A bis Z – eine sehr lange Reihe vollerAktivitäten

A.

B.

C.

D.

E.

F.

G.

H.

I.

J.

K.

L.

M.

Ausgleichsmaßnahmen, Analyse, Altlastensanierung, Apfelkartierung,Ausstellungen zu UmweltthemenBiotopverbund, Beratung in Umweltschutzfragen, Birnenkartierung,Bodenschutz, Bachrenaturierung, Berlepsch (Apfelsorte)Climate Alliance (Klimabündnis), Carsharing, Champagner Bratbirne(Birnensorte)Diskussion, Deponiesanierung, DachbegrünungErhebungen, Energiesparen, Energiekonzept, Ersinger Frühzwetschge(Zwetschgensorte)Flyer, Flächenversiegelung, Fledermausführungen (Ferienprogramm),Filderstädter Apfelsaft, FassadenbegrünungGewässerschutz, Gewässerpflege, Grabenpflege, Ganztagesschule, Ge-wässerforscher on tour, Grundwassermessung, Goldparmäne (Apfel-sorte)Haus und Hof, Hornissenumsiedlung, Herbstaktionstag, HauszwetschgeInformation, Insektengutachten, Integriertes StadtentwicklungskonzeptJahresheft (das vorliegende ist die Ausgabe Nummer 20!), Jakob Fischer(Apfelsorte)Klimabündnis, kommunales Energiemanagement, Karcherbirne (Bir-nensorte), Kleiner Langstiel (Apfelsorte)Landschaftsökologie, Landschaftsplan, Lärmbelastung, Luftqualität,LandwirtschaftMonitoring, Maculinea (Dunkler Wiesenknopf-Ameisen-Bläuling),

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Von links nach rechts:Simone Schwiete,Ulrike Wagner-Spahr,Andrea Weber,Margit Riedinger

Page 69: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Mobile MosteNachhaltigkeit, Nitratmessung, NaturdenkmaleObstsorten, Obstwiesen-GUIDES, Ohrwurmbungalow, Ökokonto,ObstbörsePatenschaften, PV-Anlagen, Palmisch-Birne (Birnensorte)Qualität vor Quantität, Quitte, qualitative Bewertung von SchutzgüternResponsibility, Rebhuhn, Regenwurm, radhaus filderstadt, Rosenapfelvom Schönbuch (Apfelsorte)Sensibilisierung, Stadtentwicklungskonzept, Stadtradeln, Solardächer inBürgerhand, Strommessgerät, Schule (Fifty-fifty-Programm)Tempolimit, technischer Umweltschutz, Transparent (Apfelsorte)Umweltpädagogik, Umweltschutzprogramm, Umweltbericht, Umwelt-beirat, UmweltfreaksVerkehrsberuhigung, VogelkartierungWaldsterben, Wespenberatung, Wolfsklinge (eine der erkundetenAltlasten), Weihnachtsmarkt, Warentauschtag, Wilde Eierbirne (Birnen-sorte)Xanthoria polycarpa (Vielfrüchtige Gelbflechte), eine von 49 verschie-denen Flechtenarten FilderstadtsYsop (alte Heilpflanze)Zivi im Umweltschutzreferat, Zabergäu-Renette (Apfelsorte), zoologi-sche Erhebungen für Rebhuhn, Fledermäuse, Reptilien etc., Nierenfleck-Zipfelfalter

Dank an Frau Oberbürgermeisterin Dönig-Poppensieker, Herrn ErstenBürgermeister Lentz, den Kollegen und Kolleginnen der Fachämter, denStadträten und -rätinnen, den ehrenamtlichen Biotopkartieren, Helfern undVereinen sowie allen, die uns auf vielfältige Weise unterstützt haben! BleibenSie dem Umweltschutz und dem Umweltschutzreferat gewogen. Wir zählenauf Sie und freuen uns auf die nächsten 25 Jahre!

N.

O.

P.

Q.

R.

S.

T.

U.

V.

W.

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Y.

Z.

Wir wollen unser Jubiläum gerne nutzen, um DANKE zu sagen:

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Page 70: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Vom keltischen Plateau zum einzig

natürlichen See der Creuse

Simone Schwiete, Umweltschutzreferentin Filderstadt

Auch in diesem Jahr hat eine kleine Delegation aus Filderstadt dasBanner der seit 2004 bestehenden Partnerschaft der Naturschützer inLa Souterraine hoch gehalten. Dahinter verbirgt sich mehr als nur

fachlicher Austausch auf Exkursionen. Bereits der erste Besuch ausDeutschland mit einer Gruppe von 20 Personen hat in der französischenPartnerstadt für Aufsehen gesorgt. Denn die dortige Vielfalt der Natur wirdeher als selbstverständlich betrachtet, so dass dessen Schutzbedürftigkeitbislang wenig in den Focus der Öffentlichkeit gerückt ist. So hat unserAustausch zur Sensibilisierung für das Thema einen großen Beitrag geleistet.Die beständigen Exkursionen haben mittlerweile auch das Interesse vonMenschen in La Souterraine geweckt, die sich zuvor gar nicht mit der Naturbefasst haben und beim dortigen Experten Jean-Michel Bienvenu nachderartigen Veranstaltungen fragen.

Zwischenzeitlich hat die Sozialistische Partei einen Arbeitskreis gebildet, dersich mit dem Namen „Horizonte“ übersetzen lässt. Im Nachgang zu unseremdiesjährigen Besuch hat in dem Rahmen eine Zusammenkunft statt-gefunden, bei der die Organisation des Umweltschutzes in Filderstadtpräsentiert wurde. Was sich davon auf La Souterraine übertragen lässt wurdeanschließend diskutiert.

Der erste Exkursionspunkt führte uns zum , das nichtetwa die Hochebene der tausend Kühe darstellt, was im ja mehr alsnahe liegend wäre. Dieser Name keltischen Ursprungs beschreibt vielmehrden Wasserreichtum des Gebietes durch die vielen Quellen. Das Plateau liegtauf 600 bis 930 m ü. NN und ist der kälteste und wasserreichste Bereich im

. Kein Monat des Jahres ist frostfrei! Das Untergrundgestein wirddurch Granit gebildet. 1950 war das gesamte Gebiet noch offen und vomLicht liebenden Wacholder geprägt, der mittlerweile vom Wald verdrängtwurde. Beim Eintritt in das Gebiet wurden wir von einer Wasseramselbegrüßt, die ihr Kugelnest auf einem Felsen im Quellbach gebaut hat. DasPlateau beherbergt neben der Bretagne als einziges Gebiet noch den Otter,

Arbeitskreis befasst sich mit Umweltschutz à la Filderstadt

Ausflug zu den Kelten

Plateau de millevachesLimousin

Limousin

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Page 71: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

der andernorts aufgrund seines Pelzes der Jagd zum Opfer fiel. Wie vieleTiere dort leben, ist nicht genau bekannt. Generell sind in einem Revier von20 Fluss-Kilometern ein Männchen und zwei Weibchen zu finden. Die etwa1,5 m langen Tiere wechseln ihre Lokalität durch den Wald. Wir konnten siezwar nicht direkt beobachten, wurden jedoch durch Fährte und Kotpakete,die zur Markierung des Reviers abgesetzt werden, auf sie aufmerksam. AlsNahrung dienen ihnen die Forelle und die im Quellbach ausgesetztenkalifornischen Flusskrebse.

Über das Waldstück gelangten wir in die Moorbereiche und Heideflächendes Plateaus. Eine Weite aus Pfeifengrasbulten und dem weithin leuch-tenden scheidigen Wollgras tat sich auf. Es sei in Erinnerung gerufen, dassder durch die Sphagnum-Arten gebildete Torf einen Zuwachs von lediglicheinem Zentimeter in 100 Jahren aufweist. Das alleine erklärt bereits dieUnwiederbringlichkeit dieses Biotoptyps. Hier empfingen uns Waldlaub-sänger, Mönchs- und Gartengrasmücke sowie Heidelerche und Baumpieper.Aus der Vegetation stachen uns Kreuzblümchen, Blutwurz und der flutendeHahnenfuß ins Auge. In den Bereichen mit fließendem Wasser schwammeine Wasserratte an uns vorbei, etwas weiter kreuzte eine Bergeidechseunseren Weg, ein Relikt aus der Eiszeit. Im Übergang zu den Waldbereichenfanden sich Hinweise auf den Raufußkauz, eine der hier zahlreich vor-kommenden kontinentalen Arten in der vermeintlich atlantischen Klima-zone.

Den zweiten Exkursionstag verbrachten wir am . Im Ostendes Departements gelegen, handelt es sich dabei um ein Natur-reservat, das aus den Resten eines ehemals riesigen Sees besteht. Als einziger

Einziger natürlicher See der Creuse

Etang des LandesCreuse

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„Teufelstritt“ (Granitfelsen)am Plateau des millevaches

Page 72: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Bereich innerhalb der vom Granit geprägten bilden hier tertiäreSande, die in diesem See abgelagert wurden, den geologischen Untergrund.Es ist der einzig natürliche See der bzw. des und hat heuteeine Ausdehnung von 112 Hektar mit einem entsprechenden Feuchtgebietin der Peripherie. Im Reservat wurden 400 Pflanzenarten, darunter 66seltene und 12 sehr seltene, nachgewiesen. Der Tierreichtum beziffert sichauf 700 verschiedene Arten. Da der See auf der Route der Zugvögel liegt,ließen sich 273 Vogelarten beobachten, darunter 130 Brutvögel. Am Seeufersind große Beobachtungswarten aus Riedgras gefertigt, die sich soweit in dasLandschaftsbild integrieren, dass sie auf den ersten Blick kaum zu sehensind. Von dort konnten wir 5 Reiherarten (Grau-, Silber-, Kuh-, Nacht- undPurpurreiher) auf ihren Horsten bzw. im Flug beobachten. Ein Schwarz-milan hat sich gleich zu Beginn der Exkursion gezeigt. Auch die Sturmmöwe,die ausschließlich an größeren Gewässern anzutreffen ist, flog ins Blickfeldunserer Ferngläser.

Der Fischbestand im See ist seit dem Mittelalter künstlich, Fischfang ist ineinem kleinen Bereich erlaubt, die Jagd dagegen verboten. In den Feucht-bereichen schreitet die Sukzession über den sehr dominanten Faulbaumvoran. Dort finden sich das in der einzige Vorkommen des Kamm-molchs sowie eine große Population des Laubfroschs.Mitten im See nahmen wir einen schnellen Schwimmer ins Visier, der auf dieDistanz nicht eindeutig als Nutria (Biberratte) oder Bisam bestimmt werdenkonnte.Der weitere Rundgang führte uns zu Flächen, die bis vor 30 Jahren beweidetwurden und dann über die Sukzession in einen waldartigen Zustandübergegangen waren. Vor zwei Jahren wurden sie mit schwerem Gerätwieder offen gelegt und unterliegen nun wieder einer traditionellenBewirtschaftung.

Für eine Rarität ganz anderer Natur haben wir noch einen Abstecher zueinem Kriegerdenkmal unternommen, von denen es in ganz Frankreich nurzwei gibt. Die Inschrift darauf lautet, ganz untypisch, „verdammt sei derKrieg“. In dem Zusammenhang wurde uns von den überproportionalenBevölkerungsverlusten und der daraus resultierenden pazifistischen Tradi-tion der Region berichtet.

Mit dem offiziellen Festabend der Städtepartnerschaft klang unserAustausch mit den Naturschützern aus. Mit einem ganz herzlichenDankeschön an unsere französischen Gastgeber für die interessantenExkursionen, den gemütlichen Grillabend und die herzliche Gastfreund-schaft verabschiedeten wir uns – .

Creuse

Creuse Limousin

Creuse

à la prochaine

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Page 73: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Filderstädter Streuobstwiesen-GUIDES

Thomas Haigis, Referent für Bürgerbeteiligungund Stadtentwicklung Filderstadt

Viele Landschaften Süddeutschlands sind durch ökologisch be-deutsame und unersetzbare Obstbaumwiesen mit Kern- und Stein-

obstbeständen geprägt – so auch Filderstadt mit insgesamt 250 HektarFläche. Die Streuobstwiese leistet für das Kleinklima, den Boden- undWasserschutz, den Artenschutz und für die Naherholung einer Stadt unbe-zahlbare Dienste.

Seit den 90er Jahren haben ver-schiedene Einzelmaßnahmen in Fil-derstadt gegriffen, den Rückgangder Streuobstwiesen zu stoppen; bei-spielhaft seien hier nur aufgeführtdas lokale Apfelsaftprojekt, Baum-pflanz-, Baumschnitt-, Sensen- undSchermausbekämpfungskurse; eineObsterntebörse, der Museumsobst-garten, Apfelsaftfeste werden durch-geführt und vieles mehr.

Künftig bedarf es jedoch noch viel mehr an Anstrengungen wie z. B. dieUnterstützung der örtlichen Mostereien mit Abfüll- und Lagerkapazität, mitMähringen sowie die Sensibilisierung des Verbrauchers durch Marketingund Öffentlichkeitsarbeit. Ziel muss es sein, den nahtlosen Übergang voneiner traditionellen Bewirtschaftung (Grünfutter- und Heugewinnung,Tafel- und Mostobstbau, Spirituosen, Edelhölzer und Imkerei) zu einermodernen, den heutigen gesellschaftlichen Bedürfnissen angepasstenBewirtschaftung der Streuobstwiesen geregelt zu bekommen.

In Filderstadt hat sich hierzu ein vorbildliches und innovatives Netzwerk aufkommunaler Ebene aus Obst- und Gartenbauverein, Schwäbische Alb-

„Schützen durch Nützen“ – Die Rolle des Netzwerks StreuobstwiesenFilderstadt

Netzwerk Streuobstwiesen Filderstadt

Ökologische Bedeutung der Streuobstwiesen

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Schnittkurs Modul 4.1, Obstbaum 1

Page 74: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

vereinsortsgruppe, Einzelhandel, Landwirtschaftlichen Ortsvereinen,Gastronomie, Naturschutzgruppen, Schulen, Kindergärten und Stadtver-waltung gefunden, das ein ganzes Maßnahmenbündel zum dauerhaftenErhalt von Streuobstwiesen ergriffen hat: Öffentlichkeitsarbeit mit derAnlage von Streuobstlehrgärten, Faltblättern, Wanderungen, Radtouren,einer mobile Saftpresse zur Abfüllung in Tetrapacks vor Ort sowie einerHomepage und einer Obstbörse.Für den dauerhaften Erhalt der Streuobstwiesen ist ein nachhaltigesStreuobstwiesenmanagement auf lokaler Ebene unabdingbar. Deshalb sindwir in Filderstadt derzeit dabei, die Bedeutung der Streuobstwiesen neu „zuentdecken“. Der Wert der Streuobstwiesen für das Landschaftsbild, für dieNaherholung, für die ökologischen Wirkungen, für die Lebensqualität derBevölkerung als weicher Standortfaktor im Wettbewerb der Kommunen umBürgerinnen und Bürger im demografischen Wandel, um die zuziehendeoder abwandernde Bevölkerung sowie der Wert der Streuobstwiese zurIdentifikation, zur Heimatbildung und zum Naturerlebnis im Wohnumfeldmuss erkannt, neu bewertet und auch als öffentliche Aufgabe anerkanntwerden. Waren früher „harte“ wirtschaftliche Beweggründe ausschlag-gebend für die einzelnen „Gütlesbesitzer“, stehen heute zunehmend „wei-che“ Beweggründe wie der Erhalt des Erbes der Eltern und Großeltern, derSpaß an der Arbeit in der Natur und das Bewusstsein und die Verantwortung,mit dem Erhalt der Streuobstwiese einen Betrag für das Gemeinwesen imSinne bürgerschaftlichen Engagements zu leisten, im Vordergrund. Diessind alles Entwicklungen, die die Stadt Filderstadt veranlasst haben, mitverschiedenen Maßnahmen, wie dem Angebot einer Ausbildung zumFilderstädter Streuobstwiesen-GUIDE, vollkommen neue Wege zu gehen.

Die Filderstädter Streuobstwiesen-GUIDES sind Bürgerinnen und Bürgeraus Filderstadt und der Filderregion, die ausgehend vom NetzwerkStreuobstwiesen Filderstadt speziell als Kenner, Führer und Berater rundums Kulturgut Streuobstwiesen ausgebildet worden sind. Sie haben sich alsArbeitskreis Streuobstwiesen-GUIDES im StreuobstNetzWerk Filderstadtorganisiert. Sie bieten allen interessierten Besitzern, Nutzern und Be-suchern der Streuobstwiesen ihre individuellen Kenntnisse rund um dendauerhaften Schutz und die landschaftsgerechte Nutzung der FilderstädterStreuobstwiesen an und vermitteln diese aus einem ganz persönlichenBlickwinkel, z. B. als Streuobstwiesenbesitzer, Landwirt, Obst- und Garten-bauer, Lehrer, Gastronom, Landfrau oder Erzieherin. Filderstädter Streu-obstwiesen-GUIDES sind auch BotschafterInnen der Stadt und unter-stützen und anerkennen die Arbeitsleistung sowie das Engagement derStreuobstbesitzer und -nutzer, die diese für die Stadt und für die Erholung,für eine gesunde Umwelt und für die Stiftung eines Heimatgefühls der hier

Ziele und Aufgaben des Filderstädter Streuobstwiesen- GUIDES

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Page 75: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

lebenden Menschen erbringen. Die Streuobstwiesen-GUIDES kennen dietraditionellen Bewirtschaftungsmethoden und Kulturtechniken, die denökologischen Wert und die wirtschaftliche Bedeutung erst ermöglicht habenund kennen auch Möglichkeiten und Wege, das Kulturgut Streuobst denheutigen Bedürfnissen einer sich ändernden Gesellschaft so anzupassen,dass dieses dauerhaft erhalten werden kann.

Streuobstwiesen-GUIDES wurden auch dafür ausgebildet, das Wissen umdie Streuobstwiesen weiterzugeben, Zusammenhänge von Natur, Kulturund Landwirtschaft der Filder zu kennen sowie der Bevölkerung, als auchden Verbrauchern die Streuobstwiese als Herzstück unserer einzigartigenKulturlandschaft nahe zu bringen.

Die theoretische und praktische Ausbildung umfasst vor allem Grund-kenntnisse der Nutzung und Pflege der Obstbäume, der Wiesen sowie dieVerwertung der Streuobstwiesenprodukte. Durch Fortbildungen sollendiese auch zu einer kooperativen Gruppe engagierter Fachleute heran-wachsen, die in den Stadtteilen als Ansprechpartner sowohl in grund-sätzlichen obstbaulichen Fragen als auch in Fragen des Naturschutzes zurVerfügung stehen können. Darüber hinaus kennen sie die Kulturlandschaftder Filder und speziell die Eigenheiten der 250 Hektar großen Streu-obstflächen in Filderstadt sowie der damit zusammenhängenden Ein-

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1. Kurs Filderstädter Streuobstwiesen-GUIDES

Page 76: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

richtungen zur Pflege, Verwertung und die Besonderheiten des Natur- undArtenschutzes. Streuobstwiesen-GUIDES wissen auch um die notwendigenZusammenhänge der regionalen Wirtschaftskreisläufe, die mit einer nach-haltigen Streuobstwiesennutzung den dauerhaften Schutz in Zukunftsichern helfen können und sind befähigt, diese an verschiedene Zielgruppenwie Kinder, Jugendliche, Familien usw. weiterzugeben. Der Streuobstwie-sen-GUIDE ist somit auch ein wesentlicher Baustein der Bildung für nachhal-tige Entwicklung in Filderstadt. Als ein weiterer Effekt ist noch die praktischeProjektarbeit zu erwähnen: Streuobstwiesen-GUIDES werden Mitglied beiNaturschutzgruppen, in Obst- und Gartenbauvereinen, helfen verantwort-lich mit bei der Mobilen Saftpresse, bei der Streuobstbörse oder entwickelnein neues Internet-Streuobstwiesen-Portal Filderstadt.

(Geologie der Filder, Kulturlandschaftsentwicklung)

(Der Streuobstbau früher, der Streuobstbau heute, Gefähr-dungsursachen)

(Gesetzlicher Schutz, Maßnahmen, neue Ansätze)

(Winterschnittkurs/Schnitttechniken, Grundlagen Sortenkunde,Neupflanzung, Nachpflanzung)

(Grundlagen Vermehrung, Grundlagen Düngung, GrundlagenPflanzenschutz, Veredeln)

(Saatgut, Pflege, Schnitttechniken, Schnittgutentsorgung)

(Veredlungsmöglichkeiten, -techniken, Vermarktung Filder-städter Apfelsaft, Mostprobe)

(Tier- und Pflanzenarten in heimischen Streuobstwiesen undihre Bedeutung für den Naturhaushalt, Filderstädter Streu-obstgebiete)

(Konfliktmanagement Filderstadt)

(Die Rolle von Apfel und Co. in der Ernährung, Köstliches ausder Streuobstwiese)

Die Ausbildungsinhalte „Filderstädter Streuobstwiesen-GUIDE“:Modul 1: Natürliche Grundlagen der Filder

Modul 2: Bedeutung des Streuobstanbaus auf den Fildern

Modul 3: Strategien zum Schutz, zur Pflege und Entwicklung vonStreuobstwiesen

Modul 4: StreuobstanbauModul 4.1: Obstbaum I

Modul 4.2: Obstbaum II

Modul 4.3: Grünland

Modul 5: Veredlung und Vermarktung

Modul 6: Lebensraum Streuobstwiese

Modul 7: GUIDE Kompetenzen

Modul 8: Obst und Gesundheit

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Page 77: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Zwei halbtägige nach Reutlingen und Metzingen insBiosphärengebiet Schwäbische Alb sowie nach Aspach und Weissach imRems-Murr-Kreis runden die Kursinhalte, die in etwa 50 Unterrichtsein-heiten vermittelt wurden, ab. Dort standen Themen wie Strategien zumSchutz, Pflege und Entwicklung des Streuobstbaus im Wandel der Zeit, dergesetzliche Schutz, Biotopvernetzung und Landschaftspflegemaßnahmensowie private, kommunale und staatliche Maßnahmen, die Nachhaltigkeitund neue Ansätze wie „Schützen durch Nützen“ auf dem Programm.

1. Indoor-Unterricht; Arbeitsgruppen; Kommunikationstraining

2. Wanderungen und Streifzüge in Filderstadt, Outdoor-Unterricht

3. Exkursionen außerhalb, IBA-Gebiet, Plenum, BiosphärengebietSchwäbische Alb, Obstbaumuseum Metzingen-Glems, PomologieReutlingen, „Lucas“-Obstgarten, Mähringen sowie Aspach undWeissach im Rems-Murr-Kreis mit der Besichtigung einer großenFruchtsaftkelterei.

Eine solche Ausbildung ist nur in Koope-ration mit den vorhandenen Strukturen in der Stadt sinnvoll. Beteiligt sindfolgende Institutionen: Obst- und Gartenbauverein, LandwirtschaftlicheOrtsvereine, Landfrauen, Biotopkartierer, Obstverwerter/Mostereien,Verkaufsstellen der Streuobstprodukte, Baumschulen, Landschaftsgarten-baubetriebe, Firmen, die Maschinen und Geräte zur Streuobstwiesenpflegeführen, Gastronomievertreter, Einrichtungen, die Projekte rund um dieStreuobstwiese durchführen wie z. B. Schulen und Kindergärten.

Die erfolgt schriftlich, das Zertifikat wird öffentlich in derGemeinderatsitzung verliehen. ist wie folgtvorgesehen: Fortbildungsveranstaltungen sind Pflicht, regelmäßige Treffenzum Erfahrungsaustausch und zur Netzwerkbildung sind ebenso vor-gesehen wie kollegiales Coaching. Die Gemeinschaftspflege soll durchMotivation der GUIDES nachhaltig sichergestellt werden.

Die Ausbildung könnte künftig nach den Richtlinien des „BundesweitenArbeitskreis der staatlich getragenen Umweltbildungsstätten ( )" inZusammenarbeit mit der Umweltakademie Baden-Württemberg erfolgen.Zusammen mit anderen Bildungsträgern in Filderstadt könnte ein Antrag aufein Zertifikat als Standort zur Nachhaltigen Bildung in der Dekade derBiodiversität gestellt werden.

Fast gleichzeitig wie in Filderstadt wurde von der Stiftung Naturschutzfondsdas ähnliche Ausbildungs-Format für den „Obstler“ entwickelt. Dieses isträumlich begrenzt auf das IBA-(international bedeutsames Vogelschutz-

Busexkursionen

Die Methoden:

Ausbildungskooperationen:

Prüfung

Die Fort- und Weiterbildung

Schlussbemerkungen

BANU

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Page 78: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

gebiet)-Gebiet im Albvorland in den Landkreisen Reutlingen, Esslingen undGöppingen. Dieses Projekt zeigt uns, dass wir in Filderstadt auf demrichtigen Weg sind, durch regionale Wertschöpfung, durch Inwertsetzungvon Natur- und Landschaft, das Kulturgut „Streuobst“ für die Nachwelt zuerhalten. Die Filderstädter Streuobstwiesen-GUIDES leisten hierzu einenwertvollen Beitrag. Die Obstlerausbildung ist mit mehr Ausbildungsstundenund mit EU–Fördergeldern ausgestattet; sie ist auch umfangreicher, aber vonder Zielsetzung her gleichzusetzen mit der Filderstädter Guideausbildung.Mit dem Erwerb der methodisch-didaktischen Fähigkeiten, der Schlüssel-kompetenzen im Sinne der Gestaltungskompetenz für eine nachhaltigeEntwicklung sowie mit dem Erhalt der Wissensbasis für traditionelleStreuobstwiesenbewirtschaftung steht das Filderstädter Projekt in keinemPunkt der Obstlerausbildung nach. Im Gegenteil, das Filderstädter Projektkann mit Know-how vor Ort auskommen, knüpft unmittelbar vor Ort dasdringend notwendige Netzwerk Streuobst und ist deshalb für andere Städteund Gemeinden als Vorbildprojekt weit vorbildlicher, dadurch bessertransformierbar und somit auch als nachhaltiger einzuschätzen.

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Page 79: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Mobiles Mosten in Filderstadt

Steffen Geitner, Obst- und Gartenbauverein Bonlandenund Filderstädter Streuobstwiesen-GUIDE

Bereits in den vergangenen Jahren wurde die Idee geboren, demRückgang der Filderstädter Streuobstwiesen entgegen zu wirken.Streuobstwiesen prägen vor allem das Erscheinungsbild Südwest-

deutschlands und somit auch das Gesicht Filderstadts. Die positive Wirkungauf unser Klima, der Artenreichtum an Tieren und Pflanzen, die Sorten-vielfalt an Obstbäumen sowie die Obstproduktion sind neben vielenanderen Aspekten Gründe für das Engagement zu ihrem Erhalt. DasNetzwerk Streuobstwiesen Filderstadt möchte gemeinsam ein Stück Heimaterhalten. Dabei sollen auch neue Wege beschritten werden.Verschiedene Elemente des Netzwerkes wurden bereits eingeführt. DieStreuobstbörse ist seit 2009 Plattform für Bürgerinnen und Bürger. Überdiese Vermittlungs- undAnlaufstelle können Per-sonen Grundstücke fin-den, die abgeerntetwerden können. Da-rüber hinaus könnenspezielle Obstsorten ge-sucht und gefundenund weitere Informa-tionen zum Erhalt derStreuobstwiesen ausge-tauscht werden.Die Grundstücksbörseist ein weiteres wich-tiges Element im Netz-werk StreuobstwiesenFilderstadt. Hier können Interessenten an so genannten „Stückle“, die diesekaufen oder verkaufen bzw. pachten oder verpachten wollen, zu-sammengebracht werden.Die mobile Moste ist neben dem Filderstädter Apfelsaft und demFilderstädter Birnensaft ein zusätzliches Element im bereits geknüpftenNetzwerk. Als die ersten Informationen zur mobilen Presse veröffentlichtwurden, war das Interesse sofort groß. Ende September 2010 stand die

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Pressen des Obstes

Page 80: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Moste für die Bevölkerung bereit. Angeschafft und betrieben wird die mobileMoste durch den Obst- und Gartenbauverein Bonlanden, wobei die StadtFilderstadt die Hälfte der Anschaffungskosten übernahm. Gute Gründe fürden eigenen Saft aus eigenem Obst gibt es viele. Die Qualität desverarbeiteten Obstes sowie die Sorten- und Mengenzusammenstellungbestimmen die Saftqualität und den Geschmack.Der Weg des Obstes vom Baum bis ins Glas war für Groß und Kleininteressant und für viele neu. Mit dem Auflesen des Obstes und demTransport der vollen Säcke zur Moste begann das „Abenteuer“. Mit demFörderband wurden die Brettacher, Gewürzluiken, Bittenfelder undBohnäpfel aber auch Schweizer Wasser-, Oberösterreicher Wein- undChampagner Bratbirnen und viele, viele Obstsorten mehr in die „Wäscherei“

gebracht. Danach wurdedas saubere Obst „ge-schreddert“ (eingemai-scht) und sofort mit derPackpresse bei 400 barDruck verarbeitet. DieAbfüllung des erhitztenSaftes wurde dann auf-merksam verfolgt. Vonden „Bag-in-Box“, d. h.frei übersetzt Beutel inder Schachtel, wurdenHunderte 5- und 10-Liter Kartons in dieAutos und Anhänger ge-tragen. Erste Projekte in

Kindergärten und Schulen wurden durchgeführt und alle waren mit großerBegeisterung dabei. Der Saft wird zum Teil verkauft, um Schulland-heimaufenthalte zu unterstützen und viele, viele Beispiele mehr.Das Interesse am eigenen Saft war für viele Abfüller der Hauptgrund für denGang an die mobile Moste. Einige Stücklesbesitzer kamen sogar ausStuttgart-Vaihingen und Möhringen, aber auch aus Grötzingen und allenfünf Filderstädter Stadtteilen. Der Andrang an der Obstpresse war so groß,dass der OGV Bonlanden nur mit Hilfe der Filderstädter Streuobstwiesen-GUIDES die Tonnen an Obst verarbeiten konnte. Den vielen Helfern,Kunden und Interessenten gilt ein herzlicher Dank.

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Verpackung Bag in Box

Page 81: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Stand der Erkundungs- und Sanierungsarbeitenauf der Altablagerung in der Ramsklinge

René Schiemann, Diplom-Geologe TÜV SÜD

Die Altablagerung Ramsklinge auf der Gemarkung Plattenhardt liegtöstlich der später – das heißt in den 70er Jahren des vergangenenJahrhunderts – angelegten, modernen Mülldeponie des Land-

kreises Esslingen, die sich zwischenzeitlich ebenfalls in der Nachsorgephasebefindet. Die Flächen der Kreismülldeponie werden derzeit zum Teil auchals Fotovoltaik-Fläche und Müll-Umladeplatz genutzt.

Mit der Auffüllung des Geländes der Altablagerung Ramsklinge war bereitsim Jahr 1961 begonnen worden.

Die etwa 243.000 m² große Altablagerung bedeckt das dort ehemalsschluchtartige Gelände der Ramsklinge mit maximal bis zu 40 MeternAufschüttungshöhe.

Das Naturdenkmal, der im Osten verbliebenen Oberen Ramsklinge, zeigt imGewann Tetschleren noch heute, wie die Klinge früher einmal ausgesehenhat.

Der Ramsklingenbach unterquert die Altablagerung und die Mülldeponieheute von Ost nach West in einer Verdolung und tritt erst am Rand desSiebenmühlentals bei der Kochenmühle wieder zu Tage. Der Großteil des imZeitraum von 1961 bis 1975 eingebrachten Auffüllvolumens von über 3,5Millionen m³ war Bauschutt aus dem Stadtgebiet von Stuttgart.

Auf der Altablagerung Ramsklinge steht nach der Wiederaufforstung heuteWald und am Südrand wurde im Zuge der Rekultivierung in den 70er Jahrendes vergangenen Jahrhunderts der heute idyllische Bärensee angelegt.

Mit der Historischen Erhebung als ersten Schritt der Altlastenerkundung warim Jahr 1993 begonnen worden. Bis zum Jahr 2000 wurden in der Rams-klinge auch technische Altlastenerkundungsmaßnahmen durchgeführt.

Bereits in den 1990er Jahren ergaben sich Hinweise, dass die Altablagerungweitgehend mit Sickerwasser durchsetzt ist. Mögliche Ursache waren die

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Page 82: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Wasserzutritte aus dem insgesamt etwa 1 km² großen Einzugsgebiet derumgebenden bewaldeten Hangbereiche. Das Sickerwasser aus den Hängenkann auch zur Mobilisierung von Schadstoffen in Richtung der Mülldeponiedes Landkreises führen. Auf der Mülldeponie des Landkreises bestand fernerdie Gefahr einer geotechnischen Destabilisierung durch drückendes Wasser.Um die Standsicherheit der Mülldeponie zu gewährleisten, wurde im Über-gangsbereich Altablagerung/Mülldeponie eine Brunnengalerie gebaut, umdas Sickerwasser dort zu fassen und abzupumpen – dies geschieht bis heute.

In den Jahren 2002 bis 2004 wurden eingehende hydrologischeUntersuchungen durchgeführt und eine Wasserbilanz für die Altablagerungerstellt. Dabei wurden die Wechselwirkungen zwischen der Altablagerungund der Mülldeponie sowie mögliche Auswirkungen des Bärensees auf dasSickerwasseraufkommen auf der Mülldeponie näher untersucht.

Bei der Wasserbilanzierung war festzustellen, dass in die Altlablagerungbesonders im Winterhalbjahr andauernde Wasserzutritte aus denangrenzenden Hängen erfolgen, während im Sommer, vor allem bei starkenGewitterregen, aus dem Bärensee überlaufendes Wasser in den Altablage-rungskörper gelangte.

Im Zuge einer Teilsanierung wurde deshalb zunächst die Verbesserung derFassung des Oberflächenwassers auf der Altablagerung vorangetrieben.

Im Jahr 2006 wurde ein Maßnahmenkonzept zur Oberflächenwasserfassungim Bereich der Altablagerung entwickelt. Ziel war es, durch randliche Was-serfassungen das Eindringen von Oberflächenwasser der umgebendenHangbereiche in die Altablagerung zu verringern.

Das Maßnahmenkonzept zur Fassung des Oberflächenwassers konnte imJahr 2008 unter Federführung der Stadt Stuttgart umgesetzt werden.

Am Fuß des Schüttdamms auf der Ostseite der Altablagerung wurde einnaturnah gestaltetes Einlaufbauwerk für den Ramsklingenbach gebaut,das einen möglichen Aufstau des Bachs am Fuß der Aufschüttung nunnachhaltig unterbindet.Insgesamt wurden etwa 1,5 km Entwässerungsgräben neu gezogen oderbestehende Grabentrassen ertüchtigt.Der teilweise vorhandene Entwässerungsgraben entlang der Deponie-zufahrtstraße im Gewann Langenwald wurde eingetieft, nach Osten ver-längert, die Grabensohle mit Beton abgedichtet und mit Sohlschalenausgebaut.Der südliche Graben entlang des Hangfußes im Gewann Bildhau wurdeteilweise komplett neu gebaut und bis zum Bärensee als naturnahes

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Page 83: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Fließgewässer ausgestaltet.Wasser, das sich in der Feuchtsenke nördlich des Bärensees ansammelte,wurde gefasst und in den sanierten Ablaufgraben zur ehemaligenMülldeponie abgeleitet. Der durchnässte Bodenbereich der Feucht-senke wurde entfernt und auch nach unten hin abgedichtet.Der Bärensee erhielt zudem einen mit Natursteinen gestalteten Not-überlauf zur Begrenzung des Maximalwasserspiegels.

Das Forstrevier Filderstadt erneuerte 2008/2009 auch den Mönch zur Re-gulierung des Wasserspiegels im Bärensee, so dass bei Starkregen über-tretendes Seewasser nicht mehr in die Altablagerung einsickern kann. Dabeikonnte der See teilweise auch entschlammt werden.

Derzeit werden Wasserabflussmessungen auf der Altablagerung durchge-führt, um festzustellen, in wieweit die durchgeführten Maßnahmen wirkenund ob sie langfristig auch geotechnisch ausreichend sind.

Die Schadstoffverteilung im Grundwasser steht derzeit zur näheren Detail-untersuchung an.

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Die Altablagerung Ramsklinge im Westen von Plattenhardtund ihr hydrologisches Einzugsgebiet:

Page 84: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

Teilsanierung Oberflächen-wasserfassung nach Fertig-stellung im Jahr 2008:Entwässerungsgraben imSüden – Graben mit Raubettausgebaut

Teilsanierung Oberflächenwasserfassung nach Fertig-stellung im Jahr 2008:Graben an der Deponiestraße im Norden –Grabenausbau mit Betonsohlschalen

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Markt-ApothekeMarktstraße 6

70794 Filderstadt-Bonlanden

Tel.: (0711) 77 29 10Fax: (0711) 7 77 84 37

Page 85: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2011

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Hinweis der Herausgeber:

Stadt FilderstadtUmweltschutzreferat und Umweltbeirat Filderstadt

Umweltschutzreferat FilderstadtHartmut Spahr, Biotopkartiergruppe FilderstadtEberhard Mayer, Biotopkartiergruppe Filderstadt

Andrea Weber, Umweltschutzreferat Filderstadt

Artur Calmbacher,Biotopkartiergruppe Filderstadt

f.u.t. müllerbader gmbh, Filderstadt

2.000 Exemplare

c/o Stadt FilderstadtUhlbergstraße 3370794 Filderstadt

Die in dieser Schriftenreihe veröffentlichten Beiträge werden von denjeweiligen Verfassern unverändert übernommen. Für den Inhalt sind daherdie Autoren verantwortlich, sie geben nicht unbedingt die Meinung derHerausgeber wieder.

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