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Neue Gentechnik-Verfahren März 2017 Dr. Christoph Then, Testbiotech e.V. München www.testbiotech.org [email protected]

Neue Gentechnik-Verfahren - bund-naturschutz.de · Züchtung: Nutzung des Systems der Zelle Bei der Kreuzung werden vorhandene genetischen Veranlagungen neu kombiniert, aber Grundlage

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Neue Gentechnik-Verfahren

März 2017

Dr. Christoph Then, Testbiotech e.V.

[email protected]

Was ist Gentechnik?

Leben ist in seiner Entstehung und

Funktion zellulär organisiert.

Gene sind Teil eines komplexen

Systems von Regulation, der

Informationsspeicherung und

Kommunikation, die durch die

Zelle organisiert werden.

Unser biologisches Verständnis ist

zu sehr auf die Ebene der DNA

fokussiert.

Die Zelle als Grundlage der Züchtung

Grafik: http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/medicine/laureates/1999/press.html, Günter Blobel.

Züchtung: Nutzung des Systems der Zelle

Bei der Kreuzung werden vorhandene genetischen Veranlagungen

neu kombiniert, aber Grundlage ist eine geordnete Genomverteilung.

Mutationen oder horizontaler Gen-Transfer stellen die natürlichen

Regelmechanismen der Zellen und Organismen nicht grundsätzlich

infrage. Beispielsweise werden in vielen Fällen die genetischen

Veränderungen durch die Zelle inaktiviert.

Zwar können auch durch Züchtung von Fall zu Fall Pflanzen mit

zweifelhaften Eigenschaften entstehen. Dies liegt aber nicht an den

Verfahren, sondern viel eher an den Züchtungszielen.

Treten Zweifel an der Sicherheit auf, müssen bestimmte Produkte /

Pflanzen untersucht werden.

Gentechnik: Eingriff ins Erbgut

Die Gentechnik behandelt Pflanzen (deren Zellen) nicht als „selbst

regulierendes System“. Vielmehr wird direkt auf der Ebene des

Genoms eingegriffen und eine Veränderung der Struktur der DNA

mit technischen Mitteln erzwungen.

Alle Pflanzen, die mit diesen Verfahren hergestellt werden, müssen

eine Zulassungs- / Risikoprüfung durchlaufen.

Technische Grundlagen neuer Gentechnik-Verfahren

Grundlagen der synthetischen Gentechnik

DNA-Analyse und DNA-Synthese gehen Hand in Hand. Quelle: US PRESIDENTIAL COMMISSION FOR THE STUDY OF BIOETHICAL ISSUES

Gen-Editing - Synthetische Gentechnik

> Synthese von DNA-und RNA-Sequenzen mit und ohne

natürliches Vorbild

> Veränderung der DNA duch Nukleasen, die bestimmte Zielorte im

Erbgut erkennen können. Dabei können natürliche Gene zerstört

(knockout) und / oder neue DNA Sequenzen eingefügt werden

(knockin). Dabei sind auch multiple Veränderungen des Erbguts

möglich (seriell, parallel).

> Veränderungen der Struktur des Genoms durch Oligonukleotide.

> Gene Silencing / Veränderung der Gen-Exprimierung.

> Veränderung der Vererbungshäufigkeit durch Gene Drives.

DNA-Scheren: CRISPR/Cas(Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats)

Adoption: Testbiotech

Oligonukleotide

Abbildung: Modell der Wirkungsweise von Oligonukleotiden: 1. Oligonukleotid wird in Zelle eingeschleust 2. Oligonukleotid setzt sich an entsprechende Stelle im Genom 3. Abweichung vom Genom löst zelleigenen Reparaturmechanismus aus. 4. Oligonukleotid löst sich auf. 5. Abweichung vom Genom im oberen Strang wird entsprechend ersetzt. 6. Gewünschte Punkt-Mutation wurde ins Genom eingebaut. Quelle: http://www.keine-gentechnik.de/dossiers/neue_technologien.html

Anwendungsbereiche

→ Nutzpflanzen

→ Wildpflanzen

→ Bäume

→ Versuchstiere

→ Tiere zur Lebensmittelgewinnung

→ Insekten

→ Wildtiere

→ Menschliche Embryonen

Anwendungsbeispiele

Oligonukleotide: Cibus-Raps

Im Fokus: Nutztiere

Im Fokus: Natürliche Populationen

Ledford, 2015; adoption: Testbiotech

Umbau des menschlichen Erbguts

„The same technique would work for the Neanderthal, except that

you’d start with a stem cell genome from a human adult and

gradually reverse-engineer it into the Neanderthal genome or a

reasonable close equivalent.“

Church & Regis, 2012

Akteure

Akteure & Patentanträge auf neue Gentechnikverfahren

Number of WO patent applications registered at the World Intellectual Property Organisation (WIPO) between 2010 and 2015

Patentanträge auf Nutztiere / Firma Recombinetics

Synthetic gene technologies used in plants and animals for food production, Testbiotech, 2016

Beispiel Tierversuche

US Firma Intrexon

Intrexon gehören u.a.:

Klonfirmen wie Viagene und TransOva;

Firma Aquabounty, transgener Lachs

Patente auf gentechnisch veränderte Tiere, vom Schaf bis zum

Schimpansen

Gentechnik-Äpfel: „Arctic Apple“

Entwicklung von Gentechnik-Bäumen in Kooperation mit FuturaGene

Group

Gentechnisch veränderte Insekten (Olivenfliegen, Mücken)

Zu den Vorständen von Intrexon gehört Robert B. Shapiro, der ehemalige

Geschäftsführer von Monsanto.

Die Risiken

Wie präzise sind die neuen Verfahren?

Beispiel Dupont, Soja (Li et al., 2016):

In einem ersten Schritt wurde die DNA für die Nuklease CRISPR /

Cas per “Schrotschuss” ins Erbgut von isolierten Pflanzenzellen

eingeführt.

In der Folge zeigte das Erbgut der Zellen viele ungewollte

Veränderungen wie mehrfache und unvollständige Integration der

DNA Konstrukte.

www.testbiotech.org/node/1568

Wie präzise sind die neuen Verfahren?

Li et al., 2016:

In einem zweiten Schritt sollte das Enzyme Cas9 das Genom der

Soja an einer bestimmten Stelle “schneiden” und ein Markergen

einfügen.

Bei etwa der Hälfte der Zellen wurde dabei nur ein Strang der DNA

geöffnet.

Die verursachten Deletionen waren in ihrer Grösse unterschiedlich,

bei einigen kam es zu zufälliger Integration von zusätzlicher DNA.

Es wurden mehrere Kopien der gewünschten DNA eingebaut.

In den meisten Fällen wurde ungewollt auch die DNA für die

Nuklease eingebaut.

Wie präzise sind die neuen Verfahren?

Li et al., 2016:

Erstaunlicherweise wiesen nur wenige Pflanzen, die aus den

“erfolgreich” manipulierten Zellen gezogen wurden, die gewünschte

zusätzlich DNA auf.

Man erhielt schließlich eine kleine Anzahl von Pflanzen (“Events”).

Die meisten von ihnen wiesen ungewollte Veränderung am

beabsichtigten Ort der Insertion auf.

Alle diese Pflanzen hatten in ihrem Erbgut zusätzliche, ungewollte

DNA-Insertionen.

Durch weitere Züchtung (Segregation) versuchte man, Pflanzen zu

erhalten, die nur die gewünschten Veränderungen aufweisen.

Wie präzise sind die neuen Verfahren?

Präzision ist abhängig von

Nuklease

Methode (z.B. transient oder Integration ins Erbgut)

(Pflanzen-)Art

Zielregion

Zielsetzung

Labor

u.a. ...

Fallspezifische Risikobewertung

Gewollte / ungewollte Veränderungen

auf der Ebene der DNA (off und on target effects)

der Gen-Regulation / Epigenetik

der genetischen Stabilität unter Stresseinwirkung

der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe

biologisch aktiver Stoffe (wie small RNAs)

der Pflanzen-Kommunikation / Tier-Verhalten

des assoziierten Mikrobiom

Beispiele für Probleme bei fehlender Regulierung

Es gibt keine Verpflichtung Daten vorzulegen, es gibt keine

Möglichkeit die Angaben der Firmen zu überprüfen.

Produkte können im Markt nicht verfolgt werden.

Einzelne („ungefährliche“) Schritte können wiederholt

eingesetzt werden, verschiedene Methoden können kombiniert

werden.

Pflanzen und Tiere, die einfach oder mehrfach gentechnisch

verändert sind, können weiter gekreuzt werden (stacking).

Ausbreitung in natürliche Populationen kann nicht verhindert

werden.

Schutzgut “Urzelle”: Ausgangspunkt und Zukunft des Lebens

„Die Urzelle lebt noch immer. Wir alle sind die Urzelle... Sie lebt

noch immer, in jeder einzelnen aller der jetzt lebenden Zellen.“ Karl R. Popper, Auf der Suche nach einer besseren Welt, 1987

Die unkontrollierte Freisetzung gentechnisch veränderter

Organismen ist ein Eingriff in die “Keimbahn” der biologischen

Vielfalt / die Zukunft der „Urzelle“.

USA: Zulassung ohne Prüfung und Kennzeichnung

Transgene escape: global overview

betzler
Schreibmaschinentext
betzler
Schreibmaschinentext
Karte wurde wegen fehlender Bildrechte entfernt
betzler
Schreibmaschinentext

Transparenz, Rückverfolgbarkeit, Schutz der gentechnikfreien

Produktion und der Schutz der natürlichen Populationen sind beim

Umgang mit den neuen Gentechnikverfahren unverzichtbar.

Vorsorgeprinzip!

Rechtliche Bewertung

Rechtliche Bewertung: Kraemer & Spranger

Es gibt grundsätzlich zwei Kategorien von Methoden, mit denen die

Genetik der Organismen verändert werden kann:

Diejenigen, die vor der Verabschiedung der EU Richtlinie

2001/18 als 'sicher' galten.

Andere, die neu dazu gekommen sind und reguliert werden

müssen.

Rechtliche Bewertung: Kraemer & Spranger

Bei der Einstufung der Verfahren ist es nicht entscheidend ob

Zusätzliche DNA in das Genom inseriert wird oder nicht

Mutationen auch natürlicherweise auftreten

Das Ergebnis ein transgener Organismus ist.

Rechtliche Bewertung: Kraemer & Spranger

Das Regelwerk der EU

Verlangt eine prozess-orientierten Ansatz.

Gibt dem Vorsorgeprinzip hohe Priorität

Politische Entscheidung

März 2017: Stellungnahme EU Scientific Advice Mechanism (SAM)

April / Juni: Diskussionsrunde BMEL

September: Konferenz der EU Kommission

Ende 2017: EuGH?

Zeitplan

Fünf Forderungen

Der Gentechnik Grenzen setzen!