5
Neue Impulse für den Chorgesang in Luxemburg Vor 32 Jahren entstand zwischen den deutschen und den Schweizer Sängern ein gar heftiger Disput über das Thema „Wirken Silberköpfe abschreckend auf Jugendliche?“. So schrieb die Musikzeitschrift „Badener Sänger“ (Deutschland) u.a. „Die im Chor anzutreffenden Silberhäupter geben dem immer kleiner gewordenen Chor den Anstrich eines Greisenklubs, was für jüngere Männer abschreckend wirkt! Die herkömmliche Musikliteratur über Heimatland, ohne Schmiss und Rhythmus, übt keine Anziehungskraft auf jüngere Leute. Wir müssen eine Verjüngung der Chöre herbeiführen, moderne, rhythmische Chorwerke lernen, diese perfekt einstudieren und sie fürs Auge und Ohr attraktiv wiedergeben“! Worauf die Schweizer Sängerzeitung gar heftig reagierte mit der Klarstellung dass „dank der Silber- und Greisenköpfe“ das heutige Chorwesen überhaupt noch besteht. Schmiss und Rhythmus, die dazu fehlen scheinen, sind Sache des jeweiligen Dirigenten, der es versteht, aus den Sängern herauszuholen, was überhaupt naturgebunden schon in ihnen steckt“. Wie auch immer: Feststeht, dass wir heute froh und glücklich wären (nicht nur in Luxemburg, sondern in fast allen europäischen Ländern) wenn die Grauköpfe von anno 1978 (wahre Pioniere des Chorwesens) noch da wären, um unsere Gesangvereine zu bevölkern. Männer, deren Zahl stetig abnimmt. Nicht nur im Männerchor. Vielmehr in rasanter Weise auch im gemischten Chor! In

Neue Impulse für den Chorgesang in Luxemburg

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Neue Impulse für den Chorgesang in Luxemburg

Neue Impulse für den Chorgesang in Luxemburg

Vor 32 Jahren entstand zwischen den deutschen und den Schweizer Sängern ein gar heftiger Disput über das Thema „Wirken Silberköpfe abschreckend auf Jugendliche?“. So schrieb die Musikzeitschrift „Badener Sänger“ (Deutschland) u.a. „Die im Chor anzutreffenden Silberhäupter geben dem immer kleiner gewordenen Chor den Anstrich eines Greisenklubs, was für jüngere Männer abschreckend wirkt! Die herkömmliche Musikliteratur über Heimatland, ohne Schmiss und Rhythmus, übt keine Anziehungskraft auf jüngere Leute. Wir müssen eine Verjüngung der Chöre herbeiführen, moderne, rhythmische Chorwerke lernen, diese perfekt einstudieren und sie fürs Auge und Ohr attraktiv wiedergeben“! Worauf die Schweizer Sängerzeitung gar heftig reagierte mit der Klarstellung dass „dank der Silber- und Greisenköpfe“ das heutige Chorwesen überhaupt noch besteht. Schmiss und Rhythmus, die dazu fehlen scheinen, sind Sache des jeweiligen Dirigenten, der es versteht, aus den Sängern herauszuholen, was überhaupt naturgebunden schon in ihnen steckt“.

Wie auch immer: Feststeht, dass wir heute froh und glücklich wären (nicht nur in Luxemburg, sondern in fast allen europäischen Ländern) wenn die Grauköpfe von anno 1978 (wahre Pioniere des Chorwesens) noch da wären, um unsere Gesangvereine zu bevölkern. Männer, deren Zahl stetig abnimmt. Nicht nur im Männerchor. Vielmehr in rasanter Weise auch im gemischten Chor! In denen, wenn es hoch kommt, ein Viertel der aktiven Mitglieder noch Männer sind. Bis hin zu keinem einzigen Mann in einem einst bestbekannten gemischten Chor aus dem Süden Luxemburgs. Der so notgedrungen zu einem reinen Frauenchor wurde. Tapfere Frauen, ohne welche die Vereinsfahne - Zeuge einer ruhmreichen Vergangenheit - vereinsamt irgendwo in einem Schrank stehen würde!

Und die Zukunft? Ein ganz kurzer Blick auf unsere Kinderchöre genügt, um sich ernste Sorgen über den Fortbestand der Gesangvereine (weltlich wie kirchlich) in unseren Ortschaften zu machen. Ja, wie die Zukunft der Chöre sichern mit Kinderchören, deren Mitgliederzahl kontinuierlich abnimmt? In denen die wenigen noch verbliebenen Buben wie kleine Prinzen regelrecht verhätschelt werden!

Eigentlich schwer zu verstehen dieser Überlebungskampf der Chöre in einem Land wie Luxemburg, wo die Zahl der Schüler in den lokalen Musikkursen, den regionalen Musikschulen und den Konservatorien von Jahr zu Jahr sprunghaft in

Page 2: Neue Impulse für den Chorgesang in Luxemburg

die Höhe klettert. Sind sich unsere Schulen bewusst, dass das Singen die eigentliche Sprache des Menschen ist. So ist auch die menschliche Stimme das wichtigste Instrument, das – um nicht zu verkümmern – zu hegen und zu pflegen ist.

Und die Pflege des Luxemburger Liedergutes? Mit einigen wenigen Ausnahmen sind unsere Chöre wahre Meister in der Interpretation von Werken ausländischer Meister. Das gönnen wir ihnen recht gerne. Bei uns ging aber der Hut hoch, als wir beim Lesen des Konzertprogrammes des kürzlich durchgeführten „Nationalen Chouergesangsdag“ feststellten, dass sich unter den 24 aufgeführten Werken keine einzige Komposition eines Luxemburgers befand. Gottseidank kam die ehrende Rettung durch die Ettelbrücker Lyra mit einem mit Brio aufgeführten Luxemburger Chorwerk. Dank für dieses "einmalige" Erlebnis dem Dirigenten Marion Michels!

Wir begrüßen umso mehr die Initiative von Josée Faltz-Wilmes, die gelegentlich der Generalversammlung der USCVL (Union des Sociétés de Chant de la Ville de Luxembourg) die Organisation eines „Dag vum Letzebuerger Lidd“ vorschlug. Mit Liedern, auch modernere, die zum Mitsingen einladen. Frau Faltz-Wilmes ist Präsidentin unserer hauptstädtischen Vereinigung der Chöre. Vor allem aber Musikerin, Sängerin, Pianistin und Dirigentin. Demnach eine im Luxemburger Musikwesen versierte Frau, die aus Erfahrung spricht! Und sie liegt goldrichtig. Denn solange bei einheimischen Konzerten von 10 aufgeführten Werken nicht wenigstens drei von Luxemburger Komponisten sind, sollte in Luxemburg wenigstens einmal im Jahr ein „Dag vum Letzebuerger Lidd“ stattfinden! Sollten nicht unsere Harmonien und Fanfaren eine ähnliche Initiative zur Pflege der Luxemburger Instrumentalwerke ergreifen?

Präsidentin Josée Faltz-Wilmes wies aber auch auf die Tatsache hin, dass die Chöre zu 98 Prozent nur veraltete Musikliteratur singen und sich kaum Gedanken über die Zukunft der Vereine machen. 90 Prozent der Chöre, so Frau Faltz, bestehen aus Sängern über 65 Jahren. Also praktisch keine Jugend. Es liege auch an den älteren Sängern, mehr Toleranz und Verständnis gegenüber der Jugend zu zeigen. So den Chorgesang weiterleben zu lassen. Heiße doch Singen im Chor zuhören, verstehen, Freude geben!

Da können wir nur zurufen: Bravo, Madame Josée Faltz-Wilmes!

Page 3: Neue Impulse für den Chorgesang in Luxemburg

Dem möchten wir noch hinzufügen, dass es einem Nichtluxemburger recht schwer gemacht wird, sich in einen Luxemburger Chor zu integrieren. Ein Verein, dem Namen nach Luxemburger, der sein Recht auf eigene Kultur längst aufgegeben hat!

An die für den Chorgesang zuständigen nationalen Gremien – wie INECC (Institut Européen de Chant Choral, Niederlassung Luxemburg), UGDA (Union Grand-Duc Adolphe) und Piusverband (Union Saint Pie X) – geben wir den Wunsch von Frau Faltz nach zeitgemäßer Chorliteratur weiter. Insbesondere in Bezug auf empfehlenswerte Werke Luxemburger Komponisten. Viele Werke, die in den letzten 50 Jahren geschrieben wurden, wurden einmal aufgeführt. Und harren vorläufig – wenn überhaupt noch erhalten – in der Hoffnung auf bessere Tage in der hintersten Ablage eines Archivs. Jeder Luxemburger Musikliebhaber sollte sich im Internet (wapedia) die Liste mit 40 Luxemburger Operetten zu Gemüt führen. Ich weiß aus Erfahrung, dass die von mir hier aufgeführten Institutionen keine Zeit und Mühe scheuen, wenn es darum geht, die Spreu vom Weizen zu trennen. Gute Arrangements für mehrstimmigen Chorgesang in Auftrag zu geben. Musikmaterial anzubieten, die Aufführungen mit Orchester- und/oder Klavierbegleitung ermöglichen. In diesem Zusammenhang an unsere Luxemburger Solisten zu denken. Aufträge für neue Werke an Textdichter/ Komponisten zu vergeben. Die in Großveranstaltungen mit imposanten Chören (Ensembles aus mehreren Chören Luxemburgs), mit Orchester und Solisten, unter der Leitung von namhaften Dirigenten aufgeführt werden. Insbesondere auch die Chöre ins Fernsehen bringen. Initiativen, die das Luxemburger Chorwesen in den Mittelpunkt der heutigen Gesellschaft stellen. Getreu dem Motto: Beim nächsten Konzert sind wir dabei. Wenn nicht als Sänger, dann als Zuhörer!

Freuen könnten sich auch unsere Luxemburger Textdichter und Komponisten über die Gelder aus den Autorenrechten. Die wir ihnen recht gerne gönnen!

Wir sind uns voll bewusst, dass die Realisation der von uns gut gemeinten Vorschläge ein Haufen Geld kostet. Hier gilt die Bemerkung, die mir 1984 Altbundespräsident Walter Scheel (Deutschland) mit auf den Weg gab: “Bitte nicht lamentieren. Sie haben in Luxemburg unermesslich viel Geld. Sie brauchen es nur in die richtigen Kanäle fließen zu lassen!“

Henri Schumacher