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Onkologe 2014 · 20:159–162 DOI 10.1007/s00761-013-2589-7 Online publiziert: 5. Februar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 U. Keilholz Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie, Charité  Comprehensive Cancer Center, Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Berlin Neue Medikamente für  die Behandlung der  Kopf-Hals-Karzinome Einführung Die Plattenepithelkarzinome der Kopf- Hals-Region (SCCHN) sind vergleichs- weise sensibel für zytotoxische Substan- zen. Dies ist in zweierlei Hinsicht über- raschend: Zum Einen ist die Ansprech- rate im Vergleich zu anderen noxenindu- zierten Plattenepithelkarzinomen (Lun- genkarzinom, Ösophaguskarzinom) deut- lich besser, zum Anderen ist bei HPV-ge- triebenen Kopf-Hals-Karzinomen die An- sprechrate auf Zytostatika ebenfalls erheb- lich besser als die des auch HPV-getrie- benen Zervixkarzinoms. Die Gründe für diese hohe Sensitivität gegenüber Zyto- statika sind unklar. Besonders eindrucks- voll wird diese hohe Zytostatikasensitivi- tät in der Induktionstherapie belegt, bei der die Dreierkombination aus Cisplatin, 5-FU und Docetaxel Ansprechraten bis über 50% ergeben hat [1]. Andere zytoto- xische Substanzen wie Methotrexat und Vinkaalkaloide sind ebenfalls aktiv in der Behandlung des Plattenepithelkarzinoms, zeigen jedoch Ansprechraten unter 20%. Andere Tumoren der Kopf-Hals-Region sind in der Regel hoch differenziert und nicht responsibel auf zytotoxische Medi- kamente, eine Ausnahme bilden Grad- 3-Speicheldrüsenkarzinome, die ein ge- wisses Ansprechen auf eine Dreierkom- bination von zytotoxischen Substanzen (CAP-Protokoll, [2]) zeigen und kleinzel- lige Karzinome, die generell ähnlich der anderen extrapulmonalen kleinzelligen Karzinome behandelt werden. Im Fol- genden soll lediglich auf die Plattenepi- thelkarzinome eingegangen werden. D In den vergangenen 10 Jahren  sind keine neuen Zytostatika- klassen entwickelt worden. Es ist daher in der weiteren Entwicklung von Behandlungsprotokollen unwahr- scheinlich, dass neuere Zytostatika hinzu- kommen werden. Ob zielgerichtete Subs- tanzen, die unter speziellen molekularen Bedingungen der Tumorzellen die Wirk- samkeit von Zytostatika verstärken kön- nen, eine Rolle spielen werden, ist noch unklar und Gegenstand von Studien. Hier sind insbesondere PARP-Inhibitoren und pro-apoptotische Prinzipien zu nennen, die jedoch in Zusammenhang mit Che- motherapie oder Radiotherapie des Kopf- Hals-Karzinoms bislang ungenügend un- tersucht sind. Signaltransduktionsinhibitoren Blockade des EGFR-Signalwegs Die wichtigste Eigenschaft der Plattene- pithelkarzinomzellen, die therapeutisch erfolgreich genutzt werden kann, ist die Blockade des EGFR-Signalwegs. Die ein- zige zugelassene Substanz ist derzeit Ce- tuximab [3, 4]. Die Frage ist, welche Al- ternativen in diesem Signalweg bestehen. Hier muss entsprechend . Tab. 1  unter- schieden werden, ob es sich um eine an- dere Form der Hemmung des EGFR selbst handelt, um eine Hemmung von Hetero- dimeren der EGFR-Familie oder um eine Hemmung von Rezeptortyrosinkinasen. Von grundsätzlicher Bedeutung für diese Entwicklungen ist die Beobachtung, dass ein aktiver EGFR-Signalweg für die Tu- morzellen offensichtlich eine hohe Bedeu- tung besitzt, da primäre und sekundäre Resistenz gegen Cetuximab häufig durch Mechanismen vermittelt wird, die auf an- dere Weise den Signalweg aktivieren. Di- ese Mechanismen sind in . Tab. 2  zusam- mengefasst und lassen sich prinzipiell un- terscheiden in der Nutzung von Signalen über Rezeptorheterodimere mit anderen Mitgliedern der EGFR-Familie, über Ex- pression von intrinsisch aktiven EGFR- Varianten (Variante III) oder über Akti- vierung des Signalwegs distal des EGFR. »   Cetuximab ist die  einzige zur EGFR-Blockade  zugelassene Substanz  Zu allen Prinzipien liegen klinische Stu- dien mit neuen Medikamenten vor, die zumindest zeigen, dass diese Prinzipien grundsätzlich umsetzbar sind, auch wenn sie noch nicht zur Zulassung von Medi- kamenten für die Behandlung der Kopf- Hals-Karzinome geführt haben. Die wich- tigsten Entwicklungen sind im Folgenden dargestellt. Variationen der EGFR-bindenden  blockierenden Antikörper Mehrere Alternativen zu Cetuximab wur- den bislang untersucht. Die beiden klassi- schen Alternativen bestehen in dem – im Gegensatz zum chimären Cetuximab – voll humanen Antikörper Panitumumab und dem humanen Antikörper Zalutumu- mab. Beide wurden in randomisierten Stu- Leitthema 159 Der Onkologe 2 · 2014|

Neue Medikamente für die Behandlung der Kopf-Hals-Karzinome; New medicinal drugs for treatment of head and neck cancer;

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Page 1: Neue Medikamente für die Behandlung der Kopf-Hals-Karzinome; New medicinal drugs for treatment of head and neck cancer;

Onkologe 2014 · 20:159–162DOI 10.1007/s00761-013-2589-7Online publiziert: 5. Februar 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

U. KeilholzMedizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie, Charité 

Comprehensive Cancer Center, Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Berlin

Neue Medikamente für die Behandlung der Kopf-Hals-Karzinome

Einführung

Die Plattenepithelkarzinome der Kopf-Hals-Region (SCCHN) sind vergleichs-weise sensibel für zytotoxische Substan-zen. Dies ist in zweierlei Hinsicht über-raschend: Zum Einen ist die Ansprech-rate im Vergleich zu anderen noxenindu-zierten Plattenepithelkarzinomen (Lun-genkarzinom, Ösophaguskarzinom) deut-lich besser, zum Anderen ist bei HPV-ge-triebenen Kopf-Hals-Karzinomen die An-sprechrate auf Zytostatika ebenfalls erheb-lich besser als die des auch HPV-getrie-benen Zervixkarzinoms. Die Gründe für diese hohe Sensitivität gegenüber Zyto-statika sind unklar. Besonders eindrucks-voll wird diese hohe Zytostatikasensitivi-tät in der Induktionstherapie belegt, bei der die Dreierkombination aus Cisplatin, 5-FU und Docetaxel Ansprechraten bis über 50% ergeben hat [1]. Andere zytoto-xische Substanzen wie Methotrexat und Vinkaalkaloide sind ebenfalls aktiv in der Behandlung des Plattenepithelkarzinoms, zeigen jedoch Ansprechraten unter 20%. Andere Tumoren der Kopf-Hals-Region sind in der Regel hoch differenziert und nicht responsibel auf zytotoxische Medi-kamente, eine Ausnahme bilden Grad-3-Speicheldrüsenkarzinome, die ein ge-wisses Ansprechen auf eine Dreierkom-bination von zytotoxischen Substanzen (CAP-Protokoll, [2]) zeigen und kleinzel-lige Karzinome, die generell ähnlich der anderen extrapulmonalen kleinzelligen Karzinome behandelt werden. Im Fol-genden soll lediglich auf die Plattenepi-thelkarzinome eingegangen werden.

D In den vergangenen 10 Jahren sind keine neuen Zytostatika-klassen entwickelt worden.

Es ist daher in der weiteren Entwicklung von Behandlungsprotokollen unwahr-scheinlich, dass neuere Zytostatika hinzu-kommen werden. Ob zielgerichtete Subs-tanzen, die unter speziellen molekularen Bedingungen der Tumorzellen die Wirk-samkeit von Zytostatika verstärken kön-nen, eine Rolle spielen werden, ist noch unklar und Gegenstand von Studien. Hier sind insbesondere PARP-Inhibitoren und pro-apoptotische Prinzipien zu nennen, die jedoch in Zusammenhang mit Che-motherapie oder Radiotherapie des Kopf-Hals-Karzinoms bislang ungenügend un-tersucht sind.

Signaltransduktionsinhibitoren

Blockade des EGFR-Signalwegs

Die wichtigste Eigenschaft der Plattene-pithelkarzinomzellen, die therapeutisch erfolgreich genutzt werden kann, ist die Blockade des EGFR-Signalwegs. Die ein-zige zugelassene Substanz ist derzeit Ce-tuximab [3, 4]. Die Frage ist, welche Al-ternativen in diesem Signalweg bestehen. Hier muss entsprechend . Tab. 1 unter-schieden werden, ob es sich um eine an-dere Form der Hemmung des EGFR selbst handelt, um eine Hemmung von Hetero-dimeren der EGFR-Familie oder um eine Hemmung von Rezeptortyrosinkinasen. Von grundsätzlicher Bedeutung für diese Entwicklungen ist die Beobachtung, dass

ein aktiver EGFR-Signalweg für die Tu-morzellen offensichtlich eine hohe Bedeu-tung besitzt, da primäre und sekundäre Resistenz gegen Cetuximab häufig durch Mechanismen vermittelt wird, die auf an-dere Weise den Signalweg aktivieren. Di-ese Mechanismen sind in . Tab. 2 zusam-mengefasst und lassen sich prinzipiell un-terscheiden in der Nutzung von Signalen über Rezeptorheterodimere mit anderen Mitgliedern der EGFR-Familie, über Ex-pression von intrinsisch aktiven EGFR-Varianten (Variante III) oder über Akti-vierung des Signalwegs distal des EGFR.

»  Cetuximab ist die einzige zur EGFR-Blockade zugelassene Substanz 

Zu allen Prinzipien liegen klinische Stu-dien mit neuen Medikamenten vor, die zumindest zeigen, dass diese Prinzipien grundsätzlich umsetzbar sind, auch wenn sie noch nicht zur Zulassung von Medi-kamenten für die Behandlung der Kopf-Hals-Karzinome geführt haben. Die wich-tigsten Entwicklungen sind im Folgenden dargestellt.

Variationen der EGFR-bindenden blockierenden AntikörperMehrere Alternativen zu Cetuximab wur-den bislang untersucht. Die beiden klassi-schen Alternativen bestehen in dem – im Gegensatz zum chimären Cetuximab – voll humanen Antikörper Panitumumab und dem humanen Antikörper Zalutumu-mab. Beide wurden in randomisierten Stu-

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dien untersucht, haben sich jedoch nicht durchgesetzt [5, 6]. Ähnliches gilt für den humanisierten Antikörper Nimotuzumab [7]. Der Antikörper ABT-806 [8] bindet nicht den regulären EGFR, sondern die Va-riante III, die eine trunkierte extrazelluläre Domäne aufweist und intrinsisch aktiviert ist. Dieser Antikörper führt daher nicht zu den typischen kutanen Nebenwirkungen der EGFR-Blockade und zielt auf eine Sub-population von Plattenepithelkarzinomen, die diesen intrinsisch aktivierten Rezeptor exprimieren. Sym004 ist eine Kombination von zwei Antikörpern, die unterschiedliche Epitope des EGFR blockieren [9]. In Pha-se-I/II-Studien hatte sich eine interessante Wirksamkeit, allerdings auch eine erhöhte Toxizität gezeigt.

»  CetuGEX könnte eine Alternative sein

Eine Alternative stellt ein modifiziertes Ce-tuximab-Molekül dar, dessen Fc-Rezeptor durch Glykolisierung so verändert wurde, dass die antikörperabhängige zelluläre To-xizität (ADCC) signifikant verstärkt wird [10]. Dieser Antikörper (CetuGEX) ist bis-lang erst in Phase-I-Studien getestet wor-den, zeigt jedoch bei EGFR-responsiven Tumoren eine interessante gute Wirksam-keit und interessanterweise, möglicherwei-se durch Rekrutierung von Leukozyten in die Hautläsionen, eine geringere Hauttoxi-zität als die anderen EGFR-Antikörper.

Nach dem gleichen Prinzip der Hem-mung von heterodimeren Rezeptorkom-plexen wurde ein alternativer Antikörper entwickelt, der die Komplexierung von Her1 und Her3 blockiert (MEHD7945A). Die Basis für diese Entwicklung ist die Beobachtung, dass in vitro eine Resistenz gegenüber Cetuximab häufig mit einer Überexpression von Her3 einhergeht und die Aktivierung des EGFR-Signalwegs über alternative Ligandenbindung an Her3 erfolgt, die durch Cetuximab nicht unterbunden wird. Präklinische und früh-klinische Untersuchungen zu dem Anti-körper MEHD7945A zeigen interessante Ergebnisse, so dass dieser Antikörper jetzt ebenfalls in randomisierten Studien getes-tet wird [11]. Hier wird sich zeigen, ob eine Patientenselektion gemäß der Expression der Her1/Her3-Rezeptorheterodimere für diese Behandlung geeignete Patientenkol-lektive selektieren kann.

Inhibitoren der EGFR-TyrosinkinasenMehrere Tyrosinkinaseinhibitoren wur-den bei Patienten mit Kopf-Hals-Karzino-men getestet. Prinzipiell ist dies nicht un-problematisch, da es sich um orale Medi-kamente handelt und Patienten mit Kopf-Hals-Karzinom im Gegensatz zu anderen Patienten orale Medikamente schlecht einnehmen können und die Pharmakoki-netik bei Gabe über Sondenernährung va-riabel bzw. unklar ist.

Die EGFR-Tyrosinkinaseinhibitoren der ersten Generation (Gefitimib, [12]; Erlotinib, [13]) haben in klinischen Stu-dien geringere Aktivität als Certuximab gezeigt, so dass diese nicht weiter verfolgt wurden. EGFR-Tyrosinkinaseinhibitoren der zweiten Generation, die irreversibel

oder auch andere Mitglieder der EGFR-Familie blockieren, sind bislang nur in kleineren Studien getestet worden. Hier sind insbesondere Lapatinib (Blockade von Her1 und Her2, [14]), AZD8931 (Blo-ckade von Her1, 2 und 3, [15]) und Afati-nib und Dacomitinib (Blockade von Her1, 2 und 4, [16, 17]) zu nennen. Zwei rando-misierte Phase-II-Studien zu Afatinib sind noch in Rekrutierung.

Grundsätzlich wird es bei der weiteren Entwicklung dieser Medikamente wich-tig sein, die Behandlung besonders bei je-nen Patienten zu untersuchen, bei denen die Resistenz gegenüber Cetuximab durch Rekrutierung anderer Rezeptoren der EG-FR-Familie und Nutzung alternativer Si-gnalübertragungen durch Bildung von he-terodimeren Rezeptorkomplexen vermit-telt ist. Die Entwicklung dieser Zweitge-neration von EGFR-Tyrosinkinaseinhibi-toren in derart molekular definierten Pa-tientengruppen könnte erfolgreicher sein als eine ungezielte weitere Anwendung.

mTOR-Inhibitoren

Die Signaltransfunktionskaskade mehre-rer proliferationsstimulierender Signal-wege verlaufe teilweise über den mTOR-Komplex. Daher werden mTOR-Inhibito-ren auf ihre klinische Aktivität untersucht, hier bislang nur Temsirolimus und Ever-olimus. Präklinische Modelle haben prin-zipielle Aktivität der mTOR-Inhibitoren gezeigt. Für Temsirolimus [18] wurde eine Phase-II-Studie bei auf andere Behand-lungsformen refraktären Tumoren durch-geführt. In dieser Situation sind objekti-ve Remissionen nicht zu erwarten gewe-sen, jedoch hat sich eine prinzipielle Akti-vität von Temsirolimus durch eine Stabili-

Tab. 1  Prinzipien der EGFR-Hemmung

  Zielstruktur Beispiele

Anti-körper

EGFR (= Her1) Cetuximab

Panitumomab

Zaletumumab

Nimotuzumab

EGFR-Variante III ABT-806

2 Epitope von EGFR

SYM004

EGFR + ADCC CetuGEX

EGFR + Her3 MEHD7945A

Kinase-inhibi-toren

EGFR (= Her1) Gefitinib

Erlotinib

EGFR + Her2 Lapatinib

EGFR + Her2+ Her3

AZD8931

EGFR + Her2+ Her4

Afatinib

Dacomitinib

Tab. 2  Charakteristika der EGFR-Antikörper

Name Zielstruktur   Klasse ADCC

Cetuximab EGFR Chimär IgG1 +

Panitumumab EGFR Human IgG2 −

Zalutumumab EGFR Human IgG1 +

Nimotuzumab EGFR Humanisiert IgG1 +

ABT-806 EGFR Humanisiert IgG1 +

CetuGEX EGFR Chimär IgG1, Fc-Teil spezifisch glykolysiert

+++

Sym004 2 Epitope des EGFR      

MEHD7945A EGFR + Her3   IgG1 +

Ertumaxomab Her2+ CD3     +++

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Leitthema

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sierungsrate von 40% gezeigt, so dass diese Substanz weiter entwickelt werden sollte. Für Everolimus [19, 20] liegen zwei Studien in Kombination mit zytotoxischer Chemo-therapie in der Induktionsphase bei nicht-vorbehandelten Patienten vor. In beiden Studien wurden durch diese Kombination überraschend hohe Ansprechraten von über 70% beobachtet, was die prinzipiel-le Wirksamkeit der mTOR-Inhibition bei Plattenepithelkarzinomen nachdrücklich unterstreicht und Anlass für jetzt folgen-de randomisierte Studien ist. Eine Basis für eine molekulare Selektion von Patienten für die mTOR-Inhibition ist derzeit nicht gegeben, da die Mechanismen der Akti-vierung des mTOR-Signalwegs neben der direkten Signalübertragung über EGF-Re-zeptoren auch andere molekulare Partner umfassen können, die beim Kopf-Hals-Karzinom eine Rolle spielen, jedes für sich aber selten sind. Hierzu gehören die Dys-funktion von PTEN sowie aktivierende Mutationen von RAS und RAF.

Andere therapeutische Ziele

Eine Vielzahl anderer therapeutischer Ziele wird von unterschiedlichen Substan-zen adressiert. Diese sind in einer kürzlich erschienenen Übersichtsarbeit zusam-mengefasst [20], aber alle entweder noch nicht so weit in der Entwicklung, dass eine erste Bewertung erfolgen kann, oder mit bislang nur unzureichender Aktivität. Ins-gesamt ist aber wichtig, dass die Entwick-lung neuer Substanzen zur Behandlung des Plattenepithelkarzinoms seit 3–4 Jah-ren in einer sehr großen Breite vorange-trieben wird. In Verbindung mit mole-kularer Charakterisierung ist zu hoffen, in absehbarer Zukunft eine Vielzahl neu-er Ansätze zur Behandlung unserer Pati-enten zur Verfügung zu haben.

Fazit für die Praxis

F  Die Entwicklung neuer Medikamen-te für die Behandlung der Plattenepi-thelkarzinome ist im Vergleich zu an-deren Tumoren dadurch erschwert, dass häufige medikamentös angeh-bare Treibermutationen bislang bei dieser Tumorentität nicht identifiziert wurden. Die Entwicklung verfolgt mehrere Richtungen.

F  Da eine ausgeprägte „pathway ad-diction“ für den EGFR-Signalweg be-steht, werden zusätzlich zu dem zuge-lassenen Cetuximab zahlreiche weite-re Inhibitoren der EGFR-Familie in kli-nischen Studien getestet. Diese Tes-

tungen verfolgen entweder das Ziel, die Wirksamkeit gegenüber Cetuxi-mab zu verbessern oder spezifisch se-kundäre Resistenzmechanismen zu adressieren.

Zusammenfassung · Abstract

Onkologe 2014 · 20:159–162   DOI 10.1007/s00761-013-2589-7© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

U. Keilholz

Neue Medikamente für die Behandlung der Kopf-Hals-Karzinome

ZusammenfassungHintergrund.  Ein Schub in der Entwicklung neuer Ansätze zur medikamentösen Therapie der Plattenepithelkarzinome der Kopf-Hals-Region (SCCHN) hat sich in den letzten Jah-ren auf der Basis eines erheblich tieferen Ver-ständnisses der Tumorbiologie ergeben, wäh-rend die medikamentöse Behandlung der anderen histologischen Subtypen nach wie vor schwierig bleibt. Dieser Beitrag fasst neu-er medikamentöse Ansätze, die in klinischer Evaluation sind, zusammen.Material und Methodik.  Mittels systemati-scher Recherche in PubMed, ASCU und bei ESMO-Kongressen sowie in CLinTrials.gov wurden neue Ansätze zur medikamentösen Therapie des Plattenepithelkarzinoms iden-tifiziert und aufgenommen, wenn sie spe-zifisch für Kopf-Hals-Karzinome entwickelt werden und minimale Aktivität gezeigt wur-de.Ergebnisse.  Kernpunkt der zielgerichteten Behandlung des Plattenepithelkarzinoms ist eine Hemmung des EGF-Rezeptor-Signal-wegs („epidermal growth factor receptor“, 

EGFR) an unterschiedlichen Positionen mit einer Vielzahl von Substanzen. Hier sind Ver-besserungen im Vergleich zu Cetuximab und Ansätze bei sekundärer Cetuximab-Resistenz zentrale Themen. Darüber hinaus werden Be-handlungsprotokolle unter Einschluss einer Hemmung des mTOR-Komplexes („mammal-ian target of rapamycin“) entwickelt. Angio-geneseinhibition spielt eine sehr untergeord-nete Rolle. Viele weitere medikamentöse An-sätze werden verfolgt, sind aber in ihrer ini-tialen Aktivität noch nicht beurteilbar.Schlussfolgerung.  Eine Vielzahl hoffnungs-voller Ansätze ist in der frühen klinischen Ent-wicklung und wird in Zukunft in multimodale Behandlungsprotokolle Eingang finden.

SchlüsselwörterKopf-Hals-Neoplasie ·  Plattenepithelkarzinom ·  Epidermaler Wachstumsfaktorrezeptor · Ziel des Rapamycins im Säugetier · mTOR-Protein

New medicinal drugs for treatment of head and neck cancer

AbstractContext.  The development of new ap-proaches for the medicinal treatment of squamous cell carcinoma of the head and neck (SCCHN) has been supported by pro-found gains in understanding the tumor biol-ogy of this disease, whereas medicinal treat-ment of other histological subtypes remains difficult. This paper summarizes novel drug treatment approaches currently in clinical evaluation.Material and methods.  A systematic search in PubMed, ASCO and ESMO congress pro-ceedings and ClinTrials.gov database was performed to identify approaches of medic-inal treatment. Approaches were selected if specifically developed for SCCHN with dem-onstration of at least minimal activity.Results.  The cornerstone of targeted thera-py of SCCHN remains blockade of the epider-mal growth factor receptor (EGFR) pathway at various positions with a number of com-

pounds. In this respect improvement com-pared to cetuximab and approaches for sec-ondary cetuximab resistance are the key ar-eas of development. Treatment protocols in-cluding blockade of the mammalian target of rapamycin (mTOR) pathway are also being pursued. Inhibition of angiogenesis has low importance. Numerous other approaches are being tested but cannot be judged for initial efficacy at this time.Conclusion.  A large number of novel ap-proaches are in early clinical development and will become integrated into multimodal treatment protocols in the coming years.

KeywordsHead and neck neoplasms · Squamous cell carcinoma · Epidermal growth factor  receptor · Mammalian target of rapamycin · mTOR protein

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F  Darüber hinaus werden mit ersten re-levanten Erfolgen weitere Inhibitoren zellulärer Signalwege untersucht, ins-besondere mTOR-Inhibitoren.

F  Angiogeneseinhibitoren haben bei diesen Tumoren eine untergeordnete Rolle.

F  Insgesamt wird es in Zukunft wichtig sein, die Studien mit neuen medika-mentösen Ansätzen in Patienten mit molekular definierten Subgruppen der Karzinome durchzuführen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. U. KeilholzMedizinische Klinik mit Schwerpunkt  Hämatologie, Onkologie und  Tumorimmunologie, Charité Comprehensive Cancer Center, Charité Universitätsmedizin  Berlin, Campus Benjamin FranklinCharitéplatz 1, 11017 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  U. Keilholz gibt an, dass kein In-teressenkonflikt besteht. 

Literatur

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  4.  Vermorken JB, Mesia R, Rivera F et al (2008) Plati-num-based chemotherapy plus cetuximab in head and neck cancer. N Engl J Med 359:1116–1127

  5.  Vermorken JB, Stöhlmacher-Williams J, Davidenko I et al (2013) Cisplatin and fluorouracil with or wit-hout panitumumab in patients with recurrent or metastatic squamous-cell carcinoma of the head and neck (SPECTRUM): an open-label phase 3 ran-domised trial. Lancet Oncol 14:697–710

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10.  Fiedler W, Sessa C, Gianni L et al (2013) First-in-hu-man phase I study of CetuGEX, a novel anti-EGFR monoclonal antibody (mAb) with optimized glyco-sylation and antibody dependent cellular cytotoxi-city. J Clin Oncol 31 (abstr 3008)

11.  Schaefer G, Haber L, Crocker LM et al (2011) A two-in-one antibody against HER3 and EGFR has super-ior inhibitory activity compared with monospecific antibodies. Cancer Cell 20:472–486

12.  Argiris A, Ghebremichael M, Gilbert J et al (2013) A phase III randomized, placebo-controlled tri-al of docetaxel with or without gefitinib in recur-rent or metastatic head and neck cancer: an eas-tern cooperative oncology group trial. J Clin Oncol 31:1405–1414

13.  Soulieres D, Senzer NN, Vokes EE et al (2004) Multi-center phase II study of erlotinib, an oral epidermal growth factor receptor tyrosine kinase inhibitor, in patients with recurrent or metastatic squamous cell cancer of the head and neck. J Clin Oncol 22:77–85

14.  Del Campo JM, Hitt R, Sebastian P et al (2011) Ef-fects of lapatinib monotherapy: results of a rando-mised phase II study in therapy-naive patients with locally advanced squamous cell carcinoma of the head and neck. Br J Cancer 105:618–627

15.  Tjulandin S, Moiseyenko V, Semiglazov V et al (2013) Phase I, dose-finding study of AZD8931, an inhibitor of EGFR (erbB1), HER2 (erbB2) and HER3 (erbB3) signaling, in patients with advanced solid tumors. Invest New Drugs (ahead of print)

16.  Seiwert TY, Fayette J, Cupissol D et al (2012) A ran-domized, open-label, phase II study of Afatinib ver-sus Cetuximab in recurrent/metastatic head and neck squamous cell carcinoma (HNSCC). Ann Oncol 23:xi35–xi36

17.  Abdul Razak AR, Soulières D, Laurie SA et al (2013) A phase II trial of dacomitinib, an oral pan-human EGF receptor (HER) inhibitor, as first-line treatment in recurrent and/or metastatic squamous-cell carci-noma of the head and neck. Ann Oncol 24:761–769

18.  Grünwald V, Keilholz U, Boehm A et al (2012) Tem-sirolimus is active in refractory squamous cell carci-noma of the Head and Neck (SCCHN) failing plati-num-based chemotherapy and cetuximab: efficacy and toxicity data from the phase II TEMHEAD study. ESMO 2012 (abstr 1139)

19.  Raymond E, LeTourneau C, Gatineau M et al (2013) CAPRA: Safety, efficacy, and translational biomar-kers of weekly everolimus, carboplatin, and paclita-xel as induction therapy for locally advanced head and neck squamous cell carcinoma (HNSCC). J Clin Oncol 31 (abstr 6036)

20.   Schmitz S, Ang KK, Vermorken J et al (2014) Targe-ted therapies for squamous cell carcinoma of the head and neck: current knowledge and future di-rections. Cancer Treat Rev 40:390–404

D �Das�kardiorenale�Syndrom�verstehen�und�behandeln.�Wenn�Herz�und�Nieren�versagen�aus�CME�4/2013

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162 |  Der Onkologe 2 · 2014

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