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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253 Entnommen aus der NWB Datenbank 1 Neue Entwicklungen im steuerlichen Reisekostenrecht Erste Tätigkeitsstätte, Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwand und Übernachtungskosten – aktuelle Rechtsentwicklung zu Einzelfragen Michael Seifert 1 Nachrichten zum Thema Bereits seit dem 2 Veranlagungszeitraum 2014 kommt das „neue“ steuerliche Reisekostenrecht zur Anwendung. Mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. 2. 2013 (BGBl 2013 I S. 285 ) hat der Gesetzgeber die vormaligen Bestimmungen zum steuerlichen Reisekostenrecht grundlegend umgestaltet. Gerade im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung oder bei Lohnsteuer-Außenprüfungen kommt es zu Diskussionen, ob Aufwendungen nach den Reisekostengrundsätzen berücksichtigt oder steuerfrei erstattet werden können. Im nachfolgenden Beitrag werden die aktuellen Entwicklungen dargestellt. Arbeitshilfen: Zum Thema sind in der NWB Datenbank (Login unter www.nwb.de ) u. a. aufrufbar: Übersicht: Hinweise für Arbeitgeber zur Reisekostenreform 2014 [RAAAE-39057] Rechner: Reisekosten-Abrechnung Inland – ab 2010 [RAAAB-14409] und Reisekosten-Abrechnung Ausland – ab 2010 [JAAAD-55617] Mandanten-Merkblatt: Reisekosten [PAAAE-29355] Grundlagen: Reisekosten [PAAAE-49479] Eine Kurzfassung dieses Beitrags finden Sie in NWB direkt 43/2016 S. 1172 . I. Erste Tätigkeitsstätte 1. Gesetzliche Bestimmung 3 Der Gesetzgeber bestimmt zur ersten Tätigkeitsstätte in § 9 Abs. 4 EStG Folgendes: „(4) 1 Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG ) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3254 - Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. 2 Die Zuordnung im Sinne des Satzes 1 wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. 3 Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll. 4 Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft 1 StB Michael Seifert war in der Finanzverwaltung NRW, der Steuerabteilung des DIHK und des VDMA beschäftigt. Seit 1998 ist er als Steuerberater in einer kooperierenden Einzelkanzlei tätig. 2 Schramm/ Harder-Buschner, NWB 1-2/2014 S. 26; dies., NWB 4/2014 S. 175 ; dies., NWB 5/2014 S. 256 3 Gesetzliche Vorschrift in § 9 Abs. 4 EStG

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 1

Neue Entwicklungen im steuerlichen Reisekostenrecht

Erste Tätigkeitsstätte, Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwand und Übernachtungskosten – aktuelle

Rechtsentwicklung zu Einzelfragen

Michael Seifert 1

Nachrichten zum Thema

Bereits seit dem 2Veranlagungszeitraum 2014 kommt das „neue“ steuerliche Reisekostenrecht zur Anwendung. Mit

dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen

Reisekostenrechts vom 20. 2. 2013 (BGBl 2013 I S. 285 ) hat der Gesetzgeber die vormaligen Bestimmungen zum

steuerlichen Reisekostenrecht grundlegend umgestaltet. Gerade im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung

oder bei Lohnsteuer-Außenprüfungen kommt es zu Diskussionen, ob Aufwendungen nach den

Reisekostengrundsätzen berücksichtigt oder steuerfrei erstattet werden können. Im nachfolgenden Beitrag werden

die aktuellen Entwicklungen dargestellt.

Arbeitshilfen:

Zum Thema sind in der NWB Datenbank (Login unter www.nwb.de ) u. a. aufrufbar:

• Übersicht: Hinweise für Arbeitgeber zur Reisekostenreform 2014 [RAAAE-39057]

• Rechner: Reisekosten-Abrechnung Inland – ab 2010 [RAAAB-14409] und Reisekosten-Abrechnung Ausland – ab

2010 [JAAAD-55617]

• Mandanten-Merkblatt: Reisekosten [PAAAE-29355]

• Grundlagen: Reisekosten [PAAAE-49479]

Eine Kurzfassung dieses Beitrags finden Sie in NWB direkt 43/2016 S. 1172 .

I. Erste Tätigkeitsstätte

1. Gesetzliche Bestimmung

3Der Gesetzgeber bestimmt zur ersten Tätigkeitsstätte in § 9 Abs. 4 EStG Folgendes:

„(4) 1Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen

Unternehmens (§ 15 AktG ) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3254 -

Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. 2Die Zuordnung im Sinne des Satzes 1 wird durch die dienst-

oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. 3Von einer

dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des

Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden

soll. 4Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig,

ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft

1StB Michael Seifert war in der Finanzverwaltung NRW, der Steuerabteilung des DIHK und des VDMA beschäftigt.

Seit 1998 ist er als Steuerberater in einer kooperierenden Einzelkanzlei tätig. 2Schramm/ Harder-Buschner, NWB 1-2/2014 S. 26; dies., NWB 4/2014 S. 175 ; dies., NWB 5/2014 S. 256

3Gesetzliche Vorschrift in § 9 Abs. 4 EStG

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 2

1. typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder

2. je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit

tätig werden soll.

5Je Dienstverhältnis hat der Arbeitnehmer höchstens eine erste Tätigkeitsstätte. 6Liegen die Voraussetzungen der

Sätze 1 bis 4 für mehrere Tätigkeitsstätten vor, ist diejenige Tätigkeitsstätte erste Tätigkeitsstätte, die der Arbeitgeber

bestimmt. 7Fehlt es an dieser Bestimmung oder ist sie nicht eindeutig, ist die der Wohnung örtlich am nächsten

liegende Tätigkeitsstätte die erste Tätigkeitsstätte. 8Als erste Tätigkeitsstätte gilt auch eine Bildungseinrichtung, die

außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme

aufgesucht wird; die Regelungen für Arbeitnehmer nach Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und 5 sowie Abs. 4a sind entsprechend

anzuwenden.“

2. Prüfschema

4

Abb. 1: Abrechnung nach

Reisekostengrundsätzen bzw. Entfernungspauschale

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3255 -

4Zu Problemfeldern der ersten Tätigkeitsstätte s. Hermes, NWB 27/2016 S. 2022

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 3

Abb. 2: Bestimmung der ersten

Tätigkeitsstätte

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 4

Abb. 3: Erste Tätigkeitsstätte bei

fehlender Zuordnungsentscheidung

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3256 -

3. Aktuelle Einzelfragen zur ersten Tätigkeitsstätte

a) Dauerhafter Einsatz

5Der BFH hatte zu klären, ob ein Mitarbeiter während der Probezeit oder bei einer befristeten Beschäftigung einen

Werbungskostenabzug nach Reisekostengrundsätzen vornehmen kann, selbst wenn der Arbeitnehmer der

betrieblichen Einrichtung ohne zeitliche Beschränkung zugeordnet ist. Mit Beschluss vom 10. 12. 2015 - VI R 7/15

[CAAAF-49304] und vom 16. 12. 2015 - VI R 6/15 [SAAAF-49303] (s. auch BFH-Urteil vom 7. 5. 2015 - VI R 54/14

[QAAAF-01945] ) hat der BFH eine Abrechnung nach Reisekostengrundsätzen abgelehnt. Denn der Arbeitnehmer hat

die betriebliche Einrichtung für die Dauer des Dienstverhältnisses, also dauerhaft aufgesucht. Der Umstand, dass die

Tätigkeit zeitlich befristet auszuüben und zudem mit einer Probezeit belegt war, steht dem nicht entgegen.

Praxishinweis

6Die o. g. BFH-Entscheidungen sind zwar zu der bis 2013 geltenden Rechtslage ergangen. Die Urteilsgrundsätze

können aber auch auf die ab dem Veranlagungszeitraum 2014 zur Anwendung kommende Rechtslage übertragen

werden.

5Probezeit bzw. befristetes Beschäftigungsverhältnis

6Befristetes Dienstverhältnis ≠ vorübergehender Einsatz

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 5

D. h. allein aufgrund eines befristeten Dienstverhältnisses kann nicht von einem vorübergehenden Einsatz

ausgegangen werden. Entsprechendes gilt für die Probezeit. Von einer dauerhaften Zuordnung i. S. des § 9 Abs. 4

Satz 3 EStG ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet oder für die gesamte Dauer des – befristeten oder

unbefristeten – Dienstverhältnisses an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung tätig werden soll oder die Tätigkeit

über einen Zeitraum von 48 Monaten hinausgehen soll. Eine Zuordnung „bis auf Weiteres“ ist eine Zuordnung ohne

Befristung und folglich dauerhaft (Geserich, HFR 2016 S. 446) .

b) Zuordnungsentscheidung

aa) Ausbildung im dualen System

Die OFD Niedersachsen hat mit Verfügung vom 2. 8. 2016 [YAAAF-80554] zu Fahrten zwischen Wohnung und

Ausbildungsstätte bei Ausbildungen im dualen System Stellung bezogen. Danach werden Beamtenanwärter durch ihre

Einstellungsverfügung einem Ausbildungsfinanzamt zugewiesen. Diese Zuordnung umfasst die gesamte Ausbildung

und somit den gesamten Zeitraum eines Dienstverhältnisses, es handelt sich somit um eine dauerhafte Zuordnung.

Praxishinweis Da am 7Ausbildungsfinanzamt eine erste Tätigkeitsstätte aufgrund einer dauerhaften Zuordnung begründet wird,

können die Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und dem Ausbildungsfinanzamt grundsätzlich nur mit der

Entfernungspauschale gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als Werbungskosten in Ansatz gebracht werden.

8Werden die Anwärter von ihrer ersten Tätigkeitsstätte (Ausbildungsfinanzamt) vorübergehend an ein anderes

Finanzamt abgeordnet (z. B. Ausbildung im Bereich der „Kasse“ oder zur Ausbildung in einem

Betriebsprüfungsfinanzamt), handelt es sich insoweit um eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit. Hierfür können

Reisekosten nach den allgemeinen Grundsätzen in Ansatz gebracht werden.

Auch bei den 9Fahrten zwischen Wohnung und Unterrichtsfinanzamt im Rahmen der

Ausbildungsarbeitsgemeinschaften handelt es sich um beruflich veranlasste Auswärtstätigkeiten. Auch hierfür können

Reisekosten nach den allgemeinen Grundsätzen in Ansatz gebracht werden.

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3257 -

Werden die Anwärter von ihrer ersten Tätigkeitsstätte für die Teilnahme an Lehrgängen vorübergehend an die

Steuerakademie Niedersachsen abgeordnet, handelt es sich insoweit ebenso um eine beruflich veranlasste

Auswärtstätigkeit. Die Anwärter können für den Zeitraum der Abordnung Reisekosten gem. R 9.4 LStR geltend

machen.

Praxishinweis Verpflegungsaufwendungen sind auf die ersten drei Monate beschränkt (§ 9 Abs. 4a Satz 7 EStG ). Zu beachten ist

aber, dass die Dreimonatsfrist bei einer Unterbrechung von mehr als vier Wochen neu beginnt. Dies ist gerade auch für

den Lehrgangszeitraum zu beachten.

Die Grundsätze der Verfügung der OFD Niedersachsen sind über die Beamtenanwärter-Fälle hinaus auch in

vergleichbaren Sachverhalten anzuwenden. Wird beispielsweise ein Lehrer zeitlich befristet (nicht mehr als 48

Monate) an einer anderen Schule eingesetzt, liegen auch insoweit die Voraussetzungen für einen Reisekostenansatz

vor.

bb) Fliegendes Personal

7Ausbildungsfinanzamt

8Anderes Finanzamt

9Unterrichtsfinanzamt

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 6

10Die Finanzverwaltung hat sich zur Zuordnungsentscheidung bei fliegendem Personal (z. B. Piloten und

Flugbegleitern) detaillierter als bisher geäußert (BayLfSt, Verfügung vom 15. 2. 2016 [XAAAF-69032] ). Danach kann in

folgenden Fällen auch am Stammflughafen eine dauerhafte Zuordnung vorliegen:

• Dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung durch den Arbeitgeber zu einem Stammflughafen (z. B. ausdrückliche

dauerhafte Zuordnung zum Stammflughafen z. B. München – Stammflughafenzuordnung).

• Der Arbeitnehmer wird als Flugzeugführer für das Flugzeugmuster ABC 123 mit dem Beschäftigungsort z. B.

München eingestellt (Beschäftigungsortbestimmung).

• Der Arbeitnehmer wird als Flugzeugführer bei der Flotte MUC xx/xx in z. B. München beschäftigt

(Flottenzuordnung). Der Arbeitnehmer kann jederzeit auf anderen Flugmustern, an anderen Orten sowie bei

anderen Konzerngesellschaften eingesetzt werden.

Es handelt sich jedoch um keine Zuordnung (§ 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG ), wenn der Arbeitgeber schriftlich

gegenüber dem Arbeitnehmer oder in der Reiserichtlinie des Unternehmens erklärt, dass dadurch keine

arbeitsrechtliche Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte erfolgen soll. Eine solche schriftliche Erklärung ist

insbesondere dann anzuraten, wenn der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum hinweg – wenn auch nur

zeitweise – die betriebliche Einrichtung aufsucht. So hat das FG Berlin-Brandenburg (zur alten Rechtslage)

entschieden, eine regelmäßige Arbeitsstätte liege vor, wenn der Mitarbeiter das Stammhaus über einen Zeitraum von

mehr als 15 Jahren kontinuierlich und regelmäßig aufgesucht hat, um die im Auftrag seiner Arbeitgeberin zu

steuernden Kfz oder Lkw zu übernehmen oder abzuliefern (Urteil vom 9. 10. 2015 - 9 K 9101/12 [EAAAF-74811] , Rev.

eingelegt, Az. beim 11BFH: VI R 10/16). Die Entscheidung in diesem Musterverfahren dürfte auch für die neuen

Reisekostenregelungen bedeutsam sein.

Praxishinweis

Um keine ungewollte erste Tätigkeitsstätte auszulösen, sollte bestimmt werden, dass der Übernahmeort keine erste

Tätigkeitsstätte im Sinne des Reisekostenrechts auslösen soll. Bei Erstellung der Einkommensteuererklärung muss die

jeweilige Vereinbarung geprüft werden.

Sind dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegungen nicht vorhanden oder sind die getroffenen Festlegungen nicht

eindeutig, werden für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte hilfsweise die quantitativen (zeitlichen) Kriterien

herangezogen (§ 9 Abs. 4 Satz 4 EStG ; BayLfSt, Verfügung vom 15. 2. 2016 [XAAAF-69032] ). Es ist davon auszugehen,

dass die zeitlichen Kriterien in der Regel nicht erfüllt werden, weil von dem

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3258 -

fliegenden Personal dort nicht die eigentliche berufliche Tätigkeit erbracht wird (BMF, Schreiben vom 24. 10. 2014 ,

BStBl 2014 I S. 1412 , Rn. 26). Sind jedoch die Voraussetzungen für einen Sammelpunkt erfüllt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a

Satz 3 EStG ; BayLfSt, Verfügung vom 15. 2. 2016 [XAAAF-69032] ), können die Fahrtkosten nur nach der

Entfernungspauschale angesetzt werden.

4. Sonderregelung für Fahrten zu einem Sammelpunkt oder zu einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet

a) Gesetzeswortlaut

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 und 4 EStG enthält mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 eine

Sonderregelung für Fahrten zu einem Sammelpunkt und zu einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet. Danach gilt

Folgendes:

„ 3Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4) und hat er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen

Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit

10

Dauerhafte Zuordnung bei fliegendem Personal 11

Mustereinspruch [PAAAF-76945]

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 7

dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen, gilt

[§ 9] Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 [EStG = Entfernungspauschale] für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort oder

dem zur Wohnung nächstgelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet entsprechend. 4Für die Fahrten innerhalb des

weiträumigen Tätigkeitsgebiets gelten die (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a) Sätze 1 und 2 entsprechend [= Reisekosten].“

b) Sammelpunktfahrten

Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4 EStG ) und hat er nach den dienst- oder

arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner

beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen, sind die Fahrten von der

Wohnung zum Sammelpunkt nach den Grundsätzen der Entfernungspauschale in Ansatz zu bringen (§ 9 Abs. 1 Satz 3

Nr. 4a Satz 3 EStG ).

Für die Sammelpunktfahrten ist eine Prognose für das „typischerweise arbeitstägliche“ Aufsuchen des vom

Arbeitgeber bestimmten Orts anzustellen. Weichen die tatsächlichen Verhältnisse davon aus unvorhersehbaren

Gründen ab, bleibt es dennoch bei Fahrten zum Sammelpunkt.

Praxishinweis

12Diese Sonderregelung gilt nur für die Abrechnung von Fahrtkosten. Auf die Berücksichtigung von

Mehraufwendungen für Verpflegung oder Übernachtungskosten als Werbungskosten hat diese Festlegung

„Sammelpunkt“ keinen Einfluss.

Als ein vom Arbeitgeber bestimmter „Sammelpunkt“ kommen z. B. der Betrieb selbst, der Treffpunkt für einen

betrieblichen Sammeltransport, ein Busdepot, ein Fährhafen, der Liegeplatz eines Schiffs oder ein Flughafen in

Betracht.

Beispiel 1

Der Arbeitgeber hat bestimmt, dass der Arbeitnehmer sich dauerhaft, typischerweise arbeitstäglich am Wohnsitz des

Kollegen in Augsburg einfinden soll, um von dort mit diesem gemeinsam die unterschiedlichen eigentlichen

Einsatzorte aufzusuchen.

13Es handelt sich beim Wohnsitz des Kollegen um einen Arbeitgeber-Sammelpunkt mit der Folge, dass der

Arbeitnehmer bei Benutzung seines Pkw für die Fahrten von seiner Wohnung zum Wohnsitz des Kollegen nur die

Entfernungspauschale als Werbungskosten ansetzen kann (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG ). Für die Fahrten vom

Wohnsitz

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3259 -

des Kollegen zu den unterschiedlichen Einsatzorten können die Fahrtkosten nach den Grundsätzen des

Reisekostenrechts abgerechnet werden.

Beispiel 1 – Abwandlung

Der Arbeitgeber hat bestimmt, dass die Mitarbeiter die unterschiedlichen Einsatzorte, die keine erste Tätigkeitsstätte

begründen, gemeinsam aufzusuchen haben. Den genauen Treffpunkt, von dem die gemeinsame Weiterfahrt startet,

bestimmt der Arbeitgeber nicht.

14Es handelt sich beim „Treffpunkt“ nicht um einen Arbeitgeber-Sammelpunkt (i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3

EStG ) mit der Folge, dass die Fahrt von der Wohnung zu dem jeweiligen Treffpunkt nach den Reisekostengrundsätzen

abgerechnet werden kann.

12

Sonderregelung gilt nur für Fahrtkosten 13

Arbeitgeber-Sammelpunkt: Entfernungspauschale 14

Kein Arbeitgeber-Sammelpunkt: Abrechnung nach Reisekostengrundsätzen

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 8

Mit rechtskräftigem Urteil vom 13. 5. 2016 - 4 K 1536/15 [PAAAF-78484] hat sich das FG Nürnberg erstmals zur ab

2014 zur Anwendung kommenden neuen Rechtslage bei Sammelpunktfahrten geäußert. Im Urteilsfall war der Kläger

als Lkw-Fahrer zum Transport von Schüttgütern tätig. Den leeren Lkw holte er auf Weisung des Arbeitgebers

arbeitstäglich am selben Betriebsstandort seines jeweiligen Arbeitgebers ab, um zu entsprechenden Ladestationen zu

fahren und die Ladung zum Abladeort (z. B. Baustelle) zu transportieren. Entsprechend der Auffassung der

Finanzverwaltung wurden die Fahrtkosten nur in Höhe der Entfernungspauschale zugelassen.

Beispiel 2

15Lkw-Fahrer B soll laut Arbeitsvertrag den leeren Lkw arbeitstäglich am selben Betriebsstandort in Köln abholen.

Eine Zuordnung zum Betriebssitz Köln liegt vor.

Der Betriebssitz in Köln ist durch die Zuordnung des Arbeitgebers die erste Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4 Satz 1 i. V. mit

Satz 2 EStG), so dass B die Fahrten von der Wohnung zum Betriebsstandort in Köln nur in Höhe der

Entfernungspauschale geltend machen kann.

Praxishinweis

16Sofern der Arbeitnehmer in einer vom Arbeitgeber festgelegten Tätigkeitsstätte zumindest in ganz geringem Umfang

tätig werden soll, z. B. Hilfs- und Nebentätigkeiten (wozu auch das Übernehmen des Lkw zählt), kann der Arbeitgeber

den Arbeitnehmer zu dieser Tätigkeitsstätte zuordnen. Auf die Qualität des Tätigwerdens kommt es nicht an (s. auch FG

Nürnberg, Urteil vom 13. 5. 2016 - 4 K 1536/15 [PAAAF-78484] ).

Beispiel 2 – Abwandlung 1

Wie Beispiel 2, allerdings wird B nicht dem Betriebsstandort in Köln zugeordnet.

Es liegt mangels Zuordnung keine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 Satz 1 i. V. mit Satz 2 EStG vor. Es liegt auch

keine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG vor. Zwar sucht B arbeitstäglich denselben Betriebsstandort in

Köln auf. Da B dort aber keine Haupttätigkeit erbringt, sondern nur den Lkw übernimmt, liegt keine „Tätigkeit“ i. S. des

§ 9 Abs. 4 Satz 4 EStG vor.

Trotz fehlender erster Tätigkeitsstätte können die Fahrtkosten nur nach der Entfernungspauschale abgesetzt werden.

B soll (= Prognoseentscheidung) nämlich nach der Anweisung des Arbeitgebers den leeren Lkw typischerweise

arbeitstäglich von seinem Standort in Köln abholen, um von dort aus die berufliche Tätigkeit auszuüben.

Beispiel 2 – Abwandlung 2

B ist als Lkw-Fahrer auf Langstrecken eingesetzt und holt den Lkw jeweils montags ab und stellt diesen jeweils

mittwochs auf dem Betriebsgelände ab. Donnerstags und freitags holt er den Lkw jeweils morgens auf dem

Betriebsgelände in Hannover ab. Die Fahrten zur Abholung des Lkw werden mit dem privaten Pkw durchgeführt. Eine

Zuordnung zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung liegt nicht vor.

Die Fahrtkosten zum Abholen des Lkw können nach Reisekostengrundsätzen geltend gemacht werden. Eine

Sammelpunktfahrt liegt nicht vor.

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3260 -

Praxishinweis

Ein zur Entfernungspauschale führender Sammelpunkt liegt jedoch nicht vor, wenn der Arbeitnehmer diesen Ort nicht

typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen hat. Dann können die Fahrtkosten nach den allgemeinen

reisekostenrechtlichen Regelungen angesetzt werden. Dies wird von den Mitarbeitern des Finanzamts trotz des

eindeutigen Gesetzeswortlauts oftmals verkannt.

15

Erste Tätigkeitsstätte eines Lkw-Fahrers 16

Erbringen von Hilfs- und Nebentätigkeiten

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 9

c) Fahrten zu einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet

aa) Begriff des weiträumigen Tätigkeitsgebiets

17Soll der Arbeitnehmer aufgrund der Weisungen des Arbeitgebers seine berufliche Tätigkeit typischerweise

arbeitstäglich in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet ausüben, finden für die Fahrten von der Wohnung zu diesem

Tätigkeitsgebiet nur die Grundsätze der Entfernungspauschale Anwendung. Ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet liegt in

Abgrenzung zur ersten Tätigkeitsstätte vor, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten

Fläche und nicht innerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen

Unternehmens (§ 15 AktG ) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten ausgeübt werden soll.

18In einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet werden in der Regel z. B. Zusteller, Hafenarbeiter und Forstarbeiter tätig.

Hingegen sind z. B. Bezirksleiter und Vertriebsmitarbeiter, die verschiedene Niederlassungen betreuen, oder mobile

Pflegekräfte, die verschiedene Personen in deren Wohnungen in einem festgelegten Gebiet betreuen, sowie

Schornsteinfeger von 19dieser Regelung nicht betroffen. So kann z. B. ein Postbote in dem Zustellbezirk ein

weiträumiges Tätigkeitsgebiet unterhalten, weil die Tätigkeit im Zustellbezirk nicht innerhalb von ortsfesten

Einrichtungen erbracht werden soll (BMF, Schreiben vom 24. 10. 2014 , BStBl 2014 I S. 1412 , Rn. 41). Demgegenüber

übt ein Schornsteinfeger seine Tätigkeit auch innerhalb der ortsfesten Einrichtungen aus, so dass das Kehrgebiet kein

weiträumiges Tätigkeitsgebiet sein kann.

20Wird das weiträumige Tätigkeitsgebiet immer von verschiedenen Zugängen aus betreten oder befahren, ist die

Entfernungspauschale aus Vereinfachungsgründen bei diesen Fahrten nur für die kürzeste Entfernung von der

Wohnung zum nächstgelegenen Zugang anzuwenden.

Für alle 21Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebiets sowie für die zusätzlichen Kilometer bei den Fahrten

von der Wohnung zu einem weiter entfernten Zugang können weiterhin die tatsächlichen Aufwendungen oder der

sich am Bundesreisekostengesetz orientierende maßgebliche pauschale Kilometersatz (= 0,30 €/km bei Benutzung

eines Kfz bzw. 0,20 €/km bei Benutzung anderer motorbetriebener Fahrzeuge) angesetzt werden.

bb) Hafenarbeiter

Gesamthafenarbeiter haben Arbeitsverträge mit dem Gesamthafenbetrieb Hamburg abgeschlossen. Der

Gesamthafenbetrieb vermittelt die Gesamthafenarbeiter nach Bedarf an die Hafeneinzelbetriebe, die über den

gesamten Bereich des Hamburger Hafens verteilt sind.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung sollen die Fahrten von der Wohnung zum nächstgelegenen Zugang zum

Hamburger Hafen nach der Entfernungspauschale und ab diesem Zugang zum jeweiligen Einsatzort nach

Reisekostenrecht anzusetzen sein. In einem beim FG Hamburg anhängigen Verfahren (Az. 2 K 218/15) wird begehrt,

die Fahrtkosten zum jeweiligen Einsatzort nach Reisekostengrundsätzen abzurechnen. Die

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3261 -

Finanzverwaltung lässt offensichtlich Einsprüche, die sich auf dieses Verfahren berufen, aus Zweckmäßigkeitsgründen

ruhen (§ 363 Abs. 2 Satz 1 AO ).

Beispiel 3

Der Hafenmitarbeiter A fährt an 150 Arbeitstagen mit dem Pkw von seiner Wohnung zu dem 15 km entfernten,

nächstgelegenen Zugang des von ihm täglich zu betreuenden Hafengebiets (weiträumiges Tätigkeitsgebiet). An 70

Arbeitstagen fährt A von seiner Wohnung über einen weiter entfernt gelegenen Zugang (20 km) in das Hafengebiet.

17

Grundsätze der Entfernungspauschale 18

Betroffene Personengruppen 19

Schmidt, NWB 24/2015 S. 1758 20

Entfernung zum nächstgelegenen Zugang 21

Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebiets

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 10

Die Fahrten von der Wohnung zu dem weiträumigen Tätigkeitsgebiet werden wie Fahrten von der Wohnung zu einer

ersten Tätigkeitsstätte behandelt. A kann somit für diese Fahrten lediglich die Entfernungspauschale in Höhe vom

0,30 € je Entfernungskilometer als Werbungskosten ansetzen.

Bei den Fahrten zu dem weiter entfernt gelegenen Zugang werden ebenfalls 15 km nur mit der Entfernungspauschale

berücksichtigt. Die jeweils zusätzlichen 5 km für den tatsächlich längeren Hin- und Rückweg werden ebenso wie die

Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebiets mit den tatsächlichen Kosten oder aus Vereinfachungsgründen

mit dem pauschalen Kilometersatz in Höhe vom 0,30 € je gefahrenem km berücksichtigt.

Somit sind für 220 Tage jeweils 15 km mit der Entfernungspauschale und die restlichen tatsächlich gefahrenen

Kilometer mit den tatsächlichen Kosten oder aus Vereinfachungsgründen mit dem pauschalen Kilometersatz in Höhe

von 0,30 € anzusetzen.

220 Arbeitstage x 0,30 € x 15 km = 990 € (Entfernungspauschale)

70 Arbeitstage x 0,30 € x 5 km x 2 = 210 € (Reisekosten)

Praxishinweis

22Auf die Berücksichtigung von Verpflegungspauschalen oder Übernachtungskosten als Werbungskosten hat diese

Festlegung des „Tätigwerdens in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet“ keinen Einfluss, da der Arbeitnehmer weiterhin

außerhalb einer ersten Tätigkeitsstätte – und damit auswärts – beruflich tätig wird.

Bei Geltendmachung von Mehraufwendungen für Verpflegung ist zudem zu beachten, dass die Dreimonatsfrist für

eine Tätigkeit in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet nicht gilt (BMF, Schreiben vom 24. 10. 2014 , BStBl 2014 I

S. 1412 , Rn. 56).

cc) Flughafenmitarbeiter

Die 23Finanzverwaltung hat sich einschränkend zum Begriff des weiträumigen Tätigkeitsgebiets bei

Flughafenmitarbeitern geäußert. Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte erfolgt auch bei Flughafenmitarbeitern

(Bodenpersonal) vorrangig nach der dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegung und hilfsweise nach den quantitativen

(zeitlichen) Kriterien. Wird der Arbeitnehmer dauerhaft an einem Ort im Flughafen tätig (z. B. Fluglotsen oder

Mitarbeiter von Geschäften, die sich innerhalb des Flughafens befinden), hat er dort seine erste Tätigkeitsstätte

(BayLfSt, Verfügung vom 15. 2. 2016 [XAAAF-69032] ).

Auch bei Arbeitnehmern, die ihre Tätigkeit an verschiedenen Orten innerhalb des Flughafens (z. B. Reinigungs- oder

Sicherheitskräfte im Innenbereich) oder im Außenbereich des Flughafens (z. B. Shuttleservice oder Sicherheitskräfte

im Außenbereich) ausüben, stellt bei einer dauerhaften Tätigkeit das Flughafenbetriebsgelände, als sog. Betriebs-

/Werksgelände, eine (weiträumige) erste Tätigkeitsstätte dar (BMF, Schreiben vom 24. 10. 2014 , BStBl 2014 I S. 1412 ,

Rn. 3).

Praxishinweis

Die Regelungen zum weiträumigen Tätigkeitsgebiet (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG und BayLfSt, Verfügung

vom 15. 2. 2016 [XAAAF-69032] ) sind nicht anzuwenden, sofern der Mitarbeiter eine erste Tätigkeitsstätte nach

Maßgabe von

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3262 -

§ 9 Abs. 4 EStG unterhält. Damit sind in diesen Fällen die Wege zur ersten Tätigkeitsstätte nach den Grundsätzen der

Entfernungspauschale zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ). Die Fahrten zum jeweils gewählten Zugang

zur ersten Tätigkeitsstätte sind je Entfernungskilometer mit 0,30 € anzusetzen (Ausnahme bei Menschen mit

Behinderung i. S. des § 9 Abs. 2 EStG ). Dies gilt nicht nur für die Fahrten zum nächstgelegenen Zugang zur ersten

Tätigkeitsstätte, sondern auch zu einem weiter entfernt liegenden Zugang. Nur wenn Fahrten innerhalb der ersten

Tätigkeitsstätte durchgeführt werden, dürften diese m. E. nach Reisekostengrundsätzen abrechenbar sein.

22

Keine Auswirkung auf Verpflegungspauschalen oder Übernachtungskosten 23

Erste Tätigkeitsstätte beim Bodenpersonal

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 11

24Durch das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte liegt selbst bei Tätigkeit innerhalb der weiträumigen ersten

Tätigkeitsstätte keine Auswärtstätigkeit vor; ein Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen entfällt.

Beispiel 4

Arbeitnehmer A ist unbefristet am Flughafen Berlin beschäftigt und diesem auch arbeitsrechtlich dauerhaft

zugeordnet. Der Arbeitnehmer ist als Sicherheitskraft im gesamten Außenbereich des Flughafens tätig.

A unterhält am Flughafen Berlin eine erste Tätigkeitsstätte, weil er dem Flughafen dauerhaft zugeordnet ist (§ 9

Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG ). Obwohl A seine Berufstätigkeit immer an verschiedenen Stellen im Außenbereich des

Flughafens ausübt, liegt keine Auswärtstätigkeit vor. Der Mitarbeiter A unterhält eine (weiträumige) erste

Tätigkeitsstätte am Berliner Flughafen (s. auch BFH-Urteil vom 29. 4. 2014 - VIII R 33/10 , BStBl 2014 II S. 777 ).

Fahrtkosten zum jeweiligen Zugang sind nach den Grundsätzen der Entfernungspauschale ansetzbar.

Mehraufwendungen für Verpflegung scheiden aus, da die Tätigkeit innerhalb der weiträumigen ersten Tätigkeitsstätte

erbracht wird.

Beispiel 4 – Abwandlung

Wie Beispiel 4, allerdings liegt keine Zuordnung zum Berliner Flughafen vor.

Es liegt mangels Zuordnung keine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG vor.

Es liegt keine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG vor, weil A seine vertraglich vereinbarte

Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfesten Einrichtung ausüben soll.

Die Fahrtkosten können nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG zum nächstgelegenen Zugang nur nach den

Grundsätzen der Entfernungspauschale angesetzt werden; zusätzliche Kilometer zu einem weiter entfernt liegenden

Zugang sind nach Reisekostengrundsätzen absetzbar.

Mehraufwendungen für Verpflegung können angesetzt werden; die Dreimonatsfrist gilt mangels Tätigkeit an einer

ortsfesten Einrichtung nicht (BMF, Schreiben vom 24. 10. 2014 , BStBl 2014 I S. 1412 , Rn. 56).

II. Fahrtkosten

1. Grundsätzliches

25Fahrtkosten im Rahmen der Auswärtstätigkeit können nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG mit

• den tatsächlichen Aufwendungen oder

• pauschalen Kilometersätzen

abgesetzt werden.

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3263 -

Praxishinweis

Besonderheiten gelten bei Sammelpunktfahrten und Fahrten zu einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet. In diesen Fällen

gelten nach Maßgabe von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG die Grundsätze zu den Entfernungspauschalen (s. oben

I, 4).

24

Kein Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen 25

Tatsächliche Aufwendungen oder pauschale Kilometersätze

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 12

2. Kosten für eine Monatskarte der öffentlichen Verkehrsmittel

26Fraglich ist, ob in den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer eine Monatskarte für die Nutzung öffentlicher

Verkehrsmittel privat anschafft und diese auch zu dienstlichen Zwecken einsetzt (z. B. zugunsten von

Auswärtstätigkeiten), ein Fahrtkostenabzug nach Reisekostengrundsätzen möglich ist.

Praxishinweis

Die Finanzverwaltung hat sich aktuell zur steuerfreien Erstattung des Arbeitgebers nach Reisekostengrundsätzen positiv

geäußert (SenFin Berlin, Verfügung vom 27. 6. 2016 [EAAAF-80552] ). M. E. sind die dort aufgestellten Grundsätze

gleichermaßen beim Werbungskostenabzug anzuwenden, weil die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 13 und Nr. 16 EStG nur

dann gewährt werden kann, wenn auch eine entsprechende Werbungskostenabzugsmöglichkeit besteht.

27Für die Bestimmung der steuerfreien Erstattungshöhe bzw. des Werbungskostenabzugs ist ein monatlicher

Nachweis der beruflich veranlassten Fahrten erforderlich. Folgende Ermittlungsweisen sind möglich:

• Quotale Aufteilung nach der Nutzung zu dienstlichen Zwecken im Verhältnis zur Gesamtnutzung oder

• Zugrundelegung der ersparten Kosten für die Einzelfahrscheine im Zeitraum der Gültigkeit des Fahrtickets.

Hierbei ist die steuerfreie Fahrtkostenerstattung beschränkt auf die tatsächlichen Kosten für die vom

Mitarbeiter erworbene Monatskarte.

Für den Arbeitnehmer besteht demgemäß die Möglichkeit, die selbst erworbene Fahrkarte vollumfänglich als

Werbungskosten geltend zu machen, sofern die für Auswärtstätigkeiten ersparten Einzelfahrkarten den Gesamtpreis

erreichen oder übersteigen. Eine Nutzung der Monatskarte auch für die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte und/oder

für Privatfahrten ist unschädlich. Es bedarf der Dokumentation der jeweiligen Auswärtstätigkeitsstrecke und der

ansonsten angefallenen Aufwendungen.

28Offensichtlich will die Finanzverwaltung eine Vereinfachungsregelung, wie beispielsweise bei der Ermittlung nach R

3.50 Abs. 2 Satz 5 LStR 2015 beim pauschalen Auslagenersatz, nicht anwenden. Auch soll es offensichtlich nicht auf

eine Prognoseentscheidung für die Nutzung der Fahrkarte ankommen. Heranzuziehen sind vielmehr die tatsächlichen

Verhältnisse im jeweiligen Gültigkeitszeitraum.

Beispiel 5

Mitarbeiter S hat im September 2016 eine Monatsfahrkarte für den Öffentlichen Personennahverkehr der Münchner

Verkehrsbetriebe (MVV) für 100 € erworben. Der Mitarbeiter ist in der Altenpflege eingesetzt. Er nutzt seine privat

erworbene Monatskarte auch für die Auswärtstätigkeitsfahrten zu den diversen Patienten. Im September 2016 hat er

durch den Einsatz seiner privat erworbenen Fahrkarte die Kosten für Einzelfahrscheine in Höhe von

a) 75 €

b) 100 € bzw.

c) 110 €

erspart.

Der Arbeitnehmer kann die ohne Erwerb des Monatstickets ansonsten angefallenen Fahrtkosten als Werbungskosten

abziehen. Der Werbungskostenabzug ist auf den dem Mitarbeiter entstandenen Aufwand begrenzt.

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3264 -

26

Bei privater Anschaffung und Erstattung durch den Arbeitgeber 27

Nachweis der beruflich veranlassten Fahrten 28

Keine Vereinfachungsregelung, sondern Abstellen auf die tatsächlichen Verhältnisse

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 13

Höhe des Werbungskostenabzugs:

a) 75 €

b) 100 €

c) 100 € (Maximalbetrag = Kosten der privat erworbenen Monatskarte).

3. Aufwendungen für die BahnCard 50 bzw. BahnCard 100

Die Aufwendungen des Arbeitnehmers für eine BahnCard können ungeachtet der privaten Nutzungsmöglichkeit (z. B.

an Wochenenden) steuerfrei vom Arbeitgeber erstattet werden bzw. als Werbungskosten angesetzt werden.

Entscheidend ist, dass durch die BahnCard im Ergebnis geringere Fahrtkosten während der Auswärtstätigkeit

entstehen als dies beim normalen Bahntarif für die Reisetätigkeit der Fall wäre.

Bei den Aufwendungen für die BahnCard 50 unterscheidet die Finanzverwaltung lohnsteuerlich zwei Fälle (s. B+P

6/2016 S. 368):

a) Prognose einer Vollamortisation

Unabhängig von der 29privaten Nutzungsmöglichkeit kann aus Vereinfachungsgründen ein überwiegend

eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Überlassung einer BahnCard angenommen werden, wenn nach

der Prognose zum Zeitpunkt der Hingabe der BahnCard die ersparten Kosten für Einzelfahrscheine, die im Rahmen der

Auswärtstätigkeit (z. B. nach Reiserichtlinie) ohne Nutzung der BahnCard während deren Gültigkeitsdauer anfallen

würden, die Kosten der BahnCard erreichen oder übersteigen (prognostizierte Vollamortisation). In diesem Fall stellt

die Überlassung der BahnCard an den Arbeitnehmer keinen Arbeitslohn dar.

Tritt die prognostizierte Vollamortisation aus unvorhersehbaren Gründen nicht ein (z. B. bei langfristiger Krankheit

oder nicht vorhersehbarem Wechsel des Arbeitnehmers in ein anderes Tätigkeitsgebiet), ergibt sich keine Änderung.

Beispiel 6

Die 30Fahrtkosten des Arbeitnehmers für Auswärtstätigkeiten betragen im Jahr 2016 voraussichtlich insgesamt

1.000 €. Durch den Erwerb einer BahnCard 50 (Kosten: 255 €) würden sich die laufenden Kosten auf 500 € verringern,

da sich der Fahrpreis um 50 % ermäßigt.

Die Gesamtkosten für die BahnCard sind – neben den unmittelbaren Fahrtkosten – steuerfrei erstattbar.

Durch den Erwerb der BahnCard sollen Fahrtkosten von (500 € + 255 € =) 755 € entstehen. Diese voraussichtlichen

Kosten liegen unter den ansonsten zu entrichtenden Fahrtkosten von 1.000 €. Der Erwerb der BahnCard soll sich

wirtschaftlich lohnen.

Diese Grundsätze dürften auch für den Werbungskostenabzug gelten, da eine steuerfreie Erstattung nur dann zulässig

ist, wenn ein Werbungskostenabzug besteht. Fraglich ist allerdings, ob die Finanzverwaltung beim

Werbungskostenabzug auch eine Prognoseentscheidung abzugsauslösend billigen wird. Vielmehr ist vom Heranziehen

der tatsächlichen Nutzung auszugehen. Die Entwicklung bleibt abzuwarten.

b) Prognose einer Teilamortisation

31Erreichen die ersparten Fahrtkosten durch die Nutzung der überlassenen BahnCard nach der Prognose zum

Zeitpunkt der Hingabe der BahnCard deren Kosten voraussichtlich nicht vollständig (Prognose der Teilamortisation),

29

Ersparte Kosten für Einzelfahrkarten > Kosten der BahnCard 30

BahnCard 50

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 14

liegt die Überlassung der BahnCard nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers. Der Wert der

BahnCard ist zunächst in voller Höhe als geldwerter Vorteil zu erfassen. Der Arbeitgeber kann die beruflichen Fahrten

auf den geldwerten Vorteil anrechnen und darüber (nachträglich und jahresübergreifend) eine Steuerfreiheit

auslösen.

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3265 -

Für die Höhe der steuerfreien Erstattung können aus Vereinfachungsgründen – anstelle einer quotalen Aufteilung

(Nutzung zu dienstlichen Zwecken im Verhältnis zur Gesamtnutzung) – auch die ersparten Reisekosten für

Einzelfahrscheine, die im Rahmen der Auswärtstätigkeit ohne Nutzung der BahnCard während deren Gültigkeitsdauer

angefallen wären, begrenzt auf die Höhe der tatsächlichen Kosten der BahnCard, zugrunde gelegt werden.

Diese Grundsätze dürften entsprechend auch für den Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug zur Anwendung

kommen.

Beispiel 7

32Der Arbeitnehmer führt regelmäßig Auswärtstätigkeiten mit der Bahn durch. Er erwirbt eine BahnCard 50 für 255 €,

die zu einer Preisermäßigung von 50 % beim Erwerb von Fahrkarten berechtigt. Der Preis für die Fahrten im Rahmen

der Auswärtstätigkeiten mit der Bahn beträgt (300 € x 50 %) 150 €.

Entsprechend den lohnsteuerlichen Grundsätzen dürfte folgender Aufwand bei den Reisekosten absetzbar sein:

Fahrkarten (50 % von 300 €) 150 €

zuzüglich ersparte Aufwendungen durch den

Einsatz der BahnCard

+ 150 €

Summe 300 €

Beispiel 7 – Abwandlung

Wie Beispiel 7, allerdings betragen die Bahnfahrkosten für die Auswärtstätigkeit im Veranlagungszeitraum 2016

insgesamt (800 € x 50 %) 400 €.

Entsprechend den lohnsteuerlichen Grundsätzen dürfte folgender Aufwand bei den Reisekosten absetzbar sein:

Fahrkarten (50 % von 800 €) 400 €

zuzüglich ersparte Aufwendungen durch den

Einsatz der BahnCard (400 €),

maximal Kosten für den Erwerb der BahnCard

+ 255 €

Summe 655 €

Hinweis

33Die Grundsätze zur Abrechnung der BahnCard 50 sind auch auf Aufwendungen für die BahnCard 100 zu übertragen.

31

Wert der BahnCard ist als geldwerter Vorteil zu erfassen 32

BahnCard 50

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 15

4. Umwegfahrten: Reisekosten oder Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte?

34Der BFH hat mit Urteil vom 19. 5. 2015 - VIII R 12/13 [XAAAF-07653] entschieden, dass die Abzugsbeschränkung

durch die Entfernungspauschale für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte selbst dann gilt, wenn die

jeweilige Hin- oder Rückfahrt durch ein Dienstgeschäft unterbrochen wird, gleichwohl aber als Ziel und Zweck der

Fahrt das Erreichen der Wohnung oder der Betriebsstätte im Vordergrund steht. Dies stellt eine

Auslegungsverschärfung bei Umweg-, Dreiecks- und Abholfahrten dar.

Beispiel 8

Arbeitnehmer A hat in München eine erste Tätigkeitsstätte. Die Entfernung zwischen der Wohnung und der ersten

Tätigkeitsstätte beträgt insgesamt 30 Entfernungskilometer. Im Veranlagungszeitraum 2016 fährt A an 220

Arbeitstagen jeweils vor und nach der Arbeit, die er am Ort der ersten Tätigkeitsstätte erbringt, bei verschiedenen

Mandanten vorbei, um dort Buchhaltungsunterlagen auszutauschen, abzugeben oder entgegenzunehmen. Hierdurch

ergibt sich jeweils eine Zusatzstrecke von 3 km.

Zwar fährt A arbeitstäglich vor und nach der Arbeit zu einem Mandanten. Hierdurch wird die gesamte Strecke aber

nicht zu einer Fahrt, die insgesamt nach Reisekostengrundsätzen

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3266 -

geltend gemacht werden kann. Im Vordergrund der jeweiligen Fahrt steht das Erreichen der ersten Tätigkeitsstätte

bzw. der Wohnung. Daher sind nur die Mehrkilometer nach Reisekostengrundsätzen absetzbar.

35220 Arbeitstage x 0,30 € x 30

Entfernungskilometer

1.980 €

220 Arbeitstage x 0,30 € x 3 Entfernungskilometer

x 2

396 €

Summe 2.376 €

Praxishinweis

36Die aktuelle BFH-Rechtsprechung hat auch Auswirkungen auf die Eintragungen im ordnungsgemäßen

Fahrtenbuch. M. E. dürfen nur die Mehrkilometer als betriebliche Fahrten außerhalb der Fahrten zwischen Wohnung

und erster Tätigkeitsstätte vermerkt werden. Es bleibt zu hoffen, dass die am Markt angebotenen elektronischen

Fahrtenbücher dieser einschränkenden Rechtsprechung genügen.

Ob die 37BFH-Rechtsprechung selbst dann gilt, wenn nur ausnahmsweise ein Kunde vor oder nach der Arbeit

aufgesucht wird, bleibt abzuwarten. M. E. müsste im jeweiligen Einzelfall geprüft werden, welches Fahrziel bzw.

welcher Fahrzweck im Vordergrund steht. Bei nur seltenen Umweg-, Dreiecks- und Abholfahrten dürften in der Regel

Ziel und Zweck der Fahrt nicht im Erreichen der Wohnung oder der ersten Tätigkeitsstätte, sondern im Aufsuchen der

externen Stelle zu sehen sein. Die Reaktion der Finanzverwaltung bleibt abzuwarten.

5. Fahrtkosten für Besuchsfahrten des Partners als Werbungskosten

33

Analog bei Aufwendungen für BahnCard 100 34

Umweg-, Dreiecks- und Abholfahrten 35

Nur Mehrkilometer nach Reisekostengrundsätzen absetzbar 36

Auswirkungen auf Eintragungen im Fahrtenbuch 37

Mandanten-Merkblatt „Fahrtenbücher richtig führen“ [WAAAE-37243]

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 16

38Der BFH hat mit Urteil vom 22. 10. 2015 - VI R 22/14 (BStBl 2016 II S. 179 ) entschieden, dass die Aufwendungen für

Besuchsfahrten eines Ehepartners zur auswärtigen Tätigkeitsstätte nicht als Werbungskosten abziehbar sind. Im

Urteilsfall war der Ehemann auf verschiedenen Baustellen im Ausland eingesetzt. Während der siebenwöchigen

Auswärtstätigkeit wurden zwei Heimfahrten vom Arbeitnehmer (= Werbungskosten) und drei Besuchsreisen durch die

Ehefrau durchgeführt. Zu entscheiden war, ob die Besuchsfahrten zur auswärtigen Tätigkeitsstätte des Ehepartners zu

Werbungskosten führen. Der BFH hat dies abgelehnt, weil diese Fahrten nicht der Förderung des Berufs dienen und

daher keine Werbungskosten sind. Der BFH ging von privat veranlassten Besuchsreisen aus.

39Die berufliche Veranlassung liegt selbst dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer eine Fahrt zur Wohnung selbst

nicht durchführen kann, weil seine Anwesenheit am auswärtigen Tätigkeitsort aus dienstlichen Gründen erforderlich

ist. Der Ersatzcharakter der Fahrt als solcher vermag die berufliche Veranlassung der an sich privaten Fahrt des

Ehepartners nicht zu begründen. Außerdem nahm der BFH nichtabziehbaren Drittaufwand an.

Der BFH ließ ausdrücklich offen, ob in besonders gelagerten Ausnahmefällen die Notwendigkeit, private Dinge durch

einen Besuch beim auswärts tätigen Ehepartner zu regeln, in einem solchen Maße beruflich veranlasst sein kann, dass

private Veranlassungsbeiträge dahinter zurücktreten und die Fahrt des Ehepartners ausnahmsweise als beruflich

veranlasst anzusehen ist. Im Streitfall handelte es sich jedoch um typische Wochenendreisen, für die ein

Werbungskostenabzug nicht in Betracht kam.

Beispiel 9

Mitarbeiter M ist auf einer Großbaustelle in Hamburg im Einsatz. Weil er an einem Wochenende an der Baustelle

unabkömmlich ist, fährt die Ehefrau nach Hamburg. Es fallen Reisekosten von insgesamt 350 € an.

Nach Ansicht des BFH können diese Kosten nicht als Werbungskosten abgesetzt werden, da die berufliche

Veranlassung nicht entscheidend für die Kostenentstehung ist.

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3267 -

40Das BFH-Urteil vom 22. 10. 2015 - VI R 22/14 (BStBl 2016 II S. 179 ) hat auch für den Werbungskostenabzug bei

einer doppelten Haushaltsführung Bedeutung. Oftmals bleibt der Arbeitnehmer auch am Wochenende an dem Ort, an

dem der zweite Hausstand unterhalten wird, und der Partner kommt zu Besuch.

41Der BFH hatte zunächst einen Werbungskostenabzug für solche sog. umgekehrten Familienheimfahrten zugelassen

(BFH, Urteil vom 28. 1. 1983 - VI R 136/79 , BStBl 1983 II S. 313 ). Dies sollte offensichtlich aber nur dann gelten, wenn

aus beruflichen Gründen die Heimfahrt nicht angetreten werden konnte.

Mit Beschluss vom 2. 2. 2011 - VI R 15/10 (BStBl 2011 II S. 456 ) hat der BFH bereits eine Kehrtwende vollzogen und

entschieden, dass keine Werbungskosten vorliegen, wenn der den doppelten Haushalt führende Ehegatte die

wöchentliche Familienheimfahrt aus privaten Gründen nicht durchführt und stattdessen der andere Ehegatte zum

Beschäftigungsort reist.

Praxishinweis

Vor dem Hintergrund der zur Auswärtstätigkeit ergangenen BFH-Rechtsprechung ist zu erwarten, dass die

Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen den Kostenabzug für eine umgekehrte Familienheimfahrt zulassen will. Ein

Werbungskostenabzug dürfte nur dann zulässig sein, wenn die Notwendigkeit besteht, private Dinge durch den Besuch

beim auswärtig tätigen Ehepartner zu regeln. Eine Dokumentation kann sich zur Glaubhaftmachung bzw. zum

Nachweis anbieten.

Beispiel 10

38

Nicht als Werbungskosten abziehbar – auch dann nicht, ... 39

... wenn Anwesenheit des Arbeitnehmers am Tätigkeitsort aus dienstlichen Gründen erforderlich ist 40

Zur doppelten Haushaltsführung bei berufstätigen Paaren s. Geserich, NWB 7/2015 S. 400 41

Sog. umgekehrte Familienheimfahrten

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 17

A wohnt mit seiner Familie in Hannover. A ist bei einem Arbeitgeber in München tätig und unterhält in der Nähe des

Orts der ersten Tätigkeitsstätte in München eine Zweitwohnung. An einem Wochenende fährt A nicht nach Hause,

sondern seine Ehefrau kommt zu ihm nach München.

Die im Zusammenhang mit der sog. umgekehrten Familienheimfahrt angefallenen Fahrtkosten sind nicht abziehbar.

Insoweit soll es sich um nichtabziehbare Besuchsfahrten handeln.

Offen ließ der BFH (Beschluss vom 2. 2. 2011 - VI R 15/10 , BStBl 2011 II S. 456 ) damals bereits, ob die Aufwendungen

Werbungskosten wären, wenn aus beruflichen Gründen eine Familienheimfahrt nicht hätte angetreten werden

können (Werbungskostenabzug bejahend: BFH-Urteil vom 28. 1. 1983 - VI R 136/79 , BStBl 1983 II S. 313 ).

III. Verpflegungsmehraufwand

1. Tagegeldsätze – Inland

42Mehraufwendungen für Verpflegung können nach Maßgabe von § 9 Abs. 4a EStG als Werbungskosten geltend

gemacht werden. Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig

(auswärtige berufliche Tätigkeit), können folgende Verpflegungspauschalen (Inland) angesetzt werden:

• Auswärtstätigkeit ohne Übernachtung, wenn die Abwesenheitsdauer

mehr als acht Stunden beträgt, 12 € (§ 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG )

• Auswärtstätigkeit mit Übernachtung:

• An- und Abreisetag: jeweils 12 € (§ 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 EStG )

• Abwesenheitstag 24 Stunden: 24 € (§ 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 1 EStG )

2. Tagegeldsätze – Ausland

43Bei einer Tätigkeit im Ausland treten länderweise unterschiedliche Pauschbeträge an die Stelle der Pauschbeträge

für Tätigkeiten im Inland (§ 9 Abs. 4a Satz 5 EStG ).

Praxishinweis

Die für den Veranlagungszeitraum 2016 geltenden Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen für das Ausland

ergeben sich aus dem BMF-Schreiben

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3268 -

vom 9. 12. 2015 (BStBl 2015 I S. 1058 ). Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang grundsätzliche Aussagen des BMF

zur Anwendung der Auslandsreisekosten und zu Kürzungsregelungen.

3. Dreimonatsfrist

44Der Abzug der Verpflegungspauschalen ist auf die ersten drei Monate einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an

derselben Tätigkeitsstätte beschränkt (§ 9 Abs. 4a Satz 6 EStG ). Eine Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit an

derselben Tätigkeitsstätte führt zu einem Neubeginn, wenn sie mindestens vier Wochen dauert. Bei einer

„längerfristigen“ beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beginnt die Dreimonatsfrist, sobald der

Mitarbeiter an dieser Tätigkeitsstätte mindestens an drei Tagen in der Woche tätig wird. Die Dreimonatsfrist wird

nicht ausgelöst, solange die auswärtige Tätigkeitsstätte an nicht mehr als zwei Tagen wöchentlich aufgesucht wird.

Beispiel 11

42

Berechnungsprogramm „Reisekosten-Abrechnung Inland“ [RAAAB-14409] 43

Übersicht „Verpflegungsmehraufwendungen Ausland 2016“ [BAAAF-18562] 44

Neubeginn der Frist bei Unterbrechung von mindestens vier Wochen

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 18

Der Außendienstmitarbeiter A wohnt in Karlsruhe und hat am Betriebssitz seines Arbeitgebers in Stuttgart seine erste

Tätigkeitsstätte (arbeitsrechtliche Zuordnung durch Arbeitgeber). A sucht arbeitstäglich die Filiale in Karlsruhe gegen 8

Uhr auf und bereitet sich dort üblicherweise für ein bis zwei Stunden auf seinen Außendienst vor. Von ca. 10 Uhr bis

16.30 Uhr sucht er verschiedene Kunden im Großraum Karlsruhe auf. Anschließend fährt er nochmals in die Filiale in

Karlsruhe, um Nacharbeiten zu erledigen.

45Bei dem arbeitstäglichen Vor- und Nachbereiten der Außendiensttätigkeit in der Filiale in Karlsruhe handelt es sich

um eine längerfristige berufliche Auswärtstätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte. Für die berufliche Tätigkeit an dieser

Tätigkeitsstätte können nach Ablauf von drei Monaten daher keine Verpflegungspauschalen mehr beansprucht

werden.

Für die restliche jeweils eintägige berufliche Auswärtstätigkeit bei den verschiedenen Kunden im Großraum Karlsruhe

gilt dies nicht. Die Tätigkeitszeit in der Filiale in Karlsruhe kann für die Ermittlung der erforderlichen

Mindestabwesenheitszeit von mehr als acht Stunden nach Ablauf von drei Monaten nicht mehr berücksichtigt

werden, sondern ist abzuziehen. Ab dem vierten Monat kommt es für die Ermittlung der Abwesenheitszeiten der

eintägigen Auswärtstätigkeit daher jeweils auf die Dauer der Abwesenheit von der Wohnung, abzüglich der

Tätigkeitszeit(en) in der Filiale in Karlsruhe an.

Praxishinweis

46Für Verwirrung bei Anwendung der Dreimonatsfrist hat nunmehr die Finanzverwaltung selbst gesorgt. Zur

Anwendung des Reisekostenrechts bei fliegendem Personal wird ausgeführt, dass die maßgebliche Abwesenheitszeit

grds. ab dem Verlassen der Wohnung zu berechnen ist, wenn keine erste Tätigkeitsstätte vorliegt (BayLfSt, Verfügung

vom 15. 2. 2016 [XAAAF-69032] ). Wird der Arbeitnehmer aber am jeweiligen Flughafen an mindestens drei Tagen in

der Woche tätig, soll die Dreimonatsfrist zu beachten sein. D. h. in diesen Fällen ist nach Ablauf von drei Monaten die

Tätigkeitszeit am Flughafen für die Ermittlung der Mindestabwesenheitszeit von mehr als acht Stunden nicht mehr zu

berücksichtigen (BMF, Schreiben vom 24. 10. 2014 , BStBl 2014 I S. 1412 , Rn. 55, Beispiel 41). Was aber ist unter

dem Begriff der „Tätigkeit“ zu verstehen? Die Verfügung erweckt den Anschein, dass nach Ablauf von drei Monaten

die Tätigkeitszeit am Flughafen unberücksichtigt zu lassen ist, egal welche Tätigkeit dort ausgeübt wird. Dem ist nicht

zu folgen. M. E. kann sich entsprechend der Auslegung zu § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG nur die eigentliche berufliche

Tätigkeit, nicht aber eine Neben- oder Hilfstätigkeit, auf den Ablauf der Dreimonatsfrist auswirken. Weitere Streitfälle

sind zu erwarten.

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3269 -

Beispiel 12

B ist seit 2015 als Installateur bei der Firma Seehof in Ingolstadt beschäftigt. Er verlässt täglich seine Wohnung um 7

Uhr, trifft im Betrieb um 7.15 Uhr ein, nimmt dann Arbeitseinteilungen entgegen und fährt nach dem Beladen des

Werkstattwagens um 8.15 Uhr zu den jeweiligen unterschiedlichen Kunden. Nachmittags kehrt er um 15 Uhr in den

Betrieb zurück und trifft um 15.15 Uhr in seiner Wohnung ein.

Die Abwesenheitszeit ab Verlassen bis zur Rückkehr zur Wohnung beträgt:

7 Uhr – 15.15 Uhr = 8 1 / 4 Stunden

Eine Zuordnung zum Betrieb liegt nicht vor.

Fraglich 47ist nunmehr, ob die im Betrieb verbrachte Arbeitszeit in die Abwesenheitszeitberechnung einzubeziehen ist,

wenn der Arbeitnehmer an diesem Ort bereits mehr als drei Monate mehr als zwei Tage wöchentlich tätig wird (BMF,

Schreiben vom 24. 10. 2014 , BStBl 2014 I S. 1412 , Rn. 55). Teile der Finanzverwaltung tendieren offensichtlich dazu,

dass als „Tätigkeit“ in diesem Sinne auch das reine Aufsuchen ohne Erbringung einer Haupttätigkeit zu verstehen ist

(BayLfSt, Verfügung vom 15. 2. 2016 [XAAAF-69032] ). Dem ist m. E. nicht zu folgen. Die Dreimonatsfrist kann m. E. für

einen Tätigkeitsort nur dann ausgelöst werden, wenn am jeweiligen Einsatzort auch eine eigentliche berufliche

45

Vor- und Nachbereiten der Außendiensttätigkeit in der Filiale 46

Auslegung des Begriffs der „Tätigkeit“ unklar 47

Orientierung an den zu § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG ergangenen Grundsätzen

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 19

Tätigkeit verrichtet wird. Die Auslegung des Begriffs der Tätigkeit müsste sich auch beim Mehraufwand für

Verpflegung an den zu § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG ergangenen Grundsätzen orientieren. Wird nur eine Hilfs- und

Nebentätigkeit am Einsatzort verrichtet, wird hierfür keine eigenständige Dreimonatsfrist beim Tagegeld ausgelöst

(BMF, Schreiben vom 24. 10. 2014 , Rn. 26).

Für den Beispielsfall (Beispiel 12) heißt dies, dass arbeitstäglich eine Tagegeldpauschale von 12 € in Betracht käme.

Mit neuen Rechtsstreitigkeiten ist zu rechnen.

IV. Übernachtungskosten

48Die bei einer Auswärtstätigkeit anfallenden Übernachtungskosten sind in nachgewiesener oder glaubhaft

gemachter Höhe abziehbar. Ohne Nachweis darf zwar der Arbeitgeber den reisenden Arbeitnehmern für

Übernachtungskosten während einer Auswärtstätigkeit im Inland 20 € steuerfrei erstatten (R 9.7 Abs. 3 Satz 1 LStR

2015 ). Diese für die Inlandsreisen geltende Übernachtungspauschale gilt jedoch weiterhin nicht für den

Werbungskostenabzug des reisenden Arbeitnehmers. Insoweit sind nur die nachgewiesenen Übernachtungskosten –

bzw. geschätzten Kosten (BFH, Urteil vom 28. 3. 2012 - VI R 48/11 , BStBl 2012 II S. 926 ) – abziehbar (BFH, Urteil vom

12. 9. 2001 - VI R 72/97 , BStBl 2001 II S. 775 ).

Praxishinweis

49Bei Auslandsreisen gelten die Übernachtungspauschalen ebenfalls nur für die steuerfreie Arbeitgeber-Erstattung und

nicht für den Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug. Es können nur die tatsächlichen Übernachtungskosten in

Ansatz gebracht werden (R 9.7 Abs. 2 LStR 2015 ).

50Bei Übernachtung in einem Fahrzeug ist es allenfalls möglich, die sog. Übernachtungsnebenkosten als

Werbungskosten geltend zu machen. Das FG Schleswig-Holstein (Urteil vom 27. 9. 2012 - 5 K 99/12 [BAAAE-20625] )

und nachfolgend der BFH (s. auch BFH-Urteil vom 28. 3. 2012 - VI R 48/11 , BStBl 2012 II S. 926 ) haben im Fall eines

Kraftfahrers, der in der Schlafkabine seines Lkw übernachtet und dem am jeweiligen Übernachtungsort Nebenkosten

z. B. für die Wasch- und Toilettengelegenheit anfallen, einen Werbungskostenabzug von 5 € im Wege der Schätzung

zugelassen.

NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 - 3270 -

51Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben vom 4. 12. 2012 , BStBl 2012 I S. 1249 ) wendet diese BFH-Entscheidung

grds. über den Einzelfall hinaus an. Allerdings übernimmt sie nicht den Betrag von 5 € als Schätzung für die

Übernachtungsnebenkosten. Sie verlangt vielmehr, dass der Arbeitnehmer die ihm tatsächlich entstandenen und

regelmäßig wiederkehrenden Reisenebenkosten für einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten im Einzelnen

durch entsprechende Aufzeichnungen glaubhaft macht.

Beispiel 13

Arbeitnehmer A ist Lkw-Fahrer. Er weist für einen repräsentativen Zeitraum folgende Übernachtungsnebenkosten

nach bzw. macht folgende Übernachtungsnebenkosten glaubhaft:

Monat Oktober

Aufwendungen gesamt

60 € (20 Tage Auswärtstätigkeit)

Monat November

Aufwendungen gesamt

80 € (25 Tage Auswärtstätigkeit)

48

Nur nachgewiesene Übernachtungskosten 49

infoCenter „Reisekostenerstattung durch den Arbeitgeber“ [UAAAC-40698] 50

Bei Übernachtung in einem Fahrzeug ... 51

... fordert der BFH Glaubhaftmachung der Kosten über einen Dreimonatszeitraum

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NWB Nr. 43 vom 24.10.2016 Seite 3253

Entnommen aus der NWB Datenbank 20

Monat Dezember

Aufwendungen gesamt

40 € (15 Tage Auswärtstätigkeit)

Summe der Aufwendungen:

180 € : 60 Tage Auswärtstätigkeit

= 3 € täglicher Durchschnittswert

Der so ermittelte Wert kann bei A, der in seiner Schlafkabine übernachtet, für jeden Tag der Auswärtstätigkeit als

Werbungskosten geltend gemacht werden.

Gegen diese einschränkende Rechtsauslegung, die Übernachtungsnebenkosten für einen repräsentativen Zeitraum zu

ermitteln, formiert sich Widerstand der Finanzgerichte. So hat z. B. das FG München mit Urteil vom 2. 9. 2015 - 7 K

2393/13 [OAAAF-06418] eine Schätzung von Übernachtungsnebenkosten bei im internationalen Fernverkehr

eingesetzten Lkw-Fahrern mit 5 € je Übernachtung zugelassen. Das FG Sachsen hat sich mit Urteil vom 26. 2. 2016 - 4

K 987/14 bei fehlendem Nachweis für eine Schätzung der Übernachtungsnebenkosten (z. B. Kosten für die

Toilettengänge, das Duschen und das Reinigen der Bettwäsche) in Höhe von 5 € sowohl bei Inlands- als auch bei

Auslandsübernachtungen ausgesprochen.

M. E. spricht vieles dafür, die Übernachtungsnebenkosten trotz fehlender Aufzeichnungen für einen repräsentativen

Zeitraum von drei Monaten pauschal mit 5 € je Übernachtungstag – sowohl in Inlands- als auch in Auslandsfällen –

anzusetzen.

Fazit Das seit dem Veranlagungszeitraum 2014 zur Anwendung kommende „neue“ steuerliche

Reisekostenrecht löst in der Anwendungspraxis zahlreiche Fragestellungen aus. Diese beziehen sich

sowohl auf die Unterhaltung einer ersten Tätigkeitsstätte wie auch auf die Abrechnung der

verschiedenen Reisekostenarten. Die mit der Reform erhoffte Vereinfachung ist zwar eingetreten; je

tiefergehende Detailfragen es zu beantworten gilt, desto differenzierter ist eine Beantwortung

vorzunehmen.

Autor

Michael Seifert

war in der Finanzverwaltung NRW, der Steuerabteilung des DIHK und des VDMA beschäftigt. Seit 1998 ist er als

Steuerberater in einer kooperierenden Einzelkanzlei tätig. Der Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Gestaltungs- und

Abwehrberatung. Daneben verfasst er Fachbeiträge und ist als Referent eingesetzt.

Fundstelle(n):

NWB 2016 Seite 3253

[FAAAF-83897]