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Neuere Untersuchungen über öffentliche Einnahmen und Konjunktur Author(s): Otto Frhr. von Mering Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 1, H. 2 (1932), pp. 274-287 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40907292 . Accessed: 12/06/2014 13:49 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.79.21 on Thu, 12 Jun 2014 13:49:35 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Neuere Untersuchungen über öffentliche Einnahmen und Konjunktur

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Neuere Untersuchungen über öffentliche Einnahmen und KonjunkturAuthor(s): Otto Frhr. von MeringSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 1, H. 2 (1932), pp. 274-287Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40907292 .

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IL FINANZWIRTSCHAFTLICHE ZEITFRAGEN

Neuere Untersuchungen über öffentliche Einnahmen und Konjunktur

von

Otto Frhr. von Mering Pie vorliegende Arbeit betrachtet die Zusammenhänge zwischen öffent-

lichen Einnahmen und Konjunkturentwicklung vom finanz wissenschaft- lichen Standpunkt. Das bedeutet, daß alle Probleme, die für die Konjunk- turlehre als solche oder für die Konjunkturpolitik von Interesse sind, aus- zuscheiden haben. Wir interessieren uns hier also nicht dafür, daß und in- wiefern die öffentlichen Einnahmen als Konjunkturbarometer angesehen werden können, und daß man - vielleicht - eine gewisse Konjunkturpro- gnose daran anknüpfen kann 1). Ebenso bleibt die Frage außer Betracht, in- wieweit der Staat und andere öffentliche Körperschaften durch ihre Ein- nahmen- und Ausgabenpolitik die Konjunktur beeinflussen können.

A. Die Einwirkungen der Konjunkturschwankungen auf die öffentlichen Einnahmen.

Die Beziehungen zwischen Konjunktur und öffentlichen Einnahmen in dem eben erwähnten begrenzten Sinne sind, von einigen Ausnahmen ab- gesehen, erst in der neuesten Zeit einer eingehenderen Untersuchung unter- zogen worden. Dabei lassen sich zwei prinzipiell voneinander verschiedene Formen der Untersuchung unterscheiden, die empirisch-statistische und die theoretisch-deduktive Darstellung. Wir beginnen mit der ersten. Die empirisch-statistische Darstellung des Einflusses der Konjunk- tur auf die öffentlichen Einnahmen kann sich auf die Untersuchung der Be- ziehung zwischen der Konjunktur und einzelnen öffentlichen Einnahmen beschränken. Derartige Untersuchungen sind auch schon verhältnismäßig frühzeitig angestellt worden mit Bezug auf die Eisenbahn. Man kann sich

1) Man denke an die vom Deutschen Konjunkturinstitut, aber auch gelegent- lich vom Harvard-Institut angewandten Methoden, einzelne Steuern der Kon- struktion von Wirtschaf tsreihen zugrunde zu legen. Vgl. z. B. Vierteljahrshefte zur Konjunkturforschung, Jhrg. 1, Heft 1, S. 41 f., Heft 2, S. 19 ff., Heft 3, S. 28 ff., Heft 4, S. 20 ff., ferner Review of Economic Statistics Vol. VII (1925), S. 265.

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Neuere Untersuchungen über öffentliche Einnahmen und Konjunktur. 275

aber die Aufgabe auch noch weiter stellen und eine Gesamtübersicht über die in Rede stehenden Beziehungen auf empirisch-statistischer Grundlage zu gewinnen suchen. Wir wollen die erste Form der empirisch -statistischen Behandlung des Themas die spezielle, die zweite die allgemeine nennen.

Spezielle empirisch- statistische Untersuchungen. Wie erwähnt, ist der Einfluß der Konjunkturschwankungen auf die

Eisenbahneinnahmen schon vor längerer Zeit untersucht worden. Zunächst ist auf die Erörterungen hinzuweisen, die an die Erträge der Preu- ßischen Staatsbahnen anknüpfen. Diese Erträge hatten eine erhebliche Be- deutung für die preußische Finanzwirtschaft der Vorkriegszeit, deckten sie doch, wie bekannt, einen beträchtlichen Teil der Ausgaben des ordentlichen Haushalts 1). Die Schwankungen, denen sie unter dem Einfluß des Wirt- schaftsrhythmus ausgesetzt waren, machten sich frühzeitig und in viel stär- kerem Maße bemerkbar als die Schwankungen der übrigen Erwerbseinkünfte oder gar der Steuern. Durch die Unbeständigkeit eines so bedeutenden Einnahmepostens wurde die Haushaltführung stark beeinträchtigt. Die Rechnungsergebnisse wichen bisweilen weit von den Voranschlägen ab ; im Falle ungünstiger Entwicklung der Eisenbahneinnahmen ergab sich an Stelle eines ausgeglichenen Haushalts ein Fehlbetrag.

Daß unter solchen Umständen die Frage der Eisenbahnüberschüsse und ihrer Wirkungen auf den Staatshaushalt im Parlament und in der Lite- ratur vielfach behandelt wurde, ist nicht erstaunlich2). Als Mittel zur Ab- hilfe wurde hauptsächlich die Fondsbildung empfohlen3). Die Errichtung eines „Ausgleichsfonds" bildete denn auch, wie man weiß, die Lösung, zu der man schließlich griff, anfangs in unzureichender, und nach ungünstigen Erfahrungen in den Jahren 1907/08 in wirksamerer Form 4). Außerdem hat

1) Die Bedeutung der EisenbahneDeinnahmen für den öffentlichen Haushalt Preußens ist allerdings vielfach überschätzt worden, vgl. Bruno Moll, Lehr- buch der Finanzwissenschaft, Berlin 1930, S. 235.

2) Schon bei den Beratungen der ersten Verstaatlichungsgesetze im Preußi- schen Landtag (1879) war zur Sicherung des Staatshaushaltes gegen überraschende Schwankungen der Eisenbahnerträge die Errichtung eines Reservefonds vorge- schlagen worden. (Vgl. z. B. Schwarz und Strutz, Der Staatshaushalt und die Finanzen Preußens, Band I, Liefg. 3, Berlin 1901, S. 1035/36), damals allerdings vor allem in der Befürchtung, daß der Bahnbetrieb zeitweilig Zuschüsse erfordern könnte. Später riefen besonders die in den Depressionszeiten regel- mäßig auftretenden Rückgänge der Reinüberschüsse neue Erörterungen hervor. Vgl. A. v. d. L e y e n , Die Erträge der Eisenbahnen und der Staatshaushalt. Schmollers Jahrbuch, N. F. 16, Leipzig 1892, S. 995 ff . ; S c h w a r z und Strutz a. a. O., Bd. III, Berlin 1904, S. 194 ff . ; H. K i r c h h o f f , Zur Neuordnung der preußischen Eisenbahn- und Staatsfinanzen, Münster /Westfalen, 1909; Off en - berg, Preußische Eisenbahnfinanzen und Staatsfinanzen, Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen, Berlin 1910, S. 137 ff. Vgl. ferner G. C o h n , Zur Geschichte und Politik des Verkehrswesens, Stuttgart 1900, S. 511; Ledig, Die Überschüsse der Staatsbahnen im Staatshaushalt, Zeitung des Vereins Deut- scher Eisenbahn Verwaltungen. Berlin 1899. S. 127 ff.

3) A. v. d. L e y e n , a. a. O. S. 1031 ; G. C o h n , a. a. O. S. 511. 4) Eine ziemlich eingehende Darstellung der Entwicklung gibt E. Keilpflug,

Der Ausgleichsfonds der Preußischen Staatsbahnen, Archiv für Eisenbahnwesen,

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276 Otto Frhr. von Mering

die Verwaltung, auch vor der Errichtung des Ausgleichsfonds, versucht, durch eine elastische Ausgestaltung des Extraordinariums der Eisenbahn den Anteil des allgemeinen Staatshaushalts am Überschuß vor allzu starken Schwankungen zu schützen 1).

Obwohl die Einwirkungen der schwankenden Eisenbahneinnahmen auf den preußischen Staatshaushalt frühzeitig und häufig erörtert wurden, hat man es bei diesen Erörterungen fast stets versäumt, den Einfluß des Konjunkturablaufs auf die Gestaltung der Eisenbahneinnahmen zu untersuchen. Eine Ausnahme bildet die im Jahre 1914 erschienene Schrift Offenbergs, die sich im wesentlichen mit der Entwicklung der preu- ßischen Staatsbahnen seit dem Jahre 1895 befaßt 2). Eines der hauptsäch- lichen Ziele des Verfassers ist es, gewisse Kegelmäßigkeiten in den Beziehungen zwischen Eisenbahnfinanzen und Konjunkturbewegung zu ermitteln.

Häufiger sind dagegen die Zusammenhänge zwischen der Konjunktur- bewegung und den Eisenbahnfinanzen als solchen, also ohne Einbeziehung des staatsfinanziellen Gesichtspunktes, behandelt worden 3). Als Ergebnis dieser Untersuchungen stellt sich überall heraus, daß der Betriebsüber- schuß infolge verschiedenartiger Beeinflussung der Einnahmen und der Aus- gaben durch die Konjunkturbewegung schon vor Erreichung der höchsten Konjunkturspitze wieder zu sinken beginnt 4).

Ein besonderes Interesse beansprucht eine amerikanische Untersuchung über den Einfluß des Konjunkturzyklus auf die Posteinnahmen5). Das Einzigartige dieser Untersuchung besteht darin, daß eine fast 150- jähr ige Entwicklung lückenlos verfolgt wird. Für die Zeit von 1790 - 1930 werden die Roheinnahmen der amerikanischen Postverwaltung in einem Diagramm wiedergegeben, wobei die Jahre, die offensichtlich unter dem Einfluß wesent- licher Veränderungen in den Postgebühren gestanden haben, besonders ge- kennzeichnet sind. Als Ergebnis glauben die Verfasser folgendes feststellen zu können: Zwischen den Posteinnahmen der Vereinigten Staaten und zwi- schen der allgemeinen wirtschaftlichen Lage des Landes besteht meist eine bemerkenswerte Korrelation. Unter Berücksichtigung der Änderung der Gebührensätze zeigt sich im allgemeinen ein über normales Ansteigen der

Berlin 1916, S. 841 ff . und S. 1103 ff. Vgl. auch R. Quaatz, Der preußische Eisenbahnetat, Archiv für Eisenbahnwesen, Berlin 1910, S. 1109 ff.

*) Vgl. Schwarz und S t r u t z , a. a. U., tfd. 1, Lrielerung 3, .Berlin löUl, S. 1050; Keilpflug, a. a. O. S. 868.

2) Offenberg, Konjunktur und Eisenbahnen, Stuttgart 1914. 3) K. Tecklenburg, Der Betriebskoeffizient der Eisenbahnen und seine

Abhängigkeit von der Wirtschaftskonjunktur, Berlin 1911 ; W. L i n d e n , Eisen- bahnen und Konjunktur, Karlsruhe 1926; A. D i t g e n , Konjunktur und Eisen- bahnen, Archiv für Eisenbahnwesen, Berlin 1928, S. 403- 22, 687-724 und 923-944.

4) Der Grund liegt wohl darin, daß der Betrieb der Bahn nach Erreichung eines gewissen Punktes im Zeichen zunehmender Kosten steht. D i t g e n , der seine Untersuchung auf die Eisenbahnen der Vereinigten Staaten ausdehnt, glaubt dort, wahrscheinlich infolge strengerer Befolgung privatwirtschaftlicher Grund- sätze, vor allem wohl infolge schnellerer Drosselung der Ausgaben, eine stärkere Anpassungsfähigkeit feststellen zu können (a. a. O. S. 722 - 24).

6) C. J. Bullock, B. Fox, A. R. Eckler, Postal Revenues and the Business Cycle, Review of Economics Statistic, Vol. XIII (1931), S. 47-58.

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Posteinnahmen in guten Wirtschaftsjahren und ein unternormales Anstei- gen oder gar ein absolutes Sinken in ungünstigen Wirtschaftsjahren. In den Jahren 1826, 1829, 1849, 1855, 1874, 1904, 1924 und 1925 läuft die Ent- wicklung abweichend von dem oben geschilderten Prinzip. Aber das sind nach Meinung des Verfassers nur Ausnahmejahre. Im übrigen besteht bis zum Jahre 1927 eine gute Übereinstimmung. Die letzten 4 Jahre freilich zeigen eine Entwicklung, die völlig aus dem Kahmen fällt, da es sich hier nicht nur um ein einzelnes Ausnahmejahr, sondern um eine längere Periode handelt, die der im übrigen beobachteten Entwicklung völlig entgegen- gesetzt ist. Die Jahre 1927, 1928 und 1929 waren Jahre allgemeiner günstiger Geschäftsentwicklung. Dennoch wiesen die Posteinnahmen keine über die trendmäßig bedingte Entwicklung hinausgehende Zunahme auf, blieben vielmehr dahinter zurück. Besonders bemerkenswert ist, daß die Einnah- men im Jahre 1930 sich ähnlich wie die Einnahmen im Jahre 1928 verhiel- ten. Deshalb bleibt, wie die Verfasser selbst richtig bemerken, die Entwick- lung in den letzten Jahren selbst dann unerklärt, wenn man eine Änderung des Trends annimmt.

Erwähnung verdienen auch die Versuche zur Vorausschätzung von Steuererträgen, die vom Schatzamt der Vereinigten Staaten angestellt werden. Über die Methoden, mit deren Hilfe dabei ein Urteil über das voraussichtliche Aufkommen an Bundeseinkommensteuer im jeweils bevorstehenden Jahre gewonnen werden soll, sind neuerdings verschiedent- lich Mitteilungen gemacht worden 1). Eine einigermaßen genaue Darstellung der ziemlich komplizierten, aber sehr interessanten Verfahrensweisen ist hier nicht möglich. Die Grundzüge lassen sich folgendermaßen kennzeichnen: Aus geeignet erscheinenden Wirtschaftsreihen, wie sie die Konjunktur- berichterstattung liefert (Entwicklung von Preisen, Umsätzen, Bankdebi- toren u. a. m.) wird ein Index berechnet, der in möglichst enger Korrelation zum Einkommen steht. Da die Entwicklung des Index jeweils bis in die jüngste Vergangenheit genau feststeht, ist ein Schluß auf die gleichzeitige Entwicklung der Einkommensreihe möglich, die mit dem Index in Korre- lation steht, die aber aus unmittelbarer statistischer Erfassung erst viel später, etwa nach 2 Jahren, bekannt wird.

Allgemeine empirisch- statistische Untersuchungen. Eine planmäßige, die öffentlichen Einnahmen generell berücksichti-

gende Untersuchung der Einwirkung der Konjunktur auf den öffentlichen Haushalt ist erst in jüngster Zeit vorgenommen worden. In Betracht kom- men hier vor allen Dingen die Veröffentlichungen des Instituts für Kon- junkturforschung bzw. des Statistischen Reichsamtes. Generell glaubt das

*) Vgl. J. F. Ebersole, Forecasting corporation income tax receipts, Journal of the American Statistical Association, Vol. 24, Nr. 165 a (März 1929), S. 219 - 24, und vor allem J. Franklin Ebersole, Susan S. Burr, George M. Peterson, Income forecasting by the use of statistics of income data, Review of Economic Statistics Vol. XI (1929) S. 171-93 und Vol. XII (1930), S. 39^7 und S. 59-76.

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Institut, zwei bzw. vier Gruppen von Steuern unter dem in Rede stehen- den Gesichtspunkt unterscheiden zu können:

A. Steuern der Verbrauchs Wirtschaft. I. Steuern vom Einkommensbezug.

II. Steuern von der Einkommensverwendung. B. Steuern der Erwerbs Wirtschaft.

III. Steuern vom Produktionsprozeß. IV. Steuern von der Bewegung der Geldkapitalien 1) 2).

Das Institut hat das Verhalten der Steuern im Konjunkturzyklus zu- nächst unter den beiden folgenden Gesichtspunkten geprüft: Es suchte festzustellen,

1. in welchem Umfange die verschiedenen Steuern auf die Konjunktur reagieren und

2. mit welcher Geschwindigkeit die Reaktion im einzelnen erfolgt 3). Obwohl als Grundlage der Untersuchungen nur die Entwicklung in

Deutschland von 1925 - 30 dient 4), versucht das Institut doch, die Ein- flüsse der Konjunktur von den anderen Faktoren zu isolieren und scheut sich dabei auch nicht, - auf der Basis von fünf Jahren ! - Trends zu berech- nen. An anderer Stelle hat das Statistische Reichsamt die Entwicklung der deutschen Steuereinnahmen während der Jahre 1925 - 30 untersucht 5), ohne dabei die Konjunkturschwankungen rechnerisch zu isolieren. Auch bei dieser Betrachtungsweise tritt die verschiedene Konjunkturempfindlich- keit der einzelnen Steuern einigermaßen deutlich in Erscheinung.

Die Feststellungen des Instituts für Konjunkturforschung zur Frage der Konjunkturempfindlichkeit der einzelnen Steuern sind vor allem die folgenden : Am wenigsten sind den Konjunkturschwankungen die Steuern von der Einkommensverwendung, besonders vom Massen- verbrauch (Umsatzsteuer, Biersteuer, Tabaksteuer, Lotteriesteuer und Personenbeförderungsteuer) unterworfen. Etwas empfindlicher ist die Zuckersteuer. Stärker empfindlich sind z. B. Rennwett- und Schaumwein- steuer, da sie ein besonders konjunkturempfindliches Einkommen zur Grundlage haben. Bei den Steuern vom Einkommensbezug wirken sich die Konjunkturschwankungen infolge der Verschiedenheit der Einkommensformen, sowie der Veranlagungs- und Zahlungs Vorschriften verschieden aus. Die Lohnsteuer folgt der Konjunkturbewegung sofort, veranlagte Einkommen- und Körperschaftsteuer erst in größeren Zeit- abständen. Schärfer wirkt sich die Depression bei den Steuern der

x) Vierteljahrshefte z. Konjunkturforschung, Teil A, 5. Jahrg., Heft 2, S. 77 f. ; Heft 3, S. 81.

2) Die oben wiedergegebene Üiinteilung hat auch üi. lunzer übernommen, der in seiner Schrift Dynamischer Staatshaushalt? (Jena 1931) u. a. die Frage der quantitativen Auswirkung konjunktureller Schwankungen auf den öffent- lichen Haushalt Deutschlands empirisch, freilich nur in summarischer Weise, unter- sucht.

3) S. Vierteliahrshefte, Teil A, 5. Jahrg. Heft 4, S. 77. 4) Darauf, daß die empirische Grundlage seiner Untersuchungen schmal ist,

weist auch das Institut selbst hin. S. a. a. O., Jahrg. 5, Teil A, Heft 2, S. 77. 6) Einzelschritten zur Statistik des Deutschen lieiches, I5d. 1«, .Berlin iswi,

S. 134^5.

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Erwerbswirtschaft aus, denn diese Steuern treffen gerade den Ausschnitt der Volkswirtschaft, der den Herd der Konjunkturbewegung in sich birgt, während die anderen sich auf die Gesamtheit der Bevölkerung erstrecken. Auch hier ergeben sich innerhalb der Gruppe Abstufungen. Die Steuern vom Geldkapitalverkehr zeigen weit stärkere Empfindlichkeit als die Steuern vom Produktionsprozeß. Bei den Zolleinnahmen zeigt sich, daß der Zollertrag der Produktivgüter konjunkturempfindlicher ist als der Zollertrag der Konsumgüter. In beiden Gruppen wiederum ist der Eückgang bei den Rohstoffen sehr viel geringer als bei den Fertigwaren 1).

Hinsichtlich der Geschwindigkeit, mit der die Reaktion auf die Konjunkturschwankungen erfolgt, soll folgendes gelten: Einige Steuern zeigen eine frühzeitige Erholung nach der Depression von 1925 und ein ebenfalls frühzeitiges Absinken der Erträge nach der Hochkonjunktur von 1927, so z. B. die Zucker-, Tabak-, Güterbeförderung- und Umsatzsteuer. Bei anderen setzt die Erholung verhältnismäßig spät ein. Die hierher gehö- rigen Steuern lassen sich weiter unterteilen in solche, deren Erträge verhält- nismäßig früh, und solche, deren Erträge verhältnismäßig spät wieder zu sinken beginnen. Zur ersten Teilgruppe gehören die Personenbeförderung- und die Totalisators teuer, zur zweiten die Bier- und die Kraftfahr zeugsteuer 2).

Das Institut für Konjunkturforschung versucht auch, durch Errech- nung der Korrelationen zwischen der Entwicklung des Aufkommens einzelner Steuern und anderen Wirtschaftsreihen die Beziehungen zwischen Steuer- erträgen und den Tatbeständen der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung zu klären 3) und Anhaltspunkte für Vorausschätzungen der Steuererträge zu gewinnen. Derartige Vorausschätzungen der Steuer- erträge für den Rest des jeweils laufenden Rechnungsjahres waren eines der hauptsächlichen unmittelbaren Ziele des Konj unkturinstituts 4). In Ver- bindung mit Schätzungen der voraussichtlichen Ausgabenentwicklung soll- ten sie ein Urteil über die künftige Finanzlage der öffentlichen Körperschaf- ten, insbesondere des Reiches ermöglichen5). Die dabei gewonnenen Fehl- betragschätzuogen sind zwar von der tatsächlichen Entwicklung stark übertroffen worden. Immerhin waren sie vorsichtiger als die des Reichs- finanzministeriums.

Theoretisch- deduktive Untersuchungen. Ansätze zu einer deduktiven Behandlung der Frage des Einflusses

der Konjunktur auf die öffentlichen Einnahmen finden sich bereits in *) Vierteljahrshefte, 5. Jahrg., Teil A., Heft 3, S. 81/82. Ergebnisse hinsicht-

lich der durchschnittlichen Konjunkturempfindlichkeit einzelner Reichssteuern in den Jahren 1925 - 30 sind in einer Tabelle a. a. O., Heft 4, S. 77, zusammengestellt.

2) S. a. a. O., Jahrg. 5, Teil A, Mett 4, S. 78/79, besonders das Schaubild auf S. 78.

8) S. a. a. O., Jahrg. 6, Teil A, Heft 1, S. 75 ff., besonders das Schaubild auf S. 77.

4) S. besonders a. a. O., Jahrg. 5, Teil A, Heft 2, S. 77-81 und Jahrg. 6, Teil A, Heft 1, S. 75-79.

5) S. a. a. O., Jahrg. 5, Teil A, Heft 2, S. 81, Heft 3, S. 82, Heft 4, S. 80.

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älteren Lehrbüchern. So hat Adolph Wagner bei Behandlung der von ihm sog. finanzpolitischen Prinzipien der Ausreichendheit und Beweglich- keit der Besteuerung auf die Abhängigkeit der Steuererträge von der Kon- junkturentwicklung hingewiesen1). Im Anschluß an Adolph Wagner hat dann E. H. Vogel2) auf die Zweckmäßigkeit der Steuern vom Ver- mögensbesitz und vom Vermögensübergang in außer geschäftlichen Vor- gängen (Erbschaft- und Schenkungsteuern) und darauf hingewiesen, daß ihre Erträge einigermaßen unabhängig von den Schwankungen und Zufäl- ligkeiten des Wirtschaftslebens seien. Dabei übersah er freilich, daß die Un- abhängigkeit nur dann gegeben ist, wenn bei der Veranlagung der Steuer die Wertschwankungen nicht berücksichtigt werden, was offenbar nicht im Wesen dieser Steuern enthalten ist. In neuester Zeit ist die Frage des Einflusses der Konjunktur auf die Besteuerung unter Anwendung der deduk- tiven Methode von F. N e u m a r k 3) im Zusammenhang untersucht worden. Neumark streift dabei auch die Zusammenhänge zwischen Konjunktur und Privaterwerb öffentlicher Verbände und gelangt im ganzen zu einigen er- wähnenswerten Ergebnissen, auf die noch zurückzukommen sein wird.

Ergebnis. Die bisherigen Ausführungen sollten einen Überblick über die Unter-

suchungen geben, die hinsichtlich des Einflusses der Konjunkturschwan- kungen auf die Gestaltung der öffentlichen Einnahmen angestellt worden sind. Es entsteht die Frage, was haben die bisherigen Darlegungen geleistet ? - Wir beginnen wiederum mit den empirisch-statistischen Untersuchungen.

Empirisch -statistische Untersuchungen haben, einwandfreie Methode vorausgesetzt, in jedem Falle die Bedeutung, daß sie uns sagen, was zu be- stimmter Zeit an bestimmtem Orte gewesen ist. In diesem Sinne ist es von Interesse, die Entwicklung der Posteinnahmen mit der Gestaltung der Kon- junkturen zu vergleichen oder festzustellen, daß beispielsweise in Deutsch- land in den Jahren 1925-30 das Aufkommen der Versicherungsteuern sehr viel weniger geschwankt hat als das Aufkommen der Umsatzsteuer und diese viel weniger als die Grunderwerbsteuer 4). Zweifelhafter ist der Wert der Korrelationen , die das Konjunkturinstitut gelegentlich feststellen zu können geglaubt hat 5). Ohne Frage besteht ein ziemlich enger Zusammenhang zwischen steuerpflichtigem Umsatz und Arbeitslosenziffer, zwischen steuerpflichtigem Umsatz und der Einfuhr von Rohstoffen und halbfertigen Waren usw. Aber was ist mit dieser Korrelation gewonnen?

*) Die indirekten Verbrauchsteuern „schwanken im Ertrage nach wirtschaft- lichen Konjunkturen und entsprechen daher in einzelnen Zeitpunkten dem Grund- satze der Ausreichendheit nicht". Adolph Wagner, Finanzwissenschaft, II. Bd., Leipzig 1890, S. 310. „Die Verkehrssteuern schwanken . . . nach wirtschaftlichen . . . Konjunkturen", A. W a g n e r , a. a. O. S. 313.

2) Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 66. Jahrg., Tubingen 1VJ1U, S. 547.

d) Konjunktur und »Steuern, .Bonn iy*>U. 4) Siehe Vierteljahrshefte zur Konjunkturforschung, Jahrg. 5, leil A, Hett 4,

Tabelle S. 77. °) vgl. oben ö. ziv.

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Einen praktischen Sinn hat sie doch nur dann, wenn die eine Reihe mehr oder weniger lange Zeit vor der anderen Reihe feststeht. Die Arbeitslosen- ziffer isc aber nur zwischen den einzelnen Quartalsterminen vor dem steuer- pflichtigen Umsatz bekannt, und diese Zeitdifferenz reicht offenbar nicht aus, um das Aufkommen an Umsatzsteuer vermittelst der Arbeitslosenziffer für eine irgendwie ins Gewicht fallende Zeit vorauszuberechnen. Es ist uner- findlich, wie das Konjunkturinstitut auf solcher Grundlage Anfang Juni das Aufkommen an Umsatzsteuer für das Rechnungsjahr 1921/32 auf etwa 900 Millionen Mark errechnen konnte. Legt man die gegenwärtigen Verhält- nisse für die Beurteilung der künftigen Entwicklung zugrunde, so spielt es nur eine geringe Rolle, ob man von der letztbekannten Arbeitslosen- ziffer oder der letztbekannten steuerpflichtigen Umsatzziffer ausgeht. Will man aber auch eine etwaige Veränderung der Verhältnisse in der Zukunft mitberücksichtigen, so kann einem weder die eine noch die andere Ziffer dazu verhelfen, da sie beide über die künftige Konjunkturge- staltung nichts auszusagen vermögen. In Wirklichkeit sind ja auch die Fehlbetragschätzungen des Konjunkturinstituts von der tatsächlichen Entwicklung weit übertroffen worden. Eine Prognose der künftigen Steuer- erträge, die einigermaßen auf Zuverlässigkeit Anspruch erheben kann, er- scheint nur unter einer Bedingung möglich, wenn nämlich die Grundlage der Erträge in bekannten Tatbeständen der Gegenwart bzw. jüngsten Ver- gangenheit liegt. Wenn die Einkommensteuer oder die Vermögensteuer eines Jahres an das Einkommen eines früheren Jahres oder das Vermögen eines früheren Zeitpunktes anknüpft und Einkommen bzw. Vermögen bekannt sind oder wenigstens berechnet werden können, so ist der künftige Steuer- ertrag selbstverständlich vorauszuberechnen, im übrigen ist die Prognose künftiger Steuererträge annähernd ebenso unsicher wie die Konjunktur- prognose.

Noch weniger möglich erscheint es, auf Grund induktiver Untersu- chungen an Zeit und Ort nicht gebundene Regeln hinsichtlich des Einflusses der Konjunktur auf die öffentlichen Einnahmen aufzustellen, Regeln, die auch nur näherungs weise auf Allgemeing ültigkeit Anspruch erheben können. Warum erschien x) die Zuckersteuer etwas konjunktur- empfindlicher als die anderen Massenverbrauchsteuern ? Kann man mit guten Gründen behaupten, daß die höhere Konjunkturempfindlichkeit mehr ist als eine einmalige empirisch festgestellte Tatsache ? Angaben über die Geschwindigkeit der Reaktion der Steuererträge auf die Konjunkturschwan- kungen2) sind nicht typisch und können es nicht sein, weil für die Reihenfolge der verschiedenen Konjunkturphasen allgemeingültige Regeln nicht auf- gestellt werden können. Der frühe Abschwung der Personenbeförderung- steuer, der Zuckers teuer und der Tabaksteuer einerseits, der späte Ab- schwung der Biersteuer und der Kraftfahrzeugsteuer andererseits, können nicht beide typisch sein. Alle empirisch-statistische Forschung, die die Auf- stellung von Gesetzen oder auch nur sogenannten Tendenzen zum Ziele hat, scheint zum Scheitern verurteilt zu sein. Wenn eine unter so ausnahmsweise

!) Vgl. oben S. 278. 2) Vgl. oben S. 279. Finanzarchiv. N. F. 1. Heft 2. 19

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günstigen Bedingungen vorgenommene Untersuchung wie diejenige betreffend die Posteinnahmen x) keine eindeutige Lösung gestattet, so ist damit wohl der beste Beweis für die Unmöglichkeit der induktiven Ableitung gesetz- mäßiger Zusammenhänge gegeben. Die Einflüsse der Konjunkturschwan- kungen auf die Steuererträge lassen sich eben nicht isolieren. Selbst wenn es gelingt, Tarifänderungen und sonstige Veränderungen in der Veranla- gung und Erhebung der Steuern auszuschalten, so bleibt immer noch die strukturelle Veränderung übrig, die sich durch keinerlei Trend- berechnung mit Sicherheit ausschalten läßt. Solche strukturellen Verände- rungen spielen aber ohne Frage eine große Rolle 2).

Es braucht sich aber gar nicht nur um eigentliche strukturelle Ver- änderungen zu handeln; es können vorübergehende Schwan- kungen technischer oder wirtschaftlicher Art eintreten, die nicht konjunktur- mäßig bedingt sind und sich mit den Konjunkturschwankungen beliebig überschneiden. Insbesondere ist hier an zeitweilige Veränderungen der Ge- setzgebung zu denken, die das Steuerobjekt in seiner Bedeutung beein- flussen, ohne daß irgendwelche Steuer technischen Maßnahmen den Sfceuerertrag modifizieren. Eine Änderung der Lotteriegesetzgebung be- einflußt die Lotteriesteuer auch ohne steuertechnische Veränderungen . Wenn die Polizeistunde auf 11 Uhr festgesetzt ist, ist der Alkoholkonsum wesent- lich geringer als wenn auf die Festsetzung einer Polizeistunde verzichtet wird. Wenn der Zoll auf Champagner ermäßigt wird, muß die Schaumwein- steuer ceteris paribus geringere Erträge liefern. Änderungen der Wertzu- wachssteuer beeinflussen notwendig den Ertrag der Grunderwerbsteuer, auch wenn alle anderen Umstände gleich bleiben.

Welcher Statistiker glaubt sich in der Lage, solche und andere Momente bei empirischen Untersuchungen ausreichend zu berücksichtigen ? Die in- duktive Untersuchung des Einflusses der Konjunkturschwankungen auf die öffentliche a Einnahmen hat mit ähnlichen unüberwindlichen Schwierig- keiten zu kämpfen wie die entsprechende Untersuchung der Steuerüber- wälzung oder der Wirkungen von Schutzzoll bzw. Freihandel auf die volks- wirtschaftliche Entwicklung. So wenig man in irgendwie ins Gewicht fal- lendem Maße auf induktivem Wege zu Gesetzen der Steuerüber wälzung kommen kann, ebensowenig ist es möglich, das in Rede stehende Problem empirisch zu lösen. Bleiben noch die sogennanten Verifikationsver- suche, wie sie beispielsweise T a u s s i g 3) hinsichtlich der Wirkungen des internationalen Handels angestellt hat. Solche Verifikationsversuche haben bestenfalls eine engbegrenzte Bedeutung. Sie beweisen überhaupt nichts, sondern legen gegebene Tatbestände nur im Sinne einer bestimmten deduktiv gewonnenen Theorie aus. Diese Auslegung ist aber, wenn man die Theorie, die man erhärten will, fallen läßt, sicher nicht die einzig mög-

!) Vgl. oben S. 276 f. 2) Es genügt also nicht, wenn Ji . N e u m a r k, a. a. U. S. 11, nur von „Ände-

rungen der Tarife, der Bewertungsgrundlagen, der Zahlungsfristen, Vollzugsan- weisungen usw." spricht, die den empirischen Nachweis von Konjunktureinflüssen auf bestimmte Steuern erschweren.

*) international ±ïaae, JNew xctk lyzv, l'art il.

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Neuere Untersuchungen über öffentliche Einnahmen und Konjunktur. 283

liehe. Man zeigt also nur, daß gewisse beobachtete Erscheinungen mit der Theorie nicht in Widerspruch stehen. In diesem beschränk- ten Sinne mag man der induktiven Forschung als Mittel zur Gewinnung allgemein gültiger Zusammenhänge zwischen Konjunktur und öffentlichen Einnahmen ihren Platz belassen 1).

So scheint in der Tat hier, wie so oft, die deduktive Methode diejenige zu sein, die im wesentlichen allein zur Erkenntnis einer Gesetz- mäßigkeit zu führen vermag. Aber welcher Art sind denn nun die Erkennt- nisse, zu denen sie führt, und welchen Wert besitzen sie ? Diese Fragen können wir wohl nicht besser beantworten, als wenn wir die bereits erwähnten Unter- suchungen von F. Neumark zugrunde legen, die sich von allen anderen einschlägigen Arbeiten durch die bewußte und folgerichtig durchgeführte Anwendung der deduktiven Methode unterscheiden. Wesentlich scheint vor allen Dingen der Hinweis Neumarks darauf zu sein, daß der Einfluß der Konjunkturschwankungen auf die Steuererträge heute deshalb wesent- lich größer ist als früher, weil die moderne Steuergesetzgebung, insbeson- dere in Deutschland, auf die persönlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen mehr Kücksicht zu nehmen sucht, und weil die Steuerprogression heute eine größere Rolle spielt. Daraus ergibt sich die notwendige Folge, daß im Falle eines Rückganges des Steuerobjektes ein überproportiorialer Rück- gang der Steuererträge eintritt. Ja, der Steuerertrag kann mit der An- näherung des Einkommens gegen das Existenzminimum gegen 0 gehen. Die gleiche Wirkung hat die Tendenz der modernen Steuergesetze, an Stelle von Schätzungsgrößen solche zu setzen, die nach Möglichkeit der Wirklich- keit entsprechen 2). Das läßt sich mit kurzen Worten auch etwa so aus- drücken, daß die heute im Vordergrund stehende Besteuerung nach dem wirklichen Einkommen bzw. wirklichen Vermögen im Gegensatz zu der früher mehr üblichen Besteuerung nach äußeren Merkmalen in hohem Maße konj unkturempfindlich ist. Im übrigen zeigt aber ge- rade die Lektüre des Neumarkschen Buches, daß eine große Zahl, ja wohl die meisten deduktiv gewonnenen Erkenntnisse auf dem in Rede stehenden Gebiet deshalb keinen Wert haben, weil sie schlechthin selbstverständlich sind. Was soll man zu der „Erkenntnis" sagen, daß die Einnahmen aus ver- pachteten Domänen weniger konjunkturempfindlich sind als aus staatlichen Forstbetrieben, die in eigener Regie verwaltet werden 3), oder daß bei Steuerverpachtung die Einnahmen konjunkturunempfindlich sind 4). Oder auch, daß die Kapital verkehrsteuer relativ leicht und rasch durch Kon- junkturschwankungen beeinflußt wird 5) ? Mit diesen Bemerkungen will ich keineswegs eine Kritik an den betreffenden Ausführungen üben, sondern nur zeigen, daß die Untersuchung des in Rede stehenden Fragenkomplexes häufig zu Banalitäten führen muß. Allerdings nicht immer, denn man findet auch Gedankengänge, die zwar nicht banal, aber auch nicht richtig sind.

1) Selbstverständlich wird hierbei von der wichtigen Funktion der induktiven Forschung abgesehen, uns die Probleme zu stellen, die die Voraussetzungen der de- duktiven Untersuchung bilden.

2) Vgl. Neumark, a. a. 0. S. 37. 3) Vgl. a. a. 0. S. 19.

4) Vgl. a. a. 0. S. 29. 6) Vgl. a. a. 0. S. 53.

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284 Otto Frhr. von Mering

So ist z.B. der Ansicht'1) zu widersprechen, daß sich bei der Erbschaftsbe- steuerung ein Einfluß der Konjunkturschwankungen auf die Steuererträge nur in sehr geringem Umfang geltend machen könnte, weil die Steuer- grundlage dank dem Gesetz der großen Zahl eine verhältnismäßig gleich- bleibende Größe bilde und sich aus Objekten zusammensetze, für die durch- schnittlich nur etwa alle 30 Jahre die Steuerpflicht eintritt. In Wahrheit kommt es darauf gar nicht an, entscheidend ist, daß, wenn auch - und hier gilt wirklich das Gesetz der großen Zahl - die Anzahl der Erbfälle alljährlich eine ungefähr gleichbleibende Größe ist, so doch der Wert der Vermögen den Konjunkturschwankungen entsprechend schwankt. Der Nachlaß des Eigentümers eines großen Aktienvermögens beträgt in Zeiten ungünstiger Konjunktur nur einen Bruchteil des Wertes bei günstiger Kon- junktur. Die Schwankungen des Wertes des Immobilienvermögens sind wohl geringer, aber nichtsdestoweniger wenigstens dann erheblich, wenn die Grundlage der Bewertung keine fiktive ist.

Auch die weitere Behauptung 2), daß die Steuermoral ein kon- junkturempfindliches Phänomen darstelle und von der relativen Höhe der Steuerlast abhänge, kann nicht hingenommen werden. Daß der Wunsch zur ,, Steuerabwehr" auf legalem oder illegalem Wege bei schlechter Konjunk- tur noch etwas größer ist, - er ist freilich immer vorhanden - als bei guter Konjunktur, kann noch zugegeben werden, aber die Durchsetzung dieses Wunsches ist gerade bei schlechter Konjunktur schwerer als bei guter Kon- junktur. In letzter m Falle handelt es sich praktisch vor allem darum, der Steuerbehörde ein gestiegenes Einkommen (evtl. Umsatz) zu ver- heimlichen. Im ersten Falle muß der Kückgang des Einkommens plausibel gemacht werden, und zwar nicht nur der Rückgang des Einkommens, wie er sich aus der Gestaltung der Konjunktur tatsächlich ergibt, sondern nach Annahme noch darüber hinaus der durch die illegale Steuerersparnis bedingte „Einkommensrückgang". Jedenfalls läßt sich ein allgemeines Urteil über den Einfluß der Konjunktur in der in Rede stehenden Hinsicht nicht fällen.

Man könnte auf den Gedanken kommen, das Problem des Einflusses der Konjunktur auf die Besteuerung ließe sich in ähnlicher Weise zu einer Disziplin ausbauen, wie die Steuerüberwälzungslehre oder die Theorie der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Die Aussichten dafür scheinen aber nicht günstig zu sein. Vor allem deshalb nicht, weil die Zusammenhänge - wenigstens zum überwiegenden Teil - so unkompliziert sind, daß für eine Theorie kein Raum ist, und ich vermute, daß hierin auch der Grund zu sehen ist, weshalb die Zusammenhänge so lange ohne eingehendere Untersuchung geblieben sind.

B. Konjunktur und Finanzpolitik. Die Frage der Loslösung der Einnahmen von

den Konjunkturschwankungen. Da die öffentlichen Ein- nahmen entsprechend dem - freilich zeitlich nur beschränkt gültigen -

!) Neumark, S.46ff. 2) A.a.O. S.30ff.

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Neuere Untersuchungen über öffentliche Einnahmen und Konjunktur. 285

Gesetz der Zunahme der öffentlichen Ausgaben heute einen wesentlich größeren Teil des gesamten Volkseinkommens ausmachen als noch zu An- fang des 20. Jahrhunderts, ist die Frage mehr als je aktuell, wie man die für die Finanzen ungünstigen Folgen der Konjunkturschwankungen beseitigen kann. Zunächst liegt der Gedanke nahe, die öffentlichen Einnahmen von den Konjunkturschwankungen überhaupt loszulösen. Das läßt sich prinzi- piell einmal dadurch erreichen, daß unelastische Steuern zur Grundlage der Einnahmen gemacht werden. In dieser Richtung gehen auch manche in der Literatur geäußerte Wünsche. Insbesondere hat man ausdrücklich verlangt 1), vor allem für die Einkommen-, Vermögen- und Umsatzbesteuerung in stärkerem Maße Schätzungen, Pauschalierungen usw. zu verwenden und eine höhere Freigrenze bei der Einkommensteuer festzusetzen, durch die die größtenteils besonders konjunkturempfindlichen kleinsten Einkommen aus der Steuerpflicht herausgenommen werden, und zum Ausgleich die Steuern für Vermögen, Erbschaft und einzelne Massengenußmittel auszu- bauen 2). Das führt nun in Wahrheit zu nichts weniger als zu einer völ- ligen Umkehr in der generationenlangen Entwicklung des Steuerwesens, das überall von einer Besteuerung nach äußeren Merkmalen zu einer Be- steuerung unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse, gleichviel in welcher Weise, geführt hat. Diese Umkehr ist vielleicht aus anderen Gründen unvermeidlich, es ist aber kaum angängig, sie lediglich aus Grün- den des Einflusses der Konjunktur auf die Steuererträge vorzunehmen. Es fragt sich auch, ob die im Vergleich zu früher ganz anders geartete mo- derne kapitalistische Wirtschaft solche Steuern verträgt, ob sie nicht ge- rade bei schlechter Konjunktur massenhaft die Zahlungsunfähigkeit der Besteuerten herbeizuführen geeignet ist, die nun nicht nur die sonstigen fixen Kosten, sondern auch noch die Steuern als unveränderliche Last stän- dig mit sich schleppen müssen. Wenn die Besteuerung nach äußeren Merk- malen lange Zeit die Grundlage des Steuersystems gewesen ist, so konnte sie das nur deshalb sein, weil die gesamte Steuerlast einen verhältnis- mäßig nur sehr kleinen Bruchteil des Volkseinkommens ausmachte. Daß die Sucht, allenthalben die persönliche Leistungsfähigkeit - bei passender und unpassender Gelegenheit - in der Steuergesetzgebung zu berücksichti- gen, gerade in Deutschland zu großer Kompliziertheit der Steuertechnik geführt und daher die Steuererhebungskosten ungünstig beeinflußt hat, ist nicht zu bestreiten, und aus diesem Grunde wäre eine Vereinfachung der Steuertechnik auch in der in Rede stehenden Hinsicht zweifellos sehr zu begrüßen. Auch wird man in Notzeiten sicherlich immer wieder zur Be- steuerung nach äußeren Merkmalen zurückgreifen müssen, weil sie allein eine gewisse Mindesteinnahme garantiert. Aber das steht hier nicht zur Diskussion. Viel eher scheint es finanzpolitisch zweckmäßig zu sein, einen mehr oder weniger großen Besteuerungsspielraum in Zeiten günstiger Kon- junktur unausgenützt zu lassen, so daß man dann bei schlechter Konjunk- tur lediglich auf eine Erhöhung der Steuersätze, die nicht übertrieben zu sein braucht, angewiesen ist. Ähnlich könnte man daran denken, die Tarife

*) N e u m a r k , a. a. 0. S. 56. 2) A. a. 0. S. 56/57.

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286 Otto F r h r. von Mering

der öffentlichen Erwerbsunternehmungen grundsätzlich niedrig zu halten, um auch hier einen Spielraum nach oben zu haben. Der Nachteil, daß mög- licherweise eine Verschärfung der Depression eintritt, läßt sich dabei freilich kaum beseitigen.

Anleihen. Nimmt man aber eine gewisse Gesetzmäßigkeit des Konjunkturverlauf s an, so ist das „Normale" nicht eine Erhöhung der Steuersätze in Depressionszeiten, sondern die Aufnahme von Anleihen, die zu den niedrigen Zinssätzen der Depressionszeit erfolgt. Dieser „normale" Weg ist freilich nicht möglich, wenn sich mit der Depression eine länger andauernde Kreditkrise verbindet, wie das zur Zeit in Deutschland und in vielen andern Ländern der Welt der Fall ist. Immerhin läßt sich auch dann eine gewisse Erleichterung in dem Falle erzielen, daß die öffentlichen Ver- bände über beleihbare und noch nicht beliehene Betriebe, wie Elektrizitäts- werke, Gaswerke, verfügen, die ja tatsächlich in Deutschland eine Zeitlang die einzige Kreditquelle der Gemeinden gewesen sind.

Ausgabenpolitik. Ein letzter Ausweg, unter Umständen, vor allem im Falle der Kreditkrise der einzige, ist die Anpassung der Ausgaben an die Konjunktur, insbesondere an die ungünstige Konjunktur. In diesem Zusammenhang ist auch die Forderung aufgestellt worden, die öffentlichen Ausgaben grundsätzlich ähnlich elastisch wie die Einnahmen zu gestalten 1). Insbesondere hat man schon früher die Möglichkeit erwähnt, den außer- ordentlichen Haushalt elastisch zu behandeln 2). Aber damit ist - solide Finanzpolitik (im üblichen Sinne) vorausgesetzt - praktisch nicht viel anzufangen. Denn bei „solider" Finanzpolitik gehören in den außerordent- lichen Haushalt im wesentlichen nur werbende Ausgaben. Diese sind nur z. T. aufschiebbar, in Zeiten einer normalen Depression aber gerade zweck- mäßigerweise nicht aufzuschieben. Werden jedoch, was immerhin denkbar ist, die Ausgaben des außerordentlichen Haushalts durch Steuern gedeckt und verzichtet man auf diese Ausgaben in Depressionszeiten, so reduziert sich die Frage der Zweckmäßigkeit eines solchen Verhaltens auf die Frage, ob eine Thesaurierungspolitik der Finanz Wirtschaft zulässig ist. Eine Frage, die man wohl doch aus allgemeinen konjunkturpolitischen Gründen wird verneinen müssen3).

Größere praktische Bedeutung scheint die Unterscheidung von ver- schiebbaren und unverschiebbaren Ausgaben zu haben 4), insofern man gerade beim Sachbedarf zwischen dringlichen und

M Vgl. E. Münz er, Dynamischer Staatshaushalt? Jena 1931, S. 49 tf. 2) Vgl. Schwarz und Strutz, Der Staatshaushalt und die Finanzen

Preußens, Bd. I, Lieferung 1, Berlin 1900, S. 273/74. Von dieser Möglichkeit ist tatsächlich in Preußen Gebrauch gemacht worden. Vgl. auch Schwarz und S t r u t z , a. a. 0., Bd. III, Berlin 1904, S. 196.

3) Dem Reichsfinanzmmisterium freilich erscheint die ThesaurierungspolitiK als brauchbares Mittel gegen die Einwirkung der Konjunktur auf den öffentlichen Haushalt. Es führt zwar - im Finanziellen Überblick über den Reichshaushalt 1931, Reichstagsdrucksachen, 5. Wahlperiode, zu Nr. 311, S. 11/12 - auch andere Maßnahmen auf, betont aber die Notwendigkeit der Thesaurierung besonders stark.

4) Vgl. E. M u n z e r , a. a. 0. S. 45/46. Die gleiche Unterscheidung nimmt K. Mainz in seinem Aufsatz Konjunkturausgleich und öffentlicher Haushalt

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Neuere Untersuchungen über öffentliche Einnahmen und Konjunktur. 287

weniger dringlichen Ausgaben unterscheiden kann. Die Errichtung von neuen Schulgebäuden, von neuen Verwaltungsgebäuden kann ohne Frage sehr häufig ohne wesentlichen wirtschaftlichen Nachteil auf- geschoben werden, und es ist kein Zweifel, daß sich hierdurch sehr wesent- liche Ersparnisse erzielen lassen. In zweiter Linie bleibt die Möglichkeit einer Einschränkung der Personalausgaben, vor allem eine Herabsetzung der Beamtengehälter. Das widerspricht allerdings, ebenso wie die Ein- schränkung der Sachausgaben, gewissen, vielfach vertretenen Grundsätzen staatlicher Konjunkturpolitik, ebenso wie dem modernen Schlagwort der Erhaltung und Steigerung der Kaufkraft der Massen.

Es überschreitet den Rahmen dieses Aufsatzes, hierzu im einzelnen Stellung zu nehmen. Nur das Folgende darf vielleicht gesagt werden: Geht man davon aus, daß Krise und erste Depressionszeit auf Mißverhältnissen zwischen wirtschaftlich bedeutsamen Faktoren beruhen, so scheint der nächstliegende Ausweg eine Beseitigung dieses Mißverhältnisses zu sein. So ergibt sich vielleicht als Nutzanwendung für die öffentliche Finanzpoli- tik eine Anpassung der Ausgaben an die Einnahmen auf die Gefahr hin, daß die eben erwähnten Grundsätze verletzt werden, da der umgekehrte Weg der Anpassung der Einnahmen an die Ausgaben nicht nur depressionsver- schärfend wirken, sondern schlechterdings unmöglich sein kann.

vor (Vierteljahrsschrift für Steuer- und Fiüanzrecht, 5. Jahrg., Berlin 1931, Heft 3, S. 529/564). Während aber Munzer die Einschränkung des verschieb- baren Bedarfs in den Zeiten ungünstiger Konjunktur fordert, tritt Mainz dafür ein, im Sinne aktiver Konjunkturpolitik diesen Bedarf grundsätzlich in der De- pressionszeit zu befriedigen. Die Mittel sollen durch Fondsbildung und Anleihen beschafft werden (a. a. 0. S. 552 ff.).

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