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© DU CANE MEDICAL IMAGING LTD/ SPL / Agentur Focus C. Fottner 1 • M. Miederer 2 • T. J. Musholt 3 • M. M. Weber 1 Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz 1 Schwerpunkt Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen, I. Medizinischen Klinik und Poliklinik, 2 Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin 3 Sektion Endokrine Chirurgie, Klinik und Poliklinik für Allgemein,- Viszeral- und Transplantationschirurgie Neuroendokrine Neoplasien des Gastrointestinaltrakts Diagnostik und interdisziplinäre Therapie Neuroendokrine Neoplasien (NEN) des Verdauungstrakts stellen eine seltene und bezüglich ihrer Biologie, Klinik und Prognose heterogene Gruppe von Tumo- rerkrankungen dar. Dies stellt hohe An- forderungen an die Diagnostik und Therapie dieser an Inzidenz zunehmen- den Tumoren und erschwert eine einheit- liche Therapieempfehlung. Wichtigstes therapeutisches Prinzip ist die komplette chirurgische Tumorentfernung. Ist diese nicht möglich, erfolgt die Therapie in der Regel multimodal und multidisziplinär und orientiert sich an der vorliegenden Tumorentität, dem individuellen Spon- tanverlauf sowie der klinischen Be- schwerdesymptomatik des Patienten. Klassifikation und Prognose Gastroenteropankreatische neuroendokrine Neoplasien (GEP-NEN) sind seltene Tumoren mit einer Inzidenz von etwa 5/100.000 Einwoh- ner bei einer geschätzten Prävalenz von 35/100.000. Sie machen 5 % aller Neoplasien des Gastrointestinaltrakts aus, mit einem Häufig- keitsgipfel zwischen dem 50. und 60. Lebens- jahr bei ausgeglichenem Geschlechterverhält- nis [1]. Über die letzten 30 Jahre lässt sich ein stetiger Anstieg der Inzidenzzahlen beobach- ten, der wahrscheinlich der besseren Diagnos- tik geschuldet ist. Neben dem Stadium der Er- krankung sind der Differenzierungsgrad des Tumors, das Alter bei Diagnosestellung sowie die Primärtumorlokalisation wesentliche pro- best practice onkologie 2013 • 6(8):6–14 DOI 10.1007/s11654-013-0109-2 © Springer-Verlag 2013 Axialer, angefärbter CT-Scan einer cancero- genen Leber Topic Neuroendokrine Neoplasien 6 best practice onkologie 6 2013

Neuroendokrine Neoplasien des Gastrointestinaltrakts

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C. Fottner1 • M. Miederer2 • T. J. Musholt3 • M. M. Weber1 Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz1 Schwerpunkt Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen, I. Medizinischen Klinik und Poliklinik, 2 Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin 3 Sektion Endokrine Chirurgie, Klinik und Poliklinik für Allgemein,- Viszeral- und

Transplantationschirurgie

Neuroendokrine Neoplasien des GastrointestinaltraktsDiagnostik und interdisziplinäre Therapie

Neuroendokrine Neoplasien (NEN) des Verdauungstrakts stellen eine seltene und bezüglich ihrer Biologie, Klinik und Prognose heterogene Gruppe von Tumo-rerkrankungen dar. Dies stellt hohe An-forderungen an die Diagnostik und Therapie dieser an Inzidenz zunehmen-den Tumoren und erschwert eine einheit-liche Therapieempfehlung. Wichtigstes therapeutisches Prinzip ist die komplette chirurgische Tumorentfernung. Ist diese nicht möglich, erfolgt die Therapie in der Regel multimodal und multidisziplinär und orientiert sich an der vorliegenden Tumorentität, dem individuellen Spon-tanverlauf sowie der klinischen Be-schwerdesymptomatik des Patienten.

Klassifikation und Prognose

Gastroenteropankreatische neuroendokrine Neoplasien (GEP-NEN) sind seltene Tumoren mit einer Inzidenz von etwa 5/100.000 Einwoh-ner bei einer geschätzten Prävalenz von 35/100.000. Sie machen 5 % aller Neoplasien des Gastrointestinaltrakts aus, mit einem Häu�g-keitsgipfel zwischen dem 50. und 60. Lebens-jahr bei ausgeglichenem Geschlechterverhält-nis [1]. Über die letzten 30 Jahre lässt sich ein stetiger Anstieg der Inzidenzzahlen beobach-ten, der wahrscheinlich der besseren Diagnos-tik geschuldet ist. Neben dem Stadium der Er-krankung sind der Di�erenzierungsgrad des Tumors, das Alter bei Diagnosestellung sowie die Primärtumorlokalisation wesentliche pro-

best practice onkologie

2013 • 6(8):6–14

DOI 10.1007/s11654-013-0109-2

© Springer-Verlag 2013

Axialer, angefärbter CT-Scan einer cancero-genen Leber

Topic • Neuroendokrine Neoplasien

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gnostische Faktoren. Auch wenn die Prognose der häu�g als re-lativ gutartig charakterisierten GEP-NEN insgesamt eher güns-tig ist, liegt die kumulative 5-Jahres-Überlebensrate nur zwischen 45 und 70 % [2].

Heute wird zwischen einer großen Anzahl morphologisch und biologisch gut de�nierter Tumorentitäten unterschieden, so dass der immer noch o� verwendete Begri� des "Karzinoids" bzw. des "Inselzelltumors" nicht mehr ausreicht, um diese hete-rogene Tumorgruppe zu klassi�zieren. Aktuelle Grundlage für die Diagnostik und �erapie von GEP-NEN bildet die Klassi�-zierung nach WHO 2010 mit einem proliferationsbasierten Gra-ding und die lokalisationsbezogene TNM-Klassi�kation [3][4]. Diese Informationen sind vor �erapiebeginn obligat zu for-dern, da sie nicht nur eine Abschätzung der Prognose des Pati-enten ermöglichen, sondern auch wesentlich für die �erapie-auswahl sind (Abb. 1).Die WHO-Klassi�kation aus dem Jahr 2010 geht davon aus, dass alle NEN potenziell maligne sind und sich lediglich hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit zu metastasieren unterscheiden. Un-ter dem Begri� des "neuroendokrinen Tumors" wird die Grup-pe der als maligne einzustufenden gut bis mäßig di�erenzierten neuroendokrinen Neoplasien zusammengefasst und anhand des proliferationsbasierten Gradings weiter in G1 und G2 unterteilt. Der Begri� des "neuroendokrinen Karzinoms" wird nur noch für die niedrig di�erenzierten, rasch proliferativen, klein- oder großzelligen (G3-)Tumoren benutzt. Die prognostische Rele-vanz des Gradings konnte in mehreren Studien belegt werden und erlaubt eine gute Korrelation mit der mittleren Überlebens-dauer.

Klinik und Diagnose

Das Beschwerdebild, das durch GEP-NEN verursacht wird, ist in erster Linie abhängig vom primären Ursprungsort des Tu-mors und der Funktionalität. Etwa 30 % aller GEP-NEN sind hormonaktiv und können, je nach freigesetztem Peptidhormon,

ein spezi�sches, klinisch nachweisbares Beschwerdebild verur-sachen [5]. Eine Übersicht über die wesentlichsten Hormonsyn-drome, ihre biochemische Diagnostik und medikamentöse �e-rapie gibt Tab. 1. Die Mehrzahl der GEP-NEN sind klinisch hormoninaktiv und können durch mechanische Probleme oder über gastrointestinale Blutungen symptomatisch werden. Häu-�g wird die Diagnose als Zufallsbefund bei der Appendektomie, der Routineendoskopie oder im Rahmen des Nachweises von Lebermetastasen gestellt. Da nur selten eine spezi�sche Be-schwerdesymptomatik vorliegt, werden GEP-NEN typischer-weise erst in einem bereits fortgeschrittenen Tumorstadium di-agnostiziert.

Neben der biochemischen Diagnostik spezieller Hormonsyn-drome stellt Chromogranin A (CgA) den relevantesten unspe-zi�schen Marker bei GEP-NEN dar. Es besitzt für alle GEP-NEN eine Sensitivität von 50–90 % und eine Spezi�tät von 83–99 %. Als Verlaufsparameter korreliert CgA mit dem klinischen Ver-lauf und dem Au�reten einer Tumorprogression. Allerdings ist der Einsatz von CgA als Suchparameter bei Verdacht auf das Vorliegen eines GEP-NEN problematisch, da auch eine Vielzahl anderer Faktoren wie die Einnahme von Protonenpumpenin-hibitoren, eine chronisch atrophische Gastritis oder eine einge-schränkte Nierenfunktion zu erhöhten Spiegeln führen kann. CgA sollte daher nur als Verlaufsparameter benutzt werden und nicht als initialer Suchparameter [5].

Die bildgebende Diagnostik von GEP-NEN spielt insbeson-dere bei der Lokalisation des Primärtumors und der Bestim-mung der Tumorausdehnung eine Rolle. In erster Linie sind hier die endoskopischen Verfahren zu nennen, da sie durch die Mög-lichkeit der Biopsieentnahme auch einen diagnostischen Stel-lenwert besitzen. Die Endosonographie hat einen hohen Stellen-wert zur Beurteilung von NEN des Magens und Duodenums, des Pankreas und des Rektums. Den höchsten diagnostischen Stellenwert für die Detektion der Primärlokalisation von GEP-NEN und die Selektion geeigneter Patienten für eine SSTR(Somatostatinrezeptor)-basierte Peptidradiorezeptorthe-rapie (PRRT) hat die funktionelle bildgebende Diagnostik

Tab. 1 Klassifikation, Leitsymptome und symptomatische medikamentöse Therapieoptionen hormonaktiver GEP-NEN

Syndrom Leitsymptome Hormon MedikamentöseTherapieHäufigInsulinom Hyperinsulinämische Nüchternhy-

poglykämieInsulin - Everolimus (bei metastasiertem Insuli-

nom)- Diazoxid- (SSA)

Gastrinom (Zollinger-Ellison-Syndrom) Therapierefraktäre Ulzera, Diarrhö Gastrin - PPI (hochdosiert)- (SSA)

Karzinoidsyndrom Diarrhö, Flush, abdominelle Schmerzen, Bronchokonstriktion

Serotonin (Diagnostik: 5-Hydroxyin-dolessigsäure im 24-h-Sammelurin)

- SSA- INF- H₁/H₂-Blocker- Serotoninantagonisten (in klin. Studien)- Loperamid- Tinctura opii

SeltenVIPom (Werner-Morrison-Syndrom) Wässrige Diarrhö, Hypokaliämie,

AchlorhydrieVIP (Vasoaktives intestinales Poly-peptid)

- SSA- Loperamid- Tinctura opii- ggf. Kalium

Glukagonom Diabetes mellitus, nekrolytisches migratorisches Erythem

Glukagon - SSA- Insulin- ggf. orale Antidiabetika

SSA Somatostatinanaloga, PPI Protonenpumpeninhibitoren, INF Interferon α.

Topic • Neuroendokrine Neoplasien

8 best practice onkologie 6 • 2013

mittels SSTR-Szintigraphie oder -PET (111In-Octreotid-Szinti-graphie bzw. 68Ga-DOTATOC-PET). Sie weist für gut di�eren-zierte GEP-NEN eine Sensitivität von mehr als 90 % auf. Vor-aussetzung ist die Expression von SSTR auf der Zellober�äche, die je nach Tumorentität in 60 bis 95 % der Fälle zu �nden ist [6].

Therapie

Allgemeine Empfehlungen und chirurgische TherapieprinzipienWichtigstes und einzig kuratives therapeutisches Prinzip ist die komplette chirurgische Tumorentfernung, weshalb ihr eine zen-trale Bedeutung im integralen Behandlungskonzept neuroen-dokriner Tumoren zufällt [7]. Lokal operable GEP-NEN sollten mit Ausnahme endoskopisch therapierbarer früher Läsionen von Magen/Duodenum und Rektum in der Regel immer primär operativ entfernt werden. Bei potenziell malignem Verhalten sollte die Resektion mit entsprechendem Sicherheitsabstand und systematischer Lymphadenektomie erfolgen. Bei bestimmten NET-Entitäten mit geringem Metastasierungsrisiko können auch begrenzte Resektionen erfolgen. Hier sind jedoch organ-bezogene Besonderheiten zu beachten, weshalb diese Patienten in Zentren mit entsprechender Erfahrung in der chirurgischen �erapie von GEP-NEN behandelt werden sollten.

Auch bei nicht kurativ operablen Patienten kann es bei lang-sam wachsenden, gut (G1) oder mäßig (G2) di�erenzierten neu-

roendokrinen Tumoren sinnvoll sein, palliative chirurgische Maßnahmen durchzuführen. So belegen Studien, dass die ope-rative Entfernung des Primarius im Dünndarm – um hier ins-besondere lokalen Komplikationen durch ein obstruktives in-testinales Tumorwachstum vorzubeugen – bei GEP-NEN mit einer Verbesserung der Prognose einhergeht, auch wenn bereits eine fortgeschrittene Lebermetastasierung vorliegt. Die Entfer-nung des Primärtumors beinhaltet dabei die Resektion des be-tro�enen Dünndarmsegments, wobei zur Vermeidung eines Kurzdarmsyndroms auf den Erhalt nichtbetro�ener Dünndar-manteile zu achten ist. Aufgrund der häu�g bei GEP-NEN vor-kommenden desmoplastischen Veränderungen, die mit mesen-terialen Lymphknotenmetastasen assoziiert sind, kommt der Lymphadenektomie eine besondere Bedeutung zu. Eine syste-matische Resektion des Lymphab�ussgebiets nach onkologi-schen Prinzipien unter Erhalt der den Dünndarm versorgenden Gefäße ist für eine kurative Resektion, aber auch zur Vermei-dung von Komplikationen bei fortgeschrittenen NET des Dünn-darms essenziell und ist mit einer Prognoseverbesserung asso-ziiert [8].

„Wichtigstes und einzig kuratives thera-peutisches Prinzip bei GEP-NEN ist die komplette chirurgische Tumorentfernung“

Bei fortgeschrittenen Tumoren kann eine chirurgische Reduk-tion der Tumormasse niedrigproliferativer GEP-NEN auch bei symptomatischen Patienten mit hormonaktiven Tumoren sinn-voll sein oder bei sonst nicht adäquat therapierbaren lokalen Be-schwerden. Ein operatives Vorgehen kann dabei auch bei fort-geschrittenem Tumorleiden im Krankheitsverlauf sinnvoll sein, insbesondere wenn lokalablative oder chemotherapeutische Maßnahmen zu einer e�ektiven Tumorreduktion geführt ha-ben, die eine zuvor nicht sinnvolle operative �erapie zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht. Da die häu�g bei Patienten mit GEP-NEN nachweisbare Lebermetastasierung prognoserelevant ist, kann eine operative Resektion von Lebermetastasen auch in nichtkurativer Absicht indiziert sein. Durch moderne chirurgi-sche Verfahren besteht die Möglichkeit auch bei einer bilobär ausgedehnten Metastasierung Tumorfreiheit zu erreichen bzw. mindestens 90 % der Tumormasse zu entfernen. Dies setzt je-doch eine intensive präoperative Planung des Resektionsausma-ßes und eine entsprechende Expertise voraus. In diesen Fällen muss eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen, zu-dem sollte ein palliatives chirurgisches Vorgehen in eine opti-male therapeutische Gesamtstrategie eingebettet sein, die für jeden Patienten individuell im Rahmen eines spezialisierten in-terdisziplinären Tumorboards festgelegt werden sollte.

Nach Ausschöpfen der chirurgischen Optionen spielt neben einem möglichen antiproliferativen Ansatz die symptomatische �erapie mit Erhalt der Lebensqualität des Patienten eine we-sentliche Rolle. Die palliative �erapie sollte den individuellen Spontanverlauf der Tumorerkrankung, die Beschwerden und die Wünsche des Patienten berücksichtigen. Prinzipiell kann zwischen einer symptomatischen (medikamentösen) Behand-lung funktionell aktiver neuroendokriner Tumoren und einer antiproliferativen �erapie unterschieden werden. Bei Vorlie-

1 Strukturiertes Vorgehen für die Diagnostik und Klassifikation von GEP-NEN

Makroskopie/ KlinikTNM-Klassi�kation

Tumorgröße, Lymphknoten, Metastasen

Organlokalisation, funktionelle Aktivität, hereditärer Hintergrund

Klassi�kation von NEN nach WHO 2010

Neuroendokriner Tumor (NET)• G1• G2

(klein/großzelliges) neuroendokrines Karzinom (NEC)• G3

Gemischtes adenoneuroendokrines KarzinomHyperplastische und präneoplastische Läsion

V.a. neuroendokrine Neoplasie (NEN)

MikroskopieMorphologie: vereinbar mit NEN

Di�erenzierungsgrad: hochdi�erenziert vs. geringdi�erenziert

Immunhistologische Diagnosesicherung Synaptophysin, Chromogranin A

Proliferationsbasiertes GradingGrad Ki-67-Index Mitosen (10 HPF)G1G2G3

≤23-20>20

<22-20>20

Neuroendokrine Neoplasien • Topic

6 • 2013 best practice onkologie 9

gen eines klinischen Hormonsyndroms besteht meist die Not-wendigkeit für eine spezi�sche medikamentöse Behandlung, da die Hormonsekretion in vielen Fällen für den Patienten belas-tender sein kann als der eigentliche Tumor. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Wachstumskinetik von NEN mit teilweise längeren Perioden des klinischen Wachstumsstillstandes – auch ohne spezi�sche antiproliferative �erapie – sollte die Indika-tion zur �erapieeskalation, mit Ausnahme der Somatostati-nanaloga, in der Regel erst bei nachgewiesener Tumorprogres-sion oder entsprechender klinischer Beschwerdesymptomatik und unter Abwägung des Nutzen-Nebenwirkungs-Verhältnis-ses erfolgen.

Symptomatische medikamentöse Therapie

Somatostatinanaloga. Mehr als 85 % aller GEP-NEN expri-mieren spezi�sche SSTR, die für therapeutische Zwecke genutzt werden können. Die verfügbaren Somatostatinanaloga (SSA) weisen eine Halbwertszeit von etwa 90–120 min auf und binden mit hoher A�nität an die SSTR-Subtypen 2 und 5, sowie deut-lich geringer an SST-3. Während Octreotid 3-mal täglich sub-kutan verabreicht werden muss, erlaubt die Komplexierung der SSA mit Mikrosphären (Octreotid LAR®, 20–30 mg i.m., alle 28 Tage) oder Polymeren (Lanreotid Autogel®, 90–120 mg tief s.c., alle 28 Tage) die Applikation in längeren Intervallen. Aufgrund des sehr günstigen Nebenwirkungspro�ls gelten SSA als �era-peutika der ersten Wahl zur Kontrolle eines Hormonsyndroms. Metaanalysen zeigen für beide SSA ein biochemisches und kli-nisches Ansprechen von bis zu 80 % [9]. Die �erapie mit SSA ist insgesamt sehr gut verträglich. Die meisten Nebenwirkun-gen (Diarrhö, Bauchschmerzen, Obstipation, aufgeblähter Bauch, entfärbter Stuhl) treten zu Beginn der �erapie auf und bessern sich bei dauerha�er Anwendung.

Interferon α. Die symptomatische Wirksamkeit einer �erapie mit INF-α ist geringer ausgeprägt als die mit SSA. Die meisten Patienten weisen typische Nebenwirkungen der INF-�erapie auf. Aufgrund des größeren Nebenwirkungsspektrums ist IFN-α daher nur eine �erapieoption der zweiten Wahl, insbe-sondere bei Kontraindikationen gegen SSA oder wenn mit SSA alleine keine ausreichende Hormonkontrolle erreicht werden kann [10]. Eine antiproliferative Wirksamkeit von IFN bei GEP-NEN kann aufgrund kleinerer Studiendaten angenommen wer-den, ist jedoch bislang nicht sicher belegt.

Spezi�sche medikamentöse Therapieoptionen einzelner Tu-morentitäten. • Tab. 1 zeigt weitere Medikamente, die ergän-zend oder als Alternative zur Standardtherapie mit SSA bei der Behandlung spezi�scher Hormonsyndrome einzelner GEP-NEN-Entitäten eingesetzt werden können.

Antiproliferative Therapie nicht kurativ resezierbarer, metastasierter GEP-NENAntiproliferative �erapiestrategien kommen bei nichtoperab-len metastasierten neuroendokrinen Tumoren dann zum Ein-satz, wenn sich ein klinisch relevanter Progress der Tumorer-krankung zeigt. Bei der Auswahl der antiproliferativen �erapie stehen die Verträglichkeit und das Nebenwirkungsspektrum im Vordergrund, um eine für den Patienten möglichst gute Lebens-qualität zu erhalten. Aggressive �erapiemaßnahmen sind pri-

mär lediglich bei Patienten mit schnell wachsenden Tumoren indiziert oder bei Patienten, deren klinische Symptome auf kei-ne der üblichen nebenwirkungsärmeren Behandlungsoptionen ansprechen.

Aufgrund der Heterogenität der Tumoren bezüglich ihres bio-logischen Verhaltens und der Prognose können keine einheitli-chen allgemeingültigen �erapieschemata vorgegeben werden. Vergleichende Studien zu den verschiedenen �erapieoptionen existieren ebenso wenig wie Daten über die optimale �erapie-sequenz und Dauer der einzelnen therapeutischen Maßnahmen. Prinzipiell werden in der palliativen �erapiesituation erfolg-reiche �erapien fortgeführt, solange sie e�ektiv sind und kei-ne relevanten Nebenwirkungen verursachen. Eine bildgebende und laborchemische Verlaufskontrolle erfolgt bei gut und mä-ßig di�erenzierten NEN (NET G1/G2) in der Regel alle 3–6 Mo-nate und orientiert sich an der Wachstumskinetik des Tumors. Bei langsam wachsenden Tumoren können im Verlauf auch län-gere Kontrollintervalle gerechtfertigt sein. Bei gering di�eren-zierten NEC G3 sind die Verlaufskontrollen, vor allem initial zur Beurteilung eines �erapieansprechens, in der Regel deut-lich kürzer (z. B. alle 6–8 Wochen).

Die Wahl des bildgebenden Verfahrens richtet sich in erster Linie nach der Organmanifestation des Tumorleidens. Als Tu-mormarker wird in der Verlaufsbeobachtung bei allen gut dif-ferenzierten GEP-NEN Chromogranin A empfohlen, da die Da-ten hier nicht nur eine gute Korrelation mit der Tumorlast zeigen, sondern auch die relativ zuverlässige Detektion einer Krankheitsprogression, häu�g sogar früher als mit radiologi-schen Verfahren.

Die Bestimmung weiterer Tumormarker oder spezi�scher Hormonparameter zur Tumornachsorge und Verlaufskontrolle nicht generell nicht erforderlich. Lediglich bei negativem Chro-mogranin A kann die Bestimmung anderer eventuell erhöhter Hormonparameter ersatzweise erwogen werden. Ein Wechsel der �erapie erfolgt in der Regel bei nachgewiesener Krank-heitsprogression bzw. bei nichtkontrollierbaren klinischen Be-schwerden oder Unverträglichkeit der �erapie. Da sich im Krankheitsverlauf nicht selten Änderungen der Tumorbiologie (z. B. Veränderungen der proliferativen Aktivität, Verlust der Somatostatinrezeptorexpression) zeigen, die auch therapeuti-sche Konsequenzen nach sich ziehen, sollte im Falle einer rele-vanten Befundprogression, bei neu aufgetretenen Organmani-festationen oder bei klinischen Hinweisen auf eine veränderte Tumorbiologie die Indikation zu einer erneuten Histologiege-winnung großzügig gestellt werden.

Generell sollte das �erapiekonzept bei Patienten mit GEP-NEN individuell und multidisziplinär festgelegt werden und sich an der vorliegenden Tumorentität, dem individuellen Spon-tanverlauf und der Beschwerdesymptomatik orientieren. Eine Entscheidungshilfe für die Steuerung eines individuellen �e-rapiekonzepts können die 2012 überarbeiteten Leitlinien der Eu-ropäischen Neuroendokrinen Tumorgesellscha� (ENETS) ge-ben [11]. Einen schematischen �erapiealgorithmus nichtoperabler metastasierter GEP-NEN stellt • Abb. 2 dar.

Medikamentöse Therapieoptionen

Somatostatinanaloga. Neben dem gut dokumentierten sym-ptomatischen �erapiee�ekt von SSA konnte in der prospekti-ven, multizentrischen, placebokontrollierten und randomisier-

Topic • Neuroendokrine Neoplasien

10 best practice onkologie 6 • 2013

ten PROMID-Studie bei Patienten mit metastasierten, hochdi�erenzierten neuroendokrinen Tumoren des Dünn-darms auch ein antiproliferativer E�ekt von Octreotid LAR® (30 mg alle 28 Tage i.m.) gezeigt werden, mit einer im Vergleich zu Placebo signi�kanten Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) von 5,9 auf 15,6 Monate [12]. Die �erapie wurde von den Patienten sehr gut toleriert.

Diese Daten konnten durch die CLARINET-Studie bestätigt werden [13], einer prospektiven randomisierten, doppelblinden placebokontrollierten Phase-III-Studie, die die E�ektivität des langwirksamen SSA Lanreotid Autogel® (120 mg alle 28 Tage s.c.) bei Patienten mit nichtfunktionellen, gut bis mäßig di�e-renzierten GEP-NEN untersucht hat. Die �erapie mit Lanreo-tid Autogel führte zu einer signi�kanten Reduktion des Risikos für eine Krankheitsprogression um mehr als 50 % (p = 0,0002, HR 0,47; 95 %-CI: 0,30/0,73) mit einer Verlängerung des PFS (hier medianes PFS noch nicht erreicht) im Vergleich zur unbe-handelten Placebogruppe (medianes PFS 18 Monate). Positive E�ekte der SSA-�erapie konnten sowohl bei den G1- als auch bei den G2-Tumoren gezeigt werden, unabhängig von der hepa-tischen Tumorlast.

Aufgrund dieser Daten und der sehr guten Verträglichkeit kann die �erapie mit langwirksamen SSA auch bei hormonin-aktiven gut di�erenzierten und langsam wachsenden GEP-NEN als �erapieoption der ersten Wahl angesehen werden. Da die meisten NET des Pankreas G2-Tumoren sind und ein schnelle-res Wachstum zeigen, kann die antiproliferative Wirksamkeit von langwirksamen SSA bei diesen Tumoren weniger stark aus-geprägt sein. Bei einem alleinigen Einsatz von SSA zur antipro-liferativen �erapie von pankreatischen NEN sollte daher eine initial engmaschigere Kontrolle der Wachstumskinetik erfol-gen. Bei ausgedehnter Tumormasse, höherem Proliferationsin-dex und bei erforderlichem Remissionsdruck sollte zudem die Indikation für die direkte Einleitung aggressiverer antiprolife-

rativer �erapiemaßnahmen geprü� werden.

ChemotherapieHochdi�erenzierte und in der Regel langsam wachsende GEP-NEN gelten allgemein als weitgehend chemotherapieresistent. Die publizierten Daten zu den verschiedenen Chemotherapie-protokollen zeigen bei NEN von Magen, Dünndarm oder Ko-lon/Rektum ein objektives Ansprechen in weniger als 20 % der Fälle. Ausnahmen für den Einsatz einer Chemotherapie stellen pankreatische NEN dar sowie niedrigdi�erenzierte, rasch pro-liferative NEC (G3), unabhängig von der Lokalisation des Pri-märtumors.

NET G1/G2 des Pankreas. Pankreatische NET gelten als sensi-bel für eine streptozotozinbasierte Chemotherapie. Die hier ver-fügbaren Studien zeigen ein objektives �erapieansprechen auf eine Kombinationschemotherapie mit Streptozotocin (Doxoru-bicin) und 5-FU in etwa 40 % und eine Stabilisierung der Er-krankung in etwa 50 % der Fälle [14]. Die Dauer des Anspre-chens liegt bei etwa 9 Monaten, das progressionsfreie Überleben nach 2 Jahren bei ca. 40 % und das Gesamtüberleben bei 75 %. Insgesamt ist diese �erapie relativ gut verträglich. Aufgrund dieser Daten sehen die ENETS Consensus Guidelines die strep-tozotocinbasierte Chemotherapie derzeit als �erapieoption der ersten Wahl bei progredienten NET G1/G2 des Pankreas mit ei-ner hohen Tumorlast oder einer klinischen Symptomatik.

Der gute E�ekt des methylierenden Zytostatikums Strepto-zotocin hat dazu geführt, dass Temozolomid, ein methylieren-des Zytostatikum der 4. Generation, in Kombination mit Cape-citabin mit vielversprechenden Ergebnissen zur �erapie pankreatischer NET eingesetzt wird. Allerdings ist die Daten-lage für den routinemäßigen Einsatz einer temozolomidbasier-ten Chemotherapie derzeit noch nicht ausreichend. Darüber hi-naus ist Temozolomid bislang nicht für die �erapie von NET

2 Schematischer Thera-piealgorithmus nicht-operabler metastasierter gastro-enteropankreatischer neuroendokriner Neo-plasien (GEP-NEN). CAP Capecitabin, OR objecti-ve response, PRRT Pep-tidradiorezeptorthera-pie, SSTR Somatostatinrezeptor, STZ Streptozotozin,TEM Temozolomid

Progression

Gering di�erenziertNEC G3

Progression

Gut di�erenziertNET G1 / G2

PankreasDünndarm

Studien, experimentelle Therapien !?

platinbasierteChemotherapie

PRRT

OR nötig,dissemininierter

Befall,hoher SSTR-

Uptake

Everolimus®

Sunitinib®Stabilisation,

geringereTumorlast

lokalablativeTherapie

dominanterLeberbefall

STZ + 5-FUTEM CAP

OR nötig,disseminierter

Befall,rasche Progression

höherer Ki-67-Index

Somatostatinanaloga

Progression

spezi�scheMedikamente

hormonaktiv

langsames WachstumschnellesWachstum,hoheTumorlast

(ggfs. bei DD-NET)

Neuroendokrine Neoplasien • Topic

6 • 2013 best practice onkologie 11

zugelassen. Eine Chemotherapie mit Temozolomid/Capecitabin wird aktuell nach den ENETS-Leitlinien bei Kontraindikationen gegen eine Streptozotocin/5-FU-�erapie für die Behandlung progredienter pankreatischer NEN empfohlen.

NEC G3. Niedrigdi�erenzierte, hochproliferative NEC G3 gel-ten als chemotherapiesensibel, zeigen jedoch nach einem häu�g initial guten Ansprechen ein meist nur kurzes PFS mit einer durchschnittlichen 5-Jahres-Überlebensrate unter 10 %. Stan-dardtherapie ist hier der frühzeitige Einsatz einer platinbasier-ten Chemotherapie. Ältere Studien zeigen nach Cisplatin und Etoposid ein objektives �erapieansprechen in etwa 40 % bei ei-nem PFS von knapp 9 Monaten und einer 2-Jahres-Überlebens-rate von ca. 20 %.

Die potenziell schwerwiegenden Nebenwirkungen einer pla-tinbasierten Polychemotherapie vor allem in Bezug auf ihre Hä-mato- und Nephrotoxizität erfordern eine optimale supportive �erapie. Neben einer Kombinationstherapie mit Cisplatin (oder Carboplatin) und Etoposid, die nach den ENETS Consen-sus Guidelines als Standardtherapie gilt, sind kleinere Studien publiziert, die den Einsatz einer Polychemotherapie mit Pacli-taxel/Carboplatin/Etoposid oder mit Irinotecan/Cisplatin mit ähnlichen Ansprechraten gezeigt haben.

Molekulare zielgerichtete TherapieIm Jahr 2011 erfolgte die Zulassung des Tyrosinkinaseinhibi-tors Sunitinib sowie des Mammalian-Target-of-Rapamycin(mTOR)-Inhibitors Everolimus für die Behandlung nichtresezierbarer oder metastasierter, gut di�erenzierter pan-kreatischer NET mit progressivem Krankheitsverlauf.

Sunitinib. In einer prospektiven randomisierten, doppelblinden placebokontrollierten Studie an 177 Patienten mit pankreatischen

NET und dokumentierter Progression innerhalb von 12 Mona-ten vor Studieneinschluss konnte für die �erapie mit 37,5 mg Sunitinib täglich eine Verlängerung des PFS von 11,4 gegenüber 5,5 Monaten in der Placebogruppe gezeigt werden (HR 0,418). Das objektive �erapieansprechen nach RECIST ("response eva-luation criteria in solid tumors") lag in der mit Sunitinib behan-delten Gruppe bei lediglich 9,3 % (gegenüber 0 % in der Placebo-gruppe). Bei den meisten Patienten (72 %) zeigt sich eine Stabilisierung des Tumorwachstums [15]. Eine Verlängerung des PFS konnte dabei in allen Subgruppen nachgewiesen werden, un-abhängig von Proliferationsindex, der hormonellen Aktivität oder einer Vorbehandlung mit SSA oder Chemotherapie.

Everolimus. In der prospektiven randomisierten, doppelblin-den placebokontrollierten Zulassungsstudie RADIANT-3 an 410 Patienten mit pankreatischen NET und dokumentierter Progression innerhalb von 12 Monaten vor Studieneinschluss zeigte sich unter der Gabe von 10 mg Everolimus täglich eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens von im Mittel 4,6 auf 11,0 Monate (HR 0,35; p < 0,0001). Ähnlich wie unter �erapie mit Sunitinib zeigte sich bei der überwiegenden Mehr-zahl der Patienten eine Tumorstabilisierung (72,9 %), ein objek-tives Ansprechen (nach RECIST) lediglich bei 4,8 % [16]. Auch hier war das verbesserte PFS unter der �erapie mit Everolimus unabhängig vom Proliferationsindex, der hormonellen Aktivi-tät oder einer Vorbehandlung mit SSA oder Chemotherapie.

In einer weiteren prospektiven randomisierten, doppelblin-den placebokontrollierten Studie (RADIANT-2) wurde der Ef-fekt von 10 mg Everolimus mit oder ohne Octreotid LAR (30 mg alle 28 Tage i.m.) bei 429 NET-Patienten mit einem klinischen Karzinoidsyndrom in der Anamnese (Hauptlokalisationen: Dünndarm, Kolon/Rektum und Lunge) untersucht, bei dem aufgrund der bekannten Chemotherapieresistenz nur wenige

Bei EGFR-Inhibition auch an Hautschutz denken

EGFR-Hemmer sind fester Bestandteil der Therapie von beispielsweise Kolorektalkarzinomen. Hautreaktionen unter der Behandlung signalisie-ren ein Therapieansprechen, sind aber für die Patienten sehr belastend. Prophylaktische Maßnahmen können ihre Schwere reduzieren. Akneiforme Läsionen, Nagelbettentzündungen und Fissuren sind nur ei-nige Beispiele für typische kutane Nebenwirkungen unter einer Therapie mit Inhibitoren des „Epidermal Growth Factor Receptors“ (EGFR). EGFR-Hemmer induzieren eine Chemokinexpression in epidermalen Keratino-zyten und verringern die Produktion von antimikrobiellen Peptiden und Proteinen der Hautbarriere.

Antibiotikaprophylaxe zeigt WirkungZur prophylaktischen Antibiotikagabe wurden bisher nur wenige Studi-en durchgeführt. Dabei kamen Doxycyclin, Minocyclin und Tetracyclin zum Einsatz. Insgesamt ist die Datenlage eher dünn, aber alle vorhande-nen Resultate weisen in Richtung prophylaktischer Antibiotikatherapie. Offen ist aber, wie lange eine Antibiose gegeben werden sollte.

Vitamin K scheint EGF-Rezeptor zu aktivierenVitamin-K-haltige Cremes bieten einen weiteren Ansatz für den Haut-

schutz. Menadion (Vit K3) führte z.B. in vitro – scheinbar vermittelt durch oxidativen Stress – zu einer EGFR-Aktivierung in Keratinozyten und schützte die Zellen vor der Wirkung von Erlotinib und Cetuximab. In der klinischen Anwendung hat sich eine topische Vitamin-K-Applika-tion ebenfalls positiv ausgewirkt. Derzeit wird in zwei Studien untersucht, ob sich die Prophylaxe von Hautreaktionen durch die zusätzliche Gabe von Vitamin K zur Antibiose weiter verbessert (DERMATUX-Studie, EVITA-Studie). Eine validere Einschätzung der Vitamin K-Behandlung ist wohl erst möglich, wenn diese Ergebnisse vorliegen.

Weitere Informationen: European Society of Medical Oncology (ESMO): Management of Skin Toxicities from EGFR Inhibitor Therapies Lacouture ME et al. Clinical practice guidelines for the prevention and treatment of EGFR inhibitor-associated dermatologic toxicities. Support Care Cancer. 2011;19(8):1079-95

Quelle: springermedizin.de basierend auf: de Wit M; Hauttoxizität neuer zielge-

richteter Substanzen: Welche Prophylaxe ist sinnvoll?; Jahrestagung der Deutschen,

Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onko-

logie 2013, 18.–22.10.2013, Wien

Aktuell

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12 best practice onkologie 6 • 2013

systemische �erapieoptionen verfügbar sind [17]. Auch hier hatte sich unter der �erapie mit Everolimus eine klinisch be-deutsame Verlängerung des PFS von 11,3 auf 16,4 Monate, HR 0,77; p = 0,026) gezeigt. Dabei wurde jedoch knapp das präspe-zi�zierte Signi�kanzniveau verfehlt (p = 0,0246), weshalb Eve-rolimus derzeit bei diesen NET-Entitäten nur im Rahmen von wissenscha�lichen Studien eingesetzt wird bzw. im Sinne eines individuellen Heilversuchs bei mangelnder anderer therapeuti-scher Alternative.

Lokoregionäre ablative TherapieverfahrenBei ausschließlichem oder dominantem Leberbefall kommen lo-kalablative bzw. interventionelle radiologische Verfahren zur Be-handlung von Lebermetastasen infrage. Bei einzelnen kleineren Lebermetastasen ist eine �ermoablation (Radiofrequenzablati-on, Laserablation) möglich. Bei multiplen Lebermetastasen bietet sich die transarterielle Embolisation (TAE) der Lebermetastasen an. Neben der alleinigen Verwendung von Mikrosphären zur Ge-fäßembolisation kann diese zusätzlich mit einer lokalen Gabe ei-nes Chemotherapeutikums kombiniert werden (TACE) oder mit sog. "drug eluting beads", die eine verzögerte, aber kontinuierli-che Abgabe von z. B. Doxorubicin über einen längeren Zeitraum ermöglichen. Die verfügbaren Daten zeigen für beide Verfahren ähnliche Ergebnisse mit einem Ansprechen von 53 bzw. 56 % für die Chemoembolisation bzw. Embolisation alleine. Die lokalab-lative �erapie von Lebermetastasen mittels TA(C)E zeigt bei kal-kulierbaren Nebenwirkungen maximale Remissionsraten von bis zu 80 % mit einem medianen Überleben nach Embolisation von 70 Monaten und einer Überlebensrate von 40–65 % nach 5 Jah-ren. Darum sollten lokalablative Verfahren bei gut di�erenzier-ten progredienten NET mit dominanter bzw. ausschließlicher Le-bermetastasierung als �erapieoption der ersten Wahl in Erwägung gezogen werden [18].

Alternativ wird neben der konventionellen TA(C)E die selek-tive interne Radiotherapie (SIRT) mit 90Y-markierten Mikro-sphären eingesetzt. Die hier publizierten Daten an kleineren Pa-tientenkollektiven zeigen ähnliche Ansprechraten, ohne jedoch eine Überlegenheit der SIRT gegenüber der normalen TA(C)E nachweisen zu können. Die Entscheidung über das optimale lo-kalablative �erapieverfahren sollte nach individueller Nutzen-Risiko-Abschätzung und lokal vorhandener Expertise interdis-ziplinär getro�en werden.

PeptidradiorezeptortherapieRadionuklidmarkierte SSA werden seit Jahren zur Diagnostik von GEP-NEN eingesetzt. Durch die stabile Markierung von verschiedenen SSA mit Betastrahlen (und/oder Gammastrah-len) emittierenden Radionukliden wie • Yttrium-90 (reiner Betastrahler, maximale Energie 2,27 MeV,

Reichweite maximal 12 mm), • Lutetium-177 (niedrigenergetischer Betastrahler, geringer

Gammastrahlenanteil, maximale Energie 0,50 MeV, Reich-weite maximal 2 mm)über einen Chelator (z. B. 1,4,7,10-Tetraazacyclododecan-

1,4,7,10-Tetraessigsäure/DOTA oder DTPA) ist der Einsatz dieser Radiopeptide auch zu therapeutischen Zwecken im Sinne einer systemisch wirksamen Peptidradiorezeptortherapie (PRRT) möglich, da der SSTR nach hocha�ner Bindung internalisiert wird und somit ein radiogener Schaden an der Tumorzelle indu-ziert werden kann. Es existieren multiple Studien bezüglich des

�erapieansprechens mit einer meist kleineren Fallzahl für beide Radionuklide. Die zuletzt verö�entlichten Metaanalysen und Da-ten größerer Patientenkollektive aus den aktivsten europäischen Zentren zeigen ein Ansprechen auf die �erapie (komplette und partielle Remissionen) von 6–33 % (im Mittel 31 %), wobei kom-plette Remissionen sehr selten beobachtet werden. Meist kann durch die �erapie eine Stabilisierung des Tumorwachstums er-reicht werden (44–88 %, im Mittel 52 %), während eine Progres-sion der Erkrankung in 12–24 % (im Mittel 17 %) beobachtet wird. Prädiktoren für ein besseres �erapieansprechen sind ein hoher Uptake in der SSTR-Bildgebung, eine geringe Tumormasse und ein hoher Karnofsky-Index [19].

Probleme dieser nichtrandomisierten Studien sind das meist heterogene Patientenkollektiv, ein nicht einheitlich dokumen-tierte Tumorprogression vor Studienbeginn und die fehlende Standardisierung hinsichtlich der De�nition objektiver Para-meter zur Bestimmung des �erapieerfolges. Voraussetzung für die PRRT ist eine hohe SSTR-Dichte, die mittels 111In-Octreo-tid-Szintigraphie oder 68Ga-DOTATOC-PET nachgewiesen sein muss. Darüber hinaus müssen die Patienten eine normale Nie-renfunktion und eine ausreichende Knochenmarkreserve auf-weisen, da sich als hauptsächliche Nebenwirkungen eine radio-gene Knochenmark- sowie Nierenschädigung zeigen kann. Während die in maximal 15 % der Fälle beobachtete (meist mil-de) Knochenmarkdepression (meist leichte Leuko- und �rom-bozytopenie) in aller Regel komplett reversibel ist, wird in Ein-zelfällen eine schwerwiegende und irreversible Niereninsu�zienz mit dauerha�er Dialysep�ichtigkeit be-schrieben. Neben einer laborchemisch uneingeschränkten Nie-renfunktion erfolgt daher prätherapeutisch in der Regel die nu-klearmedizinische Kontrolle der Nierenfunktion (99mTc-MAG3, 99mTc-DTPA). Parallel dazu wird zur Nephroprotektion wäh-rend der �erapie eine Aminosäurenlösung gegeben, um eine rasche Ausscheidung und eine möglichst geringe tubuläre Re-absorption und Rezirkulation zu verhindern.

Eine sichere Identi�kation von Patienten mit erhöhtem Risi-ko für eine radiogene Nierenschädigung ist bislang auch mit aufwendigen dosimetrischen Verfahren nicht sicher möglich. Prinzipiell werden Nebenwirkungen häu�ger bei Patienten mit multiplen Vortherapien (vor allem Chemotherapie), kardiovas-kulären Begleiterkrankungen und Diabetes beobachtet.

Aufgrund der geringeren Strahlungsaktivität und Reichweite �nden sich renale Nebenwirkungen bei Verwendung von Lute-tium-177 als Radionuklid seltener. Hier wird allerdings eine dis-kret erhöhte Rate von lymphoproliferativen Erkrankungen und myelodysplastischen Syndromen als Spätfolgen beobachtet.

Signi�kante Unterschiede bezüglich Wirksamkeit und Neben-wirkungspro�l lassen sich mit den bislang verö�entlichten Daten nicht stichhaltig belegen. Aufgrund der geringeren Nebenwir-kungsraten bezüglich der Nierenfunktion wird heute an den meis-ten Zentren Lutetium-177 als Radionuklid verwandt. In der Regel wird die �erapie fraktioniert in 1–4 Zyklen verabreicht, wobei pro Zyklus 3–7,4 GBq als Einzeldosis gegeben werden. Die kumulative Dosis liegt bei 7–30 GBq. Ein einheitliches �erapieregime existiert bislang jedoch nicht, auch fehlen Daten, die klare Hinweise auf die optimale Anzahl sowie Dosis der �erapiezyklen geben könnten. Auch der optimale Zeitpunkt dieser �erapieform im therapeuti-schen Algorithmus von GEP-NEN ist bislang nicht geklärt. Hier müssen die Ergebnisse gerade initiierter, randomisierter prospek-tiver Studien (z. B. NETTER-1) abgewartet werden.

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RadiotherapieDaten zur radioonkologischen �erapie von GEP-NEN liegen nicht vor. Eine sinnvolle Indikation zur Radiotherapie kann bei symptomatischen Metastasen zur lokalen Kontrolle des Tumor-wachstums gegeben sein, insbesondere bei Knochen- oder Hirn-metastasen. Ziel ist hier die Verbesserung der Lebensqualität und die Symptomenkontrolle, was häu�g durch die Bestrahlung als nützliche Ergänzung anderer �erapieverfahren gelingt.

Fazit für die Praxis

• GEP-NEN stellen eine seltene und in Bezug auf ihr biologi-sches Verhalten und die Prognose heterogene Gruppe von Tu-morerkrankungen dar.

• Grundlage für Diagnostik und �erapie bilden die Klassi�-zierung nach WHO 2010, das proliferationsbasierte Grading und die lokalisationsbezogene TNM-Klassi�kation.

• Das klinische Beschwerdebild ist meist unspezi�sch und ab-hängig vom primären Ursprungsort des Tumors und der Funktionalität.

• Chromogranin A ist der wichtigste Tumormarker bei GEP-NEN.

• Somatostatinrezeptorszintigraphie und -PET spielen eine ent-scheidende Rolle bei der bildgebenden Diagnostik.

• Aufgrund der Heterogenität von GEP-NEN kann keine ein-heitliche �erapieempfehlung gegeben werden. Wichtigste therapeutische Prinzipien sind die komplette chirurgische Tumorentfernung und bei metastasierten Tumoren die �e-rapie mit SSA.

• Bei weiterer Progression sollte das �erapiekonzept individu-ell und multidisziplinär festgelegt werden und sich an der vor-liegenden Tumorentität, dem individuellen Spontanverlauf und der Beschwerdesymptomatik ("Quality of Life") orientieren.

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Priv.Doz. Dr. med. Christian FottnerSchwerpunkt Endokrinologie und StoffwechselerkrankungenI. Medizinische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin MainzLangenbeckstrasse 1, 55101 MainzTel.: 06131/[email protected]

Einhaltung der ethischen RichtlinienInteressenkonflikt. Die Autoren verweisen auf folgende Interessenskonflikte hin: C. Fottner hat Vortragshonorare und Kongressreisekostenunterstützung von den Firmen Novartis Oncology GmbH, Ipsen Pharma GmbH, Pfizer Oncology erhalten. M. Miederer gibt keine Interessenkonflikte an. T.J. Musholt hat Honorare für Vortrags- und Schulungstätigkeiten von den Firmen Novartis Oncology GmbH und lpsen Pharma GmbH erhalten. M.M. Weber: Vortragshonorare und Kongressreisekostenunterstützung von Novartis Oncology GmbH, Ipsen Pharma GmbH, Pfizer Oncology und Forschungsförderung von Novartis und Ipsen.Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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