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Neurophysiol. Lab. 36 (2014) 1–9 Online verfügbar unter www.sciencedirect.com ScienceDirect Neuromodulation bei chronischen Kopfschmerzen Neuromodulation for chronic headache Torsten Kraya , Stephan Zierz Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Halle, Klinik und Poliklinik für Neurologie Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Ernst-Grube-Str. 40, 06097 Halle Eingegangen am 29. Oktober 2013; akzeptiert am 31. Oktober 2013 Online verfügbar seit 5 . November 2013 Zusammenfassung Aufgrund der wissenschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte existiert eine Vielzahl von nichtmedikamentösen und medikamentösen Therapien primärer Kopfschmerzerkrankungen. Bei konsequenter Umsetzung der Verhaltensempfehlungen und Einnahme einer medikamentösen The- rapie führt dies bei den meisten Patienten zu einer deutlichen Reduktion der Kopfschmerzhäufigkeit sowie Schmerzintensität. Allerdings gibt es auch eine Gruppe von Patienten die trotz dieser The- rapien unter chronischen, therapierefraktären Kopfschmerzen leiden. In den letzten Jahren wurden neuromodulierende Verfahren zur Behandlung dieser Patienten entwickelt. Im Folgenden werden die wichtigsten Verfahren der Neuromodulation bei chronischen Kopfschmerzen dargestellt. Schlüsselwörter: Chronische Kopfschmerzen, Neuromodulation, Behandlung von Kopfschmer- zen, chronische Migräne, chronischer Clusterkopfschmerz Summary Following the scientific developments of the last decades, there is a variety of non-pharmacological and pharmacological therapies for primary headache disorders. A consistent implementation of behavioral recommendations and following a drug treatment in most patients leads to a signifi- cant reduction in headache frequency and pain intensity. However, despite these therapies, there is also a group of patients suffering from chronic headache. In recent years a neuromodulation method for treatment of these patients has been developed. The most important neuromodulation methods for chronic headaches are described. Keywords: chronic headache, neuromodulation, treatment headaches, chronic migraine, chronic cluster headache Korrespondierender Autor. E-mail: [email protected] (T. Kraya). http://dx.doi.org/10.1016/j.neulab.2013.11.002

Neuromodulation bei chronischen Kopfschmerzen

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Neurophysiol. Lab. 36 (2014) 1–9

Online verfügbar unterwww.sciencedirect.com

ScienceDirect

Neuromodulation bei chronischenKopfschmerzen

Neuromodulation for chronic headache

Torsten Kraya ∗, Stephan Zierz

Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Halle,Klinik und Poliklinik für Neurologie Martin-Luther-UniversitätHalle-Wittenberg Ernst-Grube-Str. 40, 06097 Halle

Eingegangen am 29. Oktober 2013; akzeptiert am 31. Oktober 2013Online verfügbar seit 5 . November 2013

Zusammenfassung

Aufgrund der wissenschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte existiert eine Vielzahl vonnichtmedikamentösen und medikamentösen Therapien primärer Kopfschmerzerkrankungen. Beikonsequenter Umsetzung der Verhaltensempfehlungen und Einnahme einer medikamentösen The-rapie führt dies bei den meisten Patienten zu einer deutlichen Reduktion der Kopfschmerzhäufigkeitsowie Schmerzintensität. Allerdings gibt es auch eine Gruppe von Patienten die trotz dieser The-rapien unter chronischen, therapierefraktären Kopfschmerzen leiden. In den letzten Jahren wurdenneuromodulierende Verfahren zur Behandlung dieser Patienten entwickelt. Im Folgenden werden diewichtigsten Verfahren der Neuromodulation bei chronischen Kopfschmerzen dargestellt.

Schlüsselwörter: Chronische Kopfschmerzen, Neuromodulation, Behandlung von Kopfschmer-zen, chronische Migräne, chronischer Clusterkopfschmerz

Summary

Following the scientific developments of the last decades, there is a variety of non-pharmacologicaland pharmacological therapies for primary headache disorders. A consistent implementation ofbehavioral recommendations and following a drug treatment in most patients leads to a signifi-cant reduction in headache frequency and pain intensity. However, despite these therapies, there isalso a group of patients suffering from chronic headache. In recent years a neuromodulation methodfor treatment of these patients has been developed. The most important neuromodulation methodsfor chronic headaches are described.

Keywords: chronic headache, neuromodulation, treatment headaches, chronic migraine, chroniccluster headache

∗Korrespondierender Autor.E-mail: [email protected] (T. Kraya).

http://dx.doi.org/10.1016/j.neulab.2013.11.002

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1. Einleitung

Patienten mit chronischen Kopfschmerzen stellen für den Behandler einebesondere Herausforderung dar. Es sind in der Vergangenheit eine Vielzahl vonStudien zu nichtmedikamentösen und medikamentösen Therapien von primärenKopfschmerzerkrankungen durchgeführt worden. Die Ergebnisse dieser Stu-dien sind Grundlage der gemeinsamen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft fürNeurologie (DGN) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft(DMKG) (Diener et al., 2012). Bei konsequenter Umsetzung führen sie bei denmeisten Patienten zu einer Reduktion der Kopfschmerzhäufigkeit sowie Schmerz-intensität. Aber nicht alle Patienten profitieren von diesen Therapien. Eine kleineGruppe von Patienten mit chronischen, therapierefraktären Kopfschmerzen,insbesondere mit chronischer Migräne oder chronischem Clusterkopfschmerzberichten über eine unverändert hohe Anfallsfrequenz. Diese führt bei die-sen Patienten zu einer schweren Beeinträchtigung im Alltag und verursachthohe Kosten im Gesundheitssystem (Gaul et al., 2011; Stokes et al., 2011).Schließlich wurden neue Therapiemöglichkeiten wie die Neuromodulation wis-senschaftlich untersucht und werden aktuell zunehmend in die Behandlungintegriert. Grundlage war dabei die Überlegung, dass eine funktionelle Hem-mung nozizeptiver Prozesse des Nervensystems erfolgen kann, die ihrerseits zueiner Reduktion der Kopfschmerzhäufigkeit führen. Es werden invasive vonnicht-invasiven Methoden mit einer Stimulation im peripheren oder zentralenNervensystem unterschieden. Die meisten Verfahren werden, da sie eine inter-disziplinäre Zusammenarbeit benötigen nur in Kopfschmerzzentren angeboten.Es existieren eine Reihe von nationalen und internationalen Konsensus-Kriterien,u.a. der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (Jürgens et al., 2011)und der European Headache Federation (Martelletti et al., 2013), die eine sehrgute Orientierung in der praktischen Anwendung darstellen.

2. Pathophysiologie

Der Effekt der Stimulation des peripheren Nervensystems beruht wahrschein-lich auf einer direkten Erregung des peripheren Nervens sowie nicht nozizeptiverA-beta-Afferenzen, die ihrerseits zu einer segmentalen Modulation nozizeptiverAfferenzen führen (Garrison et al., 1996). Im Bereich des Kopfes besteht eineKonvergenz von trigeminalen und hochzervikalen nozizeptiven Afferenzen überden N. occipitalis major. Diese ist die Grundlage für die Occipitalisnervenstimu-lation und wird auch als Ursache für die häufig okzipitale Schmerzausstrahlungbei Kopfschmerzpatienten, insbesondere der Migräne verantwortlich gemacht.Möglicherweise führt diese Stimulation von aszendierenden Bahnen indirekt zueiner Beeinflussung deszendierender antinozizeptiver Strukturen (Bartsch et al.,2002; 2008; 2009). Im zentralen Nervensystem erfolgt entweder direkt eine Sti-mulation von schmerzverarbeitenden Strukturen oder alternativ die Modulationvon Strukturen die sekundär an der Schmerzverarbeitung beteiligt sind.

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3. Neurostimulation - Nichtinvasive Verfahren

Grundlage dieser Verfahren ist eine nichtinvasive transkutane Stimulation.Zu diesen Verfahren wird die transkranielle Magnetstimulation (TMS), dietranskranielle Gleichstromstimulation (tDCS) und die transkutane elektrischeNervenstimulation (TENS) gezählt.

3.1. Transkranielle Magnetstimulation (TMS)

Bei Patienten mit Kopfschmerzen und insbesondere mit Migräne werdenverschiedene Wirkmechanismen diskutiert. Eine Stimulation des Motorcortexführt zu einer Hemmung von Schmerzafferenzen des Thalamus, zusätzlich wirdeine verminderte Erregbarkeit insbesondere im Bereich des okzipitalen Kortexangestrebt und durch eine einmalige Stimulation soll die im Rahmen der Migrä-neaura auftretende ,,Cortical spreading depression“ unterbrochen werden. Eswird die Akuttherapie (Einzelpuls-TMS) von der prophylaktischen Therapie(Repetitive-TMS) unterschieden. Durch die Einzelpuls-TMS soll das Auftretenvon Kopfschmerzen in der Attacke unterbunden werden. In einer Studie mit201 Patienten mit einer Migräne mit Aura wurde von 82 Patienten aus die-ser Gruppe eine Attacke mit Aura im Zeitraum bis 60 Minuten behandelt. Eswurden 2 Einzelimpulse mittels transportablen Stimulator im Bereich des Hin-terhauptes appliziert. Eine signifikant höhere Rate an Schmerzfreiheit nach zweiStunden wurde bei 39% der TMS und bei 22% der Sham-Gruppe berichtet.Kritikpunkte an dieser Studie waren, dass (1) keine sichere Sham-Stimulationbestand, (2) bei 1/3 der Patienten in beiden Gruppen vor der Stimulation keineSchmerzen bestanden und (3) die Studie nur bei Patienten mit Migräne mit Auradurchgeführt wurde, die nur ca. 20% der Migränepatienten umfassen (Liptonet al., 2010). Weiterhin ist bisher nicht untersucht, ob es eine Wirksamkeit in derAkutbehandlung der Migräne ohne Aura gibt. Zur prophylaktischen Behand-lung wurden verschiedenen Patienten-Gruppen (Migräne mit und ohne Aura,Chronische Migräne) mit transkranieller Magnetstimulation (rTMS) untersucht(Teepker et al., 2010). Eine klare Evidenz zeigte sich nicht. Die Methode istaufwendig, der Effekt wahrscheinlich nur von kurzer Dauer, zudem sind Stimu-lationsparameter bisher nicht ausreichend untersucht.

3.2. Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS)

Die Stimulation erfolgt mit einem schwachen Gleichstrom über der Anodeoder der Katode meist über dem Motorkortex (M1) oder dem visuellen Kortex.Gleichstrom unter der Katode reduziert, unter der Anode steigert die kortikaleExzitabilität. Eine Effektivität wurde in der Vergangenheit nur in kleinen Fall-serien bei chronischen Schmerzen und in Einzelfällen auch bei Kopfschmerzenberichtet (Antal et al., 2010). Aktuell wurden 13 Patienten mit chronischerMigräne in zwei Gruppen randomisiert, 8 Patienten in die aktive Gruppe mittDCS (Anode) und 5 mit Sham-tDCS für 20 Minuten über vier Wochen. Es

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zeigte sich eine signifikante Reduktion der Schmerzintensität und Länge derMigräne-Attacken. Eine post-hoc Analyse zeigte eine signifikante Besserungin der Follow-up Periode in der aktiven tDCS-Gruppe (Dasilva et al., 2012).Eine weitere Untersuchung an 10 Patienten mit Migräne ohne Aura und einerAttackenfrequenz von mindestens 4 pro Monat, welche 2 Behandlungen mittDCS pro Woche für insgesamt zwei Monate erhielten, zeigten eine Reduktionder Attackenfrequenz, Migränetage, Attackendauer und der Einnahmefrequenzder Akutmedikation (Viganò et al., 2013).

3.3. Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)

Eine Cochrane Review zeigte einen positiven Effekt bei der Kombination vonTENS und Physiotherapie (Bronfort et al., 2004). Eine weitere Studie verglichTENS mit Imipramin 50 mg bei insgesamt 138 Patienten, es zeigte sich in beidenGruppen eine signifikante Reduktion in den VAS-Scores mit einem Vorteil fürImipramin (Mousavi et al., 2011).

3.4. Transkutane supraorbitale Stimulation

Eine multizentrische radomisierte untersuchte die Wirksamkeit bei 67 Pati-enten mit episodischer Migräne. Es zeigte sich eine signifikante Reduktion derKopfschmerztage gegenüber der Sham-Gruppe (2,06 vs. 0,32 Tage). Kritik-punkte sind die nur geringe Reduktion und die nur eingeschränkte Verblindung(Schoenen et al., 2013b).

4. Neurostimulation - Invasive Verfahren

Die invasiven Therapieverfahren kommen ebenfalls ausschließlich für dieGruppe der Patienten mit chronischen, therapierefraktären Kopfschmerzen inFrage. Es müssen also bei diesen Patienten über einen längeren Zeitraum anmehr als 15 Tagen pro Monat Kopfschmerzen auftreten und bereits umfang-reiche medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapieverfahren erfolglosversucht worden sein. Die einzelnen Fachgesellschaften inkl. der DMKG habeninsbesondere für die Therapie der Chronischen Migräne und des ChronischenClusterkopfschmerz mittels Neurostimulation Kriterien erarbeitet. Nachdemfestgestellt wurde, dass ein chronischer und therapierefraktärer Kopfschmerzvorliegt, kann über die Indikation der Neuromodulation diskutiert werden. Esexistieren auch ausführliche Kriterien für die Indikation der Tiefenhirnstimula-tion (Deep Brain Stimulation; DBS) und Okzipitale Nervenstimulation (ONS),die von der DMKG veröffentlich wurden (Jürgens et al., 2011).

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5. Periphere Nervenstimulation

5.1. Okzipitale Nervenstimulation (ONS)

Operativ wird im Bereich des Hinterhauptes (Höhe 1. Halswirbelkörper)median eine Inzision vorgenommen und pro Seite horizontal eine Stimulati-onselektrode implantiert. Die Verbindung zum eigentlichen Stimulator erfolgtdurch subkutane Platzierung der Kabel, wobei der Lageort des Stimulatorsvariabel ist. Bei der Indikation Chronischer Clusterkopfschmerz sind insgesamtbisher über 60 Patienten mit der ONS behandelt worden. Eine Attackenreduk-tion um mehr als 50% zum Ausgangswert wurde bei mehr als der Hälfte derPatienten dokumentiert. Wahrscheinlich aufgrund der Probleme mit der Sham-Stimulation wurde bisher keine prospektive, doppelblinde placebokontrollierteStudie durchgeführt, die diese guten Ergebnisse bestätigen konnte. Auch beianderen trigeminoautonomen Kopfschmerzen (Hemicrania continua, SUNCT)wurden hohe Erfolgsraten berichtet (Shanahan et al., 2009). Es erfolgten zudemdrei große placebokontrollierte Studien mit ungefähr 400 Patienten mit Chroni-scher Migräne (Lipton et al., 2009; Saper et al., 2011; Silberstein et al., 2012), dieallerdings alle ihre primären Endpunkte nicht erreichen konnten. Nichtsdesto-trotz zeigten sich bei einigen Patienten deutliche Effekte. Kritisch ist bei der ONSimmer noch die hohe Rate an Nebenwirkungen (Infektionen, Kabelbruch undschnelle Batterieentladung) zu sehen. Zudem hat eine Untersuchung an 27 Patien-ten aus Essen gezeigt, dass diese Therapie nicht unerhebliche Kosten verursacht.So beliefen sich die Kosten für den Krankenhausaufenthalt und die Hardwareauf ca. 28.000D pro Patient (Mueller et al., 2013). Zusammenfassend kann dieONS beim Chronischen Clusterkopfschmerz als invasives Verfahren angewandtwerden. Bei der Chronischen Migräne kann aufgrund der vorliegenden Datendie ONS nur eingeschränkt empfohlen werden.

5.2. Stimulation des Ganglion sphenopalatinum

Das Ganglion sphenopalatinum ist Teil des Regelkreises mit para-sympathischer Aktivierung und sympathischer Downregulation, der beitrigeminoautonomen Kopfschmerzen u.a. zum Auftreten von Rhinorroe, kon-junktivaler Injektion und Lacrimation führt. Erste Studien mit einer Stimulationdes Ganglion erfolgten mittels Radiofrequenz-Ablation mit guter Effektivität.Im Verlauf wurden dann initial temporäre und später fest-implantierte Elek-troden zur Stimulation des Ganglion sphenopalatinum untersucht. Eine ersterandomisierte, doppelblinde Studie mit Sham-Stimulation wurde bei 32 Patien-ten durchgeführt. Von den 28 Patienten, die die experimentale Phase beendeten,berichteten 67,1% gegenüber 7,4% mit Sham-Stimulation über eine Reduk-tion der Schmerzstärke in der Attacke. Zusätzlich hatten 25% eine Reduktionder Attacken, 36% berichteten über eine Reduktion um 50%. Aber auch beidieser Methode gibt es relevante Nebenwirkungen. 81% berichteten über Sen-sibilitätsstörungen, wobei dies im Bereich des Maxillaris am häufigsten auftrat(59,7%) (Schoenen et al., 2013a). Eine weitere Untersuchung bei Patienten mit

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implantiertem Stimulator konnte zeigen, dass bei einigen Patienten (50%) mitniederfrequenter Stimulation Cluster-ähnliche Attacken ausgelöst werden kön-nen. Die Attacken konnten dann mit hochfrequenter Stimulation erfolgreichbehandelt werden (Schytz et al., 2013). Zusammenfassend scheint dies eineeffektive Methode zur akuten und prophylaktischen Behandlung bei Cluster-kopfschmerzen zu sein, allerdings ist die Anzahl der Nebenwirkungen aktuellnoch hoch. Es sollten abschließend noch Studien mit einer größeren Fallzahlerfolgen.

5.3. Vagusnervstimulation

Die Vagusnervstimulation wurde bei Patienten mit therapieresistenter Epilep-sie mit guten Ergebnissen angewandt. Ein Teil dieser Patienten hatte komorbideine episodische Migräne, die dann eine deutliche Reduktion der Attackenfre-quenz zeigte (Hord et al., 2003. Tierexperimente ergaben bei kontinuierlicherStimulation des linken Nervus vagus eine reduzierte Aktivität im spinalenTrigeminuskernen und damit auch in der Dura mater, was eine möglichepathophysiologische Erklärung sein könnte (Lyubashina et al., 2012). ImVerlauf wurde auch die Möglichkeit der transkutanen Vagusnervstimulation ent-wickelt. Es existieren zwei Systeme die auch in Deutschland zugelassen sind.Die Anwendung am Hals wurde in einer offenen Studie von Nesbitt bei 25Clusterkopfschmerz-Patienten untersucht, wobei das Device bei der Attackeund als Prophylaxe zweimal täglich angewandt werden sollte. Einige Patientenberichteten einen deutlichen Effekt im Rahmen der Attacke und konnten sogarihre medikamentöse Prophylaxe absetzen oder reduzieren (Nesbitt et al., 2013).Ein zweites System wird im Bereich des Gehörganges angewandt, allerdingssind bisher keine Daten publiziert. Zusammenfassend scheint mit der trans-kutanen Stimulation des Nervus vagus eine sehr gute Alternative zur ONS zuexistieren. Erste Studien konnten eine Wirksamkeit zeigen, allerdings ohne Sham-Stimulation. Vorteil sind sicherlich die geringeren Kosten, gute Verträglichkeitund fehlende Invasivität.

6. Zentrale Nervenstimulation

6.1. Tiefenhirnstimulation (DBS)

Die tiefe Hirnstimulation (Deep Brain Stimulation; DBS) ist eine akzeptierteBehandlungsmethode, insbesondere beim idiopathischen Parkinson-Syndrom.Sie erfolgte auch bei Patienten mit chronischem Clusterkopfschmerz. Grund-lage dafür ist die aus der funktionellen Bildgebung bekannte Zielstruktur imventroposterioren Hypothalamus bei Clusterkopfschmerz (May et al., 1998).Es wurden in der Vergangenheit eine Vielzahl offener Studien zur Wirksamkeitder DBS bei chronischem Clusterkopfschmerzen mit Erfolgsquoten zwischen 40und 100% durchgeführt(Jürgens et al., 2011, Diener et al., 2012). Allerdingswurde in der einzigen publizierten placebokontrollierten doppelblinde Studie

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bei chronischem Clusterkopfschmerz kein Unterschied zwischen der Stimula-tion und Schein-Stimulation gesehen. Erst nach Ende der Verblindung zeigte sichdann bei 48% der Patienten einer Reduktion der wöchentlichen Attackenfre-quenz (Fontaine et al., 2010). Eine Langzeit-Untersuchung von 17 Patienten ausMailand im Median über 8,7 Jahre zeigte bei sechs Patienten eine anhaltendeSchmerzfreiheit. Ein Wechsel von der chronischen zur episodischen Form wurdebei weiteren sechs Patienten dokumentiert. An Nebenwirkungen wurde bei vierPatienten eine Infektion der Elektrode oder des Stimulators, bei zwei Patienteneine Lageänderung der Elektrode sowie jeweils einmal eine nicht-symptomatischeBlutung und ein Krampfanfall berichtet (Leone et al., 2013).

6.2. Hochzervikale Spinal-cord Stimulation (SCS)

Bei Neuropathischen Schmerzen, pAVK und KHK ist die SCS ein etabliertesVerfahren. Zur Behandlung von Patienten mit Kopfschmerzen muss allerdingseine hochzervikale Stimulation erfolgen. Es wird ein ähnliches Wirkprinzip wiebei der ONS mit einer Stimulation hochzervikaler Afferenzen vermutet. Eineprospektive Untersuchung über 23 Monate erfolgte bei sieben Patienten mitchronischem Clusterkopfschmerz. Die kontinuierliche Stimulation ergab eineResponderate von 86% und eine Reduktion der Attackenfrequenz von 6 auf1,4 Attacken (Wolter et al., 2011). Allerdings wurde bei insgesamt fünf von sie-ben Patienten eine Dislokation der Elektroden, eine schnelle Batterieentladungund ein Kabelbruch berichtet. Weiterhin waren nicht alle Patienten therapiere-fraktär, sodass anhand der Daten diese Methode aktuell nicht empfohlen werdenkann.

7. Zusammenfassung

Die Neuromodulation bei chronischen, therapierefraktären Kopfschmerzenstellt bei dieser Gruppe von Patienten eine sinnvolle Ergänzung dar. Die besteEvidenz besteht für den Chronischen Clusterkopfschmerz, weniger für die Chro-nische Migräne. Es ist sinnvoll bevor an eine solche Maßnahme gedacht wird,die vorhandenen medikamentösen und nichtmedikamentösen Verfahren aus-zuschöpfen. Bezüglich der Indikation sollte sich an den Kriterien der DMKGorientiert werden. Die Durchführung sollte großen Kopfschmerzzentren mit aus-reichender Erfahrung auf diesem Gebiet vorbehalten sein.

Interessenkonflikt

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.Vorträge und Unterstützung durch: Pharm Allergan, St Jude.

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