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Neuroplastizität und motorisches Lernen Querschnittsbereich Rehabilitation SS 2014 M.Lippert-Grüner .

Neuroplastizität und motorisches Lernen und motorische... · Stroke 1999; 30(11): 2369-75 Willis JK, Morello A, Davie A. Forced-use treatment of childhood hemiparesis. Pediatrics,

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Neuroplastizität und motorisches

Lernen

Querschnittsbereich Rehabilitation

SS 2014

M.Lippert-Grüner

.

Seite 2

Lernziele

I. Grundlagen der neuronalen Reorganisation kennen

II. Therapeutische Ansätze analysieren können

III. Evidenzbasierte Maßnahmen einschätzen

Seite 3

Lernziele

I. Grundlagen der neuronalen Reorganisation kennen

II. Therapeutische Ansätze analysieren können

III. Evidenzbasierte Maßnahmen einschätzen

Seite 4

Anpassungsmechanismen an äußere und innere

Bedingungen des Individuums

Trainingsmaßnahmen führen zu einer Veränderung der

neuroanatomischen Struktur des Gehirns

(Greenough et al. 1988, Bland et al. 2000)

Bildet die Basis für alle Therapieverfahren in der

neurologischen Rehabilitation.

Definition Neuroplastizität

Seite 5

A. Strukturell

1.Intra-areal

(Ausweitung das zuständigen geschädigten Areals)

2.Inter-areal

(andere Areale übernehmen die Funktion)

3.Kompensatorisch

(z.B durch die kontralaterale nicht läsionale Seite)

Wirkungsmechanismen der Neuroplastizität

Seite 6

Größe und Aktivität corticaler und subcorticaler motorischer

Areale ist funktions- und gebrauchsabhängig

(intra-areale Plastizität)

Willkürmotorik ist modular in Netzwerken organisiert,

innerhalb dieser Netzwerke ist eine Kompensation möglich

(inter -areale Plastizität)

Richards LG, Stewart KC, Woodbury ML, Senesac C, Cauraugh

JH. Movement-dependent stroke recovery: a systematic review and

meta-analysis of TMS and fMRI evidence. Neuropsychologia. 2008 Jan

15;46(1):3-11

Intra-areale und Inter-areale Plastizität der

Willkürmotorik.

Seite 7

B. Synaptisch

Plastizität als Veränderung der Effizienz der

synaptischen Übertragung

1.LTP (long-term Potentiation)

2.LTD (long-term Depression)

Wirkungsmechanismen der Neuroplastizität

Seite 8

Hebb‘sche Plastizität

Die Stärke einer synaptischen Verbindung nimmt zu,

wenn prä- und postsynaptisches Neuron synchron

„feuern“

Hebb DO. Drives and the C.N.S. (conceptual nervous system).

Psychol Rev. 1955;62(4):243-54 Carmichael ST, Chesselet MF.

Synchronous neuronal activity is a signal for axonal sprouting after

cortical lesions in the adult. J Neurosci. 2002, 15;22(14):6062-70

Synaptische Efizienz und Erreigungsübertragung

.

Seite 9

LTP (long-term Potentiation)

Einzelne (elektrische) Aktivierungen in schneller Folge

(5Hz) erhöhen die Erregbarkeit des postsynaptischen

Neurons, die noch Stunden nach der wiederholten

Reizung nachweisbar ist

Grundmechanismus des Lernens und der Plastizität !

Bliss TV, Lomo T. Long-lasting potentiation of synaptic transmission

in the dentate area of the anaesthetized rabbit following stimulation

of the perforant path. J Physiol. 1973 Jul;232(2):331-56

Synaptische Effizienz und Erregungsübertragung

.

Seite 10

LTD (long-term Depression)

Niederfrequente elektrische Stimulation (2Hz)

erniedrigt die Erregbarkeit des postsynaptischen

Neurons.

Ebenfalls Grundlage für Lernen und Gedächtnis.

Sowohl die LTP als auch die LTD sind Prozesse der

neuronalen Plastizität!

Migaud M et al. Enhanced long-term potentiation and impaired

learning in mice with mutant postsynaptic density-95 protein.

Nature. 1998: 3;396(6710):433-9

Synaptische Effizienz und Erregungsübertragung

Seite 11

Elbert T, Rockstroh B. Reorganization of human cerebral cortex: the

range of changes following use and injury. Neuroscientist.

2004;10(2):129-41

•”practice makes perfect”

Übung macht den Meister

•“use it ore loose it”

Benutze oder verliere

•“fire together, wire together”

Was zusammen aktiviert wird, wird zusammen verknüpft

•“without reward no changes”

Ohne Belohnung / positive Rückmeldung kein Erfolg

Neurobiologische Prinzipien corticaler

Reorganisation (Zusammenfassung)

Seite 12

Lernziele

I. Grundlagen der neuronalen Reorganisation kennen

II. Therapeutische Ansätze analysieren können

III. Evidenzbasierte Maßnahmen einschätzen

Seite 13

A. Theoretische Rahmenkonzeption / Begründung

des Vorgehens

Initial frustrierende Bewegungsversuche führen zu einem

Nichtgebrauch und zwar auch dann, wenn die

funktionellen Fertigkeiten es (wieder) ermöglichen

würden („learned non-use“)

Durch die Immobilisierung der nichtbetroffenen

Extremität muss die betroffene Extremität bei

Alltagsaktivitäten eingesetzt werden – Stimulation der

Aktivität.

Erzwungener Gebrauch

Forced use / Constraint induced movement Therapy

(CIMT)

Seite 14

B. Praktische Durchführung

Die nicht betroffene obere Extremität wird durch eine

Schiene, einen Handschuh oder eine Armschlinge

immobilisiert

Die Restriktion wird während der Wachstunden getragen.

Alle anfallenden Alltagsaktivitäten werden mit der

betroffenen Seite ausgeführt

Forced use ( nur Schiene tragen)

CIMT (zusätzliches Training)

Erzwungener Gebrauch

Forced use / Constraint induced movement Therapy

(CIMT)

Seite 15

C. Wirkungsnachweis

•Kontrollierte randomisierte Studien

Funktionsverbesserung

Vermehrter Alltagseinsatz der betroffenen Seite

van der Lee JH, Wagenaar RC, Lankhorst GJ, Vogelaar TW,

Deville WL, Bouter LM. Forced use of the upper extremity in

chronic stroke patients: results from a single-blind randomized

clinical trial. Stroke 1999; 30(11): 2369-75

Willis JK, Morello A, Davie A. Forced-use treatment of childhood

hemiparesis. Pediatrics, 2002; 110: 94-96

Erzwungener Gebrauch

Forced use / Constraint induced movement Therapy

(CIMT)

Seite 16

A. Theoretische Rahmenkonzeption / Begründung des

Vorgehens

Bewegungsvorstellung und Bewegungsbeobachtung

aktivieren dieselben Hirnareale wie die tatsächliche aktive

Ausführung

Spiegelneurone sind die Neurone, welche „feuern“,

wenn wir eine Bewegung beobachten

Cattaneo L, Rizzolatti G. The mirror neuron system. Arch Neurol. 2009

May;66(5):557-60

Spiegeltherapie

Seite 17

B. Praktische Durchführung

Der Patient wird aufgefordert, eine Bewegung mit der

nicht betroffenen Hand durchzuführen und diese

Bewegung in einem sagittal gestellten Spiegel zu

beobachten

Spiegeltherapie

Seite 18

Spiegeltherapie

Quelle: Google Bilder

Seite 19

C. Wirkungsnachweis

• kontrollierte randomisierte Studien

Kraft und Sensibilitätsverbesserung

Altschuler EL, Wisdom SB, Stone L, Foster C, Galasko D,

Llewellyn DM, Ramachandran VS. Rehabilitation of hemiparesis

after stroke with a mirror. Lancet. 1999 (12) ;353:2035-6

Dohle C, Püllen J, Nakaten A, Küst J, Rietz C, Karbe H. Mirror

therapy promotes recovery from severe hemiparesis: a randomized

controlled trial. Neurorehabil Neural Repair. 2009;23(3):209-17

Spiegeltherapie

Seite 20

Cacchio A, De Blasis E, De B, V, Santilli V, Spacca G.

Mirror therapy in complex regional pain syndrome type 1 of the

upper limb in stroke patients.

Neurorehabil Neural Repair 2009; 23:792-799

Spiegeltherapie reduziert auch den Schmerz beim

Schulter- Arm Syndrom…….

Spiegeltherapie

Seite 21

Lernziele

I. Grundlagen der neuronalen Reorganisation kennen

II. Therapeutische Ansätze analysieren können

III. Evidenzbasierte Maßnahmen einschätzen

Seite 22

1. Formulierung einer präzisen klinischen Fragestellung

2. Suche nach externer Evidenz (Forschungsergebnisse)

3. Kritische Bewertung der Forschungsergebnisse

4. Integration der Forschungsergebnisse in das „Clinical

Reasoning“

5. Evaluation der Ergebnisse der Intervention

Antes G, Bassler D, Forster J 2003: Evidenz-basierte Medizin.

Praxis-Handbuch für Verständnis und Anwendung der EBM. Thieme.

Stuttgart, New York

Evidenzbasierte Praxis („best clinical practice“)

Seite 23

Messe was zu messen ist und mache messbar, was

nicht zu messen ist!

Übersichten Messskalen

Measurement in Neurological Rehabilitation

Derick T. Wade, Oxford University Press 1992 ISBN 0 19 261954 3

Assessments in der Neurorehabilitation

Band 1: Neurologie mit CD-ROM 2. vollständig überarbeitete und

erweiterte Auflage 2009

Stefan Schädler, Jan Kool, Hansjörg Lüthi u. a. Huber Verlag

Bern ISBN-10: 3456846304

Wie messen?

Seite 24

I a Meta-Analysen randomisierter kontrollierter

Studien (z.B. Cochrane)

I b Randomisierte kontrollierte Studie

II a Kontrollierte Studien ohne Randomisierung

II b Gut angelegte quasi experimentelle Studie

III Nicht experimentelle deskriptive Studien:

Vergleichstudien, Korrelationsstudien,

Fall-Kontrollstudien

IV Fallberichte (Verlaufsstudien)

Expertenmeinungen

Evidenzhierarchie (ÄZQ): Ärztliches Zentrum für

Qualitätssicherung in der Medizin

Seite 25

Weltweiter Verbund von Medizinern und Rehabilitations-

wissenschaftlern

Erstellen systematischer Reviews und Meta-Analysen

insbesondere von randomisierten kontrollierten Studien

um wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirkungen

von Therapien schnell von der Wissenschaft in die

Praxis umzusetzen

Deutsches Cochrane Zentrum: www.cochrane.de

Cochrane Collaboration: www.cochrane.org

Cochrane AL Effectiveness & Efficiency. Random Reflections on

Health Services. The Rock Carling Fellowship 1971. The Royal

Society of Medicine Press 1972

Cochrane Collaboration

Seite 26

The development of a clinical practice stroke guideline

for physiotherapists in The Netherlands: a systematic

review of available evidence

van Peppen RP, Hendriks HJ, van Meeteren NL, Helders PJ,

Kwakkel G.: Disabil Rehabil. 2007 May 30;29(10):767-83

Von 9482 relevanten Studien wurden 322 selektioniert

Ergebnisse

65 Empfehlungen zur Wahl der physiotherapeutischen

Maßnahmen…

Clinical practice stroke guideline for

physiotherapists in The Netherlands

Seite 27

Empfehlungsgrad 1

•Hohe Trainingsintensität

•Aufgaben (task)-spezifisches Training

•Kontext-spezifisches Training

•Plattformtraining (posturale Kontrolle im Stehen)

•Funktionelles Krafttraining paretischer Muskeln

•Laufbandtraining (mit und ohne Gewichtsentlastung)

•CIMT

•TENS (zur Reduktion der Spastik)

Clinical practice stroke guideline for

physiotherapists in The Netherlands

Seite 28

Empfehlungsgrad 2

•Mentales Üben motorischer Fertigkeiten

•Rhythmisch-akustische Stimulation

•Spiegeltraining

•Üben mit Biofeedback

•EMG-initialisierte elektrische Muskelstimulation

•Sprunggelenks-Orthesen

•Aufblasbare Schienen

•Dehnen (Finger, Handgelenk)

•Lagerungen

Clinical practice stroke guideline for

physiotherapists in The Netherlands