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Neutralität und Neutralitätspolitik. Die österreichische Neutralität zwischen Schweizer Muster und sowjetischer Koexistenzdoktrin. (Forschungen aus Staat und Recht Bd. 31) by KONRAD GINTHER Review by: O. Kimminich Archiv des Völkerrechts, 17. Bd., 1. H. (1976), pp. 147-149 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40797692 . Accessed: 14/06/2014 05:16 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv des Völkerrechts. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.44.79.22 on Sat, 14 Jun 2014 05:16:49 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Neutralität und Neutralitätspolitik. Die österreichische Neutralität zwischen Schweizer Muster und sowjetischer Koexistenzdoktrin. (Forschungen aus Staat und Recht Bd. 31)by KONRAD

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Neutralität und Neutralitätspolitik. Die österreichische Neutralität zwischen Schweizer Musterund sowjetischer Koexistenzdoktrin. (Forschungen aus Staat und Recht Bd. 31) by KONRADGINTHERReview by: O. KimminichArchiv des Völkerrechts, 17. Bd., 1. H. (1976), pp. 147-149Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40797692 .

Accessed: 14/06/2014 05:16

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Besprechungen 147

mer Dynamismus und eine spezifische Zeitvorstellung.

Im vierten Kapitel stößt Landheer zu dem Begriff vor, den jeder Leser sicher bereits am Anfang der Abhand- lung als Zentralbegriff erkennt: die Entwicklung. Er stellt zwei Modelle der Entwicklung vor: das lineare und das strukturelle. Das erstere beschreibt eine bestimmte Situation als »Fort- schritt«, der angeblich für alle Betei- ligten vorteilhaft ist, das letztere inter- nalisiert gewissermaßen die Wandlungs- prozesse, weil sie häufig zu einem In- teressenkonflikt innerhalb des Systems als solchem führen. Alle diese Fragen sind auf einer Konferenz über das The- ma »Wissenschaft und die Welt von morgen« im Herbst 1972 diskutiert worden. Landheer berichtet über die einzelnen Diskussionsbeiträge und legt zum Schluß noch einmal seine Meinung dar. Mit Nachdruck vertritt er die Auf- fassung, daß wir mehr strukturelles Denken benötigen, weil das Weltsystem mehr Zusammenhang und Stabilität er- fordert, als es gegenwärtig besitzt. Der Ruf nach Stabilität aus dem Munde eines der besten Kenner globaler Entwicklun- gen, der seit Jahrzehnten ein dynamisches Denken an den Tag gelegt und sich stets für die rasche Veränderung im Einklang mit der historischen Akzele- ration ausgesprochen hat, ist eindrucks- voll. prof Dr. Ο. Κ i m m i η i c h,

Regensburg

KONRAD GINTHER: Neutrali- tät und Ne u t r a 1 i t ä t sp ο 1 i - t i k. Die österreichische Neutralität zwischen Schweizer Muster und so- wjetischer Koexistenzdoktrin. (For- schungen aus Staat und Recht Bd. 31), Wien-New York: Springer-Verlag. 1975. XII, 168 S.

Über die Neutralität im allgemeinen sowie die österreichische und schweize- rische Neutralität im besonderen sind so viele Publikationen erschienen, daß wohl kein Leser dieses Buches sensa- tionelle Enthüllungen erwartet. Nur der Untertitel läßt aufhorchen. Doch schon

nach der Lektüre weniger Seiten wird auch derjenige Leser, der das Buch ohne große Erwartungen zur Hand genom- men hat, davon überzeugt, daß ihm ein überaus bedeutsames Werk vorliegt. Hier wird ein Problem aufgezeigt, das weit über Österreich und das Neutrali- tätsrecht hinaus für das gesamte Völ- kerrecht, ja sogar über das Völkerrecht hinaus für die internationale Politik und das Grundproblem der Menschheit, den Frieden, schicksalhaft ist. Zwar ent- zieht sich ein nicht zu unterschätzender Teil der Gesamtwirkung des Buches der Würdigung im vorliegenden Zu- sammenhang; denn soweit das Buch sich mit seinen eindringlichen Mahnungen an die Österreicher wendet, muß be- achtet werden, daß es einem Ausländer nicht ansteht, über österreichische Po- litik und ihre Beschreibung durch einen Österreicher zu urteilen. Aber die all- gemeinen Aussagen zu Grundproble- men der internationalen Beziehungen und des Völkerrechts sind so gewich- tig, daß auch ohne Berücksichtigung je- ner Dimension gesagt werden kann: die- ses Buch wird Aufsehen erregen und muß in Zukunft von jedem beachtet werden, der über Neutralität, Frieden, Entspannung und alle damit zusam- menhängenden Probleme sprechen will.

Der Untertitel ist kein Blickfang, sondern umreißt das Arbeitsprogramm der Untersuchung: Ginther legt zu- nächst dar, daß die österreichische Neu- tralität seit ihrer völkerrechtlich ver- bindlichen Festlegung im Jahre 1955 tatsächlich eine »Neutralität nach Schweizer Muster« war. Sodann un- tersucht er anhand zahlreicher Regie- rungserklärungen sowie Erklärungen der Bundeskanzler und Außenminister die Frage, ob sich in dem Zeitraum von 1955 bis 1973 ein Wandel der öster- reichischen Neutralitätsauffassung voll- zogen habe. Es gibt manche Gründe dafür, diese Frage nicht als rein aka- demisches Problem zu behandeln, ins- besondere die Rede des österreichischen Bundeskanzlers vom 26. Oktober 1973. Doch unter Berufung auf die nicht zu- letzt von Außenminister Kirschschlä-

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ger betonte Kontinuität der Außenpoli- tik kommt der Autor zu dem Ergeb- nis, daß im Zuge der neueren Ent- wicklung »zwar Akzente in einem zugrundeliegenden Neutralitätskonzept« verschoben worden seien, daß letzteres aber »doch nie ausdrücklich negiert worden« sei (S. 76). Dieses Konzept ist das der bewaffneten Neutralität.

Die »Ansätze der Entwicklung einer eigenen österreichischen Neutralitäts- variante« (S. 139) sind deutlich zu er- kennen. Ginther prüft sorgfältig, ob sich Österreich von seinem »Lehrmei- ster«, der Schweiz, emanzipiert und einem neuen Konzept zugewendet habe, das die Neutralitätspolitik in die Nähe der friedlichen Koexistenz, so wie sie von der sowjetischen Völkerrechtslehre begriffen wird, gerückt hat. Es ist si- cher kein Zufall, daß die diesbezüg- lichen Ergebnisse überwiegend im Kon- junktiv formuliert sind (vgl. S. 144). Aber das Bild der Möglichkeiten wird deutlich gezeichnet: »Das immerwäh- rend neutrale Österreich als >Friedens- macht< am Rande des >Friedensla- gers<« (S. 144).

So versiert sich auch Ginther auf dem Gebiet der Theorie und Praxis der internationalen Politik zeigt, bleibt seine Abhandlung doch eine völker- rechtliche. Gleich zu Beginn legt er seine Grundauffassung dar, daß völ- kerrechtliche Positionen »in besonderer Weise von jenem sprachlichen Aus- druck betroffen« werden, »mittels des- sen sich vor allem die unmittelbar in- teressierten Staaten auf sie berufen« (S. 2). Folgerichtig sieht er es als seine Aufgabe an, die Geltung und den spezifischen Sinngehalt »eines völker- rechtlichen Instituts der immerwähren- den Neutralität als Determinante des internationalen Status Österreichs« fest- zustellen (S. 5). Zugleich prüft er da- bei, welchen Beitrag Österreich durch seine Staatenpraxis zur Entwicklung des Neutralitätsrechts geleistet haben könn- te oder zu leisten imstande wäre.

Die Frage, ob unter der Geltung der allgemeinen Friedenspflicht des heutigen Völkerrechts die klassische

Neutralität überhaupt noch zulässig sei - da es ja im System der kollektiven Sicherheit, das die UNO-Satzung zur Bewahrung des Weltfriedens vorsieht, den Staaten nicht überlassen bleiben kann, nach eigenem Gutdünken zu ent- scheiden, ob sie sich an einem Krieg beteiligen wollen oder nicht -, ist häu- fig erörtert worden. Ginther greift zwar auf diese Diskussion zurück, ver- folgt sie aber nicht in den vorgezeigten Bahnen, sondern vertieft sie in eine andere Richtung. Er weist darauf hin, daß nach offiziellen Erklärungen die österreichische Neutralitätspolitik dem Frieden und der Entspannung dienen soll, wobei letztere entsprechend der Formel »Sicherheit durch Außenpoli- tik« auch die Unabhängigkeit und Si- cherheit Österreichs garantieren und da- mit »dem österreichischen Eigeninter- esse dienen« soll (S. 141). Dann fährt er fort, es lasse sich sagen, »daß sich die österreichische Neutralitätspolitik der letzten Jahre an einem nicht näher spezifizierten Friedensbegriff orientiert hat«, wodurch die österreichische Neu- tralitätsdoktrin »in die Nähe eines Friedensmythos gerückt« werde (S. 141), der mit Sem klassischen Begriff der Neutralität nichts zu tun habe. Der Begriff der Neutralität gerate in die Gefahr, »seinen spezifischen völker- rechtlichen Sinngehalt zu verlieren« (S. 142). Dadurch könne die österrei- chische Neutralitätsdoktrin »ihre her- kömmliche völkerrechtliche Grundle- gung einbüßen und unter dem Titel der Politik der friedlichen Koexistenz in den Strudel der politischen Ausein- andersetzung geraten« (S. 142).

Man erkennt leicht, daß dies kein typisch österreichisches Problem ist, sondern ein allgemeines Grundproblem, das sich aus dem Wandel des Völker- rechts von der Kriegsfreiheit zum Kriegsverbot ergeben hat. Mit Recht weist Ginther darauf hin, daß der völ- kerrechtliche Sinngehalt des Instituts der immerwährenden Neutralität »in einem Bezug zu einem wertneutralen Friedens- und einem formalen Kriegs- begriff« gestanden hat (S. 149) und

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daß es sich dabei um »den negativen Friedensbegriff« gehandelt habe. Nie- mand kann bezweifeln, daß jene Wert- neutralität das klassische Völkerrecht befähigte, die schlimmsten Folgen der Kriegsfreiheit zu verhüten, den Krieg zu »hegen«, also sowohl hinsichtlich seiner Ausbreitung als auch hinsichtlich seiner Vernichtungskraft einzudämmen, die Zivilbevölkerung zu schützen und ganz allgemein die durch den Krieg verursachten Leiden zu mindern, vor allen Dingen aber die Wiederherstel- lung des Friedens zu ermöglichen und den Übergang vom Rechtszustand des Krieges in denjenigen des Friedens so zu regeln, daß alsbald der normale Völkerrechtsverkehr wieder aufgenom- men werden konnte. Im Rahmen dieser Wohltaten des klassischen Völkerrechts spielte die immerwährende Neutralität eine hervorragende Rolle. Es ist nicht zu leugnen, daß das gegenwärtige Völ- kerrecht die Zugrundelegung eines po- sitiven Friedensbegriffs erfordert, weil sich als Kehrseite des Kriegsverbots ei- ne allgemeine Friedenspflicht der Staa- ten ergibt, die den Staaten zu allen Zeiten Pflichten auferlegt, und zwar unabhängig davon, ob sie sich zur im- merwährenden Neutralität verpflichtet haben oder nicht. Gerade an dieser Stelle beginnt das Dilemma, auf das Ginther mit so großer Überzeugungs- kraft hinweist. Engagiert sich ein Staat über die allgemeine Friedenspflicht hin- aus im Sinne einer Politik des positiven Friedens, so gerät er in die Gefahr, die Friedensdefinition einer Hegemo- nialmacht akzeptieren zu müssen. Vor diesem Problem stehen nicht nur die dauernd neutralen Staaten, sondern alle Staaten, die den positiven Frie- densbegriff zur Grundlage ihrer Politik gemacht haben. Ursache dieses Pro- blems ist nämlich das Fehlen einer völ- kerrechtlichen Definition des Friedens- begriffs. Dadurch wird der Friedens- begriff zur Machtfrage in der inter- nationalen Politik. Hegemonialmächte oder nach Vorherrschaft strebende Ideo- logien, versuchen, schwächeren Partnern ihren Friedensbegriff aufzuzwingen.

Wenn daraus gefolgert wird, daß Außenpolitik auf der Grundlage eines positiven Friedensbegriffs nur von den- jenigen Staaten gefahrlos betrieben werden kann, denen keine andere Macht eine willkürliche Friedensdefini- tion aufzwingen kann, so ist damit eine Wahrheit ausgesprochen, die nur einen Teil der Situation erfaßt. Der andere Teil liegt in der Tatsache be- schlossen, daß die Aufzwingung einer Friedensdefinition ihrerseits gegen die allgemeine völkerrechtliche Friedens- pflicht verstößt. Die friedliche Koexi- stenz kann nur dann als Bestandteil der allgemeinen Völkerrechtsordnung anerkannt werden, wenn sie wörtlich genommen wird, also nicht nur jede Gewaltanwendung, sondern auch jede gewaltsame Verbreitung von Ideen aus- schließt. Daß der friedliche Wettstreit der Ideen niemals gegen das Völker- recht verstoßen kann, ist selbstver- ständlich. Ginther ist in diese Bereiche, deren Erforschung Aufgabe der Frie- denswissenschaft wäre, nicht weiter vorgestoßen. Er hat jedoch auf die friedenswissenschaftlichen Bezüge dieses Problems hingewiesen (vgl. S. 147 ff.).

Prof. Dr. Ο. Κ i m m i η i c h , Regensburg

RENE-JEAN DUPUY: The Law of the Sea- Current Problems. Leiden: Sijthoff / New York: Oceana Publications. 1974. 210 S.

un ne s aperçoit guère qu il s agit ici d'un ouvrage - visiblement destiné en premier lieu au monde juridique anglo- saxon - qui reprend, dans ses divers chapitres, des articles préparés, entre 1970 et 1973, pour diverses conférences auxquelles l'auteur avait été convié. Le talent de l'auteur lui permet de présen- ter un ensemble relativement homogène, et l'on sera à coup sûr sensible à sa ma- nière rigoureuse de présenter d'abord les problèmes généraux, puis ceux du lit des mers, et enfin l'approche régionaliste des actuels défis du droit de la mer.

Comme le titre l'indique, il ne s'agit pas d'un traité ou d'un manuel général

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