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Partizipation im Hochwasserschutz Prof. Dr. Jens Newig Arbeitsgruppe Governance und Nachhaltigkeit Leuphana Universität Lüneburg Überblick / Ziele Unterschiedliche Perspektiven auf Partizipation Perspektive der EU Vergleich Hochwasserrisikomanagementrichtlinie mit Wasserrahmenrichtlinie Anforderungen / Funktionen von Partizipation in HW- Risikomanagement Partizipationsstrategien zur HWRM-RL in den Bundesländern

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Partizipation im Hochwasserschutz

Prof. Dr. Jens Newig

Arbeitsgruppe Governance und Nachhaltigkeit

Leuphana Universität Lüneburg

Überblick / Ziele

  Unterschiedliche Perspektiven auf Partizipation

  Perspektive der EU

  Vergleich Hochwasserrisikomanagementrichtlinie mit Wasserrahmenrichtlinie

  Anforderungen / Funktionen von Partizipation in HW-Risikomanagement

  Partizipationsstrategien zur HWRM-RL in den Bundesländern

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Präambel 17 HWRM-RL:

„Die Erstellung von Bewirtschaftungsplänen für die Einzugsgebiete gemäß der WRRL und von Hochwasserrisikomanagementplänen gemäß der HWRM-RL sind Elemente der integrierten Bewirtschaftung der Einzugsgebiete. Deshalb sollte bei diesen beiden Prozessen das Potenzial für gemeinsame Synergien und Vorteile im Hinblick auf die umweltpolitischen Ziele der WRRL genutzt werden und damit eine effiziente und sinnvolle Nutzung von Ressourcen gewährleistet werden (...)“.

Zusammenhang WRRL / HWRM-RL („Verlinkung“)

EU erlässt Richtlinie

Mitgliedstaat

Pläne und Programme

Erreichung der Richtlinie-Ziele

Partizipation

Übergang von technischen zu “prozeduralen” Standards in EU-(Umwelt-) Richtlinien

Formulierung von Plänen und Programmen auf Mitgliedstaat- / lokaler Ebene als zentrales Instrument zur

Politikumsetzung

Aufgaben der öffentlichen Verwaltung:

!  Bestandsaufnahme / Ist-Zustand

!  Formulierung von Maßnahmen zur Erreichung der Richtlinienziele

!  Einbindung anderer staatlicher Stellen, organisierter Interessen und ggf. der breiten Öffentlichkeit

Kontrolle

Implementation

Ein neuer “Modus” europäischer Politik

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Politikzyklus der Hochwasserrisikomanagement-RL

Agenda Setting (2002 --)

Implementation (2008 - 2015 / 27)

HWRM-RL (2007)

Evaluation

Umsetzung von Maßnahmen

Evaluation

Gefahren- /Risiko-Karten

Alle sechs Jahre

Partizipation

HW-Risiko-management-Pläne

(2015)

Hochwasser- risikomanagement-RL

„This Directive reinforces the rights of the public to access this information and to have a say in the planning process.“

Wasserrahmenrichtlinie

„The increasing demand by citizens and environmental organisations [!] is one of the main reasons why the Commission has made water protection one of the priorities of its work. [...]

In achieving these objectives, the roles of citizens and citizens’ groups will be crucial. This is why a new European Water Policy has to get citizens more involved. [...]

Let us seize the initiative generated by the present political process on the Water Framework Directive for the benefit of all Europe’s citizens and waters: Getting Europe’s waters cleaner – Getting the citizens involved.“

„Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist kein Selbstzweck, sondern ein Instrument, um die Umweltziele der Wasserrahmen-richtlinie zu erreichen.“

Instrumenteller Ansatz der EU zu Partizipation

Aus Dokumenten der EU zur Wasserpolitik

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Der „Grimma-Effekt“ von

Partizipation

DIE WELT, 09.06.2013

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Was ist „Partizipation“?

1.  Kooperation / Kommunikation: Welcher Informationsaustausch findet statt? Konsensuale Entscheidungs-findung? Mediation / Interessenausgleich? Deliberation?

2.   Mitbestimmung: Wie weit können Personenkreise, die nicht routine-mäßig derartige Entscheidungen vornehmen, teilnehmen?

3.  Repräsentation: Wer wird beteiligt?

Eine Definition: „Partizipation umfaßt alle Formen der Einflußnahme auf die Aus-gestaltung kollektiv verbindlicher Vereinbarungen durch Personen und Organisationen, die nicht routinemäßig mit diesen Aufgaben betraut sind“ (Renn 2005)

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Prozess Ergebnis

Öffentliche Entscheidungsprozesse

Beteiligungsverfahren

Zusammenarbeit

“Gute” Entscheidungen im Sinne von Umwelt- und Ressourcenschutz, Nachhaltigkeit

?

Wie “wirkt” Partizipation?

Forschungsprojekt “EDGE”

Wissensbasis

Akzeptanz

Theoretisch umstritten

Widersprüchliche Evidenz

WRRL HWRM-RL

Pläne / Dokumete

Bestandsaufnahme, Bewirtschaftungs-

pläne, Maßnahmenprogramme

Risikokarten, Hochwasserrisikomanagement-

Pläne

Geogr. Skala Flusseinzugsgebiete, Teileinzugsgebiete Risikogebiete in den Flusseinzugsgebieten

Zyklische Planung

Pläne bis 2009, 2015, 2021... Risikomanagement-Pläne wie WRRL (2015,

2021…); Karten: je drei Jahre früher

Materielle Ziele

Guter Status für alle Grund- und

Oberflächengewässer

Keine materiellen Ziele in Bezug auf HW-

Schutz

Gegenstand d. Partizipation

Gesamter Umsetzungsprozess, insb. Be-

wirtschaftungspläne; SUP bei Maßn.-Progr. Nur Risikomanagement-Pläne; auch SUP

Information d. Öffentlichkeit

Dreistufig für Bewirtschaftungspläne;

Zugang zu Hintergrunddokumenten

Erste Bewertung des HW-Risikos, Gefahren-

und Risikokarten, Risikomanagementpläne

Anhörung Dreistufig für Bewirtschaftungspläne Keine (aber SUP f. Risikomanagement-Pläne)

Aktive Beteiligung

Gesamte RL-Umsetzung Erstellung der Risikomanagement-Pläne

WRRL und HWRM-RL: rechtlicher Vergleich

Gegenstand d. Partizipation

Gesamter Umsetzungsprozess, insb. Be-

wirtschaftungspläne; SUP bei Maßn.-Progr. Nur Risikomanagement-Pläne; auch SUP

Information d. Öffentlichkeit

Dreistufig für Bewirtschaftungspläne;

Zugang zu Hintergrunddokumenten

Erste Bewertung des HW-Risikos, Gefahren-

und Risikokarten, Risikomanagementpläne

Anhörung Dreistufig für Bewirtschaftungspläne Keine (aber SUP f. Risikomanagement-Pläne)

Aktive Beteiligung

Gesamte RL-Umsetzung Erstellung der Risikomanagement-Pläne

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Erfahrungen mit Partizipation bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie

  Erster Zyklus der Bewirtschaftungsplanung bis 2009 / 2010 abgeschlossen

  Beteiligungsstrukturen sehr unterschiedlich in den Bundesländern

  In allen Bundesländern kaum Beteiligung der breiten Bevölkerung an Anöhrungen zu den Bewirtschaftungsplänen " Betroffenheiten?

  Viele Foren zur „aktiven Beteiligung“ organisierter Gruppen geschaffen (z.B. Gebietskooperationen in Nds.)

  Allerdings kaum tatsächliche Mitwirkung an Bewirtschaftungsplänen

Bürger / Hauseigentümer von HW-Schutz-Maßnahmen potenziell betroffen

DIE WELT, 10.06.2013

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„Sicherheitsansatz“ versus „Risikoansatz“

(Heintz & Pohl, 2011)

Sicherheitsansatz Risikoansatz

Grundfrage Wie können wir uns schützen? Welcher Schutz um welchen Preis?

Zentrale Begriffe Gefahr, Schutz, Sicherheit Risiko, Risikoakzeptanz, Restrisiko

Kontext Natürliches System Natürliches / gesellschaftliches System

Berücksichtigte Szenarien

Mittlere Wiederkehrwahrscheinlich-keit (i.d.R. HQ100)

Häufige, mittlere und seltene Wiederkehrwahrscheinlichkeit

Schutzziele Einheitliches Schutzniveau Priorisierung

Vorgehensweise Reaktiv-ereignisorientiert, lokal Systematisch, Risikoanalyse

Maßnahmen V.a. technischer Hochwasserschutz Ganzheitlich, auch weitergehende Vorsorge

Art der Planung Fachplanung Wasserwirtschaft, top-down

Integrale Planung (Beteiligung lokaler Akteure), bottom-up

Zeitbezug Mittel- bis kurzfristig Mittel- bis langfristig, zyklisch

Gewässermanagement / WRRL Hochwassermanagement / HWRM-RL

Kommunen Umsetzung lokaler Maßnahmen Zuständig f. HW-Management; Bauleitplanung

Landkreise Untere Wasserbehörde, Maßnahmenträger

Untere Wasserbehörde

Industrie Direkteinleiter Potenzielle Gefahrenquelle bei Hochwasser durch Freisetzen gefährlicher Stoffe

Landwirtschaft Grundwassernutzer; Quelle diffuser Belastungen (Nährstoffe, Pestizide)

Flächen potenziell für Retentionsflächen / Deichrückverlegungen; angewpasste

Bewirtschaftung

Forst-wirtschaft

Aufforstung zur Erhöhung des Wasserrückhalts in der Fläche

Umwelt-verbände

Promotoren nachhaltiger Gewässerbewirtschaftung;

Integration von Naturschutzbelangen

Promotoren vorsorgenden Gewässerschutzes,

Integration von Naturschutzbelangen

Bevölkerung Kaum direkt betroffen Verantwortung für Grundbesitz, betroffen durch Maßnahmen (Enteignungen?), lokales Wissen

Versicherungen Versicherung von HW-Schäden für Private

WRRL und HWRM-RL: Betroffene Akteure im Vergleich

Bevölkerung Kaum direkt betroffen Verantwortung für Grundbesitz, betroffen durch Maßnahmen (Enteignungen?), lokales Wissen

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WRRL-Strukturen Information / Anhörung Delib.

BY TH ST BB NW SH HE MV SN NI HB BW RP SL

L a n d e s e b e n e

Beirat + + +

- Ministerien / Verwaltung, Wirtschafts-/Umweltverbände + + +

- Allgemeine Öffentlichkeit – – –

R e g i o n a l e E b e n e / T e i l e i n z u g s g e b i e t

Konferenzen / Foren + + +

Arbeitskreise / Beiräte + +

- Verwaltung, Landkr. / Kommunen, Wirtsch.-/Umw.-Verb. + + + +

- Allgemeine Öffentlichkeit – – – –

Informationsveranstaltungen + + +

- Verwaltung, Landkr. / Kommunen, Wirtsch.-/Umw.-Verb. + +

- Allgemeine Öffentlichkeit + –

L o k a l e E b e n e

Konferenzen / Foren + +

Arbeitskreise / Hochwasserpartnerschaften + + + +

- Verwaltung, Kommunen, Verbände (+) + + + +

- Umweltverbände (+) + + – +

- Allgemeine Öffentlichkeit (+) – – – –

Informationsveranstaltungen + + + +

- Verwaltung, Kommunen, Verbände + + +

- Umweltverbände – + +

- Allgemeine Öffentlichkeit – + – +

HWRM-RL-Partizipationskonzepte in den Bundesländern

Fazit

  Parallelen zur WRRL, aber 1:1-Übernahme problematisch

  Stärkere Betroffenheiten von Privatpersonen bei HWRM-RL im Vergleich zur WRRL

  Beteiligungsstrukturen in den Bundesländern unterschiedlich

  EU-Diskurs versus „Grimma“: Möglicher Ausweg durch strukturierte Beteiligung an Planungsverfahren

Dank an

Edward Challies, Nicolas Jager und Elisa Kochskämper

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Quellen

  Folie 1: rosenheim24.de mit freundlicher Genehmigung.

  Folien 5, 10, 11, 14: Übersetzt aus Newig, J. / Challies, E. / Jager, N. / Kochskämper, E.: What role for public participation in implementing the EU Floods Directive? A comparison with the Water Framework Directive, early evidence from Germany, and a research agenda; in Begutachtung bei Environmental Policy and Governance.

  Folie 6: http://ec.europa.eu/environment/water/water-framework/info/intro_en.htm; http://ec.europa.eu/environment/water/flood_risk/index.htm; EU. (2002) Leitfaden zur Beteiligung der Öffentlichkeit in bezug auf die Wasserrahmenrichtlinie. CIS-Guidance Document No. 8.

  Folie 8: Renn, O. (2005) 'Partizipation – ein schillernder Begriff.' GAIA - Ecological

Perspectives for Science and Society 14 (3): 227-28.

  Folie 13: Heintz, M.D. and J. Pohl (2011) 'Akzeptanz und Umsetzung der EG Hochwasser-risikomanagement-Richtlinie in der Wasserwirtschaftsverwaltung.' Wasserwirtschaft 3: 10-13.

  Folie 15: Dokumentenanalyse Elisa Kochskämper.