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Newroz 2010 Bericht der YEK-KOM Beobachterdelegationen beim kurdischen Neujahrsfest in der Osttürkei/Kurdistan YEK-KOM e.V. FÖDERATION KURDISCHER VEREINE IN DEUTSCHLAND

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Newroz 2010

Bericht der YEK-KOMBeobachterdelegationen

beim kurdischen Neujahrsfestin der Osttürkei/Kurdistan

YEK-KOM e.V. FÖDERATION KURDISCHERVEREINE IN DEUTSCHLAND

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Newroz 2010Berichte der Delegationen zur Menschenrechtsbeobachtung aus

· Bremen/Hannover · Hamburg/Kiel· Berlin

YEK-KOM e.V.

FÖDERATION KURDISCHER VEREINE IN DEUTSCHLAND

Graf-Adolf-Str. 70a | D-40210 Düsseldorf

Tel: 02 11/1 71 14 51-2 | Fax: 02 11/1 71 14 53

E-Mail: [email protected] | [email protected]

www.yekkom.com

© März 2010

Fotos: Julia Körperich, Christian Jakob und Julia Neuse.

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1. Bericht der Delegation Bremen/Hannover

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I. Bericht der DelegationBremen/Hannover

InhaltTeil A – Minderjährige politische HäftlingeTeil B – Gefallene, Gefangene, VerschwundeneTeil C – Verfolgung von JournalistenTeil D – Politische Organisierung und Repression

TeilnehmerInnenJana Behrens, Medizinische Flüchtlingssolidarität HannoverInci Dul, Birati e.V., BremenGül Seven Güzel, Arbeistkreis Asyl, StuttgartChristian Jakob, Journalist, BremenJulia Körperich, Rechtsanwältin, BremenJulia Neuse, Medizinische Flüchtlingssolidarität Hannover/Rote Hilfe e.V.Antje Steinberg, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Bremen

Kontakt: [email protected]

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I. Bericht der Delegation Bremen/Hannover | A. Minderjährige politische Häftlinge

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Teil A – Minderjährige politische Häftlinge

2007 hat das Verfassungsgericht inAnkara ein Urteil gefällt, demzu-folge auch Kinder für Unterstüt-zungshandlungen als Teil einerTerrororganisation betrachtet wer-den können. Dazu wurde der Arti-kels 8 des türkischenAnti-Terror-Gesetzes TMY neuinterpretiert. Kinder von 12 bis 14Jahren können seither von speziel-len Gerichten zu langjährigen Stra-fen verurteilt werden, Minder-jährige im Alter von 15 bis 18 be-reits wie Erwachsene. Der im Ju-gendstrafrecht gemäß der 1995 vonder Türkei ratifizierten UN-Kin-derrechtskonvention geltendeGrundsatz der Schutz der privat-sphäre von Kindern, wird herange-zogen, um der Ö!entlichkeit denZugang zu den Prozessen zu ver-weigern. Die geschieht auch dann,wenn die Kinder strafrechtlich wieerwachsene TerroristInnen behan-delt werden. Die InhaftierungMinderjähriger wurde bei unsererDelegationsreise von fast allen Ge-sprächspartnern als besondersdringliches Problem benannt.

> Aktuelles Fallbeispiel:Erkan Balaban, 15 JahreAm 6. Dezember 2009 wurde derheute 15-jährige kurdische Jugend-liche Erkan Balaban aus Diyarbakirnach einer Demonstration verhaf-tet und ist seitdem im Gefängnisvon Diyarbakir Haft. Wir trafenseine Familie am 18. März 2010 imHohen Strafgericht in Diyarbakir,wo sie uns auf das Verfahren gegenihren Sohn aufmerksam machte.Wir baten die Familie um ein Ge-spräch und trafen seine Mutter, Ja-hide Balaban, 34, und seineSchwester, Yagmur Balaban, 17, am20. März in einer Teestube nahe derBDP-Zentrale. Die Familie ist arm,der Vater ernährt die sieben Kinderim Alter von drei bis 17 Jahren mitunzureichenden Einkünften aus

seiner Arbeit als Taxifahrer. Ermusste eine dreijährige Haftstrafewegen Schmuggels verbüßen.

Die ganze Familie war am Sonn-tag, dem 6. Dezember in Diyarbakirzu einer Demonstration gegen dieHaftbedingungen des PKK-Grün-ders Abdullah Öcalan gegangen.An jenem Tag waren rund 15.000Menschen auf der Straße. Als diePolizei dem Protestzug den Wegversperrte, flogen Steine. Die Fami-lie Balaban, so berichtete uns dieMutter, verließ daraufhin die De-monstration, ihr Sohn Erkan hin-gegen blieb. Die Polizei ging mitWasserwerfern, Tränengas undscharfer Munition gegen die De-monstranten vor. Der 23-jährigeAydin Erdem wurde durch eineKugel getötet, zwei weitere Men-schen wurden verletzt. Es gab 113Festnahmen, darunter 19 Minder-jährige. Einer davon war Balaban.

Die Polizei werfe ihm vor, Polizi-sten beleidigt und Steine geworfenzu haben, berichtet seine Mutter.Einer seiner Freunde sei frei gelas-sen worden, weil die Familie umge-rechnet rund 200 EuroBestechungsgeld an die Polizei ge-zahlt habe. Die Balabans hätten

sich das nicht leisten können. Auchdie anderen verhafteten Jugendli-chen seien mittlerweile freigelassenworden. Erkan hingegen blieb inGewahrsam Seiner Mutter berich-tete er, dort misshandelt und sostark in den Magen geschlagenworden zu sein, dass er sich überge-ben musste.

Bei der Vernehmung von Erkanhabe die Familie nicht dabei seindürfen. Im Gefängnis sei es nicht zuweiteren Misshandlungen gekom-men. Die engste Familie dürfeErkan ein Mal wöchentlich besu-chen. Entfernte Verwandte undFreunde hätten jedoch kein Be-suchsrecht. Bei Betreten des Ge-fängnisses müsse die Familieintensive Kontrollen über sich erge-hen lassen und Schuhe und Kopf-tuch ablegen. Geschenke, Essenoder Kleidung dürfe sie Erkan nichtmitbringen, lediglich Geld sei er-laubt. Die Mutter spare sich vomwenigen Geld der Familie wö-chentlich umgerechnet 15 Euro fürZigaretten ab, damit der Sohn "imGefängnis wenigstens genug zurauchen hat".

Die Wärter seien bei den Besu-chen in einem großen Raum mit

> mädchen beim newroz-fest in diyarbakir, 21.03.10

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I. Bericht der Delegation Bremen/Hannover | A. Minderjährige politische Häftlinge

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mehreren Familien mit anwesend.Länger als 40 Minuten dürften sieden Sohn nicht sehen. Im Gefäng-nis gebe es weder Lehrer, Ärztenoch Psychologen zur Betreuungder Jugendlichen. In Erkans Haft-raum seien rund 35 Jugendliche(laut einer Liste des Menschen-rechtsvereins IHD sind es aller-dings nur 24) im Alter von zwölf bis18 Jahren eingesperrt. Sie würdensich mit Handarbeit wie der Her-stellung von Schmuck beschäftigen,sagt die Mutter. Manche Jugendli-chen seien Waisen und würdenüberhaupt keinen Besuch bekom-

men. Ein Mal in der Woche frei-tags dürften sie für eine halbeStunde in den Hof gehen (nachAngaben der Ärztekammer vonDiyarbakir dürfen die Jugendlichenallerdings täglich auf den Hof ).

Nach Darstellung der Mutter seiErkan bei einem Verhör ein Zei-tungsfoto gezeigt worden. Manhabe ihn gefragt, ob er auf demFoto zu sehen sei. Das habe er be-jaht. Auf dem Foto habe er dieHände in den Taschen, sagt dieMutter. Dennoch behauptet die Po-lizei, er habe Steine geworfen. Al-lerdings gibt es auch ein Video derDemonstration, das die Mutter je-doch nicht gesehen hat. Bis zur

Fortsetzung der Verhandlung am13. Mai soll Erkan in Haft bleiben.

Seine von der Anwaltskammer ge-stellte Anwältin Saime Erdogan be-stätigte uns bei einem Gespräch am25. März die Darstellung der Muterim Wesentlichen. Die Staatsanwalt-schaft habe noch kein konkretesStrafmaß verlangt. Sie rechne damit,dass Erkan B. eine Haftstrafe von8,5 Jahren droht. Das besagte Fotozeige Erkan zwar “im Tatgeschehen”,nicht aber beim Werfen von Steinen.Das Video habe sie noch nicht gese-hen. Es sei jedoch nur bedingt vonBedeutung, weil nach ihrer Erfah-

rung die Polizei bei dürftiger Be-weislage vor Gericht oft behaupte,die Angeklagten hätten sie beleidigt.“Das ist wie im Lotto,” sagte Erdo-gan.

> HaftbedingungenNach einer aktuellen Aufstellungdes Menschenrechtsvereins IHD(!nsan Hakları Derne"i) gibt es al-lein in Diyarbakir derzeit 63 min-derjährige politische Häftlinge,darunter zwei Mädchen. Die 14-jährige Beriwan Sayaca etwa solle13,5 Jahre im Gefängnis bleiben.Im Februar diesen Jahres habe sieSteine auf Polizisten geworfen,ohne jedoch jemanden verletzt zuhaben. Laut dem Geschäftsführer

der Ärztekammer der Provinz Diy-arbakir (Diyarbakır Tabip OdasıBa#kanı), Adnan Selcuk Mizraklisollen allein in der Provinz Diyar-bakir derzeit 500 politisch moti-vierte Anklagen gegenMinderjährige anhängig sein, tür-keiweit seien es rund 3.000.

Mit einer Kommission aus Kin-derpsychologen, Pädagogen undÄrzten sowie Vertretern des Ju-gendamtes von Diyarbakir und derAnwaltskammer hat Mizrakli imApril 2009 das Gefägnins von Diy-arbakir besucht, um sich ein Bildüber die Lage der einsitzendenMinderjährigen zu machen. Seitherhätten Vertreter der Anwalts- undÄrztekammer das Gefängnis nochmehrfach besucht.

Nach Mizraklis Ansicht ist dieHaftanstalt für Kinder ungeeignet.Es gebe dort kaum Platz zum spie-len, keine Sportmöglichkeiten oderMusikinstrumente. Die Bettenseien, ebenso wie die Kleidung derjungen Gefangenen, nicht sauber.Oft werde ihnen verboten, ihre Fa-milien zu sehen.

Mizrakli berichtet etwa von einemJungen, der bei einem Besuch seinesVaters diesem das in der Türkei alsPKK-Symbol verbotene "Victory"-Zeichen aus gespreiztem Zeige- undMittelfinger gezeigt habe. Daraufhinerließ die Gefängnisleitung einedreimonatige Besuchsperre. "Es gibtdort keine SozialpädagogInnen,keine PsychologInnen und keineLehrerInnen. Niemand unterrichtetdie Kinder," sagt auch Mizrakli. Eshandele sich nicht um ein speziellesJugendgefängnis, dort seien auch er-wachsene Sträflinge untergebracht.Die Minderjährigen hätten aller-dings einen separaten Trakt.

Die Jungen verteilen sich auf dreiHafträume mit 15 bis 24 Insassen.Laut Mizrakli dürfen sie zwei bisdrei Stunden am Tag auf den o!e-nen Hof. Es gebe Fernsehen, ärztli-che Versorgung erreiche dieGefangenen aber oft nur mit star-ker Verzögerung. Zu körperlichenMisshandlungen durch die Wärte-

> newroz in diyarbakir, 21.03.10

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rInnen komme es laut Mizrakli of-fenbar nicht. Das hatte uns auch Ja-hide Balaban gesagt. DieInhaftierung unter solchen Bedi-gungen müsse jedoch als psychischeMisshandlung gelten.

Viele der Kinder müssten Strafenvon über zehn Jahre absitzen, man-che gar mehr als zwanzig Jahre. DieVergehen seien in der Regel die Be-leidigung von Polizisten, das Wer-fen von Steinen auf"Sicherheitskräfte" oder aber dasbloße Vermummen auf Demon-strationen, das als Guerilla-Symbolgewertet werde.

> Einschätzung des Men-schenrechtsvereins IHDAuch der MenschenrechtsvereinIHD äußerte sich zur Lage inhaf-tierter Minderjähriger. Die Kinder-kommission des Vereins versucht,die Einzelfälle zu erfassen und ko-stenlos Rechtsbeistand zur Verfü-gung zu stellen. In der Türkei hatzwar von Gesetzes wegen jeder An-spruch auf einen Pflichtverteidiger,es wurde jedoch dem IHD berich-

tet, dass betro!ene Kinder nachAussagen der Polizei auf ihrePflichtverteidigung verzichtet hät-ten und so ohne Beistand waren.Viele Kinder hätten angegeben,dass sie zwischen Festnahme undAnkunft im Polizeipräsidium ge-schlagen und stark eingeschüchtertwurden. Der in Diyarbakir festge-nommene Kirk Boran etwa sei der-art misshandelt worden, dass seineKleidung blutgetränkt war. Es seiihm gelungen, diese seinen Elternzu schicken, die sie an den IHDweitergaben.

Während es früher zu mehr Fäl-len von körperlicher Folter kam,nähmen heute die psychischen Fol-termethoden zu. So würden Kindernachts zum Verhör geweckt, sexuellgedemütigt oder beschimpft. Kin-der würden gemeinsam mit nichtpolitischen Straftätern unterge-bracht und seien Misshandlungenvon Mithäftlingen ausgesetzt. DieErnährungssituation sei mangel-haft. Es gebe Berichte von Finger-nägeln im Essen.

> AnwaltskammerAuch der Vorsitzende der Anwalts-kammer von Diyarbakır (BarosuBa#kanı) Emin Aktar, kritisierte diezunehmende Inhaftierung Jugend-licher aus politischen Gründen."Seit drei Jahren werden Minder-jährige als TerroristInnen einge-sperrt. Damit machen sich dieRichter zum Werkzeug des Staatesgegen die KurdInnen. Ich war vorzwei Wochen im Gefängnis, dortwaren 66 Kinder, davon zwei Mäd-chen. Wir wissen, dass ähnlich vielein Van, Adana und Istanbul in Haftsind." Sie würden ab dem Alter von15 Jahren wie Erwachsene behan-delt, weil sie an politischen Prote-sten teilgenommen haben.Dennoch werde die Ö!entlichkeitbei Gerichtsverhandlungen mitdem Argument des Jugendschutzesausgesperrt, weil Kinder unter 18angeblich "unter dem Schutz desGesetzes" stünden.

Die Anwaltskammer plant eineKlage vor dem Europäischen Ge-richtshof für Menschenrechte(EuGHM). Dies dauere aber sechs

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> junge sympa-thisanten derkurdischen parteiBDP vor der par-teizentrale in diy-arbakir, 20.03.10

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Jahre, weil zuerst alle nationalenRechtswege beschritten werdenmüssten. Ein jetzt 15 Jahre alterGefangener habe davon kaumetwas. "Wenn der Prozess in Straß-burg vorbei ist, ist er 22," sagteAktar.

Die Angaben von IHD und An-waltskammer werden durch denUNICEF-Bericht “Field Visit Re-port on Children Deemed to be Terro-rist O$enders for Participating inDemonstrations” von 2009 gestützt.

> Initiative der ÄrztekammerDie Ärztekammer betrachtet diezunehmende Inhaftierung Minder-jähriger wegen politischer Vergehenals "riesiges psychisches Problem

für die Jugendlichen und riesiges so-ziales und politisches Problem für dieKurdInnen," sagte uns ihr Vorsitzen-der Dr. Adnan Selçuk Mizrakli.

Ein schriftlicher Bericht über dieZustände in dem Gefängnis wurdevon einer von der Kammer zusam-men gestellten Kommission verfasstund im Mai 2009 dem Parlament inAnkara übergeben. Passiert sei dar-aufhin "absolut nichts,", sagt Miz-rakli. Der Chef der rechtsextremenMilliyetçi Hareket Partisi (MHP),Devlet Bahçeli, habe ihnen gesagt,wer "heute Steine wirft, der nimmtmorgen Wa!en gegen unsere Sol-daten in die Hand."

"Kinder können nicht aus politi-schen Gründen verurteilt werden.Kinder sind Kinder, man kann sie

nicht behandeln wie Erwachsene,"sagt Mizrakli. "Das muss aufhören,sie sollen mit ihren Familien lebenkönnen."

Die Ärztekammer fordert dieEntlassung der wegen politischerVergehen einsitzenden Kinder undJugendlichen und ein "Rehabilitati-onsprogramm" mit psychosozialenElementen und einer nachholendenSchulausbildung.

Mizrakli erklärt die zunehmendeRepression gegen Minderjährige mitder geänderten politischen Strategieder KurdInnen. "Seit etwa vier Jah-ren hat die kurdische Zivilgesell-schaft Druck auf die Guerillaausgeübt, damit diese ihre bewa!ne-ten Aktionen einstellt. In dieser Zeitwurden die Aktivitäten des legalen,politischen Arms der Bewegung in-tensiviert."

Das habe sich in dem Wahlerfolgder inzwischen verbotenen DTP beiden Kommunalwahlen 2009 nieder-geschlagen. Um dieser zivilen Kon-solidierung der kurdischen Politikentgegen zu wirken, wolle die Re-gierung Kinder und Jugendlichedurch solch drakonische Strafen ab-schrecken, sich in kurdischen Struk-turen zu politisieren.

> Initiative der BildungsgewerkschaftEgitim SenAuch beim Besuch des Bezirksvor-sitzenden der Bildungsgewerk-schaft Egitim Sen, der türkischenSchwesterorganisation der deut-schen Gewerkschaft Erziehung undWissenschaft, Abdullah Kadaranging es um dieses "ema.

Ein besonderes Problem sei, dassdie Jugendlichen nicht beschultwürden und nach ihrer Entlassunghäufig den Anschluss in der Schuleverloren haben, sagte Kadaran. Ge-meinsam mit dem Bürgermeisterder Stadt Diyarbakir arbeitet Egi-tim Sen an einer Initiative, um dieJugendlichen in der Haft zu be-schulen. Geplant ist, den Unterrichtvor allem in kurdischer Sprachestattfinden zu lassen

I. Bericht der Delegation Bremen/Hannover | A. Minderjährige politische Häftlinge

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> kurdin beim newroz-fest in diyarbakir, 21.03.10

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I. Bericht der Delegation Bremen/Hannover | B. Gefallene, Gefangene, Verschwundene

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Teil B – Gefallene, Gefangene, Verschwundene

> Allgemeine Einschätzungder Menschenrechtslage Nach Einschätzung des IHD hatdie Regierung im letzten Jahr ihrePolitik gegenüber der kurdischenBevölkerung wesentlich geändert.In den 90er Jahren wurden Men-schen ermordet, heute steigt dafürdie Zahl der Festnahmen sehr starkan. Für geringfügige Vergehen wer-den unverhältnismäßige Höchst-strafen verhängt, berichte uns derIHD-Büroleiter Burhan Zoroo!luin Diyarbakir.

Die Polizei gehe bei Demonstra-tionen extrem gewalttätig vor.Staatsbedienstete wie Richter ver-hielten sich über die Maßen staats-treu, anstatt ihre Unabhängigkeit zuwahren. Im Amt begangene Ver-brechen würden nicht strafrechtlichverfolgt. Solange dies nicht ge-

schehe, sei "Null Toleranz" gegenFolter nicht möglich, sagte Zo-roo!lu.

Beispielsweise sei der Mord andem politisch aktiven StudentenErdem Aydin im Winter 2009 inDiyarbakir auf einer nicht angemel-deten Demonstration nicht aufge-klärt worden, weil die potentiellenZeugen aus Angst vor Repressionenkeine Angaben machten und dieam Ort der tödlichen Schüsse in-stallierte befindliche Überwa-chungskamera angeblich nicht

funktionierte. Die Untersuchungdes Todes von Ceylan Önkol, einesMädchen aus Lice im November2009 durch eine explodierende Ra-kete des Militärs dauert noch an.Dorfbewohner würden dem IHDhäufig von Übergri!en der so ge-nannten Dorfschützer berichten,

gegen die nicht vorgegangen werde.Etwa 50 schwerstkranke Gefan-

gene in osttürkischen Haftanstaltenwürden nicht oder nicht ausreichendmedizinisch versorgt oder nicht auf-grund ihres Gesundheitszustandesentlassen. So habe Amnesty Inter-national in London beispielsweiseden Fall des chronisch kranken Ge-fangenen Nurettin aufmerksam ge-macht, ohne dass eine Reaktionerfolgte (dies konnten wir beiAmnesty nicht verifizieren). Auchwurde von der Behandlung vonkranken Gefangenen in Van in einerLeichenhalle berichtet.

Die Verhaftungen nähmen insge-samt zu. Vor einem Jahr waren 154politische Gefangene in Haft, heuteseien es über 1.000 allein in der Re-gion Diyarbakir sagte Zoroo!lu.

Am Mittwoch, dem Tag unsererAnkunft in Diyarbakir, wurden imrund 200 Kilometer östlich geleg-nen Siirt 13 Personen festgenom-men, darunter der lokaleIHD-Vorsitzende und sein Stell-vertreter sowie Mitglieder der kürz-lich verbotenen kurdischen ParteiDTP und der legalen KurdenparteiBDP. Acht BürgermeisterInnenund fünf IHD-Funktionäre seien inHaft, darnter der ehemalige stell-vertretende IHD-Vorsitzende Mu-harrem Erbey, der sich insonderemit den 940 Verschwundenen derletzten zehn Jahre und der Ermor-dung von Guerillamitgliedern be-schäftigte.

> Meya-Der: Selbsthilfe fürAngehörige“Verschwundener”Bei einem Besuch erläuterte HasanPence, der Vorsitzende von Meya-Der (Mezopotamya Yardımla"maDerne!i), einer kurdischen Selbst-hilfeorganisation von Kriegsopfer-familien, die Schwierigkeiten beider Aufarbeitung der militärischenAuseinandersetzungen.

So habe der kurdisch-türkische

> alter mann an der ab-sperrung der haupt-bühne des newroz- festsin diyarbakir, 21.03.10

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Konflikt rund 17.500 Opfer gefor-dert, deren Todesumstände bisherungeklärt seien. In diesen Fällenwurde entweder keine Leiche ge-funden, oder die Todesursache ließsich nicht rekonstruieren. Nochimmer sind viele Massengräber ent-weder nicht entdeckt oder nichtausgehoben. Das türkische Militärhat sich lange heftig dagegen ge-wehrt, dass hier Nachforschungenangestellt werden, weil so mögli-cherweise Beweise für Kriegsver-brechen sicher gestellt werdenkönnten.

Lange war das "ema o#ziell ta-buisiert, jede ö!entliche Auseinan-dersetzung damit wurde hartbestraft. 2006 organisierte das "In-ternationale Kommittee gegen dasVerschwindenlassen" (ICAD) zu-sammen mit dessen türkischen Sek-tion YAKAY-DER (YakınlarınıKaybeden Ailelerle Yardımla#ma veDayanı#ma Derne"i) in Diyarbakireinen großen Kongress. Damalskonnten zum ersten Mal Angehö-rige von Verschwundenen ö!entlichüber ihre Erfahrungen sprechen.Einige der Organisatoren wurdenim August 2007 wegen angeblicherMitgliedschaft in einer verbotenenlinken türkischen Partei zu langenHaftstrafen verurteilt. Das "emablieb jedoch auf der Tagesordnung.2008 wurde Meya-Der gegründet.

Seitdem seien dort etwa 2.000Anträge auf Nachforschung einge-gangen, berichtete Pence. In 600Fällen konnte der Verein die Todes-ursache feststellen beziehungsweiseeine Leiche bergen. Zuletzt wurdeam Mittwoch, dem 16. März in derNähe der Stadt Kiziltepe südlichvon Diyarbakir die Leiche eines imJahr 1992 verschwundenenenPKK-Kämpfers gefunden.

Die Identifikation der geborgenenGebeine erfolgt häufig mit Hilfe vonDNA-Tests, für die der türkischeStaat auf Antrag der Angehörigendie Kosten trägt, wenn Meya-Deroder andere Organmsationen dieGräber, teils Massengräber, exhu-mieren lassen. "Der Krieg hat 30

Jahre gedauert, fast alle Familien hierhaben Opfer zu beklagen. Teils istnur eine einzige Person übrig geblie-ben," sagt Pence. Mit Meya-Derwolle man einen Raum scha!en, indem sich Hinterbliebene gegenseitigHalt geben können. Weiter gehe esvor allem darum, dass die Toten eineangemessene Grabstätte erhalten.Zur ihrer Arbeit gehöre aber auchdas Bestreben um politische Aus-söhnung. Hierzu habe Meya-Der2008 eine Demonstration mit10.000 bis 15.000 TeilnehmerInnenorganisiert, bei der Angehörige ge-fallener PKK-KämpferInnen ge-meinsam mit Angehörigengefallener türkischer Soldaten undanderen Kriegsopfern in Diyarbakirdemonstriert hätten.

Die finanzielle Lage von Meya-Der sei prekär. Von 27 Vorstands-mitgliedern seien nur sieben in derLage aktiv mitzuarbeiten. Alle üb-rigen könnten sich dies nicht lei-sten. Pence arbeite in denSommermonaten als Saisonarbeiter,von diesen Einkünften lebe er denRest des Jahres. Die Organisationho!t auf Zuwendungen der EU,um weiter Nachforschungen überdie während des Krieges ver-schwundenen KurdInnen anstellenzu können.

Neben fehlendem Geld sei die ju-ristische Verfolgung ein weiteresProblem. Gegen fast alle Aktivi-stInnen von Meya-Der ermittle dietürkische Justiz, in der Regel wegenangeblicher Propagandadelikte.Pence selber habe eine 30-monatigeHaftstrafe abgesessen, weil er Ab-dullah Öcalan als "Anführer derKurden" bezeichnet habe.

> Tuha-Der, Selbsthilfe fürdie Angehörigen GefangenerIm Anschluss berichtete SelahattinKaya, ein Vertreter der Gefange-nenhilfsorganisation Tuha-Derüber seine Arbeit. "In der Türkeigibt es so viele Gefängnisse, baldreichen die Buchstaben nichtmehr," sagte er in Anspielung dar-auf, dass die Typen von Gefängnis-

sen derzeit mit den Buchstaben A,B, C, D, E, F, H, K L, M und T ka-tegorisiert werden. "Und für wenwerden die gebaut? Für die Kur-den!" sagte Kaya.

Den Einwand, dass auch linkeTürkInnen häufig aus politischenGründen zu sehr langen Haftstrafenverurteilt würden, wies Kaya zurück.Seiner Ansicht nach gebe es eineZwei-Klassen-Justiz auch im Hin-blick auf politische Gefangene. Diesäußere sich unter anderem darin,dass Gnadengesuchen todkrankerpolitischer Gefangener eher stattge-gegeben würde, wenn es sich umTürkInnen handelt.

Es gebe derzeit 54 tödlich er-krankte kurdische Gefangene intürkischen Gefängnissen. Gnaden-gesuche würden abgelehnt. So habeim Fall des kurdischen HäftlingsNurettin Soysal ein Amtsarzt dieDiagnose einer innerhalb von sechsMonaten zum Tode führenden Er-krankung bestätigt, jedoch hinzuge-fügt, Soysal könne dennoch weiteredrei Monate in Haft bleiben.Amnesty International in Londonhabe den Fall aufgegri!en, ohnedass eine Reaktion erfolgt sei.

Kaya schilderte, dass ein großesProblem bei der Betreuung kurdi-scher Gefangener sei, dass die tür-kische Justiz sie als Schikanesystematisch in Haftanstalten überdas ganze Land verteile. "So werdenauch die Familien zu Opfern," sagtKaya, denn diese könnten sich dieBusfahrt in Städte an der Schwarz-meerküste oder gar im Westen desLandes nicht leisten. Ehepartnerkönnten sich dadurch oft jahrelangnicht sehen. Versuche von Tuha-Der, günstige Sammeltransporte zuorganisieren, seien von der Justizkonterkariert worden, indem nur je-weils eine Besucherlaubnis je Tagund Anstalt erteilt werde.

Auch die finanzielle Lage vonTuha-Der sei extrem angespannt.Viele Mitglieder könnten sich denTuha-Der Monatsbeitrag von dreitürkischen Lira (1,50 Euro) nichtleisten.

I. Bericht der Delegation Bremen/Hannover | B. Gefallene, Gefangene, Verschwundene

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Kaya selbst habe zehn Jahre inHaft gesessen. Er stamme aus demDorf Koceköy (kurd. Karaz) naheDiyarbakir. In den Jahren 1990 bis1992 habe das Militär die Einwoh-ner zwingen wollen, "Dorfschüt-zer", also Paramilitärs, gegen diePKK aufzustellen. Alle 75 Familienhätten sich geweigert.

Kaya selbst sei zunächst ö!entlichauf dem Dorfplatz, später in einemGefängnis gefoltert worden. DieRepression sei irgendwann "nichtmehr zu ertragen" gewesen, aus-nahmslos alle Männer und Frauendes Dorfes seien gefoltert worden.Am 27. Dezember 1992 habe dasMilitär das Dorf schließlich nieder-gebrannt. Kaya habe sich daraufhinder PKK angeschlossen. Sein Bru-der, der es vorgezogen habe nachDiyarbakir zu fliehen, sei hier vontürkischen "Sicherheitskräften" er-schossen worden. 1994 sei Kaya inIzmir verhaftet worden, als er sichin ärztliche Behandlung begebenmusste. Man habe ihn 37 Tage langschwer gefoltert, bis er mit verbun-denen Augen ein ihm unbekanntesGeständnis unterschrieben habe.

Das Gericht habe dies jedochnicht gegen ihn verwenden wollen,wenn er bekenne, dass er "bereut,dass es die PKK gibt, weil nur durchdie PKK mein Dorf niedergebranntwurde, es Krieg gibt und ich gefol-tert wurde". Er habe geantwortert,dass er kein Angehöriger der PKKsei, sich der Organisation aber an-geschlossen hätte, wenn er gewussthätte, dass der Staat ihn derartig fol-tern würde. Dies habe er bei mehre-ren Gerichtsterminen wiederholt,bis er schließlich zu der zehnhjähri-gen Haftstrafe verurteilt wurde.

Kaya bekräftigte dies mit denWorten: "Vor der Organisation" –gemeint ist die PKK – "waren wirblind, wir konnten nicht lesen undschreiben, unsere Frauen durftenkeine drei Schritte vor die Tür ma-chen. Wir kannten uns selbst nicht.Sie hat uns Augen und Ohren ge-ö!net, und uns zu dem gemacht,was wir heute sind."

> Besuchserlaubnis für dasGefängnis nicht erteiltIn den letzten Monaten wurdenführende PolitikerInnen der DTPund AktivistInnen des Menschen-rechtsvereins IHD festgenommenund sitzen seither im Gefängnisvon Diyarbakir in Haft. Unterihnen sind Muharram Erbey, derstellv. Vorsitzende des IHD, FiratAnli, Vorsitzender der DTP, Kamu-ran Yüksek, stellv. Vorsitzender derDTP, Bayram Altun, stellv. Vorsit-zender DTP und Abdullah Demir-bas, Bürgermeister der Stadt Sur.Sie haben bisher keinen Besuch vonausländischen Beobachtern emp-fangen dürfen.

Um zu ihnen gelassen zu werden,sandten wir vorab ein entsprechen-des Gesuch an die Rechts- undKonsularabteilung der deutschenBotschaft in Ankara und die Rechts-und Presseabteilung der türkischenBotschaft in Berlin, mit der Bitte,das Schreiben an das türkische Ju-stizministerium weiterzuleiten. Dietürkische Presseabteilung stellteRückfragen über Zusammensetzungund Hintergrund unserer Gruppeund leitete das Gesuch an die Staats-anwaltschaft in Diyarbakir weiter.Dort gibt es ein Büro für Men-schenrechtsangelegenheiten und"Verschwundene", dessen Mitarbei-ter auch für unseren Antrag zustän-dig war.

Als wir es am Donnerstag auf-suchten, hatte der Mitarbeiter be-reits eine übersetzte

Zusammenfassung unseres an diePresseabteilung eingereichten Ge-suchs vom Staatsgouverneur be-kommen. Der wiederum hatte dasSchreiben von der Presseinformati-onsstelle des Regierungspräsidiumsin Ankara erhalten.

Das "Menschenrechtsbüro" be-hauptete, uns nicht helfen zu kön-nen, weil die Genehmigung desJustizministeriums noch nicht vor-läge. Wir überzeugten den Mitar-beiter, dort anzurufen undnachzufragen, obwohl dies nachseinen Angaben "außerhalb seinerZuständigkeit" läge. Als er es den-noch tat, sagte das Justizministe-rium, das Gesuch sei noch nichtdort eingegangen. Man empfahluns, die deutsche Botschaft zu bit-ten, mit dem Außen- und dem Ju-stizministerium zu sprechen.

Laut der deutschen Botschaft hatder Leiter der Rechts- und Konsu-larabteilung unser Gesuch mit einer"Verbalnote" (Nr. 5074) direkt demAußenministerium überbringenlassen. Es ging dort bereits am 15.März ein. Zu dem Umstand, dassdas Gesuch laut Staatsanwaltschafttrotzdem nicht an das Justizmini-sterium weitergeleitet wurde, wolltesich der Abteilungsleiter späternicht äußern. Es bestehe ohnehinkein Rechtsanspruch auf eine Be-suchserlaubnis, sagte er uns. Dertürkische Staat sei lediglich ver-pflichtet, den Menschenrechtskom-missar des Europarats Besuche zuermöglichen.

I. Bericht der Delegation Bremen/Hannover | B. Gefallene, Gefangene, Verschwundene

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> newroz-fest indiyarbakir, 21.03.10

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> Anklage gegen den Journalisten Vedat KursunAm Donnerstag, dem 18. März, be-riet der Hohe Strafgerichtshof inDiyarbakir zum vierten Mal über denFall des kurdischen JournalistenVedat Kursun, der für 525 Jahre insGefängnis soll. Die Staatsanwalt-schaft wirft ihm vor, als Chefredak-teur der kurdischsprachigenTageszeitung Azadiya Welat ("Frei-heit für das Land") Propaganda fürdie PKK betrieben zu haben.

In der Anklageschrift sind 103Ausgaben von Azadiya Welat ausden Jahren 2007 und 2008 aufge-führt. Bereits die Nennung der Be-gri!e "Kurdistan" und "Guerilla"soll nach Ansicht der Justiz gegendas türkische Anti-Terror-Rechtverstoßen. Auch die Bezeichnungdes PKK-Gründers Abdullah Öca-lan als "Anführer der Kurden", dieVerbreitung von Erklärungen füh-renden PKK-lerInnen oder Trauer-anzeigen für gefallene kurdischeKämpferInnen sind Gegenstandder Anklage. Seit Januar 2009 sitztder 34-jährige gelernte Fernseh-techniker in Untersuchungshaft.

Beim Prozess nahm der Staatsan-walt neben den Richtern an derenTisch Platz. Kursun selbst durfte je-doch nicht bei seinen Anwälten sit-zen. Von zwei Soldaten bewachtkonnte er in der gegenüberliegen-den Ecke des Saales verfolgen, wiedas Gericht nach nur wenigen Mi-nuten den Fortgang der Verhand-lung auf den 6. Mai vertagte. Dannsoll ein Urteil fallen.

Azadiya Welat ist die einzige Ta-geszeitung in der Türkei, die in kur-discher Sprache erscheint. NachAngaben des derzeitigen Chefre-dakteurs Eser Ugansiz erreicht sieeine Auflage von 15.000 Exempla-ren, die in der Osttürkei und dengroßen Städten des Westens auf derStraße verkauft werden. Für denVertrieb am Kiosk ist die Auflagezu gering.

Wie praktisch jedes kurdischeMedium betrachtet der türkischeStaat die Zeitung vor allem alsSprachrohr der PKK. "Wir sind nurein Sprachrohr des kurdischen Vol-kes," sagt Ugansiz dazu. Mit An-klagen wie der gegen Kursun wolledie Regierung die Kurden zwingen

"ihre Sprachmuster zu übernehmen.Aber wir lassen uns nicht vorschrei-ben, wie wir zu sprechen haben."

Seitdem die Zeitung 2006 be-gann, täglich zu erscheinen, wurdesie fünf Mal für bis zu einen Monatgeschlossen. Der Vorwurf war stetsder gleiche: "Werbung für eine ver-botene Organisation". Ugansiz istder fünfte Chefredakteur. Der erstefloh nach einer Verurteilung in dieSchweiz. Seine Nachfolgerin EmireDemir ist wegen Propagandadelik-ten in 80 Fällen angeklagt. Nochläuft das Verfahren, Demir ist auffreiem Fuß. Ugansiz' Vorgänger,Ozan Kilinc produzierte im Juni2009 nur zwölf Ausgaben von Aza-diya Welat. Er wurde am 9. Februardiesen Jahres zu 21 Jahren Haft ver-urteilt und sitzt im Gefängnis.

Der im Gefängnis an Hepatitis Berkrankte Journalist Kursun hatzwei Jahre für die kurdische Nach-richtenagentur DIHA gearbeitet,bevor er 2007 zu Azadiya Welatkam. Als der Journalist 2009 ver-suchte, nach Europa zu fliehen,wurde er am Flughafen von Istan-bul verhaftet. Sein Nachfolger hatfür ihn wenig Ho!nung. "Der wirdnicht wieder freikommen", fürchtetUgansiz. Im Moment sei die Lagefür kurdische Publizisten "soschlimm wie noch nie". Fast jederverö!entlichte Artikel und Fotowerde als Straftat gewertet. "Des-halb sind wir gezwungen, die Ver-antwortlichen der Zeitung ständigauszutauschen," sagt Ugansiz. Den-noch wolle die Redaktion auchdann "genau so weitermachen, wiebisher", wenn Kursun tatsächlich zuder Rekord-Strafe verurteilt wird.Ugansiz selbst rechnet damit, mit-telfristig ebenfalls nach Westeuropafliehen zu müssen.

Mit der Pressefreiheit in der Tür-kei gebe es "riesige Probleme," sagtauch Erol Önderoglu, der Türkei-Vertreter von Reporter ohne Gren-

I. Bericht der Delegation Bremen/Hannover | C. Verfolgung von Journalisten

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Teil C – Verfolgung von Journalisten

> vedat kursun

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zen. Der Fall Kursun und AzadiyaWelat sei nur die Spitze des Eis-bergs. "Der Staat kämpft gegen dieMeinungsfreiheit, wo er kann." DieZeitung habe "Sympathien" fürÖczalan geäußert und ihn als "Füh-rer der Kurden" bezeichnet. Dasrechtfertige jedoch keinesfalls sol-che drakonischen Strafen. Der Eu-ropäische Gerichtshofs fürMenschenrechte (EuGHM) habeeindeutig entschieden: Nur "HateSpeech", zu deutsch etwa Aufsta-chelung zum Hass gegen eine Be-völkerungsgruppe oder der Aufrufzur Gewalt dürften verboten wer-den. Der EuGHM habe immerwieder festgestellt, dass die Türkeimit der weiten Interpretation ihresAnti-Terror-Rechts diese Regelverletze, sagt Önderoglu.

> Verhaftung einer weiterenJournalistin, Verurteilungeines VerlegersLaut dem Azadiya Welat-Chefre-dakteur Eser Uyansiz, wurde am

Tag der Verhandlung gegen Kursunauch die 21-jährige kurdische Jour-nalistin Gurbet Cakar verhaftet. Siesei auf dem Weg zur Gerichtsver-handlung verhaftet worden, berichteUyansiz. Cakar arbeite als Redak-teurin der Frauenzeitschrift “He-wiya Jine”. Nach ihrer Festnahmesei sie von Polizisten geschlagen undin das “E”-Typ Gefängnis von Diy-

arbakir gebracht worden. Am nächsten Tag sei der Verle-

gere Bedri Adnir vom Verlag “AramPublishing” in Istanbul zu 80 Jah-ren Haft verurteilt worden. Adnirhabe Bücher des PKK-GründersAbdullah Öcalan verlegt, daraufdessen Foto gedruckt und ihn als“Herr Öcalan” statt als “Terroristen”bezeichnet.

I. Bericht der Delegation Bremen/Hannover | D. Politische Organisierung und Repression

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> Einschätzung des Anwaltsvereins Nach Ansicht des Vorsitzenden derAnwaltskammer von Diyarbakır(Barosu Ba#kanı) Emin Aktar, habedie Regierung seit den Erfolgen derDTP bei den Kommunalwahlenam 14. April 2009 "eine neue Stra-tegie der Repression" eingeschla-gen. Die sei geschehen, obwohl diePKK am Vortag der Wahlen zumwiederholten Mal einen Wa!en-stillstand erklärt habe. Die türkischeRegierung weigere sich mit den or-ganisierten KurdInnen zu verhan-deln. "Sie zieht es seit jeher vor,Probleme nicht durch Dialog zulösen, sondern eigenmächtig zu ent-scheiden und dies dann gegen alleWiderstände durchzusetzen. " Mitdieser "traditionellen Methode" seisie auch gegen DTP-PolitikerInnenvorgegangen. "Das kurdische Pro-

blem ist ein juristisches Problem,"sagte Aktar.

Die Bewegung habe dem Separa-tismus abgeschworen. "Wir wollendie derzeitigen Grenzen des türki-schen Staates nicht verändern". Vonden türkischen Bestrebungen umeine Aufnahme in die EU habe sienicht profitiert. "Am Anfang derEU-Annäherung waren wir sehroptmistisch, dass dies die Rechte derKurdInnen befördern würde. Jetztsind wir das nicht mehr. Es hat unsnichts genützt," sagte Aktar.

Noch immer gehe der türkischeStaat "mit schmutzigen Mittelngegen KurdInnen vor". Stattdessenmüsse er seine Verantwortung fürdie Entvölkerung und Verbrennungkurdischer Dörfer, extralegale Tö-tungen und "Verschwindenlassen"anerkennen.

> Bürgermeister von Diyarbakir unter Arrest Der Oberbürgermeister von Diyar-bakir, Osman Baydemir, ist seit dem19. Januar 2010 mit einem Reisever-bot belegt worden. Das Verbot sei"zeitlich unbegrenzt" ausgesprochenworden, berichtete uns Baydemir beieinem Empfang im Rathaus. Erkönne deshalb nicht an internatio-nalen Konferenzen teilnehmen oderim Ausland um Unterstützung fürdie Region Diyarbakir werben.

Insgesamt stehe die von der pro-kurdischen BDP dominierte Stadt-verwaltung unter starkempolitischen und juristischen Druck."1.500 unserer Leute sitzen im Ge-fängnis," klagte Baydemir. Über diegenauen Gründe, warum Staatsan-waltschaft und – mittelbar – derAKP-treue Provinzgouverneur dieFestnahmen veranlasst haben, herr-

Teil IV – Politische Organisierung und Repression

> das total zivile team des kurdischen senders roj-tv auf

der pressetribüne des newroz-fests in diyarbakir, 21.03.10

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sche Unklarheit. Baydemir selbst seinach dem Verbot der DTP im Ja-nuar fünf Stunden lang verhörtworden. Die Staatsanwaltschafthabe ihm unter anderem dieDurchführung von Fortbildungs-veranstaltung für Parteimitgliederund die Organisation von Lokal-konferenzen der Partei vorgewor-fen. "Das tut jede Partei der Welt,ich sehe nicht, wie wir uns da schul-dig gemacht haben sollten," sagteBaydemir.

Er rechne mit weiter anhaltendenjuristischen Repressionen und habemittlerweile den Überblick verlo-ren, wie viele Verfahren gegen ihnanhängig seien. Mittlerweile habees nach seiner Schätzung "etwa1.000" politisch motivierte Anzei-gen gegen ihn gegeben. "Ich habe inden letzten Jahren die meiste Zeitin Justizgebäuden verbracht. MeineFreunde machen sich immer übermich lustig, sie fragen mich, ob ichJura studiert habe, um mich selbstzu verteidigen."

Er habe Briefe erhalten, in denenihm vorhergesagt werde, dass er vonder PKK erschossen würde. "Aberwarum sollten die das tun?" Erhalte es vielmehr für vorstellbar,dass ein Attentat gegen ihn verübtwerde, um dies anschließend derPKK in die Schuhe zu schieben."Wenn ein mit über 60 Prozent derStimmen demokratisch gewählterBürgermeister einer anderen Stadt

so verfolgt würde, dann wäre dieWelt nicht still," sagte Baydemir. Ererklärte sich die Tatenlosigkeit dereuropäischen Staaten im Hinblickauf die kurdische Frage damit, dassder türkische Staat es verstandenhabe "das Kurdenproblem als Ter-rorproblem hinzustellen". Weil sichdie EU in erster Linie auf o#zielletürkische Stellen als Quellen ver-lasse, gelte ihr automatisch jeder,der sich für die Rechte der Kurde-nInnen einsetze, als TerroristIn. Be-kämen die KurdInnen denen derBasken oder KatalenInnen ver-gleichbare Autonomierechte "danngäbe es keine einzige Schießerei".

Baydemir berichtete, sich im ver-gangenen Jahr zur Vorbereitungeiner Städtepartnerschaft mit demhannoverschen OberbürgermeisterStephan Weil getro!en und warteseitdem auf eine Antwort. ZweiDelgationsmitgliederinnen berichte-ten ihm, vor ihrer Abreise ebenfallsbei Weil gewesen zu sein, der ihnenmitgeteilt hätte, seinerseits auf eineAntwort aus Diyarbakir zu warten.

Baydemir sagte, beim Newroz-Fest am Sonntag "überhaupt keinenegativen Zwischenfälle, sondernfriedliche Feierlichkeiten" zu er-warten. Er bedankte sich, dass wirbei dem Fest zu Gast sein würden,um ihre "Ho!nung auf Frieden undFortschritt zu teilen" und sagte, dassNewroz "Neuanfang" bedeute.

> Leyla Zana erneut zu zwölfJahre Haft verurteiltDer ehemaligen Abgeordneteneiner mittlerweile verbotenenDTP-Vorgängerpartei, Leyla Zana,droht erneut eine zwöl$ährigeHaftstrafe. Dies berichtete sie unsbei einem Tre!en am Samstag-nachmittag in der Zentrale derBDP in Diyarbakir. Sie hatte bis2004 zehn Jahre im Gefängnis ge-sessen, weil sie in der türkischenNationalversammlung ihrem Amts-eid den kurdischen Satz hinzuge-fügt hatte: „Ich werde mich dafüreinsetzen, dass das kurdische unddas türkische Volk zusammen ineinem demokratischen Rahmenleben können.“ Dafür und weil siesich in anderen Reden für die kur-dische Selbstbestimmung einge-setzt hatte, wurde von derStaatsanwaltschaft zunächst sogardie Todesstrafe für sie gefordert.1993 sei über sie ein politisches Be-tätigungsverbot verhängt worden,seit ihrer Entlassung aus dem Ge-fängnis darf sie weder Mitgliedeiner Partei werden noch für einesolche sprechen. Sie dürfe nichteinmal einem Verein beitreten. ImGegensatz zu dem BürgermeisterBaydemir darf Zana aber reisen unddas Land verlassen.

Nun wurde sie erneut zu zwölfJahren Haft verurteilt. Rechtsmitteldagegen laufen, doch mit dem Ver-fahren umzugehen sei schwierig."Es wird keine Gerichtsverhand-lung geben, wir müssen ahnungsloswarten, bis das oberste Gericht hin-ter verschlossenen Türen entschei-det. Mehr können wir nicht tun,"sagte Zana.

Die Strafe sei mit einem Rede-beitrag beim Newroz-Fest 2007 inDiyarbakir, "vier bis fünf Redebei-trägen bei Wahlveranstaltungen"und einer angeblichen DTP-Mit-gliedschaft begründet. Allein hier-für soll sie für fünf Jahre insGefängnis. "Obwohl ich nichtDTP-Mitglied bin, wurde ich des-halb nochmal zu fünf Jahren verur-teilt, das ist mir unerklärlich," sagte

I. Bericht der Delegation Bremen/Hannover | D. Politische Organisierung und Repression

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> osman baydemir

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Zana. Bei den inkriminierten Re-debeiträgen habe sie gesagt, dass esein kurdisches Volk gebe und dassdieses für seine Rechte kämpfenwerde. "Das kurdische Volk gibt esaber laut türkischem Gesetz nicht.Ich sage den Richtern, wenn dieGesetze mich als Volk akzeptierenwürden, dann würde ich mich nichtwehren, aber die Gesetze verleug-nen uns ja. Die Richter sindmanchmal sehr traurig und sagen,'es tut auch uns sehr leid, wir wollenSie hier auch nicht immer sehen',aber das Gesetz gibt uns keine an-dere Möglichkeit."

Auf dem Newroz-Fest am Sonntagin Diyarbakir sprach Zana als Haupt-rednerin vor mehr als 700.00 Men-schen. In einer 20-minütigen Rederief sie die Menge dazu auf, in Kampfum Selbstbestimmung für das kurdi-sche Volk nicht nachzulassen.

Zana macht vor allem die Verfas-sung, die die Generäle nach demPutsch 1983 installiert haben, hier-für verantwortlich. "Darin stehtnichts von Vielfalt der Völker oderMenschenrechten, sondern nur vonder Macht des Militärs. Wenn un-sere Kinder morgens in die Schulegehen, müssen sie immer nochjeden Morgen sagen: 'Wir sindstolze Türken.'" Auf diese Weiseversuche der türkische Staat weiter,die KurdInnen zum Türkentum zuassimilieren.

Für die Lage der KurdInnendürfe man aber nicht allein den tür-kischen Staat kritisieren. "Die Tür-kei alleine ist nicht Schuld an derLage der Kurden, die ganze Weltverleugnet uns und betrachtet undals Terroristen und Verbrecher. Dasist ungerecht, und solange die Weltdiese Ansicht nicht ändert, könnenwir nicht zum Frieden kommen."

Zana schwebt vor, das kurdischeVolk türkeiweit einmal im Jahr ineinem Referendum darüber abstim-men zu lassen, ob es einen eigenenStaat wolle. Auch Deutschland seiSchuld an der derzeitigen Lage derKurdInnen. "Wenn Deutschlanddamals Öcalan aufgenommen hätte,dann könnten wir uns heute ineiner ganz anderen Lage unterhal-

ten." Schließlich wies sie daraufhin, dass die PKK in den letztenJahren mehrfach einseitige Wa!en-stillstände erklärt habe, die von derTürkei aber nicht erwidert wordenseien.

> Massenhaft Lokalpolitiker-Innen im GefängnisÄhnlich der Stadtverwaltung leidetauch die DTP-NachfolgeparteiBDP (Barı# ve Demokrasi Partisi;Partei des Friedens und der Demokra-tie) unter einer Welle juristischerVerfolgung. Der Regionalverbands-vorsitzende Cafer Kan berichtet,dass sich unter den seit 2009 ver-hafteten 1.500 politischen Aktivi-stInnen zwölf BürgermeisterInnen,fünf Vorstandsmitglieder und rund20 DTP-Ortsvereinsvorsitzendebefunden haben. "Der Großteil" derübrigen Inhaftierten seien Unter-stützerInnen oder einfache Partei-mitglieder gewesen. Auch FiratAnli und Kamuran Yuksek, derVorsitzende und stellvertretendeVorsitzende des DTP-Bezirks Diy-arbakir sind in Haft.

Kan selbst hat zwölf Jahre im Ge-fägnis gesessen. Seit neun Monatenist er auf freiem Fuß und in derBDP organisiert. In dieser Zeitseien drei Anzeigen wegen ideellerUnterstützung für die PKK gegenihn gestellt worden. Am 26. Märzsei ein erster Prozesstermin ange-setzt. Gegen seinen ebenfalls ange-

I. Bericht der Delegation Bremen/Hannover | D. Politische Organisierung und Repression

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> leyla zana

> cafer kan

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klagten Vorgänger habe die Staats-anwaltschaft eine Haftstrafe von 15Jahren und drei Monate wegeneiner einzigen Rede beantragt.

In der Türkei liege es im Ermes-sen der Staatsanwaltschaft, gewähl-ten PolitikerInnen dieparlamentarische Immunität zuentziehen. Faktisch werde davonbesonders häufig bei kurdischenPolitikerInnen Gebrauch gemacht.Hinzu komme, dass bei Verurtei-lungen oft ein politisches Betäti-gungsverbot ausgesprochen werde.

Der Repressionsgrad erklärt sichnach Darstellung von Kan im We-sentlichen durch die breite Veran-kerung der BDP in der kurdischenBevölkerung. Sie stelle eine 21-köpfige Fraktion in der türkischenNationalversammlung, in fast 100Städten stelle sie BürgermeisterIn-nen, habe Unterstützung von Mil-lionen Menschen im Volk. DiePartei organisiere in 126 Städtendie Newroz-Feierlichkeiten, zudenen sie insgesamt über 4,5 Mil-lionen TeilnehmerInnen erwarte.Das DTP-Verbot habe der Partei"tägliche Schwierigkeiten" bereitet,aber auch neue AktivistInnen be-schert. So hätten sich etwa 5.000Freiwillige an den Newroz-Vorbe-reitungen beteiligt. Die mit denmehrfachen Parteiverboten einher-gehenden Beschlagnahmungenkönne man inzwischen besserhandhaben. "Wir haben sehr vielErfahrung gesammelt. Was ihr hierseht, das gehört uns gar nicht."

Die kurdische Bewegung leide andrei verschiedenen Formen der Re-pression: Erstens seien dies die ei-genen, internen Schwierigkeiten.vor alle Defizite beim innerkurdi-schen Demokratisierungsprozess,die die politische Organisierungschwer machten. Hinzu kommendie Unterdrückung durch den tür-kischen Staat und die Verfolgungoder Gleichgültigkeit des Auslands.

Kan stellte heraus, dass die kurdi-sche Bewegung viel erreicht habe,etwa auf dem Gebiet der Ge-schlechtergerechtigkeit. So hat die

DTP in ihrer Satzung festgelegt,dass es stets eine gemischtge-schlechtliche Doppelspitze gebenmuss. Dem steht allerdings dasstürkische Parteiengesetz entgegen,dass nur eineN VorsitzendeN vor-sehe.

> DTK – Alternativer Regio-nalkongress der kurdischenBewegung2004 gründeten verschiedene kur-dische Organisationen den DTK(Demokratik Toplum Kongresi', "De-mokratischer Gesellschaftskon-gress"), eine Art alternativesRegionalparlament. Auf dieseWeise soll die grenzüberschreitendeZusammenarbeit mit den KurdIn-nen im Iran, Irak und Syrien gefe-stigt werden. Zum anderen soll eineregionalpolitische Struktur jenseitsder AKP-treuen Provinzgouver-neure in der Osttürkei entstehen.Der DTK geht zurück auf das 2005von Öcalan im Gefängnis von Im-rali entwickelte Modell des "demo-kratischen Konföderalismus", derdas Ziel einer neuen, "drittenPhase" der kurdischen Politik ist. Esist angelehnt an den US-Anarchi-sten Michael Bookchin. Es soll eine demokratisch-ökologi-sche Zivilgesellschaft im NahenOsten scha!en, die keine Staats-gründung zum Ziel hat, sondern dieAbscha!ung des Staates und allerHierarchien. Angestrebt wird dabeinicht eine kurdische Eigenstaat-lichkeit und auch keine Konfödera-tion von Teilstaaten, sondern derAufbau einer Selbstverwaltungdurch kommunale Basisorganisie-rung und ohne die bestehendenStaatsgrenzen in Frage zu stellen.

Am Samstag trafen wir dieDTK-Vorsitzende und Mitgründe-rin Yüksel Genc. Sie ist zusammenmit Hatip Dicle der Vorstand desDTK, da der Vorstand satzungsge-mäß immer mit einem Mann undeiner Frau zu besetzen ist. Diclewurde vor kurzem wieder verhaftet,so das Genc die Arbeit beider Vor-sitzender derzeit allein bewältigen

muss. Die 37-jährige war fünf Jahrein den Bergen und kehrte von dortnach einem Aufruf Öcalans mit sie-ben anderen KämpferInnen als"Friedensbotschafterin" aus denBergen 1999 zurück nach Diyarba-kir. Dort jedoch wurden sie jedochnicht als Friedensbotschafter inEmpfang genommen, sondern fürfünf Jahre und zwei Monate im Ge-fängnis von Mus inhaftiert. Diedort gefangenen Frauen waren inder PJAK (Partei für ein FreiesLeben in Kurdistan/Partiya JiyanaAzad a Kurdistanê, der militanteniranischen Schwesterorganisationder PKK) und der PJA (Partiya JinaAzad – Partei der Freien Frau) or-ganisiert. Im Gefängnis trafen siesich wieder und organisierten sichneu. Daraus entstand später die

„Demokratische Freie Frauenbewe-gung“ DÖHK. Nach ihrer Entlas-sung vor fünf Jahren arbeite Gencals Journalistin für die Zeitung"Gündem".

Am DTK seien etwa 800 Dele-gierte aus der Wirtschaft, sozialenOrganisationen, Menschenrechts-vertreterInnenn, Politik und Angehö-rigen ethnischer Minderheiten betei-ligt. Letzteres sei dem DTKbesonders wichtig, weil den KurdIn-nen oft vorgeworfen wird, sich nur fürihre eigenen Rechte einzusetzen.Derzeit beschäftigt sich der DTK mitVorschlägen zur Änderung der türki-schen Verfassung und der ökonomi-schen Situation in der Osttürkei.

I. Bericht der Delegation Bremen/Hannover | D. Politische Organisierung und Repression

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> yuksel genc (li.)

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> Repression gegen Lehrer Nach Angaben des Gewerkschaf-ters Kadaran müssen kurdischeLehrerInnen weiter mit disziplina-rischen Maßnahmen rechnen,wenn sie sich politisch betätigen. Erselber habe mittlerweile rund 30Anzeigen erhalten. Eine sei voneinem Militär gestellt worden, weilKadaran eine Presseerklärung ver-ö!entlicht hatte, dass der Militäreinen Schüler geschlagen hatte, dermit dessen Sohn in Streit geratenwar. Es gebe derzeit zehn Verfahrenfür Berufsverbote wegen politischerAktivitäten gegen kurdische Lehre-rInnen. Schon die Teilnahme amNewroz-Fest reicht laut Kadaranaus. Strafversetzungen werden nacheinen EUGHMR nur noch inner-halb eines Bezirks durchgeführt.Neue Inhaftierungen gebe es nicht.

FRAUENPROJEKTE

> KADEM – Frauenzentrumin Diyarbakir/Sur

„Die schwierigste Aufgabe ist dieFrauen überhaupt aus ihren Häusernzu holen“

Am Vormittag besuchten wir dasKADEM – Frauenzentrum in dergrößtenteils von kurdischen Flücht-lingsfamilien bewohnten Altstadtvon Diyarbakir. Laut der Vorsitzen-

den sind häusliche Gewalt und exi-stenzielle Probleme besonders dortweit verbreitet.

Die Angebote von KADEM wur-den im Vorfeld von den Mitarbeite-rinnen auf die Bedürfnisse und Nöteder Frauen ausgerichtet. Der Zugangsollte möglichst niedrigschwellig seinund auf eine breite Akzeptanz derBewohnerInnen des Stadtteils sto-ßen. Das Projekt ist erst vor knappeinem Jahr mit Hilfe des mittlerweileinhaftierten BezirksbürgermeistersAbdullah Demirbas und der BDPKommunalverwaltung erö!net wor-den. Auf engstem Raum finden hierAlphabetisierungsklassen, Ausbil-dungen zur Schneiderin oder zur Kö-chin sowie juristische undpsychologische Beratungsgesprächestatt. Zu den Kursen können dieFrauen ihre Kinder mitbringen, dieparallel betreut werden, was eine Teil-nahme den Frauen erst ermöglicht.

Bislang konnten 80 Teilnehme-rinnen Zertifikate erwerben undsind so in der Lage ihre Familien zufinanzieren oder eigenständig zuleben. Durch das große Interessebesteht Bedarf, die Projekte fortzu-setzen und zu erweitern (Compu-terkurse und Ausbildung zurFriseurin). Die Finanzierung für dieFortführung der Projekte ist nichtgesichert, da die Kommune vomGouverneur der Region keinerleiUnterstützung erwarten kann. Trotzder unklaren Situation sind die

Mitarbeiterinnen bereit, auch un-entgeltlich weiterzuarbeiten.

> DIKASUM – Einrichtung fürkriegstraumatisierte Frauen

„In diesem Gebiet als Mensch zu lebenist schwer, aber als Frau ist es doppeltso schwer“

Die Einrichtung wurde 2001 durchaktive Selbstorganisation vonFrauen der DÖKH (Demokrati-sche Freie Frauenbewegung) insLeben gerufen. Damals gab es vieleHilfe suchende Frauen, die entwe-der selber oder deren Angehörigedurch Übergri!e des Militärs undder Polizei betro!en oder getötetwurden und unter Armut, Vertrei-bung und häuslicher Gewalt litten.

Um zunächst Kontakte und Aus-tausch untereinander zu ermöglichenwurden drei Waschhäuser mitWaschmadschinen eingerichtet, be-richtet die HauptverantwortlicheÖzlem Özen. So konnten hier dieFrauen Erleichterung bei der Haus-arbeit bekommen, zum Anderen warder Ort ein geschützter Anlaufpunkt.

Es gibt Räume, in denen die Kin-der nach einem gewaltpräventivenpädagogischen Ansatz betreut wer-den. Nach und nach wurden auchsoziale, psychologische und juristi-sche Beratungsangebote integriert,um über Probleme, Sorgen undNöte sprechen zu können und Hil-fen zu vermitteln. Da der Grossteilder Frauen nur Kurdisch spricht,werden die Angebote mutter-sprachlich umgesetzt, was bis dahinneu war. Für Frauen, die unerträg-lichen Gefährdungssituationen aus-gesetzt sind, wurde 2008 einFrauenhaus mit 12 Plätzen erö!net.Finanziert wird das Projekt von derlinken, prokurdischen Partei desFriedens und der Demokratie(BDP), die im Osten der Türkei diemeisten Kommunalverwaltungenstellt. Nach 15 Minuten musstenwir wegen Termindruck ärgerli-cherweise das Büro von ÖzlemÖzen wieder verlassen.

I. Bericht der Delegation Bremen/Hannover | D. Politische Organisierung und Repression

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> die KADEM-geschäftsführerin

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2. Bericht der Delegation Hamburg/Kiel

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II. Bericht der DelegationHamburg/Kiel

TeilnehmerInnenKarin DesmarowitzBeate ReissCansu ÖzdemirJürgen KochProf. Dr. Gerhard GarwegMaria GarwegWilhelm EngelsSabine CasparLudger SchulteBrigitte ReissHamide ScheerHinrich SchultzeRobert JarowoyJan van Aken (Mitglied des Deutschen Bundestages)Norbert Hackbusch (Abgeordneter der Hamburger Bürgerschaft)Bjoern Thoroe (Abgeordneter im Landtag Schleswig-Holstein)Silvia Hauffe (Landesgeschäftsführerin der Fraktion DIE LINKE im Landtag in Kiel)

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Die diesjährigen Newroz-Feiern inder Türkei waren eine beeindruk-kende Abstimmung mit den Füßenfür Frieden und Freiheit in Kurdi-stan. Mehr als doppelt so viel Men-schen wie je zuvor haben an denFeiern rund um den 21. März teil-genommen. Allein in der heimli-chen Hauptstadt Kurdistans,Diyarbakir, waren bis zu 1 MillionMenschen auf den Beinen. Diejährlichen Newroz-Feiern sind daszentrale Moment für die kurdischeBevölkerung, ihre Kultur und ihrenKampf um Selbstbestimmung zufeiern.

In diesem Jahr konnten zum er-sten Mal Newroz-Feiern in allenStädten ohne nennenswerte Behin-derungen durch Militär und Polizeidurchgeführt werden. Selbst vielestaatstragende Medien berichtetenerstmalig über die Newroz Feiern,die noch vor wenigen Jahren mas-siv behindert und bekämpft wordenwaren. Wir haben an den Newroz-Feiern in Batman (ca. 500.000 Teil-nehmerInnen), Sirnak (20.000) undCizre (100.000) teilgenommen, dieallesamt friedlich und ausgelassenbegangen wurden. Zwar gab esmehrere Polizeisperren mit ausgie-bigen Kontrollen sowie schwer be-wa!nete Soldaten (zum Teil mitMaschinengewehr im Anschlag)rund um die Feste, die jedoch an-scheinend niemanden am Besuchder Festlichkeiten hinderten. –Trotzdem hatten wir auf allen un-seren Fahrten angesichts der vielenPanzer, Garnisonen und Straßen-sperren den Eindruck, in einem be-setzten Land zu sein.

Während der türkische Staat of-fensichtlich die Newroz-Feiernnach vielen Jahren heftigster Re-pressalien akzeptiert hat, verschärfter parallel den Druck auf die kurdi-sche Bevölkerung und die kurdischePartei BDP. Selbst Kinder unterzehn Jahren werden inhaftiert.

Mehr als 2000 gewählte Funktions-trägerInnen der BDP (bzw. dermittlerweile verbotenen Vorgänger-partei DTP) sitzen im Gefängnis,darunter auch 9 gewählte Bürger-meister kurdischer Städte. Der Bür-germeister von Sirnak erzählte uns,dass allein in seiner Provinz 500FunktionärInnen der BDP im Ge-fängnis seien. In den letzten 45Tagen seien 3 kurdische Aktivistenerschossen worden. Wir besuchtendie Familie eines 27-jährigen ehe-maligen Vorsitzend der Jugendor-ganisation der BDP (damals DTP)in Senova, der 10 Tage vor unseremBesuch an einem Kontrollpunkt ge-zielt erschossen worden war. Er warunbewa!net und in Begleitung vonsechs Freunden, die allesamt ohneweitere Anklage oder Vorwürfe un-behelligt blieben.

Sehr oft wurden wir auf denÜberfall der belgischen Polizei aufden kurdischen Fernsehsender RojTV angesprochen, der legal übereinen dänischen Satellit europaweitkurdische Nachrichten sendet.Überall konnten wir feststellen, wiewichtig dieser Sender für die kurdi-sche Bevölkerung ist. Dementspre-chend wurde der Versuch derbelgischen Regierung, diesen Sen-der auszuschalten, mit großer Sorgeund Empörung aufgenommen.

Die ständigen Menschenrechts-verletzungen fanden auch in denNewroz-Kundgebungen ihren Aus-druck. Zentrale Forderungen warenein Stopp der Verhaftung Minder-jähriger und eine Freilassung allergewählten FunktionsträgerInnen.Zum einseitig erklärten Wa!en-stillstand der kurdischen bewa!ne-ten Gruppen sagte OsmanBaydemir, Bürgermeister von Diy-arbakir: „Es ist Sünde, wenn Türkenauf Kurden schießen, und wennKurden auf Türken schießen.“ DieRednerInnen auf den Kundgebun-gen forderten ein Ende der ständi-

gen militärische Angri!e auf diekurdischen Kräfte, um endlich demFrieden in Kurdistan eine Chancezu geben.

Außerdem wurde die Aufhebungder 10%-Hürde gefordert, die in derTürkei für den Einzug in das Na-tionalparlament gilt. So wie dieMassenverhaftungen der Funktio-näre der BDP gilt auch die 10%-Hürde als Versuch, die kurdischePartei auf undemokratische Weiseaus dem nationalen Parlament her-auszuhalten.

Im Frühjahr 2011 sind wiederWahlen in der Türkei. Es steht zubefürchten, dass die türkische Zen-tralregierung bis dahin die Verhaf-tungswelle gegen kurdischePolitikerInnen noch weiter ver-schärft, um die Organisation desWahlkampfes und damit einenWahlerfolg der BDP (die momen-tan mit 21 Abgeordneten im Parla-ment sitzt) zu verhindern.

Zum Abschluss der Reise be-suchten wir noch Hasankeyf, einOrt mit mehrtausendjähriger Ge-schichte und großer kulturhistori-scher Bedeutung, der durch dengeplanten Ilisu-Staudamm kom-plett unter Wasser versinken würde.Der Ilisu-Damm ist ein Megapro-jekt, das den Tigris auf einer Längevon 130 Kilometern aufstauenwürde. Unter dem Motto „Hasan-keyf soll leben“ haben wir gemein-sam mit Umweltschützern undMenschenrechtlern aus der Regionsowie mit Delegation aus Italien,den Niederlanden und dem Bas-kenland Bäume am Tigris-Ufer ge-pflanzt.

2. Bericht der Delegation Hamburg/Kiel

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Newroz – Für Frieden und Kurdistan

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3. Bericht der Delegation Berlin

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III. Bericht der Delegation Berlin

Inhalt: Berichte von den Besuchen in

VanKelCaldiranSemdinliColemergHakkariCukurca

TeilnehmerInnen

> der Delegierte der Bundestagsabgeordneten, Die Linke,

Ulla Jelpke, Michael Knapp,

> der Soziologe und Delegierte der Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten, Die Linke, Christiane Schneider, Martin Dolzer,

> der Physiker und Vorstand des Rechtshilfevereins Azadi, Elmar Millich,

> die Kunsttherapeutin Sinje Kätsch

> und die Schiffskapitänin Maria Magdalene Mintrop.

Die Fotos ..

innerhalb dieses Abschnittes stammen von den TeilnehmerInnen dieser Delegation.

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Wir besuchten im Rahmen unsererDelegationsreise Istanbul, Van, Çal-dıran, Kel, %emdinli Hakkari undÇukurca. Dort trafen wir uns mitBürgermeisterInnen (Van, Van Bo-staniçi, %emdinli, Hakkari und Çu-kurca) verantwortlichenPolitikerInnen, Verwaltungsange-stellten, MenschenrechtlerInnen(Van, %emdinli, Hakkari, Çukurca,u.a. IHD), Anwaltskammern undAnwältInnen (Van, %emdinli, Hak-kari), VertreterInnen der BDP(sämtliche Orte) und der Bevölke-rung.

> GesamtüberblickMit großer Besorgnis mussten wirfeststellen, dass in der Türkei diegravierenden Menschenrechts-ver-letzungen 2009 und Anfang 2010erneut zugenommen haben. Vordem Hintergrund politischer Insta-bilität und militärischer Auseinan-dersetzungen, sowie eineraußerordentlichen Repressions-welle, ab April 2009, gegen die kur-dische Partei DTP (Ende 2009vom Verfassungsgericht verboten),die Nachfolgepartei BDP, Men-

schenrechtlerInnen und Journali-stInnen, wurden insgesamt mehr als3000 Menschen festgenommen,1500 davon sind bis Heute zum Teilohne Anklage inhaftiert. An jedemder von uns besuchten Orte warenMitglieder der BDP Stadtverwal-tungen und Parteigliederungen,sowie MenschenrechtlerInnen,JournalistInnen und zivilgesell-schaftlich Tätige davon betro!en.Besonders in Bostaniçi, %emdinli,Hakkari und Çukurca ist aber auchder Druck auf die Zivilbevölkerungin Form von Razzien, militärischerund polizeilicher Gewalt und psy-chologischer Kriegsführung sehrgroß. Auch Berichte über Folterund andere Misshandlungen sowiedie Anzahl extralegaler Hinrich-tungen durch staatliche Kräfte haterneut besorgniserregend zugenom-men. Folter findet in letzter Zeittendenziell eher vor Festnahmenoder ohne folgende Festnahmen,oftmals ebenfalls in Orten außer-halb von Polizeistationen statt.

Auch mussten wir feststellen, dassdie türkischen Behörden auf kriti-sche Äußerungen noch immer mit

Einschüchterungs- und Strafverfol-gungsmaßnahmen reagieren undBeamte mit Polizeibefugnissenauch bei gravierendsten Menschen-rechtsverletzungen sehr oft straflosbleiben. (Vergleiche auch die Stu-die von Human Rights Watch:Closing Ranks against Accountabi-lity/Barriers to Tackling Police Vio-lence in Turkey).

Insgesamt wurden in der Türkeiseit 2006 mehr als 400 Kinderwegen Teilnahme an Demonstra-tionen oder vermeintlichen Stein-würfen auf Demonstrationen,entgegen der UNO Kinderrechtsre-solution, zu 4-12 Jahren Haft,durch nur für Erwachsene vorgese-hene Schwurgerichte für schwereStraftaten, verurteilt. Ca. 5000 ähn-liche Strafverfahren gegen Kindersind noch anhängig. Als Grundlageder Verfahren wird meist Artikel 8des “Anti Terror Gesetzes” verwand,demzufolge eine Teilnahme aneiner Veranstaltung die behördli-cherseits einer kriminellen oder ter-roristischen Vereinigungzugeschrieben wird, als Unterstüt-zung, Propaganda für oder Mit-

3. Bericht der Delegation Berlin | Überblick

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> newroz in hakkari

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gliedschaft in derselben ausgelegtwerden kann. Viele Kinder befin-den sich in diesem Zusammenhangüber eine lange Zeit in Untersu-chungshaft. Die Arbeit von Anwäl-ten wird in vielen Punkten (u.a.mangelnde oder zu späte Aktenein-sicht, das Abhören von Mandan-tengesprächen, Kriminalisierungvon - und Berufsverbot gegen An-wälte in politischen Verfahren) be-hindert und somit eine e!ektiveVerteidigung unmöglich gemacht.

Seit gut 10 Jahren bemüht sich diekurdische Seite um eine friedlicheLösung des türkisch-kurdischenKonflikts. Die AKP Regierungwäre nun gefragt ernsthafteSchritte für eine wirkliche Demo-kratisierung und die Einhaltung in-ternationaler menschenrechtlicherStandards zu unternehmen, anstattdie Kriminalisierung der Vertrete-rInnen der kurdischen Bevölkerungfortzusetzen und eine militärischeVernichtung der seit Jahren frie-densbereiten PKK anzustreben.

> Das Dorf Kel – 19.03.2010 Wir besuchten das Dorf Kel(Bu&ulukaynak), 130 km nördlichder zweitgrößten kurdischen Me-tropole Van (700000 EinwohnerIn-nen) nahe der Stadt Çaldıran(15.000 EinwohnerInnen).

Dort richteten Sondereinheitendes türkischen Militärs (Özeltim)am 7. Oktober drei junge Men-schen zwischen 17 und 20 Jahrenauf brutalste Weise extralegal hin.Einheiten der Jandarma hatten siewährend einer Razzia im Dorf, aufder Flucht festgenommen. Zwei derHingerichteten waren Guerilla,einer ein jugendlicher Dorfbewoh-ner. Die Soldaten der Jandarmaübergaben die Gefangenen nocham Ort der Festnahme den Sonder-einheiten, die sie dann, nach bestia-lischer Folter in einer Schlucht (ca.500m vom Dorf entfernt gelegen)mit Gewehrsalven hinrichteten.

Die Jugendlichen waren nach über-einstimmenden Aussagen mehrerer

Augenzeugen unbewa!net. DerTathergang konnte aufgrund vonüber 30 Metern verteilten Blutspu-ren und Körperresten ziemlich de-tailliert rekonstruiert werden. Beiden Leichen wurden die Finger undSchädel zertrümmert. Dorfbewoh-ner berichteten von mehreren Ge-wehrsalven, die eine Weile nach derVerschleppung der Opfer, aus Rich-tung der Schlucht zu hören waren.Dutzende Soldaten beobachtetendas gesamte Geschehen. Einer vonIhnen berichtete anonym darüber.Er sagte unter anderem, dass diebeiden Guerilla zu den Sonderein-heiten sagten, dass sie sie selbstzwar töten könnten, den siebzehn-jährigen Ibrahim Atabay aber inRuhe lassen sollten, ihn nicht fol-tern oder töten sollten, da er un-schuldig sei.

Die Familienmitglieder, die ihreAngehörigen nach längerer Unge-wissheit über den Aufenthalt derLeichen sehen konnten berichteten,dass deren Körper, über die be-schriebenen Folterspuren hinausvon Kugeln durchsiebt waren.

Gleichzeitig zur extralegalen Hin-richtung, wurden ein Bruder undein Onkel von Ibrahim Atabay, ineinem Haus der Familie misshan-delt und gefoltert. Während derBruder Ibrahim Atabays, nach 41Tagen Haft vorläufig wieder entlas-sen worden war, ist der Onkel seit-dem ist F-Typ Gefängnis von Vanohne Anklageerhebung inhaftiert.Ein Mahnmal, dass die Dorfbe-wohnerInnen zum Andenken andie Ermordeten in der betre!endenSchlucht errichteten, wurde aufWeisung des türkischen Innenmi-nisters, Besir Atalay, von 730 Jan-darma mit Hilfe eines Baggersunter „Bewachung“ mit schwerenGeschützen und Panzern eingeris-sen. Die Familie Atabay ist wegenErrichtung des Mahnmals miteinem Gerichtsverfahren konfron-tiert. Die Akte mit dem Vorwurfder extralegalen Hinrichtung gegendie Täter, wurde unterdessen vomGericht geschlossen. Die betro!ene

Familie lebt seitdem in ständigerAngst vor weiteren Morden. Selbstderen Rechtsanwalt ist ständigenDrohungen ausgesetzt und kanndaher keine e!ektive Wahrneh-mung der Interessen der Atabaysumsetzen. Die Mitglieder der Fa-milie wurden seit der Tat mehrmalsvon unterschiedlichen Sicherheits-kräften und Militärs bedroht.Zudem werden sämtliche Häuserdes Dorfes zwischen einmal in derWoche und einmal im Monat, je-weils von einem großen Aufgebotvon „Sicherheitskräften“ durch-sucht. Auf eine Parlamentsanfrageder Abgeordneten Fatma Kurtulan,antwortete das Innenministerium,den erwiesenen Tatsachen wider-sprechend, der 17jährige SchülerIbraham Atabay wäre 34 Jahre alt,PKK Kader und bewa!net gewe-sen.

Die meist brutale und, neben derangestrebten Abschreckung, aufZerstörung der Wohnungseinrich-tungen abzielende Durchsuchungganzer Dörfer ist in dieser Regioneine übliche Praxis. Auch die ge-zielte, sich wiederholende Durch-suchung von Häusern politischTätiger ist hier ein gängiges Mittelder Repression. Die Durchsuchungganzer Dörfer ist auch auf die Spal-tung der Gemeinschaften ausgelegt,da seitens der Sicherheitskräfte

3. Bericht der Delegation Berlin | Kel

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> der vater desermordeten 17-jährigen

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Schuldzuweisungen gegenüber ein-zelnen EinwohnerInnen gemachtwerden. Wenige Tage nach unsererRückkehr in die Bundesrepublik,wurde ebenfalls in der Region Çal-dıran, Ende März 2010, der 14jäh-rige Junge, Mehmet NuriTamcoban von türkischen Soldatenerschossen und verstümmelt.

> Çaldiran Die Kommunalwahlen 2009, wur-den in Çaldıran Berichten zufolgevon massivem Wahlbetrug über-schattet. Ein in Çaldıran ansässigerCousin des ehemaligen Vorsitzen-den der neoliberalen Gençpartei,erbte nach dessen Flucht ins Aus-land, aufgrund massiver Korrupti-onsvorwürfe, die Hotelkette Rixos(u.a. mit mehreren Hotelanlagen inAntalya). Mit den daraus abge-schöpften Geldern wurden Verspre-chungen gemacht und Menschenbei der Wahl bestochen. In derNacht vor dem Newrozfest (am18.03) wurde eine Scheibe desDTP Büros von unbekannten ein-geworfen. In dieser Region ist einderartiges Vorgehen, Berichten zu-folge, eine übliche Praxis, der ver-suchten Einschüchterunggegenüber der BDP, durch in ziviloder vermummt auftretende „Si-cherheitskräfte.“

> Semdinli – 20. März%emdinli hat 12000 EinwohnerIn-nen. In der Region Hakkari/%em-dinli nahe der Türkisch/IrakischenGrenze finden immer wieder, wieauch zur Zeit Operationen der tür-kischen Armee gegen die Guerillastatt. Schon auf dem Weg von Vannach %emdinli begegneten wir Mi-litärkonvois unter anderem Uni-mogs und LKW`s der MarkeMercedes. Wir erfuhren aus den re-gionalen Medien und von unserenAnsprechpartnerInnen, dass in derGrenzregion um %emdinli in denletzten Tagen mehr als 15.000 Sol-daten zusammengezogen wurdenum eine mögliche Frühjahrso!en-sive vorzubereiten. Wir konnten

nach einem Kontrollpunkt zwi-schen Yüksekova und %emdinli dieStadt erreichen. Auch %emdinli isteine Stadt, die von Spuren der Re-pression, extralegaler Hinrichtun-gen und Militäroperationengezeichnet ist. Wir erfuhren von 4aktuellen Fällen von schwer Ver-letzten Opfern von Minenexplosio-nen, durch vom türkischen Militärverlegte Minen.

%emdinli ist ebenfalls der Schau-platz von durch Todesschwadronenbegangenen Verbrechen. Wir be-suchten die Umut Bücherei, auf dieam 9.11.2005 von Agenten des Ge-heimdiensts Jitem, der dem “tiefenStaat” zuzurechnen ist, ein Hand-granatenanschlag verübt wurde. Alsdie zwei Handgranaten explodier-ten, waren drei anwesende Mitar-beiter gerade beim Essen. Einerwurde durch Schrapnelle tödlich,ein anderer schwer verletzt. Der

Mitarbeiter Seferi Yilmaz konntefliehen.

Die Bevölkerung von %emdinlistellte die Täter in couragierter Art,die gerade ihr Fluchtfahrzeug be-stiegen hatten. Dabei stellten sieeine große Menge an Dokumenten,wie Todeslisten, Attentatspläne,Handgranaten deutscher Produk-tion und eine große Menge andererWa!en sicher. Die Täter wurden sogestellt und der Polizei übergeben.Als Folge dieses Ereignisses blok-

kierten die BewohnerInnen 15 Tagedie Stadt. Die Täter wurden zu-nächst vor ein Zivilgericht gestelltund zu 15 Jahren Haft verurteilt.Daraufhin wurde der Prozess einemMilitärgericht übergeben. General-stabschef Yasar Büyükanit gab dieLinie des Verfahrens vor, indem erdie Mörder als “gute Jungs” lobte.Das Verfahren wurde verschleppt,die Mörder freigelassen. Sie haben,bei einem solchen Prozedere allerErfahrung nach keine Verurteilungoder Konsequenz ihrer terroristi-schen Aktivitäten zu befürchten.Der Anschlag galt dem Buchladenwahrscheinlich, weil Seferi Yılmaz,der bei der ersten Guerillaaktionder PKK am 15.08.1984 teilge-nommen hatte - und dafür bereitseine 15 Jahre lange Haftstrafe ver-büßte - auch weiterhin als wider-ständiger Mensch gesehen wurde.Sein Name stand auf einer Todesli-

ste, die die Bevölkerung im Autoder Täter sicherstellte. Die Buch-handlung, deren Decke und Bodendurch Explosionskrater bzw.Schrapnelleinschläge immer nochdie Spuren des Anschlags trägt, istauch heute noch Ziel von Repres-sion. So wurde Seferi Yılmaz nachdem Anschlag selbst mit Klagenkonfrontiert, häufig bedroht, dieBuchhandlung observiert und seineWohnung nahezu monatlichdurchsucht und verwüstet. Zynisch

3. Bericht der Delegation Berlin | Caldiran/Semdinli

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> Dieses Schild der angegriffenen Buchhandlung ist Gegen-stand eines Strafverfahrens wegen "Loben eines Straftäters"

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und humorlos zeigte sich die türki-sche Justiz ebenfalls, als sie das neueSchild der Bücherei, in der in An-spielung auf den Anschlag ein Fra-gezeichen mit Handgranateabgebildet ist, zum Anlass für einStrafverfahren mit dem Vorwurf“Des Lobens von Straftätern” gegenSeferi Yılmaz erö!nete.

> Colemerg/HakkariNach Colemerg/Hakkari führt nureine Straße. Um die Stadt zu errei-chen muss ein Kontrollpunkt pas-siert werden an dem Jandarma,Polizei und Geheimdienst statio-niert sind. In den letzten Jahrenwurden hier auch immer wiederMenschen gefoltert.Die Stadt wird von der BDP re-giert. Bürgermeister ist Dr. FadilBedirhano&lu. Gegen ihn laufenderzeit fünf Gerichtsverfahren.Seine Vorgänger wurden ebenfallskriminalisiert, zum teil des Amtesenthoben und zu Haftstrafen verur-teilt. Bedirhano&lu wurde mit über80% der Stimmen gewählt. Hakkarihat 90000 EinwohnerInnen und le-diglich einen Jahreshaushalt von10-11 Millionen YTL. Das ent-spricht in etwa 5 Millionen Euro.Das Geld für ein im Bau befindli-ches Krankenhaus wurde staatli-cherseits gestoppt. Einezivilgesellschaftliche Organisationaus Frankreich wollte den Weiter-bau des Krankenhauses finanzierenauch das wurde staatlicherseits ver-hindert. Der Ausbau der Kanalisa-tion wird auf finanzieller Ebeneblockiert. Ein besonderes Problemist dabei die Berglage der Stadt, diediesen verteuert. Zuvor war es mög-lich Gemeindestipendien zu verge-ben.

In Hakkari/Colemerg sind beson-ders Jugendliche von Repressionbetro!en. Sie werden mit Prozessenwegen der Teilnahme an Demon-strationen, meist wegen des Vor-wurfs der Propaganda für einekriminelle Vereinigung oder ver-meintlichen Steinwürfen angeklagt

und in vielen Fällen zu Strafen zwi-schen 7 und 8 Jahren verurteilt.Eine Person wurde wegen einer Zi-trone in der Tasche verurteilt, weildas als Beweis für die Teilnahme aneiner verbotenen Demonstrationund die Mitgliedschaft in einer kri-minellen Vereinigung gewertetwurde. Die Prozesse finden meistvor dem Schwurgericht für Er-wachsene in Van unter den Regu-lierungen des „Anti-TerrorGesetzes“ statt. Das gesamte Vor-gehen widerspricht den UN Kin-derrechtsregulierungen. (s.o.)

Dem IHD und Anwälten in Hak-kari mangelt es ständig an finan-ziellen Mitteln, da die Anzahl derAnklagen in den letzten zwei Jah-ren stark gestiegen ist und für eineVerteidigung auch des Öfteren

hohe Kosten entstehen. Projektedes IHD, wie zum Beispiel eineszur Traumaaufarbeitung, werdenvom Gouverneur finanziell ge-blockt. Ein großes Problem ist die Benut-

zung von Chemiewa!en und Ent-laubungsmitteln oder Ähnlichemdurch das türkische Militär in Hak-kari und Umgebung. Ärzte habenfestgestellt, dass die Kräuter, die inder Region wachsen und von derBevölkerung von April bis Juni ge-erntet werden, mittlerweile derartvergiftet sind, dass die Magen-krebsrate in den letzten Jahren um

100% angestiegen ist. Früher wur-den die Kräuter als Medikamentgenutzt. Ärzte in Ankara und Hak-kari haben empfohlen die Kräuternicht mehr zu essen. Für einen gro-ßen Teil der Bevölkerung sind siejedoch derart essentiell, dass sienicht auf das Sammeln verzichtenwollen. Die Durchfallrate ist nachAuskunft von Ärzten in Hakkariebenfalls stark angestiegen. Ein ent-sprechendes Dokument liegt beimörtlichen Gericht vor. Der Haupt-grund dafür ist ebenfalls der Einsatzvon Chemiewa!en, wodurch dieEbene von Bercelan verseucht ist.Von hier kommt dass Trinkwasserder Stadt. Wegen einer Beschwerdegegen die Nutzung von Chemie-wa!en durch das türkische Militärin Hakkari/Bercelan, vor einigenMonaten, war der Vorsitzende des

IHD, Ismael Akbulut, drei Monateim Gefängnis von Bitlis inhaftiert.Vorwurf war die vermeintliche Er-niedrigung des türkischen Militärsund Propaganda für eine kriminelleVereinigung. Danach wurde erwegen Mangels an Beweisen freigelassen. Delegationen aus Europa,die versuchten in die Region derChemiewa!eneinsätze zu recher-chieren, wurden bisher regelmäßigvon Militär und Polizei daran ge-hindert.

Bei Çukurca starben Berichten zu-folge sechs Guerillas an einem

3. Bericht der Delegation Berlin | Colemerg/Hakkari

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> Deutsches Kriegsgerät an der Straße nach Hakkari

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Chemiewa!eneinsatz. Ihre Körper,an deren Körpern keine Einwir-kung von Schusswa!en, jedochVerätzungen und Verbrennungen,wie sie durch chemische Kampf-sto!e verursacht werden, gefundenwurden, wurden Berichten undFotos zufolge misshandelt und zer-stückelt. Köpfe aufgehebelt und ge-lehrt, Beine abgetrennt, Händeabgeschnitten und Weiteres. EinAutopsiebericht wurde seitens desMilitärs und der Staatsanwaltschaftnicht ausgestellt. Wegen dieses Fal-les wird ein Verfahren auf europäi-scher Ebene angestrengt.

In der Provinz Hakkari werdenimmer wieder Menschen durchvom Militär verlegte Minen getötetoder schwer verletzt. Die meistender ca. 1,6 Millionen Minen, die inder Türkei verlegt sind stammen ausdeutscher Produktion. In der ge-samten Provinz Hakkari werdenden BäuerInnen in unzähligen Fäl-len die Weiderechte entzogen.

> Çukurca – 22.03.2010Die Kreisstadt Çukurca liegt in derProvinz Hakkari am äußersten süd-östlichen Punkt des Landes, an derGrenze zum Irak und hat o#ziell7000 EinwohnerInnen. Die Stadtmit großer historischer Bedeutung(600 Jahre alte Burganlagen - Ar-menische und Yezidische Wurzeln- an der Seidenstraße gelegen) liegtmitten in einem beliebig de factoerklärten militärischen Ausnahme-zustandsgebiet. Das bedeutet, derZugang und das Verlassen der Re-gion werden vom Militär kontrol-liert und reglementiert. Es gibt, wie in Hakkari selbst, nureine Straße die dorthin führt. Oftwird Menschen der Zugang nachÇukurca seitens des Militärs, das aneiner Kreuzung (Çukurca in dieeine Richtung, Uludere %ırnak indie andere Richtung) ohne rechtli-che Legitimation verweigert. AnKontrollen, die wir passierten,wurde uns deutlich gemacht, dasswir als Delegation mehr als uner-

wünscht sind. Es wurde erklärt, dassdas Gebiet unter Kontrolle des Mi-litärs stehe und uns deshalb derEinlass ohne Gesetzesgrundlageverwehrt werden dürfte. An der o.g.Kontrolle wurden die Delegiertenca. 20 Minuten beschimpft und als“Logistische Unterstützung für Ter-roristen” bezeichnet. Ein höhererO#zier versuchte die Delegationmit Äußerungen wie “EnkelkinderHitlers” und impliziten Drohungenzu provozieren. Letztendlich war esder Delegation möglich, die durchmit deutschen BTR-60 und einemLeopard Panzer besetzte Kontrollezu passieren. Rund um die Stadt Çukurca befin-den sich Kasernenanlagen. Es isteine Vielzahl von Panzern zu sehen.Schon auf der Strecke zwischenHakkari und Çukurca befinden sichPosten des Militärs, der Jandarma,der Polizei und dutzenden Stellun-gen von Paramilitärs, den Dorf-schützern. Diese sind vom Staateingestellt, mit Wa!en ausgestattetund haben mittlerweile von derAKP Regierung einen Rentenan-spruch erhalten. Sie haben denAuftrag die Bevölkerung zu über-wachen und einzuschüchtern sowiedie Guerilla zu bekämpfen. In denletzten Jahren begingen Dorfschüt-zer in den kurdischen Provinzen derTürkei eine Vielzahl von Morden,praktizierten Folter, Misshandlun-gen, Vergewaltigungen, Vertreibun-gen und weitere

Menschenrechtsverletzungen. DieDörfer vieler Menschen, die sichnicht zu Paramilitärs machen lassenwollten, wurden zerstört. Seit denneunziger Jahren über 4000. Wirfuhren an dutzenden dieser Dorf-ruinen vorbei.Bis vor 9 Jahren herrschte in Çu-kurca 20 Jahre lang, ab 17.00 Uhreine Ausgangssperre für sämtlicheBewohnerInnen. Zwischen denGebäuden der Stadt liegen immerwieder Posten und Gebäude vonMilitär, Jandarma und Polizei. InÇukurca findet eine unübersehbarepermanente psychologische Kriegs-führung durch Polizei und Ge-heimdienst statt. Fälle vonErniedrigender Behandlung, Folterund Verschwindenlassen und an-dauernden Vorladungen politischAktiver zum Verhör sind Berichtenzufolge häufig. Ein unbeobachtetesund ungehörtes Gespräch ist im öf-fentlichen Raum nicht möglich,ohne das die Betro!enen massiveRepression zu befürchten hätten.Sämtliche Weiden rund um dieStadt sind im Moment militäri-sches Sperrgebiet – Landwirtschaftkann nur in den Stadtgrenzen be-trieben werden. Diese Gegend istnormalerweise sehr fruchtbar. Eswerden Reis, Pistazien, Früchte undGemüse angebaut. Ein Teil derHauptstraße besteht aus verlasse-nen, teilweise verfallenen Gebäu-den. In vielen dieser Gebäuden sindnoch die Einschusslöcher, von

3. Bericht der Delegation Berlin | Hakkari/Çukurca

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>"Dorfschützer", staatliche Paramilitärs an der Straße nach Çukurca

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einem Beschuss mit dem die Jan-darma die dortigen BewohnerInnenvertrieben hat, zu sehen. In Sichtweite der Stadt liegen dieGrenzbefestigungen zwischen derTürkei und den Irakisch-Kurdi-schen Gebieten. Hinter diesen Po-sten beginnt das Gebiet, in demsich die kurdische Guerilla aufhält.In den letzten Wochen sind zusätz-lich zu den stationierten Militärein-heiten mehrere 10.000 türkischeSoldaten in die Region Hakkariverlegt worden – es wird befürchtet,dass das Militär, wie in jedem Jahreine Frühjahrso!ensive gegen diePKK beginnen wird. Die Stadt be-findet sich ohnehin in einem an-dauernden Kriegszustand. Fasttäglich, ab den Mittagsstunden, feu-ert das Militär mit Artilleriege-schützen über die Stadt hinweg inRichtung Irak. Die Granaten tref-fen Berichten zufolge vor allemWeidetiere und DorfbewohnerIn-nen. AnwohnerInnen in der Näheder Artilleriestellungen wurden inden letzten Jahren durch den an-dauernden Lärm, sowie durch Ex-plosionen, einstürzendeHauswände und zerberstendeScheiben verletzt. Nach massiven,lang andauernden Protesten vonAnwohnerInnen schießt die Artil-lerie nicht mehr, wie zuvor, aus derStadt heraus, sondern von einer imTal liegenden Stellung über dieStadt hinweg.

Auch in der Region um Çukurcawerden immer noch eine Vielzahlvon Minen verlegt. Oft wissen dieSoldaten selbst nicht mehr überderen Lage bescheid. Das bedeutet,dass Mensch und Tier permanentder Gefahr ausgesetzt sind, durchMinen verletzt oder getötet zu wer-den. Die Verlegung der Minen zer-störte große Teile derlandwirtschaftlichen Nutzflächen -und zwang viele EinwohnerInnenin die Erwerbslosigkeit und somitzur Migration. Die Türkei verstößthier wiederholt gegen die von ihrunterzeichnete Antiminenkonven-tion von Ottawa.Als die Delegation sich in der Stadtbewegte, verfolgten Polizisten inZivil oder Geheimdienstagentenjeden unserer Schritte in einem Ab-stand von meist weniger als zehnMetern. Ungeniert setzte sich derregionale Polizeichef, samt einemHauptkommissar beim anschlie-ßenden Abendessen mit Mitglie-dern der DTP und demBürgermeister der Stadt ungefragtan unseren Tisch. Sein vordergrün-dig “freundlicher” Auftritt sollte of-fenbar der Einschüchterung dienen.Unsere Gesprächspartner vermittel-ten uns jedoch, dass sie es aufgrundder Massivität und Kontinuität derRepression aufgegeben hätten,Angst zu haben. Berichten zufolge kam es bei denKommunalwahlen 2009 zu massi-

ven Betrugsversuchen der Regie-rungspartei AKP. So wurden nebenden üblichen Bestechungen vieleSoldaten und O#ziere o#ziell alsWählerInnen in dem Bezirk gemel-det. Die mittlerweile verboteneDTP gewann die Wahl mit 75%der Stimmen. Im Rahmen der Re-pressionswelle gegen politisch Ak-tive KurdInnen wurden in Çukurca14 BDP Mitglieder und Funktio-närInnen verhaftet und zum Teilgefoltert. Viele politisch Aktive sindmit wiederholten Hausdurchsu-chungen, bei denen häufig dieWohnungseinrichtungen zerstörtwerden konfrontiert. Der Bürger-meister der Stadt, von der BDP,muß sich in mehreren, beliebigkonstruierten Gerichtsverfahrenverantworten. Schon für die klein-ste Äußerung werden Menschenhier immer wieder nach dem „AntiTerror- Gesetz“ angeklagt, verur-teilt und inhaftiert. Auch in der Re-gion um Çukurca werden Berichtenzufolge chemischen Wa!en einge-setzt, die Boden und Pflanzen ver-seuchen. Am Flusslauf des Zap sind vonHakkari bis Çukurca mehrere Stau-dämme geplant und im Bau. Wäh-rend Projekte am Munzur inDersim oder in Hasankeyf ö!ent-lich bekannt und umstritten sind,wurden die Dammbauprojekte inder Provinz Hakkari bisher kaumö!entlich. Entlang des Zap Flusseswerden mindestens 5, energietech-nisch sinnlose Staudammprojekteerrichtet. Diese Projekte dienenaller Wahrscheinlichkeit nach, mi-litärischem und strategischem Nut-zen. Die Wege der Guerilla sollenverschlossen und die verbliebeneBevölkerung vertrieben werden.Zudem kann durch die Kontrolleüber sämtliche Flussläufe der Re-gion den Nachbarstaaten Irak, Iranund Syrien das Wasser „abgedreht“werden. Newroz Wir besuchten das kurdische Früh-jahrsfest Newrozfest in Çaldıran ca.3000 TeilnehmerInnen, in %emdinli

3. Bericht der Delegation Berlin | Cukurca

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> Dorfruinen an der Straße nach Çukurca

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ca. 11.000 TeilnehmerInnen und inHakkari ca.150.000 TeilnehmerIn-nen. Die Stimmung war auf jedem derFeste kraftvoll, selbstbewusst undentschlossen. Viele Menschenbrachten sich mit Gedichten, "ea-ter und Musik in das Geschehenein. Das diesjährige Newroz standunter dem Motto: „Entweder De-mokratischer Frieden oder aufrech-ter Widerstand.“ In Hakkarisprachen sich in RedebeiträgenVertreterInnen der Demokrati-schen Friedenspartei/BDP, Vertete-rInnen von Gewerkschaften, IsmailAkbulut vom IHD und Vertrete-rInnen von zivilgesellschaftlichenOrganisationen dafür aus, dass dasFest ein Auftakt für eine von derkurdischen Bevölkerung seit lan-gem angestrebte friedliche Lösungdes türkisch-kurdischen Konfliktssein solle. Ähnlich äußerten sichRednerInnen u.a. Parlamentsabge-ordnete, in %emdinli und Çaldıran.Ein in vielen Beiträgen an sämtli-chen Orten geäußerter Kritikpunktwar die seit April 2004 anhaltendeRepressionswelle gegen Politikeraus den Reihen der seit Oktober2009 verbotenen DemokratischenGesellschaftspartei (DTP) und derNachfolgepartei BDP, in deren Ver-lauf mehr als 3000 PolitikerInnen,JournalistInnen und AktivistInnenfestgenommen und 1500 Men-schen inhaftiert wurden.

Überall brachten die TeilnehmerIn-nen ihre Unterstützung für Abdul-lah Öcalan und die PKK aufTransparenten und mit Sloganszum Ausdruck. Über die anhal-tende Starrköpfigkeit der Regie-rung bezüglich der Rechte derKurdInnen und einer legitimenVertretung der kurdischen Interes-sen herrscht im Allgemeinen Un-verständnis, Trauer und Wut. Eswurde gefordert, dass die türkischeRegierung Abdullah Öcalan alsGesprächspartner in einem mögli-chen Friedensprozess anerkennenund auch die PKK in einen Dialogeinbeziehen solle. Große Kritikübten RednerInnen an der Verhaf-tungswelle gegen kurdische Politi-kerInnen und Razzien inKulturvereinen in Belgien, Frank-reich und Italien, sowie dem Fern-sehsender Roj TV. Die Menschen brachten jeweilsihren Protest gegen Repression,Militäroperationen und die Ho!-nung auf eine friedliche Lösung destürkisch-kurdischen Konflikts zumAusdruck. Aufgefallen ist auch diegroße Wut und Enttäuschung überdie Repression gegen Roj TV undkurdische PolitikerInnen in der EU.Es wurde immer wieder deutlichgemacht, dass von den europäischenStaaten scheinbar nichts mehr zuerwarten sei. Kritik an der Repres-siven Politik gegen die KurdInnenin der Türkei und Europa konnten

auch Delegationen aus Frankreichund Italien, sowie wir, in Grußwor-ten zum Ausdruck bringen.NewrozteilnehmerInnen mit denenwir sprachen äußerten immer wie-der den Wunsch, dass Die Linke,JournalistInnen, Presseverbändeund Intellektuelle in Europa sichebenfalls stärker solidarisch enga-gieren sollten. In Syrien starben bei einem Angri!von Militär und Polizei auf dasNewrozfest in der Stadt Rakka 3Menschen, 50 wurden verletzt. DieVeranstalter berichten, dass Kran-kenhäuser bereits einen Tag vordem Übergri!, auf eine größereZahl von verletzten vorbereitetwurden. U.a. deshalb ist von einemgeplanten Massaker auszugehen. Inder Türkei verliefen die Newrozfe-ste selbst, im Gegensatz zu denVorjahren, in denen es zu Polizei-übergri!en mit mehreren Totenkam, friedlich. In %emdinli wurdedas erste Newroz ohne Angri!edurch Polizei oder Militär über-haupt gefeiert. Aus Erfahrungender letzten Jahre ist allerdings zubefürchten, dass die Repressions-maßnahmen nach der Auswertung,des in großem Umfang angefertig-ten, Filmmaterials der Polizisten inZivil und Uniform und dem Abzugder internationalen Ö!entlichkeitbeginnen.

3. Bericht der Delegation Berlin | Cukurca

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> Newroz in Hakkari: Wie überall sind Symboleund Parolen der kurdischen Freiheitsbewegungund vor allem der Guerilla allgegenwärtig

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