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Gesundheit in der Arbeitswelt Die weite und zunehmende Verbreitung psychomentaler und sozio-emotionaler Belastungen im Arbeitskontext ist in zahl- reichen repräsentativen Studien dokumentiert (z. B. Lohmann- Haislah 2012). Typische Belastungsfaktoren sind ein zu hohes Arbeitspensum, starker Termin- und Leistungsdruck, Multitask- ing, Arbeitsunterbrechungen, mangelnde soziale Unterstützung und geringe Handlungsspielräume. Die gesundheitlichen Folgen zeigen sich in zunehmenden körperlichen und psychovege- tativen Beanspruchungs- und Erschöpfungssymptomen der Beschäftigten. Auch der seit über zehn Jahren festzustellende Anstieg der Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen ist in Verbindung mit immer mehr Stress am Arbeitsplatz zu sehen (Badura et al. 2012). Die damit verbundenen Produktionsaus- fallkosten wurden für das Jahr 2012 auf sechs Milliarden Euro geschätzt (BAuA 2014). Mit der wachsenden Bedeutung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz hat in den letzten Jahren gleichzeitig ein Para- digmenwechsel in der Unternehmenssteuerung stattgefunden: Direkte Steuerungsformen („Command and Control“) werden zunehmend durch indirekte, ergebnisorientierte Steuerungsfor- men („Management by Objectives“) ersetzt. Bei Letzteren sind nur die Arbeitsergebnisse relevant, nicht aber der (Zeit-)Auf- wand. Flexible Arbeitszeiten, leistungsabhängige Bezahlung und das Führen mittels Zielvereinbarungen sind prominente Merk- male der indirekten ergebnisorientierten Unternehmenssteue- rung. Welche Auswirkungen dies auf das Leistungsverhalten der Beschäftigten hat und welche Chancen und Risiken sich im Hin- blick auf ihr Stresserleben und ihre Gesundheit daraus ergeben, ist Gegenstand des aktuellen Newsletters. Drei Fragestellungen stehen im Mittelpunkt: n Wie verbreitet sind indirekte Formen der Unternehmenssteue- rung (Flexibilität und Kontrolle der Arbeitszeit, leistungsab- hängige Bezahlung, Führen über Ziele, Zielspiralen, Hand- lungs- und Entscheidungsspielräume) sowie selbstgefährden- des Verhalten bei Vollzeitbeschäftigten in Deutschland? Editorial Ein Leben wie im Höhenflug: Ausnahmesportler, wie etwa der deutsche Skispringer Sven Hannawald, definieren sich über Leistung und Erfolg. Eine über Jahre vorherrschende willens- starke Disziplin hat zum Erreichen immer stärker wachsender Ziele geführt, aber gleichzeitig auch den kaum zu bewältigenden Erwartungsdruck durch die Fans, das Management oder der Sportler an sich selbst gesteigert. Generell scheint in unserer heutigen Leistungsgesellschaft der Leitsatz zu gelten, möglichst perfekt zu sein und hart dafür zu arbeiten. In einer beschleunig- ten Arbeitswelt machen Dauerstress im Büro und außerhalb viele Arbeitnehmer krank. Hannawald beendete seine Karriere auf- grund einer Burnout-Erkrankung. Bereits Gotthold Ephraim Lessing schrieb: „Beide schaden sich selbst: der, der zu viel verspricht, und der, der zu viel erwartet.“ Die Fragestellung dieses Newsletters ist also keineswegs neu, und trotzdem hochaktuell: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und dem Leistungs- verhalten der Beschäftigten sowie psychischer und physischer Beanspruchung, und inwieweit kann selbstgefährdendes Verhal- ten einerseits durch Unternehmenssteuerung erklärt werden und andererseits selbst zur Beanspruchung beitragen? Die kontroversen Diskussionen um eine Anti-Stress-Verordnung zeigen, dass das Thema „Stress in der Arbeitswelt“ in der Politik angekommen ist. Auch wenn politische Antworten hierzu aktuell noch ausstehen, ist den Unternehmen schon heute zu empfehlen, ihre Aktivitäten in der betrieblichen Gesundheitsförderung auszu- bauen. Jeder investierte Euro in die Gesundheit der Beschäftigten dürfte gut angelegt sein. Psychosozialer Stress am Arbeitsplatz: Indirekte Unternehmenssteuerung, selbstgefährdendes Verhalten und die Folgen für die Gesundheit Anja Chevalier, Gert Kaluza NEWSLETTER 01 | 2015 RRR

Newsletter - Bertelsmann Stiftung...2015/03/16  · und trotzdem hochaktuell: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und dem Leistungs-verhalten der

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Page 1: Newsletter - Bertelsmann Stiftung...2015/03/16  · und trotzdem hochaktuell: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und dem Leistungs-verhalten der

Gesundheit in der ArbeitsweltDie weite und zunehmende Verbreitung psychomentaler und sozio-emotionaler Belastungen im Arbeitskontext ist in zahl-reichen repraumlsentativen Studien dokumentiert (z B Lohmann-Haislah 2012) Typische Belastungsfaktoren sind ein zu hohes Arbeitspensum starker Termin- und Leistungsdruck Multitask-ing Arbeitsunterbrechungen mangelnde soziale Unterstuumltzung und geringe Handlungsspielraumlume Die gesundheitlichen Folgen zeigen sich in zunehmenden koumlrperlichen und psychovege-tativen Beanspruchungs- und Erschoumlpfungssymptomen der Beschaumlftigten Auch der seit uumlber zehn Jahren festzustellende Anstieg der Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen ist in Verbindung mit immer mehr Stress am Arbeitsplatz zu sehen (Badura et al 2012) Die damit verbundenen Produktionsaus-fallkosten wurden fuumlr das Jahr 2012 auf sechs Milliarden Euro geschaumltzt (BAuA 2014)

Mit der wachsenden Bedeutung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz hat in den letzten Jahren gleichzeitig ein Para-digmenwechsel in der Unternehmenssteuerung stattgefunden Direkte Steuerungsformen (bdquoCommand and Controlldquo) werden zunehmend durch indirekte ergebnisorientierte Steuerungsfor-men (bdquoManagement by Objectivesldquo) ersetzt Bei Letzteren sind nur die Arbeitsergebnisse relevant nicht aber der (Zeit-)Auf-wand Flexible Arbeitszeiten leistungsabhaumlngige Bezahlung und das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen sind prominente Merk-male der indirekten ergebnisorientierten Unternehmenssteue-rung Welche Auswirkungen dies auf das Leistungsverhalten der Beschaumlftigten hat und welche Chancen und Risiken sich im Hin-blick auf ihr Stresserleben und ihre Gesundheit daraus ergeben ist Gegenstand des aktuellen Newsletters

Drei Fragestellungen stehen im Mittelpunktn Wie verbreitet sind indirekte Formen der Unternehmenssteue-

rung (Flexibilitaumlt und Kontrolle der Arbeitszeit leistungsab-haumlngige Bezahlung Fuumlhren uumlber Ziele Zielspiralen Hand-lungs- und Entscheidungsspielraumlume) sowie selbstgefaumlhrden-des Verhalten bei Vollzeitbeschaumlftigten in Deutschland

EditorialEin Leben wie im Houmlhenflug Ausnahmesportler wie etwa der deutsche Skispringer Sven Hannawald definieren sich uumlber Leistung und Erfolg Eine uumlber Jahre vorherrschende willens-starke Disziplin hat zum Erreichen immer staumlrker wachsender Ziele gefuumlhrt aber gleichzeitig auch den kaum zu bewaumlltigenden Erwartungsdruck durch die Fans das Management oder der Sportler an sich selbst gesteigert Generell scheint in unserer heutigen Leistungsgesellschaft der Leitsatz zu gelten moumlglichst perfekt zu sein und hart dafuumlr zu arbeiten In einer beschleunig-ten Arbeitswelt machen Dauerstress im Buumlro und auszligerhalb viele Arbeitnehmer krank Hannawald beendete seine Karriere auf-grund einer Burnout- Erkrankung

Bereits Gotthold Ephraim Lessing schrieb bdquoBeide schaden sich selbst der der zu viel verspricht und der der zu viel erwartetldquo Die Fragestellung dieses Newsletters ist also keineswegs neu und trotzdem hochaktuell Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und dem Leistungs-verhalten der Beschaumlftigten sowie psychischer und physischer Beanspruchung und inwieweit kann selbstgefaumlhrdendes Verhal-ten einerseits durch Unternehmenssteuerung erklaumlrt werden und andererseits selbst zur Beanspruchung beitragen

Die kontroversen Diskussionen um eine Anti-Stress-Verordnung zeigen dass das Thema bdquoStress in der Arbeitsweltldquo in der Politik angekommen ist Auch wenn politische Antworten hierzu aktuell noch ausstehen ist den Unternehmen schon heute zu empfehlen ihre Aktivitaumlten in der betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auszu-bauen Jeder investierte Euro in die Gesundheit der Beschaumlftigten duumlrfte gut angelegt sein

Psychosozialer Stress am Arbeitsplatz

Indirekte Unternehmenssteuerung selbstgefaumlhrdendes Verhalten und die Folgen fuumlr die GesundheitAnja Chevalier Gert Kaluza

N e w s l e t t e r

01|2015

R R R

2

Selbstbestimmung in der Arbeitsplanung bessere Vereinbarkeit von Freizeit Fami-lie und Beruf) bringen Die Unternehmen raumlumen den Beschaumlftigten ein hohes Ausmaszlig an individuellen Handlungsspiel-raumlumen ein ndash Arbeitnehmer koumlnnen ihre Aufgaben selbststaumlndig planen einteilen und ausfuumlhren und teilweise sogar ihre Arbeitszeiten voumlllig selbst bestimmen (Vertrauensarbeitszeit) (Ahlers 2011)

Nach dem Anforderungs-Kontroll-Modell sind derartige Handlungsspielraumlume grundsaumltzlich gesundheitsfoumlrderlich Allerdings stellen sie zugleich erhoumlhte Anforderungen an die Eigenverantwor-tung und Selbstorganisation die von Kratzer und Dunkel (2013) als zusaumltz-liche aber bdquounsichtbareldquo Leistung beschrieben wird und auch zur Uumlberfor-derung werden kann Wann wo wie und mit welcher Prioritaumlt Aufgaben erledigt werden koumlnnen und muumlssen die ein-zelnen Beschaumlftigten zunehmend selbst entscheiden

Daruumlber hinaus gehen mit den neuen ertragsorientierten Steuerungsformen vielfach auch neue bdquoBelastungskonstella-tionenldquo einher (Krause et al 2012 Menz Dunkel und Kratzer 2011 Peters 2011) Menz et al (2011) fuumlhren hier unter ande-rem reduzierte Zukunftsperspektiven (Arbeitsplatzunsicherheit) moralische Dilemmata (Zielerreichung versus Kun-denorientierung) und die Buumlrokratie der Controlling-Instrumente an

Zusaumltzlich zu den typischen Merkmalen indirekter Steuerung ndash flexible Arbeits-zeiten leistungsabhaumlngige Bezahlung und das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen ndash stellen Menz et al (2011) dynamisierte Leistungsziele als wichtigen Faktor der modernen Belastungskonstellationen her-aus Damit gemeint sind stetig steigende Zielvorgaben die sich allein am Markt-wachstum aber nicht am Leistungspoten-zial der Beschaumlftigten und den zur Verfuuml-gung stehenden Ressourcen orientieren

tativen oder qualitativen Arbeitsan-forderungen (besonders infolge von Zeitdruck) und

n einen geringen Grad an Kontrolle uumlber den Arbeitsablauf beziehungsweise einen geringen Entscheidungsspiel-raum am Arbeitsplatz

Mehrere internationale epidemiologi-sche Studien haben die oben genannten Modelle belegt (Siegrist und Dragano 2008) Die Ergebnisse zeigen dass sowohl hohe Verausgabung zusammen mit niedriger Belohnung als auch ein geringer Handlungsspielraum zusammen mit hohen Anforderungen laumlngerfristig zu einer Risikoverdopplung fuumlr Herz-Kreis-lauf-Erkrankungen und fuumlr depressive Stoumlrungen fuumlhren

Die hier vorgestellten Arbeitsstressmo-delle verweisen auf wichtige Merkmale stressgefaumlhrdeter Arbeitsplaumltze und liefern wertvolle Hinweise fuumlr eine gesundheitsfoumlrderliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen sowie Arbeits- und Leistungskulturen Sie reflektieren aller-dings nur unzureichend den gravierenden Wandel der sich seit mindestens zwei Jahrzehnten in der Arbeitswelt vollzieht Stichworte sind hier der Wechsel von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Wis-sensarbeit der Zwang zur Produktivitaumlts-steigerung im globalisierten Wettbewerb und eine damit einhergehende zuneh-mende Verdichtung und Flexibilisierung der Arbeit innerhalb ergebnisorientierter Steuerung

Risiken fuumlr eine gesunde Arbeits-welt indirekte Steuerung und selbstgefaumlhrdendes Verhalten

Indirekte ergebnisorientierte Formen der Unternehmenssteuerung sollen Vorteile sowohl fuumlr das Unternehmen (Steigerung der Produktivitaumlt bessere Planbarkeit von Lohnkosten) als auch fuumlr die Beschaumlf-tigten (durch mehr Autonomie und

n Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwi-schen den Merkmalen indirekter Unter-nehmenssteuerung einerseits und dem Leistungsverhalten (besonders selbst-gefaumlhrdendes Verhalten) der Beschaumlftig-ten sowie psychischer und physischer Beanspruchung andererseits

n Inwieweit werden Zusammenhaumlnge zwischen Merkmalen der indirekten Unternehmenssteuerung und den Beanspruchungsindikatoren durch das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens erklaumlrt

Was verursacht Stress am ArbeitsplatzDie arbeitspsychologische Stressfor-schung hat eine Reihe von Modellen ent-wickelt und empirisch gepruumlft in denen jeweils spezifische Arbeitsplatzmerkmale identifiziert werden die bei den Beschaumlf-tigten zu Stress fuumlhren koumlnnen (zusam-menfassend Siegrist und Dragano 2008)

Ein moumlglicher Stressfaktor sind Arbeits-platzbedingungen die die Beschaumlftigten daran hindern ihre Ziele zu erreichen und effektiv zu arbeiten Dazu zaumlhlen beispiels-weise schwerfaumlllige Informationsfluumlsse (Intransparenz) Arbeitsunterbrechungen Zeitdruck viel buumlrokratische Kontrolle sowie unklare oder schwer zu vereinba-rende beziehungsweise erreichbare Ziele

Nach dem Modell der beruflichen Gratifi-kationskrise (Siegrist 1996) ist ein wesent-licher Stressfaktor ein wahrgenommenes Ungleichgewicht zwischen hohem Einsatz und geringer Belohnung (Gratifikation) Als Belohnung sind nicht nur finanzielle Entlohnung sondern auch Status und Anerkennung sowie Zukunftsperspektiven zu sehen

Nach dem Anforderungs-Kontroll-Modell (Karasek und Theorell 1990) sind beson-ders stressgefaumlhrdete Arbeitsplaumltze gekennzeichnet durch n eine Kombination von hohen quanti-

3 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

indirekter Steuerung und selbstgefaumlhrden-dem Verhalten sowie Beanspruchungs-symptomen aus Sicht der Beschaumlftigten naumlher zu untersuchen Im Fokus stehen dabei Handlungs- und Entscheidungs-spielraumlume das Fuumlhren mittels Zielverein-barungen und ndash davon unterschieden ndash wahrgenommene Zielspiralen

Ferner wird untersucht inwieweit selbst-gefaumlhrdendes Verhalten der Beschaumlftigten welches als Folge indirekter Steuerung auftritt zumindest in Teilen den Zusam-menhang zwischen indirekter Steuerung und Beanspruchung erklaumlren kann

Beschreibung der Stichprobe

Die Gesamtstichprobe besteht aus 1728 Befragten Davon geben 958 (55 ) Perso-nen an erwerbstaumltig zu sein 770 (45 ) sind derzeit nicht erwerbstaumltig Von den Erwerbstaumltigen arbeiten 658 (69 ) in Voll-zeit (35 Stunden pro Woche und mehr) und 273 (28 ) in Teilzeit (bis 34 Stunden pro Woche keine Angabe bei 27 Befragten)

Die zu untersuchenden Fragestellungen beziehen sich auf die Folgen von Steue-rungsformen fuumlr abhaumlngig Beschaumlftigte Deshalb beruhen die hier praumlsentierten Ergebnisse auf einer Teilstichprobe von 487 abhaumlngig Beschaumlftigten in Vollzeit (ohne Selbststaumlndige Auszubildende und Schichtarbeiter) Das Alter liegt zwischen 19 und 64 Jahren 64 Prozent sind maumlnn-lich Uumlber ein Drittel ist ledig uumlber die Haumllfte ist verheiratet sieben Prozent sind geschieden

Rund 28 Prozent verfuumlgen uumlber einen Fach-Hochschulabschluss 15 Prozent uumlber eine abgeschlossene Fach- Mei-ster- oder Technikerschule oder einen Abschluss an einer Berufs- oder Fachaka-demie 65 Prozent gaben an (gegebenen-falls zusaumltzlich) eine Lehre beziehungs-weise eine Handels-Berufsfachschule abgeschlossen zu haben Insgesamt knapp sechs Prozent der Befragten ver-

gen erhoumlhen oder notwendige Regenera-tion verhindern Neben dem Verzicht auf Erholung aumluszligert sich selbstgefaumlhrdendes Verhalten auch im uumlbermaumlszligigen Konsum von leistungssteigernden Substanzen wie Alkohol Nikotin oder Medikamenten sowie beispielsweise im Unterlaufen von Sicherheits- Schutz- und Qualitaumltsstan-dards Selbstgefaumlhrdendes Verhalten kann verstanden werden als negative Neben-wirkung der erhoumlhten Selbststaumlndigkeit von Beschaumlftigten durch indirekte Unter-nehmenssteuerung

Selbstgefaumlhrdung kann die Beschaumlftigten herausfordern eigene Leistungsgren-zen zu uumlberschreiten (etwa aufgrund unrealistisch hoher Ziele oder zu enger Deadlines die nicht verhandelbar sind) Dorsemagen et al (2012) zeigen in einer repraumlsentativen Schweizer Befragung dass Beschaumlftigte in Vertrauensarbeitszeit (einem typischen Merkmal indirekter Steuerung) haumlufiger in ihrer Freizeit arbeiten uumlberlange Arbeitstage haben und oumlfter Mehrarbeit leisten In einer Befragung deutscher Betriebsraumlte berich-tet durchschnittlich ein Drittel in ergeb-nisgesteuerten Unternehmen knapp die Haumllfte uumlber selbstgefaumlhrdendes Verhalten der Beschaumlftigten (z B uumlberlanges Arbei-ten Praumlsentismus und Unterlaufen der Arbeitsschutzregeln Ahlers 2011 55)

Daraus ergibt sich die Frage inwieweit dieses selbstgefaumlhrdende Verhalten der Beschaumlftigten selbst deren psychische und physische Beanspruchung erklaumlren kann Es bleibt also zu pruumlfen ob die Beanspruchung der Beschaumlftigten gege-benenfalls nicht nur durch bestimmte Merkmale indirekter Steuerung sondern teilweise auch durch das selbstgefaumlhr-dende Verhalten der Beschaumlftigten verur-sacht wird

Vor diesem Hintergrund soll mit den Daten des Gesundheitsmonitors die Chance genutzt werden in einer repraumlsentativen Stichprobe die Zusammenhaumlnge zwischen

So wuumlrden in vielen Unternehmen Arbeits- und Ertragsziele in regelmaumlszligigen Abstaumlnden mindestens jaumlhrlich kontinu-ierlich gesteigert Derartige wahrgenom-mene Zielspiralen wuumlrden von den Beschaumlftigten als Hauptbelastung empfunden Angesichts der dynamisch steigenden Anforderungen erscheine die eigene Leistungsfaumlhigkeit immer wieder als unzulaumlnglich und permanent ungenuumlgend und blockiere so einen stabilen bdquosense of accomplishmentldquo (Menz Dunkel und Kratzer 2011 174)

Diese Zielspiralen koumlnnen muumlssen aber nicht prinzipiell mit ergebnisorientierter Fuumlhrung (Fuumlhren uumlber Zielvereinbarun-gen) einhergehen Entscheidend ist wie die Ziele definiert werden ndash anhand des Leistungspotenzials der Beschaumlftigten oder des Marktwachstums Nur durch Letzteres koumlnnen die von Menz et al (2011) beschriebenen Zielspiralen entste-hen Fuumlr die vorliegende Untersuchung der gesundheitlichen Auswirkungen von Merkmalen indirekter Unternehmens-steuerung werden diese beiden Aspekte (Fuumlhren uumlber Ziele und wahrgenommene Zielspirale) daher getrennt voneinander betrachtet

Indem abhaumlngig Beschaumlftigte unter den Bedingungen indirekter Unternehmungs-steuerung wie Selbststaumlndige behandelt werden verhalten sie sich auch ent-sprechend um ihre Ziele zu erreichen ndash etwa durch uumlberlange Arbeitszeiten den Verzicht auf Regenerationszeiten (Pausen Feierabend Urlaub) und Praumlsen-tismus (Arbeiten trotz Krankheit) Diese Phaumlno mene werden unter dem Begriff der bdquointeressierten Selbstgefaumlhrdungldquo zu sammengefasst (Peters 2011)

Krause et al (im Druck) definieren Selbstgefaumlhrdung als Handlungen mit denen Erwerbstaumltige arbeitsbezogene Stressfaktoren zu bewaumlltigen versuchen die jedoch gleichzeitig die Wahrschein-lichkeit fuumlr das Auftreten von Erkrankun-

4

fuumlgen uumlber keinen oder einen anderen beruflichen Abschluss

Die Befragten sind durchschnittlich seit 21 Jahren abhaumlngig beschaumlftigt Uumlber zwei Drittel (72 ) sind Angestellte ent-weder in weisungsgebundener Taumltigkeit (19 ) mit selbststaumlndiger Leistung in verantwortlicher Taumltigkeit (44 ) oder mit umfassenden Fuumlhrungsaufgaben (8 ) Knapp zwoumllf Prozent sind Beamte entwe-der im einfachen oder mittleren Dienst (knapp 5 ) im gehobenen Dienst (5 ) oder im houmlheren Dienst (2 ) 15 Prozent der Befragten geben an zur Kategorie der Arbeiter zu gehoumlren drei Prozent sind angelernt neun Prozent Facharbeiter und drei Prozent Vorarbeiter oder Aumlhnliches

29 Prozent geben an Fuumlhrungsverantwor-tung zu haben Die Anzahl des gefuumlhrten Personals reicht von 1 bis 2500 Mitar-beitern Die Befragten haben eine ver-tragliche Arbeitszeit von durchschnittlich 393 Stunden pro Woche Die tatsaumlchliche Arbeitszeit der letzten drei Monate lag durchschnittlich bei 422 Stunden pro Woche bei Befragten mit Fuumlhrungsver-antwortung oder houmlheren Qualifikationen (Fach-Hochschulabschluss) (insgesamt 45 ) sogar bei 436 Stunden pro Woche

Hinsichtlich der Merkmale Alter Geschlecht Familienstand Fuumlhrungs-position vereinbarte und tatsaumlchliche Arbeitszeit ist die vorliegende Stichprobe vergleichbar mit denen anderer repraumlsen-tativer Befragungen von Erwerbstaumltigen in Deutschland wie beispielsweise dem Stressreport (Lohmann-Haislah 2012)

Ergebnisse

Wie verbreitet sind indirekte Formen der Unternehmenssteuerung

ArbeitszeitregelungenFlexible Formen der Arbeitszeitgestal-tung bei denen den Beschaumlftigten ein hohes Maszlig an Selbstbestimmung ein-

relevanten Indikatoren (0 = keine Flexibi-litaumlt 3 = maximale Flexi bilitaumlt) Die pro-zentualen Angaben der Befragten werden in Tabelle 1 dargestellt

Zusammenfassend wird deutlich dass nur ein geringer Teil der Befragten naumlmlich 14 Prozent seine Arbeitszeiten vollkommen selbst bestimmen kann Nur sieben Prozent arbeiten auch tatsaumlchlich zu voumlllig flexiblen Zeiten ndash bei ihnen aumlndern sich also die woumlchentlichen Arbeitstage die Stundenzahl am Arbeitstag sowie der Arbeitsbeginn und das Arbeitsende Allerdings kann gut die Haumllfte der Befragten die Arbeitszeiten

geraumlumt wird gehoumlren zum Standard-repertoire moderner Unternehmenssteue-rung Um zu erfassen wie die Arbeitszeit geregelt ist wurde erfragt inwieweitn die Arbeitszeiten flexibel sindn diese selbstbestimmt eingeteilt werden

koumlnnenn sie systematisch erfasst oder kontrol-

liert werden undn ob Uumlberstunden bezahlt oder ander-

weitig ausgeglichen werden

Zur Erfassung der Flexibilitaumlt von Arbeits-zeiten diente ein Index durch Summen-bildung der Nein-Antworten aus den drei

Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Angaben in Prozent)

1 Flexibilitaumlt der Arbeitszeiten

Arbeiten Sie jede Woche an den gleichen Wochentagen (janein)

Arbeiten Sie an jedem Arbeitstag die gleiche Stundenzahl (janein)

Sind Arbeitsbeginn und Arbeitsende an jedem Tag gleich (janein)

Index zur Flexibilitaumlt

(Summierung der Nein-Antworten aus 1)

voumlllig flexible Arbeitszeiten (dreimal bdquoneinldquo in Frage 1)

weitgehend flexible Arbeitszeiten (zweimal bdquoneinldquo in Frage 1)

wenig flexible Arbeitszeiten (einmal bdquoneinldquo in Frage 1)

keine Flexibilitaumlt bei den Arbeitszeiten (kein mal bdquoneinldquo in Frage 1)

2 Grad der Selbstbestimmung in der Arbeitszeitgestaltung

Wann und wie lange ich arbeite

entscheide ich selbst je nachdem welchen Aufgaben anfallen (Vertrauensarbeitszeit)

kann ich innerhalb eines vorgegebenen Rahmens (Gleitzeit) mitbestimmen

wird allein von meinem ArbeitgeberVorgesetzten festgelegt

3 Grad der systematischen Erfassung und Kontrolle

Meine Arbeitszeiten

werden nicht systematisch erfasst undoder kontrolliert

muss ich selbst aufschreiben

werden systematisch erfasst und kontrolliert (etwa durch Stempeluhr elektronische Zeiterfassungoder den Vorgesetzten)

4 Verguumltung von Mehrarbeit

Meine Uumlberstunden werden

uumlberhaupt nicht verguumltet oder anderweitig ausgeglichen (etwa mit Freizeit)

nur in begrenztem Umfang verguumltet oder anderweitig ausgeglichen (etwa mit Freizeit)

in vollem Umfang verguumltet oder anderweitig ausgeglichen (etwa mit Freizeit)

Tabelle 1

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

91 (ja)

49 (ja)

36 (ja)

7

43

18

32

14

51

35

27

23

50

21

20

59

5 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Ergebnisorientierung im Unternehmen Fuumlhren uumlber Ziele und die bdquoZielspiraleldquoEin weiteres Merkmal indirekter Unternehmenssteuerung ist die Ergeb-nisorientierung die sich uumlber leistungs-abhaumlngige Bezahlung Fuumlhren uumlber Ziele und wahrgenommene Zielspiralen dar stellen laumlsst Ein Viertel der Voll-zeitbeschaumlftigten gibt an Anspruch auf leistungsabhaumlngige Bonuszahlungen zu haben Bei gut vier Prozent haumlngt das Gehalt zu einem Groszligteil von der Arbeitsleistung ab waumlhrend 70 Prozent keine leistungsbezogenen Zahlungen erhalten

in einem vorgegebenen Rahmen (etwa Gleitzeit) mitbestimmen 43 Prozent geben somit auch an weitgehend flexible Arbeits-zeiten zu haben Damit ergibt sich fuumlr einen wesentlichen Teil der Befragten dass Arbeitszeiten nicht systematisch erfasst und kontrolliert werden (27 ) und Mehrarbeit entweder gar nicht (21 ) oder nur begrenzt (20 ) verguumltet wird

Diese Ergebnisse sind fuumlr die entspre-chenden Fragen (Selbstbestimmung und systematische Erfassung) vergleichbar mit den Ergebnissen des DGB-Index Gute Arbeit (2014)

Fuumlhren uumlber Ziele wurde mit Fragen unter anderem danach erfasst inwieweit regelmaumlszligige Zielvereinbarungsgespraumlche mit den Vorgesetzten stattfinden und die Zielvorgaben realistisch definiert sind (Dorsemagen et al 2012) Eine Darstel-lung der Haumlufigkeitsverteilungen aller Items zu Fuumlhren uumlber Ziele Zielspiralen sowie zu Handlungs- und Entscheidungs-spielraumlumen zeigt Abbildung 1

Fuumlhren uumlber Ziele gehoumlrt fuumlr einen groszligen aber nicht fuumlr den uumlberwie-genden Teil der hier befragten Vollzeit-beschaumlftigten zur Arbeitswirklichkeit

bdquoWie sehr treffen folgende Aussagen auf Ihre jetzige Arbeit zuldquo (Angaben in Prozent)

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abbildung 1

Quelle Gesundheitsmonitor 2015 n = 487

kaumetwasziemlichabsolut gar nicht

27 14 13 13 33

30 22 11 9 28

20 17 17 16 30

11 31 22 16 20

16 26 26 18 14

5 11 25 26 33

13 20 32 17 18

10 24 32 20 14

6 15 28 29 22

17 33 28 14 8

31 27 17 11 14

25 30 25 11 9

10 21 28 24 17

Fuumlhrung uumlber Ziele

Bei uns gibt es Zielvereinbarungsgespraumlche mit den Vorgesetzten

Auch die Vorgesetzten arbeiten nach Zielvorgaben die vom Unternehmen festgelegt werden

Bei uns werden Arbeitsziele zu festen Terminen neu definiert

Mein Vorgesetzter passt die Arbeitsziele so an dass ich diese in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreichen kann

Zielspirale

Mein Arbeitsumfeld ist durch staumlndig steigende Leistungs-Ertragsziele gepraumlgt

Jetzige Erfolge sind bei der naumlchsten Bewertung nur Standard oder gar Misserfolg

Man fragt sich wie man die staumlndig steigenden Anforderungen bewaumlltigen soll

Handlungs-Entscheidungsspielraumlume

Ich kann die Inhalte meiner Arbeit beeinflussen

Ich habe Einfluss auf die Menge der Arbeit die mir uumlbertragen wird

Ich kann Arbeitstempo oder Arbeitsrhythmus selbst bestimmen

Ich kann selbst bestimmen wann ich eine Pause mache

Ich kann meine eigene Arbeit selbst planen und einteilen

Ich kann auf die Festlegung der Arbeitsziele selbst Einfluss nehmen

6

So geben 41 Prozent an regelmaumlszligig Ziel-vereinbarungsgespraumlche mit ihren Vorge-setzten zu fuumlhren Bei 37 Prozent werden Arbeitsziele zu festen Terminen neu definiert und 52 Prozent nehmen wahr dass auch die Vorgesetzten Zielvorgaben haben die vom Unternehmen festgelegt werden Eine wesentliche Aufgabe beim Fuumlhren uumlber Ziele ist Arbeitsziele reali-stisch zu definieren Allerdings stimmen 36 Prozent der Befragten der Aussage zu dass ihr Vorgesetzter die Arbeitsziele bdquogar nichtldquo oder bdquokaumldquo so anpasst dass diese in der vertraglich vereinbarten Zeit erreicht werden koumlnnen

Unabhaumlngig von dem Fuumlhren uumlber Ziele ist die Wahrnehmung stetig steigender Zielvorgaben (Zielspirale) zu sehen Diese koumlnnen muumlssen aber nicht zwangslaumlufig mit einem ergebnisorientierten Fuumlh-rungsstil zusammenhaumlngen Zielspiralen wurden beispielsweise mit Fragen danach erfasst inwieweit das eigene Arbeitsum-feld durch staumlndig steigende Leistungs-

diverse Freiraumlume zu haben 55 Prozent koumlnnen ihre Arbeit selbst planen und ein-teilen 58 Prozent koumlnnen die Zeit ihrer Pausen 50 Prozent ihr Arbeitstempo oder ihren Arbeitsrhythmus selbst bestimmen Allerdings geben nur 31 Prozent der Befragten an dass sie die Festlegung der Arbeitsziele mitbestimmen koumlnnen und lediglich 21 Prozent koumlnnen die Menge der Arbeit die ihnen uumlbertragen wird beeinflussen (Abbildung 1)

Ein betraumlchtlicher Anteil der Beschaumlf-tigten hat somit zwar Kontrolle uumlber die Mittel und Wege mit denen die Arbeits-ziele erreicht werden nicht jedoch hin-sichtlich der Definition der Arbeitsziele und der darauf bezogenen Arbeitsmenge

Wie verbreitet ist selbstgefaumlhrdendes Verhalten Selbstgefaumlhrdendes Verhalten ist unter den Befragten in Vollzeitbeschaumlftigung bereits relativ verbreitet 22 Prozent haben in den vergangenen drei Monaten

Ertragsziele gepraumlgt ist Ein schwacher statistischer Zusammenhang zwischen bdquoFuumlhren uumlber Zieleldquo und bdquoZielspiraleldquo belegt dass diese als zwei unterschied-liche Konzepte anzusehen sind

Zielspiralen gehoumlren fuumlr einen betraumlcht-lichen Anteil jedoch nicht fuumlr die Mehr-heit der Beschaumlftigten zum Arbeitsalltag So geben 42 Prozent der Befragten an dass ihr Arbeitsumfeld ziemlich oder absolut durch staumlndig steigende Leistungs- und Ertragsziele gepraumlgt ist 33 Prozent fragen sich wie man die staumlndig stei-genden Anforderungen bewaumlltigen soll Knapp 16 Prozent stimmen der Aussage ziemlich oder absolut zu dass jetzige Erfolge bei der naumlchsten Bewertung nur Standard oder gar Misserfolg sind

Handlungs- und EntscheidungsspielraumlumeIndirekte Unternehmenssteuerung geht mit erweiterten Handlungs- und Entschei-dungsspielraumlumen fuumlr die Beschaumlftigten einher Ein Groszligteil der Befragten gibt an

1 5 5 8 81

6 16 32 29 17

12 13 28 56

6 12 32 28 22

2 9 22 21 46

9 13 29 28 21

3 11 22 24 40

2 6 26 39 27

23 7 11 77

bdquoWie haumlufig ist es in den vergangenen drei Monaten vorgekommen dass Sie (Angaben in Prozent)

hellip zusaumltzlich in Ihrer Freizeit (Feierabend Urlaub Wochenende Feiertage) gearbeitet habenldquo

hellip Pausen durchgearbeitet habenldquo

hellip in einem Arbeitstempo gearbeitet haben das Sie langfristig nicht durchhalten koumlnnenldquo

hellip gegenuumlber Vorgesetzten Arbeitskollegen undoder Kunden vorgegeben haben die Arbeit zu schaffen auch wenn Fristen nicht eingehalten werden konntenldquo

hellip trotz Krankheit am Arbeitsplatz erschienen sindldquo

hellip sich mit einem weniger guten Ergebnis zufriedengeben mussten als Sie es normalerweise tunldquo

hellip bis an die Grenzen Ihrer Leistungsfaumlhigkeit gearbeitet habenldquo

hellip GenussmittelSubstanzen (z B Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) konsumiert haben um bei der Arbeit leistungsfaumlhiger zu seinldquo

hellip GenussmittelSubstanzen (z B Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) konsumiert haben um nach der Arbeit besser abschalten zu koumlnnenldquo

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abbildung 2

Quelle Gesundheitsmonitor 2015 n = 487

seltengelegentlichoftsehr oft sehr seltennie

7 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

oft bis sehr oft Pausen durchgearbeitet und elf Prozent haben zusaumltzlich in ihrer Freizeit (Feierabend Urlaub Wochen-ende) gearbeitet 22 Prozent geben an oft bis sehr oft in einem Arbeitstempo gear-beitet zu haben das sie langfristig nicht durchhalten koumlnnen weitere 32 Prozent haben dies gelegentlich getan 18 Prozent der Befragten haben in den letzten drei Monaten oft bis sehr oft und weitere 32 Prozent gelegentlich bis an die Grenzen ihrer Leistungsfaumlhigkeit gearbeitet

Weiterhin geben 14 Prozent der Beschaumlf-tigten an in den letzten drei Monaten oft bis sehr oft trotz Krankheit am Arbeits-platz erschienen zu sein weitere 22 Pro-zent taten dies gelegentlich Zudem geben knapp sechs Prozent an oft bis sehr oft Genussmittel oder Substanzen (Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) zu konsumieren um bei der Arbeit lei-stungsfaumlhiger zu sein knapp fuumlnf Prozent konsumieren oft bis sehr oft aumlhnliche Substanzen um nach der Arbeit besser abschalten zu koumlnnen (Abbildung 2)

Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und selbstgefaumlhrdendem VerhaltenUm die Zusammenhaumlnge zwischen der Art der Unternehmenssteuerung und dem Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens zu berechnen wurde ein Regressions-modell geschaumltzt in dem die acht Indizes der Arbeitszeitregelung der Ergebnis-orientierung und der Handlungs-Ent-scheidungsspielraumlume das Ausmaszlig des selbst gefaumlhrdenden Verhaltens vorher-sagen

Die Zielspirale hat den staumlrksten Einfluss auf selbstgefaumlhrdendes Verhalten Je staumlrker die Beschaumlftigten Zielspiralen in ihrem Arbeitsumfeld wahrnehmen desto wahrscheinlicher verhalten sie sich in selbstgefaumlhrdender Weise Dies trifft auch zu ndash allerdings in deutlich geringerem Ausmaszlig ndash wenn Arbeitszeiten voumlllig

flexibel und selbstbestimmt sind sowie Uumlberstunden gar nicht oder nur begrenzt bezahlt oder ausgeglichen werden

Waumlhrend stetig steigende Zielvorgaben also das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Ver-haltens deutlich erhoumlhen sind die Effekte der Merkmale bdquoFuumlhren uumlber Zieleldquo und bdquoHandlungs- und Entscheidungsspiel-raumlumeldquo zwar deutlich schwaumlcher vermin-dern aber selbstgefaumlhrdendes Verhalten Das bedeutet Wenn regelmaumlszligig offene verbindliche und realistische Zielverein-barungsgespraumlche gefuumlhrt und die dabei vereinbarten Ziele als innerhalb der vertraglichen Arbeitszeit erreichbar ein-geschaumltzt werden reduziert dies selbstge-faumlhrdendes Verhalten der Beschaumlftigten In gleicher Weise wirken sich Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume aus Je groumlszliger diese von den Beschaumlftigten ein-geschaumltzt werden desto geringer ist das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens

Zusammenfassend wird die Wahrschein-lichkeit fuumlr selbstgefaumlhrdendes Verhal-ten also nicht durch das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich erhoumlht son-dern vor allem durch unrealistische und staumlndig steigende Zielvorgaben Das gilt auch allerdings in geringerem Maszlige fuumlr flexible voumlllig selbstbestimmte Arbeits-zeiten (Vertrauensarbeitszeit) und nicht verguumltete Mehrarbeit

Die Ergebnisse des Regressionsmodells sind in Tabelle 2 dargestellt und zeigen die stan-dardisierten Regressionskoeffizienten fuumlr die Beziehung zwischen der abhaumlngigen Variable (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) und dem jeweiligen Vorhersageparameter

Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und BeanspruchungAls Indikatoren psychischer und physischer Beanspruchung wurden im Fragebogen erhobenn die allgemeine Arbeitszufriedenheitn die Work-Life-Balance n das habituelle Wohlbefinden (Herda

Scharfenstein und Basler 1998)n der kognitive Stress (Nuumlbling et al

2005)n die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout

(Nuumlbling et al 2005)n die Einschlaf- beziehungsweise Durch-

schlafstoumlrungen

Zur Pruumlfung der Zusammenhaumlnge zwi-schen der Art der Unternehmenssteue-rung und den Beanspruchungsindikato-ren wurden ebenfalls Regressionsmodelle geschaumltzt in denen wieder die acht Indizes zur Arbeitszeitregelung Ergebni-sorientierung und zu den Handlungs- und Entscheidungsspielraumlumen die verschie-denen Beanspruchungsindikatoren vor-hersagen

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf selbstgefaumlhrdendes Verhalten ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

Vorhersageparameter des Regressionsmodells

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Regressionskoeffizient szlig Signifikanz

014

013

015

-011

044

-016

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 2

8

Als durchgaumlngig relevanter Vorhersage-parameter von psychischer und physischer Beanspruchung erweist sich erneut die Zielspirale Je staumlrker diese wahrgenom-men wird desto geringer sind Arbeits-zufriedenheit Work-Life-Balance sowie habituelles Wohlbefinden und desto staumlrker ausgepraumlgt sind insbesondere die Tendenz zu Burnout kognitiven Stresssymptomen und Ein-Durchschlafstoumlrungen

Dagegen wirken groumlszligere Handlungs-spielraumlume als Ressource besonders verstaumlrkend auf Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden sowie leicht reduzierend auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout Aumlhnlich hat auch Fuumlhren uumlber Ziele einen leicht positiven Einfluss auf die Arbeits-zufriedenheit die Work-Life-Balance das habituelle Wohlbefinden und eine leicht reduzierende Wirkung auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout (Tabelle 3)

Diese Ergebnisse zeigen erneut dass Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen im

diese Zusammenhaumlnge durch selbstge-faumlhrdendes Verhalten erklaumlrt werden koumlnnen

Dazu wurde mit einfachen Mediati-onsanalysen berechnet ob der direkte Zusammenhang zwischen Praumldiktor (Zielspirale oder Handlungsspielraum) und abhaumlngiger Variable (Beanspru-chung) durch den Einfluss des Mediators (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) signifi-kant reduziert wird Tabelle 4 fasst die Ergebnisse dieser Analysen zusammen

Die Ergebnisse zeigen dass die Zusam-menhaumlnge zwischen den Indikatoren fuumlr Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung deutlich reduziert werden wenn selbstgefaumlhrdendes Verhalten beruumlcksich-tigt wird Die urspruumlnglichen Effekte der Zielspirale werden fuumlr alle Variablen um mindestens 50 Prozent reduziert

Das bedeutet dass die Beschaumlftigten ihre Beanspruchung zu einem relevanten Anteil aufgrund ihres selbstgefaumlhrdenden Verhaltens erleben welches seinerseits verstaumlrkt als Folge von wahrgenommenen Zielspiralen und abgemildert als Folge von erhoumlhten Handlungsspielraumlumen auftritt Umgekehrt laumlsst sich sagen dass Merkmale indirekter Steuerung (in diesem Fall besonders Zielspiralen und Handlungsspielraumlume) selbstge-faumlhrdendes Verhalten verstaumlrken oder abschwaumlchen und daruumlber auch die Beanspruchung von Beschaumlftigten indi-rekt beeinflussen

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse also dass hier ein differenzierter Effekt von indirekter Steuerung auf Beanspru-chung vorliegt sowohl uumlber den direkten Zusammenhang (Tabelle 3) als auch durch den indirekten Zusammenhang mit selbstgefaumlhrdendem Verhalten So zeigen die hier untersuchten Merkmale der indirekten Unternehmenssteuerung (Zielspirale und Handlungsspielraumlume) sowohl beanspruchungsverstaumlrkende als

Allgemeinen keine negativen sondern sogar eher leicht positive Auswirkungen fuumlr die Beschaumlftigten zeigt Der wichtigste Faktor fuumlr psychisches und physisches Stresserleben liegt in dem kontinuierlichen Anstieg von Zielvorgaben also in der Wahr-nehmung einer sich stetig zuspitzenden Zielspirale Zugleich unterstreichen die vorliegenden Ergebnisse ndash in Uumlbereinstim-mung mit der Arbeitsstressforschung ndash die Bedeutung von Handlungs- und Entschei-dungsspielraumlumen als Ressource die fuumlr das positive Arbeitserleben von Beschaumlftig-ten wichtig ist

Inwieweit werden Zusammenhaumlnge zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und den Beanspruchungs-indikatoren durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens erklaumlrt Es bestehen statistisch bedeutsame Zusammenhaumlnge besonders zwischen den Praumldiktoren Zielspirale und Hand-lungsspielraum einerseits und den Beanspruchungsindikatoren andererseits Es soll nun gepruumlft werden inwieweit

kognitiver Stress Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen

persoumlnliches Burnout

Tabelle 3

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf psychische und physische Beanspruchung ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Arbeitszufriedenheit

Vorhersageparameter Regressionskoeffizient szlig

-011

016

-028

034

028

-010

-009

-011

-009

016

-035

028

-013

045

-018

-014

013

-034

027

-013

016

habituelles Wohlbefinden

Work-Life-Balance

9 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

auch -reduzierende Effekte die zu einem relevanten Teil durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens von Beschaumlftig-ten erklaumlrt werden koumlnnen

Diskussion der Ergebnisse

Es wurde untersucht inwieweit die Arbeitsbedingungen abhaumlngig Beschaumlf-tigter in Deutschland durch Merkmale indirekter Unternehmenssteuerung gepraumlgt sind welche Auswirkungen dies auf das Leistungsverhalten der Beschaumlf-tigten hat und welche Chancen und Risiken sich daraus im Hinblick auf ihr Stresserleben und ihre Gesundheit erge-ben Im Besonderen wurde beleuchtet welche Rolle ein fuumlr die eigene Gesund-heit riskantes naumlmlich selbstgefaumlhrden-des Verhalten der Beschaumlftigten in diesen Prozessen spielt

Die Ergebnisse zeigen dass Formen der indirekten Unternehmensfuumlhrung bei Vollzeitbeschaumlftigten in Deutschland bereits weit verbreitet sind Mit den Frei-heiten flexibler Arbeit gehen allerdings fuumlr durchschnittlich knapp ein Viertel der Beschaumlftigten weder eine Erfassung noch eine Verguumltung geleisteter Uumlberstunden einher Rund ein Drittel der Beschaumlftigten

sieht sich zudem in einer sich immer weiter zuspitzenden Zielspirale in der man sich fragt wie man die staumlndig steigenden Anforderungen bewaumlltigen soll

Die Mehrheit der Befragten sieht Spiel-raumlume und Freiheiten bei der Durchfuumlh-rung der Arbeit Diese Freiheiten schlie-szligen aber fuumlr einen Groszligteil der Beschaumlf-tigten keinerlei Mitbestimmung bei der Menge der Arbeit und den genauen Ziel-vereinbarungen einn Wie wirken sich diese Arbeitsbedin-

gungen einer indirekten ergebnisorien-tierten Unternehmenssteuerung auf das Leistungsverhalten und das Beanspru-chungserleben der Beschaumlftigten aus

n Fuumlhren sie tatsaumlchlich dazu dass Beschaumlftigte im Interesse der Zielerrei-chung eigene Grenzen uumlberschreiten und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen sprechen eine klare Sprache Einige Indi-katoren indirekter Steuerung (Zielspira-len flexible und selbstbestimmte Arbeits-zeiten sowie unbezahlte Mehrarbeit) sagen selbstgefaumlhrdendes Verhalten sowie koumlrperliches und psychisches Beanspru-chungserleben aufseiten der Beschaumlftigten

voraus Andere Indikatoren (Handlungs-spielraumlume und Fuumlhren uumlber Ziele) haben einen leicht beguumlnstigenden Einfluss vor allem auf die positiven abhaumlngigen Variablen Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohlbefinden

Dabei leisten nicht alle Indikatoren den gleichen Beitrag Den wichtigsten verstaumlr-kenden Faktor fuumlr Selbstgefaumlhrdung und Beanspruchung stellt durchgaumlngig die Zielspirale dar gefolgt von nicht verguumlte-ten Uumlberstunden Letzteres kann auch als Ausdruck mangelnder Anerkennung fuumlr geleisteten Einsatz im Sinne des Modells der beruflichen Gratifikationskrisen (Siegrist 1996) verstanden werden

Dagegen wirken sich Handlungs- und Ent-scheidungsspielraumlume ganz im Sinne des Anforderungs-Kontroll-Modells (Karasek und Theorell 1990) aus Sie reduzieren Selbstgefaumlhrdung sowie persoumlnliches Burnout und foumlrdern Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden Dies ist ein weiterer Beleg dafuumlr dass es gerade bei steigenden Leistungs-anforderungen gesundheits foumlrderlich ist die Handlungs- und Entscheidungsspiel-raumlume der Beschaumlftigten (allerdings auch in Bezug auf die Menge der Arbeit und die Zielvorgaben) anzupassen

Das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich wirkt nur geringfuumlgig und wenn dann eher abschwaumlchend auf selbst-gefaumlhrdendes Verhalten und Bean-spruchungsindikatoren Wie eine Detail-analyse gezeigt hat laumlsst sich dieser positive Effekt des Fuumlhrens uumlber Ziele im Wesentlichen auf ein Item zuruumlckfuumlhren bdquoMein Vorgesetzter passt die Arbeitsziele so an dass ich diese in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreichen kannldquo Damit bestaumltigt sich letztlich noch einmal die Bedeutung realistischer Zielvorgaben die an das Leistungsvermoumlgen des Mit-arbeiters angepasst und eben nicht staumlndig steigend und einseitig am Markt orientiert sind

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 n s = nicht signifikant Die Staumlrke der Reduktion wurde mit der dafuumlr geeigneten Pruumlfstatistik berechnet die in allen Faumlllen die Differenzen zwischen den Effekten mit einem hohen statistischen Signifikanzniveau absichert

Mediationsanalysen von Zielspirale beziehungsweise Handlungsspielraumlumen uumlber selbstgefaumlhrdendes Verhalten auf Beanspruchungssymptome

1 Arbeitszufriedenheit

2 Work-Life-Balance

3 habituelles Wohlbefinden

4 kognitiver Stress

5 persoumlnliches Burnout

6 Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen Rsup2

ZielspiralePraumldiktor

abhaumlngige Variable urspruumlnglicher Effekt

-036

-043

-039

031

047

012

reduzierter Effekt

-017

-020

-016

012

021

-003 ns

urspruumlnglicher Effekt

043

035

033

-017

-033

-014

reduzierter Effekt

034

023

021

-006 ns

-019

-008 ns

Handlungsspielraumlume

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 4

10

Die Analysen der indirekten Effekte zeigen dass die Einfluumlsse der beiden wichtigsten Vorhersageparameter Zielspirale und Handlungsspielraumlume auf die verschiedenen Beanspruchungs-indikatoren im Wesentlichen auf das selbst gefaumlhrdende Verhalten der Beschaumlf-tigten zuruumlckgefuumlhrt werden koumlnnen

Das selbstgefaumlhrdende Verhalten uumlber-nimmt somit eine Schluumlsselrolle in der Beziehung zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung beziehungsweise Gesundheit der Beschaumlftigten Zum einen beguumlnstigen vor allem die stetig steigenden Zielvorgaben gesundheitsgefaumlhrdendes Arbeitsverhal-ten der Beschaumlftigten zum anderen fuumlhrt dieses Verhalten zu verstaumlrkten Bean-spruchungssymptomen Dies bedeutet jedoch nicht dass die Verantwortung fuumlr die gesundheitlichen Folgen allein bei den sich selbstgefaumlhrdend verhaltenden Beschaumlftigten liegt Die Analysen der indirekten Effekte belegen ein deutig Selbstgefaumlhrdendes Verhalten tritt als Folge indirekter Steuerung auf und erklaumlrt somit zwar teilweise den Effekt auf Beanspruchung kann aber nicht die eigentliche Ursache sein

Unternehmen stehen hier also erst ein-mal in der Verantwortung Arbeits- und Leistungskulturen zu gestalten in denen ein gesundheitsfoumlrderliches Arbeits- und Leistungsverhalten des Einzelnen uumlber-haupt moumlglich wird

Empfehlungen fuumlr die Gesundheitspolitik Welche praktischen Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den Ergebnissen im Hinblick auf die Gesundheit und die Gesundheitsfoumlrderung der Beschaumlftigten ableiten

Wie die Ergebnisse zeigen sind es vor allem die steigenden Zielvorgaben die das gesundheitsgefaumlhrdende Verhalten

der Beschaumlftigten sowie deren koumlrper-liche und psychische Beanspruchungs-symptome beeinflussen Es ist also notwendig sich mit diesen Zielspiralen auseinanderzusetzen die sich allein am Markt und am oumlkonomischen Wachstum und eben nicht am Leistungspotenzial der Beschaumlftigten orientieren Anreiz-systeme der Unternehmen muumlssen wieder so gestaltet werden dass es Wachstums-potenziale fuumlr Beschaumlftigte geben kann und diese nicht nur einem immer unwahrscheinlicherem Erreichen des Unerreichbaren ausgesetzt sind

Dagegen koumlnnen erhoumlhte Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume eindeutig als Res-source verstanden werden die das positive Erleben des Arbeitsalltags beguumlnstigen

Fuumlhren uumlber Zielvereinbarungen hat ndash dar-auf weisen die Ergebnisse hin ndash nicht nur keine gesundheitsschaumldlichen sondern sogar potenziell gesundheitsfoumlrderliche Auswirkungen Ziele koumlnnen Unsicherheit reduzieren indem sie Orientierung und Struktur vermitteln sie koumlnnen helfen Prioritaumlten zu setzen und bestenfalls sinn- und identitaumltsstiftend wirken Dies wird umso mehr der Fall sein je mehr die Ziele von Vorgesetzten realistisch definiert und auch von Beschaumlftigten selbst mit beein-flusst werden koumlnnen Sie sollten als her-ausfordernd und ndash unter Beruumlcksichtigung des eigenen Leistungsvermoumlgens und der vorhandenen Ressourcen im Arbeitsumfeld ndash zugleich als realistisch und erreichbar eingeschaumltzt werden So verstanden stellt Fuumlhren uumlber Ziele ein wesentliches Ele-ment gesundheitsgerechter Mitarbeiterfuumlh-rung dar

Daruumlber hinaus liegt es aber auch in der Verantwortung der Beschaumlftigten die Dynamik der staumlndig steigenden Anfor-derungen durch das eigene undosierte selbstgefaumlhrdende Leistungsverhalten und eine Uumlber identifikation mit den gesetzten Zielvorgaben nicht noch weiter anzureizen Die indirekten Effekte deuten zwar darauf

hin dass das selbstgefaumlhrdende Verhal-ten der Beschaumlftigten wesentlich mit der Unternehmenssteuerung zusammenhaumlngt ndash und selbstverstaumlndlich muumlssen Steue-rungs systeme besonders hinsichtlich der Ziel spiralen uumlberpruumlft und angepasst werden aber auch die Beschaumlftigten muumlssen ihren Umgang mit Grenzen reflektieren Ihnen sollten die Zusam-menhaumlnge und potenziellen Einfluumlsse der Steuerungssysteme auf ihr Gesundheits-verhalten bewusst gemacht werden

Es geht darum Leistungsgrenzen ndash eigene und fremde ndash wahrzunehmen anzunehmen zu kommunizieren und durchzusetzen Das bedeutet auch sich abzugrenzen Dazu bedarf es einer Kultur der Achtsamkeit nicht nur seitens der Fuumlhrung sondern auch der Teammitglie-der untereinander sowie nicht zuletzt der Beschaumlftigten im Umgang mit sich selbst

Dies laumlsst sich nur erreichen wenn Beschaumlftigte Fuumlhrungskraumlfte und Manage-ment ein gemeinsames Bewusstsein der bdquoGrenzen-Problematikldquo entwickeln und gemeinsam an einer gesundheitsfoumlrder-lichen Leistungskultur arbeiten Hierzu sollten Maszlignahmen auf der individuellen Ebene (z B in Form von Verhaltenstrai-nings Kaluza 2011) auf der interperso-nalen Ebene (z B Teamentwicklung Fuumlhrungskraumlfteschulung) und auf der organisationalen Ebene (z B Regelungen zum E-Mail-Verkehr zu Uumlberstunden) integriert durchgefuumlhrt werden Damit wird der Dialektik von Verhalten und Verhaumlltnissen am ehesten entsprochen Fuumlr nachhaltige Wirkungen wird es entscheidend sein das Bewusstsein das im Alltag aufgrund tagesaktueller Aufgaben leicht verloren zu gehen droht uumlber die Dauer einzelner Maszlignahmen hinaus wachzuhalten Hier koumlnnen regel-maumlszligige kollegiale Reflexionstreffen besonders der Fuumlhrungskraumlfte hilfreich sein wie sie in klassischen beziehung s-orien tierten Berufsfeldern in Form von Super vision oder Intervision etabliert sind

11 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Dies wird letztlich nur durch Akteure vor Ort die die unternehmensspezifischen Bedingungen und Prozesse genau kennen erfolgreich umgesetzt werden koumlnnen Eine gesetzliche bdquoAnti-Stress-Verordnungldquo wie sie vor allem von gewerkschaftlicher Seite gefordert wird kann hier lediglich einen allgemeinen Rahmen setzen und bestenfalls den Sozialpartnern einen konstruktiven Weg aus dem Kreislauf der immer gleichen gegenseitigen Schuld- und Verantwortungszuschreibungen weisen

Vielversprechender ist nach den Ergeb-nissen der vorliegenden Studie der kom-binierte Einsatz von Interventionen und Verhaltenstrainings die am Regelwerk der Organisation aber auch am Selbst-verstaumlndnis und der Achtsamkeit der Mitarbeiter ansetzen

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Bertelsmann StiftungProgramm Versorgung verbessern ndash Patienten informieren Carl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumltersloh wwwbertelsmann-stiftungdewwwgesundheitsmonitorde

Barmer GEK Lichtscheider Str 89ndash9542285 Wuppertalwwwbarmer-gekde

RedaktionDr Jan BoumlckenTobias FeldhausDr Ruumldiger MeierjuumlrgenNicole Osterkamp

IllustrationChristoph J Kellnerwwwanimanovade

AutorenDr Anja Chevalier(Deutsche Sporthochschule Koumlln)Prof Dr Gert Kaluza(GKM-Institut fuumlr Gesund-heitspsychologie)

KontaktHeike Clostermeyer Tel (05241) 81-8 13 81 Fax (05241) 81-68 13 81 heikeclostermeyer bertelsmann-stiftungde

Die Autoren

Dr Anja Chevalier Jahrgang 1979 ist promovierte Sozialpsychologin und Dozentin an der deutschen Sporthoch-schule Koumlln am Institut fuumlr Sportoumlkono-mie und Sportmanagement Sie studierte Psychologie an der Julius-Maximilans- Universitaumlt Wuumlrzburg RWTH Aachen und der University of Kent in Groszligbritannien Nach der Promotion zum Thema gruppen-basierte Emotionen forschte und lehrte sie mehrere Jahre zu verschiedenen sozialpsychologischen Themen an der Cardiff University (GB) Universiteit van Amsterdam (NL) und Amsterdam Univer-sity College (NL) Seit uumlber zehn Jahren

wird sie regelmaumlszligig fuumlr Lehrauftraumlge und als Referentin zu den Themen Fuumlhrung Gruppendynamik und Interkulturelle Kompetenz sowie Statistik und Methodik angefragt Ihre Forschung konzentriert sich auf Themen zu Performance und Diversity Management

Prof Dr Gert Kaluza Jahrgang 1955 ist Diplom-Psychologe und approbierter psychologischer Psychotherapeut Nach dem Studium der Psychologie und Paumlda gogik an den Universitaumlten Gieszligen und Marburg arbeitete er als wissen-schaft licher Mitarbeiter im Bereich der Medizinischen Psychologie an

verschiedenen Universitaumlten absolvierte psychotherapeutische Ausbildungen in Verhaltenstherapie und koumlrperorien-tierter Psychotherapie und promovierte an der Medizinischen Hochschule Hannover 1989 mit einer Arbeit zur Psychologie des chronischen Schmerzes Die Habili tation erfolgte 1997 am Fach bereich Medizin der Universitaumlt Marburg mit empirischen Studien zu seinem bis heute zentralen Forschungs-thema bdquoBelas tungsverarbeitung und Gesundheitldquo

Nach uumlber 20-jaumlhriger Taumltigkeit in Forschung und Lehre an verschiedenen Universitaumlten gruumlndete er 2002 sein eigenes Fortbildungs- und Trainings-institut und ist seitdem als Autor Trainer und Coach im Bereich der individuellen und betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung taumltig

Page 2: Newsletter - Bertelsmann Stiftung...2015/03/16  · und trotzdem hochaktuell: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und dem Leistungs-verhalten der

2

Selbstbestimmung in der Arbeitsplanung bessere Vereinbarkeit von Freizeit Fami-lie und Beruf) bringen Die Unternehmen raumlumen den Beschaumlftigten ein hohes Ausmaszlig an individuellen Handlungsspiel-raumlumen ein ndash Arbeitnehmer koumlnnen ihre Aufgaben selbststaumlndig planen einteilen und ausfuumlhren und teilweise sogar ihre Arbeitszeiten voumlllig selbst bestimmen (Vertrauensarbeitszeit) (Ahlers 2011)

Nach dem Anforderungs-Kontroll-Modell sind derartige Handlungsspielraumlume grundsaumltzlich gesundheitsfoumlrderlich Allerdings stellen sie zugleich erhoumlhte Anforderungen an die Eigenverantwor-tung und Selbstorganisation die von Kratzer und Dunkel (2013) als zusaumltz-liche aber bdquounsichtbareldquo Leistung beschrieben wird und auch zur Uumlberfor-derung werden kann Wann wo wie und mit welcher Prioritaumlt Aufgaben erledigt werden koumlnnen und muumlssen die ein-zelnen Beschaumlftigten zunehmend selbst entscheiden

Daruumlber hinaus gehen mit den neuen ertragsorientierten Steuerungsformen vielfach auch neue bdquoBelastungskonstella-tionenldquo einher (Krause et al 2012 Menz Dunkel und Kratzer 2011 Peters 2011) Menz et al (2011) fuumlhren hier unter ande-rem reduzierte Zukunftsperspektiven (Arbeitsplatzunsicherheit) moralische Dilemmata (Zielerreichung versus Kun-denorientierung) und die Buumlrokratie der Controlling-Instrumente an

Zusaumltzlich zu den typischen Merkmalen indirekter Steuerung ndash flexible Arbeits-zeiten leistungsabhaumlngige Bezahlung und das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen ndash stellen Menz et al (2011) dynamisierte Leistungsziele als wichtigen Faktor der modernen Belastungskonstellationen her-aus Damit gemeint sind stetig steigende Zielvorgaben die sich allein am Markt-wachstum aber nicht am Leistungspoten-zial der Beschaumlftigten und den zur Verfuuml-gung stehenden Ressourcen orientieren

tativen oder qualitativen Arbeitsan-forderungen (besonders infolge von Zeitdruck) und

n einen geringen Grad an Kontrolle uumlber den Arbeitsablauf beziehungsweise einen geringen Entscheidungsspiel-raum am Arbeitsplatz

Mehrere internationale epidemiologi-sche Studien haben die oben genannten Modelle belegt (Siegrist und Dragano 2008) Die Ergebnisse zeigen dass sowohl hohe Verausgabung zusammen mit niedriger Belohnung als auch ein geringer Handlungsspielraum zusammen mit hohen Anforderungen laumlngerfristig zu einer Risikoverdopplung fuumlr Herz-Kreis-lauf-Erkrankungen und fuumlr depressive Stoumlrungen fuumlhren

Die hier vorgestellten Arbeitsstressmo-delle verweisen auf wichtige Merkmale stressgefaumlhrdeter Arbeitsplaumltze und liefern wertvolle Hinweise fuumlr eine gesundheitsfoumlrderliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen sowie Arbeits- und Leistungskulturen Sie reflektieren aller-dings nur unzureichend den gravierenden Wandel der sich seit mindestens zwei Jahrzehnten in der Arbeitswelt vollzieht Stichworte sind hier der Wechsel von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Wis-sensarbeit der Zwang zur Produktivitaumlts-steigerung im globalisierten Wettbewerb und eine damit einhergehende zuneh-mende Verdichtung und Flexibilisierung der Arbeit innerhalb ergebnisorientierter Steuerung

Risiken fuumlr eine gesunde Arbeits-welt indirekte Steuerung und selbstgefaumlhrdendes Verhalten

Indirekte ergebnisorientierte Formen der Unternehmenssteuerung sollen Vorteile sowohl fuumlr das Unternehmen (Steigerung der Produktivitaumlt bessere Planbarkeit von Lohnkosten) als auch fuumlr die Beschaumlf-tigten (durch mehr Autonomie und

n Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwi-schen den Merkmalen indirekter Unter-nehmenssteuerung einerseits und dem Leistungsverhalten (besonders selbst-gefaumlhrdendes Verhalten) der Beschaumlftig-ten sowie psychischer und physischer Beanspruchung andererseits

n Inwieweit werden Zusammenhaumlnge zwischen Merkmalen der indirekten Unternehmenssteuerung und den Beanspruchungsindikatoren durch das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens erklaumlrt

Was verursacht Stress am ArbeitsplatzDie arbeitspsychologische Stressfor-schung hat eine Reihe von Modellen ent-wickelt und empirisch gepruumlft in denen jeweils spezifische Arbeitsplatzmerkmale identifiziert werden die bei den Beschaumlf-tigten zu Stress fuumlhren koumlnnen (zusam-menfassend Siegrist und Dragano 2008)

Ein moumlglicher Stressfaktor sind Arbeits-platzbedingungen die die Beschaumlftigten daran hindern ihre Ziele zu erreichen und effektiv zu arbeiten Dazu zaumlhlen beispiels-weise schwerfaumlllige Informationsfluumlsse (Intransparenz) Arbeitsunterbrechungen Zeitdruck viel buumlrokratische Kontrolle sowie unklare oder schwer zu vereinba-rende beziehungsweise erreichbare Ziele

Nach dem Modell der beruflichen Gratifi-kationskrise (Siegrist 1996) ist ein wesent-licher Stressfaktor ein wahrgenommenes Ungleichgewicht zwischen hohem Einsatz und geringer Belohnung (Gratifikation) Als Belohnung sind nicht nur finanzielle Entlohnung sondern auch Status und Anerkennung sowie Zukunftsperspektiven zu sehen

Nach dem Anforderungs-Kontroll-Modell (Karasek und Theorell 1990) sind beson-ders stressgefaumlhrdete Arbeitsplaumltze gekennzeichnet durch n eine Kombination von hohen quanti-

3 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

indirekter Steuerung und selbstgefaumlhrden-dem Verhalten sowie Beanspruchungs-symptomen aus Sicht der Beschaumlftigten naumlher zu untersuchen Im Fokus stehen dabei Handlungs- und Entscheidungs-spielraumlume das Fuumlhren mittels Zielverein-barungen und ndash davon unterschieden ndash wahrgenommene Zielspiralen

Ferner wird untersucht inwieweit selbst-gefaumlhrdendes Verhalten der Beschaumlftigten welches als Folge indirekter Steuerung auftritt zumindest in Teilen den Zusam-menhang zwischen indirekter Steuerung und Beanspruchung erklaumlren kann

Beschreibung der Stichprobe

Die Gesamtstichprobe besteht aus 1728 Befragten Davon geben 958 (55 ) Perso-nen an erwerbstaumltig zu sein 770 (45 ) sind derzeit nicht erwerbstaumltig Von den Erwerbstaumltigen arbeiten 658 (69 ) in Voll-zeit (35 Stunden pro Woche und mehr) und 273 (28 ) in Teilzeit (bis 34 Stunden pro Woche keine Angabe bei 27 Befragten)

Die zu untersuchenden Fragestellungen beziehen sich auf die Folgen von Steue-rungsformen fuumlr abhaumlngig Beschaumlftigte Deshalb beruhen die hier praumlsentierten Ergebnisse auf einer Teilstichprobe von 487 abhaumlngig Beschaumlftigten in Vollzeit (ohne Selbststaumlndige Auszubildende und Schichtarbeiter) Das Alter liegt zwischen 19 und 64 Jahren 64 Prozent sind maumlnn-lich Uumlber ein Drittel ist ledig uumlber die Haumllfte ist verheiratet sieben Prozent sind geschieden

Rund 28 Prozent verfuumlgen uumlber einen Fach-Hochschulabschluss 15 Prozent uumlber eine abgeschlossene Fach- Mei-ster- oder Technikerschule oder einen Abschluss an einer Berufs- oder Fachaka-demie 65 Prozent gaben an (gegebenen-falls zusaumltzlich) eine Lehre beziehungs-weise eine Handels-Berufsfachschule abgeschlossen zu haben Insgesamt knapp sechs Prozent der Befragten ver-

gen erhoumlhen oder notwendige Regenera-tion verhindern Neben dem Verzicht auf Erholung aumluszligert sich selbstgefaumlhrdendes Verhalten auch im uumlbermaumlszligigen Konsum von leistungssteigernden Substanzen wie Alkohol Nikotin oder Medikamenten sowie beispielsweise im Unterlaufen von Sicherheits- Schutz- und Qualitaumltsstan-dards Selbstgefaumlhrdendes Verhalten kann verstanden werden als negative Neben-wirkung der erhoumlhten Selbststaumlndigkeit von Beschaumlftigten durch indirekte Unter-nehmenssteuerung

Selbstgefaumlhrdung kann die Beschaumlftigten herausfordern eigene Leistungsgren-zen zu uumlberschreiten (etwa aufgrund unrealistisch hoher Ziele oder zu enger Deadlines die nicht verhandelbar sind) Dorsemagen et al (2012) zeigen in einer repraumlsentativen Schweizer Befragung dass Beschaumlftigte in Vertrauensarbeitszeit (einem typischen Merkmal indirekter Steuerung) haumlufiger in ihrer Freizeit arbeiten uumlberlange Arbeitstage haben und oumlfter Mehrarbeit leisten In einer Befragung deutscher Betriebsraumlte berich-tet durchschnittlich ein Drittel in ergeb-nisgesteuerten Unternehmen knapp die Haumllfte uumlber selbstgefaumlhrdendes Verhalten der Beschaumlftigten (z B uumlberlanges Arbei-ten Praumlsentismus und Unterlaufen der Arbeitsschutzregeln Ahlers 2011 55)

Daraus ergibt sich die Frage inwieweit dieses selbstgefaumlhrdende Verhalten der Beschaumlftigten selbst deren psychische und physische Beanspruchung erklaumlren kann Es bleibt also zu pruumlfen ob die Beanspruchung der Beschaumlftigten gege-benenfalls nicht nur durch bestimmte Merkmale indirekter Steuerung sondern teilweise auch durch das selbstgefaumlhr-dende Verhalten der Beschaumlftigten verur-sacht wird

Vor diesem Hintergrund soll mit den Daten des Gesundheitsmonitors die Chance genutzt werden in einer repraumlsentativen Stichprobe die Zusammenhaumlnge zwischen

So wuumlrden in vielen Unternehmen Arbeits- und Ertragsziele in regelmaumlszligigen Abstaumlnden mindestens jaumlhrlich kontinu-ierlich gesteigert Derartige wahrgenom-mene Zielspiralen wuumlrden von den Beschaumlftigten als Hauptbelastung empfunden Angesichts der dynamisch steigenden Anforderungen erscheine die eigene Leistungsfaumlhigkeit immer wieder als unzulaumlnglich und permanent ungenuumlgend und blockiere so einen stabilen bdquosense of accomplishmentldquo (Menz Dunkel und Kratzer 2011 174)

Diese Zielspiralen koumlnnen muumlssen aber nicht prinzipiell mit ergebnisorientierter Fuumlhrung (Fuumlhren uumlber Zielvereinbarun-gen) einhergehen Entscheidend ist wie die Ziele definiert werden ndash anhand des Leistungspotenzials der Beschaumlftigten oder des Marktwachstums Nur durch Letzteres koumlnnen die von Menz et al (2011) beschriebenen Zielspiralen entste-hen Fuumlr die vorliegende Untersuchung der gesundheitlichen Auswirkungen von Merkmalen indirekter Unternehmens-steuerung werden diese beiden Aspekte (Fuumlhren uumlber Ziele und wahrgenommene Zielspirale) daher getrennt voneinander betrachtet

Indem abhaumlngig Beschaumlftigte unter den Bedingungen indirekter Unternehmungs-steuerung wie Selbststaumlndige behandelt werden verhalten sie sich auch ent-sprechend um ihre Ziele zu erreichen ndash etwa durch uumlberlange Arbeitszeiten den Verzicht auf Regenerationszeiten (Pausen Feierabend Urlaub) und Praumlsen-tismus (Arbeiten trotz Krankheit) Diese Phaumlno mene werden unter dem Begriff der bdquointeressierten Selbstgefaumlhrdungldquo zu sammengefasst (Peters 2011)

Krause et al (im Druck) definieren Selbstgefaumlhrdung als Handlungen mit denen Erwerbstaumltige arbeitsbezogene Stressfaktoren zu bewaumlltigen versuchen die jedoch gleichzeitig die Wahrschein-lichkeit fuumlr das Auftreten von Erkrankun-

4

fuumlgen uumlber keinen oder einen anderen beruflichen Abschluss

Die Befragten sind durchschnittlich seit 21 Jahren abhaumlngig beschaumlftigt Uumlber zwei Drittel (72 ) sind Angestellte ent-weder in weisungsgebundener Taumltigkeit (19 ) mit selbststaumlndiger Leistung in verantwortlicher Taumltigkeit (44 ) oder mit umfassenden Fuumlhrungsaufgaben (8 ) Knapp zwoumllf Prozent sind Beamte entwe-der im einfachen oder mittleren Dienst (knapp 5 ) im gehobenen Dienst (5 ) oder im houmlheren Dienst (2 ) 15 Prozent der Befragten geben an zur Kategorie der Arbeiter zu gehoumlren drei Prozent sind angelernt neun Prozent Facharbeiter und drei Prozent Vorarbeiter oder Aumlhnliches

29 Prozent geben an Fuumlhrungsverantwor-tung zu haben Die Anzahl des gefuumlhrten Personals reicht von 1 bis 2500 Mitar-beitern Die Befragten haben eine ver-tragliche Arbeitszeit von durchschnittlich 393 Stunden pro Woche Die tatsaumlchliche Arbeitszeit der letzten drei Monate lag durchschnittlich bei 422 Stunden pro Woche bei Befragten mit Fuumlhrungsver-antwortung oder houmlheren Qualifikationen (Fach-Hochschulabschluss) (insgesamt 45 ) sogar bei 436 Stunden pro Woche

Hinsichtlich der Merkmale Alter Geschlecht Familienstand Fuumlhrungs-position vereinbarte und tatsaumlchliche Arbeitszeit ist die vorliegende Stichprobe vergleichbar mit denen anderer repraumlsen-tativer Befragungen von Erwerbstaumltigen in Deutschland wie beispielsweise dem Stressreport (Lohmann-Haislah 2012)

Ergebnisse

Wie verbreitet sind indirekte Formen der Unternehmenssteuerung

ArbeitszeitregelungenFlexible Formen der Arbeitszeitgestal-tung bei denen den Beschaumlftigten ein hohes Maszlig an Selbstbestimmung ein-

relevanten Indikatoren (0 = keine Flexibi-litaumlt 3 = maximale Flexi bilitaumlt) Die pro-zentualen Angaben der Befragten werden in Tabelle 1 dargestellt

Zusammenfassend wird deutlich dass nur ein geringer Teil der Befragten naumlmlich 14 Prozent seine Arbeitszeiten vollkommen selbst bestimmen kann Nur sieben Prozent arbeiten auch tatsaumlchlich zu voumlllig flexiblen Zeiten ndash bei ihnen aumlndern sich also die woumlchentlichen Arbeitstage die Stundenzahl am Arbeitstag sowie der Arbeitsbeginn und das Arbeitsende Allerdings kann gut die Haumllfte der Befragten die Arbeitszeiten

geraumlumt wird gehoumlren zum Standard-repertoire moderner Unternehmenssteue-rung Um zu erfassen wie die Arbeitszeit geregelt ist wurde erfragt inwieweitn die Arbeitszeiten flexibel sindn diese selbstbestimmt eingeteilt werden

koumlnnenn sie systematisch erfasst oder kontrol-

liert werden undn ob Uumlberstunden bezahlt oder ander-

weitig ausgeglichen werden

Zur Erfassung der Flexibilitaumlt von Arbeits-zeiten diente ein Index durch Summen-bildung der Nein-Antworten aus den drei

Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Angaben in Prozent)

1 Flexibilitaumlt der Arbeitszeiten

Arbeiten Sie jede Woche an den gleichen Wochentagen (janein)

Arbeiten Sie an jedem Arbeitstag die gleiche Stundenzahl (janein)

Sind Arbeitsbeginn und Arbeitsende an jedem Tag gleich (janein)

Index zur Flexibilitaumlt

(Summierung der Nein-Antworten aus 1)

voumlllig flexible Arbeitszeiten (dreimal bdquoneinldquo in Frage 1)

weitgehend flexible Arbeitszeiten (zweimal bdquoneinldquo in Frage 1)

wenig flexible Arbeitszeiten (einmal bdquoneinldquo in Frage 1)

keine Flexibilitaumlt bei den Arbeitszeiten (kein mal bdquoneinldquo in Frage 1)

2 Grad der Selbstbestimmung in der Arbeitszeitgestaltung

Wann und wie lange ich arbeite

entscheide ich selbst je nachdem welchen Aufgaben anfallen (Vertrauensarbeitszeit)

kann ich innerhalb eines vorgegebenen Rahmens (Gleitzeit) mitbestimmen

wird allein von meinem ArbeitgeberVorgesetzten festgelegt

3 Grad der systematischen Erfassung und Kontrolle

Meine Arbeitszeiten

werden nicht systematisch erfasst undoder kontrolliert

muss ich selbst aufschreiben

werden systematisch erfasst und kontrolliert (etwa durch Stempeluhr elektronische Zeiterfassungoder den Vorgesetzten)

4 Verguumltung von Mehrarbeit

Meine Uumlberstunden werden

uumlberhaupt nicht verguumltet oder anderweitig ausgeglichen (etwa mit Freizeit)

nur in begrenztem Umfang verguumltet oder anderweitig ausgeglichen (etwa mit Freizeit)

in vollem Umfang verguumltet oder anderweitig ausgeglichen (etwa mit Freizeit)

Tabelle 1

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

91 (ja)

49 (ja)

36 (ja)

7

43

18

32

14

51

35

27

23

50

21

20

59

5 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Ergebnisorientierung im Unternehmen Fuumlhren uumlber Ziele und die bdquoZielspiraleldquoEin weiteres Merkmal indirekter Unternehmenssteuerung ist die Ergeb-nisorientierung die sich uumlber leistungs-abhaumlngige Bezahlung Fuumlhren uumlber Ziele und wahrgenommene Zielspiralen dar stellen laumlsst Ein Viertel der Voll-zeitbeschaumlftigten gibt an Anspruch auf leistungsabhaumlngige Bonuszahlungen zu haben Bei gut vier Prozent haumlngt das Gehalt zu einem Groszligteil von der Arbeitsleistung ab waumlhrend 70 Prozent keine leistungsbezogenen Zahlungen erhalten

in einem vorgegebenen Rahmen (etwa Gleitzeit) mitbestimmen 43 Prozent geben somit auch an weitgehend flexible Arbeits-zeiten zu haben Damit ergibt sich fuumlr einen wesentlichen Teil der Befragten dass Arbeitszeiten nicht systematisch erfasst und kontrolliert werden (27 ) und Mehrarbeit entweder gar nicht (21 ) oder nur begrenzt (20 ) verguumltet wird

Diese Ergebnisse sind fuumlr die entspre-chenden Fragen (Selbstbestimmung und systematische Erfassung) vergleichbar mit den Ergebnissen des DGB-Index Gute Arbeit (2014)

Fuumlhren uumlber Ziele wurde mit Fragen unter anderem danach erfasst inwieweit regelmaumlszligige Zielvereinbarungsgespraumlche mit den Vorgesetzten stattfinden und die Zielvorgaben realistisch definiert sind (Dorsemagen et al 2012) Eine Darstel-lung der Haumlufigkeitsverteilungen aller Items zu Fuumlhren uumlber Ziele Zielspiralen sowie zu Handlungs- und Entscheidungs-spielraumlumen zeigt Abbildung 1

Fuumlhren uumlber Ziele gehoumlrt fuumlr einen groszligen aber nicht fuumlr den uumlberwie-genden Teil der hier befragten Vollzeit-beschaumlftigten zur Arbeitswirklichkeit

bdquoWie sehr treffen folgende Aussagen auf Ihre jetzige Arbeit zuldquo (Angaben in Prozent)

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abbildung 1

Quelle Gesundheitsmonitor 2015 n = 487

kaumetwasziemlichabsolut gar nicht

27 14 13 13 33

30 22 11 9 28

20 17 17 16 30

11 31 22 16 20

16 26 26 18 14

5 11 25 26 33

13 20 32 17 18

10 24 32 20 14

6 15 28 29 22

17 33 28 14 8

31 27 17 11 14

25 30 25 11 9

10 21 28 24 17

Fuumlhrung uumlber Ziele

Bei uns gibt es Zielvereinbarungsgespraumlche mit den Vorgesetzten

Auch die Vorgesetzten arbeiten nach Zielvorgaben die vom Unternehmen festgelegt werden

Bei uns werden Arbeitsziele zu festen Terminen neu definiert

Mein Vorgesetzter passt die Arbeitsziele so an dass ich diese in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreichen kann

Zielspirale

Mein Arbeitsumfeld ist durch staumlndig steigende Leistungs-Ertragsziele gepraumlgt

Jetzige Erfolge sind bei der naumlchsten Bewertung nur Standard oder gar Misserfolg

Man fragt sich wie man die staumlndig steigenden Anforderungen bewaumlltigen soll

Handlungs-Entscheidungsspielraumlume

Ich kann die Inhalte meiner Arbeit beeinflussen

Ich habe Einfluss auf die Menge der Arbeit die mir uumlbertragen wird

Ich kann Arbeitstempo oder Arbeitsrhythmus selbst bestimmen

Ich kann selbst bestimmen wann ich eine Pause mache

Ich kann meine eigene Arbeit selbst planen und einteilen

Ich kann auf die Festlegung der Arbeitsziele selbst Einfluss nehmen

6

So geben 41 Prozent an regelmaumlszligig Ziel-vereinbarungsgespraumlche mit ihren Vorge-setzten zu fuumlhren Bei 37 Prozent werden Arbeitsziele zu festen Terminen neu definiert und 52 Prozent nehmen wahr dass auch die Vorgesetzten Zielvorgaben haben die vom Unternehmen festgelegt werden Eine wesentliche Aufgabe beim Fuumlhren uumlber Ziele ist Arbeitsziele reali-stisch zu definieren Allerdings stimmen 36 Prozent der Befragten der Aussage zu dass ihr Vorgesetzter die Arbeitsziele bdquogar nichtldquo oder bdquokaumldquo so anpasst dass diese in der vertraglich vereinbarten Zeit erreicht werden koumlnnen

Unabhaumlngig von dem Fuumlhren uumlber Ziele ist die Wahrnehmung stetig steigender Zielvorgaben (Zielspirale) zu sehen Diese koumlnnen muumlssen aber nicht zwangslaumlufig mit einem ergebnisorientierten Fuumlh-rungsstil zusammenhaumlngen Zielspiralen wurden beispielsweise mit Fragen danach erfasst inwieweit das eigene Arbeitsum-feld durch staumlndig steigende Leistungs-

diverse Freiraumlume zu haben 55 Prozent koumlnnen ihre Arbeit selbst planen und ein-teilen 58 Prozent koumlnnen die Zeit ihrer Pausen 50 Prozent ihr Arbeitstempo oder ihren Arbeitsrhythmus selbst bestimmen Allerdings geben nur 31 Prozent der Befragten an dass sie die Festlegung der Arbeitsziele mitbestimmen koumlnnen und lediglich 21 Prozent koumlnnen die Menge der Arbeit die ihnen uumlbertragen wird beeinflussen (Abbildung 1)

Ein betraumlchtlicher Anteil der Beschaumlf-tigten hat somit zwar Kontrolle uumlber die Mittel und Wege mit denen die Arbeits-ziele erreicht werden nicht jedoch hin-sichtlich der Definition der Arbeitsziele und der darauf bezogenen Arbeitsmenge

Wie verbreitet ist selbstgefaumlhrdendes Verhalten Selbstgefaumlhrdendes Verhalten ist unter den Befragten in Vollzeitbeschaumlftigung bereits relativ verbreitet 22 Prozent haben in den vergangenen drei Monaten

Ertragsziele gepraumlgt ist Ein schwacher statistischer Zusammenhang zwischen bdquoFuumlhren uumlber Zieleldquo und bdquoZielspiraleldquo belegt dass diese als zwei unterschied-liche Konzepte anzusehen sind

Zielspiralen gehoumlren fuumlr einen betraumlcht-lichen Anteil jedoch nicht fuumlr die Mehr-heit der Beschaumlftigten zum Arbeitsalltag So geben 42 Prozent der Befragten an dass ihr Arbeitsumfeld ziemlich oder absolut durch staumlndig steigende Leistungs- und Ertragsziele gepraumlgt ist 33 Prozent fragen sich wie man die staumlndig stei-genden Anforderungen bewaumlltigen soll Knapp 16 Prozent stimmen der Aussage ziemlich oder absolut zu dass jetzige Erfolge bei der naumlchsten Bewertung nur Standard oder gar Misserfolg sind

Handlungs- und EntscheidungsspielraumlumeIndirekte Unternehmenssteuerung geht mit erweiterten Handlungs- und Entschei-dungsspielraumlumen fuumlr die Beschaumlftigten einher Ein Groszligteil der Befragten gibt an

1 5 5 8 81

6 16 32 29 17

12 13 28 56

6 12 32 28 22

2 9 22 21 46

9 13 29 28 21

3 11 22 24 40

2 6 26 39 27

23 7 11 77

bdquoWie haumlufig ist es in den vergangenen drei Monaten vorgekommen dass Sie (Angaben in Prozent)

hellip zusaumltzlich in Ihrer Freizeit (Feierabend Urlaub Wochenende Feiertage) gearbeitet habenldquo

hellip Pausen durchgearbeitet habenldquo

hellip in einem Arbeitstempo gearbeitet haben das Sie langfristig nicht durchhalten koumlnnenldquo

hellip gegenuumlber Vorgesetzten Arbeitskollegen undoder Kunden vorgegeben haben die Arbeit zu schaffen auch wenn Fristen nicht eingehalten werden konntenldquo

hellip trotz Krankheit am Arbeitsplatz erschienen sindldquo

hellip sich mit einem weniger guten Ergebnis zufriedengeben mussten als Sie es normalerweise tunldquo

hellip bis an die Grenzen Ihrer Leistungsfaumlhigkeit gearbeitet habenldquo

hellip GenussmittelSubstanzen (z B Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) konsumiert haben um bei der Arbeit leistungsfaumlhiger zu seinldquo

hellip GenussmittelSubstanzen (z B Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) konsumiert haben um nach der Arbeit besser abschalten zu koumlnnenldquo

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abbildung 2

Quelle Gesundheitsmonitor 2015 n = 487

seltengelegentlichoftsehr oft sehr seltennie

7 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

oft bis sehr oft Pausen durchgearbeitet und elf Prozent haben zusaumltzlich in ihrer Freizeit (Feierabend Urlaub Wochen-ende) gearbeitet 22 Prozent geben an oft bis sehr oft in einem Arbeitstempo gear-beitet zu haben das sie langfristig nicht durchhalten koumlnnen weitere 32 Prozent haben dies gelegentlich getan 18 Prozent der Befragten haben in den letzten drei Monaten oft bis sehr oft und weitere 32 Prozent gelegentlich bis an die Grenzen ihrer Leistungsfaumlhigkeit gearbeitet

Weiterhin geben 14 Prozent der Beschaumlf-tigten an in den letzten drei Monaten oft bis sehr oft trotz Krankheit am Arbeits-platz erschienen zu sein weitere 22 Pro-zent taten dies gelegentlich Zudem geben knapp sechs Prozent an oft bis sehr oft Genussmittel oder Substanzen (Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) zu konsumieren um bei der Arbeit lei-stungsfaumlhiger zu sein knapp fuumlnf Prozent konsumieren oft bis sehr oft aumlhnliche Substanzen um nach der Arbeit besser abschalten zu koumlnnen (Abbildung 2)

Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und selbstgefaumlhrdendem VerhaltenUm die Zusammenhaumlnge zwischen der Art der Unternehmenssteuerung und dem Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens zu berechnen wurde ein Regressions-modell geschaumltzt in dem die acht Indizes der Arbeitszeitregelung der Ergebnis-orientierung und der Handlungs-Ent-scheidungsspielraumlume das Ausmaszlig des selbst gefaumlhrdenden Verhaltens vorher-sagen

Die Zielspirale hat den staumlrksten Einfluss auf selbstgefaumlhrdendes Verhalten Je staumlrker die Beschaumlftigten Zielspiralen in ihrem Arbeitsumfeld wahrnehmen desto wahrscheinlicher verhalten sie sich in selbstgefaumlhrdender Weise Dies trifft auch zu ndash allerdings in deutlich geringerem Ausmaszlig ndash wenn Arbeitszeiten voumlllig

flexibel und selbstbestimmt sind sowie Uumlberstunden gar nicht oder nur begrenzt bezahlt oder ausgeglichen werden

Waumlhrend stetig steigende Zielvorgaben also das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Ver-haltens deutlich erhoumlhen sind die Effekte der Merkmale bdquoFuumlhren uumlber Zieleldquo und bdquoHandlungs- und Entscheidungsspiel-raumlumeldquo zwar deutlich schwaumlcher vermin-dern aber selbstgefaumlhrdendes Verhalten Das bedeutet Wenn regelmaumlszligig offene verbindliche und realistische Zielverein-barungsgespraumlche gefuumlhrt und die dabei vereinbarten Ziele als innerhalb der vertraglichen Arbeitszeit erreichbar ein-geschaumltzt werden reduziert dies selbstge-faumlhrdendes Verhalten der Beschaumlftigten In gleicher Weise wirken sich Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume aus Je groumlszliger diese von den Beschaumlftigten ein-geschaumltzt werden desto geringer ist das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens

Zusammenfassend wird die Wahrschein-lichkeit fuumlr selbstgefaumlhrdendes Verhal-ten also nicht durch das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich erhoumlht son-dern vor allem durch unrealistische und staumlndig steigende Zielvorgaben Das gilt auch allerdings in geringerem Maszlige fuumlr flexible voumlllig selbstbestimmte Arbeits-zeiten (Vertrauensarbeitszeit) und nicht verguumltete Mehrarbeit

Die Ergebnisse des Regressionsmodells sind in Tabelle 2 dargestellt und zeigen die stan-dardisierten Regressionskoeffizienten fuumlr die Beziehung zwischen der abhaumlngigen Variable (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) und dem jeweiligen Vorhersageparameter

Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und BeanspruchungAls Indikatoren psychischer und physischer Beanspruchung wurden im Fragebogen erhobenn die allgemeine Arbeitszufriedenheitn die Work-Life-Balance n das habituelle Wohlbefinden (Herda

Scharfenstein und Basler 1998)n der kognitive Stress (Nuumlbling et al

2005)n die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout

(Nuumlbling et al 2005)n die Einschlaf- beziehungsweise Durch-

schlafstoumlrungen

Zur Pruumlfung der Zusammenhaumlnge zwi-schen der Art der Unternehmenssteue-rung und den Beanspruchungsindikato-ren wurden ebenfalls Regressionsmodelle geschaumltzt in denen wieder die acht Indizes zur Arbeitszeitregelung Ergebni-sorientierung und zu den Handlungs- und Entscheidungsspielraumlumen die verschie-denen Beanspruchungsindikatoren vor-hersagen

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf selbstgefaumlhrdendes Verhalten ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

Vorhersageparameter des Regressionsmodells

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Regressionskoeffizient szlig Signifikanz

014

013

015

-011

044

-016

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 2

8

Als durchgaumlngig relevanter Vorhersage-parameter von psychischer und physischer Beanspruchung erweist sich erneut die Zielspirale Je staumlrker diese wahrgenom-men wird desto geringer sind Arbeits-zufriedenheit Work-Life-Balance sowie habituelles Wohlbefinden und desto staumlrker ausgepraumlgt sind insbesondere die Tendenz zu Burnout kognitiven Stresssymptomen und Ein-Durchschlafstoumlrungen

Dagegen wirken groumlszligere Handlungs-spielraumlume als Ressource besonders verstaumlrkend auf Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden sowie leicht reduzierend auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout Aumlhnlich hat auch Fuumlhren uumlber Ziele einen leicht positiven Einfluss auf die Arbeits-zufriedenheit die Work-Life-Balance das habituelle Wohlbefinden und eine leicht reduzierende Wirkung auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout (Tabelle 3)

Diese Ergebnisse zeigen erneut dass Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen im

diese Zusammenhaumlnge durch selbstge-faumlhrdendes Verhalten erklaumlrt werden koumlnnen

Dazu wurde mit einfachen Mediati-onsanalysen berechnet ob der direkte Zusammenhang zwischen Praumldiktor (Zielspirale oder Handlungsspielraum) und abhaumlngiger Variable (Beanspru-chung) durch den Einfluss des Mediators (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) signifi-kant reduziert wird Tabelle 4 fasst die Ergebnisse dieser Analysen zusammen

Die Ergebnisse zeigen dass die Zusam-menhaumlnge zwischen den Indikatoren fuumlr Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung deutlich reduziert werden wenn selbstgefaumlhrdendes Verhalten beruumlcksich-tigt wird Die urspruumlnglichen Effekte der Zielspirale werden fuumlr alle Variablen um mindestens 50 Prozent reduziert

Das bedeutet dass die Beschaumlftigten ihre Beanspruchung zu einem relevanten Anteil aufgrund ihres selbstgefaumlhrdenden Verhaltens erleben welches seinerseits verstaumlrkt als Folge von wahrgenommenen Zielspiralen und abgemildert als Folge von erhoumlhten Handlungsspielraumlumen auftritt Umgekehrt laumlsst sich sagen dass Merkmale indirekter Steuerung (in diesem Fall besonders Zielspiralen und Handlungsspielraumlume) selbstge-faumlhrdendes Verhalten verstaumlrken oder abschwaumlchen und daruumlber auch die Beanspruchung von Beschaumlftigten indi-rekt beeinflussen

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse also dass hier ein differenzierter Effekt von indirekter Steuerung auf Beanspru-chung vorliegt sowohl uumlber den direkten Zusammenhang (Tabelle 3) als auch durch den indirekten Zusammenhang mit selbstgefaumlhrdendem Verhalten So zeigen die hier untersuchten Merkmale der indirekten Unternehmenssteuerung (Zielspirale und Handlungsspielraumlume) sowohl beanspruchungsverstaumlrkende als

Allgemeinen keine negativen sondern sogar eher leicht positive Auswirkungen fuumlr die Beschaumlftigten zeigt Der wichtigste Faktor fuumlr psychisches und physisches Stresserleben liegt in dem kontinuierlichen Anstieg von Zielvorgaben also in der Wahr-nehmung einer sich stetig zuspitzenden Zielspirale Zugleich unterstreichen die vorliegenden Ergebnisse ndash in Uumlbereinstim-mung mit der Arbeitsstressforschung ndash die Bedeutung von Handlungs- und Entschei-dungsspielraumlumen als Ressource die fuumlr das positive Arbeitserleben von Beschaumlftig-ten wichtig ist

Inwieweit werden Zusammenhaumlnge zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und den Beanspruchungs-indikatoren durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens erklaumlrt Es bestehen statistisch bedeutsame Zusammenhaumlnge besonders zwischen den Praumldiktoren Zielspirale und Hand-lungsspielraum einerseits und den Beanspruchungsindikatoren andererseits Es soll nun gepruumlft werden inwieweit

kognitiver Stress Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen

persoumlnliches Burnout

Tabelle 3

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf psychische und physische Beanspruchung ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Arbeitszufriedenheit

Vorhersageparameter Regressionskoeffizient szlig

-011

016

-028

034

028

-010

-009

-011

-009

016

-035

028

-013

045

-018

-014

013

-034

027

-013

016

habituelles Wohlbefinden

Work-Life-Balance

9 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

auch -reduzierende Effekte die zu einem relevanten Teil durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens von Beschaumlftig-ten erklaumlrt werden koumlnnen

Diskussion der Ergebnisse

Es wurde untersucht inwieweit die Arbeitsbedingungen abhaumlngig Beschaumlf-tigter in Deutschland durch Merkmale indirekter Unternehmenssteuerung gepraumlgt sind welche Auswirkungen dies auf das Leistungsverhalten der Beschaumlf-tigten hat und welche Chancen und Risiken sich daraus im Hinblick auf ihr Stresserleben und ihre Gesundheit erge-ben Im Besonderen wurde beleuchtet welche Rolle ein fuumlr die eigene Gesund-heit riskantes naumlmlich selbstgefaumlhrden-des Verhalten der Beschaumlftigten in diesen Prozessen spielt

Die Ergebnisse zeigen dass Formen der indirekten Unternehmensfuumlhrung bei Vollzeitbeschaumlftigten in Deutschland bereits weit verbreitet sind Mit den Frei-heiten flexibler Arbeit gehen allerdings fuumlr durchschnittlich knapp ein Viertel der Beschaumlftigten weder eine Erfassung noch eine Verguumltung geleisteter Uumlberstunden einher Rund ein Drittel der Beschaumlftigten

sieht sich zudem in einer sich immer weiter zuspitzenden Zielspirale in der man sich fragt wie man die staumlndig steigenden Anforderungen bewaumlltigen soll

Die Mehrheit der Befragten sieht Spiel-raumlume und Freiheiten bei der Durchfuumlh-rung der Arbeit Diese Freiheiten schlie-szligen aber fuumlr einen Groszligteil der Beschaumlf-tigten keinerlei Mitbestimmung bei der Menge der Arbeit und den genauen Ziel-vereinbarungen einn Wie wirken sich diese Arbeitsbedin-

gungen einer indirekten ergebnisorien-tierten Unternehmenssteuerung auf das Leistungsverhalten und das Beanspru-chungserleben der Beschaumlftigten aus

n Fuumlhren sie tatsaumlchlich dazu dass Beschaumlftigte im Interesse der Zielerrei-chung eigene Grenzen uumlberschreiten und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen sprechen eine klare Sprache Einige Indi-katoren indirekter Steuerung (Zielspira-len flexible und selbstbestimmte Arbeits-zeiten sowie unbezahlte Mehrarbeit) sagen selbstgefaumlhrdendes Verhalten sowie koumlrperliches und psychisches Beanspru-chungserleben aufseiten der Beschaumlftigten

voraus Andere Indikatoren (Handlungs-spielraumlume und Fuumlhren uumlber Ziele) haben einen leicht beguumlnstigenden Einfluss vor allem auf die positiven abhaumlngigen Variablen Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohlbefinden

Dabei leisten nicht alle Indikatoren den gleichen Beitrag Den wichtigsten verstaumlr-kenden Faktor fuumlr Selbstgefaumlhrdung und Beanspruchung stellt durchgaumlngig die Zielspirale dar gefolgt von nicht verguumlte-ten Uumlberstunden Letzteres kann auch als Ausdruck mangelnder Anerkennung fuumlr geleisteten Einsatz im Sinne des Modells der beruflichen Gratifikationskrisen (Siegrist 1996) verstanden werden

Dagegen wirken sich Handlungs- und Ent-scheidungsspielraumlume ganz im Sinne des Anforderungs-Kontroll-Modells (Karasek und Theorell 1990) aus Sie reduzieren Selbstgefaumlhrdung sowie persoumlnliches Burnout und foumlrdern Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden Dies ist ein weiterer Beleg dafuumlr dass es gerade bei steigenden Leistungs-anforderungen gesundheits foumlrderlich ist die Handlungs- und Entscheidungsspiel-raumlume der Beschaumlftigten (allerdings auch in Bezug auf die Menge der Arbeit und die Zielvorgaben) anzupassen

Das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich wirkt nur geringfuumlgig und wenn dann eher abschwaumlchend auf selbst-gefaumlhrdendes Verhalten und Bean-spruchungsindikatoren Wie eine Detail-analyse gezeigt hat laumlsst sich dieser positive Effekt des Fuumlhrens uumlber Ziele im Wesentlichen auf ein Item zuruumlckfuumlhren bdquoMein Vorgesetzter passt die Arbeitsziele so an dass ich diese in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreichen kannldquo Damit bestaumltigt sich letztlich noch einmal die Bedeutung realistischer Zielvorgaben die an das Leistungsvermoumlgen des Mit-arbeiters angepasst und eben nicht staumlndig steigend und einseitig am Markt orientiert sind

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 n s = nicht signifikant Die Staumlrke der Reduktion wurde mit der dafuumlr geeigneten Pruumlfstatistik berechnet die in allen Faumlllen die Differenzen zwischen den Effekten mit einem hohen statistischen Signifikanzniveau absichert

Mediationsanalysen von Zielspirale beziehungsweise Handlungsspielraumlumen uumlber selbstgefaumlhrdendes Verhalten auf Beanspruchungssymptome

1 Arbeitszufriedenheit

2 Work-Life-Balance

3 habituelles Wohlbefinden

4 kognitiver Stress

5 persoumlnliches Burnout

6 Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen Rsup2

ZielspiralePraumldiktor

abhaumlngige Variable urspruumlnglicher Effekt

-036

-043

-039

031

047

012

reduzierter Effekt

-017

-020

-016

012

021

-003 ns

urspruumlnglicher Effekt

043

035

033

-017

-033

-014

reduzierter Effekt

034

023

021

-006 ns

-019

-008 ns

Handlungsspielraumlume

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 4

10

Die Analysen der indirekten Effekte zeigen dass die Einfluumlsse der beiden wichtigsten Vorhersageparameter Zielspirale und Handlungsspielraumlume auf die verschiedenen Beanspruchungs-indikatoren im Wesentlichen auf das selbst gefaumlhrdende Verhalten der Beschaumlf-tigten zuruumlckgefuumlhrt werden koumlnnen

Das selbstgefaumlhrdende Verhalten uumlber-nimmt somit eine Schluumlsselrolle in der Beziehung zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung beziehungsweise Gesundheit der Beschaumlftigten Zum einen beguumlnstigen vor allem die stetig steigenden Zielvorgaben gesundheitsgefaumlhrdendes Arbeitsverhal-ten der Beschaumlftigten zum anderen fuumlhrt dieses Verhalten zu verstaumlrkten Bean-spruchungssymptomen Dies bedeutet jedoch nicht dass die Verantwortung fuumlr die gesundheitlichen Folgen allein bei den sich selbstgefaumlhrdend verhaltenden Beschaumlftigten liegt Die Analysen der indirekten Effekte belegen ein deutig Selbstgefaumlhrdendes Verhalten tritt als Folge indirekter Steuerung auf und erklaumlrt somit zwar teilweise den Effekt auf Beanspruchung kann aber nicht die eigentliche Ursache sein

Unternehmen stehen hier also erst ein-mal in der Verantwortung Arbeits- und Leistungskulturen zu gestalten in denen ein gesundheitsfoumlrderliches Arbeits- und Leistungsverhalten des Einzelnen uumlber-haupt moumlglich wird

Empfehlungen fuumlr die Gesundheitspolitik Welche praktischen Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den Ergebnissen im Hinblick auf die Gesundheit und die Gesundheitsfoumlrderung der Beschaumlftigten ableiten

Wie die Ergebnisse zeigen sind es vor allem die steigenden Zielvorgaben die das gesundheitsgefaumlhrdende Verhalten

der Beschaumlftigten sowie deren koumlrper-liche und psychische Beanspruchungs-symptome beeinflussen Es ist also notwendig sich mit diesen Zielspiralen auseinanderzusetzen die sich allein am Markt und am oumlkonomischen Wachstum und eben nicht am Leistungspotenzial der Beschaumlftigten orientieren Anreiz-systeme der Unternehmen muumlssen wieder so gestaltet werden dass es Wachstums-potenziale fuumlr Beschaumlftigte geben kann und diese nicht nur einem immer unwahrscheinlicherem Erreichen des Unerreichbaren ausgesetzt sind

Dagegen koumlnnen erhoumlhte Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume eindeutig als Res-source verstanden werden die das positive Erleben des Arbeitsalltags beguumlnstigen

Fuumlhren uumlber Zielvereinbarungen hat ndash dar-auf weisen die Ergebnisse hin ndash nicht nur keine gesundheitsschaumldlichen sondern sogar potenziell gesundheitsfoumlrderliche Auswirkungen Ziele koumlnnen Unsicherheit reduzieren indem sie Orientierung und Struktur vermitteln sie koumlnnen helfen Prioritaumlten zu setzen und bestenfalls sinn- und identitaumltsstiftend wirken Dies wird umso mehr der Fall sein je mehr die Ziele von Vorgesetzten realistisch definiert und auch von Beschaumlftigten selbst mit beein-flusst werden koumlnnen Sie sollten als her-ausfordernd und ndash unter Beruumlcksichtigung des eigenen Leistungsvermoumlgens und der vorhandenen Ressourcen im Arbeitsumfeld ndash zugleich als realistisch und erreichbar eingeschaumltzt werden So verstanden stellt Fuumlhren uumlber Ziele ein wesentliches Ele-ment gesundheitsgerechter Mitarbeiterfuumlh-rung dar

Daruumlber hinaus liegt es aber auch in der Verantwortung der Beschaumlftigten die Dynamik der staumlndig steigenden Anfor-derungen durch das eigene undosierte selbstgefaumlhrdende Leistungsverhalten und eine Uumlber identifikation mit den gesetzten Zielvorgaben nicht noch weiter anzureizen Die indirekten Effekte deuten zwar darauf

hin dass das selbstgefaumlhrdende Verhal-ten der Beschaumlftigten wesentlich mit der Unternehmenssteuerung zusammenhaumlngt ndash und selbstverstaumlndlich muumlssen Steue-rungs systeme besonders hinsichtlich der Ziel spiralen uumlberpruumlft und angepasst werden aber auch die Beschaumlftigten muumlssen ihren Umgang mit Grenzen reflektieren Ihnen sollten die Zusam-menhaumlnge und potenziellen Einfluumlsse der Steuerungssysteme auf ihr Gesundheits-verhalten bewusst gemacht werden

Es geht darum Leistungsgrenzen ndash eigene und fremde ndash wahrzunehmen anzunehmen zu kommunizieren und durchzusetzen Das bedeutet auch sich abzugrenzen Dazu bedarf es einer Kultur der Achtsamkeit nicht nur seitens der Fuumlhrung sondern auch der Teammitglie-der untereinander sowie nicht zuletzt der Beschaumlftigten im Umgang mit sich selbst

Dies laumlsst sich nur erreichen wenn Beschaumlftigte Fuumlhrungskraumlfte und Manage-ment ein gemeinsames Bewusstsein der bdquoGrenzen-Problematikldquo entwickeln und gemeinsam an einer gesundheitsfoumlrder-lichen Leistungskultur arbeiten Hierzu sollten Maszlignahmen auf der individuellen Ebene (z B in Form von Verhaltenstrai-nings Kaluza 2011) auf der interperso-nalen Ebene (z B Teamentwicklung Fuumlhrungskraumlfteschulung) und auf der organisationalen Ebene (z B Regelungen zum E-Mail-Verkehr zu Uumlberstunden) integriert durchgefuumlhrt werden Damit wird der Dialektik von Verhalten und Verhaumlltnissen am ehesten entsprochen Fuumlr nachhaltige Wirkungen wird es entscheidend sein das Bewusstsein das im Alltag aufgrund tagesaktueller Aufgaben leicht verloren zu gehen droht uumlber die Dauer einzelner Maszlignahmen hinaus wachzuhalten Hier koumlnnen regel-maumlszligige kollegiale Reflexionstreffen besonders der Fuumlhrungskraumlfte hilfreich sein wie sie in klassischen beziehung s-orien tierten Berufsfeldern in Form von Super vision oder Intervision etabliert sind

11 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Dies wird letztlich nur durch Akteure vor Ort die die unternehmensspezifischen Bedingungen und Prozesse genau kennen erfolgreich umgesetzt werden koumlnnen Eine gesetzliche bdquoAnti-Stress-Verordnungldquo wie sie vor allem von gewerkschaftlicher Seite gefordert wird kann hier lediglich einen allgemeinen Rahmen setzen und bestenfalls den Sozialpartnern einen konstruktiven Weg aus dem Kreislauf der immer gleichen gegenseitigen Schuld- und Verantwortungszuschreibungen weisen

Vielversprechender ist nach den Ergeb-nissen der vorliegenden Studie der kom-binierte Einsatz von Interventionen und Verhaltenstrainings die am Regelwerk der Organisation aber auch am Selbst-verstaumlndnis und der Achtsamkeit der Mitarbeiter ansetzen

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n Krause A S Baeriswyl M Berset N Deci J Dettmers W Meier S Schra-ner B Stetter und L Straub bdquoSelbstge-faumlhrdung als Indikator fuumlr Maumlngel bei der Gestaltung mobil-flexibler Arbeit Zur Entwicklung eines Erhebungsin-strumentsldquo Wirtschaftspsychologie (in Druck)

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Bertelsmann StiftungProgramm Versorgung verbessern ndash Patienten informieren Carl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumltersloh wwwbertelsmann-stiftungdewwwgesundheitsmonitorde

Barmer GEK Lichtscheider Str 89ndash9542285 Wuppertalwwwbarmer-gekde

RedaktionDr Jan BoumlckenTobias FeldhausDr Ruumldiger MeierjuumlrgenNicole Osterkamp

IllustrationChristoph J Kellnerwwwanimanovade

AutorenDr Anja Chevalier(Deutsche Sporthochschule Koumlln)Prof Dr Gert Kaluza(GKM-Institut fuumlr Gesund-heitspsychologie)

KontaktHeike Clostermeyer Tel (05241) 81-8 13 81 Fax (05241) 81-68 13 81 heikeclostermeyer bertelsmann-stiftungde

Die Autoren

Dr Anja Chevalier Jahrgang 1979 ist promovierte Sozialpsychologin und Dozentin an der deutschen Sporthoch-schule Koumlln am Institut fuumlr Sportoumlkono-mie und Sportmanagement Sie studierte Psychologie an der Julius-Maximilans- Universitaumlt Wuumlrzburg RWTH Aachen und der University of Kent in Groszligbritannien Nach der Promotion zum Thema gruppen-basierte Emotionen forschte und lehrte sie mehrere Jahre zu verschiedenen sozialpsychologischen Themen an der Cardiff University (GB) Universiteit van Amsterdam (NL) und Amsterdam Univer-sity College (NL) Seit uumlber zehn Jahren

wird sie regelmaumlszligig fuumlr Lehrauftraumlge und als Referentin zu den Themen Fuumlhrung Gruppendynamik und Interkulturelle Kompetenz sowie Statistik und Methodik angefragt Ihre Forschung konzentriert sich auf Themen zu Performance und Diversity Management

Prof Dr Gert Kaluza Jahrgang 1955 ist Diplom-Psychologe und approbierter psychologischer Psychotherapeut Nach dem Studium der Psychologie und Paumlda gogik an den Universitaumlten Gieszligen und Marburg arbeitete er als wissen-schaft licher Mitarbeiter im Bereich der Medizinischen Psychologie an

verschiedenen Universitaumlten absolvierte psychotherapeutische Ausbildungen in Verhaltenstherapie und koumlrperorien-tierter Psychotherapie und promovierte an der Medizinischen Hochschule Hannover 1989 mit einer Arbeit zur Psychologie des chronischen Schmerzes Die Habili tation erfolgte 1997 am Fach bereich Medizin der Universitaumlt Marburg mit empirischen Studien zu seinem bis heute zentralen Forschungs-thema bdquoBelas tungsverarbeitung und Gesundheitldquo

Nach uumlber 20-jaumlhriger Taumltigkeit in Forschung und Lehre an verschiedenen Universitaumlten gruumlndete er 2002 sein eigenes Fortbildungs- und Trainings-institut und ist seitdem als Autor Trainer und Coach im Bereich der individuellen und betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung taumltig

Page 3: Newsletter - Bertelsmann Stiftung...2015/03/16  · und trotzdem hochaktuell: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und dem Leistungs-verhalten der

3 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

indirekter Steuerung und selbstgefaumlhrden-dem Verhalten sowie Beanspruchungs-symptomen aus Sicht der Beschaumlftigten naumlher zu untersuchen Im Fokus stehen dabei Handlungs- und Entscheidungs-spielraumlume das Fuumlhren mittels Zielverein-barungen und ndash davon unterschieden ndash wahrgenommene Zielspiralen

Ferner wird untersucht inwieweit selbst-gefaumlhrdendes Verhalten der Beschaumlftigten welches als Folge indirekter Steuerung auftritt zumindest in Teilen den Zusam-menhang zwischen indirekter Steuerung und Beanspruchung erklaumlren kann

Beschreibung der Stichprobe

Die Gesamtstichprobe besteht aus 1728 Befragten Davon geben 958 (55 ) Perso-nen an erwerbstaumltig zu sein 770 (45 ) sind derzeit nicht erwerbstaumltig Von den Erwerbstaumltigen arbeiten 658 (69 ) in Voll-zeit (35 Stunden pro Woche und mehr) und 273 (28 ) in Teilzeit (bis 34 Stunden pro Woche keine Angabe bei 27 Befragten)

Die zu untersuchenden Fragestellungen beziehen sich auf die Folgen von Steue-rungsformen fuumlr abhaumlngig Beschaumlftigte Deshalb beruhen die hier praumlsentierten Ergebnisse auf einer Teilstichprobe von 487 abhaumlngig Beschaumlftigten in Vollzeit (ohne Selbststaumlndige Auszubildende und Schichtarbeiter) Das Alter liegt zwischen 19 und 64 Jahren 64 Prozent sind maumlnn-lich Uumlber ein Drittel ist ledig uumlber die Haumllfte ist verheiratet sieben Prozent sind geschieden

Rund 28 Prozent verfuumlgen uumlber einen Fach-Hochschulabschluss 15 Prozent uumlber eine abgeschlossene Fach- Mei-ster- oder Technikerschule oder einen Abschluss an einer Berufs- oder Fachaka-demie 65 Prozent gaben an (gegebenen-falls zusaumltzlich) eine Lehre beziehungs-weise eine Handels-Berufsfachschule abgeschlossen zu haben Insgesamt knapp sechs Prozent der Befragten ver-

gen erhoumlhen oder notwendige Regenera-tion verhindern Neben dem Verzicht auf Erholung aumluszligert sich selbstgefaumlhrdendes Verhalten auch im uumlbermaumlszligigen Konsum von leistungssteigernden Substanzen wie Alkohol Nikotin oder Medikamenten sowie beispielsweise im Unterlaufen von Sicherheits- Schutz- und Qualitaumltsstan-dards Selbstgefaumlhrdendes Verhalten kann verstanden werden als negative Neben-wirkung der erhoumlhten Selbststaumlndigkeit von Beschaumlftigten durch indirekte Unter-nehmenssteuerung

Selbstgefaumlhrdung kann die Beschaumlftigten herausfordern eigene Leistungsgren-zen zu uumlberschreiten (etwa aufgrund unrealistisch hoher Ziele oder zu enger Deadlines die nicht verhandelbar sind) Dorsemagen et al (2012) zeigen in einer repraumlsentativen Schweizer Befragung dass Beschaumlftigte in Vertrauensarbeitszeit (einem typischen Merkmal indirekter Steuerung) haumlufiger in ihrer Freizeit arbeiten uumlberlange Arbeitstage haben und oumlfter Mehrarbeit leisten In einer Befragung deutscher Betriebsraumlte berich-tet durchschnittlich ein Drittel in ergeb-nisgesteuerten Unternehmen knapp die Haumllfte uumlber selbstgefaumlhrdendes Verhalten der Beschaumlftigten (z B uumlberlanges Arbei-ten Praumlsentismus und Unterlaufen der Arbeitsschutzregeln Ahlers 2011 55)

Daraus ergibt sich die Frage inwieweit dieses selbstgefaumlhrdende Verhalten der Beschaumlftigten selbst deren psychische und physische Beanspruchung erklaumlren kann Es bleibt also zu pruumlfen ob die Beanspruchung der Beschaumlftigten gege-benenfalls nicht nur durch bestimmte Merkmale indirekter Steuerung sondern teilweise auch durch das selbstgefaumlhr-dende Verhalten der Beschaumlftigten verur-sacht wird

Vor diesem Hintergrund soll mit den Daten des Gesundheitsmonitors die Chance genutzt werden in einer repraumlsentativen Stichprobe die Zusammenhaumlnge zwischen

So wuumlrden in vielen Unternehmen Arbeits- und Ertragsziele in regelmaumlszligigen Abstaumlnden mindestens jaumlhrlich kontinu-ierlich gesteigert Derartige wahrgenom-mene Zielspiralen wuumlrden von den Beschaumlftigten als Hauptbelastung empfunden Angesichts der dynamisch steigenden Anforderungen erscheine die eigene Leistungsfaumlhigkeit immer wieder als unzulaumlnglich und permanent ungenuumlgend und blockiere so einen stabilen bdquosense of accomplishmentldquo (Menz Dunkel und Kratzer 2011 174)

Diese Zielspiralen koumlnnen muumlssen aber nicht prinzipiell mit ergebnisorientierter Fuumlhrung (Fuumlhren uumlber Zielvereinbarun-gen) einhergehen Entscheidend ist wie die Ziele definiert werden ndash anhand des Leistungspotenzials der Beschaumlftigten oder des Marktwachstums Nur durch Letzteres koumlnnen die von Menz et al (2011) beschriebenen Zielspiralen entste-hen Fuumlr die vorliegende Untersuchung der gesundheitlichen Auswirkungen von Merkmalen indirekter Unternehmens-steuerung werden diese beiden Aspekte (Fuumlhren uumlber Ziele und wahrgenommene Zielspirale) daher getrennt voneinander betrachtet

Indem abhaumlngig Beschaumlftigte unter den Bedingungen indirekter Unternehmungs-steuerung wie Selbststaumlndige behandelt werden verhalten sie sich auch ent-sprechend um ihre Ziele zu erreichen ndash etwa durch uumlberlange Arbeitszeiten den Verzicht auf Regenerationszeiten (Pausen Feierabend Urlaub) und Praumlsen-tismus (Arbeiten trotz Krankheit) Diese Phaumlno mene werden unter dem Begriff der bdquointeressierten Selbstgefaumlhrdungldquo zu sammengefasst (Peters 2011)

Krause et al (im Druck) definieren Selbstgefaumlhrdung als Handlungen mit denen Erwerbstaumltige arbeitsbezogene Stressfaktoren zu bewaumlltigen versuchen die jedoch gleichzeitig die Wahrschein-lichkeit fuumlr das Auftreten von Erkrankun-

4

fuumlgen uumlber keinen oder einen anderen beruflichen Abschluss

Die Befragten sind durchschnittlich seit 21 Jahren abhaumlngig beschaumlftigt Uumlber zwei Drittel (72 ) sind Angestellte ent-weder in weisungsgebundener Taumltigkeit (19 ) mit selbststaumlndiger Leistung in verantwortlicher Taumltigkeit (44 ) oder mit umfassenden Fuumlhrungsaufgaben (8 ) Knapp zwoumllf Prozent sind Beamte entwe-der im einfachen oder mittleren Dienst (knapp 5 ) im gehobenen Dienst (5 ) oder im houmlheren Dienst (2 ) 15 Prozent der Befragten geben an zur Kategorie der Arbeiter zu gehoumlren drei Prozent sind angelernt neun Prozent Facharbeiter und drei Prozent Vorarbeiter oder Aumlhnliches

29 Prozent geben an Fuumlhrungsverantwor-tung zu haben Die Anzahl des gefuumlhrten Personals reicht von 1 bis 2500 Mitar-beitern Die Befragten haben eine ver-tragliche Arbeitszeit von durchschnittlich 393 Stunden pro Woche Die tatsaumlchliche Arbeitszeit der letzten drei Monate lag durchschnittlich bei 422 Stunden pro Woche bei Befragten mit Fuumlhrungsver-antwortung oder houmlheren Qualifikationen (Fach-Hochschulabschluss) (insgesamt 45 ) sogar bei 436 Stunden pro Woche

Hinsichtlich der Merkmale Alter Geschlecht Familienstand Fuumlhrungs-position vereinbarte und tatsaumlchliche Arbeitszeit ist die vorliegende Stichprobe vergleichbar mit denen anderer repraumlsen-tativer Befragungen von Erwerbstaumltigen in Deutschland wie beispielsweise dem Stressreport (Lohmann-Haislah 2012)

Ergebnisse

Wie verbreitet sind indirekte Formen der Unternehmenssteuerung

ArbeitszeitregelungenFlexible Formen der Arbeitszeitgestal-tung bei denen den Beschaumlftigten ein hohes Maszlig an Selbstbestimmung ein-

relevanten Indikatoren (0 = keine Flexibi-litaumlt 3 = maximale Flexi bilitaumlt) Die pro-zentualen Angaben der Befragten werden in Tabelle 1 dargestellt

Zusammenfassend wird deutlich dass nur ein geringer Teil der Befragten naumlmlich 14 Prozent seine Arbeitszeiten vollkommen selbst bestimmen kann Nur sieben Prozent arbeiten auch tatsaumlchlich zu voumlllig flexiblen Zeiten ndash bei ihnen aumlndern sich also die woumlchentlichen Arbeitstage die Stundenzahl am Arbeitstag sowie der Arbeitsbeginn und das Arbeitsende Allerdings kann gut die Haumllfte der Befragten die Arbeitszeiten

geraumlumt wird gehoumlren zum Standard-repertoire moderner Unternehmenssteue-rung Um zu erfassen wie die Arbeitszeit geregelt ist wurde erfragt inwieweitn die Arbeitszeiten flexibel sindn diese selbstbestimmt eingeteilt werden

koumlnnenn sie systematisch erfasst oder kontrol-

liert werden undn ob Uumlberstunden bezahlt oder ander-

weitig ausgeglichen werden

Zur Erfassung der Flexibilitaumlt von Arbeits-zeiten diente ein Index durch Summen-bildung der Nein-Antworten aus den drei

Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Angaben in Prozent)

1 Flexibilitaumlt der Arbeitszeiten

Arbeiten Sie jede Woche an den gleichen Wochentagen (janein)

Arbeiten Sie an jedem Arbeitstag die gleiche Stundenzahl (janein)

Sind Arbeitsbeginn und Arbeitsende an jedem Tag gleich (janein)

Index zur Flexibilitaumlt

(Summierung der Nein-Antworten aus 1)

voumlllig flexible Arbeitszeiten (dreimal bdquoneinldquo in Frage 1)

weitgehend flexible Arbeitszeiten (zweimal bdquoneinldquo in Frage 1)

wenig flexible Arbeitszeiten (einmal bdquoneinldquo in Frage 1)

keine Flexibilitaumlt bei den Arbeitszeiten (kein mal bdquoneinldquo in Frage 1)

2 Grad der Selbstbestimmung in der Arbeitszeitgestaltung

Wann und wie lange ich arbeite

entscheide ich selbst je nachdem welchen Aufgaben anfallen (Vertrauensarbeitszeit)

kann ich innerhalb eines vorgegebenen Rahmens (Gleitzeit) mitbestimmen

wird allein von meinem ArbeitgeberVorgesetzten festgelegt

3 Grad der systematischen Erfassung und Kontrolle

Meine Arbeitszeiten

werden nicht systematisch erfasst undoder kontrolliert

muss ich selbst aufschreiben

werden systematisch erfasst und kontrolliert (etwa durch Stempeluhr elektronische Zeiterfassungoder den Vorgesetzten)

4 Verguumltung von Mehrarbeit

Meine Uumlberstunden werden

uumlberhaupt nicht verguumltet oder anderweitig ausgeglichen (etwa mit Freizeit)

nur in begrenztem Umfang verguumltet oder anderweitig ausgeglichen (etwa mit Freizeit)

in vollem Umfang verguumltet oder anderweitig ausgeglichen (etwa mit Freizeit)

Tabelle 1

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

91 (ja)

49 (ja)

36 (ja)

7

43

18

32

14

51

35

27

23

50

21

20

59

5 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Ergebnisorientierung im Unternehmen Fuumlhren uumlber Ziele und die bdquoZielspiraleldquoEin weiteres Merkmal indirekter Unternehmenssteuerung ist die Ergeb-nisorientierung die sich uumlber leistungs-abhaumlngige Bezahlung Fuumlhren uumlber Ziele und wahrgenommene Zielspiralen dar stellen laumlsst Ein Viertel der Voll-zeitbeschaumlftigten gibt an Anspruch auf leistungsabhaumlngige Bonuszahlungen zu haben Bei gut vier Prozent haumlngt das Gehalt zu einem Groszligteil von der Arbeitsleistung ab waumlhrend 70 Prozent keine leistungsbezogenen Zahlungen erhalten

in einem vorgegebenen Rahmen (etwa Gleitzeit) mitbestimmen 43 Prozent geben somit auch an weitgehend flexible Arbeits-zeiten zu haben Damit ergibt sich fuumlr einen wesentlichen Teil der Befragten dass Arbeitszeiten nicht systematisch erfasst und kontrolliert werden (27 ) und Mehrarbeit entweder gar nicht (21 ) oder nur begrenzt (20 ) verguumltet wird

Diese Ergebnisse sind fuumlr die entspre-chenden Fragen (Selbstbestimmung und systematische Erfassung) vergleichbar mit den Ergebnissen des DGB-Index Gute Arbeit (2014)

Fuumlhren uumlber Ziele wurde mit Fragen unter anderem danach erfasst inwieweit regelmaumlszligige Zielvereinbarungsgespraumlche mit den Vorgesetzten stattfinden und die Zielvorgaben realistisch definiert sind (Dorsemagen et al 2012) Eine Darstel-lung der Haumlufigkeitsverteilungen aller Items zu Fuumlhren uumlber Ziele Zielspiralen sowie zu Handlungs- und Entscheidungs-spielraumlumen zeigt Abbildung 1

Fuumlhren uumlber Ziele gehoumlrt fuumlr einen groszligen aber nicht fuumlr den uumlberwie-genden Teil der hier befragten Vollzeit-beschaumlftigten zur Arbeitswirklichkeit

bdquoWie sehr treffen folgende Aussagen auf Ihre jetzige Arbeit zuldquo (Angaben in Prozent)

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abbildung 1

Quelle Gesundheitsmonitor 2015 n = 487

kaumetwasziemlichabsolut gar nicht

27 14 13 13 33

30 22 11 9 28

20 17 17 16 30

11 31 22 16 20

16 26 26 18 14

5 11 25 26 33

13 20 32 17 18

10 24 32 20 14

6 15 28 29 22

17 33 28 14 8

31 27 17 11 14

25 30 25 11 9

10 21 28 24 17

Fuumlhrung uumlber Ziele

Bei uns gibt es Zielvereinbarungsgespraumlche mit den Vorgesetzten

Auch die Vorgesetzten arbeiten nach Zielvorgaben die vom Unternehmen festgelegt werden

Bei uns werden Arbeitsziele zu festen Terminen neu definiert

Mein Vorgesetzter passt die Arbeitsziele so an dass ich diese in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreichen kann

Zielspirale

Mein Arbeitsumfeld ist durch staumlndig steigende Leistungs-Ertragsziele gepraumlgt

Jetzige Erfolge sind bei der naumlchsten Bewertung nur Standard oder gar Misserfolg

Man fragt sich wie man die staumlndig steigenden Anforderungen bewaumlltigen soll

Handlungs-Entscheidungsspielraumlume

Ich kann die Inhalte meiner Arbeit beeinflussen

Ich habe Einfluss auf die Menge der Arbeit die mir uumlbertragen wird

Ich kann Arbeitstempo oder Arbeitsrhythmus selbst bestimmen

Ich kann selbst bestimmen wann ich eine Pause mache

Ich kann meine eigene Arbeit selbst planen und einteilen

Ich kann auf die Festlegung der Arbeitsziele selbst Einfluss nehmen

6

So geben 41 Prozent an regelmaumlszligig Ziel-vereinbarungsgespraumlche mit ihren Vorge-setzten zu fuumlhren Bei 37 Prozent werden Arbeitsziele zu festen Terminen neu definiert und 52 Prozent nehmen wahr dass auch die Vorgesetzten Zielvorgaben haben die vom Unternehmen festgelegt werden Eine wesentliche Aufgabe beim Fuumlhren uumlber Ziele ist Arbeitsziele reali-stisch zu definieren Allerdings stimmen 36 Prozent der Befragten der Aussage zu dass ihr Vorgesetzter die Arbeitsziele bdquogar nichtldquo oder bdquokaumldquo so anpasst dass diese in der vertraglich vereinbarten Zeit erreicht werden koumlnnen

Unabhaumlngig von dem Fuumlhren uumlber Ziele ist die Wahrnehmung stetig steigender Zielvorgaben (Zielspirale) zu sehen Diese koumlnnen muumlssen aber nicht zwangslaumlufig mit einem ergebnisorientierten Fuumlh-rungsstil zusammenhaumlngen Zielspiralen wurden beispielsweise mit Fragen danach erfasst inwieweit das eigene Arbeitsum-feld durch staumlndig steigende Leistungs-

diverse Freiraumlume zu haben 55 Prozent koumlnnen ihre Arbeit selbst planen und ein-teilen 58 Prozent koumlnnen die Zeit ihrer Pausen 50 Prozent ihr Arbeitstempo oder ihren Arbeitsrhythmus selbst bestimmen Allerdings geben nur 31 Prozent der Befragten an dass sie die Festlegung der Arbeitsziele mitbestimmen koumlnnen und lediglich 21 Prozent koumlnnen die Menge der Arbeit die ihnen uumlbertragen wird beeinflussen (Abbildung 1)

Ein betraumlchtlicher Anteil der Beschaumlf-tigten hat somit zwar Kontrolle uumlber die Mittel und Wege mit denen die Arbeits-ziele erreicht werden nicht jedoch hin-sichtlich der Definition der Arbeitsziele und der darauf bezogenen Arbeitsmenge

Wie verbreitet ist selbstgefaumlhrdendes Verhalten Selbstgefaumlhrdendes Verhalten ist unter den Befragten in Vollzeitbeschaumlftigung bereits relativ verbreitet 22 Prozent haben in den vergangenen drei Monaten

Ertragsziele gepraumlgt ist Ein schwacher statistischer Zusammenhang zwischen bdquoFuumlhren uumlber Zieleldquo und bdquoZielspiraleldquo belegt dass diese als zwei unterschied-liche Konzepte anzusehen sind

Zielspiralen gehoumlren fuumlr einen betraumlcht-lichen Anteil jedoch nicht fuumlr die Mehr-heit der Beschaumlftigten zum Arbeitsalltag So geben 42 Prozent der Befragten an dass ihr Arbeitsumfeld ziemlich oder absolut durch staumlndig steigende Leistungs- und Ertragsziele gepraumlgt ist 33 Prozent fragen sich wie man die staumlndig stei-genden Anforderungen bewaumlltigen soll Knapp 16 Prozent stimmen der Aussage ziemlich oder absolut zu dass jetzige Erfolge bei der naumlchsten Bewertung nur Standard oder gar Misserfolg sind

Handlungs- und EntscheidungsspielraumlumeIndirekte Unternehmenssteuerung geht mit erweiterten Handlungs- und Entschei-dungsspielraumlumen fuumlr die Beschaumlftigten einher Ein Groszligteil der Befragten gibt an

1 5 5 8 81

6 16 32 29 17

12 13 28 56

6 12 32 28 22

2 9 22 21 46

9 13 29 28 21

3 11 22 24 40

2 6 26 39 27

23 7 11 77

bdquoWie haumlufig ist es in den vergangenen drei Monaten vorgekommen dass Sie (Angaben in Prozent)

hellip zusaumltzlich in Ihrer Freizeit (Feierabend Urlaub Wochenende Feiertage) gearbeitet habenldquo

hellip Pausen durchgearbeitet habenldquo

hellip in einem Arbeitstempo gearbeitet haben das Sie langfristig nicht durchhalten koumlnnenldquo

hellip gegenuumlber Vorgesetzten Arbeitskollegen undoder Kunden vorgegeben haben die Arbeit zu schaffen auch wenn Fristen nicht eingehalten werden konntenldquo

hellip trotz Krankheit am Arbeitsplatz erschienen sindldquo

hellip sich mit einem weniger guten Ergebnis zufriedengeben mussten als Sie es normalerweise tunldquo

hellip bis an die Grenzen Ihrer Leistungsfaumlhigkeit gearbeitet habenldquo

hellip GenussmittelSubstanzen (z B Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) konsumiert haben um bei der Arbeit leistungsfaumlhiger zu seinldquo

hellip GenussmittelSubstanzen (z B Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) konsumiert haben um nach der Arbeit besser abschalten zu koumlnnenldquo

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abbildung 2

Quelle Gesundheitsmonitor 2015 n = 487

seltengelegentlichoftsehr oft sehr seltennie

7 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

oft bis sehr oft Pausen durchgearbeitet und elf Prozent haben zusaumltzlich in ihrer Freizeit (Feierabend Urlaub Wochen-ende) gearbeitet 22 Prozent geben an oft bis sehr oft in einem Arbeitstempo gear-beitet zu haben das sie langfristig nicht durchhalten koumlnnen weitere 32 Prozent haben dies gelegentlich getan 18 Prozent der Befragten haben in den letzten drei Monaten oft bis sehr oft und weitere 32 Prozent gelegentlich bis an die Grenzen ihrer Leistungsfaumlhigkeit gearbeitet

Weiterhin geben 14 Prozent der Beschaumlf-tigten an in den letzten drei Monaten oft bis sehr oft trotz Krankheit am Arbeits-platz erschienen zu sein weitere 22 Pro-zent taten dies gelegentlich Zudem geben knapp sechs Prozent an oft bis sehr oft Genussmittel oder Substanzen (Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) zu konsumieren um bei der Arbeit lei-stungsfaumlhiger zu sein knapp fuumlnf Prozent konsumieren oft bis sehr oft aumlhnliche Substanzen um nach der Arbeit besser abschalten zu koumlnnen (Abbildung 2)

Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und selbstgefaumlhrdendem VerhaltenUm die Zusammenhaumlnge zwischen der Art der Unternehmenssteuerung und dem Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens zu berechnen wurde ein Regressions-modell geschaumltzt in dem die acht Indizes der Arbeitszeitregelung der Ergebnis-orientierung und der Handlungs-Ent-scheidungsspielraumlume das Ausmaszlig des selbst gefaumlhrdenden Verhaltens vorher-sagen

Die Zielspirale hat den staumlrksten Einfluss auf selbstgefaumlhrdendes Verhalten Je staumlrker die Beschaumlftigten Zielspiralen in ihrem Arbeitsumfeld wahrnehmen desto wahrscheinlicher verhalten sie sich in selbstgefaumlhrdender Weise Dies trifft auch zu ndash allerdings in deutlich geringerem Ausmaszlig ndash wenn Arbeitszeiten voumlllig

flexibel und selbstbestimmt sind sowie Uumlberstunden gar nicht oder nur begrenzt bezahlt oder ausgeglichen werden

Waumlhrend stetig steigende Zielvorgaben also das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Ver-haltens deutlich erhoumlhen sind die Effekte der Merkmale bdquoFuumlhren uumlber Zieleldquo und bdquoHandlungs- und Entscheidungsspiel-raumlumeldquo zwar deutlich schwaumlcher vermin-dern aber selbstgefaumlhrdendes Verhalten Das bedeutet Wenn regelmaumlszligig offene verbindliche und realistische Zielverein-barungsgespraumlche gefuumlhrt und die dabei vereinbarten Ziele als innerhalb der vertraglichen Arbeitszeit erreichbar ein-geschaumltzt werden reduziert dies selbstge-faumlhrdendes Verhalten der Beschaumlftigten In gleicher Weise wirken sich Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume aus Je groumlszliger diese von den Beschaumlftigten ein-geschaumltzt werden desto geringer ist das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens

Zusammenfassend wird die Wahrschein-lichkeit fuumlr selbstgefaumlhrdendes Verhal-ten also nicht durch das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich erhoumlht son-dern vor allem durch unrealistische und staumlndig steigende Zielvorgaben Das gilt auch allerdings in geringerem Maszlige fuumlr flexible voumlllig selbstbestimmte Arbeits-zeiten (Vertrauensarbeitszeit) und nicht verguumltete Mehrarbeit

Die Ergebnisse des Regressionsmodells sind in Tabelle 2 dargestellt und zeigen die stan-dardisierten Regressionskoeffizienten fuumlr die Beziehung zwischen der abhaumlngigen Variable (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) und dem jeweiligen Vorhersageparameter

Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und BeanspruchungAls Indikatoren psychischer und physischer Beanspruchung wurden im Fragebogen erhobenn die allgemeine Arbeitszufriedenheitn die Work-Life-Balance n das habituelle Wohlbefinden (Herda

Scharfenstein und Basler 1998)n der kognitive Stress (Nuumlbling et al

2005)n die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout

(Nuumlbling et al 2005)n die Einschlaf- beziehungsweise Durch-

schlafstoumlrungen

Zur Pruumlfung der Zusammenhaumlnge zwi-schen der Art der Unternehmenssteue-rung und den Beanspruchungsindikato-ren wurden ebenfalls Regressionsmodelle geschaumltzt in denen wieder die acht Indizes zur Arbeitszeitregelung Ergebni-sorientierung und zu den Handlungs- und Entscheidungsspielraumlumen die verschie-denen Beanspruchungsindikatoren vor-hersagen

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf selbstgefaumlhrdendes Verhalten ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

Vorhersageparameter des Regressionsmodells

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Regressionskoeffizient szlig Signifikanz

014

013

015

-011

044

-016

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 2

8

Als durchgaumlngig relevanter Vorhersage-parameter von psychischer und physischer Beanspruchung erweist sich erneut die Zielspirale Je staumlrker diese wahrgenom-men wird desto geringer sind Arbeits-zufriedenheit Work-Life-Balance sowie habituelles Wohlbefinden und desto staumlrker ausgepraumlgt sind insbesondere die Tendenz zu Burnout kognitiven Stresssymptomen und Ein-Durchschlafstoumlrungen

Dagegen wirken groumlszligere Handlungs-spielraumlume als Ressource besonders verstaumlrkend auf Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden sowie leicht reduzierend auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout Aumlhnlich hat auch Fuumlhren uumlber Ziele einen leicht positiven Einfluss auf die Arbeits-zufriedenheit die Work-Life-Balance das habituelle Wohlbefinden und eine leicht reduzierende Wirkung auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout (Tabelle 3)

Diese Ergebnisse zeigen erneut dass Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen im

diese Zusammenhaumlnge durch selbstge-faumlhrdendes Verhalten erklaumlrt werden koumlnnen

Dazu wurde mit einfachen Mediati-onsanalysen berechnet ob der direkte Zusammenhang zwischen Praumldiktor (Zielspirale oder Handlungsspielraum) und abhaumlngiger Variable (Beanspru-chung) durch den Einfluss des Mediators (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) signifi-kant reduziert wird Tabelle 4 fasst die Ergebnisse dieser Analysen zusammen

Die Ergebnisse zeigen dass die Zusam-menhaumlnge zwischen den Indikatoren fuumlr Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung deutlich reduziert werden wenn selbstgefaumlhrdendes Verhalten beruumlcksich-tigt wird Die urspruumlnglichen Effekte der Zielspirale werden fuumlr alle Variablen um mindestens 50 Prozent reduziert

Das bedeutet dass die Beschaumlftigten ihre Beanspruchung zu einem relevanten Anteil aufgrund ihres selbstgefaumlhrdenden Verhaltens erleben welches seinerseits verstaumlrkt als Folge von wahrgenommenen Zielspiralen und abgemildert als Folge von erhoumlhten Handlungsspielraumlumen auftritt Umgekehrt laumlsst sich sagen dass Merkmale indirekter Steuerung (in diesem Fall besonders Zielspiralen und Handlungsspielraumlume) selbstge-faumlhrdendes Verhalten verstaumlrken oder abschwaumlchen und daruumlber auch die Beanspruchung von Beschaumlftigten indi-rekt beeinflussen

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse also dass hier ein differenzierter Effekt von indirekter Steuerung auf Beanspru-chung vorliegt sowohl uumlber den direkten Zusammenhang (Tabelle 3) als auch durch den indirekten Zusammenhang mit selbstgefaumlhrdendem Verhalten So zeigen die hier untersuchten Merkmale der indirekten Unternehmenssteuerung (Zielspirale und Handlungsspielraumlume) sowohl beanspruchungsverstaumlrkende als

Allgemeinen keine negativen sondern sogar eher leicht positive Auswirkungen fuumlr die Beschaumlftigten zeigt Der wichtigste Faktor fuumlr psychisches und physisches Stresserleben liegt in dem kontinuierlichen Anstieg von Zielvorgaben also in der Wahr-nehmung einer sich stetig zuspitzenden Zielspirale Zugleich unterstreichen die vorliegenden Ergebnisse ndash in Uumlbereinstim-mung mit der Arbeitsstressforschung ndash die Bedeutung von Handlungs- und Entschei-dungsspielraumlumen als Ressource die fuumlr das positive Arbeitserleben von Beschaumlftig-ten wichtig ist

Inwieweit werden Zusammenhaumlnge zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und den Beanspruchungs-indikatoren durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens erklaumlrt Es bestehen statistisch bedeutsame Zusammenhaumlnge besonders zwischen den Praumldiktoren Zielspirale und Hand-lungsspielraum einerseits und den Beanspruchungsindikatoren andererseits Es soll nun gepruumlft werden inwieweit

kognitiver Stress Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen

persoumlnliches Burnout

Tabelle 3

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf psychische und physische Beanspruchung ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Arbeitszufriedenheit

Vorhersageparameter Regressionskoeffizient szlig

-011

016

-028

034

028

-010

-009

-011

-009

016

-035

028

-013

045

-018

-014

013

-034

027

-013

016

habituelles Wohlbefinden

Work-Life-Balance

9 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

auch -reduzierende Effekte die zu einem relevanten Teil durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens von Beschaumlftig-ten erklaumlrt werden koumlnnen

Diskussion der Ergebnisse

Es wurde untersucht inwieweit die Arbeitsbedingungen abhaumlngig Beschaumlf-tigter in Deutschland durch Merkmale indirekter Unternehmenssteuerung gepraumlgt sind welche Auswirkungen dies auf das Leistungsverhalten der Beschaumlf-tigten hat und welche Chancen und Risiken sich daraus im Hinblick auf ihr Stresserleben und ihre Gesundheit erge-ben Im Besonderen wurde beleuchtet welche Rolle ein fuumlr die eigene Gesund-heit riskantes naumlmlich selbstgefaumlhrden-des Verhalten der Beschaumlftigten in diesen Prozessen spielt

Die Ergebnisse zeigen dass Formen der indirekten Unternehmensfuumlhrung bei Vollzeitbeschaumlftigten in Deutschland bereits weit verbreitet sind Mit den Frei-heiten flexibler Arbeit gehen allerdings fuumlr durchschnittlich knapp ein Viertel der Beschaumlftigten weder eine Erfassung noch eine Verguumltung geleisteter Uumlberstunden einher Rund ein Drittel der Beschaumlftigten

sieht sich zudem in einer sich immer weiter zuspitzenden Zielspirale in der man sich fragt wie man die staumlndig steigenden Anforderungen bewaumlltigen soll

Die Mehrheit der Befragten sieht Spiel-raumlume und Freiheiten bei der Durchfuumlh-rung der Arbeit Diese Freiheiten schlie-szligen aber fuumlr einen Groszligteil der Beschaumlf-tigten keinerlei Mitbestimmung bei der Menge der Arbeit und den genauen Ziel-vereinbarungen einn Wie wirken sich diese Arbeitsbedin-

gungen einer indirekten ergebnisorien-tierten Unternehmenssteuerung auf das Leistungsverhalten und das Beanspru-chungserleben der Beschaumlftigten aus

n Fuumlhren sie tatsaumlchlich dazu dass Beschaumlftigte im Interesse der Zielerrei-chung eigene Grenzen uumlberschreiten und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen sprechen eine klare Sprache Einige Indi-katoren indirekter Steuerung (Zielspira-len flexible und selbstbestimmte Arbeits-zeiten sowie unbezahlte Mehrarbeit) sagen selbstgefaumlhrdendes Verhalten sowie koumlrperliches und psychisches Beanspru-chungserleben aufseiten der Beschaumlftigten

voraus Andere Indikatoren (Handlungs-spielraumlume und Fuumlhren uumlber Ziele) haben einen leicht beguumlnstigenden Einfluss vor allem auf die positiven abhaumlngigen Variablen Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohlbefinden

Dabei leisten nicht alle Indikatoren den gleichen Beitrag Den wichtigsten verstaumlr-kenden Faktor fuumlr Selbstgefaumlhrdung und Beanspruchung stellt durchgaumlngig die Zielspirale dar gefolgt von nicht verguumlte-ten Uumlberstunden Letzteres kann auch als Ausdruck mangelnder Anerkennung fuumlr geleisteten Einsatz im Sinne des Modells der beruflichen Gratifikationskrisen (Siegrist 1996) verstanden werden

Dagegen wirken sich Handlungs- und Ent-scheidungsspielraumlume ganz im Sinne des Anforderungs-Kontroll-Modells (Karasek und Theorell 1990) aus Sie reduzieren Selbstgefaumlhrdung sowie persoumlnliches Burnout und foumlrdern Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden Dies ist ein weiterer Beleg dafuumlr dass es gerade bei steigenden Leistungs-anforderungen gesundheits foumlrderlich ist die Handlungs- und Entscheidungsspiel-raumlume der Beschaumlftigten (allerdings auch in Bezug auf die Menge der Arbeit und die Zielvorgaben) anzupassen

Das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich wirkt nur geringfuumlgig und wenn dann eher abschwaumlchend auf selbst-gefaumlhrdendes Verhalten und Bean-spruchungsindikatoren Wie eine Detail-analyse gezeigt hat laumlsst sich dieser positive Effekt des Fuumlhrens uumlber Ziele im Wesentlichen auf ein Item zuruumlckfuumlhren bdquoMein Vorgesetzter passt die Arbeitsziele so an dass ich diese in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreichen kannldquo Damit bestaumltigt sich letztlich noch einmal die Bedeutung realistischer Zielvorgaben die an das Leistungsvermoumlgen des Mit-arbeiters angepasst und eben nicht staumlndig steigend und einseitig am Markt orientiert sind

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 n s = nicht signifikant Die Staumlrke der Reduktion wurde mit der dafuumlr geeigneten Pruumlfstatistik berechnet die in allen Faumlllen die Differenzen zwischen den Effekten mit einem hohen statistischen Signifikanzniveau absichert

Mediationsanalysen von Zielspirale beziehungsweise Handlungsspielraumlumen uumlber selbstgefaumlhrdendes Verhalten auf Beanspruchungssymptome

1 Arbeitszufriedenheit

2 Work-Life-Balance

3 habituelles Wohlbefinden

4 kognitiver Stress

5 persoumlnliches Burnout

6 Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen Rsup2

ZielspiralePraumldiktor

abhaumlngige Variable urspruumlnglicher Effekt

-036

-043

-039

031

047

012

reduzierter Effekt

-017

-020

-016

012

021

-003 ns

urspruumlnglicher Effekt

043

035

033

-017

-033

-014

reduzierter Effekt

034

023

021

-006 ns

-019

-008 ns

Handlungsspielraumlume

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 4

10

Die Analysen der indirekten Effekte zeigen dass die Einfluumlsse der beiden wichtigsten Vorhersageparameter Zielspirale und Handlungsspielraumlume auf die verschiedenen Beanspruchungs-indikatoren im Wesentlichen auf das selbst gefaumlhrdende Verhalten der Beschaumlf-tigten zuruumlckgefuumlhrt werden koumlnnen

Das selbstgefaumlhrdende Verhalten uumlber-nimmt somit eine Schluumlsselrolle in der Beziehung zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung beziehungsweise Gesundheit der Beschaumlftigten Zum einen beguumlnstigen vor allem die stetig steigenden Zielvorgaben gesundheitsgefaumlhrdendes Arbeitsverhal-ten der Beschaumlftigten zum anderen fuumlhrt dieses Verhalten zu verstaumlrkten Bean-spruchungssymptomen Dies bedeutet jedoch nicht dass die Verantwortung fuumlr die gesundheitlichen Folgen allein bei den sich selbstgefaumlhrdend verhaltenden Beschaumlftigten liegt Die Analysen der indirekten Effekte belegen ein deutig Selbstgefaumlhrdendes Verhalten tritt als Folge indirekter Steuerung auf und erklaumlrt somit zwar teilweise den Effekt auf Beanspruchung kann aber nicht die eigentliche Ursache sein

Unternehmen stehen hier also erst ein-mal in der Verantwortung Arbeits- und Leistungskulturen zu gestalten in denen ein gesundheitsfoumlrderliches Arbeits- und Leistungsverhalten des Einzelnen uumlber-haupt moumlglich wird

Empfehlungen fuumlr die Gesundheitspolitik Welche praktischen Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den Ergebnissen im Hinblick auf die Gesundheit und die Gesundheitsfoumlrderung der Beschaumlftigten ableiten

Wie die Ergebnisse zeigen sind es vor allem die steigenden Zielvorgaben die das gesundheitsgefaumlhrdende Verhalten

der Beschaumlftigten sowie deren koumlrper-liche und psychische Beanspruchungs-symptome beeinflussen Es ist also notwendig sich mit diesen Zielspiralen auseinanderzusetzen die sich allein am Markt und am oumlkonomischen Wachstum und eben nicht am Leistungspotenzial der Beschaumlftigten orientieren Anreiz-systeme der Unternehmen muumlssen wieder so gestaltet werden dass es Wachstums-potenziale fuumlr Beschaumlftigte geben kann und diese nicht nur einem immer unwahrscheinlicherem Erreichen des Unerreichbaren ausgesetzt sind

Dagegen koumlnnen erhoumlhte Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume eindeutig als Res-source verstanden werden die das positive Erleben des Arbeitsalltags beguumlnstigen

Fuumlhren uumlber Zielvereinbarungen hat ndash dar-auf weisen die Ergebnisse hin ndash nicht nur keine gesundheitsschaumldlichen sondern sogar potenziell gesundheitsfoumlrderliche Auswirkungen Ziele koumlnnen Unsicherheit reduzieren indem sie Orientierung und Struktur vermitteln sie koumlnnen helfen Prioritaumlten zu setzen und bestenfalls sinn- und identitaumltsstiftend wirken Dies wird umso mehr der Fall sein je mehr die Ziele von Vorgesetzten realistisch definiert und auch von Beschaumlftigten selbst mit beein-flusst werden koumlnnen Sie sollten als her-ausfordernd und ndash unter Beruumlcksichtigung des eigenen Leistungsvermoumlgens und der vorhandenen Ressourcen im Arbeitsumfeld ndash zugleich als realistisch und erreichbar eingeschaumltzt werden So verstanden stellt Fuumlhren uumlber Ziele ein wesentliches Ele-ment gesundheitsgerechter Mitarbeiterfuumlh-rung dar

Daruumlber hinaus liegt es aber auch in der Verantwortung der Beschaumlftigten die Dynamik der staumlndig steigenden Anfor-derungen durch das eigene undosierte selbstgefaumlhrdende Leistungsverhalten und eine Uumlber identifikation mit den gesetzten Zielvorgaben nicht noch weiter anzureizen Die indirekten Effekte deuten zwar darauf

hin dass das selbstgefaumlhrdende Verhal-ten der Beschaumlftigten wesentlich mit der Unternehmenssteuerung zusammenhaumlngt ndash und selbstverstaumlndlich muumlssen Steue-rungs systeme besonders hinsichtlich der Ziel spiralen uumlberpruumlft und angepasst werden aber auch die Beschaumlftigten muumlssen ihren Umgang mit Grenzen reflektieren Ihnen sollten die Zusam-menhaumlnge und potenziellen Einfluumlsse der Steuerungssysteme auf ihr Gesundheits-verhalten bewusst gemacht werden

Es geht darum Leistungsgrenzen ndash eigene und fremde ndash wahrzunehmen anzunehmen zu kommunizieren und durchzusetzen Das bedeutet auch sich abzugrenzen Dazu bedarf es einer Kultur der Achtsamkeit nicht nur seitens der Fuumlhrung sondern auch der Teammitglie-der untereinander sowie nicht zuletzt der Beschaumlftigten im Umgang mit sich selbst

Dies laumlsst sich nur erreichen wenn Beschaumlftigte Fuumlhrungskraumlfte und Manage-ment ein gemeinsames Bewusstsein der bdquoGrenzen-Problematikldquo entwickeln und gemeinsam an einer gesundheitsfoumlrder-lichen Leistungskultur arbeiten Hierzu sollten Maszlignahmen auf der individuellen Ebene (z B in Form von Verhaltenstrai-nings Kaluza 2011) auf der interperso-nalen Ebene (z B Teamentwicklung Fuumlhrungskraumlfteschulung) und auf der organisationalen Ebene (z B Regelungen zum E-Mail-Verkehr zu Uumlberstunden) integriert durchgefuumlhrt werden Damit wird der Dialektik von Verhalten und Verhaumlltnissen am ehesten entsprochen Fuumlr nachhaltige Wirkungen wird es entscheidend sein das Bewusstsein das im Alltag aufgrund tagesaktueller Aufgaben leicht verloren zu gehen droht uumlber die Dauer einzelner Maszlignahmen hinaus wachzuhalten Hier koumlnnen regel-maumlszligige kollegiale Reflexionstreffen besonders der Fuumlhrungskraumlfte hilfreich sein wie sie in klassischen beziehung s-orien tierten Berufsfeldern in Form von Super vision oder Intervision etabliert sind

11 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Dies wird letztlich nur durch Akteure vor Ort die die unternehmensspezifischen Bedingungen und Prozesse genau kennen erfolgreich umgesetzt werden koumlnnen Eine gesetzliche bdquoAnti-Stress-Verordnungldquo wie sie vor allem von gewerkschaftlicher Seite gefordert wird kann hier lediglich einen allgemeinen Rahmen setzen und bestenfalls den Sozialpartnern einen konstruktiven Weg aus dem Kreislauf der immer gleichen gegenseitigen Schuld- und Verantwortungszuschreibungen weisen

Vielversprechender ist nach den Ergeb-nissen der vorliegenden Studie der kom-binierte Einsatz von Interventionen und Verhaltenstrainings die am Regelwerk der Organisation aber auch am Selbst-verstaumlndnis und der Achtsamkeit der Mitarbeiter ansetzen

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Bertelsmann StiftungProgramm Versorgung verbessern ndash Patienten informieren Carl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumltersloh wwwbertelsmann-stiftungdewwwgesundheitsmonitorde

Barmer GEK Lichtscheider Str 89ndash9542285 Wuppertalwwwbarmer-gekde

RedaktionDr Jan BoumlckenTobias FeldhausDr Ruumldiger MeierjuumlrgenNicole Osterkamp

IllustrationChristoph J Kellnerwwwanimanovade

AutorenDr Anja Chevalier(Deutsche Sporthochschule Koumlln)Prof Dr Gert Kaluza(GKM-Institut fuumlr Gesund-heitspsychologie)

KontaktHeike Clostermeyer Tel (05241) 81-8 13 81 Fax (05241) 81-68 13 81 heikeclostermeyer bertelsmann-stiftungde

Die Autoren

Dr Anja Chevalier Jahrgang 1979 ist promovierte Sozialpsychologin und Dozentin an der deutschen Sporthoch-schule Koumlln am Institut fuumlr Sportoumlkono-mie und Sportmanagement Sie studierte Psychologie an der Julius-Maximilans- Universitaumlt Wuumlrzburg RWTH Aachen und der University of Kent in Groszligbritannien Nach der Promotion zum Thema gruppen-basierte Emotionen forschte und lehrte sie mehrere Jahre zu verschiedenen sozialpsychologischen Themen an der Cardiff University (GB) Universiteit van Amsterdam (NL) und Amsterdam Univer-sity College (NL) Seit uumlber zehn Jahren

wird sie regelmaumlszligig fuumlr Lehrauftraumlge und als Referentin zu den Themen Fuumlhrung Gruppendynamik und Interkulturelle Kompetenz sowie Statistik und Methodik angefragt Ihre Forschung konzentriert sich auf Themen zu Performance und Diversity Management

Prof Dr Gert Kaluza Jahrgang 1955 ist Diplom-Psychologe und approbierter psychologischer Psychotherapeut Nach dem Studium der Psychologie und Paumlda gogik an den Universitaumlten Gieszligen und Marburg arbeitete er als wissen-schaft licher Mitarbeiter im Bereich der Medizinischen Psychologie an

verschiedenen Universitaumlten absolvierte psychotherapeutische Ausbildungen in Verhaltenstherapie und koumlrperorien-tierter Psychotherapie und promovierte an der Medizinischen Hochschule Hannover 1989 mit einer Arbeit zur Psychologie des chronischen Schmerzes Die Habili tation erfolgte 1997 am Fach bereich Medizin der Universitaumlt Marburg mit empirischen Studien zu seinem bis heute zentralen Forschungs-thema bdquoBelas tungsverarbeitung und Gesundheitldquo

Nach uumlber 20-jaumlhriger Taumltigkeit in Forschung und Lehre an verschiedenen Universitaumlten gruumlndete er 2002 sein eigenes Fortbildungs- und Trainings-institut und ist seitdem als Autor Trainer und Coach im Bereich der individuellen und betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung taumltig

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4

fuumlgen uumlber keinen oder einen anderen beruflichen Abschluss

Die Befragten sind durchschnittlich seit 21 Jahren abhaumlngig beschaumlftigt Uumlber zwei Drittel (72 ) sind Angestellte ent-weder in weisungsgebundener Taumltigkeit (19 ) mit selbststaumlndiger Leistung in verantwortlicher Taumltigkeit (44 ) oder mit umfassenden Fuumlhrungsaufgaben (8 ) Knapp zwoumllf Prozent sind Beamte entwe-der im einfachen oder mittleren Dienst (knapp 5 ) im gehobenen Dienst (5 ) oder im houmlheren Dienst (2 ) 15 Prozent der Befragten geben an zur Kategorie der Arbeiter zu gehoumlren drei Prozent sind angelernt neun Prozent Facharbeiter und drei Prozent Vorarbeiter oder Aumlhnliches

29 Prozent geben an Fuumlhrungsverantwor-tung zu haben Die Anzahl des gefuumlhrten Personals reicht von 1 bis 2500 Mitar-beitern Die Befragten haben eine ver-tragliche Arbeitszeit von durchschnittlich 393 Stunden pro Woche Die tatsaumlchliche Arbeitszeit der letzten drei Monate lag durchschnittlich bei 422 Stunden pro Woche bei Befragten mit Fuumlhrungsver-antwortung oder houmlheren Qualifikationen (Fach-Hochschulabschluss) (insgesamt 45 ) sogar bei 436 Stunden pro Woche

Hinsichtlich der Merkmale Alter Geschlecht Familienstand Fuumlhrungs-position vereinbarte und tatsaumlchliche Arbeitszeit ist die vorliegende Stichprobe vergleichbar mit denen anderer repraumlsen-tativer Befragungen von Erwerbstaumltigen in Deutschland wie beispielsweise dem Stressreport (Lohmann-Haislah 2012)

Ergebnisse

Wie verbreitet sind indirekte Formen der Unternehmenssteuerung

ArbeitszeitregelungenFlexible Formen der Arbeitszeitgestal-tung bei denen den Beschaumlftigten ein hohes Maszlig an Selbstbestimmung ein-

relevanten Indikatoren (0 = keine Flexibi-litaumlt 3 = maximale Flexi bilitaumlt) Die pro-zentualen Angaben der Befragten werden in Tabelle 1 dargestellt

Zusammenfassend wird deutlich dass nur ein geringer Teil der Befragten naumlmlich 14 Prozent seine Arbeitszeiten vollkommen selbst bestimmen kann Nur sieben Prozent arbeiten auch tatsaumlchlich zu voumlllig flexiblen Zeiten ndash bei ihnen aumlndern sich also die woumlchentlichen Arbeitstage die Stundenzahl am Arbeitstag sowie der Arbeitsbeginn und das Arbeitsende Allerdings kann gut die Haumllfte der Befragten die Arbeitszeiten

geraumlumt wird gehoumlren zum Standard-repertoire moderner Unternehmenssteue-rung Um zu erfassen wie die Arbeitszeit geregelt ist wurde erfragt inwieweitn die Arbeitszeiten flexibel sindn diese selbstbestimmt eingeteilt werden

koumlnnenn sie systematisch erfasst oder kontrol-

liert werden undn ob Uumlberstunden bezahlt oder ander-

weitig ausgeglichen werden

Zur Erfassung der Flexibilitaumlt von Arbeits-zeiten diente ein Index durch Summen-bildung der Nein-Antworten aus den drei

Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Angaben in Prozent)

1 Flexibilitaumlt der Arbeitszeiten

Arbeiten Sie jede Woche an den gleichen Wochentagen (janein)

Arbeiten Sie an jedem Arbeitstag die gleiche Stundenzahl (janein)

Sind Arbeitsbeginn und Arbeitsende an jedem Tag gleich (janein)

Index zur Flexibilitaumlt

(Summierung der Nein-Antworten aus 1)

voumlllig flexible Arbeitszeiten (dreimal bdquoneinldquo in Frage 1)

weitgehend flexible Arbeitszeiten (zweimal bdquoneinldquo in Frage 1)

wenig flexible Arbeitszeiten (einmal bdquoneinldquo in Frage 1)

keine Flexibilitaumlt bei den Arbeitszeiten (kein mal bdquoneinldquo in Frage 1)

2 Grad der Selbstbestimmung in der Arbeitszeitgestaltung

Wann und wie lange ich arbeite

entscheide ich selbst je nachdem welchen Aufgaben anfallen (Vertrauensarbeitszeit)

kann ich innerhalb eines vorgegebenen Rahmens (Gleitzeit) mitbestimmen

wird allein von meinem ArbeitgeberVorgesetzten festgelegt

3 Grad der systematischen Erfassung und Kontrolle

Meine Arbeitszeiten

werden nicht systematisch erfasst undoder kontrolliert

muss ich selbst aufschreiben

werden systematisch erfasst und kontrolliert (etwa durch Stempeluhr elektronische Zeiterfassungoder den Vorgesetzten)

4 Verguumltung von Mehrarbeit

Meine Uumlberstunden werden

uumlberhaupt nicht verguumltet oder anderweitig ausgeglichen (etwa mit Freizeit)

nur in begrenztem Umfang verguumltet oder anderweitig ausgeglichen (etwa mit Freizeit)

in vollem Umfang verguumltet oder anderweitig ausgeglichen (etwa mit Freizeit)

Tabelle 1

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

91 (ja)

49 (ja)

36 (ja)

7

43

18

32

14

51

35

27

23

50

21

20

59

5 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Ergebnisorientierung im Unternehmen Fuumlhren uumlber Ziele und die bdquoZielspiraleldquoEin weiteres Merkmal indirekter Unternehmenssteuerung ist die Ergeb-nisorientierung die sich uumlber leistungs-abhaumlngige Bezahlung Fuumlhren uumlber Ziele und wahrgenommene Zielspiralen dar stellen laumlsst Ein Viertel der Voll-zeitbeschaumlftigten gibt an Anspruch auf leistungsabhaumlngige Bonuszahlungen zu haben Bei gut vier Prozent haumlngt das Gehalt zu einem Groszligteil von der Arbeitsleistung ab waumlhrend 70 Prozent keine leistungsbezogenen Zahlungen erhalten

in einem vorgegebenen Rahmen (etwa Gleitzeit) mitbestimmen 43 Prozent geben somit auch an weitgehend flexible Arbeits-zeiten zu haben Damit ergibt sich fuumlr einen wesentlichen Teil der Befragten dass Arbeitszeiten nicht systematisch erfasst und kontrolliert werden (27 ) und Mehrarbeit entweder gar nicht (21 ) oder nur begrenzt (20 ) verguumltet wird

Diese Ergebnisse sind fuumlr die entspre-chenden Fragen (Selbstbestimmung und systematische Erfassung) vergleichbar mit den Ergebnissen des DGB-Index Gute Arbeit (2014)

Fuumlhren uumlber Ziele wurde mit Fragen unter anderem danach erfasst inwieweit regelmaumlszligige Zielvereinbarungsgespraumlche mit den Vorgesetzten stattfinden und die Zielvorgaben realistisch definiert sind (Dorsemagen et al 2012) Eine Darstel-lung der Haumlufigkeitsverteilungen aller Items zu Fuumlhren uumlber Ziele Zielspiralen sowie zu Handlungs- und Entscheidungs-spielraumlumen zeigt Abbildung 1

Fuumlhren uumlber Ziele gehoumlrt fuumlr einen groszligen aber nicht fuumlr den uumlberwie-genden Teil der hier befragten Vollzeit-beschaumlftigten zur Arbeitswirklichkeit

bdquoWie sehr treffen folgende Aussagen auf Ihre jetzige Arbeit zuldquo (Angaben in Prozent)

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abbildung 1

Quelle Gesundheitsmonitor 2015 n = 487

kaumetwasziemlichabsolut gar nicht

27 14 13 13 33

30 22 11 9 28

20 17 17 16 30

11 31 22 16 20

16 26 26 18 14

5 11 25 26 33

13 20 32 17 18

10 24 32 20 14

6 15 28 29 22

17 33 28 14 8

31 27 17 11 14

25 30 25 11 9

10 21 28 24 17

Fuumlhrung uumlber Ziele

Bei uns gibt es Zielvereinbarungsgespraumlche mit den Vorgesetzten

Auch die Vorgesetzten arbeiten nach Zielvorgaben die vom Unternehmen festgelegt werden

Bei uns werden Arbeitsziele zu festen Terminen neu definiert

Mein Vorgesetzter passt die Arbeitsziele so an dass ich diese in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreichen kann

Zielspirale

Mein Arbeitsumfeld ist durch staumlndig steigende Leistungs-Ertragsziele gepraumlgt

Jetzige Erfolge sind bei der naumlchsten Bewertung nur Standard oder gar Misserfolg

Man fragt sich wie man die staumlndig steigenden Anforderungen bewaumlltigen soll

Handlungs-Entscheidungsspielraumlume

Ich kann die Inhalte meiner Arbeit beeinflussen

Ich habe Einfluss auf die Menge der Arbeit die mir uumlbertragen wird

Ich kann Arbeitstempo oder Arbeitsrhythmus selbst bestimmen

Ich kann selbst bestimmen wann ich eine Pause mache

Ich kann meine eigene Arbeit selbst planen und einteilen

Ich kann auf die Festlegung der Arbeitsziele selbst Einfluss nehmen

6

So geben 41 Prozent an regelmaumlszligig Ziel-vereinbarungsgespraumlche mit ihren Vorge-setzten zu fuumlhren Bei 37 Prozent werden Arbeitsziele zu festen Terminen neu definiert und 52 Prozent nehmen wahr dass auch die Vorgesetzten Zielvorgaben haben die vom Unternehmen festgelegt werden Eine wesentliche Aufgabe beim Fuumlhren uumlber Ziele ist Arbeitsziele reali-stisch zu definieren Allerdings stimmen 36 Prozent der Befragten der Aussage zu dass ihr Vorgesetzter die Arbeitsziele bdquogar nichtldquo oder bdquokaumldquo so anpasst dass diese in der vertraglich vereinbarten Zeit erreicht werden koumlnnen

Unabhaumlngig von dem Fuumlhren uumlber Ziele ist die Wahrnehmung stetig steigender Zielvorgaben (Zielspirale) zu sehen Diese koumlnnen muumlssen aber nicht zwangslaumlufig mit einem ergebnisorientierten Fuumlh-rungsstil zusammenhaumlngen Zielspiralen wurden beispielsweise mit Fragen danach erfasst inwieweit das eigene Arbeitsum-feld durch staumlndig steigende Leistungs-

diverse Freiraumlume zu haben 55 Prozent koumlnnen ihre Arbeit selbst planen und ein-teilen 58 Prozent koumlnnen die Zeit ihrer Pausen 50 Prozent ihr Arbeitstempo oder ihren Arbeitsrhythmus selbst bestimmen Allerdings geben nur 31 Prozent der Befragten an dass sie die Festlegung der Arbeitsziele mitbestimmen koumlnnen und lediglich 21 Prozent koumlnnen die Menge der Arbeit die ihnen uumlbertragen wird beeinflussen (Abbildung 1)

Ein betraumlchtlicher Anteil der Beschaumlf-tigten hat somit zwar Kontrolle uumlber die Mittel und Wege mit denen die Arbeits-ziele erreicht werden nicht jedoch hin-sichtlich der Definition der Arbeitsziele und der darauf bezogenen Arbeitsmenge

Wie verbreitet ist selbstgefaumlhrdendes Verhalten Selbstgefaumlhrdendes Verhalten ist unter den Befragten in Vollzeitbeschaumlftigung bereits relativ verbreitet 22 Prozent haben in den vergangenen drei Monaten

Ertragsziele gepraumlgt ist Ein schwacher statistischer Zusammenhang zwischen bdquoFuumlhren uumlber Zieleldquo und bdquoZielspiraleldquo belegt dass diese als zwei unterschied-liche Konzepte anzusehen sind

Zielspiralen gehoumlren fuumlr einen betraumlcht-lichen Anteil jedoch nicht fuumlr die Mehr-heit der Beschaumlftigten zum Arbeitsalltag So geben 42 Prozent der Befragten an dass ihr Arbeitsumfeld ziemlich oder absolut durch staumlndig steigende Leistungs- und Ertragsziele gepraumlgt ist 33 Prozent fragen sich wie man die staumlndig stei-genden Anforderungen bewaumlltigen soll Knapp 16 Prozent stimmen der Aussage ziemlich oder absolut zu dass jetzige Erfolge bei der naumlchsten Bewertung nur Standard oder gar Misserfolg sind

Handlungs- und EntscheidungsspielraumlumeIndirekte Unternehmenssteuerung geht mit erweiterten Handlungs- und Entschei-dungsspielraumlumen fuumlr die Beschaumlftigten einher Ein Groszligteil der Befragten gibt an

1 5 5 8 81

6 16 32 29 17

12 13 28 56

6 12 32 28 22

2 9 22 21 46

9 13 29 28 21

3 11 22 24 40

2 6 26 39 27

23 7 11 77

bdquoWie haumlufig ist es in den vergangenen drei Monaten vorgekommen dass Sie (Angaben in Prozent)

hellip zusaumltzlich in Ihrer Freizeit (Feierabend Urlaub Wochenende Feiertage) gearbeitet habenldquo

hellip Pausen durchgearbeitet habenldquo

hellip in einem Arbeitstempo gearbeitet haben das Sie langfristig nicht durchhalten koumlnnenldquo

hellip gegenuumlber Vorgesetzten Arbeitskollegen undoder Kunden vorgegeben haben die Arbeit zu schaffen auch wenn Fristen nicht eingehalten werden konntenldquo

hellip trotz Krankheit am Arbeitsplatz erschienen sindldquo

hellip sich mit einem weniger guten Ergebnis zufriedengeben mussten als Sie es normalerweise tunldquo

hellip bis an die Grenzen Ihrer Leistungsfaumlhigkeit gearbeitet habenldquo

hellip GenussmittelSubstanzen (z B Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) konsumiert haben um bei der Arbeit leistungsfaumlhiger zu seinldquo

hellip GenussmittelSubstanzen (z B Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) konsumiert haben um nach der Arbeit besser abschalten zu koumlnnenldquo

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abbildung 2

Quelle Gesundheitsmonitor 2015 n = 487

seltengelegentlichoftsehr oft sehr seltennie

7 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

oft bis sehr oft Pausen durchgearbeitet und elf Prozent haben zusaumltzlich in ihrer Freizeit (Feierabend Urlaub Wochen-ende) gearbeitet 22 Prozent geben an oft bis sehr oft in einem Arbeitstempo gear-beitet zu haben das sie langfristig nicht durchhalten koumlnnen weitere 32 Prozent haben dies gelegentlich getan 18 Prozent der Befragten haben in den letzten drei Monaten oft bis sehr oft und weitere 32 Prozent gelegentlich bis an die Grenzen ihrer Leistungsfaumlhigkeit gearbeitet

Weiterhin geben 14 Prozent der Beschaumlf-tigten an in den letzten drei Monaten oft bis sehr oft trotz Krankheit am Arbeits-platz erschienen zu sein weitere 22 Pro-zent taten dies gelegentlich Zudem geben knapp sechs Prozent an oft bis sehr oft Genussmittel oder Substanzen (Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) zu konsumieren um bei der Arbeit lei-stungsfaumlhiger zu sein knapp fuumlnf Prozent konsumieren oft bis sehr oft aumlhnliche Substanzen um nach der Arbeit besser abschalten zu koumlnnen (Abbildung 2)

Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und selbstgefaumlhrdendem VerhaltenUm die Zusammenhaumlnge zwischen der Art der Unternehmenssteuerung und dem Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens zu berechnen wurde ein Regressions-modell geschaumltzt in dem die acht Indizes der Arbeitszeitregelung der Ergebnis-orientierung und der Handlungs-Ent-scheidungsspielraumlume das Ausmaszlig des selbst gefaumlhrdenden Verhaltens vorher-sagen

Die Zielspirale hat den staumlrksten Einfluss auf selbstgefaumlhrdendes Verhalten Je staumlrker die Beschaumlftigten Zielspiralen in ihrem Arbeitsumfeld wahrnehmen desto wahrscheinlicher verhalten sie sich in selbstgefaumlhrdender Weise Dies trifft auch zu ndash allerdings in deutlich geringerem Ausmaszlig ndash wenn Arbeitszeiten voumlllig

flexibel und selbstbestimmt sind sowie Uumlberstunden gar nicht oder nur begrenzt bezahlt oder ausgeglichen werden

Waumlhrend stetig steigende Zielvorgaben also das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Ver-haltens deutlich erhoumlhen sind die Effekte der Merkmale bdquoFuumlhren uumlber Zieleldquo und bdquoHandlungs- und Entscheidungsspiel-raumlumeldquo zwar deutlich schwaumlcher vermin-dern aber selbstgefaumlhrdendes Verhalten Das bedeutet Wenn regelmaumlszligig offene verbindliche und realistische Zielverein-barungsgespraumlche gefuumlhrt und die dabei vereinbarten Ziele als innerhalb der vertraglichen Arbeitszeit erreichbar ein-geschaumltzt werden reduziert dies selbstge-faumlhrdendes Verhalten der Beschaumlftigten In gleicher Weise wirken sich Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume aus Je groumlszliger diese von den Beschaumlftigten ein-geschaumltzt werden desto geringer ist das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens

Zusammenfassend wird die Wahrschein-lichkeit fuumlr selbstgefaumlhrdendes Verhal-ten also nicht durch das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich erhoumlht son-dern vor allem durch unrealistische und staumlndig steigende Zielvorgaben Das gilt auch allerdings in geringerem Maszlige fuumlr flexible voumlllig selbstbestimmte Arbeits-zeiten (Vertrauensarbeitszeit) und nicht verguumltete Mehrarbeit

Die Ergebnisse des Regressionsmodells sind in Tabelle 2 dargestellt und zeigen die stan-dardisierten Regressionskoeffizienten fuumlr die Beziehung zwischen der abhaumlngigen Variable (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) und dem jeweiligen Vorhersageparameter

Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und BeanspruchungAls Indikatoren psychischer und physischer Beanspruchung wurden im Fragebogen erhobenn die allgemeine Arbeitszufriedenheitn die Work-Life-Balance n das habituelle Wohlbefinden (Herda

Scharfenstein und Basler 1998)n der kognitive Stress (Nuumlbling et al

2005)n die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout

(Nuumlbling et al 2005)n die Einschlaf- beziehungsweise Durch-

schlafstoumlrungen

Zur Pruumlfung der Zusammenhaumlnge zwi-schen der Art der Unternehmenssteue-rung und den Beanspruchungsindikato-ren wurden ebenfalls Regressionsmodelle geschaumltzt in denen wieder die acht Indizes zur Arbeitszeitregelung Ergebni-sorientierung und zu den Handlungs- und Entscheidungsspielraumlumen die verschie-denen Beanspruchungsindikatoren vor-hersagen

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf selbstgefaumlhrdendes Verhalten ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

Vorhersageparameter des Regressionsmodells

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Regressionskoeffizient szlig Signifikanz

014

013

015

-011

044

-016

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 2

8

Als durchgaumlngig relevanter Vorhersage-parameter von psychischer und physischer Beanspruchung erweist sich erneut die Zielspirale Je staumlrker diese wahrgenom-men wird desto geringer sind Arbeits-zufriedenheit Work-Life-Balance sowie habituelles Wohlbefinden und desto staumlrker ausgepraumlgt sind insbesondere die Tendenz zu Burnout kognitiven Stresssymptomen und Ein-Durchschlafstoumlrungen

Dagegen wirken groumlszligere Handlungs-spielraumlume als Ressource besonders verstaumlrkend auf Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden sowie leicht reduzierend auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout Aumlhnlich hat auch Fuumlhren uumlber Ziele einen leicht positiven Einfluss auf die Arbeits-zufriedenheit die Work-Life-Balance das habituelle Wohlbefinden und eine leicht reduzierende Wirkung auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout (Tabelle 3)

Diese Ergebnisse zeigen erneut dass Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen im

diese Zusammenhaumlnge durch selbstge-faumlhrdendes Verhalten erklaumlrt werden koumlnnen

Dazu wurde mit einfachen Mediati-onsanalysen berechnet ob der direkte Zusammenhang zwischen Praumldiktor (Zielspirale oder Handlungsspielraum) und abhaumlngiger Variable (Beanspru-chung) durch den Einfluss des Mediators (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) signifi-kant reduziert wird Tabelle 4 fasst die Ergebnisse dieser Analysen zusammen

Die Ergebnisse zeigen dass die Zusam-menhaumlnge zwischen den Indikatoren fuumlr Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung deutlich reduziert werden wenn selbstgefaumlhrdendes Verhalten beruumlcksich-tigt wird Die urspruumlnglichen Effekte der Zielspirale werden fuumlr alle Variablen um mindestens 50 Prozent reduziert

Das bedeutet dass die Beschaumlftigten ihre Beanspruchung zu einem relevanten Anteil aufgrund ihres selbstgefaumlhrdenden Verhaltens erleben welches seinerseits verstaumlrkt als Folge von wahrgenommenen Zielspiralen und abgemildert als Folge von erhoumlhten Handlungsspielraumlumen auftritt Umgekehrt laumlsst sich sagen dass Merkmale indirekter Steuerung (in diesem Fall besonders Zielspiralen und Handlungsspielraumlume) selbstge-faumlhrdendes Verhalten verstaumlrken oder abschwaumlchen und daruumlber auch die Beanspruchung von Beschaumlftigten indi-rekt beeinflussen

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse also dass hier ein differenzierter Effekt von indirekter Steuerung auf Beanspru-chung vorliegt sowohl uumlber den direkten Zusammenhang (Tabelle 3) als auch durch den indirekten Zusammenhang mit selbstgefaumlhrdendem Verhalten So zeigen die hier untersuchten Merkmale der indirekten Unternehmenssteuerung (Zielspirale und Handlungsspielraumlume) sowohl beanspruchungsverstaumlrkende als

Allgemeinen keine negativen sondern sogar eher leicht positive Auswirkungen fuumlr die Beschaumlftigten zeigt Der wichtigste Faktor fuumlr psychisches und physisches Stresserleben liegt in dem kontinuierlichen Anstieg von Zielvorgaben also in der Wahr-nehmung einer sich stetig zuspitzenden Zielspirale Zugleich unterstreichen die vorliegenden Ergebnisse ndash in Uumlbereinstim-mung mit der Arbeitsstressforschung ndash die Bedeutung von Handlungs- und Entschei-dungsspielraumlumen als Ressource die fuumlr das positive Arbeitserleben von Beschaumlftig-ten wichtig ist

Inwieweit werden Zusammenhaumlnge zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und den Beanspruchungs-indikatoren durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens erklaumlrt Es bestehen statistisch bedeutsame Zusammenhaumlnge besonders zwischen den Praumldiktoren Zielspirale und Hand-lungsspielraum einerseits und den Beanspruchungsindikatoren andererseits Es soll nun gepruumlft werden inwieweit

kognitiver Stress Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen

persoumlnliches Burnout

Tabelle 3

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf psychische und physische Beanspruchung ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Arbeitszufriedenheit

Vorhersageparameter Regressionskoeffizient szlig

-011

016

-028

034

028

-010

-009

-011

-009

016

-035

028

-013

045

-018

-014

013

-034

027

-013

016

habituelles Wohlbefinden

Work-Life-Balance

9 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

auch -reduzierende Effekte die zu einem relevanten Teil durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens von Beschaumlftig-ten erklaumlrt werden koumlnnen

Diskussion der Ergebnisse

Es wurde untersucht inwieweit die Arbeitsbedingungen abhaumlngig Beschaumlf-tigter in Deutschland durch Merkmale indirekter Unternehmenssteuerung gepraumlgt sind welche Auswirkungen dies auf das Leistungsverhalten der Beschaumlf-tigten hat und welche Chancen und Risiken sich daraus im Hinblick auf ihr Stresserleben und ihre Gesundheit erge-ben Im Besonderen wurde beleuchtet welche Rolle ein fuumlr die eigene Gesund-heit riskantes naumlmlich selbstgefaumlhrden-des Verhalten der Beschaumlftigten in diesen Prozessen spielt

Die Ergebnisse zeigen dass Formen der indirekten Unternehmensfuumlhrung bei Vollzeitbeschaumlftigten in Deutschland bereits weit verbreitet sind Mit den Frei-heiten flexibler Arbeit gehen allerdings fuumlr durchschnittlich knapp ein Viertel der Beschaumlftigten weder eine Erfassung noch eine Verguumltung geleisteter Uumlberstunden einher Rund ein Drittel der Beschaumlftigten

sieht sich zudem in einer sich immer weiter zuspitzenden Zielspirale in der man sich fragt wie man die staumlndig steigenden Anforderungen bewaumlltigen soll

Die Mehrheit der Befragten sieht Spiel-raumlume und Freiheiten bei der Durchfuumlh-rung der Arbeit Diese Freiheiten schlie-szligen aber fuumlr einen Groszligteil der Beschaumlf-tigten keinerlei Mitbestimmung bei der Menge der Arbeit und den genauen Ziel-vereinbarungen einn Wie wirken sich diese Arbeitsbedin-

gungen einer indirekten ergebnisorien-tierten Unternehmenssteuerung auf das Leistungsverhalten und das Beanspru-chungserleben der Beschaumlftigten aus

n Fuumlhren sie tatsaumlchlich dazu dass Beschaumlftigte im Interesse der Zielerrei-chung eigene Grenzen uumlberschreiten und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen sprechen eine klare Sprache Einige Indi-katoren indirekter Steuerung (Zielspira-len flexible und selbstbestimmte Arbeits-zeiten sowie unbezahlte Mehrarbeit) sagen selbstgefaumlhrdendes Verhalten sowie koumlrperliches und psychisches Beanspru-chungserleben aufseiten der Beschaumlftigten

voraus Andere Indikatoren (Handlungs-spielraumlume und Fuumlhren uumlber Ziele) haben einen leicht beguumlnstigenden Einfluss vor allem auf die positiven abhaumlngigen Variablen Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohlbefinden

Dabei leisten nicht alle Indikatoren den gleichen Beitrag Den wichtigsten verstaumlr-kenden Faktor fuumlr Selbstgefaumlhrdung und Beanspruchung stellt durchgaumlngig die Zielspirale dar gefolgt von nicht verguumlte-ten Uumlberstunden Letzteres kann auch als Ausdruck mangelnder Anerkennung fuumlr geleisteten Einsatz im Sinne des Modells der beruflichen Gratifikationskrisen (Siegrist 1996) verstanden werden

Dagegen wirken sich Handlungs- und Ent-scheidungsspielraumlume ganz im Sinne des Anforderungs-Kontroll-Modells (Karasek und Theorell 1990) aus Sie reduzieren Selbstgefaumlhrdung sowie persoumlnliches Burnout und foumlrdern Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden Dies ist ein weiterer Beleg dafuumlr dass es gerade bei steigenden Leistungs-anforderungen gesundheits foumlrderlich ist die Handlungs- und Entscheidungsspiel-raumlume der Beschaumlftigten (allerdings auch in Bezug auf die Menge der Arbeit und die Zielvorgaben) anzupassen

Das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich wirkt nur geringfuumlgig und wenn dann eher abschwaumlchend auf selbst-gefaumlhrdendes Verhalten und Bean-spruchungsindikatoren Wie eine Detail-analyse gezeigt hat laumlsst sich dieser positive Effekt des Fuumlhrens uumlber Ziele im Wesentlichen auf ein Item zuruumlckfuumlhren bdquoMein Vorgesetzter passt die Arbeitsziele so an dass ich diese in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreichen kannldquo Damit bestaumltigt sich letztlich noch einmal die Bedeutung realistischer Zielvorgaben die an das Leistungsvermoumlgen des Mit-arbeiters angepasst und eben nicht staumlndig steigend und einseitig am Markt orientiert sind

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 n s = nicht signifikant Die Staumlrke der Reduktion wurde mit der dafuumlr geeigneten Pruumlfstatistik berechnet die in allen Faumlllen die Differenzen zwischen den Effekten mit einem hohen statistischen Signifikanzniveau absichert

Mediationsanalysen von Zielspirale beziehungsweise Handlungsspielraumlumen uumlber selbstgefaumlhrdendes Verhalten auf Beanspruchungssymptome

1 Arbeitszufriedenheit

2 Work-Life-Balance

3 habituelles Wohlbefinden

4 kognitiver Stress

5 persoumlnliches Burnout

6 Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen Rsup2

ZielspiralePraumldiktor

abhaumlngige Variable urspruumlnglicher Effekt

-036

-043

-039

031

047

012

reduzierter Effekt

-017

-020

-016

012

021

-003 ns

urspruumlnglicher Effekt

043

035

033

-017

-033

-014

reduzierter Effekt

034

023

021

-006 ns

-019

-008 ns

Handlungsspielraumlume

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 4

10

Die Analysen der indirekten Effekte zeigen dass die Einfluumlsse der beiden wichtigsten Vorhersageparameter Zielspirale und Handlungsspielraumlume auf die verschiedenen Beanspruchungs-indikatoren im Wesentlichen auf das selbst gefaumlhrdende Verhalten der Beschaumlf-tigten zuruumlckgefuumlhrt werden koumlnnen

Das selbstgefaumlhrdende Verhalten uumlber-nimmt somit eine Schluumlsselrolle in der Beziehung zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung beziehungsweise Gesundheit der Beschaumlftigten Zum einen beguumlnstigen vor allem die stetig steigenden Zielvorgaben gesundheitsgefaumlhrdendes Arbeitsverhal-ten der Beschaumlftigten zum anderen fuumlhrt dieses Verhalten zu verstaumlrkten Bean-spruchungssymptomen Dies bedeutet jedoch nicht dass die Verantwortung fuumlr die gesundheitlichen Folgen allein bei den sich selbstgefaumlhrdend verhaltenden Beschaumlftigten liegt Die Analysen der indirekten Effekte belegen ein deutig Selbstgefaumlhrdendes Verhalten tritt als Folge indirekter Steuerung auf und erklaumlrt somit zwar teilweise den Effekt auf Beanspruchung kann aber nicht die eigentliche Ursache sein

Unternehmen stehen hier also erst ein-mal in der Verantwortung Arbeits- und Leistungskulturen zu gestalten in denen ein gesundheitsfoumlrderliches Arbeits- und Leistungsverhalten des Einzelnen uumlber-haupt moumlglich wird

Empfehlungen fuumlr die Gesundheitspolitik Welche praktischen Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den Ergebnissen im Hinblick auf die Gesundheit und die Gesundheitsfoumlrderung der Beschaumlftigten ableiten

Wie die Ergebnisse zeigen sind es vor allem die steigenden Zielvorgaben die das gesundheitsgefaumlhrdende Verhalten

der Beschaumlftigten sowie deren koumlrper-liche und psychische Beanspruchungs-symptome beeinflussen Es ist also notwendig sich mit diesen Zielspiralen auseinanderzusetzen die sich allein am Markt und am oumlkonomischen Wachstum und eben nicht am Leistungspotenzial der Beschaumlftigten orientieren Anreiz-systeme der Unternehmen muumlssen wieder so gestaltet werden dass es Wachstums-potenziale fuumlr Beschaumlftigte geben kann und diese nicht nur einem immer unwahrscheinlicherem Erreichen des Unerreichbaren ausgesetzt sind

Dagegen koumlnnen erhoumlhte Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume eindeutig als Res-source verstanden werden die das positive Erleben des Arbeitsalltags beguumlnstigen

Fuumlhren uumlber Zielvereinbarungen hat ndash dar-auf weisen die Ergebnisse hin ndash nicht nur keine gesundheitsschaumldlichen sondern sogar potenziell gesundheitsfoumlrderliche Auswirkungen Ziele koumlnnen Unsicherheit reduzieren indem sie Orientierung und Struktur vermitteln sie koumlnnen helfen Prioritaumlten zu setzen und bestenfalls sinn- und identitaumltsstiftend wirken Dies wird umso mehr der Fall sein je mehr die Ziele von Vorgesetzten realistisch definiert und auch von Beschaumlftigten selbst mit beein-flusst werden koumlnnen Sie sollten als her-ausfordernd und ndash unter Beruumlcksichtigung des eigenen Leistungsvermoumlgens und der vorhandenen Ressourcen im Arbeitsumfeld ndash zugleich als realistisch und erreichbar eingeschaumltzt werden So verstanden stellt Fuumlhren uumlber Ziele ein wesentliches Ele-ment gesundheitsgerechter Mitarbeiterfuumlh-rung dar

Daruumlber hinaus liegt es aber auch in der Verantwortung der Beschaumlftigten die Dynamik der staumlndig steigenden Anfor-derungen durch das eigene undosierte selbstgefaumlhrdende Leistungsverhalten und eine Uumlber identifikation mit den gesetzten Zielvorgaben nicht noch weiter anzureizen Die indirekten Effekte deuten zwar darauf

hin dass das selbstgefaumlhrdende Verhal-ten der Beschaumlftigten wesentlich mit der Unternehmenssteuerung zusammenhaumlngt ndash und selbstverstaumlndlich muumlssen Steue-rungs systeme besonders hinsichtlich der Ziel spiralen uumlberpruumlft und angepasst werden aber auch die Beschaumlftigten muumlssen ihren Umgang mit Grenzen reflektieren Ihnen sollten die Zusam-menhaumlnge und potenziellen Einfluumlsse der Steuerungssysteme auf ihr Gesundheits-verhalten bewusst gemacht werden

Es geht darum Leistungsgrenzen ndash eigene und fremde ndash wahrzunehmen anzunehmen zu kommunizieren und durchzusetzen Das bedeutet auch sich abzugrenzen Dazu bedarf es einer Kultur der Achtsamkeit nicht nur seitens der Fuumlhrung sondern auch der Teammitglie-der untereinander sowie nicht zuletzt der Beschaumlftigten im Umgang mit sich selbst

Dies laumlsst sich nur erreichen wenn Beschaumlftigte Fuumlhrungskraumlfte und Manage-ment ein gemeinsames Bewusstsein der bdquoGrenzen-Problematikldquo entwickeln und gemeinsam an einer gesundheitsfoumlrder-lichen Leistungskultur arbeiten Hierzu sollten Maszlignahmen auf der individuellen Ebene (z B in Form von Verhaltenstrai-nings Kaluza 2011) auf der interperso-nalen Ebene (z B Teamentwicklung Fuumlhrungskraumlfteschulung) und auf der organisationalen Ebene (z B Regelungen zum E-Mail-Verkehr zu Uumlberstunden) integriert durchgefuumlhrt werden Damit wird der Dialektik von Verhalten und Verhaumlltnissen am ehesten entsprochen Fuumlr nachhaltige Wirkungen wird es entscheidend sein das Bewusstsein das im Alltag aufgrund tagesaktueller Aufgaben leicht verloren zu gehen droht uumlber die Dauer einzelner Maszlignahmen hinaus wachzuhalten Hier koumlnnen regel-maumlszligige kollegiale Reflexionstreffen besonders der Fuumlhrungskraumlfte hilfreich sein wie sie in klassischen beziehung s-orien tierten Berufsfeldern in Form von Super vision oder Intervision etabliert sind

11 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Dies wird letztlich nur durch Akteure vor Ort die die unternehmensspezifischen Bedingungen und Prozesse genau kennen erfolgreich umgesetzt werden koumlnnen Eine gesetzliche bdquoAnti-Stress-Verordnungldquo wie sie vor allem von gewerkschaftlicher Seite gefordert wird kann hier lediglich einen allgemeinen Rahmen setzen und bestenfalls den Sozialpartnern einen konstruktiven Weg aus dem Kreislauf der immer gleichen gegenseitigen Schuld- und Verantwortungszuschreibungen weisen

Vielversprechender ist nach den Ergeb-nissen der vorliegenden Studie der kom-binierte Einsatz von Interventionen und Verhaltenstrainings die am Regelwerk der Organisation aber auch am Selbst-verstaumlndnis und der Achtsamkeit der Mitarbeiter ansetzen

Literatur

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Bertelsmann StiftungProgramm Versorgung verbessern ndash Patienten informieren Carl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumltersloh wwwbertelsmann-stiftungdewwwgesundheitsmonitorde

Barmer GEK Lichtscheider Str 89ndash9542285 Wuppertalwwwbarmer-gekde

RedaktionDr Jan BoumlckenTobias FeldhausDr Ruumldiger MeierjuumlrgenNicole Osterkamp

IllustrationChristoph J Kellnerwwwanimanovade

AutorenDr Anja Chevalier(Deutsche Sporthochschule Koumlln)Prof Dr Gert Kaluza(GKM-Institut fuumlr Gesund-heitspsychologie)

KontaktHeike Clostermeyer Tel (05241) 81-8 13 81 Fax (05241) 81-68 13 81 heikeclostermeyer bertelsmann-stiftungde

Die Autoren

Dr Anja Chevalier Jahrgang 1979 ist promovierte Sozialpsychologin und Dozentin an der deutschen Sporthoch-schule Koumlln am Institut fuumlr Sportoumlkono-mie und Sportmanagement Sie studierte Psychologie an der Julius-Maximilans- Universitaumlt Wuumlrzburg RWTH Aachen und der University of Kent in Groszligbritannien Nach der Promotion zum Thema gruppen-basierte Emotionen forschte und lehrte sie mehrere Jahre zu verschiedenen sozialpsychologischen Themen an der Cardiff University (GB) Universiteit van Amsterdam (NL) und Amsterdam Univer-sity College (NL) Seit uumlber zehn Jahren

wird sie regelmaumlszligig fuumlr Lehrauftraumlge und als Referentin zu den Themen Fuumlhrung Gruppendynamik und Interkulturelle Kompetenz sowie Statistik und Methodik angefragt Ihre Forschung konzentriert sich auf Themen zu Performance und Diversity Management

Prof Dr Gert Kaluza Jahrgang 1955 ist Diplom-Psychologe und approbierter psychologischer Psychotherapeut Nach dem Studium der Psychologie und Paumlda gogik an den Universitaumlten Gieszligen und Marburg arbeitete er als wissen-schaft licher Mitarbeiter im Bereich der Medizinischen Psychologie an

verschiedenen Universitaumlten absolvierte psychotherapeutische Ausbildungen in Verhaltenstherapie und koumlrperorien-tierter Psychotherapie und promovierte an der Medizinischen Hochschule Hannover 1989 mit einer Arbeit zur Psychologie des chronischen Schmerzes Die Habili tation erfolgte 1997 am Fach bereich Medizin der Universitaumlt Marburg mit empirischen Studien zu seinem bis heute zentralen Forschungs-thema bdquoBelas tungsverarbeitung und Gesundheitldquo

Nach uumlber 20-jaumlhriger Taumltigkeit in Forschung und Lehre an verschiedenen Universitaumlten gruumlndete er 2002 sein eigenes Fortbildungs- und Trainings-institut und ist seitdem als Autor Trainer und Coach im Bereich der individuellen und betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung taumltig

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5 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Ergebnisorientierung im Unternehmen Fuumlhren uumlber Ziele und die bdquoZielspiraleldquoEin weiteres Merkmal indirekter Unternehmenssteuerung ist die Ergeb-nisorientierung die sich uumlber leistungs-abhaumlngige Bezahlung Fuumlhren uumlber Ziele und wahrgenommene Zielspiralen dar stellen laumlsst Ein Viertel der Voll-zeitbeschaumlftigten gibt an Anspruch auf leistungsabhaumlngige Bonuszahlungen zu haben Bei gut vier Prozent haumlngt das Gehalt zu einem Groszligteil von der Arbeitsleistung ab waumlhrend 70 Prozent keine leistungsbezogenen Zahlungen erhalten

in einem vorgegebenen Rahmen (etwa Gleitzeit) mitbestimmen 43 Prozent geben somit auch an weitgehend flexible Arbeits-zeiten zu haben Damit ergibt sich fuumlr einen wesentlichen Teil der Befragten dass Arbeitszeiten nicht systematisch erfasst und kontrolliert werden (27 ) und Mehrarbeit entweder gar nicht (21 ) oder nur begrenzt (20 ) verguumltet wird

Diese Ergebnisse sind fuumlr die entspre-chenden Fragen (Selbstbestimmung und systematische Erfassung) vergleichbar mit den Ergebnissen des DGB-Index Gute Arbeit (2014)

Fuumlhren uumlber Ziele wurde mit Fragen unter anderem danach erfasst inwieweit regelmaumlszligige Zielvereinbarungsgespraumlche mit den Vorgesetzten stattfinden und die Zielvorgaben realistisch definiert sind (Dorsemagen et al 2012) Eine Darstel-lung der Haumlufigkeitsverteilungen aller Items zu Fuumlhren uumlber Ziele Zielspiralen sowie zu Handlungs- und Entscheidungs-spielraumlumen zeigt Abbildung 1

Fuumlhren uumlber Ziele gehoumlrt fuumlr einen groszligen aber nicht fuumlr den uumlberwie-genden Teil der hier befragten Vollzeit-beschaumlftigten zur Arbeitswirklichkeit

bdquoWie sehr treffen folgende Aussagen auf Ihre jetzige Arbeit zuldquo (Angaben in Prozent)

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abbildung 1

Quelle Gesundheitsmonitor 2015 n = 487

kaumetwasziemlichabsolut gar nicht

27 14 13 13 33

30 22 11 9 28

20 17 17 16 30

11 31 22 16 20

16 26 26 18 14

5 11 25 26 33

13 20 32 17 18

10 24 32 20 14

6 15 28 29 22

17 33 28 14 8

31 27 17 11 14

25 30 25 11 9

10 21 28 24 17

Fuumlhrung uumlber Ziele

Bei uns gibt es Zielvereinbarungsgespraumlche mit den Vorgesetzten

Auch die Vorgesetzten arbeiten nach Zielvorgaben die vom Unternehmen festgelegt werden

Bei uns werden Arbeitsziele zu festen Terminen neu definiert

Mein Vorgesetzter passt die Arbeitsziele so an dass ich diese in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreichen kann

Zielspirale

Mein Arbeitsumfeld ist durch staumlndig steigende Leistungs-Ertragsziele gepraumlgt

Jetzige Erfolge sind bei der naumlchsten Bewertung nur Standard oder gar Misserfolg

Man fragt sich wie man die staumlndig steigenden Anforderungen bewaumlltigen soll

Handlungs-Entscheidungsspielraumlume

Ich kann die Inhalte meiner Arbeit beeinflussen

Ich habe Einfluss auf die Menge der Arbeit die mir uumlbertragen wird

Ich kann Arbeitstempo oder Arbeitsrhythmus selbst bestimmen

Ich kann selbst bestimmen wann ich eine Pause mache

Ich kann meine eigene Arbeit selbst planen und einteilen

Ich kann auf die Festlegung der Arbeitsziele selbst Einfluss nehmen

6

So geben 41 Prozent an regelmaumlszligig Ziel-vereinbarungsgespraumlche mit ihren Vorge-setzten zu fuumlhren Bei 37 Prozent werden Arbeitsziele zu festen Terminen neu definiert und 52 Prozent nehmen wahr dass auch die Vorgesetzten Zielvorgaben haben die vom Unternehmen festgelegt werden Eine wesentliche Aufgabe beim Fuumlhren uumlber Ziele ist Arbeitsziele reali-stisch zu definieren Allerdings stimmen 36 Prozent der Befragten der Aussage zu dass ihr Vorgesetzter die Arbeitsziele bdquogar nichtldquo oder bdquokaumldquo so anpasst dass diese in der vertraglich vereinbarten Zeit erreicht werden koumlnnen

Unabhaumlngig von dem Fuumlhren uumlber Ziele ist die Wahrnehmung stetig steigender Zielvorgaben (Zielspirale) zu sehen Diese koumlnnen muumlssen aber nicht zwangslaumlufig mit einem ergebnisorientierten Fuumlh-rungsstil zusammenhaumlngen Zielspiralen wurden beispielsweise mit Fragen danach erfasst inwieweit das eigene Arbeitsum-feld durch staumlndig steigende Leistungs-

diverse Freiraumlume zu haben 55 Prozent koumlnnen ihre Arbeit selbst planen und ein-teilen 58 Prozent koumlnnen die Zeit ihrer Pausen 50 Prozent ihr Arbeitstempo oder ihren Arbeitsrhythmus selbst bestimmen Allerdings geben nur 31 Prozent der Befragten an dass sie die Festlegung der Arbeitsziele mitbestimmen koumlnnen und lediglich 21 Prozent koumlnnen die Menge der Arbeit die ihnen uumlbertragen wird beeinflussen (Abbildung 1)

Ein betraumlchtlicher Anteil der Beschaumlf-tigten hat somit zwar Kontrolle uumlber die Mittel und Wege mit denen die Arbeits-ziele erreicht werden nicht jedoch hin-sichtlich der Definition der Arbeitsziele und der darauf bezogenen Arbeitsmenge

Wie verbreitet ist selbstgefaumlhrdendes Verhalten Selbstgefaumlhrdendes Verhalten ist unter den Befragten in Vollzeitbeschaumlftigung bereits relativ verbreitet 22 Prozent haben in den vergangenen drei Monaten

Ertragsziele gepraumlgt ist Ein schwacher statistischer Zusammenhang zwischen bdquoFuumlhren uumlber Zieleldquo und bdquoZielspiraleldquo belegt dass diese als zwei unterschied-liche Konzepte anzusehen sind

Zielspiralen gehoumlren fuumlr einen betraumlcht-lichen Anteil jedoch nicht fuumlr die Mehr-heit der Beschaumlftigten zum Arbeitsalltag So geben 42 Prozent der Befragten an dass ihr Arbeitsumfeld ziemlich oder absolut durch staumlndig steigende Leistungs- und Ertragsziele gepraumlgt ist 33 Prozent fragen sich wie man die staumlndig stei-genden Anforderungen bewaumlltigen soll Knapp 16 Prozent stimmen der Aussage ziemlich oder absolut zu dass jetzige Erfolge bei der naumlchsten Bewertung nur Standard oder gar Misserfolg sind

Handlungs- und EntscheidungsspielraumlumeIndirekte Unternehmenssteuerung geht mit erweiterten Handlungs- und Entschei-dungsspielraumlumen fuumlr die Beschaumlftigten einher Ein Groszligteil der Befragten gibt an

1 5 5 8 81

6 16 32 29 17

12 13 28 56

6 12 32 28 22

2 9 22 21 46

9 13 29 28 21

3 11 22 24 40

2 6 26 39 27

23 7 11 77

bdquoWie haumlufig ist es in den vergangenen drei Monaten vorgekommen dass Sie (Angaben in Prozent)

hellip zusaumltzlich in Ihrer Freizeit (Feierabend Urlaub Wochenende Feiertage) gearbeitet habenldquo

hellip Pausen durchgearbeitet habenldquo

hellip in einem Arbeitstempo gearbeitet haben das Sie langfristig nicht durchhalten koumlnnenldquo

hellip gegenuumlber Vorgesetzten Arbeitskollegen undoder Kunden vorgegeben haben die Arbeit zu schaffen auch wenn Fristen nicht eingehalten werden konntenldquo

hellip trotz Krankheit am Arbeitsplatz erschienen sindldquo

hellip sich mit einem weniger guten Ergebnis zufriedengeben mussten als Sie es normalerweise tunldquo

hellip bis an die Grenzen Ihrer Leistungsfaumlhigkeit gearbeitet habenldquo

hellip GenussmittelSubstanzen (z B Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) konsumiert haben um bei der Arbeit leistungsfaumlhiger zu seinldquo

hellip GenussmittelSubstanzen (z B Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) konsumiert haben um nach der Arbeit besser abschalten zu koumlnnenldquo

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abbildung 2

Quelle Gesundheitsmonitor 2015 n = 487

seltengelegentlichoftsehr oft sehr seltennie

7 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

oft bis sehr oft Pausen durchgearbeitet und elf Prozent haben zusaumltzlich in ihrer Freizeit (Feierabend Urlaub Wochen-ende) gearbeitet 22 Prozent geben an oft bis sehr oft in einem Arbeitstempo gear-beitet zu haben das sie langfristig nicht durchhalten koumlnnen weitere 32 Prozent haben dies gelegentlich getan 18 Prozent der Befragten haben in den letzten drei Monaten oft bis sehr oft und weitere 32 Prozent gelegentlich bis an die Grenzen ihrer Leistungsfaumlhigkeit gearbeitet

Weiterhin geben 14 Prozent der Beschaumlf-tigten an in den letzten drei Monaten oft bis sehr oft trotz Krankheit am Arbeits-platz erschienen zu sein weitere 22 Pro-zent taten dies gelegentlich Zudem geben knapp sechs Prozent an oft bis sehr oft Genussmittel oder Substanzen (Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) zu konsumieren um bei der Arbeit lei-stungsfaumlhiger zu sein knapp fuumlnf Prozent konsumieren oft bis sehr oft aumlhnliche Substanzen um nach der Arbeit besser abschalten zu koumlnnen (Abbildung 2)

Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und selbstgefaumlhrdendem VerhaltenUm die Zusammenhaumlnge zwischen der Art der Unternehmenssteuerung und dem Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens zu berechnen wurde ein Regressions-modell geschaumltzt in dem die acht Indizes der Arbeitszeitregelung der Ergebnis-orientierung und der Handlungs-Ent-scheidungsspielraumlume das Ausmaszlig des selbst gefaumlhrdenden Verhaltens vorher-sagen

Die Zielspirale hat den staumlrksten Einfluss auf selbstgefaumlhrdendes Verhalten Je staumlrker die Beschaumlftigten Zielspiralen in ihrem Arbeitsumfeld wahrnehmen desto wahrscheinlicher verhalten sie sich in selbstgefaumlhrdender Weise Dies trifft auch zu ndash allerdings in deutlich geringerem Ausmaszlig ndash wenn Arbeitszeiten voumlllig

flexibel und selbstbestimmt sind sowie Uumlberstunden gar nicht oder nur begrenzt bezahlt oder ausgeglichen werden

Waumlhrend stetig steigende Zielvorgaben also das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Ver-haltens deutlich erhoumlhen sind die Effekte der Merkmale bdquoFuumlhren uumlber Zieleldquo und bdquoHandlungs- und Entscheidungsspiel-raumlumeldquo zwar deutlich schwaumlcher vermin-dern aber selbstgefaumlhrdendes Verhalten Das bedeutet Wenn regelmaumlszligig offene verbindliche und realistische Zielverein-barungsgespraumlche gefuumlhrt und die dabei vereinbarten Ziele als innerhalb der vertraglichen Arbeitszeit erreichbar ein-geschaumltzt werden reduziert dies selbstge-faumlhrdendes Verhalten der Beschaumlftigten In gleicher Weise wirken sich Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume aus Je groumlszliger diese von den Beschaumlftigten ein-geschaumltzt werden desto geringer ist das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens

Zusammenfassend wird die Wahrschein-lichkeit fuumlr selbstgefaumlhrdendes Verhal-ten also nicht durch das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich erhoumlht son-dern vor allem durch unrealistische und staumlndig steigende Zielvorgaben Das gilt auch allerdings in geringerem Maszlige fuumlr flexible voumlllig selbstbestimmte Arbeits-zeiten (Vertrauensarbeitszeit) und nicht verguumltete Mehrarbeit

Die Ergebnisse des Regressionsmodells sind in Tabelle 2 dargestellt und zeigen die stan-dardisierten Regressionskoeffizienten fuumlr die Beziehung zwischen der abhaumlngigen Variable (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) und dem jeweiligen Vorhersageparameter

Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und BeanspruchungAls Indikatoren psychischer und physischer Beanspruchung wurden im Fragebogen erhobenn die allgemeine Arbeitszufriedenheitn die Work-Life-Balance n das habituelle Wohlbefinden (Herda

Scharfenstein und Basler 1998)n der kognitive Stress (Nuumlbling et al

2005)n die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout

(Nuumlbling et al 2005)n die Einschlaf- beziehungsweise Durch-

schlafstoumlrungen

Zur Pruumlfung der Zusammenhaumlnge zwi-schen der Art der Unternehmenssteue-rung und den Beanspruchungsindikato-ren wurden ebenfalls Regressionsmodelle geschaumltzt in denen wieder die acht Indizes zur Arbeitszeitregelung Ergebni-sorientierung und zu den Handlungs- und Entscheidungsspielraumlumen die verschie-denen Beanspruchungsindikatoren vor-hersagen

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf selbstgefaumlhrdendes Verhalten ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

Vorhersageparameter des Regressionsmodells

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Regressionskoeffizient szlig Signifikanz

014

013

015

-011

044

-016

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 2

8

Als durchgaumlngig relevanter Vorhersage-parameter von psychischer und physischer Beanspruchung erweist sich erneut die Zielspirale Je staumlrker diese wahrgenom-men wird desto geringer sind Arbeits-zufriedenheit Work-Life-Balance sowie habituelles Wohlbefinden und desto staumlrker ausgepraumlgt sind insbesondere die Tendenz zu Burnout kognitiven Stresssymptomen und Ein-Durchschlafstoumlrungen

Dagegen wirken groumlszligere Handlungs-spielraumlume als Ressource besonders verstaumlrkend auf Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden sowie leicht reduzierend auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout Aumlhnlich hat auch Fuumlhren uumlber Ziele einen leicht positiven Einfluss auf die Arbeits-zufriedenheit die Work-Life-Balance das habituelle Wohlbefinden und eine leicht reduzierende Wirkung auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout (Tabelle 3)

Diese Ergebnisse zeigen erneut dass Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen im

diese Zusammenhaumlnge durch selbstge-faumlhrdendes Verhalten erklaumlrt werden koumlnnen

Dazu wurde mit einfachen Mediati-onsanalysen berechnet ob der direkte Zusammenhang zwischen Praumldiktor (Zielspirale oder Handlungsspielraum) und abhaumlngiger Variable (Beanspru-chung) durch den Einfluss des Mediators (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) signifi-kant reduziert wird Tabelle 4 fasst die Ergebnisse dieser Analysen zusammen

Die Ergebnisse zeigen dass die Zusam-menhaumlnge zwischen den Indikatoren fuumlr Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung deutlich reduziert werden wenn selbstgefaumlhrdendes Verhalten beruumlcksich-tigt wird Die urspruumlnglichen Effekte der Zielspirale werden fuumlr alle Variablen um mindestens 50 Prozent reduziert

Das bedeutet dass die Beschaumlftigten ihre Beanspruchung zu einem relevanten Anteil aufgrund ihres selbstgefaumlhrdenden Verhaltens erleben welches seinerseits verstaumlrkt als Folge von wahrgenommenen Zielspiralen und abgemildert als Folge von erhoumlhten Handlungsspielraumlumen auftritt Umgekehrt laumlsst sich sagen dass Merkmale indirekter Steuerung (in diesem Fall besonders Zielspiralen und Handlungsspielraumlume) selbstge-faumlhrdendes Verhalten verstaumlrken oder abschwaumlchen und daruumlber auch die Beanspruchung von Beschaumlftigten indi-rekt beeinflussen

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse also dass hier ein differenzierter Effekt von indirekter Steuerung auf Beanspru-chung vorliegt sowohl uumlber den direkten Zusammenhang (Tabelle 3) als auch durch den indirekten Zusammenhang mit selbstgefaumlhrdendem Verhalten So zeigen die hier untersuchten Merkmale der indirekten Unternehmenssteuerung (Zielspirale und Handlungsspielraumlume) sowohl beanspruchungsverstaumlrkende als

Allgemeinen keine negativen sondern sogar eher leicht positive Auswirkungen fuumlr die Beschaumlftigten zeigt Der wichtigste Faktor fuumlr psychisches und physisches Stresserleben liegt in dem kontinuierlichen Anstieg von Zielvorgaben also in der Wahr-nehmung einer sich stetig zuspitzenden Zielspirale Zugleich unterstreichen die vorliegenden Ergebnisse ndash in Uumlbereinstim-mung mit der Arbeitsstressforschung ndash die Bedeutung von Handlungs- und Entschei-dungsspielraumlumen als Ressource die fuumlr das positive Arbeitserleben von Beschaumlftig-ten wichtig ist

Inwieweit werden Zusammenhaumlnge zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und den Beanspruchungs-indikatoren durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens erklaumlrt Es bestehen statistisch bedeutsame Zusammenhaumlnge besonders zwischen den Praumldiktoren Zielspirale und Hand-lungsspielraum einerseits und den Beanspruchungsindikatoren andererseits Es soll nun gepruumlft werden inwieweit

kognitiver Stress Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen

persoumlnliches Burnout

Tabelle 3

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf psychische und physische Beanspruchung ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Arbeitszufriedenheit

Vorhersageparameter Regressionskoeffizient szlig

-011

016

-028

034

028

-010

-009

-011

-009

016

-035

028

-013

045

-018

-014

013

-034

027

-013

016

habituelles Wohlbefinden

Work-Life-Balance

9 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

auch -reduzierende Effekte die zu einem relevanten Teil durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens von Beschaumlftig-ten erklaumlrt werden koumlnnen

Diskussion der Ergebnisse

Es wurde untersucht inwieweit die Arbeitsbedingungen abhaumlngig Beschaumlf-tigter in Deutschland durch Merkmale indirekter Unternehmenssteuerung gepraumlgt sind welche Auswirkungen dies auf das Leistungsverhalten der Beschaumlf-tigten hat und welche Chancen und Risiken sich daraus im Hinblick auf ihr Stresserleben und ihre Gesundheit erge-ben Im Besonderen wurde beleuchtet welche Rolle ein fuumlr die eigene Gesund-heit riskantes naumlmlich selbstgefaumlhrden-des Verhalten der Beschaumlftigten in diesen Prozessen spielt

Die Ergebnisse zeigen dass Formen der indirekten Unternehmensfuumlhrung bei Vollzeitbeschaumlftigten in Deutschland bereits weit verbreitet sind Mit den Frei-heiten flexibler Arbeit gehen allerdings fuumlr durchschnittlich knapp ein Viertel der Beschaumlftigten weder eine Erfassung noch eine Verguumltung geleisteter Uumlberstunden einher Rund ein Drittel der Beschaumlftigten

sieht sich zudem in einer sich immer weiter zuspitzenden Zielspirale in der man sich fragt wie man die staumlndig steigenden Anforderungen bewaumlltigen soll

Die Mehrheit der Befragten sieht Spiel-raumlume und Freiheiten bei der Durchfuumlh-rung der Arbeit Diese Freiheiten schlie-szligen aber fuumlr einen Groszligteil der Beschaumlf-tigten keinerlei Mitbestimmung bei der Menge der Arbeit und den genauen Ziel-vereinbarungen einn Wie wirken sich diese Arbeitsbedin-

gungen einer indirekten ergebnisorien-tierten Unternehmenssteuerung auf das Leistungsverhalten und das Beanspru-chungserleben der Beschaumlftigten aus

n Fuumlhren sie tatsaumlchlich dazu dass Beschaumlftigte im Interesse der Zielerrei-chung eigene Grenzen uumlberschreiten und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen sprechen eine klare Sprache Einige Indi-katoren indirekter Steuerung (Zielspira-len flexible und selbstbestimmte Arbeits-zeiten sowie unbezahlte Mehrarbeit) sagen selbstgefaumlhrdendes Verhalten sowie koumlrperliches und psychisches Beanspru-chungserleben aufseiten der Beschaumlftigten

voraus Andere Indikatoren (Handlungs-spielraumlume und Fuumlhren uumlber Ziele) haben einen leicht beguumlnstigenden Einfluss vor allem auf die positiven abhaumlngigen Variablen Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohlbefinden

Dabei leisten nicht alle Indikatoren den gleichen Beitrag Den wichtigsten verstaumlr-kenden Faktor fuumlr Selbstgefaumlhrdung und Beanspruchung stellt durchgaumlngig die Zielspirale dar gefolgt von nicht verguumlte-ten Uumlberstunden Letzteres kann auch als Ausdruck mangelnder Anerkennung fuumlr geleisteten Einsatz im Sinne des Modells der beruflichen Gratifikationskrisen (Siegrist 1996) verstanden werden

Dagegen wirken sich Handlungs- und Ent-scheidungsspielraumlume ganz im Sinne des Anforderungs-Kontroll-Modells (Karasek und Theorell 1990) aus Sie reduzieren Selbstgefaumlhrdung sowie persoumlnliches Burnout und foumlrdern Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden Dies ist ein weiterer Beleg dafuumlr dass es gerade bei steigenden Leistungs-anforderungen gesundheits foumlrderlich ist die Handlungs- und Entscheidungsspiel-raumlume der Beschaumlftigten (allerdings auch in Bezug auf die Menge der Arbeit und die Zielvorgaben) anzupassen

Das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich wirkt nur geringfuumlgig und wenn dann eher abschwaumlchend auf selbst-gefaumlhrdendes Verhalten und Bean-spruchungsindikatoren Wie eine Detail-analyse gezeigt hat laumlsst sich dieser positive Effekt des Fuumlhrens uumlber Ziele im Wesentlichen auf ein Item zuruumlckfuumlhren bdquoMein Vorgesetzter passt die Arbeitsziele so an dass ich diese in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreichen kannldquo Damit bestaumltigt sich letztlich noch einmal die Bedeutung realistischer Zielvorgaben die an das Leistungsvermoumlgen des Mit-arbeiters angepasst und eben nicht staumlndig steigend und einseitig am Markt orientiert sind

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 n s = nicht signifikant Die Staumlrke der Reduktion wurde mit der dafuumlr geeigneten Pruumlfstatistik berechnet die in allen Faumlllen die Differenzen zwischen den Effekten mit einem hohen statistischen Signifikanzniveau absichert

Mediationsanalysen von Zielspirale beziehungsweise Handlungsspielraumlumen uumlber selbstgefaumlhrdendes Verhalten auf Beanspruchungssymptome

1 Arbeitszufriedenheit

2 Work-Life-Balance

3 habituelles Wohlbefinden

4 kognitiver Stress

5 persoumlnliches Burnout

6 Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen Rsup2

ZielspiralePraumldiktor

abhaumlngige Variable urspruumlnglicher Effekt

-036

-043

-039

031

047

012

reduzierter Effekt

-017

-020

-016

012

021

-003 ns

urspruumlnglicher Effekt

043

035

033

-017

-033

-014

reduzierter Effekt

034

023

021

-006 ns

-019

-008 ns

Handlungsspielraumlume

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 4

10

Die Analysen der indirekten Effekte zeigen dass die Einfluumlsse der beiden wichtigsten Vorhersageparameter Zielspirale und Handlungsspielraumlume auf die verschiedenen Beanspruchungs-indikatoren im Wesentlichen auf das selbst gefaumlhrdende Verhalten der Beschaumlf-tigten zuruumlckgefuumlhrt werden koumlnnen

Das selbstgefaumlhrdende Verhalten uumlber-nimmt somit eine Schluumlsselrolle in der Beziehung zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung beziehungsweise Gesundheit der Beschaumlftigten Zum einen beguumlnstigen vor allem die stetig steigenden Zielvorgaben gesundheitsgefaumlhrdendes Arbeitsverhal-ten der Beschaumlftigten zum anderen fuumlhrt dieses Verhalten zu verstaumlrkten Bean-spruchungssymptomen Dies bedeutet jedoch nicht dass die Verantwortung fuumlr die gesundheitlichen Folgen allein bei den sich selbstgefaumlhrdend verhaltenden Beschaumlftigten liegt Die Analysen der indirekten Effekte belegen ein deutig Selbstgefaumlhrdendes Verhalten tritt als Folge indirekter Steuerung auf und erklaumlrt somit zwar teilweise den Effekt auf Beanspruchung kann aber nicht die eigentliche Ursache sein

Unternehmen stehen hier also erst ein-mal in der Verantwortung Arbeits- und Leistungskulturen zu gestalten in denen ein gesundheitsfoumlrderliches Arbeits- und Leistungsverhalten des Einzelnen uumlber-haupt moumlglich wird

Empfehlungen fuumlr die Gesundheitspolitik Welche praktischen Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den Ergebnissen im Hinblick auf die Gesundheit und die Gesundheitsfoumlrderung der Beschaumlftigten ableiten

Wie die Ergebnisse zeigen sind es vor allem die steigenden Zielvorgaben die das gesundheitsgefaumlhrdende Verhalten

der Beschaumlftigten sowie deren koumlrper-liche und psychische Beanspruchungs-symptome beeinflussen Es ist also notwendig sich mit diesen Zielspiralen auseinanderzusetzen die sich allein am Markt und am oumlkonomischen Wachstum und eben nicht am Leistungspotenzial der Beschaumlftigten orientieren Anreiz-systeme der Unternehmen muumlssen wieder so gestaltet werden dass es Wachstums-potenziale fuumlr Beschaumlftigte geben kann und diese nicht nur einem immer unwahrscheinlicherem Erreichen des Unerreichbaren ausgesetzt sind

Dagegen koumlnnen erhoumlhte Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume eindeutig als Res-source verstanden werden die das positive Erleben des Arbeitsalltags beguumlnstigen

Fuumlhren uumlber Zielvereinbarungen hat ndash dar-auf weisen die Ergebnisse hin ndash nicht nur keine gesundheitsschaumldlichen sondern sogar potenziell gesundheitsfoumlrderliche Auswirkungen Ziele koumlnnen Unsicherheit reduzieren indem sie Orientierung und Struktur vermitteln sie koumlnnen helfen Prioritaumlten zu setzen und bestenfalls sinn- und identitaumltsstiftend wirken Dies wird umso mehr der Fall sein je mehr die Ziele von Vorgesetzten realistisch definiert und auch von Beschaumlftigten selbst mit beein-flusst werden koumlnnen Sie sollten als her-ausfordernd und ndash unter Beruumlcksichtigung des eigenen Leistungsvermoumlgens und der vorhandenen Ressourcen im Arbeitsumfeld ndash zugleich als realistisch und erreichbar eingeschaumltzt werden So verstanden stellt Fuumlhren uumlber Ziele ein wesentliches Ele-ment gesundheitsgerechter Mitarbeiterfuumlh-rung dar

Daruumlber hinaus liegt es aber auch in der Verantwortung der Beschaumlftigten die Dynamik der staumlndig steigenden Anfor-derungen durch das eigene undosierte selbstgefaumlhrdende Leistungsverhalten und eine Uumlber identifikation mit den gesetzten Zielvorgaben nicht noch weiter anzureizen Die indirekten Effekte deuten zwar darauf

hin dass das selbstgefaumlhrdende Verhal-ten der Beschaumlftigten wesentlich mit der Unternehmenssteuerung zusammenhaumlngt ndash und selbstverstaumlndlich muumlssen Steue-rungs systeme besonders hinsichtlich der Ziel spiralen uumlberpruumlft und angepasst werden aber auch die Beschaumlftigten muumlssen ihren Umgang mit Grenzen reflektieren Ihnen sollten die Zusam-menhaumlnge und potenziellen Einfluumlsse der Steuerungssysteme auf ihr Gesundheits-verhalten bewusst gemacht werden

Es geht darum Leistungsgrenzen ndash eigene und fremde ndash wahrzunehmen anzunehmen zu kommunizieren und durchzusetzen Das bedeutet auch sich abzugrenzen Dazu bedarf es einer Kultur der Achtsamkeit nicht nur seitens der Fuumlhrung sondern auch der Teammitglie-der untereinander sowie nicht zuletzt der Beschaumlftigten im Umgang mit sich selbst

Dies laumlsst sich nur erreichen wenn Beschaumlftigte Fuumlhrungskraumlfte und Manage-ment ein gemeinsames Bewusstsein der bdquoGrenzen-Problematikldquo entwickeln und gemeinsam an einer gesundheitsfoumlrder-lichen Leistungskultur arbeiten Hierzu sollten Maszlignahmen auf der individuellen Ebene (z B in Form von Verhaltenstrai-nings Kaluza 2011) auf der interperso-nalen Ebene (z B Teamentwicklung Fuumlhrungskraumlfteschulung) und auf der organisationalen Ebene (z B Regelungen zum E-Mail-Verkehr zu Uumlberstunden) integriert durchgefuumlhrt werden Damit wird der Dialektik von Verhalten und Verhaumlltnissen am ehesten entsprochen Fuumlr nachhaltige Wirkungen wird es entscheidend sein das Bewusstsein das im Alltag aufgrund tagesaktueller Aufgaben leicht verloren zu gehen droht uumlber die Dauer einzelner Maszlignahmen hinaus wachzuhalten Hier koumlnnen regel-maumlszligige kollegiale Reflexionstreffen besonders der Fuumlhrungskraumlfte hilfreich sein wie sie in klassischen beziehung s-orien tierten Berufsfeldern in Form von Super vision oder Intervision etabliert sind

11 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Dies wird letztlich nur durch Akteure vor Ort die die unternehmensspezifischen Bedingungen und Prozesse genau kennen erfolgreich umgesetzt werden koumlnnen Eine gesetzliche bdquoAnti-Stress-Verordnungldquo wie sie vor allem von gewerkschaftlicher Seite gefordert wird kann hier lediglich einen allgemeinen Rahmen setzen und bestenfalls den Sozialpartnern einen konstruktiven Weg aus dem Kreislauf der immer gleichen gegenseitigen Schuld- und Verantwortungszuschreibungen weisen

Vielversprechender ist nach den Ergeb-nissen der vorliegenden Studie der kom-binierte Einsatz von Interventionen und Verhaltenstrainings die am Regelwerk der Organisation aber auch am Selbst-verstaumlndnis und der Achtsamkeit der Mitarbeiter ansetzen

Literatur

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Bertelsmann StiftungProgramm Versorgung verbessern ndash Patienten informieren Carl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumltersloh wwwbertelsmann-stiftungdewwwgesundheitsmonitorde

Barmer GEK Lichtscheider Str 89ndash9542285 Wuppertalwwwbarmer-gekde

RedaktionDr Jan BoumlckenTobias FeldhausDr Ruumldiger MeierjuumlrgenNicole Osterkamp

IllustrationChristoph J Kellnerwwwanimanovade

AutorenDr Anja Chevalier(Deutsche Sporthochschule Koumlln)Prof Dr Gert Kaluza(GKM-Institut fuumlr Gesund-heitspsychologie)

KontaktHeike Clostermeyer Tel (05241) 81-8 13 81 Fax (05241) 81-68 13 81 heikeclostermeyer bertelsmann-stiftungde

Die Autoren

Dr Anja Chevalier Jahrgang 1979 ist promovierte Sozialpsychologin und Dozentin an der deutschen Sporthoch-schule Koumlln am Institut fuumlr Sportoumlkono-mie und Sportmanagement Sie studierte Psychologie an der Julius-Maximilans- Universitaumlt Wuumlrzburg RWTH Aachen und der University of Kent in Groszligbritannien Nach der Promotion zum Thema gruppen-basierte Emotionen forschte und lehrte sie mehrere Jahre zu verschiedenen sozialpsychologischen Themen an der Cardiff University (GB) Universiteit van Amsterdam (NL) und Amsterdam Univer-sity College (NL) Seit uumlber zehn Jahren

wird sie regelmaumlszligig fuumlr Lehrauftraumlge und als Referentin zu den Themen Fuumlhrung Gruppendynamik und Interkulturelle Kompetenz sowie Statistik und Methodik angefragt Ihre Forschung konzentriert sich auf Themen zu Performance und Diversity Management

Prof Dr Gert Kaluza Jahrgang 1955 ist Diplom-Psychologe und approbierter psychologischer Psychotherapeut Nach dem Studium der Psychologie und Paumlda gogik an den Universitaumlten Gieszligen und Marburg arbeitete er als wissen-schaft licher Mitarbeiter im Bereich der Medizinischen Psychologie an

verschiedenen Universitaumlten absolvierte psychotherapeutische Ausbildungen in Verhaltenstherapie und koumlrperorien-tierter Psychotherapie und promovierte an der Medizinischen Hochschule Hannover 1989 mit einer Arbeit zur Psychologie des chronischen Schmerzes Die Habili tation erfolgte 1997 am Fach bereich Medizin der Universitaumlt Marburg mit empirischen Studien zu seinem bis heute zentralen Forschungs-thema bdquoBelas tungsverarbeitung und Gesundheitldquo

Nach uumlber 20-jaumlhriger Taumltigkeit in Forschung und Lehre an verschiedenen Universitaumlten gruumlndete er 2002 sein eigenes Fortbildungs- und Trainings-institut und ist seitdem als Autor Trainer und Coach im Bereich der individuellen und betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung taumltig

Page 6: Newsletter - Bertelsmann Stiftung...2015/03/16  · und trotzdem hochaktuell: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und dem Leistungs-verhalten der

6

So geben 41 Prozent an regelmaumlszligig Ziel-vereinbarungsgespraumlche mit ihren Vorge-setzten zu fuumlhren Bei 37 Prozent werden Arbeitsziele zu festen Terminen neu definiert und 52 Prozent nehmen wahr dass auch die Vorgesetzten Zielvorgaben haben die vom Unternehmen festgelegt werden Eine wesentliche Aufgabe beim Fuumlhren uumlber Ziele ist Arbeitsziele reali-stisch zu definieren Allerdings stimmen 36 Prozent der Befragten der Aussage zu dass ihr Vorgesetzter die Arbeitsziele bdquogar nichtldquo oder bdquokaumldquo so anpasst dass diese in der vertraglich vereinbarten Zeit erreicht werden koumlnnen

Unabhaumlngig von dem Fuumlhren uumlber Ziele ist die Wahrnehmung stetig steigender Zielvorgaben (Zielspirale) zu sehen Diese koumlnnen muumlssen aber nicht zwangslaumlufig mit einem ergebnisorientierten Fuumlh-rungsstil zusammenhaumlngen Zielspiralen wurden beispielsweise mit Fragen danach erfasst inwieweit das eigene Arbeitsum-feld durch staumlndig steigende Leistungs-

diverse Freiraumlume zu haben 55 Prozent koumlnnen ihre Arbeit selbst planen und ein-teilen 58 Prozent koumlnnen die Zeit ihrer Pausen 50 Prozent ihr Arbeitstempo oder ihren Arbeitsrhythmus selbst bestimmen Allerdings geben nur 31 Prozent der Befragten an dass sie die Festlegung der Arbeitsziele mitbestimmen koumlnnen und lediglich 21 Prozent koumlnnen die Menge der Arbeit die ihnen uumlbertragen wird beeinflussen (Abbildung 1)

Ein betraumlchtlicher Anteil der Beschaumlf-tigten hat somit zwar Kontrolle uumlber die Mittel und Wege mit denen die Arbeits-ziele erreicht werden nicht jedoch hin-sichtlich der Definition der Arbeitsziele und der darauf bezogenen Arbeitsmenge

Wie verbreitet ist selbstgefaumlhrdendes Verhalten Selbstgefaumlhrdendes Verhalten ist unter den Befragten in Vollzeitbeschaumlftigung bereits relativ verbreitet 22 Prozent haben in den vergangenen drei Monaten

Ertragsziele gepraumlgt ist Ein schwacher statistischer Zusammenhang zwischen bdquoFuumlhren uumlber Zieleldquo und bdquoZielspiraleldquo belegt dass diese als zwei unterschied-liche Konzepte anzusehen sind

Zielspiralen gehoumlren fuumlr einen betraumlcht-lichen Anteil jedoch nicht fuumlr die Mehr-heit der Beschaumlftigten zum Arbeitsalltag So geben 42 Prozent der Befragten an dass ihr Arbeitsumfeld ziemlich oder absolut durch staumlndig steigende Leistungs- und Ertragsziele gepraumlgt ist 33 Prozent fragen sich wie man die staumlndig stei-genden Anforderungen bewaumlltigen soll Knapp 16 Prozent stimmen der Aussage ziemlich oder absolut zu dass jetzige Erfolge bei der naumlchsten Bewertung nur Standard oder gar Misserfolg sind

Handlungs- und EntscheidungsspielraumlumeIndirekte Unternehmenssteuerung geht mit erweiterten Handlungs- und Entschei-dungsspielraumlumen fuumlr die Beschaumlftigten einher Ein Groszligteil der Befragten gibt an

1 5 5 8 81

6 16 32 29 17

12 13 28 56

6 12 32 28 22

2 9 22 21 46

9 13 29 28 21

3 11 22 24 40

2 6 26 39 27

23 7 11 77

bdquoWie haumlufig ist es in den vergangenen drei Monaten vorgekommen dass Sie (Angaben in Prozent)

hellip zusaumltzlich in Ihrer Freizeit (Feierabend Urlaub Wochenende Feiertage) gearbeitet habenldquo

hellip Pausen durchgearbeitet habenldquo

hellip in einem Arbeitstempo gearbeitet haben das Sie langfristig nicht durchhalten koumlnnenldquo

hellip gegenuumlber Vorgesetzten Arbeitskollegen undoder Kunden vorgegeben haben die Arbeit zu schaffen auch wenn Fristen nicht eingehalten werden konntenldquo

hellip trotz Krankheit am Arbeitsplatz erschienen sindldquo

hellip sich mit einem weniger guten Ergebnis zufriedengeben mussten als Sie es normalerweise tunldquo

hellip bis an die Grenzen Ihrer Leistungsfaumlhigkeit gearbeitet habenldquo

hellip GenussmittelSubstanzen (z B Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) konsumiert haben um bei der Arbeit leistungsfaumlhiger zu seinldquo

hellip GenussmittelSubstanzen (z B Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) konsumiert haben um nach der Arbeit besser abschalten zu koumlnnenldquo

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abbildung 2

Quelle Gesundheitsmonitor 2015 n = 487

seltengelegentlichoftsehr oft sehr seltennie

7 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

oft bis sehr oft Pausen durchgearbeitet und elf Prozent haben zusaumltzlich in ihrer Freizeit (Feierabend Urlaub Wochen-ende) gearbeitet 22 Prozent geben an oft bis sehr oft in einem Arbeitstempo gear-beitet zu haben das sie langfristig nicht durchhalten koumlnnen weitere 32 Prozent haben dies gelegentlich getan 18 Prozent der Befragten haben in den letzten drei Monaten oft bis sehr oft und weitere 32 Prozent gelegentlich bis an die Grenzen ihrer Leistungsfaumlhigkeit gearbeitet

Weiterhin geben 14 Prozent der Beschaumlf-tigten an in den letzten drei Monaten oft bis sehr oft trotz Krankheit am Arbeits-platz erschienen zu sein weitere 22 Pro-zent taten dies gelegentlich Zudem geben knapp sechs Prozent an oft bis sehr oft Genussmittel oder Substanzen (Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) zu konsumieren um bei der Arbeit lei-stungsfaumlhiger zu sein knapp fuumlnf Prozent konsumieren oft bis sehr oft aumlhnliche Substanzen um nach der Arbeit besser abschalten zu koumlnnen (Abbildung 2)

Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und selbstgefaumlhrdendem VerhaltenUm die Zusammenhaumlnge zwischen der Art der Unternehmenssteuerung und dem Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens zu berechnen wurde ein Regressions-modell geschaumltzt in dem die acht Indizes der Arbeitszeitregelung der Ergebnis-orientierung und der Handlungs-Ent-scheidungsspielraumlume das Ausmaszlig des selbst gefaumlhrdenden Verhaltens vorher-sagen

Die Zielspirale hat den staumlrksten Einfluss auf selbstgefaumlhrdendes Verhalten Je staumlrker die Beschaumlftigten Zielspiralen in ihrem Arbeitsumfeld wahrnehmen desto wahrscheinlicher verhalten sie sich in selbstgefaumlhrdender Weise Dies trifft auch zu ndash allerdings in deutlich geringerem Ausmaszlig ndash wenn Arbeitszeiten voumlllig

flexibel und selbstbestimmt sind sowie Uumlberstunden gar nicht oder nur begrenzt bezahlt oder ausgeglichen werden

Waumlhrend stetig steigende Zielvorgaben also das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Ver-haltens deutlich erhoumlhen sind die Effekte der Merkmale bdquoFuumlhren uumlber Zieleldquo und bdquoHandlungs- und Entscheidungsspiel-raumlumeldquo zwar deutlich schwaumlcher vermin-dern aber selbstgefaumlhrdendes Verhalten Das bedeutet Wenn regelmaumlszligig offene verbindliche und realistische Zielverein-barungsgespraumlche gefuumlhrt und die dabei vereinbarten Ziele als innerhalb der vertraglichen Arbeitszeit erreichbar ein-geschaumltzt werden reduziert dies selbstge-faumlhrdendes Verhalten der Beschaumlftigten In gleicher Weise wirken sich Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume aus Je groumlszliger diese von den Beschaumlftigten ein-geschaumltzt werden desto geringer ist das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens

Zusammenfassend wird die Wahrschein-lichkeit fuumlr selbstgefaumlhrdendes Verhal-ten also nicht durch das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich erhoumlht son-dern vor allem durch unrealistische und staumlndig steigende Zielvorgaben Das gilt auch allerdings in geringerem Maszlige fuumlr flexible voumlllig selbstbestimmte Arbeits-zeiten (Vertrauensarbeitszeit) und nicht verguumltete Mehrarbeit

Die Ergebnisse des Regressionsmodells sind in Tabelle 2 dargestellt und zeigen die stan-dardisierten Regressionskoeffizienten fuumlr die Beziehung zwischen der abhaumlngigen Variable (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) und dem jeweiligen Vorhersageparameter

Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und BeanspruchungAls Indikatoren psychischer und physischer Beanspruchung wurden im Fragebogen erhobenn die allgemeine Arbeitszufriedenheitn die Work-Life-Balance n das habituelle Wohlbefinden (Herda

Scharfenstein und Basler 1998)n der kognitive Stress (Nuumlbling et al

2005)n die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout

(Nuumlbling et al 2005)n die Einschlaf- beziehungsweise Durch-

schlafstoumlrungen

Zur Pruumlfung der Zusammenhaumlnge zwi-schen der Art der Unternehmenssteue-rung und den Beanspruchungsindikato-ren wurden ebenfalls Regressionsmodelle geschaumltzt in denen wieder die acht Indizes zur Arbeitszeitregelung Ergebni-sorientierung und zu den Handlungs- und Entscheidungsspielraumlumen die verschie-denen Beanspruchungsindikatoren vor-hersagen

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf selbstgefaumlhrdendes Verhalten ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

Vorhersageparameter des Regressionsmodells

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Regressionskoeffizient szlig Signifikanz

014

013

015

-011

044

-016

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 2

8

Als durchgaumlngig relevanter Vorhersage-parameter von psychischer und physischer Beanspruchung erweist sich erneut die Zielspirale Je staumlrker diese wahrgenom-men wird desto geringer sind Arbeits-zufriedenheit Work-Life-Balance sowie habituelles Wohlbefinden und desto staumlrker ausgepraumlgt sind insbesondere die Tendenz zu Burnout kognitiven Stresssymptomen und Ein-Durchschlafstoumlrungen

Dagegen wirken groumlszligere Handlungs-spielraumlume als Ressource besonders verstaumlrkend auf Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden sowie leicht reduzierend auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout Aumlhnlich hat auch Fuumlhren uumlber Ziele einen leicht positiven Einfluss auf die Arbeits-zufriedenheit die Work-Life-Balance das habituelle Wohlbefinden und eine leicht reduzierende Wirkung auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout (Tabelle 3)

Diese Ergebnisse zeigen erneut dass Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen im

diese Zusammenhaumlnge durch selbstge-faumlhrdendes Verhalten erklaumlrt werden koumlnnen

Dazu wurde mit einfachen Mediati-onsanalysen berechnet ob der direkte Zusammenhang zwischen Praumldiktor (Zielspirale oder Handlungsspielraum) und abhaumlngiger Variable (Beanspru-chung) durch den Einfluss des Mediators (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) signifi-kant reduziert wird Tabelle 4 fasst die Ergebnisse dieser Analysen zusammen

Die Ergebnisse zeigen dass die Zusam-menhaumlnge zwischen den Indikatoren fuumlr Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung deutlich reduziert werden wenn selbstgefaumlhrdendes Verhalten beruumlcksich-tigt wird Die urspruumlnglichen Effekte der Zielspirale werden fuumlr alle Variablen um mindestens 50 Prozent reduziert

Das bedeutet dass die Beschaumlftigten ihre Beanspruchung zu einem relevanten Anteil aufgrund ihres selbstgefaumlhrdenden Verhaltens erleben welches seinerseits verstaumlrkt als Folge von wahrgenommenen Zielspiralen und abgemildert als Folge von erhoumlhten Handlungsspielraumlumen auftritt Umgekehrt laumlsst sich sagen dass Merkmale indirekter Steuerung (in diesem Fall besonders Zielspiralen und Handlungsspielraumlume) selbstge-faumlhrdendes Verhalten verstaumlrken oder abschwaumlchen und daruumlber auch die Beanspruchung von Beschaumlftigten indi-rekt beeinflussen

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse also dass hier ein differenzierter Effekt von indirekter Steuerung auf Beanspru-chung vorliegt sowohl uumlber den direkten Zusammenhang (Tabelle 3) als auch durch den indirekten Zusammenhang mit selbstgefaumlhrdendem Verhalten So zeigen die hier untersuchten Merkmale der indirekten Unternehmenssteuerung (Zielspirale und Handlungsspielraumlume) sowohl beanspruchungsverstaumlrkende als

Allgemeinen keine negativen sondern sogar eher leicht positive Auswirkungen fuumlr die Beschaumlftigten zeigt Der wichtigste Faktor fuumlr psychisches und physisches Stresserleben liegt in dem kontinuierlichen Anstieg von Zielvorgaben also in der Wahr-nehmung einer sich stetig zuspitzenden Zielspirale Zugleich unterstreichen die vorliegenden Ergebnisse ndash in Uumlbereinstim-mung mit der Arbeitsstressforschung ndash die Bedeutung von Handlungs- und Entschei-dungsspielraumlumen als Ressource die fuumlr das positive Arbeitserleben von Beschaumlftig-ten wichtig ist

Inwieweit werden Zusammenhaumlnge zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und den Beanspruchungs-indikatoren durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens erklaumlrt Es bestehen statistisch bedeutsame Zusammenhaumlnge besonders zwischen den Praumldiktoren Zielspirale und Hand-lungsspielraum einerseits und den Beanspruchungsindikatoren andererseits Es soll nun gepruumlft werden inwieweit

kognitiver Stress Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen

persoumlnliches Burnout

Tabelle 3

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf psychische und physische Beanspruchung ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Arbeitszufriedenheit

Vorhersageparameter Regressionskoeffizient szlig

-011

016

-028

034

028

-010

-009

-011

-009

016

-035

028

-013

045

-018

-014

013

-034

027

-013

016

habituelles Wohlbefinden

Work-Life-Balance

9 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

auch -reduzierende Effekte die zu einem relevanten Teil durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens von Beschaumlftig-ten erklaumlrt werden koumlnnen

Diskussion der Ergebnisse

Es wurde untersucht inwieweit die Arbeitsbedingungen abhaumlngig Beschaumlf-tigter in Deutschland durch Merkmale indirekter Unternehmenssteuerung gepraumlgt sind welche Auswirkungen dies auf das Leistungsverhalten der Beschaumlf-tigten hat und welche Chancen und Risiken sich daraus im Hinblick auf ihr Stresserleben und ihre Gesundheit erge-ben Im Besonderen wurde beleuchtet welche Rolle ein fuumlr die eigene Gesund-heit riskantes naumlmlich selbstgefaumlhrden-des Verhalten der Beschaumlftigten in diesen Prozessen spielt

Die Ergebnisse zeigen dass Formen der indirekten Unternehmensfuumlhrung bei Vollzeitbeschaumlftigten in Deutschland bereits weit verbreitet sind Mit den Frei-heiten flexibler Arbeit gehen allerdings fuumlr durchschnittlich knapp ein Viertel der Beschaumlftigten weder eine Erfassung noch eine Verguumltung geleisteter Uumlberstunden einher Rund ein Drittel der Beschaumlftigten

sieht sich zudem in einer sich immer weiter zuspitzenden Zielspirale in der man sich fragt wie man die staumlndig steigenden Anforderungen bewaumlltigen soll

Die Mehrheit der Befragten sieht Spiel-raumlume und Freiheiten bei der Durchfuumlh-rung der Arbeit Diese Freiheiten schlie-szligen aber fuumlr einen Groszligteil der Beschaumlf-tigten keinerlei Mitbestimmung bei der Menge der Arbeit und den genauen Ziel-vereinbarungen einn Wie wirken sich diese Arbeitsbedin-

gungen einer indirekten ergebnisorien-tierten Unternehmenssteuerung auf das Leistungsverhalten und das Beanspru-chungserleben der Beschaumlftigten aus

n Fuumlhren sie tatsaumlchlich dazu dass Beschaumlftigte im Interesse der Zielerrei-chung eigene Grenzen uumlberschreiten und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen sprechen eine klare Sprache Einige Indi-katoren indirekter Steuerung (Zielspira-len flexible und selbstbestimmte Arbeits-zeiten sowie unbezahlte Mehrarbeit) sagen selbstgefaumlhrdendes Verhalten sowie koumlrperliches und psychisches Beanspru-chungserleben aufseiten der Beschaumlftigten

voraus Andere Indikatoren (Handlungs-spielraumlume und Fuumlhren uumlber Ziele) haben einen leicht beguumlnstigenden Einfluss vor allem auf die positiven abhaumlngigen Variablen Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohlbefinden

Dabei leisten nicht alle Indikatoren den gleichen Beitrag Den wichtigsten verstaumlr-kenden Faktor fuumlr Selbstgefaumlhrdung und Beanspruchung stellt durchgaumlngig die Zielspirale dar gefolgt von nicht verguumlte-ten Uumlberstunden Letzteres kann auch als Ausdruck mangelnder Anerkennung fuumlr geleisteten Einsatz im Sinne des Modells der beruflichen Gratifikationskrisen (Siegrist 1996) verstanden werden

Dagegen wirken sich Handlungs- und Ent-scheidungsspielraumlume ganz im Sinne des Anforderungs-Kontroll-Modells (Karasek und Theorell 1990) aus Sie reduzieren Selbstgefaumlhrdung sowie persoumlnliches Burnout und foumlrdern Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden Dies ist ein weiterer Beleg dafuumlr dass es gerade bei steigenden Leistungs-anforderungen gesundheits foumlrderlich ist die Handlungs- und Entscheidungsspiel-raumlume der Beschaumlftigten (allerdings auch in Bezug auf die Menge der Arbeit und die Zielvorgaben) anzupassen

Das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich wirkt nur geringfuumlgig und wenn dann eher abschwaumlchend auf selbst-gefaumlhrdendes Verhalten und Bean-spruchungsindikatoren Wie eine Detail-analyse gezeigt hat laumlsst sich dieser positive Effekt des Fuumlhrens uumlber Ziele im Wesentlichen auf ein Item zuruumlckfuumlhren bdquoMein Vorgesetzter passt die Arbeitsziele so an dass ich diese in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreichen kannldquo Damit bestaumltigt sich letztlich noch einmal die Bedeutung realistischer Zielvorgaben die an das Leistungsvermoumlgen des Mit-arbeiters angepasst und eben nicht staumlndig steigend und einseitig am Markt orientiert sind

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 n s = nicht signifikant Die Staumlrke der Reduktion wurde mit der dafuumlr geeigneten Pruumlfstatistik berechnet die in allen Faumlllen die Differenzen zwischen den Effekten mit einem hohen statistischen Signifikanzniveau absichert

Mediationsanalysen von Zielspirale beziehungsweise Handlungsspielraumlumen uumlber selbstgefaumlhrdendes Verhalten auf Beanspruchungssymptome

1 Arbeitszufriedenheit

2 Work-Life-Balance

3 habituelles Wohlbefinden

4 kognitiver Stress

5 persoumlnliches Burnout

6 Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen Rsup2

ZielspiralePraumldiktor

abhaumlngige Variable urspruumlnglicher Effekt

-036

-043

-039

031

047

012

reduzierter Effekt

-017

-020

-016

012

021

-003 ns

urspruumlnglicher Effekt

043

035

033

-017

-033

-014

reduzierter Effekt

034

023

021

-006 ns

-019

-008 ns

Handlungsspielraumlume

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 4

10

Die Analysen der indirekten Effekte zeigen dass die Einfluumlsse der beiden wichtigsten Vorhersageparameter Zielspirale und Handlungsspielraumlume auf die verschiedenen Beanspruchungs-indikatoren im Wesentlichen auf das selbst gefaumlhrdende Verhalten der Beschaumlf-tigten zuruumlckgefuumlhrt werden koumlnnen

Das selbstgefaumlhrdende Verhalten uumlber-nimmt somit eine Schluumlsselrolle in der Beziehung zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung beziehungsweise Gesundheit der Beschaumlftigten Zum einen beguumlnstigen vor allem die stetig steigenden Zielvorgaben gesundheitsgefaumlhrdendes Arbeitsverhal-ten der Beschaumlftigten zum anderen fuumlhrt dieses Verhalten zu verstaumlrkten Bean-spruchungssymptomen Dies bedeutet jedoch nicht dass die Verantwortung fuumlr die gesundheitlichen Folgen allein bei den sich selbstgefaumlhrdend verhaltenden Beschaumlftigten liegt Die Analysen der indirekten Effekte belegen ein deutig Selbstgefaumlhrdendes Verhalten tritt als Folge indirekter Steuerung auf und erklaumlrt somit zwar teilweise den Effekt auf Beanspruchung kann aber nicht die eigentliche Ursache sein

Unternehmen stehen hier also erst ein-mal in der Verantwortung Arbeits- und Leistungskulturen zu gestalten in denen ein gesundheitsfoumlrderliches Arbeits- und Leistungsverhalten des Einzelnen uumlber-haupt moumlglich wird

Empfehlungen fuumlr die Gesundheitspolitik Welche praktischen Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den Ergebnissen im Hinblick auf die Gesundheit und die Gesundheitsfoumlrderung der Beschaumlftigten ableiten

Wie die Ergebnisse zeigen sind es vor allem die steigenden Zielvorgaben die das gesundheitsgefaumlhrdende Verhalten

der Beschaumlftigten sowie deren koumlrper-liche und psychische Beanspruchungs-symptome beeinflussen Es ist also notwendig sich mit diesen Zielspiralen auseinanderzusetzen die sich allein am Markt und am oumlkonomischen Wachstum und eben nicht am Leistungspotenzial der Beschaumlftigten orientieren Anreiz-systeme der Unternehmen muumlssen wieder so gestaltet werden dass es Wachstums-potenziale fuumlr Beschaumlftigte geben kann und diese nicht nur einem immer unwahrscheinlicherem Erreichen des Unerreichbaren ausgesetzt sind

Dagegen koumlnnen erhoumlhte Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume eindeutig als Res-source verstanden werden die das positive Erleben des Arbeitsalltags beguumlnstigen

Fuumlhren uumlber Zielvereinbarungen hat ndash dar-auf weisen die Ergebnisse hin ndash nicht nur keine gesundheitsschaumldlichen sondern sogar potenziell gesundheitsfoumlrderliche Auswirkungen Ziele koumlnnen Unsicherheit reduzieren indem sie Orientierung und Struktur vermitteln sie koumlnnen helfen Prioritaumlten zu setzen und bestenfalls sinn- und identitaumltsstiftend wirken Dies wird umso mehr der Fall sein je mehr die Ziele von Vorgesetzten realistisch definiert und auch von Beschaumlftigten selbst mit beein-flusst werden koumlnnen Sie sollten als her-ausfordernd und ndash unter Beruumlcksichtigung des eigenen Leistungsvermoumlgens und der vorhandenen Ressourcen im Arbeitsumfeld ndash zugleich als realistisch und erreichbar eingeschaumltzt werden So verstanden stellt Fuumlhren uumlber Ziele ein wesentliches Ele-ment gesundheitsgerechter Mitarbeiterfuumlh-rung dar

Daruumlber hinaus liegt es aber auch in der Verantwortung der Beschaumlftigten die Dynamik der staumlndig steigenden Anfor-derungen durch das eigene undosierte selbstgefaumlhrdende Leistungsverhalten und eine Uumlber identifikation mit den gesetzten Zielvorgaben nicht noch weiter anzureizen Die indirekten Effekte deuten zwar darauf

hin dass das selbstgefaumlhrdende Verhal-ten der Beschaumlftigten wesentlich mit der Unternehmenssteuerung zusammenhaumlngt ndash und selbstverstaumlndlich muumlssen Steue-rungs systeme besonders hinsichtlich der Ziel spiralen uumlberpruumlft und angepasst werden aber auch die Beschaumlftigten muumlssen ihren Umgang mit Grenzen reflektieren Ihnen sollten die Zusam-menhaumlnge und potenziellen Einfluumlsse der Steuerungssysteme auf ihr Gesundheits-verhalten bewusst gemacht werden

Es geht darum Leistungsgrenzen ndash eigene und fremde ndash wahrzunehmen anzunehmen zu kommunizieren und durchzusetzen Das bedeutet auch sich abzugrenzen Dazu bedarf es einer Kultur der Achtsamkeit nicht nur seitens der Fuumlhrung sondern auch der Teammitglie-der untereinander sowie nicht zuletzt der Beschaumlftigten im Umgang mit sich selbst

Dies laumlsst sich nur erreichen wenn Beschaumlftigte Fuumlhrungskraumlfte und Manage-ment ein gemeinsames Bewusstsein der bdquoGrenzen-Problematikldquo entwickeln und gemeinsam an einer gesundheitsfoumlrder-lichen Leistungskultur arbeiten Hierzu sollten Maszlignahmen auf der individuellen Ebene (z B in Form von Verhaltenstrai-nings Kaluza 2011) auf der interperso-nalen Ebene (z B Teamentwicklung Fuumlhrungskraumlfteschulung) und auf der organisationalen Ebene (z B Regelungen zum E-Mail-Verkehr zu Uumlberstunden) integriert durchgefuumlhrt werden Damit wird der Dialektik von Verhalten und Verhaumlltnissen am ehesten entsprochen Fuumlr nachhaltige Wirkungen wird es entscheidend sein das Bewusstsein das im Alltag aufgrund tagesaktueller Aufgaben leicht verloren zu gehen droht uumlber die Dauer einzelner Maszlignahmen hinaus wachzuhalten Hier koumlnnen regel-maumlszligige kollegiale Reflexionstreffen besonders der Fuumlhrungskraumlfte hilfreich sein wie sie in klassischen beziehung s-orien tierten Berufsfeldern in Form von Super vision oder Intervision etabliert sind

11 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Dies wird letztlich nur durch Akteure vor Ort die die unternehmensspezifischen Bedingungen und Prozesse genau kennen erfolgreich umgesetzt werden koumlnnen Eine gesetzliche bdquoAnti-Stress-Verordnungldquo wie sie vor allem von gewerkschaftlicher Seite gefordert wird kann hier lediglich einen allgemeinen Rahmen setzen und bestenfalls den Sozialpartnern einen konstruktiven Weg aus dem Kreislauf der immer gleichen gegenseitigen Schuld- und Verantwortungszuschreibungen weisen

Vielversprechender ist nach den Ergeb-nissen der vorliegenden Studie der kom-binierte Einsatz von Interventionen und Verhaltenstrainings die am Regelwerk der Organisation aber auch am Selbst-verstaumlndnis und der Achtsamkeit der Mitarbeiter ansetzen

Literatur

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n Krause A S Baeriswyl M Berset N Deci J Dettmers W Meier S Schra-ner B Stetter und L Straub bdquoSelbstge-faumlhrdung als Indikator fuumlr Maumlngel bei der Gestaltung mobil-flexibler Arbeit Zur Entwicklung eines Erhebungsin-strumentsldquo Wirtschaftspsychologie (in Druck)

n Krause A C Dorsemagen J Stadlinger und S Baeriswyl bdquoIndirekte Steuerung und interessierte Selbstgefaumlhrdung Ergebnisse aus Befragungen und Fallstu-dien Konsequenzen fuumlr das Betriebliche Gesundheitsmanagementldquo Fehlzeiten-Report 2012 Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt Chancen nutzen ndash Risiken minimieren Hrsg B Badura A Ducki H Schroumlder J Klose und M Meyer Berlin und Heidelberg 2012 191ndash202

n Lohmann-Haislah A Stressreport Deutschland 2012 ndash Psychische Anfor-

Bertelsmann StiftungProgramm Versorgung verbessern ndash Patienten informieren Carl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumltersloh wwwbertelsmann-stiftungdewwwgesundheitsmonitorde

Barmer GEK Lichtscheider Str 89ndash9542285 Wuppertalwwwbarmer-gekde

RedaktionDr Jan BoumlckenTobias FeldhausDr Ruumldiger MeierjuumlrgenNicole Osterkamp

IllustrationChristoph J Kellnerwwwanimanovade

AutorenDr Anja Chevalier(Deutsche Sporthochschule Koumlln)Prof Dr Gert Kaluza(GKM-Institut fuumlr Gesund-heitspsychologie)

KontaktHeike Clostermeyer Tel (05241) 81-8 13 81 Fax (05241) 81-68 13 81 heikeclostermeyer bertelsmann-stiftungde

Die Autoren

Dr Anja Chevalier Jahrgang 1979 ist promovierte Sozialpsychologin und Dozentin an der deutschen Sporthoch-schule Koumlln am Institut fuumlr Sportoumlkono-mie und Sportmanagement Sie studierte Psychologie an der Julius-Maximilans- Universitaumlt Wuumlrzburg RWTH Aachen und der University of Kent in Groszligbritannien Nach der Promotion zum Thema gruppen-basierte Emotionen forschte und lehrte sie mehrere Jahre zu verschiedenen sozialpsychologischen Themen an der Cardiff University (GB) Universiteit van Amsterdam (NL) und Amsterdam Univer-sity College (NL) Seit uumlber zehn Jahren

wird sie regelmaumlszligig fuumlr Lehrauftraumlge und als Referentin zu den Themen Fuumlhrung Gruppendynamik und Interkulturelle Kompetenz sowie Statistik und Methodik angefragt Ihre Forschung konzentriert sich auf Themen zu Performance und Diversity Management

Prof Dr Gert Kaluza Jahrgang 1955 ist Diplom-Psychologe und approbierter psychologischer Psychotherapeut Nach dem Studium der Psychologie und Paumlda gogik an den Universitaumlten Gieszligen und Marburg arbeitete er als wissen-schaft licher Mitarbeiter im Bereich der Medizinischen Psychologie an

verschiedenen Universitaumlten absolvierte psychotherapeutische Ausbildungen in Verhaltenstherapie und koumlrperorien-tierter Psychotherapie und promovierte an der Medizinischen Hochschule Hannover 1989 mit einer Arbeit zur Psychologie des chronischen Schmerzes Die Habili tation erfolgte 1997 am Fach bereich Medizin der Universitaumlt Marburg mit empirischen Studien zu seinem bis heute zentralen Forschungs-thema bdquoBelas tungsverarbeitung und Gesundheitldquo

Nach uumlber 20-jaumlhriger Taumltigkeit in Forschung und Lehre an verschiedenen Universitaumlten gruumlndete er 2002 sein eigenes Fortbildungs- und Trainings-institut und ist seitdem als Autor Trainer und Coach im Bereich der individuellen und betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung taumltig

Page 7: Newsletter - Bertelsmann Stiftung...2015/03/16  · und trotzdem hochaktuell: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und dem Leistungs-verhalten der

7 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

oft bis sehr oft Pausen durchgearbeitet und elf Prozent haben zusaumltzlich in ihrer Freizeit (Feierabend Urlaub Wochen-ende) gearbeitet 22 Prozent geben an oft bis sehr oft in einem Arbeitstempo gear-beitet zu haben das sie langfristig nicht durchhalten koumlnnen weitere 32 Prozent haben dies gelegentlich getan 18 Prozent der Befragten haben in den letzten drei Monaten oft bis sehr oft und weitere 32 Prozent gelegentlich bis an die Grenzen ihrer Leistungsfaumlhigkeit gearbeitet

Weiterhin geben 14 Prozent der Beschaumlf-tigten an in den letzten drei Monaten oft bis sehr oft trotz Krankheit am Arbeits-platz erschienen zu sein weitere 22 Pro-zent taten dies gelegentlich Zudem geben knapp sechs Prozent an oft bis sehr oft Genussmittel oder Substanzen (Alkohol Koffein Nikotin oder Medikamente) zu konsumieren um bei der Arbeit lei-stungsfaumlhiger zu sein knapp fuumlnf Prozent konsumieren oft bis sehr oft aumlhnliche Substanzen um nach der Arbeit besser abschalten zu koumlnnen (Abbildung 2)

Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und selbstgefaumlhrdendem VerhaltenUm die Zusammenhaumlnge zwischen der Art der Unternehmenssteuerung und dem Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens zu berechnen wurde ein Regressions-modell geschaumltzt in dem die acht Indizes der Arbeitszeitregelung der Ergebnis-orientierung und der Handlungs-Ent-scheidungsspielraumlume das Ausmaszlig des selbst gefaumlhrdenden Verhaltens vorher-sagen

Die Zielspirale hat den staumlrksten Einfluss auf selbstgefaumlhrdendes Verhalten Je staumlrker die Beschaumlftigten Zielspiralen in ihrem Arbeitsumfeld wahrnehmen desto wahrscheinlicher verhalten sie sich in selbstgefaumlhrdender Weise Dies trifft auch zu ndash allerdings in deutlich geringerem Ausmaszlig ndash wenn Arbeitszeiten voumlllig

flexibel und selbstbestimmt sind sowie Uumlberstunden gar nicht oder nur begrenzt bezahlt oder ausgeglichen werden

Waumlhrend stetig steigende Zielvorgaben also das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Ver-haltens deutlich erhoumlhen sind die Effekte der Merkmale bdquoFuumlhren uumlber Zieleldquo und bdquoHandlungs- und Entscheidungsspiel-raumlumeldquo zwar deutlich schwaumlcher vermin-dern aber selbstgefaumlhrdendes Verhalten Das bedeutet Wenn regelmaumlszligig offene verbindliche und realistische Zielverein-barungsgespraumlche gefuumlhrt und die dabei vereinbarten Ziele als innerhalb der vertraglichen Arbeitszeit erreichbar ein-geschaumltzt werden reduziert dies selbstge-faumlhrdendes Verhalten der Beschaumlftigten In gleicher Weise wirken sich Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume aus Je groumlszliger diese von den Beschaumlftigten ein-geschaumltzt werden desto geringer ist das Ausmaszlig selbstgefaumlhrdenden Verhaltens

Zusammenfassend wird die Wahrschein-lichkeit fuumlr selbstgefaumlhrdendes Verhal-ten also nicht durch das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich erhoumlht son-dern vor allem durch unrealistische und staumlndig steigende Zielvorgaben Das gilt auch allerdings in geringerem Maszlige fuumlr flexible voumlllig selbstbestimmte Arbeits-zeiten (Vertrauensarbeitszeit) und nicht verguumltete Mehrarbeit

Die Ergebnisse des Regressionsmodells sind in Tabelle 2 dargestellt und zeigen die stan-dardisierten Regressionskoeffizienten fuumlr die Beziehung zwischen der abhaumlngigen Variable (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) und dem jeweiligen Vorhersageparameter

Welche Zusammenhaumlnge bestehen zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und BeanspruchungAls Indikatoren psychischer und physischer Beanspruchung wurden im Fragebogen erhobenn die allgemeine Arbeitszufriedenheitn die Work-Life-Balance n das habituelle Wohlbefinden (Herda

Scharfenstein und Basler 1998)n der kognitive Stress (Nuumlbling et al

2005)n die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout

(Nuumlbling et al 2005)n die Einschlaf- beziehungsweise Durch-

schlafstoumlrungen

Zur Pruumlfung der Zusammenhaumlnge zwi-schen der Art der Unternehmenssteue-rung und den Beanspruchungsindikato-ren wurden ebenfalls Regressionsmodelle geschaumltzt in denen wieder die acht Indizes zur Arbeitszeitregelung Ergebni-sorientierung und zu den Handlungs- und Entscheidungsspielraumlumen die verschie-denen Beanspruchungsindikatoren vor-hersagen

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf selbstgefaumlhrdendes Verhalten ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

Vorhersageparameter des Regressionsmodells

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Regressionskoeffizient szlig Signifikanz

014

013

015

-011

044

-016

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 2

8

Als durchgaumlngig relevanter Vorhersage-parameter von psychischer und physischer Beanspruchung erweist sich erneut die Zielspirale Je staumlrker diese wahrgenom-men wird desto geringer sind Arbeits-zufriedenheit Work-Life-Balance sowie habituelles Wohlbefinden und desto staumlrker ausgepraumlgt sind insbesondere die Tendenz zu Burnout kognitiven Stresssymptomen und Ein-Durchschlafstoumlrungen

Dagegen wirken groumlszligere Handlungs-spielraumlume als Ressource besonders verstaumlrkend auf Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden sowie leicht reduzierend auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout Aumlhnlich hat auch Fuumlhren uumlber Ziele einen leicht positiven Einfluss auf die Arbeits-zufriedenheit die Work-Life-Balance das habituelle Wohlbefinden und eine leicht reduzierende Wirkung auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout (Tabelle 3)

Diese Ergebnisse zeigen erneut dass Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen im

diese Zusammenhaumlnge durch selbstge-faumlhrdendes Verhalten erklaumlrt werden koumlnnen

Dazu wurde mit einfachen Mediati-onsanalysen berechnet ob der direkte Zusammenhang zwischen Praumldiktor (Zielspirale oder Handlungsspielraum) und abhaumlngiger Variable (Beanspru-chung) durch den Einfluss des Mediators (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) signifi-kant reduziert wird Tabelle 4 fasst die Ergebnisse dieser Analysen zusammen

Die Ergebnisse zeigen dass die Zusam-menhaumlnge zwischen den Indikatoren fuumlr Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung deutlich reduziert werden wenn selbstgefaumlhrdendes Verhalten beruumlcksich-tigt wird Die urspruumlnglichen Effekte der Zielspirale werden fuumlr alle Variablen um mindestens 50 Prozent reduziert

Das bedeutet dass die Beschaumlftigten ihre Beanspruchung zu einem relevanten Anteil aufgrund ihres selbstgefaumlhrdenden Verhaltens erleben welches seinerseits verstaumlrkt als Folge von wahrgenommenen Zielspiralen und abgemildert als Folge von erhoumlhten Handlungsspielraumlumen auftritt Umgekehrt laumlsst sich sagen dass Merkmale indirekter Steuerung (in diesem Fall besonders Zielspiralen und Handlungsspielraumlume) selbstge-faumlhrdendes Verhalten verstaumlrken oder abschwaumlchen und daruumlber auch die Beanspruchung von Beschaumlftigten indi-rekt beeinflussen

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse also dass hier ein differenzierter Effekt von indirekter Steuerung auf Beanspru-chung vorliegt sowohl uumlber den direkten Zusammenhang (Tabelle 3) als auch durch den indirekten Zusammenhang mit selbstgefaumlhrdendem Verhalten So zeigen die hier untersuchten Merkmale der indirekten Unternehmenssteuerung (Zielspirale und Handlungsspielraumlume) sowohl beanspruchungsverstaumlrkende als

Allgemeinen keine negativen sondern sogar eher leicht positive Auswirkungen fuumlr die Beschaumlftigten zeigt Der wichtigste Faktor fuumlr psychisches und physisches Stresserleben liegt in dem kontinuierlichen Anstieg von Zielvorgaben also in der Wahr-nehmung einer sich stetig zuspitzenden Zielspirale Zugleich unterstreichen die vorliegenden Ergebnisse ndash in Uumlbereinstim-mung mit der Arbeitsstressforschung ndash die Bedeutung von Handlungs- und Entschei-dungsspielraumlumen als Ressource die fuumlr das positive Arbeitserleben von Beschaumlftig-ten wichtig ist

Inwieweit werden Zusammenhaumlnge zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und den Beanspruchungs-indikatoren durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens erklaumlrt Es bestehen statistisch bedeutsame Zusammenhaumlnge besonders zwischen den Praumldiktoren Zielspirale und Hand-lungsspielraum einerseits und den Beanspruchungsindikatoren andererseits Es soll nun gepruumlft werden inwieweit

kognitiver Stress Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen

persoumlnliches Burnout

Tabelle 3

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf psychische und physische Beanspruchung ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Arbeitszufriedenheit

Vorhersageparameter Regressionskoeffizient szlig

-011

016

-028

034

028

-010

-009

-011

-009

016

-035

028

-013

045

-018

-014

013

-034

027

-013

016

habituelles Wohlbefinden

Work-Life-Balance

9 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

auch -reduzierende Effekte die zu einem relevanten Teil durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens von Beschaumlftig-ten erklaumlrt werden koumlnnen

Diskussion der Ergebnisse

Es wurde untersucht inwieweit die Arbeitsbedingungen abhaumlngig Beschaumlf-tigter in Deutschland durch Merkmale indirekter Unternehmenssteuerung gepraumlgt sind welche Auswirkungen dies auf das Leistungsverhalten der Beschaumlf-tigten hat und welche Chancen und Risiken sich daraus im Hinblick auf ihr Stresserleben und ihre Gesundheit erge-ben Im Besonderen wurde beleuchtet welche Rolle ein fuumlr die eigene Gesund-heit riskantes naumlmlich selbstgefaumlhrden-des Verhalten der Beschaumlftigten in diesen Prozessen spielt

Die Ergebnisse zeigen dass Formen der indirekten Unternehmensfuumlhrung bei Vollzeitbeschaumlftigten in Deutschland bereits weit verbreitet sind Mit den Frei-heiten flexibler Arbeit gehen allerdings fuumlr durchschnittlich knapp ein Viertel der Beschaumlftigten weder eine Erfassung noch eine Verguumltung geleisteter Uumlberstunden einher Rund ein Drittel der Beschaumlftigten

sieht sich zudem in einer sich immer weiter zuspitzenden Zielspirale in der man sich fragt wie man die staumlndig steigenden Anforderungen bewaumlltigen soll

Die Mehrheit der Befragten sieht Spiel-raumlume und Freiheiten bei der Durchfuumlh-rung der Arbeit Diese Freiheiten schlie-szligen aber fuumlr einen Groszligteil der Beschaumlf-tigten keinerlei Mitbestimmung bei der Menge der Arbeit und den genauen Ziel-vereinbarungen einn Wie wirken sich diese Arbeitsbedin-

gungen einer indirekten ergebnisorien-tierten Unternehmenssteuerung auf das Leistungsverhalten und das Beanspru-chungserleben der Beschaumlftigten aus

n Fuumlhren sie tatsaumlchlich dazu dass Beschaumlftigte im Interesse der Zielerrei-chung eigene Grenzen uumlberschreiten und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen sprechen eine klare Sprache Einige Indi-katoren indirekter Steuerung (Zielspira-len flexible und selbstbestimmte Arbeits-zeiten sowie unbezahlte Mehrarbeit) sagen selbstgefaumlhrdendes Verhalten sowie koumlrperliches und psychisches Beanspru-chungserleben aufseiten der Beschaumlftigten

voraus Andere Indikatoren (Handlungs-spielraumlume und Fuumlhren uumlber Ziele) haben einen leicht beguumlnstigenden Einfluss vor allem auf die positiven abhaumlngigen Variablen Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohlbefinden

Dabei leisten nicht alle Indikatoren den gleichen Beitrag Den wichtigsten verstaumlr-kenden Faktor fuumlr Selbstgefaumlhrdung und Beanspruchung stellt durchgaumlngig die Zielspirale dar gefolgt von nicht verguumlte-ten Uumlberstunden Letzteres kann auch als Ausdruck mangelnder Anerkennung fuumlr geleisteten Einsatz im Sinne des Modells der beruflichen Gratifikationskrisen (Siegrist 1996) verstanden werden

Dagegen wirken sich Handlungs- und Ent-scheidungsspielraumlume ganz im Sinne des Anforderungs-Kontroll-Modells (Karasek und Theorell 1990) aus Sie reduzieren Selbstgefaumlhrdung sowie persoumlnliches Burnout und foumlrdern Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden Dies ist ein weiterer Beleg dafuumlr dass es gerade bei steigenden Leistungs-anforderungen gesundheits foumlrderlich ist die Handlungs- und Entscheidungsspiel-raumlume der Beschaumlftigten (allerdings auch in Bezug auf die Menge der Arbeit und die Zielvorgaben) anzupassen

Das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich wirkt nur geringfuumlgig und wenn dann eher abschwaumlchend auf selbst-gefaumlhrdendes Verhalten und Bean-spruchungsindikatoren Wie eine Detail-analyse gezeigt hat laumlsst sich dieser positive Effekt des Fuumlhrens uumlber Ziele im Wesentlichen auf ein Item zuruumlckfuumlhren bdquoMein Vorgesetzter passt die Arbeitsziele so an dass ich diese in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreichen kannldquo Damit bestaumltigt sich letztlich noch einmal die Bedeutung realistischer Zielvorgaben die an das Leistungsvermoumlgen des Mit-arbeiters angepasst und eben nicht staumlndig steigend und einseitig am Markt orientiert sind

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 n s = nicht signifikant Die Staumlrke der Reduktion wurde mit der dafuumlr geeigneten Pruumlfstatistik berechnet die in allen Faumlllen die Differenzen zwischen den Effekten mit einem hohen statistischen Signifikanzniveau absichert

Mediationsanalysen von Zielspirale beziehungsweise Handlungsspielraumlumen uumlber selbstgefaumlhrdendes Verhalten auf Beanspruchungssymptome

1 Arbeitszufriedenheit

2 Work-Life-Balance

3 habituelles Wohlbefinden

4 kognitiver Stress

5 persoumlnliches Burnout

6 Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen Rsup2

ZielspiralePraumldiktor

abhaumlngige Variable urspruumlnglicher Effekt

-036

-043

-039

031

047

012

reduzierter Effekt

-017

-020

-016

012

021

-003 ns

urspruumlnglicher Effekt

043

035

033

-017

-033

-014

reduzierter Effekt

034

023

021

-006 ns

-019

-008 ns

Handlungsspielraumlume

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 4

10

Die Analysen der indirekten Effekte zeigen dass die Einfluumlsse der beiden wichtigsten Vorhersageparameter Zielspirale und Handlungsspielraumlume auf die verschiedenen Beanspruchungs-indikatoren im Wesentlichen auf das selbst gefaumlhrdende Verhalten der Beschaumlf-tigten zuruumlckgefuumlhrt werden koumlnnen

Das selbstgefaumlhrdende Verhalten uumlber-nimmt somit eine Schluumlsselrolle in der Beziehung zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung beziehungsweise Gesundheit der Beschaumlftigten Zum einen beguumlnstigen vor allem die stetig steigenden Zielvorgaben gesundheitsgefaumlhrdendes Arbeitsverhal-ten der Beschaumlftigten zum anderen fuumlhrt dieses Verhalten zu verstaumlrkten Bean-spruchungssymptomen Dies bedeutet jedoch nicht dass die Verantwortung fuumlr die gesundheitlichen Folgen allein bei den sich selbstgefaumlhrdend verhaltenden Beschaumlftigten liegt Die Analysen der indirekten Effekte belegen ein deutig Selbstgefaumlhrdendes Verhalten tritt als Folge indirekter Steuerung auf und erklaumlrt somit zwar teilweise den Effekt auf Beanspruchung kann aber nicht die eigentliche Ursache sein

Unternehmen stehen hier also erst ein-mal in der Verantwortung Arbeits- und Leistungskulturen zu gestalten in denen ein gesundheitsfoumlrderliches Arbeits- und Leistungsverhalten des Einzelnen uumlber-haupt moumlglich wird

Empfehlungen fuumlr die Gesundheitspolitik Welche praktischen Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den Ergebnissen im Hinblick auf die Gesundheit und die Gesundheitsfoumlrderung der Beschaumlftigten ableiten

Wie die Ergebnisse zeigen sind es vor allem die steigenden Zielvorgaben die das gesundheitsgefaumlhrdende Verhalten

der Beschaumlftigten sowie deren koumlrper-liche und psychische Beanspruchungs-symptome beeinflussen Es ist also notwendig sich mit diesen Zielspiralen auseinanderzusetzen die sich allein am Markt und am oumlkonomischen Wachstum und eben nicht am Leistungspotenzial der Beschaumlftigten orientieren Anreiz-systeme der Unternehmen muumlssen wieder so gestaltet werden dass es Wachstums-potenziale fuumlr Beschaumlftigte geben kann und diese nicht nur einem immer unwahrscheinlicherem Erreichen des Unerreichbaren ausgesetzt sind

Dagegen koumlnnen erhoumlhte Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume eindeutig als Res-source verstanden werden die das positive Erleben des Arbeitsalltags beguumlnstigen

Fuumlhren uumlber Zielvereinbarungen hat ndash dar-auf weisen die Ergebnisse hin ndash nicht nur keine gesundheitsschaumldlichen sondern sogar potenziell gesundheitsfoumlrderliche Auswirkungen Ziele koumlnnen Unsicherheit reduzieren indem sie Orientierung und Struktur vermitteln sie koumlnnen helfen Prioritaumlten zu setzen und bestenfalls sinn- und identitaumltsstiftend wirken Dies wird umso mehr der Fall sein je mehr die Ziele von Vorgesetzten realistisch definiert und auch von Beschaumlftigten selbst mit beein-flusst werden koumlnnen Sie sollten als her-ausfordernd und ndash unter Beruumlcksichtigung des eigenen Leistungsvermoumlgens und der vorhandenen Ressourcen im Arbeitsumfeld ndash zugleich als realistisch und erreichbar eingeschaumltzt werden So verstanden stellt Fuumlhren uumlber Ziele ein wesentliches Ele-ment gesundheitsgerechter Mitarbeiterfuumlh-rung dar

Daruumlber hinaus liegt es aber auch in der Verantwortung der Beschaumlftigten die Dynamik der staumlndig steigenden Anfor-derungen durch das eigene undosierte selbstgefaumlhrdende Leistungsverhalten und eine Uumlber identifikation mit den gesetzten Zielvorgaben nicht noch weiter anzureizen Die indirekten Effekte deuten zwar darauf

hin dass das selbstgefaumlhrdende Verhal-ten der Beschaumlftigten wesentlich mit der Unternehmenssteuerung zusammenhaumlngt ndash und selbstverstaumlndlich muumlssen Steue-rungs systeme besonders hinsichtlich der Ziel spiralen uumlberpruumlft und angepasst werden aber auch die Beschaumlftigten muumlssen ihren Umgang mit Grenzen reflektieren Ihnen sollten die Zusam-menhaumlnge und potenziellen Einfluumlsse der Steuerungssysteme auf ihr Gesundheits-verhalten bewusst gemacht werden

Es geht darum Leistungsgrenzen ndash eigene und fremde ndash wahrzunehmen anzunehmen zu kommunizieren und durchzusetzen Das bedeutet auch sich abzugrenzen Dazu bedarf es einer Kultur der Achtsamkeit nicht nur seitens der Fuumlhrung sondern auch der Teammitglie-der untereinander sowie nicht zuletzt der Beschaumlftigten im Umgang mit sich selbst

Dies laumlsst sich nur erreichen wenn Beschaumlftigte Fuumlhrungskraumlfte und Manage-ment ein gemeinsames Bewusstsein der bdquoGrenzen-Problematikldquo entwickeln und gemeinsam an einer gesundheitsfoumlrder-lichen Leistungskultur arbeiten Hierzu sollten Maszlignahmen auf der individuellen Ebene (z B in Form von Verhaltenstrai-nings Kaluza 2011) auf der interperso-nalen Ebene (z B Teamentwicklung Fuumlhrungskraumlfteschulung) und auf der organisationalen Ebene (z B Regelungen zum E-Mail-Verkehr zu Uumlberstunden) integriert durchgefuumlhrt werden Damit wird der Dialektik von Verhalten und Verhaumlltnissen am ehesten entsprochen Fuumlr nachhaltige Wirkungen wird es entscheidend sein das Bewusstsein das im Alltag aufgrund tagesaktueller Aufgaben leicht verloren zu gehen droht uumlber die Dauer einzelner Maszlignahmen hinaus wachzuhalten Hier koumlnnen regel-maumlszligige kollegiale Reflexionstreffen besonders der Fuumlhrungskraumlfte hilfreich sein wie sie in klassischen beziehung s-orien tierten Berufsfeldern in Form von Super vision oder Intervision etabliert sind

11 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Dies wird letztlich nur durch Akteure vor Ort die die unternehmensspezifischen Bedingungen und Prozesse genau kennen erfolgreich umgesetzt werden koumlnnen Eine gesetzliche bdquoAnti-Stress-Verordnungldquo wie sie vor allem von gewerkschaftlicher Seite gefordert wird kann hier lediglich einen allgemeinen Rahmen setzen und bestenfalls den Sozialpartnern einen konstruktiven Weg aus dem Kreislauf der immer gleichen gegenseitigen Schuld- und Verantwortungszuschreibungen weisen

Vielversprechender ist nach den Ergeb-nissen der vorliegenden Studie der kom-binierte Einsatz von Interventionen und Verhaltenstrainings die am Regelwerk der Organisation aber auch am Selbst-verstaumlndnis und der Achtsamkeit der Mitarbeiter ansetzen

Literatur

n Ahlers E bdquoWachsender Arbeitsdruck in den Betrieben ndash Ergebnisse der bundes-weiten PARGEMA-WSI-Betriebsraumltebefra-gung 20082009ldquo Arbeit und Gesundheit im Konflikt Analysen und Ansaumltze fuumlr ein partizipatives Gesundheitsmanagement Hrsg N Kratzer W Dunkel K Becker und S Hinrichs Berlin 2011 35ndash58

n Badura B A Ducki H Schroumlder J Klose und M Meyer (Hrsg) Fehlzeiten-Report 2012 Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt Chancen nutzen ndash Risiken minimieren Berlin und Heidelberg 2012

n BAuA (Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2012 ndash Unfallverhuumltungsbericht Arbeit Dort-mund Berlin und Dresden 2014

n DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) DGB-Index Gute Arbeit ndash Der Report 2014 Wie die Beschaumlftigten die Arbeitswelt in Deutschland beurteilen ndash Arbeitszeitgestaltung Berlin 2014

n Dorsemagen C A Krause M Lehmann und U Pekruhl Flexible Arbeitszeiten in der Schweiz ndash Auswertung einer reprauml-sentativen Befragung der Schweizer

derungen Ressourcen und Befinden Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund Berlin und Dresden 2012

n Menz W W Dunkel und N Kratzer bdquoLeistung und Leiden Neue Steue-rungsformen von Leistung und ihre Belastungswirkungenldquo Arbeit und Gesundheit im Konflikt ndash Analysen und Ansaumltze fuumlr ein partizipatives Gesund-heitsmanagement Hrsg N Kratzer Berlin 2011 143ndash198

n Nuumlbling M U Stoumlszligel H-M Hassel-horn M Michaelis und F Hofmann Methoden zur Erfassung psychischer Belastungen ndash Erprobung eines Mess-instruments (COPSOQ) Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund 2005

n Peters K bdquoIndirekte Steuerung und interessierte Selbstgefaumlhrdung ndash Eine 180-Grad-Wende bei der betrieblichen Gesundheitsfoumlrderungldquo Arbeit und Gesundheit im Konflikt Analysen und Ansaumltze fuumlr ein partizipatives Gesund-heitsmanagement Hrsg N Kratzer W Dunkel K Becker und S Hinrichs Berlin 2011 105ndash122

n Semmer N K N Jacobshagen L L Meier A Elfering W Kaumllin und F Tschan bdquoPsychische Beanspruchung durch illegitime Aufgabenldquo Immer schneller immer mehr ndash Psychische Belastung bei Wissens- und Dienst-leistungsarbeit Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin G Junghans und M Morschhaumluser Wiesbaden 2013 97ndash112

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n Siegrist J und N Dragano bdquoPsycho-so ziale Belastungen und Erkrankungs-risiken im Erwerbslebenldquo Bundesge-sundheitsblatt ndash Gesundheitsforschung ndash Gesundheitsschutz Duumlsseldorf 2008 305ndash312

Erwerbsbevoumllkerung Hrsg Staatssekre-tariat fuumlr Wirtschaft Bern 2012

n Herda C A Scharfenstein und H D Basler bdquoMarburger Fragebogen zum habi-tuellen Wohlbefindenrdquo Schriftenreihe des Zentrums fuumlr Methodenwissenschaften und Gesundheitsforschung Arbeitspapier 98-1 Philipps-Universitaumlt Marburg 1998

n Judge T A und S Watanabe bdquoIndi-vidual differences in the nature of the relationship between job and life satisfactionldquo Journal of Occupational and Organizational Psychology (67) 1994 101ndash107

n Kaluza G Stressbewaumlltigung ndash Trai-ningsmanual zur psychologischen Gesundheitsfoumlrderung Heidelberg 2011

n Karasek R A und T Theorell Healthy Work Stress productivity and the restric-tion of working life New York 1990

n Kratzer N und W Dunkel bdquoNeue Steuerungsformen bei Dienstlei-stungsarbeit ndash Folgen fuumlr Arbeit und Gesundheitldquo Immer schneller immer mehr ndash Psychische Belastung bei Wis-sens- und Dienstleistungsarbeit Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin G Junghans und M Morschhaumluser Wiesbaden 2013 41ndash61

n Krause A S Baeriswyl M Berset N Deci J Dettmers W Meier S Schra-ner B Stetter und L Straub bdquoSelbstge-faumlhrdung als Indikator fuumlr Maumlngel bei der Gestaltung mobil-flexibler Arbeit Zur Entwicklung eines Erhebungsin-strumentsldquo Wirtschaftspsychologie (in Druck)

n Krause A C Dorsemagen J Stadlinger und S Baeriswyl bdquoIndirekte Steuerung und interessierte Selbstgefaumlhrdung Ergebnisse aus Befragungen und Fallstu-dien Konsequenzen fuumlr das Betriebliche Gesundheitsmanagementldquo Fehlzeiten-Report 2012 Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt Chancen nutzen ndash Risiken minimieren Hrsg B Badura A Ducki H Schroumlder J Klose und M Meyer Berlin und Heidelberg 2012 191ndash202

n Lohmann-Haislah A Stressreport Deutschland 2012 ndash Psychische Anfor-

Bertelsmann StiftungProgramm Versorgung verbessern ndash Patienten informieren Carl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumltersloh wwwbertelsmann-stiftungdewwwgesundheitsmonitorde

Barmer GEK Lichtscheider Str 89ndash9542285 Wuppertalwwwbarmer-gekde

RedaktionDr Jan BoumlckenTobias FeldhausDr Ruumldiger MeierjuumlrgenNicole Osterkamp

IllustrationChristoph J Kellnerwwwanimanovade

AutorenDr Anja Chevalier(Deutsche Sporthochschule Koumlln)Prof Dr Gert Kaluza(GKM-Institut fuumlr Gesund-heitspsychologie)

KontaktHeike Clostermeyer Tel (05241) 81-8 13 81 Fax (05241) 81-68 13 81 heikeclostermeyer bertelsmann-stiftungde

Die Autoren

Dr Anja Chevalier Jahrgang 1979 ist promovierte Sozialpsychologin und Dozentin an der deutschen Sporthoch-schule Koumlln am Institut fuumlr Sportoumlkono-mie und Sportmanagement Sie studierte Psychologie an der Julius-Maximilans- Universitaumlt Wuumlrzburg RWTH Aachen und der University of Kent in Groszligbritannien Nach der Promotion zum Thema gruppen-basierte Emotionen forschte und lehrte sie mehrere Jahre zu verschiedenen sozialpsychologischen Themen an der Cardiff University (GB) Universiteit van Amsterdam (NL) und Amsterdam Univer-sity College (NL) Seit uumlber zehn Jahren

wird sie regelmaumlszligig fuumlr Lehrauftraumlge und als Referentin zu den Themen Fuumlhrung Gruppendynamik und Interkulturelle Kompetenz sowie Statistik und Methodik angefragt Ihre Forschung konzentriert sich auf Themen zu Performance und Diversity Management

Prof Dr Gert Kaluza Jahrgang 1955 ist Diplom-Psychologe und approbierter psychologischer Psychotherapeut Nach dem Studium der Psychologie und Paumlda gogik an den Universitaumlten Gieszligen und Marburg arbeitete er als wissen-schaft licher Mitarbeiter im Bereich der Medizinischen Psychologie an

verschiedenen Universitaumlten absolvierte psychotherapeutische Ausbildungen in Verhaltenstherapie und koumlrperorien-tierter Psychotherapie und promovierte an der Medizinischen Hochschule Hannover 1989 mit einer Arbeit zur Psychologie des chronischen Schmerzes Die Habili tation erfolgte 1997 am Fach bereich Medizin der Universitaumlt Marburg mit empirischen Studien zu seinem bis heute zentralen Forschungs-thema bdquoBelas tungsverarbeitung und Gesundheitldquo

Nach uumlber 20-jaumlhriger Taumltigkeit in Forschung und Lehre an verschiedenen Universitaumlten gruumlndete er 2002 sein eigenes Fortbildungs- und Trainings-institut und ist seitdem als Autor Trainer und Coach im Bereich der individuellen und betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung taumltig

Page 8: Newsletter - Bertelsmann Stiftung...2015/03/16  · und trotzdem hochaktuell: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und dem Leistungs-verhalten der

8

Als durchgaumlngig relevanter Vorhersage-parameter von psychischer und physischer Beanspruchung erweist sich erneut die Zielspirale Je staumlrker diese wahrgenom-men wird desto geringer sind Arbeits-zufriedenheit Work-Life-Balance sowie habituelles Wohlbefinden und desto staumlrker ausgepraumlgt sind insbesondere die Tendenz zu Burnout kognitiven Stresssymptomen und Ein-Durchschlafstoumlrungen

Dagegen wirken groumlszligere Handlungs-spielraumlume als Ressource besonders verstaumlrkend auf Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden sowie leicht reduzierend auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout Aumlhnlich hat auch Fuumlhren uumlber Ziele einen leicht positiven Einfluss auf die Arbeits-zufriedenheit die Work-Life-Balance das habituelle Wohlbefinden und eine leicht reduzierende Wirkung auf die Tendenz zu persoumlnlichem Burnout (Tabelle 3)

Diese Ergebnisse zeigen erneut dass Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen im

diese Zusammenhaumlnge durch selbstge-faumlhrdendes Verhalten erklaumlrt werden koumlnnen

Dazu wurde mit einfachen Mediati-onsanalysen berechnet ob der direkte Zusammenhang zwischen Praumldiktor (Zielspirale oder Handlungsspielraum) und abhaumlngiger Variable (Beanspru-chung) durch den Einfluss des Mediators (selbstgefaumlhrdendes Verhalten) signifi-kant reduziert wird Tabelle 4 fasst die Ergebnisse dieser Analysen zusammen

Die Ergebnisse zeigen dass die Zusam-menhaumlnge zwischen den Indikatoren fuumlr Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung deutlich reduziert werden wenn selbstgefaumlhrdendes Verhalten beruumlcksich-tigt wird Die urspruumlnglichen Effekte der Zielspirale werden fuumlr alle Variablen um mindestens 50 Prozent reduziert

Das bedeutet dass die Beschaumlftigten ihre Beanspruchung zu einem relevanten Anteil aufgrund ihres selbstgefaumlhrdenden Verhaltens erleben welches seinerseits verstaumlrkt als Folge von wahrgenommenen Zielspiralen und abgemildert als Folge von erhoumlhten Handlungsspielraumlumen auftritt Umgekehrt laumlsst sich sagen dass Merkmale indirekter Steuerung (in diesem Fall besonders Zielspiralen und Handlungsspielraumlume) selbstge-faumlhrdendes Verhalten verstaumlrken oder abschwaumlchen und daruumlber auch die Beanspruchung von Beschaumlftigten indi-rekt beeinflussen

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse also dass hier ein differenzierter Effekt von indirekter Steuerung auf Beanspru-chung vorliegt sowohl uumlber den direkten Zusammenhang (Tabelle 3) als auch durch den indirekten Zusammenhang mit selbstgefaumlhrdendem Verhalten So zeigen die hier untersuchten Merkmale der indirekten Unternehmenssteuerung (Zielspirale und Handlungsspielraumlume) sowohl beanspruchungsverstaumlrkende als

Allgemeinen keine negativen sondern sogar eher leicht positive Auswirkungen fuumlr die Beschaumlftigten zeigt Der wichtigste Faktor fuumlr psychisches und physisches Stresserleben liegt in dem kontinuierlichen Anstieg von Zielvorgaben also in der Wahr-nehmung einer sich stetig zuspitzenden Zielspirale Zugleich unterstreichen die vorliegenden Ergebnisse ndash in Uumlbereinstim-mung mit der Arbeitsstressforschung ndash die Bedeutung von Handlungs- und Entschei-dungsspielraumlumen als Ressource die fuumlr das positive Arbeitserleben von Beschaumlftig-ten wichtig ist

Inwieweit werden Zusammenhaumlnge zwischen indirekter Unternehmens-steuerung und den Beanspruchungs-indikatoren durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens erklaumlrt Es bestehen statistisch bedeutsame Zusammenhaumlnge besonders zwischen den Praumldiktoren Zielspirale und Hand-lungsspielraum einerseits und den Beanspruchungsindikatoren andererseits Es soll nun gepruumlft werden inwieweit

kognitiver Stress Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen

persoumlnliches Burnout

Tabelle 3

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 Nicht signifikante Vorhersageparameter sind in der Tabelle nicht dargestellt

Art der Unternehmensfuumlhrung als Einfluss auf psychische und physische Beanspruchung ndash Ergebnisse der Regressionsanalyse

flexible Arbeitszeiten

Grad der Selbstbestimmung

Bezahlung Uumlberstunden

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

leistungsabhaumlngige Bezahlung

Fuumlhren uumlber Ziele

Zielspirale

Handlungsspielraum

Arbeitszufriedenheit

Vorhersageparameter Regressionskoeffizient szlig

-011

016

-028

034

028

-010

-009

-011

-009

016

-035

028

-013

045

-018

-014

013

-034

027

-013

016

habituelles Wohlbefinden

Work-Life-Balance

9 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

auch -reduzierende Effekte die zu einem relevanten Teil durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens von Beschaumlftig-ten erklaumlrt werden koumlnnen

Diskussion der Ergebnisse

Es wurde untersucht inwieweit die Arbeitsbedingungen abhaumlngig Beschaumlf-tigter in Deutschland durch Merkmale indirekter Unternehmenssteuerung gepraumlgt sind welche Auswirkungen dies auf das Leistungsverhalten der Beschaumlf-tigten hat und welche Chancen und Risiken sich daraus im Hinblick auf ihr Stresserleben und ihre Gesundheit erge-ben Im Besonderen wurde beleuchtet welche Rolle ein fuumlr die eigene Gesund-heit riskantes naumlmlich selbstgefaumlhrden-des Verhalten der Beschaumlftigten in diesen Prozessen spielt

Die Ergebnisse zeigen dass Formen der indirekten Unternehmensfuumlhrung bei Vollzeitbeschaumlftigten in Deutschland bereits weit verbreitet sind Mit den Frei-heiten flexibler Arbeit gehen allerdings fuumlr durchschnittlich knapp ein Viertel der Beschaumlftigten weder eine Erfassung noch eine Verguumltung geleisteter Uumlberstunden einher Rund ein Drittel der Beschaumlftigten

sieht sich zudem in einer sich immer weiter zuspitzenden Zielspirale in der man sich fragt wie man die staumlndig steigenden Anforderungen bewaumlltigen soll

Die Mehrheit der Befragten sieht Spiel-raumlume und Freiheiten bei der Durchfuumlh-rung der Arbeit Diese Freiheiten schlie-szligen aber fuumlr einen Groszligteil der Beschaumlf-tigten keinerlei Mitbestimmung bei der Menge der Arbeit und den genauen Ziel-vereinbarungen einn Wie wirken sich diese Arbeitsbedin-

gungen einer indirekten ergebnisorien-tierten Unternehmenssteuerung auf das Leistungsverhalten und das Beanspru-chungserleben der Beschaumlftigten aus

n Fuumlhren sie tatsaumlchlich dazu dass Beschaumlftigte im Interesse der Zielerrei-chung eigene Grenzen uumlberschreiten und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen sprechen eine klare Sprache Einige Indi-katoren indirekter Steuerung (Zielspira-len flexible und selbstbestimmte Arbeits-zeiten sowie unbezahlte Mehrarbeit) sagen selbstgefaumlhrdendes Verhalten sowie koumlrperliches und psychisches Beanspru-chungserleben aufseiten der Beschaumlftigten

voraus Andere Indikatoren (Handlungs-spielraumlume und Fuumlhren uumlber Ziele) haben einen leicht beguumlnstigenden Einfluss vor allem auf die positiven abhaumlngigen Variablen Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohlbefinden

Dabei leisten nicht alle Indikatoren den gleichen Beitrag Den wichtigsten verstaumlr-kenden Faktor fuumlr Selbstgefaumlhrdung und Beanspruchung stellt durchgaumlngig die Zielspirale dar gefolgt von nicht verguumlte-ten Uumlberstunden Letzteres kann auch als Ausdruck mangelnder Anerkennung fuumlr geleisteten Einsatz im Sinne des Modells der beruflichen Gratifikationskrisen (Siegrist 1996) verstanden werden

Dagegen wirken sich Handlungs- und Ent-scheidungsspielraumlume ganz im Sinne des Anforderungs-Kontroll-Modells (Karasek und Theorell 1990) aus Sie reduzieren Selbstgefaumlhrdung sowie persoumlnliches Burnout und foumlrdern Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden Dies ist ein weiterer Beleg dafuumlr dass es gerade bei steigenden Leistungs-anforderungen gesundheits foumlrderlich ist die Handlungs- und Entscheidungsspiel-raumlume der Beschaumlftigten (allerdings auch in Bezug auf die Menge der Arbeit und die Zielvorgaben) anzupassen

Das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich wirkt nur geringfuumlgig und wenn dann eher abschwaumlchend auf selbst-gefaumlhrdendes Verhalten und Bean-spruchungsindikatoren Wie eine Detail-analyse gezeigt hat laumlsst sich dieser positive Effekt des Fuumlhrens uumlber Ziele im Wesentlichen auf ein Item zuruumlckfuumlhren bdquoMein Vorgesetzter passt die Arbeitsziele so an dass ich diese in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreichen kannldquo Damit bestaumltigt sich letztlich noch einmal die Bedeutung realistischer Zielvorgaben die an das Leistungsvermoumlgen des Mit-arbeiters angepasst und eben nicht staumlndig steigend und einseitig am Markt orientiert sind

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 n s = nicht signifikant Die Staumlrke der Reduktion wurde mit der dafuumlr geeigneten Pruumlfstatistik berechnet die in allen Faumlllen die Differenzen zwischen den Effekten mit einem hohen statistischen Signifikanzniveau absichert

Mediationsanalysen von Zielspirale beziehungsweise Handlungsspielraumlumen uumlber selbstgefaumlhrdendes Verhalten auf Beanspruchungssymptome

1 Arbeitszufriedenheit

2 Work-Life-Balance

3 habituelles Wohlbefinden

4 kognitiver Stress

5 persoumlnliches Burnout

6 Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen Rsup2

ZielspiralePraumldiktor

abhaumlngige Variable urspruumlnglicher Effekt

-036

-043

-039

031

047

012

reduzierter Effekt

-017

-020

-016

012

021

-003 ns

urspruumlnglicher Effekt

043

035

033

-017

-033

-014

reduzierter Effekt

034

023

021

-006 ns

-019

-008 ns

Handlungsspielraumlume

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 4

10

Die Analysen der indirekten Effekte zeigen dass die Einfluumlsse der beiden wichtigsten Vorhersageparameter Zielspirale und Handlungsspielraumlume auf die verschiedenen Beanspruchungs-indikatoren im Wesentlichen auf das selbst gefaumlhrdende Verhalten der Beschaumlf-tigten zuruumlckgefuumlhrt werden koumlnnen

Das selbstgefaumlhrdende Verhalten uumlber-nimmt somit eine Schluumlsselrolle in der Beziehung zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung beziehungsweise Gesundheit der Beschaumlftigten Zum einen beguumlnstigen vor allem die stetig steigenden Zielvorgaben gesundheitsgefaumlhrdendes Arbeitsverhal-ten der Beschaumlftigten zum anderen fuumlhrt dieses Verhalten zu verstaumlrkten Bean-spruchungssymptomen Dies bedeutet jedoch nicht dass die Verantwortung fuumlr die gesundheitlichen Folgen allein bei den sich selbstgefaumlhrdend verhaltenden Beschaumlftigten liegt Die Analysen der indirekten Effekte belegen ein deutig Selbstgefaumlhrdendes Verhalten tritt als Folge indirekter Steuerung auf und erklaumlrt somit zwar teilweise den Effekt auf Beanspruchung kann aber nicht die eigentliche Ursache sein

Unternehmen stehen hier also erst ein-mal in der Verantwortung Arbeits- und Leistungskulturen zu gestalten in denen ein gesundheitsfoumlrderliches Arbeits- und Leistungsverhalten des Einzelnen uumlber-haupt moumlglich wird

Empfehlungen fuumlr die Gesundheitspolitik Welche praktischen Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den Ergebnissen im Hinblick auf die Gesundheit und die Gesundheitsfoumlrderung der Beschaumlftigten ableiten

Wie die Ergebnisse zeigen sind es vor allem die steigenden Zielvorgaben die das gesundheitsgefaumlhrdende Verhalten

der Beschaumlftigten sowie deren koumlrper-liche und psychische Beanspruchungs-symptome beeinflussen Es ist also notwendig sich mit diesen Zielspiralen auseinanderzusetzen die sich allein am Markt und am oumlkonomischen Wachstum und eben nicht am Leistungspotenzial der Beschaumlftigten orientieren Anreiz-systeme der Unternehmen muumlssen wieder so gestaltet werden dass es Wachstums-potenziale fuumlr Beschaumlftigte geben kann und diese nicht nur einem immer unwahrscheinlicherem Erreichen des Unerreichbaren ausgesetzt sind

Dagegen koumlnnen erhoumlhte Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume eindeutig als Res-source verstanden werden die das positive Erleben des Arbeitsalltags beguumlnstigen

Fuumlhren uumlber Zielvereinbarungen hat ndash dar-auf weisen die Ergebnisse hin ndash nicht nur keine gesundheitsschaumldlichen sondern sogar potenziell gesundheitsfoumlrderliche Auswirkungen Ziele koumlnnen Unsicherheit reduzieren indem sie Orientierung und Struktur vermitteln sie koumlnnen helfen Prioritaumlten zu setzen und bestenfalls sinn- und identitaumltsstiftend wirken Dies wird umso mehr der Fall sein je mehr die Ziele von Vorgesetzten realistisch definiert und auch von Beschaumlftigten selbst mit beein-flusst werden koumlnnen Sie sollten als her-ausfordernd und ndash unter Beruumlcksichtigung des eigenen Leistungsvermoumlgens und der vorhandenen Ressourcen im Arbeitsumfeld ndash zugleich als realistisch und erreichbar eingeschaumltzt werden So verstanden stellt Fuumlhren uumlber Ziele ein wesentliches Ele-ment gesundheitsgerechter Mitarbeiterfuumlh-rung dar

Daruumlber hinaus liegt es aber auch in der Verantwortung der Beschaumlftigten die Dynamik der staumlndig steigenden Anfor-derungen durch das eigene undosierte selbstgefaumlhrdende Leistungsverhalten und eine Uumlber identifikation mit den gesetzten Zielvorgaben nicht noch weiter anzureizen Die indirekten Effekte deuten zwar darauf

hin dass das selbstgefaumlhrdende Verhal-ten der Beschaumlftigten wesentlich mit der Unternehmenssteuerung zusammenhaumlngt ndash und selbstverstaumlndlich muumlssen Steue-rungs systeme besonders hinsichtlich der Ziel spiralen uumlberpruumlft und angepasst werden aber auch die Beschaumlftigten muumlssen ihren Umgang mit Grenzen reflektieren Ihnen sollten die Zusam-menhaumlnge und potenziellen Einfluumlsse der Steuerungssysteme auf ihr Gesundheits-verhalten bewusst gemacht werden

Es geht darum Leistungsgrenzen ndash eigene und fremde ndash wahrzunehmen anzunehmen zu kommunizieren und durchzusetzen Das bedeutet auch sich abzugrenzen Dazu bedarf es einer Kultur der Achtsamkeit nicht nur seitens der Fuumlhrung sondern auch der Teammitglie-der untereinander sowie nicht zuletzt der Beschaumlftigten im Umgang mit sich selbst

Dies laumlsst sich nur erreichen wenn Beschaumlftigte Fuumlhrungskraumlfte und Manage-ment ein gemeinsames Bewusstsein der bdquoGrenzen-Problematikldquo entwickeln und gemeinsam an einer gesundheitsfoumlrder-lichen Leistungskultur arbeiten Hierzu sollten Maszlignahmen auf der individuellen Ebene (z B in Form von Verhaltenstrai-nings Kaluza 2011) auf der interperso-nalen Ebene (z B Teamentwicklung Fuumlhrungskraumlfteschulung) und auf der organisationalen Ebene (z B Regelungen zum E-Mail-Verkehr zu Uumlberstunden) integriert durchgefuumlhrt werden Damit wird der Dialektik von Verhalten und Verhaumlltnissen am ehesten entsprochen Fuumlr nachhaltige Wirkungen wird es entscheidend sein das Bewusstsein das im Alltag aufgrund tagesaktueller Aufgaben leicht verloren zu gehen droht uumlber die Dauer einzelner Maszlignahmen hinaus wachzuhalten Hier koumlnnen regel-maumlszligige kollegiale Reflexionstreffen besonders der Fuumlhrungskraumlfte hilfreich sein wie sie in klassischen beziehung s-orien tierten Berufsfeldern in Form von Super vision oder Intervision etabliert sind

11 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Dies wird letztlich nur durch Akteure vor Ort die die unternehmensspezifischen Bedingungen und Prozesse genau kennen erfolgreich umgesetzt werden koumlnnen Eine gesetzliche bdquoAnti-Stress-Verordnungldquo wie sie vor allem von gewerkschaftlicher Seite gefordert wird kann hier lediglich einen allgemeinen Rahmen setzen und bestenfalls den Sozialpartnern einen konstruktiven Weg aus dem Kreislauf der immer gleichen gegenseitigen Schuld- und Verantwortungszuschreibungen weisen

Vielversprechender ist nach den Ergeb-nissen der vorliegenden Studie der kom-binierte Einsatz von Interventionen und Verhaltenstrainings die am Regelwerk der Organisation aber auch am Selbst-verstaumlndnis und der Achtsamkeit der Mitarbeiter ansetzen

Literatur

n Ahlers E bdquoWachsender Arbeitsdruck in den Betrieben ndash Ergebnisse der bundes-weiten PARGEMA-WSI-Betriebsraumltebefra-gung 20082009ldquo Arbeit und Gesundheit im Konflikt Analysen und Ansaumltze fuumlr ein partizipatives Gesundheitsmanagement Hrsg N Kratzer W Dunkel K Becker und S Hinrichs Berlin 2011 35ndash58

n Badura B A Ducki H Schroumlder J Klose und M Meyer (Hrsg) Fehlzeiten-Report 2012 Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt Chancen nutzen ndash Risiken minimieren Berlin und Heidelberg 2012

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n Dorsemagen C A Krause M Lehmann und U Pekruhl Flexible Arbeitszeiten in der Schweiz ndash Auswertung einer reprauml-sentativen Befragung der Schweizer

derungen Ressourcen und Befinden Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund Berlin und Dresden 2012

n Menz W W Dunkel und N Kratzer bdquoLeistung und Leiden Neue Steue-rungsformen von Leistung und ihre Belastungswirkungenldquo Arbeit und Gesundheit im Konflikt ndash Analysen und Ansaumltze fuumlr ein partizipatives Gesund-heitsmanagement Hrsg N Kratzer Berlin 2011 143ndash198

n Nuumlbling M U Stoumlszligel H-M Hassel-horn M Michaelis und F Hofmann Methoden zur Erfassung psychischer Belastungen ndash Erprobung eines Mess-instruments (COPSOQ) Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund 2005

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n Semmer N K N Jacobshagen L L Meier A Elfering W Kaumllin und F Tschan bdquoPsychische Beanspruchung durch illegitime Aufgabenldquo Immer schneller immer mehr ndash Psychische Belastung bei Wissens- und Dienst-leistungsarbeit Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin G Junghans und M Morschhaumluser Wiesbaden 2013 97ndash112

n Siegrist J bdquoAdverse health effects of high effort ndash low reward conditions at workrdquo Journal of Occupational Health Psychology 1996 27ndash43

n Siegrist J und N Dragano bdquoPsycho-so ziale Belastungen und Erkrankungs-risiken im Erwerbslebenldquo Bundesge-sundheitsblatt ndash Gesundheitsforschung ndash Gesundheitsschutz Duumlsseldorf 2008 305ndash312

Erwerbsbevoumllkerung Hrsg Staatssekre-tariat fuumlr Wirtschaft Bern 2012

n Herda C A Scharfenstein und H D Basler bdquoMarburger Fragebogen zum habi-tuellen Wohlbefindenrdquo Schriftenreihe des Zentrums fuumlr Methodenwissenschaften und Gesundheitsforschung Arbeitspapier 98-1 Philipps-Universitaumlt Marburg 1998

n Judge T A und S Watanabe bdquoIndi-vidual differences in the nature of the relationship between job and life satisfactionldquo Journal of Occupational and Organizational Psychology (67) 1994 101ndash107

n Kaluza G Stressbewaumlltigung ndash Trai-ningsmanual zur psychologischen Gesundheitsfoumlrderung Heidelberg 2011

n Karasek R A und T Theorell Healthy Work Stress productivity and the restric-tion of working life New York 1990

n Kratzer N und W Dunkel bdquoNeue Steuerungsformen bei Dienstlei-stungsarbeit ndash Folgen fuumlr Arbeit und Gesundheitldquo Immer schneller immer mehr ndash Psychische Belastung bei Wis-sens- und Dienstleistungsarbeit Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin G Junghans und M Morschhaumluser Wiesbaden 2013 41ndash61

n Krause A S Baeriswyl M Berset N Deci J Dettmers W Meier S Schra-ner B Stetter und L Straub bdquoSelbstge-faumlhrdung als Indikator fuumlr Maumlngel bei der Gestaltung mobil-flexibler Arbeit Zur Entwicklung eines Erhebungsin-strumentsldquo Wirtschaftspsychologie (in Druck)

n Krause A C Dorsemagen J Stadlinger und S Baeriswyl bdquoIndirekte Steuerung und interessierte Selbstgefaumlhrdung Ergebnisse aus Befragungen und Fallstu-dien Konsequenzen fuumlr das Betriebliche Gesundheitsmanagementldquo Fehlzeiten-Report 2012 Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt Chancen nutzen ndash Risiken minimieren Hrsg B Badura A Ducki H Schroumlder J Klose und M Meyer Berlin und Heidelberg 2012 191ndash202

n Lohmann-Haislah A Stressreport Deutschland 2012 ndash Psychische Anfor-

Bertelsmann StiftungProgramm Versorgung verbessern ndash Patienten informieren Carl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumltersloh wwwbertelsmann-stiftungdewwwgesundheitsmonitorde

Barmer GEK Lichtscheider Str 89ndash9542285 Wuppertalwwwbarmer-gekde

RedaktionDr Jan BoumlckenTobias FeldhausDr Ruumldiger MeierjuumlrgenNicole Osterkamp

IllustrationChristoph J Kellnerwwwanimanovade

AutorenDr Anja Chevalier(Deutsche Sporthochschule Koumlln)Prof Dr Gert Kaluza(GKM-Institut fuumlr Gesund-heitspsychologie)

KontaktHeike Clostermeyer Tel (05241) 81-8 13 81 Fax (05241) 81-68 13 81 heikeclostermeyer bertelsmann-stiftungde

Die Autoren

Dr Anja Chevalier Jahrgang 1979 ist promovierte Sozialpsychologin und Dozentin an der deutschen Sporthoch-schule Koumlln am Institut fuumlr Sportoumlkono-mie und Sportmanagement Sie studierte Psychologie an der Julius-Maximilans- Universitaumlt Wuumlrzburg RWTH Aachen und der University of Kent in Groszligbritannien Nach der Promotion zum Thema gruppen-basierte Emotionen forschte und lehrte sie mehrere Jahre zu verschiedenen sozialpsychologischen Themen an der Cardiff University (GB) Universiteit van Amsterdam (NL) und Amsterdam Univer-sity College (NL) Seit uumlber zehn Jahren

wird sie regelmaumlszligig fuumlr Lehrauftraumlge und als Referentin zu den Themen Fuumlhrung Gruppendynamik und Interkulturelle Kompetenz sowie Statistik und Methodik angefragt Ihre Forschung konzentriert sich auf Themen zu Performance und Diversity Management

Prof Dr Gert Kaluza Jahrgang 1955 ist Diplom-Psychologe und approbierter psychologischer Psychotherapeut Nach dem Studium der Psychologie und Paumlda gogik an den Universitaumlten Gieszligen und Marburg arbeitete er als wissen-schaft licher Mitarbeiter im Bereich der Medizinischen Psychologie an

verschiedenen Universitaumlten absolvierte psychotherapeutische Ausbildungen in Verhaltenstherapie und koumlrperorien-tierter Psychotherapie und promovierte an der Medizinischen Hochschule Hannover 1989 mit einer Arbeit zur Psychologie des chronischen Schmerzes Die Habili tation erfolgte 1997 am Fach bereich Medizin der Universitaumlt Marburg mit empirischen Studien zu seinem bis heute zentralen Forschungs-thema bdquoBelas tungsverarbeitung und Gesundheitldquo

Nach uumlber 20-jaumlhriger Taumltigkeit in Forschung und Lehre an verschiedenen Universitaumlten gruumlndete er 2002 sein eigenes Fortbildungs- und Trainings-institut und ist seitdem als Autor Trainer und Coach im Bereich der individuellen und betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung taumltig

Page 9: Newsletter - Bertelsmann Stiftung...2015/03/16  · und trotzdem hochaktuell: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und dem Leistungs-verhalten der

9 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

auch -reduzierende Effekte die zu einem relevanten Teil durch das Ausmaszlig selbst-gefaumlhrdenden Verhaltens von Beschaumlftig-ten erklaumlrt werden koumlnnen

Diskussion der Ergebnisse

Es wurde untersucht inwieweit die Arbeitsbedingungen abhaumlngig Beschaumlf-tigter in Deutschland durch Merkmale indirekter Unternehmenssteuerung gepraumlgt sind welche Auswirkungen dies auf das Leistungsverhalten der Beschaumlf-tigten hat und welche Chancen und Risiken sich daraus im Hinblick auf ihr Stresserleben und ihre Gesundheit erge-ben Im Besonderen wurde beleuchtet welche Rolle ein fuumlr die eigene Gesund-heit riskantes naumlmlich selbstgefaumlhrden-des Verhalten der Beschaumlftigten in diesen Prozessen spielt

Die Ergebnisse zeigen dass Formen der indirekten Unternehmensfuumlhrung bei Vollzeitbeschaumlftigten in Deutschland bereits weit verbreitet sind Mit den Frei-heiten flexibler Arbeit gehen allerdings fuumlr durchschnittlich knapp ein Viertel der Beschaumlftigten weder eine Erfassung noch eine Verguumltung geleisteter Uumlberstunden einher Rund ein Drittel der Beschaumlftigten

sieht sich zudem in einer sich immer weiter zuspitzenden Zielspirale in der man sich fragt wie man die staumlndig steigenden Anforderungen bewaumlltigen soll

Die Mehrheit der Befragten sieht Spiel-raumlume und Freiheiten bei der Durchfuumlh-rung der Arbeit Diese Freiheiten schlie-szligen aber fuumlr einen Groszligteil der Beschaumlf-tigten keinerlei Mitbestimmung bei der Menge der Arbeit und den genauen Ziel-vereinbarungen einn Wie wirken sich diese Arbeitsbedin-

gungen einer indirekten ergebnisorien-tierten Unternehmenssteuerung auf das Leistungsverhalten und das Beanspru-chungserleben der Beschaumlftigten aus

n Fuumlhren sie tatsaumlchlich dazu dass Beschaumlftigte im Interesse der Zielerrei-chung eigene Grenzen uumlberschreiten und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen sprechen eine klare Sprache Einige Indi-katoren indirekter Steuerung (Zielspira-len flexible und selbstbestimmte Arbeits-zeiten sowie unbezahlte Mehrarbeit) sagen selbstgefaumlhrdendes Verhalten sowie koumlrperliches und psychisches Beanspru-chungserleben aufseiten der Beschaumlftigten

voraus Andere Indikatoren (Handlungs-spielraumlume und Fuumlhren uumlber Ziele) haben einen leicht beguumlnstigenden Einfluss vor allem auf die positiven abhaumlngigen Variablen Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohlbefinden

Dabei leisten nicht alle Indikatoren den gleichen Beitrag Den wichtigsten verstaumlr-kenden Faktor fuumlr Selbstgefaumlhrdung und Beanspruchung stellt durchgaumlngig die Zielspirale dar gefolgt von nicht verguumlte-ten Uumlberstunden Letzteres kann auch als Ausdruck mangelnder Anerkennung fuumlr geleisteten Einsatz im Sinne des Modells der beruflichen Gratifikationskrisen (Siegrist 1996) verstanden werden

Dagegen wirken sich Handlungs- und Ent-scheidungsspielraumlume ganz im Sinne des Anforderungs-Kontroll-Modells (Karasek und Theorell 1990) aus Sie reduzieren Selbstgefaumlhrdung sowie persoumlnliches Burnout und foumlrdern Arbeitszufriedenheit Work-Life-Balance und habituelles Wohl-befinden Dies ist ein weiterer Beleg dafuumlr dass es gerade bei steigenden Leistungs-anforderungen gesundheits foumlrderlich ist die Handlungs- und Entscheidungsspiel-raumlume der Beschaumlftigten (allerdings auch in Bezug auf die Menge der Arbeit und die Zielvorgaben) anzupassen

Das Fuumlhren mittels Zielvereinbarungen an sich wirkt nur geringfuumlgig und wenn dann eher abschwaumlchend auf selbst-gefaumlhrdendes Verhalten und Bean-spruchungsindikatoren Wie eine Detail-analyse gezeigt hat laumlsst sich dieser positive Effekt des Fuumlhrens uumlber Ziele im Wesentlichen auf ein Item zuruumlckfuumlhren bdquoMein Vorgesetzter passt die Arbeitsziele so an dass ich diese in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreichen kannldquo Damit bestaumltigt sich letztlich noch einmal die Bedeutung realistischer Zielvorgaben die an das Leistungsvermoumlgen des Mit-arbeiters angepasst und eben nicht staumlndig steigend und einseitig am Markt orientiert sind

Signifikanzniveau p le 005 p le 001 p le 0001 n s = nicht signifikant Die Staumlrke der Reduktion wurde mit der dafuumlr geeigneten Pruumlfstatistik berechnet die in allen Faumlllen die Differenzen zwischen den Effekten mit einem hohen statistischen Signifikanzniveau absichert

Mediationsanalysen von Zielspirale beziehungsweise Handlungsspielraumlumen uumlber selbstgefaumlhrdendes Verhalten auf Beanspruchungssymptome

1 Arbeitszufriedenheit

2 Work-Life-Balance

3 habituelles Wohlbefinden

4 kognitiver Stress

5 persoumlnliches Burnout

6 Einschlaf-Durchschlafstoumlrungen Rsup2

ZielspiralePraumldiktor

abhaumlngige Variable urspruumlnglicher Effekt

-036

-043

-039

031

047

012

reduzierter Effekt

-017

-020

-016

012

021

-003 ns

urspruumlnglicher Effekt

043

035

033

-017

-033

-014

reduzierter Effekt

034

023

021

-006 ns

-019

-008 ns

Handlungsspielraumlume

Quelle Gesundheitsmonitor 2015

Tabelle 4

10

Die Analysen der indirekten Effekte zeigen dass die Einfluumlsse der beiden wichtigsten Vorhersageparameter Zielspirale und Handlungsspielraumlume auf die verschiedenen Beanspruchungs-indikatoren im Wesentlichen auf das selbst gefaumlhrdende Verhalten der Beschaumlf-tigten zuruumlckgefuumlhrt werden koumlnnen

Das selbstgefaumlhrdende Verhalten uumlber-nimmt somit eine Schluumlsselrolle in der Beziehung zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung beziehungsweise Gesundheit der Beschaumlftigten Zum einen beguumlnstigen vor allem die stetig steigenden Zielvorgaben gesundheitsgefaumlhrdendes Arbeitsverhal-ten der Beschaumlftigten zum anderen fuumlhrt dieses Verhalten zu verstaumlrkten Bean-spruchungssymptomen Dies bedeutet jedoch nicht dass die Verantwortung fuumlr die gesundheitlichen Folgen allein bei den sich selbstgefaumlhrdend verhaltenden Beschaumlftigten liegt Die Analysen der indirekten Effekte belegen ein deutig Selbstgefaumlhrdendes Verhalten tritt als Folge indirekter Steuerung auf und erklaumlrt somit zwar teilweise den Effekt auf Beanspruchung kann aber nicht die eigentliche Ursache sein

Unternehmen stehen hier also erst ein-mal in der Verantwortung Arbeits- und Leistungskulturen zu gestalten in denen ein gesundheitsfoumlrderliches Arbeits- und Leistungsverhalten des Einzelnen uumlber-haupt moumlglich wird

Empfehlungen fuumlr die Gesundheitspolitik Welche praktischen Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den Ergebnissen im Hinblick auf die Gesundheit und die Gesundheitsfoumlrderung der Beschaumlftigten ableiten

Wie die Ergebnisse zeigen sind es vor allem die steigenden Zielvorgaben die das gesundheitsgefaumlhrdende Verhalten

der Beschaumlftigten sowie deren koumlrper-liche und psychische Beanspruchungs-symptome beeinflussen Es ist also notwendig sich mit diesen Zielspiralen auseinanderzusetzen die sich allein am Markt und am oumlkonomischen Wachstum und eben nicht am Leistungspotenzial der Beschaumlftigten orientieren Anreiz-systeme der Unternehmen muumlssen wieder so gestaltet werden dass es Wachstums-potenziale fuumlr Beschaumlftigte geben kann und diese nicht nur einem immer unwahrscheinlicherem Erreichen des Unerreichbaren ausgesetzt sind

Dagegen koumlnnen erhoumlhte Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume eindeutig als Res-source verstanden werden die das positive Erleben des Arbeitsalltags beguumlnstigen

Fuumlhren uumlber Zielvereinbarungen hat ndash dar-auf weisen die Ergebnisse hin ndash nicht nur keine gesundheitsschaumldlichen sondern sogar potenziell gesundheitsfoumlrderliche Auswirkungen Ziele koumlnnen Unsicherheit reduzieren indem sie Orientierung und Struktur vermitteln sie koumlnnen helfen Prioritaumlten zu setzen und bestenfalls sinn- und identitaumltsstiftend wirken Dies wird umso mehr der Fall sein je mehr die Ziele von Vorgesetzten realistisch definiert und auch von Beschaumlftigten selbst mit beein-flusst werden koumlnnen Sie sollten als her-ausfordernd und ndash unter Beruumlcksichtigung des eigenen Leistungsvermoumlgens und der vorhandenen Ressourcen im Arbeitsumfeld ndash zugleich als realistisch und erreichbar eingeschaumltzt werden So verstanden stellt Fuumlhren uumlber Ziele ein wesentliches Ele-ment gesundheitsgerechter Mitarbeiterfuumlh-rung dar

Daruumlber hinaus liegt es aber auch in der Verantwortung der Beschaumlftigten die Dynamik der staumlndig steigenden Anfor-derungen durch das eigene undosierte selbstgefaumlhrdende Leistungsverhalten und eine Uumlber identifikation mit den gesetzten Zielvorgaben nicht noch weiter anzureizen Die indirekten Effekte deuten zwar darauf

hin dass das selbstgefaumlhrdende Verhal-ten der Beschaumlftigten wesentlich mit der Unternehmenssteuerung zusammenhaumlngt ndash und selbstverstaumlndlich muumlssen Steue-rungs systeme besonders hinsichtlich der Ziel spiralen uumlberpruumlft und angepasst werden aber auch die Beschaumlftigten muumlssen ihren Umgang mit Grenzen reflektieren Ihnen sollten die Zusam-menhaumlnge und potenziellen Einfluumlsse der Steuerungssysteme auf ihr Gesundheits-verhalten bewusst gemacht werden

Es geht darum Leistungsgrenzen ndash eigene und fremde ndash wahrzunehmen anzunehmen zu kommunizieren und durchzusetzen Das bedeutet auch sich abzugrenzen Dazu bedarf es einer Kultur der Achtsamkeit nicht nur seitens der Fuumlhrung sondern auch der Teammitglie-der untereinander sowie nicht zuletzt der Beschaumlftigten im Umgang mit sich selbst

Dies laumlsst sich nur erreichen wenn Beschaumlftigte Fuumlhrungskraumlfte und Manage-ment ein gemeinsames Bewusstsein der bdquoGrenzen-Problematikldquo entwickeln und gemeinsam an einer gesundheitsfoumlrder-lichen Leistungskultur arbeiten Hierzu sollten Maszlignahmen auf der individuellen Ebene (z B in Form von Verhaltenstrai-nings Kaluza 2011) auf der interperso-nalen Ebene (z B Teamentwicklung Fuumlhrungskraumlfteschulung) und auf der organisationalen Ebene (z B Regelungen zum E-Mail-Verkehr zu Uumlberstunden) integriert durchgefuumlhrt werden Damit wird der Dialektik von Verhalten und Verhaumlltnissen am ehesten entsprochen Fuumlr nachhaltige Wirkungen wird es entscheidend sein das Bewusstsein das im Alltag aufgrund tagesaktueller Aufgaben leicht verloren zu gehen droht uumlber die Dauer einzelner Maszlignahmen hinaus wachzuhalten Hier koumlnnen regel-maumlszligige kollegiale Reflexionstreffen besonders der Fuumlhrungskraumlfte hilfreich sein wie sie in klassischen beziehung s-orien tierten Berufsfeldern in Form von Super vision oder Intervision etabliert sind

11 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Dies wird letztlich nur durch Akteure vor Ort die die unternehmensspezifischen Bedingungen und Prozesse genau kennen erfolgreich umgesetzt werden koumlnnen Eine gesetzliche bdquoAnti-Stress-Verordnungldquo wie sie vor allem von gewerkschaftlicher Seite gefordert wird kann hier lediglich einen allgemeinen Rahmen setzen und bestenfalls den Sozialpartnern einen konstruktiven Weg aus dem Kreislauf der immer gleichen gegenseitigen Schuld- und Verantwortungszuschreibungen weisen

Vielversprechender ist nach den Ergeb-nissen der vorliegenden Studie der kom-binierte Einsatz von Interventionen und Verhaltenstrainings die am Regelwerk der Organisation aber auch am Selbst-verstaumlndnis und der Achtsamkeit der Mitarbeiter ansetzen

Literatur

n Ahlers E bdquoWachsender Arbeitsdruck in den Betrieben ndash Ergebnisse der bundes-weiten PARGEMA-WSI-Betriebsraumltebefra-gung 20082009ldquo Arbeit und Gesundheit im Konflikt Analysen und Ansaumltze fuumlr ein partizipatives Gesundheitsmanagement Hrsg N Kratzer W Dunkel K Becker und S Hinrichs Berlin 2011 35ndash58

n Badura B A Ducki H Schroumlder J Klose und M Meyer (Hrsg) Fehlzeiten-Report 2012 Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt Chancen nutzen ndash Risiken minimieren Berlin und Heidelberg 2012

n BAuA (Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2012 ndash Unfallverhuumltungsbericht Arbeit Dort-mund Berlin und Dresden 2014

n DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) DGB-Index Gute Arbeit ndash Der Report 2014 Wie die Beschaumlftigten die Arbeitswelt in Deutschland beurteilen ndash Arbeitszeitgestaltung Berlin 2014

n Dorsemagen C A Krause M Lehmann und U Pekruhl Flexible Arbeitszeiten in der Schweiz ndash Auswertung einer reprauml-sentativen Befragung der Schweizer

derungen Ressourcen und Befinden Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund Berlin und Dresden 2012

n Menz W W Dunkel und N Kratzer bdquoLeistung und Leiden Neue Steue-rungsformen von Leistung und ihre Belastungswirkungenldquo Arbeit und Gesundheit im Konflikt ndash Analysen und Ansaumltze fuumlr ein partizipatives Gesund-heitsmanagement Hrsg N Kratzer Berlin 2011 143ndash198

n Nuumlbling M U Stoumlszligel H-M Hassel-horn M Michaelis und F Hofmann Methoden zur Erfassung psychischer Belastungen ndash Erprobung eines Mess-instruments (COPSOQ) Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund 2005

n Peters K bdquoIndirekte Steuerung und interessierte Selbstgefaumlhrdung ndash Eine 180-Grad-Wende bei der betrieblichen Gesundheitsfoumlrderungldquo Arbeit und Gesundheit im Konflikt Analysen und Ansaumltze fuumlr ein partizipatives Gesund-heitsmanagement Hrsg N Kratzer W Dunkel K Becker und S Hinrichs Berlin 2011 105ndash122

n Semmer N K N Jacobshagen L L Meier A Elfering W Kaumllin und F Tschan bdquoPsychische Beanspruchung durch illegitime Aufgabenldquo Immer schneller immer mehr ndash Psychische Belastung bei Wissens- und Dienst-leistungsarbeit Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin G Junghans und M Morschhaumluser Wiesbaden 2013 97ndash112

n Siegrist J bdquoAdverse health effects of high effort ndash low reward conditions at workrdquo Journal of Occupational Health Psychology 1996 27ndash43

n Siegrist J und N Dragano bdquoPsycho-so ziale Belastungen und Erkrankungs-risiken im Erwerbslebenldquo Bundesge-sundheitsblatt ndash Gesundheitsforschung ndash Gesundheitsschutz Duumlsseldorf 2008 305ndash312

Erwerbsbevoumllkerung Hrsg Staatssekre-tariat fuumlr Wirtschaft Bern 2012

n Herda C A Scharfenstein und H D Basler bdquoMarburger Fragebogen zum habi-tuellen Wohlbefindenrdquo Schriftenreihe des Zentrums fuumlr Methodenwissenschaften und Gesundheitsforschung Arbeitspapier 98-1 Philipps-Universitaumlt Marburg 1998

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n Karasek R A und T Theorell Healthy Work Stress productivity and the restric-tion of working life New York 1990

n Kratzer N und W Dunkel bdquoNeue Steuerungsformen bei Dienstlei-stungsarbeit ndash Folgen fuumlr Arbeit und Gesundheitldquo Immer schneller immer mehr ndash Psychische Belastung bei Wis-sens- und Dienstleistungsarbeit Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin G Junghans und M Morschhaumluser Wiesbaden 2013 41ndash61

n Krause A S Baeriswyl M Berset N Deci J Dettmers W Meier S Schra-ner B Stetter und L Straub bdquoSelbstge-faumlhrdung als Indikator fuumlr Maumlngel bei der Gestaltung mobil-flexibler Arbeit Zur Entwicklung eines Erhebungsin-strumentsldquo Wirtschaftspsychologie (in Druck)

n Krause A C Dorsemagen J Stadlinger und S Baeriswyl bdquoIndirekte Steuerung und interessierte Selbstgefaumlhrdung Ergebnisse aus Befragungen und Fallstu-dien Konsequenzen fuumlr das Betriebliche Gesundheitsmanagementldquo Fehlzeiten-Report 2012 Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt Chancen nutzen ndash Risiken minimieren Hrsg B Badura A Ducki H Schroumlder J Klose und M Meyer Berlin und Heidelberg 2012 191ndash202

n Lohmann-Haislah A Stressreport Deutschland 2012 ndash Psychische Anfor-

Bertelsmann StiftungProgramm Versorgung verbessern ndash Patienten informieren Carl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumltersloh wwwbertelsmann-stiftungdewwwgesundheitsmonitorde

Barmer GEK Lichtscheider Str 89ndash9542285 Wuppertalwwwbarmer-gekde

RedaktionDr Jan BoumlckenTobias FeldhausDr Ruumldiger MeierjuumlrgenNicole Osterkamp

IllustrationChristoph J Kellnerwwwanimanovade

AutorenDr Anja Chevalier(Deutsche Sporthochschule Koumlln)Prof Dr Gert Kaluza(GKM-Institut fuumlr Gesund-heitspsychologie)

KontaktHeike Clostermeyer Tel (05241) 81-8 13 81 Fax (05241) 81-68 13 81 heikeclostermeyer bertelsmann-stiftungde

Die Autoren

Dr Anja Chevalier Jahrgang 1979 ist promovierte Sozialpsychologin und Dozentin an der deutschen Sporthoch-schule Koumlln am Institut fuumlr Sportoumlkono-mie und Sportmanagement Sie studierte Psychologie an der Julius-Maximilans- Universitaumlt Wuumlrzburg RWTH Aachen und der University of Kent in Groszligbritannien Nach der Promotion zum Thema gruppen-basierte Emotionen forschte und lehrte sie mehrere Jahre zu verschiedenen sozialpsychologischen Themen an der Cardiff University (GB) Universiteit van Amsterdam (NL) und Amsterdam Univer-sity College (NL) Seit uumlber zehn Jahren

wird sie regelmaumlszligig fuumlr Lehrauftraumlge und als Referentin zu den Themen Fuumlhrung Gruppendynamik und Interkulturelle Kompetenz sowie Statistik und Methodik angefragt Ihre Forschung konzentriert sich auf Themen zu Performance und Diversity Management

Prof Dr Gert Kaluza Jahrgang 1955 ist Diplom-Psychologe und approbierter psychologischer Psychotherapeut Nach dem Studium der Psychologie und Paumlda gogik an den Universitaumlten Gieszligen und Marburg arbeitete er als wissen-schaft licher Mitarbeiter im Bereich der Medizinischen Psychologie an

verschiedenen Universitaumlten absolvierte psychotherapeutische Ausbildungen in Verhaltenstherapie und koumlrperorien-tierter Psychotherapie und promovierte an der Medizinischen Hochschule Hannover 1989 mit einer Arbeit zur Psychologie des chronischen Schmerzes Die Habili tation erfolgte 1997 am Fach bereich Medizin der Universitaumlt Marburg mit empirischen Studien zu seinem bis heute zentralen Forschungs-thema bdquoBelas tungsverarbeitung und Gesundheitldquo

Nach uumlber 20-jaumlhriger Taumltigkeit in Forschung und Lehre an verschiedenen Universitaumlten gruumlndete er 2002 sein eigenes Fortbildungs- und Trainings-institut und ist seitdem als Autor Trainer und Coach im Bereich der individuellen und betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung taumltig

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Die Analysen der indirekten Effekte zeigen dass die Einfluumlsse der beiden wichtigsten Vorhersageparameter Zielspirale und Handlungsspielraumlume auf die verschiedenen Beanspruchungs-indikatoren im Wesentlichen auf das selbst gefaumlhrdende Verhalten der Beschaumlf-tigten zuruumlckgefuumlhrt werden koumlnnen

Das selbstgefaumlhrdende Verhalten uumlber-nimmt somit eine Schluumlsselrolle in der Beziehung zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und Beanspru-chung beziehungsweise Gesundheit der Beschaumlftigten Zum einen beguumlnstigen vor allem die stetig steigenden Zielvorgaben gesundheitsgefaumlhrdendes Arbeitsverhal-ten der Beschaumlftigten zum anderen fuumlhrt dieses Verhalten zu verstaumlrkten Bean-spruchungssymptomen Dies bedeutet jedoch nicht dass die Verantwortung fuumlr die gesundheitlichen Folgen allein bei den sich selbstgefaumlhrdend verhaltenden Beschaumlftigten liegt Die Analysen der indirekten Effekte belegen ein deutig Selbstgefaumlhrdendes Verhalten tritt als Folge indirekter Steuerung auf und erklaumlrt somit zwar teilweise den Effekt auf Beanspruchung kann aber nicht die eigentliche Ursache sein

Unternehmen stehen hier also erst ein-mal in der Verantwortung Arbeits- und Leistungskulturen zu gestalten in denen ein gesundheitsfoumlrderliches Arbeits- und Leistungsverhalten des Einzelnen uumlber-haupt moumlglich wird

Empfehlungen fuumlr die Gesundheitspolitik Welche praktischen Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den Ergebnissen im Hinblick auf die Gesundheit und die Gesundheitsfoumlrderung der Beschaumlftigten ableiten

Wie die Ergebnisse zeigen sind es vor allem die steigenden Zielvorgaben die das gesundheitsgefaumlhrdende Verhalten

der Beschaumlftigten sowie deren koumlrper-liche und psychische Beanspruchungs-symptome beeinflussen Es ist also notwendig sich mit diesen Zielspiralen auseinanderzusetzen die sich allein am Markt und am oumlkonomischen Wachstum und eben nicht am Leistungspotenzial der Beschaumlftigten orientieren Anreiz-systeme der Unternehmen muumlssen wieder so gestaltet werden dass es Wachstums-potenziale fuumlr Beschaumlftigte geben kann und diese nicht nur einem immer unwahrscheinlicherem Erreichen des Unerreichbaren ausgesetzt sind

Dagegen koumlnnen erhoumlhte Handlungs- und Entscheidungsspielraumlume eindeutig als Res-source verstanden werden die das positive Erleben des Arbeitsalltags beguumlnstigen

Fuumlhren uumlber Zielvereinbarungen hat ndash dar-auf weisen die Ergebnisse hin ndash nicht nur keine gesundheitsschaumldlichen sondern sogar potenziell gesundheitsfoumlrderliche Auswirkungen Ziele koumlnnen Unsicherheit reduzieren indem sie Orientierung und Struktur vermitteln sie koumlnnen helfen Prioritaumlten zu setzen und bestenfalls sinn- und identitaumltsstiftend wirken Dies wird umso mehr der Fall sein je mehr die Ziele von Vorgesetzten realistisch definiert und auch von Beschaumlftigten selbst mit beein-flusst werden koumlnnen Sie sollten als her-ausfordernd und ndash unter Beruumlcksichtigung des eigenen Leistungsvermoumlgens und der vorhandenen Ressourcen im Arbeitsumfeld ndash zugleich als realistisch und erreichbar eingeschaumltzt werden So verstanden stellt Fuumlhren uumlber Ziele ein wesentliches Ele-ment gesundheitsgerechter Mitarbeiterfuumlh-rung dar

Daruumlber hinaus liegt es aber auch in der Verantwortung der Beschaumlftigten die Dynamik der staumlndig steigenden Anfor-derungen durch das eigene undosierte selbstgefaumlhrdende Leistungsverhalten und eine Uumlber identifikation mit den gesetzten Zielvorgaben nicht noch weiter anzureizen Die indirekten Effekte deuten zwar darauf

hin dass das selbstgefaumlhrdende Verhal-ten der Beschaumlftigten wesentlich mit der Unternehmenssteuerung zusammenhaumlngt ndash und selbstverstaumlndlich muumlssen Steue-rungs systeme besonders hinsichtlich der Ziel spiralen uumlberpruumlft und angepasst werden aber auch die Beschaumlftigten muumlssen ihren Umgang mit Grenzen reflektieren Ihnen sollten die Zusam-menhaumlnge und potenziellen Einfluumlsse der Steuerungssysteme auf ihr Gesundheits-verhalten bewusst gemacht werden

Es geht darum Leistungsgrenzen ndash eigene und fremde ndash wahrzunehmen anzunehmen zu kommunizieren und durchzusetzen Das bedeutet auch sich abzugrenzen Dazu bedarf es einer Kultur der Achtsamkeit nicht nur seitens der Fuumlhrung sondern auch der Teammitglie-der untereinander sowie nicht zuletzt der Beschaumlftigten im Umgang mit sich selbst

Dies laumlsst sich nur erreichen wenn Beschaumlftigte Fuumlhrungskraumlfte und Manage-ment ein gemeinsames Bewusstsein der bdquoGrenzen-Problematikldquo entwickeln und gemeinsam an einer gesundheitsfoumlrder-lichen Leistungskultur arbeiten Hierzu sollten Maszlignahmen auf der individuellen Ebene (z B in Form von Verhaltenstrai-nings Kaluza 2011) auf der interperso-nalen Ebene (z B Teamentwicklung Fuumlhrungskraumlfteschulung) und auf der organisationalen Ebene (z B Regelungen zum E-Mail-Verkehr zu Uumlberstunden) integriert durchgefuumlhrt werden Damit wird der Dialektik von Verhalten und Verhaumlltnissen am ehesten entsprochen Fuumlr nachhaltige Wirkungen wird es entscheidend sein das Bewusstsein das im Alltag aufgrund tagesaktueller Aufgaben leicht verloren zu gehen droht uumlber die Dauer einzelner Maszlignahmen hinaus wachzuhalten Hier koumlnnen regel-maumlszligige kollegiale Reflexionstreffen besonders der Fuumlhrungskraumlfte hilfreich sein wie sie in klassischen beziehung s-orien tierten Berufsfeldern in Form von Super vision oder Intervision etabliert sind

11 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Dies wird letztlich nur durch Akteure vor Ort die die unternehmensspezifischen Bedingungen und Prozesse genau kennen erfolgreich umgesetzt werden koumlnnen Eine gesetzliche bdquoAnti-Stress-Verordnungldquo wie sie vor allem von gewerkschaftlicher Seite gefordert wird kann hier lediglich einen allgemeinen Rahmen setzen und bestenfalls den Sozialpartnern einen konstruktiven Weg aus dem Kreislauf der immer gleichen gegenseitigen Schuld- und Verantwortungszuschreibungen weisen

Vielversprechender ist nach den Ergeb-nissen der vorliegenden Studie der kom-binierte Einsatz von Interventionen und Verhaltenstrainings die am Regelwerk der Organisation aber auch am Selbst-verstaumlndnis und der Achtsamkeit der Mitarbeiter ansetzen

Literatur

n Ahlers E bdquoWachsender Arbeitsdruck in den Betrieben ndash Ergebnisse der bundes-weiten PARGEMA-WSI-Betriebsraumltebefra-gung 20082009ldquo Arbeit und Gesundheit im Konflikt Analysen und Ansaumltze fuumlr ein partizipatives Gesundheitsmanagement Hrsg N Kratzer W Dunkel K Becker und S Hinrichs Berlin 2011 35ndash58

n Badura B A Ducki H Schroumlder J Klose und M Meyer (Hrsg) Fehlzeiten-Report 2012 Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt Chancen nutzen ndash Risiken minimieren Berlin und Heidelberg 2012

n BAuA (Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2012 ndash Unfallverhuumltungsbericht Arbeit Dort-mund Berlin und Dresden 2014

n DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) DGB-Index Gute Arbeit ndash Der Report 2014 Wie die Beschaumlftigten die Arbeitswelt in Deutschland beurteilen ndash Arbeitszeitgestaltung Berlin 2014

n Dorsemagen C A Krause M Lehmann und U Pekruhl Flexible Arbeitszeiten in der Schweiz ndash Auswertung einer reprauml-sentativen Befragung der Schweizer

derungen Ressourcen und Befinden Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund Berlin und Dresden 2012

n Menz W W Dunkel und N Kratzer bdquoLeistung und Leiden Neue Steue-rungsformen von Leistung und ihre Belastungswirkungenldquo Arbeit und Gesundheit im Konflikt ndash Analysen und Ansaumltze fuumlr ein partizipatives Gesund-heitsmanagement Hrsg N Kratzer Berlin 2011 143ndash198

n Nuumlbling M U Stoumlszligel H-M Hassel-horn M Michaelis und F Hofmann Methoden zur Erfassung psychischer Belastungen ndash Erprobung eines Mess-instruments (COPSOQ) Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund 2005

n Peters K bdquoIndirekte Steuerung und interessierte Selbstgefaumlhrdung ndash Eine 180-Grad-Wende bei der betrieblichen Gesundheitsfoumlrderungldquo Arbeit und Gesundheit im Konflikt Analysen und Ansaumltze fuumlr ein partizipatives Gesund-heitsmanagement Hrsg N Kratzer W Dunkel K Becker und S Hinrichs Berlin 2011 105ndash122

n Semmer N K N Jacobshagen L L Meier A Elfering W Kaumllin und F Tschan bdquoPsychische Beanspruchung durch illegitime Aufgabenldquo Immer schneller immer mehr ndash Psychische Belastung bei Wissens- und Dienst-leistungsarbeit Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin G Junghans und M Morschhaumluser Wiesbaden 2013 97ndash112

n Siegrist J bdquoAdverse health effects of high effort ndash low reward conditions at workrdquo Journal of Occupational Health Psychology 1996 27ndash43

n Siegrist J und N Dragano bdquoPsycho-so ziale Belastungen und Erkrankungs-risiken im Erwerbslebenldquo Bundesge-sundheitsblatt ndash Gesundheitsforschung ndash Gesundheitsschutz Duumlsseldorf 2008 305ndash312

Erwerbsbevoumllkerung Hrsg Staatssekre-tariat fuumlr Wirtschaft Bern 2012

n Herda C A Scharfenstein und H D Basler bdquoMarburger Fragebogen zum habi-tuellen Wohlbefindenrdquo Schriftenreihe des Zentrums fuumlr Methodenwissenschaften und Gesundheitsforschung Arbeitspapier 98-1 Philipps-Universitaumlt Marburg 1998

n Judge T A und S Watanabe bdquoIndi-vidual differences in the nature of the relationship between job and life satisfactionldquo Journal of Occupational and Organizational Psychology (67) 1994 101ndash107

n Kaluza G Stressbewaumlltigung ndash Trai-ningsmanual zur psychologischen Gesundheitsfoumlrderung Heidelberg 2011

n Karasek R A und T Theorell Healthy Work Stress productivity and the restric-tion of working life New York 1990

n Kratzer N und W Dunkel bdquoNeue Steuerungsformen bei Dienstlei-stungsarbeit ndash Folgen fuumlr Arbeit und Gesundheitldquo Immer schneller immer mehr ndash Psychische Belastung bei Wis-sens- und Dienstleistungsarbeit Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin G Junghans und M Morschhaumluser Wiesbaden 2013 41ndash61

n Krause A S Baeriswyl M Berset N Deci J Dettmers W Meier S Schra-ner B Stetter und L Straub bdquoSelbstge-faumlhrdung als Indikator fuumlr Maumlngel bei der Gestaltung mobil-flexibler Arbeit Zur Entwicklung eines Erhebungsin-strumentsldquo Wirtschaftspsychologie (in Druck)

n Krause A C Dorsemagen J Stadlinger und S Baeriswyl bdquoIndirekte Steuerung und interessierte Selbstgefaumlhrdung Ergebnisse aus Befragungen und Fallstu-dien Konsequenzen fuumlr das Betriebliche Gesundheitsmanagementldquo Fehlzeiten-Report 2012 Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt Chancen nutzen ndash Risiken minimieren Hrsg B Badura A Ducki H Schroumlder J Klose und M Meyer Berlin und Heidelberg 2012 191ndash202

n Lohmann-Haislah A Stressreport Deutschland 2012 ndash Psychische Anfor-

Bertelsmann StiftungProgramm Versorgung verbessern ndash Patienten informieren Carl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumltersloh wwwbertelsmann-stiftungdewwwgesundheitsmonitorde

Barmer GEK Lichtscheider Str 89ndash9542285 Wuppertalwwwbarmer-gekde

RedaktionDr Jan BoumlckenTobias FeldhausDr Ruumldiger MeierjuumlrgenNicole Osterkamp

IllustrationChristoph J Kellnerwwwanimanovade

AutorenDr Anja Chevalier(Deutsche Sporthochschule Koumlln)Prof Dr Gert Kaluza(GKM-Institut fuumlr Gesund-heitspsychologie)

KontaktHeike Clostermeyer Tel (05241) 81-8 13 81 Fax (05241) 81-68 13 81 heikeclostermeyer bertelsmann-stiftungde

Die Autoren

Dr Anja Chevalier Jahrgang 1979 ist promovierte Sozialpsychologin und Dozentin an der deutschen Sporthoch-schule Koumlln am Institut fuumlr Sportoumlkono-mie und Sportmanagement Sie studierte Psychologie an der Julius-Maximilans- Universitaumlt Wuumlrzburg RWTH Aachen und der University of Kent in Groszligbritannien Nach der Promotion zum Thema gruppen-basierte Emotionen forschte und lehrte sie mehrere Jahre zu verschiedenen sozialpsychologischen Themen an der Cardiff University (GB) Universiteit van Amsterdam (NL) und Amsterdam Univer-sity College (NL) Seit uumlber zehn Jahren

wird sie regelmaumlszligig fuumlr Lehrauftraumlge und als Referentin zu den Themen Fuumlhrung Gruppendynamik und Interkulturelle Kompetenz sowie Statistik und Methodik angefragt Ihre Forschung konzentriert sich auf Themen zu Performance und Diversity Management

Prof Dr Gert Kaluza Jahrgang 1955 ist Diplom-Psychologe und approbierter psychologischer Psychotherapeut Nach dem Studium der Psychologie und Paumlda gogik an den Universitaumlten Gieszligen und Marburg arbeitete er als wissen-schaft licher Mitarbeiter im Bereich der Medizinischen Psychologie an

verschiedenen Universitaumlten absolvierte psychotherapeutische Ausbildungen in Verhaltenstherapie und koumlrperorien-tierter Psychotherapie und promovierte an der Medizinischen Hochschule Hannover 1989 mit einer Arbeit zur Psychologie des chronischen Schmerzes Die Habili tation erfolgte 1997 am Fach bereich Medizin der Universitaumlt Marburg mit empirischen Studien zu seinem bis heute zentralen Forschungs-thema bdquoBelas tungsverarbeitung und Gesundheitldquo

Nach uumlber 20-jaumlhriger Taumltigkeit in Forschung und Lehre an verschiedenen Universitaumlten gruumlndete er 2002 sein eigenes Fortbildungs- und Trainings-institut und ist seitdem als Autor Trainer und Coach im Bereich der individuellen und betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung taumltig

Page 11: Newsletter - Bertelsmann Stiftung...2015/03/16  · und trotzdem hochaktuell: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und dem Leistungs-verhalten der

11 Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK

Dies wird letztlich nur durch Akteure vor Ort die die unternehmensspezifischen Bedingungen und Prozesse genau kennen erfolgreich umgesetzt werden koumlnnen Eine gesetzliche bdquoAnti-Stress-Verordnungldquo wie sie vor allem von gewerkschaftlicher Seite gefordert wird kann hier lediglich einen allgemeinen Rahmen setzen und bestenfalls den Sozialpartnern einen konstruktiven Weg aus dem Kreislauf der immer gleichen gegenseitigen Schuld- und Verantwortungszuschreibungen weisen

Vielversprechender ist nach den Ergeb-nissen der vorliegenden Studie der kom-binierte Einsatz von Interventionen und Verhaltenstrainings die am Regelwerk der Organisation aber auch am Selbst-verstaumlndnis und der Achtsamkeit der Mitarbeiter ansetzen

Literatur

n Ahlers E bdquoWachsender Arbeitsdruck in den Betrieben ndash Ergebnisse der bundes-weiten PARGEMA-WSI-Betriebsraumltebefra-gung 20082009ldquo Arbeit und Gesundheit im Konflikt Analysen und Ansaumltze fuumlr ein partizipatives Gesundheitsmanagement Hrsg N Kratzer W Dunkel K Becker und S Hinrichs Berlin 2011 35ndash58

n Badura B A Ducki H Schroumlder J Klose und M Meyer (Hrsg) Fehlzeiten-Report 2012 Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt Chancen nutzen ndash Risiken minimieren Berlin und Heidelberg 2012

n BAuA (Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2012 ndash Unfallverhuumltungsbericht Arbeit Dort-mund Berlin und Dresden 2014

n DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) DGB-Index Gute Arbeit ndash Der Report 2014 Wie die Beschaumlftigten die Arbeitswelt in Deutschland beurteilen ndash Arbeitszeitgestaltung Berlin 2014

n Dorsemagen C A Krause M Lehmann und U Pekruhl Flexible Arbeitszeiten in der Schweiz ndash Auswertung einer reprauml-sentativen Befragung der Schweizer

derungen Ressourcen und Befinden Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund Berlin und Dresden 2012

n Menz W W Dunkel und N Kratzer bdquoLeistung und Leiden Neue Steue-rungsformen von Leistung und ihre Belastungswirkungenldquo Arbeit und Gesundheit im Konflikt ndash Analysen und Ansaumltze fuumlr ein partizipatives Gesund-heitsmanagement Hrsg N Kratzer Berlin 2011 143ndash198

n Nuumlbling M U Stoumlszligel H-M Hassel-horn M Michaelis und F Hofmann Methoden zur Erfassung psychischer Belastungen ndash Erprobung eines Mess-instruments (COPSOQ) Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Dortmund 2005

n Peters K bdquoIndirekte Steuerung und interessierte Selbstgefaumlhrdung ndash Eine 180-Grad-Wende bei der betrieblichen Gesundheitsfoumlrderungldquo Arbeit und Gesundheit im Konflikt Analysen und Ansaumltze fuumlr ein partizipatives Gesund-heitsmanagement Hrsg N Kratzer W Dunkel K Becker und S Hinrichs Berlin 2011 105ndash122

n Semmer N K N Jacobshagen L L Meier A Elfering W Kaumllin und F Tschan bdquoPsychische Beanspruchung durch illegitime Aufgabenldquo Immer schneller immer mehr ndash Psychische Belastung bei Wissens- und Dienst-leistungsarbeit Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin G Junghans und M Morschhaumluser Wiesbaden 2013 97ndash112

n Siegrist J bdquoAdverse health effects of high effort ndash low reward conditions at workrdquo Journal of Occupational Health Psychology 1996 27ndash43

n Siegrist J und N Dragano bdquoPsycho-so ziale Belastungen und Erkrankungs-risiken im Erwerbslebenldquo Bundesge-sundheitsblatt ndash Gesundheitsforschung ndash Gesundheitsschutz Duumlsseldorf 2008 305ndash312

Erwerbsbevoumllkerung Hrsg Staatssekre-tariat fuumlr Wirtschaft Bern 2012

n Herda C A Scharfenstein und H D Basler bdquoMarburger Fragebogen zum habi-tuellen Wohlbefindenrdquo Schriftenreihe des Zentrums fuumlr Methodenwissenschaften und Gesundheitsforschung Arbeitspapier 98-1 Philipps-Universitaumlt Marburg 1998

n Judge T A und S Watanabe bdquoIndi-vidual differences in the nature of the relationship between job and life satisfactionldquo Journal of Occupational and Organizational Psychology (67) 1994 101ndash107

n Kaluza G Stressbewaumlltigung ndash Trai-ningsmanual zur psychologischen Gesundheitsfoumlrderung Heidelberg 2011

n Karasek R A und T Theorell Healthy Work Stress productivity and the restric-tion of working life New York 1990

n Kratzer N und W Dunkel bdquoNeue Steuerungsformen bei Dienstlei-stungsarbeit ndash Folgen fuumlr Arbeit und Gesundheitldquo Immer schneller immer mehr ndash Psychische Belastung bei Wis-sens- und Dienstleistungsarbeit Hrsg Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin G Junghans und M Morschhaumluser Wiesbaden 2013 41ndash61

n Krause A S Baeriswyl M Berset N Deci J Dettmers W Meier S Schra-ner B Stetter und L Straub bdquoSelbstge-faumlhrdung als Indikator fuumlr Maumlngel bei der Gestaltung mobil-flexibler Arbeit Zur Entwicklung eines Erhebungsin-strumentsldquo Wirtschaftspsychologie (in Druck)

n Krause A C Dorsemagen J Stadlinger und S Baeriswyl bdquoIndirekte Steuerung und interessierte Selbstgefaumlhrdung Ergebnisse aus Befragungen und Fallstu-dien Konsequenzen fuumlr das Betriebliche Gesundheitsmanagementldquo Fehlzeiten-Report 2012 Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt Chancen nutzen ndash Risiken minimieren Hrsg B Badura A Ducki H Schroumlder J Klose und M Meyer Berlin und Heidelberg 2012 191ndash202

n Lohmann-Haislah A Stressreport Deutschland 2012 ndash Psychische Anfor-

Bertelsmann StiftungProgramm Versorgung verbessern ndash Patienten informieren Carl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumltersloh wwwbertelsmann-stiftungdewwwgesundheitsmonitorde

Barmer GEK Lichtscheider Str 89ndash9542285 Wuppertalwwwbarmer-gekde

RedaktionDr Jan BoumlckenTobias FeldhausDr Ruumldiger MeierjuumlrgenNicole Osterkamp

IllustrationChristoph J Kellnerwwwanimanovade

AutorenDr Anja Chevalier(Deutsche Sporthochschule Koumlln)Prof Dr Gert Kaluza(GKM-Institut fuumlr Gesund-heitspsychologie)

KontaktHeike Clostermeyer Tel (05241) 81-8 13 81 Fax (05241) 81-68 13 81 heikeclostermeyer bertelsmann-stiftungde

Die Autoren

Dr Anja Chevalier Jahrgang 1979 ist promovierte Sozialpsychologin und Dozentin an der deutschen Sporthoch-schule Koumlln am Institut fuumlr Sportoumlkono-mie und Sportmanagement Sie studierte Psychologie an der Julius-Maximilans- Universitaumlt Wuumlrzburg RWTH Aachen und der University of Kent in Groszligbritannien Nach der Promotion zum Thema gruppen-basierte Emotionen forschte und lehrte sie mehrere Jahre zu verschiedenen sozialpsychologischen Themen an der Cardiff University (GB) Universiteit van Amsterdam (NL) und Amsterdam Univer-sity College (NL) Seit uumlber zehn Jahren

wird sie regelmaumlszligig fuumlr Lehrauftraumlge und als Referentin zu den Themen Fuumlhrung Gruppendynamik und Interkulturelle Kompetenz sowie Statistik und Methodik angefragt Ihre Forschung konzentriert sich auf Themen zu Performance und Diversity Management

Prof Dr Gert Kaluza Jahrgang 1955 ist Diplom-Psychologe und approbierter psychologischer Psychotherapeut Nach dem Studium der Psychologie und Paumlda gogik an den Universitaumlten Gieszligen und Marburg arbeitete er als wissen-schaft licher Mitarbeiter im Bereich der Medizinischen Psychologie an

verschiedenen Universitaumlten absolvierte psychotherapeutische Ausbildungen in Verhaltenstherapie und koumlrperorien-tierter Psychotherapie und promovierte an der Medizinischen Hochschule Hannover 1989 mit einer Arbeit zur Psychologie des chronischen Schmerzes Die Habili tation erfolgte 1997 am Fach bereich Medizin der Universitaumlt Marburg mit empirischen Studien zu seinem bis heute zentralen Forschungs-thema bdquoBelas tungsverarbeitung und Gesundheitldquo

Nach uumlber 20-jaumlhriger Taumltigkeit in Forschung und Lehre an verschiedenen Universitaumlten gruumlndete er 2002 sein eigenes Fortbildungs- und Trainings-institut und ist seitdem als Autor Trainer und Coach im Bereich der individuellen und betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung taumltig

Page 12: Newsletter - Bertelsmann Stiftung...2015/03/16  · und trotzdem hochaktuell: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen indirekter Unternehmenssteuerung und dem Leistungs-verhalten der

Bertelsmann StiftungProgramm Versorgung verbessern ndash Patienten informieren Carl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumltersloh wwwbertelsmann-stiftungdewwwgesundheitsmonitorde

Barmer GEK Lichtscheider Str 89ndash9542285 Wuppertalwwwbarmer-gekde

RedaktionDr Jan BoumlckenTobias FeldhausDr Ruumldiger MeierjuumlrgenNicole Osterkamp

IllustrationChristoph J Kellnerwwwanimanovade

AutorenDr Anja Chevalier(Deutsche Sporthochschule Koumlln)Prof Dr Gert Kaluza(GKM-Institut fuumlr Gesund-heitspsychologie)

KontaktHeike Clostermeyer Tel (05241) 81-8 13 81 Fax (05241) 81-68 13 81 heikeclostermeyer bertelsmann-stiftungde

Die Autoren

Dr Anja Chevalier Jahrgang 1979 ist promovierte Sozialpsychologin und Dozentin an der deutschen Sporthoch-schule Koumlln am Institut fuumlr Sportoumlkono-mie und Sportmanagement Sie studierte Psychologie an der Julius-Maximilans- Universitaumlt Wuumlrzburg RWTH Aachen und der University of Kent in Groszligbritannien Nach der Promotion zum Thema gruppen-basierte Emotionen forschte und lehrte sie mehrere Jahre zu verschiedenen sozialpsychologischen Themen an der Cardiff University (GB) Universiteit van Amsterdam (NL) und Amsterdam Univer-sity College (NL) Seit uumlber zehn Jahren

wird sie regelmaumlszligig fuumlr Lehrauftraumlge und als Referentin zu den Themen Fuumlhrung Gruppendynamik und Interkulturelle Kompetenz sowie Statistik und Methodik angefragt Ihre Forschung konzentriert sich auf Themen zu Performance und Diversity Management

Prof Dr Gert Kaluza Jahrgang 1955 ist Diplom-Psychologe und approbierter psychologischer Psychotherapeut Nach dem Studium der Psychologie und Paumlda gogik an den Universitaumlten Gieszligen und Marburg arbeitete er als wissen-schaft licher Mitarbeiter im Bereich der Medizinischen Psychologie an

verschiedenen Universitaumlten absolvierte psychotherapeutische Ausbildungen in Verhaltenstherapie und koumlrperorien-tierter Psychotherapie und promovierte an der Medizinischen Hochschule Hannover 1989 mit einer Arbeit zur Psychologie des chronischen Schmerzes Die Habili tation erfolgte 1997 am Fach bereich Medizin der Universitaumlt Marburg mit empirischen Studien zu seinem bis heute zentralen Forschungs-thema bdquoBelas tungsverarbeitung und Gesundheitldquo

Nach uumlber 20-jaumlhriger Taumltigkeit in Forschung und Lehre an verschiedenen Universitaumlten gruumlndete er 2002 sein eigenes Fortbildungs- und Trainings-institut und ist seitdem als Autor Trainer und Coach im Bereich der individuellen und betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung taumltig