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Morphologie Nichtlineare Morphologie 1 Nichtlineare Morphologie In diesem Abschnitt werden morphologische Ph ¨ ano- mene besprochen, die klar nicht-konkatenativ sind, was manchmal auch nicht-linear genannt wird. Es werden dabei Ideen eingesetzt, um die Morpholo- gie zu beschreiben, die urspr ¨ unglich f ¨ ur die Behand- lung prosodischer Ph ¨ anomene entwickelt wurden. Unter Prosodie fasst man Eigenschaften der Spra- che zusammen wie Akzent (Betonung), Silbenl ¨ ange, Tonh ¨ ohe, Sprechtempo und Sprechrythmus. Besprochen werden insbesondere: 1. Morphologie der Wurzeln und Muster 2. Reduplikation 2

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Morphologie

Nichtlineare Morphologie

1

Nichtlineare Morphologie

• In diesem Abschnitt werden morphologische Phano-mene besprochen, die klar nicht-konkatenativ sind,was manchmal auch nicht-linear genannt wird.

• Es werden dabei Ideen eingesetzt, um die Morpholo-gie zu beschreiben, die ursprunglich fur die Behand-lung prosodischer Phanomene entwickelt wurden.

• Unter Prosodie fasst man Eigenschaften der Spra-che zusammen wie Akzent (Betonung), Silbenlange,Tonhohe, Sprechtempo und Sprechrythmus.

• Besprochen werden insbesondere:

1. Morphologie der Wurzeln und Muster

2. Reduplikation

2

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Morphologie der Wurzeln und Muster

• In semitischen Sprachen, wie Hebraisch oder Ara-bisch, besteht die Wurzel meist aus einer Reihe vonKonsonanten.

• Worter werden aus diesen Wurzeln dadurch geformt,dass man diese Konsonaten

1. manchmal mit Affixen kombiniert und2. mit einem Vokalmuster kombiniert.

• Man nennt dies Wurzel- und Mustermorphologie.

• Die Wortklassen, die aus verschiedenen Realisie-rungen desselben Konsonantenmusters (Vokalalter-nation ignorierend) entstehen, nennt man nach derhebraischen Bezeichnung Binyanim (Binyan im Sin-gular).

3

Arabisch

• Einige Verbalformen aus dem Arabischen (gleicheadjazente Vokale stehen fur einen langen Vokal,gleiche adjazente Konsonanten fur eine Geminate

(langgesprochener Konsonant)):

kataba “Er schrieb”kattaba “Er verursachte zu schreiben”kaataba “Er korrespondierte”takaatabuu “Sie unterhielten eine Korrespondenz”ktataba “Er schrieb ab”kitaabun “Buch” (nom)kuttaabun “Koranschule” (nom)kitaabatun “das Schreiben” (nom)maktabun “Buro” (nom)

• Beobachtungen:

1. Die morphologische Verwandtschaft aller dieserFormen zeigt sich in der Konsonantenfolge k-t-b.

2. Sie teilen aber keine kontinuierlichen Segmentfol-gen, die man als Morpheme bezeichnen konnte.

3. Die Kernbedeutung kreist um “schreiben”.

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Arabisch 2

• Verbformen im Arabischen konnen u.a. die Ka-

tegorien Aktiv, Passiv, Imperfektiv, Perfektiv undPartizip ausdrucken.

• Die folgende Tabelle zeigt die vier Binyanim, die ausder Vierersequenz der Konsonanten d-h� -r-j gebildetwerden und bzgl. dieser Kategorien variieren.

Perfektiv ImperfektivAktiv Passiv Aktiv Passiv

QI dah� raj duh� rij udah� rij udah� rajQII tadah� raj tuduh� rij atadah� raj utadah� rajQIII dh� anraj dh� unrij adh� anrij udh� anrajQIV dh� arjaj dh� urjij adh� arjij udh� arjaj

PartizipAktiv Passiv

QI mudah� rij mudah� rajQII mutadah� rij mutadah� rajQIII mudh� anrij mudh� anrajQIV mudh� arjij mudh� arjaj

5

Arabisch 3

• Aus einer Dreiersequenz von Konsonanten (hier dieWurzel k-t-b) konnen 15 Verbklassen gebildet wer-den, die bzgl. der Kategorien variieren:

Perfektiv ImperfektivAktiv Passiv Aktiv Passiv

I katab kutib aktub uktabII kattab kuttib ukattib ukattabIII kaatab kuutib ukaatib ukaatabIV

aktab

uktib u

aktib u

aktabV takattab tukuttib atakattab utakattabVI takaatab tukuutib atakaatab utakaatabVII nkatab nkutib ankatib unkatabVIII ktatab ktutib aktatib uktatabIX ktabab aktabibX staktab stuktib astaktib ustaktabXI ktaabab aktaabibXII ktawtab aktawtibXIII ktawwab aktawwibXIV ktanbab aktabbibXV ktanbay aktanbiy

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Arabisch 4

• Fortsetzung Verbklassen aus der Wurzel k-t-b (beiintransitiver und stativer Bedeutung ist Passivierungaus nicht-morphologischen Grunden nicht moglich).

PartizipAktiv Passiv

I kaatib maktuubII mukattib mukattabIII mukaatib mukaatabIV mu

aktib mu

aktabV mutakattib mutakattabVI mutakaatib mutakaatabVII munkatib munkatabVIII muktatib muktatabIX muktabibX mustaktib mustaktabXI muktaabibXII muktawtibXIII muktawwibXIV muktanbibXV muktanbiy

7

Arabisch 5

• Die Kategorien Perfektiv, Imperfektiv, Aktiv, Passivsind mit verschiedenen Vokalsequenzen (Vokallangeignorierend) assoziiert:

Perfektiv, Aktiv: (a-a)-a-aPerfektiv, Passiv: (u-u)-u-iImperfektiv, Aktiv: u-a-i oder (a)-a-a-iImperfektiv, Passiv: u-a-a-(a-a)Partizip, Aktiv: u-(a-a)-a-iPartizip, Passiv: u-(a-a)-a-a

• Seitenbemerkung: Im Imperfektiv Aktiv ist die Se-quenz nicht eindeutig.

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Arabisch 6

• Wenn man die Binyanim betrachtet, die im Perfek-tiv, Aktiv geformt werden, dann fallt auf, dass

1. die initialen Konsonanten

- ,t-, n- in den KlassenIV, V, VI, VII wie Prafixe aussehen,

2. das erste -t- in VIII und das -n- in XIV wie Infixeaussehen.

I katab IX ktababII kattab X staktabIII kaatab XI ktaababIV

-aktab XII ktawbabV t-akattab XIII ktawwabVI t-akaatab XIV kta-n-babVII n-katab XV ktanbayVIII k-t-atab

9

Arabisch 7

• Ein Verb im Arabischen setzt sich also zusammenaus

1. einem diskontinuierlichen konsonantischen Wur-zelmorphem, das aus drei, vier, vielleicht mehrKonsonanten besteht (z.B. k-t-b),

2. einem diskontinuierlichen vokalischen Morphem,dessen Segmente infigiert sind,

3. und moglicherweise einem Affixe.

(1) Pfkt. Akt. Pfkt. Psv.

k a t a b k u t i b

schreib- schreib-

• Problem: Nach welchen Regeln sind die Konsonan-ten und Vokale verteilt?

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McCarthys Theorie

• McCarthy (1979, 1981) entwirft eine Theorie, diedie Verteilung von Konsonanten-, Vokalmuster undder Prafixe ableitet (siehe auch Spencer 1991, 134-149).

• Beobachtungen:

1. Alle Binyanstamme enden auf eine geschlosseneSilbe (CVC).

2. Kein Binyan enthalt zwei leichte aufeinanderfol-gende Silben (CVCVCVC).

3. Kein Binyan enthalt eine schwere Silbe gefolgtvon einer leichten (CVCCVCVC).

• Konsequenz: Die Grammatik des Arabischen musssicherstellen, dass die Morphologie diesem Mustergehorcht.

11

Skelettebene

• Annahmen:

1. Den Wortern liegen Skelette (auch prosodische

Muster genannt) aus V und C zugrunde.2. Es ist zunachst nicht spezifiziert, welcher Vokal

oder Konsonant genau welche Position besetzt.3. Es gibt acht verschiedene Skelette fur 3-

konsonantische Wurzeln, auf deren Basis 15Binyanim abgeleitet werden (hier sind nur diegangigsten angegeben).

Skelett BinyanimCVCVC ICVCCVC II, IVCVVCVC IIICVCVCCVC VCVCVVCVC VICCVCVC VII, VIIICCVVCVC XICCVCCVC XIV

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Skelettebene 2

• Die Skelette sind eigenstandige Morpheme, ebensowie die Konsonantenwurzeln und die Vokalmuster.

• Die Positionen des Skeletts werden daher unter ei-nem gemeinsamen Knoten µ (fur Morphem) zusam-mengefasst.

• Ein Skelett wie CVCCVC kommt dann in zwei Va-rianten vor: eine, die dem Binyan II zugrunde liegt,und eine, die dem Binyan IV zugrundeliegt.

(2) a. C V C C V C b. C V C C V C

µII µIV

• Aus dieser Sicht korrelieren die Skelettmuster ein-deutig mit den Binyanim: Sie sind die Binyanim.

13

Autosegmentale Ebenen

• Die Skelettpositionen mussen mit konkreten Konso-nanten oder Vokalen assoziiert werden.

1. Die Skelettpositionen heißen bei McCarthy me-

lodietragende Elemente einer segmentalen Re-prasentationsebene.

2. Die konkreten Vokale und Konsonanten nennt ermelodische Elemente einer autosegmentalen

Reprasentationsebene.3. Dabei sind konkrete Vokale und Konsonanten auf

getrennten autosegmentalen Reprasentationsebe-nen angesiedelt.

4. Dadurch bilden Vokal- und Konsonantenfolgenjeweils eigene Morpheme, die unter einem µ-Knoten zusammengefasst werden konnen.

• Mit moglichst wenigen Regeln der Assoziation solldie Vokal- und Konsonantenverteilung abgeleitetwerden.

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Assoziation der Ebenen

• Beispiel: Reprasentation der Form katab.

(3) µ Morphem

a a autosegm. Vokalebene

C V C V C Skelettebene

k t b autosegm. Konsonantenebene

µ Morphem

• Vokal- und Konsonantenfolgen werden deswegen alsverschiedene Morpheme analysiert, da sie getrennteFunktionen/Bedeutungen innehaben/beitragen.

• Der µ-Knoten, der die Elemente des Skelettmor-phems dominiert, ist hier weggelassen. Man kannsich vorstellen, dass er dreidimensional hervorsteht.

15

Assoziationsregeln

• Es gibt drei Assoziationsregeln:

1. Wenn es mehrere unassoziierte melodische undmelodietragende Elemente gibt, dann werden dieersten mit den zweiten von links nach rechts ineiner 1-zu-1-Relation assoziiert.

2. Wenn nach Anwedung von 1. ein unassoziiertesmelodisches und ein oder mehrere unassoziiertemelodietragende Elemente ubrig sind, dann wirddas erste mit allen zweiten assoziiert.

3. Sind alle melodischen Elemente assoziiert undgibt es ein oder mehrere unassoziierte melodie-tragende Elemente, dann erhalten diese die Me-lodie, die mit dem nachsten melodietragendenElement zur Linken assoziiert ist (Spreading).

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Assoziationsregeln 2

• Illustration der Assoziationsregeln:

1. Regel 1. uberfuhrt (4-a) in (4-b).

(4) a. A B C . . . b. A B C . . .

x y z x y z

2. Regel 2. uberfuhrt (5-a) in (5-b).

(5) a. A B C D b. A B C D

x y z x y z

3. Regel 3. uberfuhrt (6-a) in (6-b).

(6) a. A B C D b. A B C D

x y x y

17

Assoziationsregeln 3

• Es muss sichergestellt werden, dass Vokale nur mitVs und Konsonanten nur mit Cs assoziieren.

• Argument (Marantz 1982):

1. Ein Konsonant, der mit einer V-Position assoziiertwurde, musste als Gleitlaut interpretiert werden.

2. Zum Beispiel hatte man statt (7-a) dann (7-b)in McCarthys Theorie, was als *kuwtib (stattkuttib) realisiert werden sollte.

(7) a. µ b. *µ

u i u i

C V C C V C C V C C V C

k t b k t b

µ µ

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3-konsonantische Binyanim

• Die Konsonantenverteilung fur Beispiele wie katab(I) und kaatab (III) erfolgt problemlos nach Regel1 auf der Basis von CVCVC und CVVCVC wie in(8-a,b).

(8) a. C V C V C b. C V V C V C

k t b k t b

µ µ

• Andere Reprasentationen wie z.B. (9-a,b) sind aus-geschlossen: (9-a) assoziiert nicht von links nachrechts, (9-b) assoziiert nicht im Verhaltnis 1-zu-1.

(9) a. *C V C V C b. *C V V C V C

k t b k t b

µ µ

19

3-konsonantische Binyanim mit Affix

• 3-konsonantische Muster mit Affixen�

(

aktab, IV)oder t (takaatab, VI) basieren auf CVCCVC undCVCVVCVC und werden wie folgt abgeleitet.

1. Das Affix

oder t wird mit dem ersten Konso-nanten assoziiert (siehe (10)).

2. Die verbleibenden Cs werden wie ublich von linksnach rechts ein-eindeutig assoziiert (siehe gestri-chelte Linien in (10)).

(10) a. C V C C V C b. C V C V V C V C�

k t b t k t b

µ µ µ µ

• Wichtig: Prafigierung erfolgt vor Anwendung vonRegel 1.

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3-konsonantische Binyanim mit Affix 2

• Problem: Die Ableitung von Klasse V mit Prafixt basierend auf CVCVCCVC (takattab) und vonKlasse II basierend auf CVCCVC (kattab) folgt nochnicht:

1. Nach Anwendung von Regel 1 entstehen diedurchgezogenen Kanten in (11).

2. Durch Spreading (Regel 2 ist nicht einschlagig)entstehen die gestrichelten Kanten in (11) (Ver-doppelung des letzten Konsonanten).

3. Dieses Ergebnis entspricht aber nicht dengewunschten Formen (Geminierung des mittlerenKonsonanten).

(11) a. *C V C V C C V C b. *C V C C V C

t k t b k t b

µ µ µ

21

Finale Konsonantenverdoppelung

• Die Verdoppelung des letzten Konsonanten ist al-lerdings genau, was in den Binyanim IX (ktabab,basierend auf CCVCVC) und XI (ktaabab, basie-rend auf CCVVCVC) passiert (daher ist Spreadingnotwendig):

1. Zunachst appliziert einfach Assoziation nach Re-gel 1 (siehe durchgezogene Kanten in (12)).

2. Dann appliziert Regel 3 und assoziiert mehreremelodietragende Cs mit einem melodischen Ele-ment.

(12) a. C C V C V C b. C C V V C V C

k t b k t b

µ µ

22

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Interne Geminierung

• Die Binyanim II und V werden abgeleitet durch einesprachspezifische Tilgungsregel, die nur fur II undV gilt (Tilgung ist hier durch die gestrichelte Kanteangedeutet).

(13) II-V-Binyanim-Tilgung :µII/V µII/V

... C V C → ... C V C

[...] [...]

µ µ

[Wurzel] [Wurzel]

• (13) tilgt die Assoziationslinie der vorletzten C-Position im Skelett der Binyanim II und V.

23

Interne Geminierung 2

• Nach der Tilgung assoziiert das freie C durch Sprea-ding (siehe (14); wieder ist die getilgte Kante ge-strichelt dargestellt).

(14) a. C V C V C C V C b. C V C C V C

t k t b k t b

µ µ µ

• Dies leitet Formen wie takattab oder kattab ab.

• Die Analyse setzt voraus, dass wenigstens die Regel3 mehrmals, also zyklisch durchlaufen werden kann.

24

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3-konsonantische Binyanim mit Affix 3

• Noch nicht behandelt ist die Ableitung der Binyanim

1. VII (mit Affix n), basierend auf CCVCVC,2. VIII (mit Infix t), basiert auch auf CCVCVC, und3. X (mit Affix st), basierend auf CCVCCVC.

• VII und X folgen automatisch, wenn (wie bisher)Prafixe zuerst assoziiert werden mit anschließenderAssoziation gemaß Regel 1.

(15) a. µ b. µ

n s t

C C V C V C C C V C C V C

k t b k t b

µ µ

25

Infigierung des Reflexivs

• Problem:

1. In den Binyanim V und VI gibt es ein Prafix t,das Reflexivitat ausdruckt.

2. Im Binyan VIII taucht diese t-Affix ebenfalls auf,aber dort infigiert es.

• Losung:

1. Reflexives t wird immer prafigiert und nur im Fallvon VIII durch eine Flop-Regel mit dem nachstenC assoziiert und damit zum Infix (z.B. ktatab).

2. Nach Prafigierung und Flop-VIII-Regel erfolgt As-soziation nach Regel 1 (siehe nachste Seite).

(16) VIII-Binyan-Flop:C C → C C

t t

µ µ

[Refl.] [Refl.]

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Infigierung des Reflexivs 2

• Assoziation gemaß Regel 1. nach Flop-VIII-Regel(ktatab, basierend auf CCVCVC):

(17) µ

t

C C V C V C

k t b

µ

• Seitenbemerkung:

1. Eine Skelettposition darf nicht mit zwei melodi-schen Elementen assoziiert werden (Gefahr wi-derspruchlicher Merkmale; aber vgl. (12), (14)).

2. Sonst konnte das C, das mit reflexivem t assozi-iert ist, auch noch mit dem Wurzel-t assoziieren.

3. McCarthy: Verbot gegen Viele:Eins-Assoziation.

27

Zwischenresume

• Sprachspezifische Annahmen furs Arabische:

1. Regeln, die die Skelettmuster generieren,2. Affixe

, t, n, st,3. die Flop und Tilgungsregeln und4. Spezifikationen fur jedes Binyan, welches Muster

und welche Affixe es wahlt.

• Der Rest folgt aus unabhangig motivierten Prinzi-pien (Regeln 1.-3.), die auch in der prosodischenPhonologie eine Rolle spielen.

“Considering the complexity of the phenomena, it isremarkable that so few stipulated mechanisms areneeded to ca pture a great number of generalizati-ons.”

McCarthy (1981, 393)

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Infigierung ohne Flopregel

• Beobachtung:

1. Es gibt in den Klassen XII-XV Infixe w, n undSuffix y, die niemals als Prafix auftauchen (allebasierend auf CCVCCVC).

2. Darum werden sie nicht durch eine Floptransfor-mation abgeleitet.

3. Spezielle Regeln mussen spezifizieren, mit wel-chen Skelettpositionen diese Affixe assoziieren.

• Bei XIV (ktanbab) und XV (ktanbay) reicht das:

(18) a. µ b. µ µ

n n y

C C V C C V C C C V C C V C

k t b k t b

µ µ

29

Infigierung ohne Flopregel 2

• Bei den Klassen XII (z.B. ktawtab) und XIII (z.B.ktawwab) muss mehr geschehen:

1. Infigierung und Regeln 1 und 3 applizieren.2. Dieselbe Tilgungsregel wie bei II und V appliziert.3. Spreading wird in einem neuen Zyklus angewandt

und das freie C durch Spreading reassoziiert.

• McCarthy: Da Wurzel-t Teil eines anderen µ ist alsw, zahlen beide als “nachstes linkes Element” imSinne von Regel 3. Beide konnen assoziieren, waseinmal XII und einmal XIII ableitet.

(19) a. µ b. µ

w w

C C V C C V C C C V C C V C

k t b k t b

µ µ

30

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4-konsonantische Binyanim

• Fur 4-konsonantische Binyanim QIII (dh� anraj) undQIV (dh� arjaj) genugt es anzunehmen, dass das Ske-lett, das dem 3-konsonantischen Binyan XIV zugrun-deliegt (CCVCCVC), auch mit 4-konsonantischenWurzeln kombiniert werden kann.

• In (20-b) ist wieder Spreading aktiv.

(20) a. µ b.

n

C C V C C V C C C V C C V C

d h� r j d h� r j

µ µ

31

4-konsonantische Binyanim 2

• Annahme: QI (z.B. dah� raj) und QII (z.B. tadah� raj)beruhen jeweils auf demselben Skelett wie die 3-konsonantischen Binyanim II und V: CVCCVC undCVCVCCVC.

(21) a. b. µ

t

C V C C V C C V C V C C V C

d h� r j d h� r j

µ µ

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4-konsonantische Binyanim 3

• McCarthy (1981, 395): Wenn QI und QII jeweils aufden Binanim II und V beruhen, dann musste eigent-lich die Tilgungsregel darauf angewandt werden:

(22) a. b. µ

t

C V C C V C C V C V C C V C

d h� r j d h� r j

µ µ

• Beachte: Spreading kann in (22) nicht applizieren,da nicht alle melodischen Elemente assoziiert sind(r ist nach Tilgung unassoziiert).

33

4-konsonantische Binyanim 4

• McCarthy: Die korrekten Formen werden durch Re-gel 2 wiederhergestellt (dies ist die einzige Motiva-tion fur Regel 2 bisher).

(23) a. b.

C V C C V C → C V C C V C

d h� r j d h� r j

µ µ

• Problem: Das kann Regel 1. auch leisten und kanndaher kein Argument fur Regel 2. sein.

• Interpretation:

1. Regel 1. kann nur einmal angewandt werden. NurRegeln 2.,3. konnen zyklisch applizieren.

2. Tilgungsregel (und Flop-Regel) konnen auch nurin einem Durchlauf applizieren.

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Eine Asymmetrie

• Beobachtung : Gleiche Konsonanten in arabischenWurzeln konnen auftauchen an

1. zweiter und dritter Position (smm, hll, mdd),2. erster und dritter Position (qlq, ndn),3. aber nicht an erster und zweiter Position.

• Folgendes Prinzip ist unabhangig motiviert:

(24) Prinzip der obligatorischen Kontur(POK, Leben 1973)Ajazente melodische Elemente mussen di-stinkt sein.

• Behauptung: Die Beobachtung oben folgt aus (24)zusammen mit der skizzierten Theorie der arabi-schen Morphologie.

35

Eine Asymmetrie 2

• Argument:

1. Wegen dem POK mussen 3-konsonantische Wur-zeln, die Geminaten enthalten (also x-x-y oderx-y-y), reprasentiert werden als 2-konsonantischeWurzeln (x-y).

2. Die zugrundeliegende Wurzel der Formen *sasam,samam muss also s-m sein.

3. Es folgt aus der Assoziationsrichtung von linksnach rechts und der 1-zu-1-Relation von Regel 1,dass samam existiert und *sasam nicht existierenkann.

(25) a. C V C V C b. *C V C V C

s m s m

µ µ

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Vokalismus

• Wie erwahnt werden Kategorien wie Aspekt oderAktiv-Passiv-Alternation ausgedruckt durch ver-schieden Vokalmuster.

• Wenn vom Imperfektiv Aktiv abgesehen wird, erge-ben sich folgende Muster (Vx

y: mindestens y- undhochstens x-mal der Vokal V):

Perfektiv Aktiv: a4

2

Perfektiv Passiv: u3

1i

Imperfektiv Passiv: u a4

2

Partizip Aktiv: u a3

1i

Partizip Passiv: u a4

2

37

Vokalismus 2

• Die Vokalmuster werden als eigenstandige Morph-eme behandelt und besetzen eine eigene autoseg-mentale Ebene.

(26) a. a b. u i

µ µ

[perf. akt.] [perf. psv]

(27) a. u a b. u a i

µ µ

[part. psv.] [part. akt]

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Praassoziation von i

• Die Regeln bisher reichen noch nicht aus, um dasVokalmuster abzuleiten.

• Zuerst muss sichergestellt werden, dass ein i, wennvorhanden, immer zuerst mit der rechtesten V-Position assoziiert.

(28) Vokalassoziation:V C ] → V C ]

i i

• Der Rest ergibt sich durch Regel 1. und Regel 3.(Spreading).

39

Vokalismus 3

• Beispielableitung (mutakaatib):

(29) a. C V C V C V V C V C

u a i

µ

b. C V C V C V V C V C

u a i

µ

c. C V C V C V V C V C

u a i

µ

40

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Imperfektiv Aktiv

• Im Imperfektiv Aktiv gibt es drei Muster:

Binyanim Melodiea. II, II, IV, QI u-a-ib. VII, VIII, IX, X, XI,

XII, XIII, XIV, XV, a-iQIII, QIV

c. V, VI, QII a

• McCarthy (1979) argumentiert, dass diese alle ausdem Muster u-a-i durch Regeln abgeleitet werdenkonnen.

41

Eine Alternative

• Chomsky (1951) schlagt eine alternative Theorieder Wurzel und Muster des Hebraischen vor, diesich auch auf das Arabische ubertragen lasst.

• Chomskys Theorie involviert Konkatenation plusphonologische Transformationsregeln.

(30) Konkatenation:

a. ktb + a–a [+perfekt +aktiv +BinyanI]b. ktb + u–i [+perfekt +passiv +BinyanI]

(31) Phonologische Regel:C1C2C3 + V1–V2 → C1V1C2V2C3

(32) Regelanwendung:

a. ktb a–a → katabb. ktb u–i → kutib

42

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Eine Alternative 2

• Kritik (McCarthy 1981, Spencer 1991):

1. Transformationsregeln sind sehr machtig.2. Man konnte beispielsweise eine Regel schreiben,

die die Reihenfolge der Cs umdreht.

(33) Variante der phonologischen Regel:C1C2C3 + V1–V2 → C3V1C2V2C1

3. So etwas (oder ahnliche Transformationen) be-obachtet man in phonologischen Systemen abernicht.

• Mogliche Antwort:

1. Ist es unmoglich, die Anwendung von Transforma-tionsregeln so zu beschranken, dass solche Regelnniemals existieren konnen?

2. Die Assoziationsprozedur bei McCarthy unterla-gen ja ebenfalls bestimmten Beschrankungen.

43

Reduplikation

• Als Reduplikation bezeichnet man einen morpho-logischen Prozess,

1. durch den eine zugrundeliegende Form (die Ba-

sis) und eine abgeleitete Form miteinander ver-bunden sind,

2. der die Lautkette der Basis oder einen Teil davonkopiert (der Reduplikant) und

3. der durch Affigierung dieser Kopie an die Basisdie abgeleitete Form bildet.

44

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Partielle Reduplikation

Ilokano (Philippinen)kaldi � kal-kaldi � “Ganse”pusa pus-pusa “Katzen”klase klas-klase “Klassen”ro

ot ro:-ro

ot “Abfalle”trak tra:-trak “Laster”talon tal-talon “Felder”

Palan Koryak (Kamtschatka)li � li �-li � “Herz”wiru wiru-wir “Robbe”ji �e ji �e-ji � “Nebel”m �tq m �tq-m �t “fett”t �rg t �rg-t �r “Fleisch”

Samoanisch (Fiji, Neuseeland)taa ta-taa “schlagen”nofo no-nofo “sitzen”moe mo-moe “schlafen”alofa a-lo-lofa “lieben”maliu ma-li-liu “sterben”

45

Totale Reduplikation

Malay (Malaysia)kursi kursi-kursi “Stuhle”lalat lalat-lalat “Fliegen”ibu ibu-ibu “Mutter”gazdah gazdah-gazdah “Elephanten”rumah rumah-rumah “Hauser”

Warlpiri (Australien)kurdu kurdu-kurdu “Kinder”kamina kamina-kamina “Madchen”mardukuja mardukuja “Frau”

-mardukuja

Afrikaans (Sudafrika)bottels bottels-bottels “viele Flaschen”heuwels heuwels-heuwels “Hugel auf Hugel”ente ente-ente “recht viele Enten”

46

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Die Marantzsche Theorie

• Marantz (1982) schlagt eine Theorie der Reduplika-tion vor, die sehr ahnlich ist zu McCarthys Theorieder Wurzel- und Mustermorphologie.

• Annahme: Worter sind reprasentiert durch verschie-dene Ebenen (Phoneme, C-V-Skelett, Silben, Mor-phem):

(34) p1 p2 p3 p4 p5 p6 p7 . . .

C V C C V C V . . .

σ σ σ . . .

µ

• Frage: Was genau wird bei Reduplikation verdop-pelt?

47

Reduplikation kopiert immer µ

• Erster Versuch: Reduplikation involviert immer dasKopieren von ganzen Morphemen.

1. Dies wird tatsachlich suggeriert von Sprachen, beidenen die Reduplikation total ist.

2. Problem: Sprachen, in denen partiell redupliziertwird, sprechen gegen diese Hypothese.

• Die folgenden Beispiele aus dem klassischen Grie-chisch und dem Hausa involvieren scheinbar Redu-plikation nur eines Konsonanten.

Klassisches Griechischly �o lelyka “ich ließ los”thy �o tethyka “ich opferte”grapho gegrapha “ich schrieb”

Hausadamoo damaamee “Landwachter” (Pl)baraa baroorıi “Diener” (Pl)

48

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Reduplikation kopiert immer σ

• Zweiter Versuch: Reduplikation involviert immer

das Kopieren von Silben

• Problem: Manche Sprachen kopieren Lautsequen-zen, die keine Silben in der Basis formen.

• Beispiel 1: Die reduplizierten Sequenzen ka, ta, und(ba)li aus dem Tagalog bilden keine kompletten Sil-ben in der Basis (diese sind kan, tak, und (ba.)lik).

Tagalog (Philippinen)lakad pag-lalakad “gehend”kandılah pag-kakandılah “Kerzenverkaufer”linis mag-lılinis “saubernfutur”um-takboh um-tatakboh “rennenfutur”ma-talıno ma-talıtalıno “eher schlau”baliktad balıbaliktad “drunter und druber”

49

Reduplikation kopiert immer σ 2

• Beispiel 2: Die reduplizierten Lautfolgen aus demAgta involvieren manchmal eine Silbe plus den An-satz der nachsten Silbe.

1. Die Syllabifizierung von bari z.B. ist ba.ri, aberredupliziert wird bar, nicht ba.

2. Die Syllabifizierung von wakay ist wa.kay, aberredupliziert wird wak und nicht wa.

Agta (Philippinen)bari barbari-k kid-in “mein ganzer Korper”mag-saddu mag-sadsaddu “uberall undicht”ma-wakay ma-wakwakay “viel Verlorenes”takki taktakki “Beine”ulu ululu “Kopfe”uffu ufuffu “Oberschenkel” (Pl)

50

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Reduplikation als Affigierung

• Marantz (1982):

1. Reduplikation ist Affigierung eines Skeletts andie Basis.

2. Das Skelett kopiert seine fehlenden Eigenschaftenvon der Basis und assoziiert dann mit dieserKopie.

3. Unassoziierte melodische Elemente werden ge-tilgt. Das Skelett beschrankt den Reduplikanten.

• Beispiel: Agta involviert Affigierung eines CVC-Skeletts und kopiert die fehlenden Phoneme.

(35) Kopiere

︷ ︸︸ ︷ ︷ ︸︸ ︷

t a k k i t a k k iAssoziiere ︸︷︷︸

C V C + C V C C V

Tilge

51

Exkurs: Uberkreuzende Assoziationslinien

• Frage: Wieso muss man kopieren? Konnen die Ske-lettpositionen nicht direkt mit den melodischen Ele-menten der Basis assoziieren?

• Antwort: Nein, denn das wurde uberkreuzende As-soziationslinien zur Folge haben.

(36) * t a k k i

C V C + C V C C V

• Erinnerung: Bei McCarthy (1981) ergab sich die Be-schrankung gegen uberkreuzende Assoziationslinienaus den Regeln der Assoziation.

• Bei Marantz (1982) wird sie nicht abgeleitet sondernzusatzlich angenommen.

52

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Assoziationsregeln

• Assoziationsregeln bei Marantz:

1. Assoziation von melodischen Elementen und C-V-Elementen erfolgt 1-zu-1. Elemente, die nichtassoziieren, werden getilgt (kein Spreading wiebei McCarthy!).

2. Assoziation erfolgt entweder von links nach rechtsoder von rechts nach links.

3. Assoziation ist phonemgetrieben, d.h., das erstemelodische Element versucht zu assoziieren.

• Wie bei McCarthy:

1. Es wird vorausgesetzt, dass Vokale nur mit Vsund Konsonanten nur mit Cs assoziieren konnen.

2. Manche Elemente konnen assoziiert werden, nochbevor Regel 1. einsetzt.

• Tendenz: Reduplikanten, die prafigieren assoziierenin der Regel von links nach rechts, Reduplikanten,die suffigieren assoziieren in der Regel von rechts

nach links.

53

C-V-Sensibilitat

• Erinnerung: Konsonanten konnen nur mit Cs asso-ziieren und Vokale nur mit Vs.

• Evidenz 1: Prafigierung eines CVC-Reduplikantenskelettsim Agta.

(37) a. u f f u u f f u = ufuffu

C V C + V C C V

b. * u f f u u f f u = *uffuffu

C V C + V C C V

b. * u f f u u f f u = *wufuffu

C V C + V C C V

54

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C-V-Sensibilitat 2

• Evidenz 2: Suffigierung eines CCVC-Reduplikanten-skeletts im Dakota.

(38) a. h a s k a h a s k a = haskaska

C V C C V + C C V C

b. * h a s k a h a s k a = *haskaaska

C V C C V + C C V C

c. * h a s k a h a s k a = *haskaskaa

C V C C V + C C V C

55

1-zu-1-Assoziation

• Erinnerung: Die Assoziation muss im Verhaltnis 1-zu-1 erfolgen.

• Evidenz 1: Suffigierung eines CCVC-Reduplikanten-skeletts im Dakota (c → k ist ein phonologischerEffekt).

(39) a. s i c s i c = siksic

C V C + C C V C

b. * s i c s i c = *sikssic

C V C + C C V C

56

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1-zu-1-Assoziation 2

• Evidenz 2: Prafigierung eines CV-Reduplikantenske-letts im Sanskrit.

(40) a. s r u s r u = susru

C V + C C V

b. * s r u s r u = *srusru

C V + C C V

(41) a. b h i b h i = bibhi

C V + C C V

b. * b h i b h i = *bhibhi

C V + C C V

57

Prassoziation

• Wie bei der Theorie McCarthys konnen spezifischeElemente prassoziiert werden, bevor Regel 1 greift.

• CV-Positionen, die prassoziiert sind, konnen nichtmehr von Regel 1. angesprochen werden.

• Evidenz: Prafigierende CV-Reduplikation im Yoruba.

(42) a. l o� l o� = lılo�

C V + C V

i

b. * l o� l o� = *lo� lo�

C V + C V

i

58

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Assoziationsrichtung

• Als Tendenz gilt: Suffigierende Reduplikanten as-soziieren von rechts, prafigierende Reduplikantenassoziieren von links.

• Beispiel: Suffigierende Reduplikation im Dakota.

(43) a. h a s k a h a s k a = haskaska

C V C C V + C C V C

b. * h a s k a h a s k a = *haskahas

C V C C V + C C V C

• Beachte: Dies ist nur eine Tendenz und wird vonMarantz auch nicht abgeleitet. Es gibt durchausAusnahmen (siehe Marantz 1982, 451).

59

Phonemgetriebene Assoziation

• Erinnerung: Assoziiert wird immer aus Sicht desPhonemskeletts, nicht aus Sicht des melodietragen-den Skeletts.

• Evidenz 1: Prafigierende CVCCV-Reduplikation imTagalog (talıtalınoh vs. *talnotalınoh).

(44) a. t a l i n o h t a l i n o h

C V C C V + C V C V C V C

b. * t a l i n o h t a l i n o h

C V C C V + C V C V C V C

• Erreicht die Prozedur das i des melodischen Skeletts,sucht sie nach V und uberspringt C ((44-a)).

• Wenn Assoziation von C-V ausgeht, dann wird Cnicht ubersprungen, sondern melodisches i ((44-b)).

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Phonemgetriebene Assoziation 2

• Evidenz 2: Prafigierende Reduplikation im Warlpiri

1. redupliziert normalerweise ein CVCCV-Prafix,2. kopiert aber nur eine CVV-Folge, wenn der erste

Vokal der Basis lang ist.

(45) a. p a k a r n i p a k a r n i

C V C C V + C V C V C C V

b. t i i r l t i i r l

C V C C V + C V V C C

• Die Prozedur muss das C-V-Skelett nach einer Posi-tion fur das zweite i absuchen und uberspringt dabeizwei Cs (siehe (45-b)).

61

Silbenbasierte Reduplikation

• Es gibt wenigstens eine Sprache, die Silben redupli-ziert: Yidiny (Australien).

Yidiny

dimurU dimudimurU “Hauser”gindalba gindalgindalba “Eidechsen”dadama-n dadadadama-n “viel springen”dugarba-n dugardugarba-n “lange

unentschlossen sein”

• Beobachtung:

1. Das r von dimurU, das zur dritten Silbe gehort,wird nicht redupliziert.

2. Das l von gindalba, das die Koda der zweitenSilbe ist, wird redupliziert.

3. Weder die Reduplikationsskelette CVCCVC nochCVCCV konnen beides ableiten.

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Silbenbasierte Reduplikation 2

• Ableitung von dimudimurU: CVCCV ist korrekt.

(46) a. * d i m u r U d i m u r U

C V C C V C + C V C V C V

b. d i m u r U d i m u r U

C V C C V + C V C V C V

• Ableitung von gindalgindalba: CVCCVC ist korrekt.

(47) a. g i n d a l b a g i n d a l b a

C V C C V C + C V C C V C C V

b. * g i n d a l b a g i n d a l b a

C V C C V + C V C C V C C V

63

Silbenbasierte Reduplikation 3

• Marantz: Fur Yindiny muss und kann die Theorieerweitert werden.

1. C-V-Reduplikation affigiert ein C-V-Skelett undkopiert die fehlenden Eigenschaften (Phoneme).

2. Silbenreduplikation affigiert ein Silbenskelett undkopiert die fehlenden Eigenschaften (das C-V-Skelett und die Phoneme).

(48) Kopiere

︷ ︸︸ ︷ ︷ ︸︸ ︷

d i m u r U d i m u r U

C V C V C V C V C V C VAssoziiere ︸︷︷︸

σ σ + σ σ σ

µ µ

Tilge

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Morphembasierte Reduplikation

• Auf ahnliche Weise kann auch Reduplikation ganzerMorpheme nachgespielt werden (siehe z.B. totaleReduplikation im Warlpiri).

(49) Kopiere

︷ ︸︸ ︷ ︷ ︸︸ ︷

k u r d u k u r d u

C V C C V C V C C V

σ σ σ σ

Assoziiere

µ + µ

65

Aufgaben 4.1

• Die Formen kaatab und kuutib des Binyan III (CVV-CVC) enthalten einen langen Vokal.

1. Unter welchen Annahmen kann man diese Formenin der Theorie McCarthys ableiten?

2. Geben sie jeweils die Derivation von kaatab undkuutib mit vollstandigen Strukturen an.

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Aufgaben 4.2

• Die folgenden Beispiele sind Singular-Plural-Paareaus dem Arabischen.

1. Angenommen die Pluralformen basieren auf denSkeletten CVCVVCVC und CVCVVCVVC.

2. Was fallt auf, wenn man das Verhaltnis der Plural-und Singularformen in (50) mit dem in (51) ver-gleicht?

3. Wie konnten die Derivationen der Pluralformenin (51) aussehen, wenn sowohl Singular als auchPlural auf den Wurzeln

-n-k-b-t und

-n-d-l-bberuhen?

(50)

4-konsonantische WurzelSingular Pluralmaktab makaatib “Buro”miftaah� mafaatiih� “Schlussel”

(51)

5-konsonantische WurzelSingular Plural

ankabuut

anaakib “Spinne”

andaliib

anaadil “Nachtigall”

67

Aufgaben 4.3

• Die folgende Liste enthahlt Zahlworter in modernemArabisch und Worter fur die Bruche.

1. Inwieweit gibt es eine regelhafte Beziehung zwi-schen Zahlwort und Wort fur Bruch?

2. Wie konnte man das Verhaltnis in McCarthysTheorie ausdrucken?

(52) 2�

i�

naan 1/2 ni

f3

�alaa

a 1/3

ul

4

arbah� a 1/4 rubh�

5 xamsa 1/5 xums6 sitta 1/6 suds7 sabh� a 1/7 subh�

8

amaaniya 1/8

umn9 tish� a 1/9 tush�

10 h� asra 1/10 h� usr

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Aufgaben 4.4

• Die folgenden Beispielen sind aus dem Mokilese.

1. Beschreiben Sie das Reduplikationsschema inWorten.

2. Geben Sie eine explizite Analyse von drei Bei-spielen im System von Marantz (1982), die IhreBeschreibung reprasentiert.

• Hinweis: Nehmen Sie an, dass im Mokilese CVC undC(C)VV (VV = langer Vokal = V �) schwere Silbensind, wahrend C(C)V leichte Silben sind.

(53) Mokilese (Mikronesien)p �d �k p �d-p �d �k “Pflanze”mwi �e mwi �-mwi �e “essen”kas � kas-kas � “werfen”poki pok-poki “schlagen”s � �r �k s � �-s � �r �k “reißen”t

a �k t

a �-t

a �k “biegen”

69

Aufgaben 4.5

• Die folgenden Beispielen sind aus dem Gokana.

1. Beschreiben Sie das Reduplikationsschema inWorten. Worin besteht der Unterschied zu denBeispielen aus dem Mokilese?

2. Analysieren Sie die Beispiele im MarantzschenSystem.

(54) Gokana (Nigeria)d � d �-d � “fallen”dara da-dara “auflesen”pi �ga pi-pi �ga “versuchen”

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Aufgaben 4.6

• Die folgenden Beispielen sind aus dem Diyari.

1. Beschreiben Sie das Reduplikationsschema inWorten. Worin besteht der Unterschied zu denbeiden vorherigen Sprachen?

2. Analysieren Sie das dritte und vierte Beispiel imMarantzschen System.

(55) Diyari (Australien)wila wila-wila “Frau”kanku kanku-kanku “Junge”ku

ku �a ku

ku-ku

ku �a “springen”tjilparku tjilpa-tjilparku “Vogel”

�ankanti �anka- �ankanti “Wels”

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Literatur

Chomsky, Noam (1951): Morphophonemics of ModernHebrew. Master’s thesis, University of Pennsylva-nia, Philadelphia, Pennsylvania.

Leben, W. (1973): Suprasegmental Phonology. PhDthesis, MIT, Cambridge, Massachusetts.

Marantz, Alec (1982): ‘Re Reduplication’, LinguisticInquiry 13, 435–482.

McCarthy, John (1979): Formal Problems in SemiticPhonology and Morphology. PhD thesis, MIT,Cambridge, Massachusetts.

McCarthy, John (1981): ‘A Prosodic Theory of Non-Concatenative Morphology’, Linguistic Inquiry12, 373–418.

Spencer, Andrew (1991): Morphological Theory. Black-well, Oxford.

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