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JUSTUS LIEBIGS ANNALEN DER CHEMIE 574. Band (Mitteilungen aus dem Chemischen Instfitlit tler Universitat Tu bingen) (Eingelaufcn am 26. September 1951) Nitroso-acyl-amine und Diazo-ester IV Die Konfiguration der Diazo-ester und der Mechanismus ihrer Bildung durch Acylwanderung TTon Rolf Iluisgen und I,iselotte Iirriitse (Mit 1 Figur im Text) Nur wenigen Isonierieproblemen ist ein solcher Arbeitsaufwand gewidmet worclen wie der Klarung der bei den aromatischen Diazo- verbindungen anftretenden Isomerie. Diese Isoiiicrie tler Diazotate, Diazo-hydroxyde, -sulfonate und -cyanide wurde bekanntlich von A. H an t zs c h stereochernisch im Sinne einer geonietrischen Iso- merie, von E. Barn berger dagegen mit konstitutionellen Unter- schieden gecleutet. Keue Argumente fur beide Auffassungen, von A. Angeli, H. H. Hodgson, W. A. Waters, R. J. W. LeFBvre u. a., vorgebracht, lieBen bis heute die Diskussion uni diese Frage nicht verstummen. Als bedeutsame Stiitze der stcreochemischen Interprct,:Lti& der Diazo-Isomeric hat zweifcllos die Entdeckung des cis-Azobenzols durch G. S. Hart.leyl) zu gelten; die prinzipielle Miiglichkeit der geometrischen Isoinerie am NN-Doppelbindungssystem wird hier dargetan. \Yas der stereocheniischen Deutung der Isomerie der kovalenten Diazoverbindungen bislang entschcidend -4bbruch tut, ist dns k'ehlen sicherer Iiorifigrirc~tions- Ueweise. Uie Belege fur die Konfigurations-Zuordnung aus Bildungsweise und Reaktivit,at, die A. Hantzsch2) anfuhrte, verniogen uns heute nicht mehr zu- frieden zu stellen, WRY in Anbetracht der sturmischen Jhtwicklung unserer \'orstellungen von Reaktionsniechanisnien nicht verwunder- lich ist. Us die heutigen Strukturformeln der Diazonium-betaine und der Diazo-phenole keinen King niehr ent,hnlten, ist der groBte Teil der erwiihnten esperinientellen Belege gegenstandslos ge- worden. Auch die Fahigkeit zur Azokupplung und die TentIenz zur I) Nature 140, 281 (1037); SOC. 1938, 633. ?) €3. 27, 1702 (1894). Anrialrn der Cliemie. G7 1. Band 12

Nitroso-acyl-amine und Diazo-ester IV. Die Konfiguration der Diazo-ester und der Mechanismus ihrer Bildung durch Acylwanderung

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JUSTUS LIEBIGS ANNALEN DER CHEMIE

574. Band

(Mitteilungen aus dem Chemischen Instfitlit tler Universitat Tu bingen)

(Eingelaufcn am 26. September 1951)

Nitroso-acyl-amine und Diazo-ester IV Die Konfiguration der Diazo-ester

und der Mechanismus ihrer Bildung durch Acylwanderung TTon Rolf I lu i sgen und I,iselotte Iirriitse

(Mi t 1 Figur im Text)

Nur wenigen Isonierieproblemen ist ein solcher Arbeitsaufwand gewidmet worclen wie der Klarung der bei den aromatischen Diazo- verbindungen anftretenden Isomerie. Diese Isoiiicrie tler Diazotate, Diazo-hydroxyde, -sulfonate und -cyanide wurde bekanntlich von A. H a n t zs c h stereochernisch im Sinne einer geonietrischen Iso- merie, von E. Barn be rge r dagegen mit konstitutionellen Unter- schieden gecleutet. Keue Argumente fur beide Auffassungen, von A. Angel i , H. H. H o d g s o n , W. A. W a t e r s , R. J. W. LeFBvre u. a., vorgebracht, lieBen bis heute die Diskussion uni diese Frage nicht verstummen.

Als bedeutsame Stiitze der stcreochemischen Interprct,:Lti& der Diazo-Isomeric hat zweifcllos die Entdeckung des cis-Azobenzols durch G. S . Hart . leyl) zu gelten; die prinzipielle Miiglichkeit der geometrischen Isoinerie am NN-Doppelbindungssystem wird hier dargetan. \Yas der stereocheniischen Deutung der Isomerie der kovalenten Diazoverbindungen bislang entschcidend -4bbruch tut, ist dns k'ehlen sicherer Iiorifigrirc~tions- Ueweise. Uie Belege fur die Konfigurations-Zuordnung aus Bildungsweise und Reaktivit,at, die A. H a n t z s c h 2 ) anfuhrte, verniogen uns heute nicht mehr zu- frieden zu stellen, WRY in Anbetracht der sturmischen Jhtwicklung unserer \'orstellungen von Reaktionsniechanisnien nicht verwunder- lich ist. U s die heutigen Strukturformeln der Diazonium-betaine und der Diazo-phenole keinen King niehr ent,hnlten, ist der groBte Teil der erwiihnten esperinientellen Belege gegenstandslos ge- worden. Auch die Fahigkeit zur Azokupplung und die TentIenz zur

I) Nature 140, 281 (1037); SOC. 1938, 633. ?) €3. 27, 1702 (1894).

Anrialrn der Cliemie. G 7 1. Band 12

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Stickstoff-Abspaltung haben die nrsprunglich erhofft,e Bedeutung fiir die I(onfigurations-Festlegung verloren.

Ein erfolgreiches Aufrollen dcr Isomeriefrage scheint somit an das Auffinden einwandfreier Konfigurationsbeweise gebunden. Zii der notwendigen Vorarbeit, der Aufstellung von Konfigurations- reihen, vermiigen die i lryl -diazo-ester , Ar-S-X-0 . CO . R, einen Beit'rag zii liefern. Fiir diese Ester der Diazo-hydrosyde mit Carbon- siiuren Id3t sich auf verschiedenen Wegen die tr t i i is- l~onfipi trat ioi i in bezug auf das Diazosystem dartun. Bei der Labilitat und Kurz- lebigkeit dieser Yerbindungsklasse, die eine praparative Isolierung \-on vornherein verbietet, miissen sich solche Konfigurations-Be- weise natiirlich auf dy i imi i sc l i e Kriterieii beschranken. Aus dem Bildungsweg wie aus den R,eaktionen der Aryl-diazo-ester sintl konfigurntive Riickschlusse moglich. Hier sol1 zunachst nur die Bildung der Diazoestcr aus Nitroso-acyl-nrylaminen in der ange- gebenen Kichtung nusgewertet werden.

1-orausgehende ArbeitenYs 4, befaoten sich mit der kinetischen und priiparativen Sicherung der Acylwanderung der Nitroso-acyl- arylaniine :

Die Umlagerung erfolgt glatt auch in absoluten irierten Losungs- mitteln, bedarf also nicht der Mitwirkung von Fremdstoffen. Man konnte die Acylwanderung mit der Ablosung eines Acyl-kations vom Stickstoff und Keu-Acylierung des entstehenden Diazotat-ions am Sauerstoff deuten :

(--) C8Hs-N-N=0 + C&-N=N-O

(+ ) 111 + R-C=O

Die hier auftretende Ionendissoziation la& eine ausgepragte Ab- hangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit vom Losungsmittel im Sinne einer Forderung durch polare Solventien erwarten. Dieser EinfluIJ des Losungsmittels fehlt aber vollstandig. Messungen in Benzol, Pyridin, Methanol, Cyclohexan u. a. Los~ngsni i t te ln~) er- gaben kaum mehr als 15-proc. Unterschiede in der RG-Konstanten der Acylwanderung des Nitroso-anilids ; selbst fur den Eisessig konnte die starkere Abweichung als nur scheinbar geklart werdenj). Auch die zeitlich vorausgehenden Arbeiten von D. H. H e y und

3, R. H u i s g e n u n d G. H o r e l d , -4.562, 137 (1949). 4, H. H u i s g e n , A. 573, 163 11951). 5, H. H u i s g e n , sieho VI. Slirteilung dieser Heihe, A. 574, 184 (1961).

Nifroso-acyl-amine und Diazo-ester IV 159

E. C. B u t t e r w o r t h 6 ) konstatiert.en den geringen Losungsniittel- einflul3 a,u'f die RG der Stickstoff-Entwicklung. Der Aktivierungs- zustand bei der Acylwanderung mu13 also iiber die gleiche Solva- tationsenergie verfiigen wie das Ausgangsniaterial, was 111 auszu- schliel3en gestattet').

Eineni Mechanismus ohne Auftreten freier Ionen wiirde ein gleich- zeitiger Acylaustausch zwischen 2 Rlolekeln Nitrosokorper gerecht . Diese Vorstellung ist wiederum niclit mit den kinetischen Daten vereinbar. Die Acylwanderung folgt streng dem Gesetz der ersten Iteaktionsordnung. Die vollige Unabhangigkeit der RG-Konstanten von der Konzentrat,ion des Nitroso-acet-anilids bei der Priifung iiber mehr als 3 Zehnerpotenzen lafit keinen Zweifel an der wirklich uni - n,olekiclaren S a t u r der Isomerisierungsreaktion.

Diese Tatsachen fiihren zwangslaufig zum Bild einer intramole- kularen Urnlagerung, die nur mit einem ,,Abrollen" iiber einen Vierring-Zustancl IV beschrieben werden knnn :

Ein solcher ifbergangszustand mit gespanntem Vierring diirfte nur dann energetisch erreichbar sein, wenn er eine Resonanzstabilisie- rung erfahrt ; neben der Ammonium- (V) und Oxoniumformel V I hat man dabei evtl. an die hyperkonjugierte Grenzformel V I I zu denken, die neben dem Acyl-kation das an sich schon mesornerie-stabilisierte Diazotat -anion ent halt. Bei der Bildung dieses ifbergangszustandes

lagert sich also der Sauerstoff der Nitrosogruppe mit seinem freien Dublett an die elektrophile Carbonylgruppe an. DaB dem Sauerstoff der Kitrosamine eine solche nucleophile Reaktionsfahigkeit zu- kommen kann, mag der jiingst von W. R a k e r , W. D. Ol l i s und

O ) SOC. 1938, 116. ') Zum problemat. EinfluD dcs L6sungsmittels auf die RG unimol. Reaktionen

vgl. E. A. Rloelwyn-Hughes, The Kinetics of Reactions in Solution, .2. Aufl. Oxford 1947, 8 . 277.

12+

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V. D. Poole8) studierte Bildungsweg der ,,Sydnone" aus Nitroso- alkyl- oder -aryl-amino-sauren zeigen :

Eine der unseren vollig analoge Acylwanderung in der Iteihe der acylierten Diazo-amino-verbindungen wurde von T. W. C a m p b e 11 und B. F. Dayg) ebenfalls jiingst mit einem resonanz-stabilisierten viergliedrigen Ring als ubergangszustand formuliert .

Ehe wir an die kinetische Priifung dieses per e.rclitsionem gewonne- nen Bildes vom Reaktionsablauf herangehen, sei auf die in unsereni Zusammenhang interessierende stereocheniische Konsequenz cines solchen ,,Abrollmechanisnius" hingewiesen. 1 I,*ctitL ei tz solcher M e - chanistnus gesichert tverdeta k a t i t z , dniita kottrrnt detn entstehendeti Aryl-diazo-ester , wie die Projektionsforniel Y. 159 ebenso wie dns Molekiilmodell zeigt, ztvangslaufig die trnns-l~otifigrcrntion xi.

hlitt,els der Azokupplung als praktisch uninefibar rnscher Folge- reaktion des Diazo-esters haben wir die Geschwindigkeit der ,4cyl- wanderung fur eine griiflere Zahl von Kit,roso-acyl-arylaniinen mit verschiedenen Aryl- und Acylresten photonietrisch geniessen. Der grijl3te Teil der zumeist aus den Acyl-arylaminen mit nitrosen Gasen in Eieessig-Acetanhydrid gewonncnen Nitrosoverbindungen wurde schon von J. W. H a w o r t h und D. H. Heylo) beschrieben, der Rest wurtle erstnialig dargestellt. Die Tab. 1 stellt die bei Variation des Arylrest,es in Bcnzol bei 25 O gemessencn RG-Konstnnten zii- sant ~ncn.

Tab. 1 Acylwanderung der Sitroso-acet-ar~li(le in Benzol bei 250

rZitroso-acet-aiiilid . . . . . . . . -m-chlor-anilid . . . . -p-cl~lor-anilid. . . . . -pbrom-anilid. . . . . -p-toluidid . . . . . . -p-nitranilid. . . . . . -P-naphtlialid . . . . . -0-anisidid . . . . . . -0-toluiditl . . . . . . -0-chlor-aiiilitl . . . . -2 (I-meth?l-iiaplitalid) . -mcsidid . . . . . .

%1,6 18,% 10,8 19,: 18,9 22,4 29.7 4;3s 3,73 3,30 3,75 1,35

8, SOC. 1950, 1542. B, Chem. Rev. 4.8, 299 (1931).

l o ) Yoc. 1940, 361.

Nitroso-acyl-amine und Diazo-ester I V 161

Xeben der Zerfallskonstanten des unsubst. Nitroso-acet-anilids wurden von \V. S. M. G r i e v e und D. H. Hey") schon die der p-Methyl-, p-Chlor- und p-Brom-verbindung mit Hilfe der azotometrisclien Methodik gemessen. Die RG-Konstanten sind dort durchwcg etwas kleiner als die von uns mittels der Szokupplung erhaltenen ; die Felilermogliclikeiteri der azotometrischen Methode im vorlicgenden Fall werdcn in Mitt. VI aufgezeigt5).

Der EinfluB von Substituenten in m- und p-Stellung des aro- matischen Kerns ist, wie Tab. 1 zeigt, bemerkenswert klein. Der Austausch des Benzolkerns gegen den des Naphtalins auBert sich in einer maoigen Beschleunigung. Um so deutlicher ist aber der reaktionsverzi5gernde Effekt von o-standigen Kernsubstituenten, die die RG-Konstante der Acylwanderung auf rund des ,,Normal- werts" absinken lassen. Die Substituentenfolge dieses hemmenden Ortho-Effekts, H << CH,O < CH, < C1, deutet auf eine sterischc W i r k u n g hin. Die wiederum um den Faktor drei groBere Halbwerts- zeit des Nitroso-met.-mesidids, in dern beide o-Positionen durch Methylgruppen blockiert sind, stutzt die Vermutung eines rein raumlichen Effekts der o-Substituenten.

Da der aromatische Kern nur Subst,ituent, an der Acylwanderung selbst garnicht beteiligt i s t , suchbrnan vergebens nach der Moglich- keit einer unmittelbaren raumlichen EinfluI3nahme auf den Abroll- prozeI3. Die aliphatischen Gegenstiicke, die Nitroso-acyl-alkylamine, Alk-N(N0)-CO-R, zeigen das Phanomen der leichten spontanen Acyl- wanderung nicht. D i e Antvesenheit des nrornatischen K e r n s als Sub- stituent steigert also irrr reagierenden S y s t e m die Bereitschajt zur Urnlugerung. Der hemmende Effekt von o-Substituenten kann somit nur darauf beruhen, da13 die notwendige Einst.ellung des Benzolkerns in die Ebene des Vierrings in I V resp. in die Bindungsebene des Stickstoffs in I erschwert oder vereitelt wird. Da der mesomere Effekt zwischen Amin-Stickstoff und aromatischeni Kern an die koplanare Lagerung gebunden ist, erscheint es verstandlich, da13 niit dent Ileraiisdrehen des K e r n s atis dieser genieinsatnen Ebene d i e Aktiviercing der Acyl tvnnderung verniindert wird oder erlischt, der Kern sich also zunehmend dem Charakter des aliphatischen Sub- stituenten annahert. Es liegt hier offensichtlich ein neues Beispiel einer ,,sterischen Resonanz-Behinderung"lz) vor.

Bevor wir die Einfluhahme des Kerns auf die Acylwanderung naher definieren, sei auf die gro13e Bedeutung des Acylrestes fur die RG des Prozesses hingewiesen. Die RG-Daten der Tab. 2 fur die Variation der Acylgruppe wurden gleichfalls mit der oben erwahnten photometrischen Methode erhalten. Die sich hier ergebende starke Abhiingigkeit der 12'anderungsgeschtvindigkeit oon der Xat i i r des A c y l - restes weicht von normalen ,,Acyl-Reihen" vollig ab. Bimolekulare

11) SOC. 1938, 116. I*) Zusammenfassungen: G . W. W h e l a n d , The Thoory of Resonance, New York

1944, S. 136, 160, 185, 272; J o n e s , Chem. Rex.. 32, 1 (1943).

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Tab. 2. Acylwanderung bei Nitroso-acyl-anilidcn in nenzol bei 25O

Nitroso-forni-ariilid . . . . . . . -acet -anilid . . . . . . . -propion-anilid . . . . . -n-butyr-anilid . . . . . -isobutyr-anilid . . . . . -benz-anilid . . . . . . . -plienylacet-anilid . . . . -chloracet-anilid . . . . . -phenoxyacet-anilid . . . -phenyl-harnstoff . . . . -diphcnyl-harnstoff. . . .

1.01 21,s 6X.O 64.5

405 397 90,2 ~ 2 , 1 86,7

1,24 5.94

Additionen von Basen an die Carbonylgruppe, also Keaktiooen voni Typus der alkalischen Esterverseifung, zeigen einen ganz anderen Gang der RG-Konstanten bei Acyl~ariationl~). Solche RG-Reihen sind ein Spiegel der Additionsbereitschaft, also des ungfsattigten Charakters der Carbonylgruppe des Acylrest,es. Die Moglichkeit, dal3 fur den Acylrest im Nitroso-acyl-aniin-system veranderte Ver- haltnisse bezuglich des Elektronenmangels an der Carbonylgruppe gelten, muB ausscheiden ; u-ir konnten namlich jungst zeigenl*), daf3 fur die Ablosung des Acylrestes aus Nitroso-acyl-arylaniinen mit Basen die gleiche RG-Reihe Giiltigkeit besitzt wie fiir die alkalische Esterverseihng und andere bimolekulare Reaktionen des gleichen Typs. Wenn man die Geschwindigkeitsreihe der Tab. 2 fur Nitroso- form- bis -isobutyr-snilid betrachtet,, ergibt sich nicht nur in der Richt,ung, sondern auch in den Abstanden eine im VergIeich mit den bimolekiilaren Carbonyl-Additionen t(nigeliehrte 1;olge. Den1 au13er- ordentlichen Vorsprung, den das Ameisensaure-Derivat in der RG der alkalischen Esterverseifung genie& entspricht eine nicht minder grdlJe Reaktionstragheit in unserer Acylwanderung. Dal3 die ubrigen A4cylreste der Tab. 2 nicht alle den1 Prinzip der inversen RG-Polge gehorchen, macht dss Bild auf den ersten Blick noch verwirrender. Die Abweichungen des Acyl-Einflusses von der ,,normalen" Reak- tionsbereitschaft dieser Gruppe mussen mit den1 intrnnzolekc~lnrer~ ('hnrnkter der bei der Acylwanderung auftretenden Carbonyladdition zusam men hangen.

Man darf fur die Nit,roso-acyl-arylamine eine durchgehend eberie Vorzrrpslconfific~ration postulieren. Alle drei an das zentrale Stick- stoffatom gebundenen Strukturelemente konkurrieren uni dessen

lJ) Alkal. Verseifung von Carbonsaurc-methylestern: H. O l s s o n , Z. ph. Ch. 133, 242 (19288).

14) A. 573, 163 (1951), Tab. 3 und -1; dort wurde auch der EinfluD des Itcstes It auf den Elektronenmangel der benachbarten Curbonylgruppe zusammcnfassond besprochen.

Nilroso-acyl-amine und Diazo-ester IV 163

einsanies Elektronenpnnr. Alle Bindungen des zentralen Stickstoffs besitzen, wie die mesomeren Grenzforrneln IX--XI zeigen, partiellen

i c VIII

R oA \ olc\R X I

Doppelbindungscharskter, sind also inderDrehbarkeit eingeschrankt. Da niit der Rotation eines Substituenten um die Bindungsachse Zuni Stickstoff der mesomere Effekt erlischt,, entsprechen die bei der Drehung zu uberwindenden Energieschwellen den Mesomerie-Ener- gien der einzelnen Teilsysteme. Die Mesonierieenergie Aromat. Kern-Stickstoff betragt 6-8 kcal, die des Saureamidsystems gar 15-20 kcal ; das Nitrosaminsy~tem~~) diirfte eine Sonderenergie in ahnlicher GroBenordnung besitzen. Die Konkurrenz der drei Gruppen um ein und dasselbe einsame Elektronenpaar des Stickstoffs ver- mindert nnturlich die Mesomerie-Encrgie der Teilsysteme, damit auch den partiellen Doppelbindungscharakter der einzelnen Rin- dungen. Kach wie vor wird aber die ebeneLageVorzugskonfiguration bleiben, in der sich der uberwiegende Teil der Jlolekeln im zeitlichen Mittel befindet.

Durch Dipolnioment-Messungen an Nitroso-acyl-a.niinen, die in einer spateren Arbeit diskutiert werden, haben wir iibrigens die plane Konfiguration dieser Verbindungsklasse experimentell sichern konnen : daruber hinaus ermoglichen diese Messungen sogar die A u s u d i l Rer bevorzcigten Konstellntioti rstater d e n versckiedenen 1Miip- lichkeiten ebener Ilnordtzung16).

Wie hat man sich den raumlichen Ablauf von Carbonyl-Additionen allgemein vorzustellen '2 I n der Bindungsebene der Carbonylgruppe diirfte die Annaherung cler Basenmolekel durch raumliche und elektrostatische Effekte beeintrachtigt sein. Der Einfall des nucleo- philen Agens senkrecht zur Carbonyl-Ehene wird erschwert durch die in dieser Richtung ein hlasimum besitzende x-Elektronendichte der CO-Iloppelbindung. Man darf daher wohl die KompromiB- losung, den Schrageinfall, als den optimalen raumlichen Weg an- sprechen.

Urn den EinfluB des Acylrestes aufdiellianderungsgeschwindigkeit zu erklaren, sei der energieverbrauchende AktivierungsprozeB, der

15) Die h'icht-Existenz quartarer Xitrosamine lehrt, daB dic Bindung der Nitroso- gruppc von der Mesomerie mit dem einsamcn Elektroncnpaar des Stickstoffs ,,lobt".

16) Entsprechend fiihrten R. J. B. Marsden und L. E. S u t t o n , SOC. 1936,1383 don Konfi: urat.iLnsbeweis f i i r dio Carbonestergruppe.

164 H u i s g e n und K r a u s e

Weg von derebenen Vorzugskonfiguration zum ubergangszustand IV, in folgende Teilschritte zerlegt :

1. Drehung des Acylrestes aus der gemeinsamen Bindungsebene, um den Schrageinfall bei cler Carbonyladdition zu ermoglichen ;

2 . Einstellung der Nitrosogruppe in diejenige Plankonfiguration, die den Sauerstoff der Carbonylgruppe zuwendet"), womit die in der Fig. 1 wiedergegebene Konstellation erreicht wird ;

3. Anlagerung des Sauerstoffatoms der Nitrosogruppe an den Carbonyl-Kohlenstoff unter SchlieBung des Vierrings.

Mit diesem, in der Formel I V wiedergegebenen Zustand. diirfte der Gipfel des Aktivierungsberges erreicht sein ; die Offnung

des Ringes zum Diazo-ester wird exergon ablaufen.

Der EinfluB des Restes R der Acylgruppe beschrankt sich auf die Stufen 1 und 3. Die gemessenen RG-Daten (Tab. 2 ) weisen auf die entscheidende Bedeutung der Stufe 1 hin. J e starker der ungesattigte Charakter des Acylrestes, um so starker wird das einsame Dublett des Stickstoffs beansprucht ; um so groBer ist dann also auch die Beteiligung

der Grenzformel X am Grundzustand. Mit zunehmender Bedeutung dieser Formel X steigt der partielle Doppelbindungscharakter der CN-Bindung, damit die Energieschwelle, die bei der Rotation um diese Bindungsachse iiberwunden werden muB. J e starker der Elektronenmangel an der Carbonylgruppe also ist, um so wirkungsvoller werden die Molekeln in der ebenen Vorzugskonfi- guration, die die Acylwanderung nicht gestattet, fixiert. J e geringer die Ungesattigtkeit der Acylgruppe, um so leichter wird mit der hier weniger erschwerten Drehung um die CN-Achse der reaktionsbereite Zustand der Fig. 1 erreicht.

Gegenuber dieser Deduktion, die zu einer Gegensdtzlichkeit des RG-Ganges der Acylvariat ion bei der intranzolekularen und der bi- inolekularen Carbonyl-Addi t ion fiihrt, wird man einwenden, daB auf der Stufe 3 wieder der SubstituenteneinfluB der ,,normalen" Acyl- reihe zu gelten habe. Das trifft sicher zu; zu beriicksichtigen ist aber, daB mit dem Aufgeben der koplanaren Lage die Saureamid- Mesomerie geschwacht, der ungesattigte Charakter der Carbonyl- gruppe somit ganz allgemein entscheidend erhoht wird. Die tordierte Saureamidgruppe nahert sich in der Additionsbereitschaft dem zu- gehorigen Keton.

Fig. 1

17) Die in Formel XI aufgezeichnete Vorzugskonfiguration ist aus elektro- statischen Grunden etwas energiearmer.

Nitroso-acyl-amine und Diazo-ester 1V 165

In dieser gegensinnigen Abhangigkeit vom R des Acyls liegt vielleicht ein prinzipieller Unterschied der intra- und intermoleku- laren Reaktion des betrachteten Typs. Auch im Carbonsaureester besitzt die CO-Bindung infolge Mesomerie partiellen Doppelbin- dungscharakter. Drehbarkeitseinschrankung und Verharren in der ebenen Vorzugskonfiguration konnten hier experimentell gesichert werden'6). Die Rotation um die CO-Einfachbindung der Estergruppe wird zwar selten sein, ist aber energetisch ohne weiteres moglich. Mit dem Verlassen der gemeinsamen Bindungsebene, also dem Schwinden der Carbonester-Mesomerie wird auch hier die Additions- fahigkeit der Carbonylgruppe eine gewaltige Steigerung erfahren ; bei der alkalischen Esterverseifung sollte also diese tordierte Form zur Aufnahme des Hydroxylanions besonders geneigt sein. Die Konsequenz, daB mit der VerminderungdesungesattigtenCharakters der Acylgruppe (bei Variation von R), also mit der Erleichterung der Drehung auch hier die Geschwindigkeit der bimolekularen Addition wachsen muBte, ist aberunzutreffend. Beider bimolekularen Reaktion ist der StoB des Hydroxylions mit der tordierten Ester- gruppe ein vie1 z u seltenes Ereignis, um fiir den Bruttoablauf der Reaktion eine Rolle zu spielen. Bei der intermolekularen Reaktion ist die StoBzeit, also die Zeit der fiir die Reaktion erforderlichen raumlichen Nahe, sehr kurz. Sind die reagierenden Gruppen dagegen Teile ein und desselben Molekiils, dann ist die Nahe der Reaktions- partner standig gewahrleistet ; es kann in unserem Fall der besonders begunstigte Augenblick der Torsion abgewartet werden.

Der Deutungsversuch der Acylreihe der Tab. 2 hat uns also zu dem unseres Wissens noch nicht bearbeiteten Problem des raumlichen llblaufs der Carbonyl-Addition in mono- und binzolekularer Reaktion gefuhrt. Vorwegnehmend sei bemerkt, daB unsere Erfahrungen iiber die Acylwanderung bei Nitroso-lactamenl*) sich nicht nur dieser Betrachtung des Reaktionsablaufs fugen, sondern die Torsion der Stufe 1 (S. 164) als fur die Reaktion entscheidende Phase geradezu fordern. Auch die Reaktionstragheit der Nitroso-acyl-alkyl-amine, die erst bei vie1 hoherer Temperatur die Acylwanderung zeigen, ist klar: I n diesem Derivat des aliphatischen primaren Amins konkur- rieren nur zwei Gruppen um das Elektronenpaar des zentralen Stickstoffs. Das bedeutet Erhohung des partiellen Doppelbindungs- charakters der CN-Bindung, damit starkeres Einfrieren der Molekel in der Plankonfiguration. Auch der hemmende EinfluB der o-Sub- stituenten (Tab. 1) des aromatischen Kerns sei noch einmal erwahnt. Mit der vom Substituenten erzwungenen Drehung des Kerns aus der gemeinsamen Bindungsebene wird ein Konkurrent urn besagtes Elektronenpaar geschwacht oder ausgeschaltet.

la) Vgl. die Mitteilungen V, VII und VIII dieser Reihe.

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Dan man bci der Auswertung solcher Acylreihen noch weiteren Umstanden Rechnung tragen muB, zeigen einige weitere Beispiele der Tab. 2. Im Chloracetylrest ist der I<lektronenmangel des Carbo- nyls durch den vom Chloratoni ausgelnsten induktiven Effekt gesteigert : Dcr extrem leichten Verseif barkeit des Chloressigesters sollte eine sehr langsame Acylwanderung entsprechen. Gefunden fur Kitroso-chloressigsaure-anilid wurde eine etwas hdhere RG-Kon- stante als beim Acetyl-derivat. I n diesem Fall darf die elektro- statische AbstoBung des Chlormethyls und der Nitrosogruppe, die beide durch induktiven resp. mesomeren Effekt eine negative Ladung tragen, nicht ubersehen werden. Da dieses AbstoBungs- potential in der Plankonfiguration XI1 naturlich ein Maximum

besitzt, erscheint es plausibel, daB dieser Effekb die bei der Torsion ZLI iiberwindende Energieschwelle vermindert,. Die Carbonylgruppe des Harnstoffsystenis hat durch die doppelte Konjugationsmoglich- keit ihren ungesattigten Charakter weit,gehend eingebiilh, wie die schwere Verseifbarkeit dieser Gruppe lehrt. An Stelle der zu er- wartenden raschen Acylwanderung in1 Nitroso-phenyl-harnstoff verzeichnet tlieTab. 2 aber einen erheblichenItG-Abfall iniYergleich mit dem Kitroso-acet-anilid. Die Grenzforniel XIII, deren Beteili- gung am Grundzustand den ungesattigten Charakter des Carbonyls herabsetzt, somit die CN-Torsion erleichtern sollte, verrat wieder einen gegensinnigen elektrostatischen Effekt. Die in XI11 mit E'feil gekennzeichnete Anziehung des Ammonium-stickst,offs und der negativen Nitrosogruppe (Grenzformel XI) begiinstigt das Verharren in der ebenen Lage. Moglicherweise darf man sogar eine Wasserstoff- briicke gemail3 XIV als diese Lage stabilisierendes Moment an- nehmen.

Um in den Substituenteneffekt unserer Acylwanderung noch ctwas tieferen Einblick zu erhalten, haben wir fur eine Reihe von Nitroso-acyl-arylarninen die RG bei mindestens drei verschiedenen Temperaturen gernessen, aus der Tempernturabhangigkeit die Arrhenius-Parameter ermit,telt (Tab. 3). Das Ergcbnis dieser recht muhevollen Arbeit -Tab. 4 im Versuchsteil enthalt. die MeBdaten - war, wie so haufig in ahnlich gelagerten Fallen, etwas enttauschend.

Die Variation des Acyl- wie des Arylrestes beeinfluBt die Akti- vierungsenergie und den Wahrscheinlichlteit,sfaktor. Der Gang von E und log A in der Reihe vom Formyl- bis zum Isobutyryl-derivat. ist init der abnehmenden Fixierung der Plankonfiguration gut zu

Nitroso-acyl-amine und Diazo-ester IV 167

vereinbaren. \‘on einer Diskussion der restlichen schwer entwirr- baren Falle sei aber abgesehen. Lediglich auf das Kitroso-acet-o- toluidid sei noch hingewiesen ; der Orthoeffekt der Methylgruppe BuRert sich nur im Energiefaktor.

Tab. 3 Arrhenius-Konstanten fur die Acylwanderung der Kitroso-acpl-arylamine

Xitroso-form-anilid . . . . . . -acct-anilid . . . . . . . -propion-anilid . . . . . -n-butyr-anilid . . . . . -isobutyr-anilid . . . . -benz-anilid . . . . . . -cliloracet-anilid . . . . -phenylacct-anilid . . . -plicnoxyacet-anilid . . . -diplieiiyl-lisrnstoff . . . .

Nitroso-acet-m-clilor-anilid . . . -acet-p-nitranilid . . . . -acet-o-toluidid . . . . .

i: in kcal

23, l 21,7 21 , l 21,l 21, l 2 1 , l 20,9 21,u 21,7 23,2 22,o 2 2 3 22,s

log A

1 1 3 1 I2,21 12,30 12,75 13,Ol 13,03 12,20 12,91 12,112 12,711 12,611 13,X2 12,211

- 4,2 - 2.7 - 2,2 - 0,l + 173 + 191 - 3,7 t- 0,6 + 0 , 1 - 0,l -- 0,5 + 0.1 - 3,4

bei OC

50 2.5 20 15 15 15 20 20 20 3 3 25 25 40

Recht instruktiv sind die Aktivicrungscntropien, von S. Glnsstor ie , K. J. L a i d l c r und H. E y r i n g l a ) folgendermal3en dcfiniert:

3 S * = RlnA - Rln (k‘T;h) (k’ = Uol tzn iann -Konstante; 11 -= Plancksclics \ ~ i r k n n g s c ~ u i ~ ~ ~ t n n i )

Aus den TVert.en der Tab. 3, die als Differenzen groJJer Zdilen mit erheblicher Unsicherheit behaftet sind, ist zu ersehen, (la13 die Aktivierungsentropie der Acylwanderung zumeist kleine negative Werte besitzt. Diese Entropie-Abnahme bedeutet Verminderung der Bewegungsfreiheiten in1 Aktivierungszustand, was mit dessen cyclischer Formulierung gut vereinbar scheint. Die Bildung eines starrcn Ringes aus einem frei beweglichen, offenket.tigen Molekiil 1 a R t eine vie1 hohere Entropieabna,hmez0) erwarten als die hier maximal zu 4 C1 a u s i u s -Einheiten gefundene. Die oben besprochene Einschrankung der freien Drehbarkeit schon in1 Grundzustand der Nitroso-ncyl-arylamine ist also auch hier wieder zu beriicksicht,igen.

Anntrrkrmg nach iYiedersc1irift des hfnnicskripls: In einer soeben erschienenen Notiz*) schlieoen sich D. H. H e y , J. S t u a r t - W e b b , und G. H. Wi 1 I i am s uriserer Auffassurg3) von der Acylwanderung nls RG-bestimmender Stufe beim Zerfall der Nit,roso-acyl-arylamine

la) The Thcory of Rate Processes, Sew York 1941, S. 400. 20)Als Beispiel mogen die ron E. G . F o s t e r , A. C. Cope und F. Danie ls

studierten Allylumlagerungen uber einen cyclischcn Aktivierungskomplex dienen (Am. Soc.69, 1893 (1947)).

*) Research 4, 385 (1951).

16s H u i s g e n und K r a u s e

an. Auch die englischen Autoren deuten die Acylwanderung mit dem ,,Abrollmechanismus", der von dem einen von uns erstmalig Ang. Ch. 62, 369 (1950) publiziert wurde. Die Erklarung fiir die inverse Acylfolge ist jedoch cine andere.

Die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft stellte dankenswerterweise die fur die kinctischcn Messungen erforderlichcn Apparate zur Vcrfugung.

Beschreibung der Versuche D a r s t e l l u n g

u n d E i g e n s c h a f t e n d e r N i t r o s o - a c y l - a r y l a m i n e Als Routinemethode zur Kitrosierung der Acyl-arylamine hat

sich folgende Ausfuhrungsform des Verfahrens nach 0. Fis c her21) bewahrt :

Die Acylarninc werden im etma 10-fachen Gewicht einer Mischung von 3 Vol. teilen Eisessig und 1 Vol.tei1 Acetanhydrid gelost. Schwerlosliche Verbindungen werden moglichst in der Hitze gelost, dann unter Schiitteln abgekiihlt, um eine mogliehst feinkristalline Suspension zu erhaltcn. Bei 0-5O werden nitrose Gasr in Iangsamem Strom eingeleitet, bis der eventuelle Bodenkorper in Losung gegangen und die Losung tiefgriin geworden ist. Die nitrosen Gase werden a m Natriumnitrit und konz. Schwefelsaure bereitet ; um geringe Mengen mitgerisse- ner Salpetersaure zu cntfernen, schaltet man eine risgekiihlte Waschflasche rnit wenig Eisessig, der vorher mit nitrosen Gasen gesattigt wurde, vor. Sach Passieren einer zweiten leeren Waschflasche gelangen die Gase in das ReaktionsgefaO. Die Aufarbeitung erfolgt durch vorsichtigen Eis- und Eiswasserzusatz und Anreiben bis zur beginncnden Kristallisation. Die abgesaugten und mit Eiswasser gr- waschenen Nitroso-Praparate werden im vorgekiihlten Exsikkator unter 61- pumpenvakuum iiber Phosphorpentoxyd im Eisschrank getrocknct.

Auf diese IVeise hergestellte .Praparate von Kitroso-acet-anilid zeigten ohne Umkristallisation bis zu 100~o aktiven Gehalt in der Kupplungsreaktion mit P-R'aphtol in Methanol, die allgemein zur Gehaltsbe~timrnung~) der Nitroso- korper herangezogen werden kann.

Uber die schon von den englischen Autoren12) beschriebenen Verbindungen hinaus wurden die Sitroso-Derivate folgendcr Acyl-arjlamine dargestellt: n-Bntyr-anilid, Isobutyr-anilid, Phenglessigsaure- und Phenoxy-essigsaure- anilid, Acet-o-anisidid, Acet-mesidid, Phenyl-harnstoff, 2-Acetamino-I-methyl- naphthalin.

Die Haltbarkeit der festen Sitrosokorper ist recht unterschiedlich. Wahrend reine Praparate von Xitroso-acet-anilid, -propion-anilid, -acet-p-chloranilid u. a. sich bei O o i. V. mehrere Tage ohne Verfarbung halten, zeigen andere schon nach kurzer Zeit Zersetzungserscheinungen, die mit einer Verfarbung nach braungelb beginnen. Die Zersetzlichkeit der festen Praparate steht in kciner einfachen Beziehung zur Geschwindigkeit der Acylwanderung in der Losung. So pflegen Praparate von Sitroso-n-butyr-anilid sich schon bei 0 0 , sobald sie trocken sind, rasch braun zu farben und zu verpuffen im Gegensatz zur Stabilitat des Nitroso- propion-anilids, dem praktisch die gleiche RG-Konstante der Acylwanderung zukommt. Das in der Losung sehr stabile Sitroso-form-anilid niederum ist schlecht in krist. Zustand haltbar, was evtl. mit der besonderen Seigung zur Acylablosung rnit Basen') in Zusamnienhang stehen mag. Als stabilster Sitroso- korper erwies sich der nahezu farblose Sitroso-diphenyl-harnstofflo).

21) B. 9, 463 (1876) .

Njtroso-acyl-amine und Diazo-ester 1V 169

Eine Reihe von Nitrosoverbinduiigeii konnte nicht kristallin erhalten werden, so die des Acet-o-toluidids, Acet-mesidids, Acet-m-chlor-anilids. Hier wurden die mit Eiswasser ausgefallten gelben ole in Benzol aufgenonimen, nach der wie iiblich vorgenommeneii Gehaltsbestimmung durch Azokupplung fur Versuche und Messungen eingesetzt.

Folgende Acyl-arylamine erwiescn sich als nicht nitrosierbar unter den ange- gebenen Bedingungen: Acetyl-antliranilsaure-atliylesfer, Acet-o-brom-anilid, Oxanilsaure-athglester, Trimethylessigsaure-, Dichloressigsiiure- und Cyan- essigsaure-anilid, 2,4-Dichlor-acet-anilid, 1- und 2-Acetamino-anthrachinon.

Besonderer Erwahnnng bedarf noch die Xitrosierung des Renzanilids, das von H a w o r t h iind H e y l o ) in der Klasse der Verbindungen, die mit nitrosen Gasen reagieren, aber keine Kitrosok6rper geben, gefiihrt a i rd . Der zitierten Bildung drs Benzol-diazonium-nitrats geht tatsachlich die Xitrosierung voraus. Die extreme Schwerliislichkeit des Benzanilids in Eisessig-Acetanhydrid sowie die rasche Acylwanderung des Xitroso-benz-anilids verbictcn cine Xitrosierung in praparativern RlaDstab. Einleiten von nitrosen Gasen in die kraftig geriihrte Suspension des Benzanilids bei O o nahrend 20 Min., Absaugen vom ungelosten Benzanilid, Versetzen mit Eis, Auszichen mit Bcnzol fiihrt nach \Vaschcn und Trocknen zu einer benzolischen Liisung von Xitroso-benzanilid. Die RG-Konstante clcr Farbstoffkupplung, rnit eincr solchen Liisung gemessen, stinimt iiberein rnit der cines durch Benzoylierung von Xatrium-benzol-diazotat genonnenen Pra pa rats * *).

Kitroso-ad-o-chlor-anilid sol1 nach H a w o r t h und H e y l o ) in Benzol nicht Stickstoff abspalten, sondern unter KO-Abgabe dns Acyl-arylamin regenerieren. Hei dcm zuriickerhaltenen Acet-o-clilor-anilid diirfte es sich ni~cli unscrcn Erfah- rungen uni einc Verunreinigung dcs Xtrosokorpers gchandelt haben. Das Kitrosierungsgleicligewiclit licgt bci tlieser Verbindung nicht sonderlicli giinstig ; der Iiitrosokorper kristallisiert im (~cniiscli mit niclitnitrosierteni Acylamin aus und zeigt einen Zersetzungspunkt bei 39-41 unter Gascntuicklung. Die Azo- kupplung wird rnit dem gleichen Praparat mit P-Saphtol bei 40° in hIetliano1 und in Uenzol vorgenonimen; in einer Ausbeute von 67':;, resp. CilYo wird das bei 165-167O schmelzende o-Chlorbenzol-azo-~-naplitol erhalten. Dcr Diazoester vermag anch Benzol ZII phenglieren : 9,5 g cines 52,5-proc. I'riiparats von Sitroso- acct-o-chlor-anilid werden in 300 ccm tliioplieiifreicn~I~c~izol 10 Stunden auf 40" erhitzt, nobei 640 ccni Stickstoff entwcichen. Der ~intl i inipfri icl~stand wird bei 150-200°/12 mm dcstilliert, das Destillat mit a~~Drig-alkoholischer Salzsaure geltocht. Sac11 Absaugcn vom 0-( 'liloranilin-clilorli~drat a i r d das Unverseifbare in Hcnzol eingcschiittelt, nach \\'aschen mit verd. Salzsiinre nnd \\'asser einge- dampft. Die Destillation crgibt bei 274-277 O1728 mm 2,78 g o-Clilor-diphenyl = 60% d. Th. bezogen auf den aktivcn Sitrosokorpcr.

Ci,H,Cl(188,63) Ber. C 76,38 H 4,81 C'I 18,81 Uef. )) 76,95 )) 4,% )) 18,G

31 c ss u ng d e r C: e s c h w i 11 dig k e i t d e r A c y 1 w :in d e r 11 ng Das I'rinzip der Messung iiber die Azokupplung niit P-Saphto13) wurde ebenso

wie die Technik der photometrischen Vcrfolgung diescr Heaktioii rnit dem licht- clektrisclien Photometer nach G. K o r t ii mP3) schon friiher') kurz besprochen. Der Messung niuB in jedem Fall die Auswahl der giinstigsten Spektrallinie bzw. des geeigneten \Vellenbereichs sowie die Anlegung der Eichkurve vorausgehen.

Die Standardbedingungeii warcn folgende: 200 nig rj-Saphtol DAB6 wurden in 100 ccni reinem Uenzol geliist und ini AleDkolben ini Thermostaten auf 250

2 2 ) H. v. I 'ccl imann untl L. F r o b e n i u s , 13. 27, 651 (18!M). 23) Die rhemischo Tcchnik 15, 1G2 (1949).

170 H u i s g e n und K r a u s e

vortemprriert. 10-30 mg dcs rcinen Xitroso-acyl-arylamins wurden abgewogcn, zur Stichzrit in einem I<eagensglas in 5 ccni der erwiilinten ~-?iaphtollosung gelost, die Liisung rasrli in d rn hlrl3kolhen znriickgegebcn. In Abstanden von 2 Min. bis zu Stnnden, je nach der HG, wurden 5-crm-Proben gczogcn und in dcr 5-mm-Kiivette pliotometriert. Fur jeden McDpunkt wird also eine Probe der in1 Thermostaten befindlichen Stammlosung eingefiillt. Kacli 24 Stunden, wenn niitig nach knrzzeitigcm Aufheizen zur Beendigung der Heaktion, wird der End- pnnkt bestimmt. Der Kiivettenkasten des Photometers wird voni Thermostaten auf konstanter Trmperatur gehalten. Ein H i i p p l e r -Thermostat, in den1 man den 120O-\\'att-Tauclisieder gegen eine srhwarz gestrichcne 100-\i'att-Heizlampe ausgetnuscht Iiatte, gen.ahrleistct einc Teniperaturkoiistanz von besser als 0,Ol O.

Alle Messungen, jeweils aus 14-16 MeDpunkten bestehend. wurden doppclt ausgefiihrt. Die Answcrtung erfolgte graphiscli durch Anftragen der Werte c, ic, -rt auf einfach-logarithmischem Papier gegen die Zeit. \Venn die Resultate einer Doppelbestinimung uni melir als 27, in dcr ItG-Konstantcn abwichen, wurde einc iieiie hIessung angesetzt. Zur Ermittlung der A r r h e n i u s -Konstanteii wurde die K(: hei mindestens drei Temperaturen gemessen. Die aus den beideii Alogk bcrechncten \Vertc dcr Aktivirrungsenergie pflcgten scltrn nm mehr als 0,3 kcal verschieden zu scin. \Varen die Abwcicliungen griiDer, dann wurden in, Diagramm log k gcgen die reziproke Temperatur die vermutliclien Fehlresultate ermittelt und durcli neuc hlessungen kontrollicrt. Die Tab. 4 enthiilt die Halb- wertszeiten der Acylwanderung bei verschiedenen 'I'emperaturen ; die Werte der Tab. 1 und 2 (25O) wurden zum Teil mit Hilfe der Ar rhen ius -Kons tan ten a u s den Resultaten der Tab. 4 errcchnet. Der walirscheinliche Fehler der angegebenen Halbwertszeiten und RG-Konstanten diirfte mit 2-3'j/, zu veranschlagen sein, was die .4ktivierungsenergicn mit einem Fehler von 0,4-0,6 kcal, die Aktivic- rungsentropicn aber mit eineni solchen von nichr als 1,0 Clausius-Einhei ten belastet.

Tab. 4 Halbwertszeiten der Acylwanderung yon Xitroso-acyl-arylaminen in Benzol

Sitrosoverbindung von

Acet-anilid Acet-ni-chlor-anilid Acet-p-chlor-anilid . Acet-p- brom-anilid Acet-p-toluidid Acet-p-nitranilid Acet-$-naph talid Acet-o-nnisidid Acet-o-toluidid Acet-o-chlor-anilid 2-Acetamino- 1 -methyl-naplitalin Acet-nicsidid Form-snilid Propioii-anilid 11-Hutyr-anilid Is0 butyr -anilid Benz-anilid Phenyl-acet-anilid Chloracet-anilid Phenoxy -ace t-anilid Phenyl- harnstoff Diphenyl-harm toff

Halbwertszeit in min (Grad Celsius)

99,5 (20);

68,1 (25) 58,6 (25) 61,2 (25) 98 (20); 52 (25); 28 (30); 15 (35)

53,s (25); 29,2 (30) 120 (20); 6 3 3 (25); 34,5 (30)

143 (15); 76 (20); 39 (25) 263 (25) 310 (25); 48,8 (40); 15,8 (50) 350 (25) 308 (25); 159 (30); 83 (35); 45 (40) 860 (25) 177 (40); 57,O (50); 19,l (60) 58,5 (15); 31,l (20); 17,O (25)

129,6 (10); 67,2 (15); 34,8 (20) 19,6 (10); 10,2 (15); 5,4 (20) 20,l (10); 10,6 (15); 5,6 (20) 45,s (15); 23,9 (20); 12,s (25) 4 7 3 (15); 25,4 (20); 14,O (25) 47,3 (15); 24,7 (20); 13,3 (25)

140 (40); 76 (45); 41 (50); 23 (55) 102 (30); 5 4 3 (35); 29,8 (40); 16,6 (45)

H u i s g e n 17 1

Die mit der friiheren, wesentlich primitiveren i\le13anordnung3) erlialtenen RG-Konstanten. weichen nirht unbctrachtlicli (bis zu 1576) von den Messungen der Tab. 4 ab. Messungen rnit der einfachen Anordnung, also mit grol3erem Fehler behaftet, liegen den Werten zugrunde, die f u r Nitroso-p-nitro-aeetanilid, m e t - p - naphtalid und -phenyl-harnstoff in die Tabelle eingesetzt sind.

Nitrosokorper, die geringe Kristallisationstendenz besitzen oder im festen Zustand zu zersetzlich sind, wurden im benzolischen Kxtrakt der rnit Wasser vcrsctzten Xitrosierungslnsung unmittelbar f u r die RG-Messung eingesetzt. In diesen Fallen war es erforderlieh, von reinsten Acyl-arylaminen auszugehcn und die Sitrosierung ohne Acetaiihydrid-Zusatz vorznnehmen, u m die Gefahr des Ein- schleppens von Carbonsauren in die Benzollosung auszuschalten. Kontrollen ergaben, dal3 die rnit solclien Rohextrakten durchgefiihrten JIessungen rnit solchen der Itrinpraparate innerhalb der PiIeOfehler iibereinstimmen.

Nitroso-acyl-amine und Diazo-ester V Aromatische Nitroso-lactame und cyclische Diazo-ester

Von Rolj I lu i sgeu (Mit 1 Figur im Text)

LieB sich schon aus dem Bildungsweg der Aryl-diazo-ester aus Nitroso-acyl-arylaminen die trans-Konfigurationl) in bezug auf das Diazosystem erschlieBen, so galt es nun, nach weitcrzn Relegen fur cliese Konfigurationszuordnung Umschau zu halten.

Wenn man in einem Nitroso-acyl-arylamin den Acylrest rnit dem aromatischen Kern verbindet, also die Nitrosoverbindung eines Benz-lactams (I) betrachtet, dann sollte eine analoge Acylwanderung zum cyclischeri 1)icizo-ester fiihren. Es war nun vorauszusehen, dalJ

A , ( C H & > A / ( C H Z ) " \ c=o - 1 1 c=o I ( \/\& " l y I 1

I NO N -0 I1

die Existenzfahigkeit der cyclischen Diazoester (11), damit auch die Moglichkeit der Acylwanderung, in charakteristischer Weise von der RinggrolJe abhangt. Wahrend eine cis-olefinische Gruppierung noch in einen recht kleinen Ring eingebaut werden kann, benotigt man eine Reihe von Gliedern, urn die trans-Stellungen eines Doppel- bindungssystems zu uberbrucken. Das kleinste bekannte traizs- Cyclo-olefin ist das trans-Cyclo-octen, das nach K. Z ieg le r unct H. Wi lms2) immer noch eine merkliche Spannung aufweist. Im

') li. Huisgcn und L. K r a u s e , A. 574, 157 (1951). 2, A. 567, 1 (1950).