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Die PR- und Pressefibel Norbert Schulz-Bruhdoel Katja Fürstenau Zielgerichtete Medienarbeit Das Praxislehrbuch für Ein- und Aufsteiger

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Die PR- und Pressefibel

Norbert Schulz-Bruhdoel Katja Fürstenau

Zielgerichtete Medienarbeit

Das Praxislehrbuch für Ein- und Aufsteiger

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Norbert Schulz-Bruhdoel Katja Fürstenau

Die PR- und Pressefibel

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Norbert Schulz-Bruhdoel Katja Fürstenau

Zielgerichtete Medienarbeit

Das Praxislehrbuch für Ein- und Aufsteiger

Die PR-und Pressefibel

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Norbert Schulz-Bruhdoel Die PR- und Pressefibel Zielgerichtete Medienarbeit Das Praxislehrbuch für Ein- und Aufsteiger Frankfurter Societäts-Medien GmbH Frankenallee 71 – 81 60327 Frankfurt am Main Geschäftsführung: Hans Homrighausen

6., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2013

ISBN 978-3-95601-035-4 Bookshop und weitere Leseproben unter: www.fazbuch.de

Copyright Frankfurter Societäts-Medien GmbH Frankenallee 71 – 81 60327 Frankfurt am Main Umschlag Anja Desch, F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbH, 60326 Frankfurt am Main Satz Wolfgang Barus, Frankfurt am Main Titelbild © Randy Faris/Corbis Druck CPI Moravia Books s.r.o., Brn nská 1024, CZ-691 23 Pohořelice Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten. Printed in EU

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INhAlt

Vorwort zur sechsten Auflage 9

ErstEr tEil DiE MEDiEn, DEr Markt unD DiE MachEr

I WARUM MEDIENARBEIT NICHT LEICHT IST UND WARUM SICH JOURNALISTEN SO VIEL ERLAUBEN DÜRFEN 13 Medien im Wandel 20 Medienarbeit verlangt Weitblick und Planung 26

II WARUM MEDIENARBEIT IM EIGENEN HAUS BEGINNEN MUSS 36 1 Recherche ist das A und O 36 Checkliste 1: Das qualifizierte Unternehmensportrait 42 2 Strategie ist ein Muss 44 Checkliste 2: Themen für die Medienarbeit 46 Zielgruppen und Multiplikatoren 50 3 Die Journalisten – ohne sie geht es nicht! 54

III WARUM MEDIENARBEIT IN DEUTSCHLAND AUF BESONDERS GÜNSTIGE BEDINGUNGEN TRIFFT 67 1 Printmedien – alles was gedruckt wird 69 Zeitungen 70 – Überregionale Tageszeitungen 73 – Regionale und lokale Abonnementszeitungen 75 – Kaufzeitungen/Boulevardzeitungen 82 – Sonntagszeitungen 84 – Wochenzeitungen 85 – Zeitungen für nationale Minderheiten 87 – Online-Redaktionen 88 Anzeigenblätter, Amtsblätter und Heimatzeitungen 92 Zeitschriften und Magazine 93 – Verbands- und Kammerzeitschriften 94 – Fachzeitschriften und wissenschaftliche Zeitschriften 96 – Special-Interest-Zeitschriften 99 – Publikumszeitschriften und Supplements 100 – Kundenzeitschriften 108 Online-Zeitschriften 109

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2 hörfunk und Fernsehen 110 Web-TV und IPTV 115 Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender 117 – ARD 117 – ZDF 120 – 3sat, Arte und Phoenix 121 Das öffentlich-rechtliche Radio 122 Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Sendemedien

für die PR-Arbeit 123 Die privaten Fernsehsender 125 Privater Hörfunk 128 Bedeutung der Privatsender für die PR-Arbeit 129 3 Nachrichtenagenturen und Pressedienste 130 Nachrichtenagenturen 131 Pressedienste und Korrespondenzen 135 4 Die Medien in Österreich 137 5 Online-Medien 151 Wichtige Begriffe in der Übersicht 151 Die wachsende Bedeutung der Online-Kommunikation 154 Der Stil des neuen Jahrhunderts 155 Weblogs und Communities als neue Mediengattungen 158 Datenbanken 163

IV WARUM DIE MEDIEN NICHT ALLES VERÖFFENTLICHEN, WAS MANCHER FÜR HOCHINTERESSANT HÄLT 166 1 Nachrichtenelemente 168 2 Agenda Setting, leitmedien und Issues Management 174 3 „Does and Don’ts“ im Umgang mit Journalisten 179 4 Der Presseverteiler 184 Kriterien für den Verteileraufbau 186 Adressenlieferanten, Nachschlage- und Datenwerke 188 Das Archiv – mit und ohne Computerhilfe 191

ZwEitEr tEil instruMEntE, MassnahMEn unD hanDwErksZEug

I WELCHE INSTRUMENTE UND MITTEL FÜR DIE ZIELE DER MEDIENARBEIT ZUR VERFÜGUNG STEHEN 197

1 Informationsmittel 199 Die Pressemitteilung 199 Exklusiv-Veröffentlichungen 208

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Themenexposés 209 Fotos und Grafiken 210 Pressemappen und Press Kits 211 Pressedienste, Korrespondenzen, Newsletter 213 PR-Anzeigen 213 Leserbriefe und Online-Kommentare 214 2 Dialogische Mittel 215 Die Pressekonferenz 215 Checkliste 3: Die Pressekonferenz 218 Das Pressegespräch 223 Pressefahrt und Pressereise 224 Checkliste 4: Pressefahrt / Pressereise 226 Das Presseseminar / Der Journalisten-Workshop 228 Redaktionsbesuche 229 Medien-Events 229 Journalistenpreise 230 Presseanfragen 231 3 Medienarbeit online 232 Kommunikationsstrukturen in der Online-Welt 233 Der Journalist als Online-Worker 235 Instrumente der „digitalen Pressearbeit“ 236 Checkliste 5: Empfehlungen für Presseseiten im Netz 245 Soziale Netzwerke als die neuen Nachrichtenmärkte? 250

II WAS UND WIE MAN SCHREIBEN SOLLTE, DAMIT DIE MEDIEN ES DRUCKEN UND VERBREITEN 259 texte für die Medien 259 1 Informierende texte 260 Die Nachricht 263 Checkliste 6: Für Nachrichtenschreiber 266 Der Bericht 267 Die Reportage 272 Checkliste 7: Für Bericht und Reportage 274 Featuretechniken 275 Das Portrait 282 Das Interview 285 Die Interviewstory 293 2 Meinungstexte 294 Der Kommentar 296 Die Glosse 300 3 Online-texte: lesen am Bildschirm 303

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III WARUM DIE LESER ES LEICHTER HABEN, WENN DIE SCHREIBER ES SICH SCHWER MACHEN 309 Sprache als handwerkszeug 309 1 Die häufigsten Sprachmängel 311 2 Die Faktoren für eine medientaugliche Sprache 314 Regeln für die Mediensprache 316 Österreichische Besonderheiten 335 Schreibkonventionen in den Medien 335

IV WARUM NIEMAND WORTE VERLIEREN SOLLTE 340 Vor Mikrofon und Kamera 340 1 Bangemachen gilt nicht – was die Medien hören wollen 341 2 Rede und Antwort stehen – Anmerkungen zum Pressesprecher-Statement 351

DrittEr tEil krisEn unD kontrollE

I WARUM VON DEN 5.000 ZEICHEN DER CHINESISCHEN SCHRIFT EINES ZUGLEICH FÜR „KRISE“ UND „CHANCE“ STEHT 359

Medienarbeit in der Krise 359

II WARUM PRESSESPRECHER FÜRS ZEITUNGLESEN BEZAHLT WERDEN 369 Erfolgskontrolle der Medienarbeit 369 1 Quantitative Medienauswertung 371 2 Medienresonanzanalysen 373 3 Dokumentierter Erfolg 379

WEITERFÜHRENDE LITERATUR 381DIE AUTOREN 389

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VORwORt ZUR 6. AUFlAgE

Am 16. April 2013 stand die Welt für einige Minuten vor einer massiven Krise. Der Twitter-Dienst der Nachrichtenagentur Associated Press hatte gemeldet, im Weißen Haus sei eine Bombe hochgegangen, Barack Oba-ma sei verletzt. Die Sensationsmeldung versetzte hunderte Redaktionen in der ganzen Welt in hektische Aufregung – aber auch Staatskanzlei-en und Börsen gerieten in Panik, jeder, der das Twitter-Angebot von AP nutzt. Die Börsenkurse gingen in die Knie, viele Telefonleitungen bra-chen kurzzeitig zusammen. Wenig später war klar: Fehlalarm, alles in Ordnung. Die Korrespondenten der Medien hatten ihre Quellen vor Ort befragt, die wussten von nichts. Ein Hacker hatte sich widerrechtlich in den Twitter-Account der Agentur eingeloggt und sich einen üblen Scherz erlaubt.

Dieses Ereignis beleuchtet schlaglichtartig den Unterschied zwischen traditionellem Journalismus und den neuen Medien: Twitter, Blogs und andere „soziale“ Formen im „Web 2.0“ sind nicht als professionelle Nachrichtenlieferer gedacht, auch wenn sie so genutzt werden. Es gibt keine redaktionelle Instanz, die Informationen auf Inhalt und Richtig-keit prüft. Dem möglichen Missbrauch steht kaum etwas entgegen.

Eine aktuelle Studie1 des Kölner Wirtschaftspsychologen Volker Schulz mit 1.000 Befragten zeigt die Folgen: Mediennutzer glauben vor allem den traditionellen Medien. Auf einer Glaubwürdigkeitsskala von 1 (ge-ring) bis 4 (hoch) bekamen Tageszeitungen 3,18 Punkte, Nachrichten-magazine 3,35 und Fachzeitschriften gar den Wert 3,38. Internetforen (2,28) und Soziale Netzwerke (1,63) genießen demgegenüber nur wenig Vertrauen. Die von professionellen Journalisten gemachten Zeitungen und Magazine, Rundfunk und Fernsehen behalten weiterhin ihre be-herrschende Rolle im Informationsgeschehen. Das zeigt sich auch in der Themenführerschaft – es sind die herkömmlichen Medien, die durch die Recherchen ihrer Redaktionen den weitaus überwiegenden Teil des Nachrichtengeschehens bestimmen.

Die Umgestaltung der Medienwelt durch das Internet wird jedoch wei-tergehen – das betrifft neue technische Lösungen ebenso wie Um-brüche in der Vermarktung wie in der Rezeption von Neuigkeiten. Rund

1 „Mediennutzung und -wirkung“, März 2013: http://www.dr-schulz-pr.info/for-schung/glaubwuerdigkeit/

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ein Drittel dieses Buches musste neu geschrieben werden, um dem Wandel seit der letzten Auflage Rechnung zu tragen. Der Medienmarkt ist in starker Bewegung, ehrwürdige Titel verschwinden, viel gelobte Neuerscheinungen verglühen wie Sternschnuppen. Niemand hat noch vor wenigen Jahren geahnt, dass eine Online-Information ohne „Gefällt mir“- oder „Teilen“-Button den Reiz des Altmodischen hat.

Heute deutet viel darauf hin, dass sich die Online-Angebote und das interaktive Web den herkömmlichen Medien hinzugesellen, ohne sie zu verdrängen. In der Realität sind traditionelle und neue Medien längst untrennbar miteinander verbunden – der Online- neben dem gedruckten Artikel, die Schlagzeile fürs Tablet, zum Vertiefen der Blog des verantwortlichen Redakteurs, dazu der Verweis auf einen klugen Kommentar zum gleichen Thema auf Twitter.

Und der verstärkte Wettbewerb durch die „Neuen Medien“ hat schon et-was Unerwartetes bewirkt: In den Verlagen, Sendern und Redaktionen wird wieder über Qualität im Journalismus nachgedacht und wie man sie sicherstellen könnte. Dass niemand auf Tatarenmeldungen herein-fällt, ist dabei gewiss nur ein Ziel. Vor allem sollen die Geschäfte gut laufen: „Lesen Sie die Seiten Ihres Vertrauens“ – egal in welchem Medium.

Remagen, im Mai 2013 Norbert Schulz-Bruhdoel

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Erster teil Die Medien, der Markt und die Macher*

„Die Pressefreiheit ist das Kernstück der demokratischen Gesellschaft.“

Abraham Lincoln

* Natürlich sind damit auch „Macherinnen“ gemeint. Wir verzichten in diesem Buch auf konsistentes „gendering“ von Begriffen, um den Text leicht lesbar zu halten.

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I wARUM MEDIENARBEIt NIcht lEIcht ISt UND wARUM SIch JOURNAlIStEN SO VIEl ERlAUBEN DüRFEN

Überblick

• MedienarbeitisteinzentralerTeilvonPR.WeilderMedienmarktunübersichtlich und kompliziert ist, sollte man Rat bei Spezialis-ten suchen.

• DasImageeinerOrganisationiststarkabhängigvondemBild,dasdie Medien zeichnen. Geschickte Medienarbeit ist also offensive Imagepflege.

• InformationisteinlukrativesGeschäft,unddieMechanismenderMarktwirtschaft kennzeichnen auch die Medien. Darum muss den Medienmarkt kennen, wer erfolgreich Medienarbeit machen will.

• PublicRelationssindeinpolitischesHandeln–esgehtumdieBehauptung eigener Interessen und um Einflussnahme in einer pluralistischen Gesellschaft. Medienarbeit ist ein eigenständiges Instrument dazu und beileibe kein Anhängsel von Marketing und Werbung.

• JournalistensindMedienmacher–undsiesinddiewichtigstenPartner für jeden, der Medienarbeit macht. Gute Beziehungen sind darum mehr als die halbe Miete.

Wie groß ist „kleinst“? Diese Frage werden vermutlich die Gerichte klä-ren müssen, seit im März 2013 ein „Leistungsschutzrecht für Presseverlage“ in das Urheberrechtsgesetz eingefügt wurde. Darin heißt es, gewerb-liche Onlineanbieter wie Google, Yahoo oder Rivva dürften kostenfrei nur „einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte“ aus Veröffentlichungen der Zeitungsverlage für die automatische Indexierung und Darstellung von Nachrichtenmaterial nutzen. Für alle darüber hinausgehenden Zi-tate seien Lizengebühren zu entrichten. Die Zeitungsverleger hatten ursprünglich noch viel strengere Beschränkungen gefordert und damit einen monatelangen Streit mit Bloggern und anderen Akteuren im Netz ausgelöst. Viele Gegner des Leistungsschutzrechts fürchten, gleichfalls Lizenzgebühren zahlen zu müssen, wenn sie Inhalte im Web publizie-ren und dabei auf online verfügbare Presseartikel Bezug nehmen – selbst wenn es lediglich 140 Twitter-Zeichen sind.

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Kaum etwas beleuchtet so deutlich, wie heftig der Kampf um Aufmerk-samkeit und Marktanteile im Informationsgeschäft geworden ist. Seit rund einem Dutzend Jahren ist der Wirtschaftszweig „Medien“ selbst zunehmend Gegenstand der Berichterstattung und Kommentierung. Mit den eigenen Arbeitgebern, den Zeitungs- und Zeitschriftenver lagen, Sendeanstalten und Agenturen, hatten sich die Redaktionen zuvor kaum beschäftigt; es galt als unfein, die Vorgänge in der eigenen Bran-che öffentlich zu machen. Viele Publikationen führen die „Medien“ in-zwischen als gesonderte Rubrik, manchmal beherrschen Vorgänge in der Medienwelt sogar die Titelseiten – zum Beispiel, wenn innerhalb weniger Tage das Aus gleich für mehrere angesehene Titel verkündet wird: Am 13. November 2012 meldete die „Frankfurter Rundschau“ In-solvenz an, zehn Tage später verkündete der Verlag Gruner + Jahr das Ende der „Financial Times Deutschland“. Zwar ist die „Rundschau“ nach der Übernahme durch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zunächst weiter im Markt, doch bleibt ihr Schicksal ungewiss. Wolfgang Blau, Chefredakteur von Zeit-Online, stellte auf Facebook das „inzwischen frag-liche journalis tische Konstrukt Tageszeitung“ zur Diskussion.1

Alle Medienhäuser haben Sorgen, denn die kostenlosen Informations-angebote des Internets bescheren ihnen eine schwache Konjunktur. Ein tragfähiges Geschäftsmodell, um diesen Wettbewerb bestehen zu können, ist noch nicht gefunden. Durch massenhafte Entlassungen von Mitarbeitern und das Aus für anspruchsvolle Projekte senkt die Medien-zunft ihre Produktions- und Investitionskosten auf sehr ähnliche Wei-se wie andere Branchen. Dafür entstehen an anderer Stelle ganz neue Unternehmungen und Produkte für einen sich erkennbar wandelnden Markt – die Medienwirtschaft ist sogar besonders dynamisch.

Wie die wirtschaftliche Not bisweilen auf die Qualität der Berichterstat-tung durchschlägt, zeigt ein Beispiel:

Eine große Boulevardzeitung hatte internes Material zugespielt bekommen, das erheb-liches Fehlverhalten im Management eines Großunternehmens belegte. Die Redaktion bekam von der Verlagsleitung kein grünes Licht für eine Veröffentlichung, solange noch ein prestigeträchtiges, gemeinsames Werbeprojekt lief. Zwar konnte die Zeitung ein paar Käufer hinzu gewinnen, doch die Enthüllungsstory wurde kurze Zeit darauf von einem Online-Newsportal gebracht – sehr zum Ärger der Redaktion.

Medienarbeit ist schwieriger geworden, weil über lange Zeit gängige Spielregeln ihre Gültigkeit verloren haben. Nicht nur die wirtschaft-liche Lage, auch gesellschaftliche Entwicklungen und Tendenzen spie-geln sich in der Medienwelt wider.

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Medienarbeit – das ist der Versuch, unter Einschaltung von Presse, Hör-funk, Fernsehen und den computergestützten Medien Public Relations zu betreiben. Wer damit Erfolg haben will, muss die Medien, ihre Arbeit und ihre Mitarbeiter ebenso kennen wie die Entwicklungen und Trends, denen die Medien unterliegen.

Das Gewerbe der Medienmacher wird durch Internet und Web 2.0, durch private TV-Anbieter sowie durch neue Marktstrategien von Ver-lagen und Produktionsfirmen rasant und tief greifend umgestaltet. Die Methoden und Instrumente der Medienarbeit müssen vor allem mit dem Tempo der technischen Innovationen schritthalten. Aber auch von anderer Seite kommen Herausforderungen auf diesen Teil der Öf-fentlichkeitsarbeit zu – weniger technischer als gedanklicher Art. In-formation als rasch verderbliche Ware mit begrenzter Haltbarkeit zu behandeln, das haben die Journalisten schon seit längerem verinner-licht. Die Medien als Markenprodukte, die Redaktionen als ihre Ver-käufer anzusehen – diese Positionsbestimmung fällt den Redakteuren noch schwer. Und erst recht die grundsätzliche Überlegung, ob täglich erscheinende Zeitungen mit einem umfassenden Nachrichtenangebot von der Weltpolitik bis zum lokalen Schützenfest weiterhin sinnvoll sind. Daraus resultieren Unsicherheiten und Auswüchse, die auch das Verhältnis von Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus verändern.

Die Aufmerksamkeit der Menschen, die von Partnern und Kollegen, Kindern, Nachbarn, Freunden und Vorgesetzten beansprucht wird, gilt es auf Informationen zu lenken, die wir anbieten: Dieser gemeinsame Anspruch von Medienmachern und Öffentlichkeitsarbeitern bleibt.

Medienarbeit – zunehmend auch mit dem Begriff „Media Relations“ be-legt – will die unterschiedlichen Informationsziele einzelner Unter-nehmen, Verbände, Institutionen oder Einzelpersonen mit Hilfe der Me-dien erreichen. Die Aufforderung an die Medienmacher lautet immer ähnlich: druckt, sendet, verarbeitet, was ich euch mitteile.

Dieses Buch zeigt den richtigen Weg, um mit dieser Aufgabe auch unter sich rasch verändernden Bedingungen erfolgreich zu sein. Die Kapitel dieses Fachbuchs folgen den Schritten einer methodischen Konzeptions-entwicklung.

was die Medien nicht zeigen, ist wie nie geschehen

Das Bild, das sich die Öffentlichkeit von einer Institution macht, wird entscheidend durch Medienberichte und -kommentare beeinflusst.

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Imagevorteile sind immens wichtig geworden, weil sich Produkte und Leistungen der verschiedenen Anbieter immer ähnlicher werden, weil Ideen, Programme und Werte austauschbar geworden sind. Wer in der Öffentlichkeit steht – und jedes noch so kleine Unternehmen hat min-destens eine lokale öffentliche Bedeutung – muss über die Zusammen-arbeit mit den Medien seine Imageziele verfolgen. Deshalb sorgen PR-Fachleute für einen unablässigen Informationsfluss, aus dem sich die Medien bedienen können.

Und diese Dienstleistung wird von den Journalisten zunehmend akzep-tiert, auch wenn sie es nicht gerne zugeben.2 Mitte der achtziger Jahre zeigten erste Untersuchungen in Deutschland, dass etwa zwei Drittel der politischen Berichterstattung in den Massenmedien durch die An-gebote der Pressestellen von Regierungen, Parlamenten, Behörden und Parteien angestoßen wurden.3 In einer jüngeren Studie zeigt sich das Landesbüro Erfurt der Nachrichtenagentur dpa als sehr empfänglich für PR-Material: Obwohl nur rund 17 Prozent der eingegangenen Presse-informationen berücksichtigt wurden, stellten sie 60 Prozent des dpa-Angebots.4

Aber es ist deutlich schwerer geworden, effiziente Medienarbeit zu ma-chen, weil sich die Medien seit der „Erfindung“ des Berufs Public Rela-tions in schier unvorstellbarer Weise entwickelt haben. Weit über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus sprach man von „Pressearbeit“, weil Zeitungen und Zeitschriften völlig zu Recht das Ziel aller Informations-bemühungen waren. Mit der Privatisierung von Radio und Fernsehen verschoben sich rasch die Gewichte. Und heute jagen Informationen auf den Datenautobahnen ohne Unterlass rund um den Globus, so dass die Zusammenarbeit mit den Medien rund um die Uhr organisiert werden muss – und zwar für die gedruckte Presse, für die Sender und für die interaktiven Sozialen Medien.

Der Medienmarkt ist in ständiger Bewegung und verlangt von seinen Zulieferern in den Pressestellen und PR-Stäben hohe Flexibilität. Zum Beispiel wurde seit den neunziger Jahren das Themenfeld Wirtschaft und Finanzen für alle Medien immer wichtiger – weil in der Öffent-lichkeit die Themen Strukturwandel, Globalisierung, Arbeitsplatz- und Ruhestandssicherung immer mehr interessierten. Die rasche Verbrei-tung der Computertechnik hatte eine Lawine von neuen Zeitschriften, Büchern und Ratgebersendungen zur Folge. Die Medien reagieren rasch auf die Wünsche ihres Publikums. Es gibt kaum ein Interesse, und sei es noch so exotisch, für das nicht mindestens eine Zeitschrift, ein Sen-deplatz oder eine Internet-Rubrik Neuigkeiten und Hintergründe anbie-

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tet. Und darüber hinaus benötigen die Online-Medien Informationen heute nicht nur als gut aufbereitetes Textmaterial, sondern auch als internettaug liche Fotos und Videoclips.

Die Medienvielfalt braucht Spezialisten

Für größere Unternehmen und Institutionen ist es unmöglich geworden, die vielfältigen Medien aus einer Hand mit Informationen zu beliefern. Wirtschaftsredaktionen in Tageszeitungen verlangen anderes Material als ein TV-Magazin, die Fachpresse hat ebenso ihre eigenen Gesetze wie der Boulevardjournalismus. Die Medien werden immer schneller, bild-reicher und farbiger – die Angebote aus den Pressestellen müssen den sich wandelnden Ansprüchen genügen. Mit dem Internet und seinen Weiterentwicklungen wie Online-Redaktionen, Weblogs, Sozialen Netz-werken oder IPTV sind schließlich in den letzten Jahren auch technisch neue Medien gewachsen, die eigene Redaktionsteams brauchen und viel zusätzliches Wissen über Software- und Hardwarekomponenten fordern. Wenn Medienarbeit immer schon eine Hauptbeschäftigung für PR-Fachleute war, ist heute das eigenständige Berufsbild „Media Rela-tions-Berater“ entstanden – sogar der „Social-Media-Berater“ hat seine Existenzberechtigung gefunden. Die berufspraktische Tätigkeit vieler Mitarbeiter in PR-Stäben größerer Unternehmen und Organisationen ist bereits ein vollgültiges Abbild dieser Entwicklung.

Medienarbeit begleitet und unterstützt nahezu alle Aktivitäten in der Öffentlichkeitsarbeit – vom Jahresbericht der Geschäftsführung bis zum Börsengang, beim Sport-Sponsoring ebenso wie beim Tag der offenen Tür. PR-Praktiker nennen bis nahe hundert Prozent aller An-wendungsfälle von Öffentlichkeitsarbeit, in denen sie auch oder sogar schwerpunktmäßig Medienarbeit machen, um ihre Ziele zu erreichen5. Klassische Mittel der Presse- und Medienarbeit werden zum Beispiel von österreichischen Unternehmungen, Institutionen und Verbänden in 78 Prozent aller Fälle eingesetzt, um ihre Ziele zu erreichen. Dies zeigt eine im November 2003 erhobene Studie mit 800 Teilnehmern. In sogar 91 Prozent der Fälle stand die Präsentation im Internet im Vordergrund.6 Die Arbeit vieler Verbände wäre weitgehend wirkungslos ohne die Mög-lichkeiten professioneller Zusammenarbeit mit Presse, Funk, Fernsehen und Internet – das Beispiel Greenpeace mag genügen, diese Behaup-tung zu belegen.

Kritische Beobachter fragen angesichts dieser Entwicklungen „… ob sich nicht ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen der Definitionsmacht der PR-Leute

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und der Recherchekapazität der Redaktionen einstellt.“7 In Deutschland gibt es inzwischen mehr Öffentlichkeitsarbeiter als Journalisten; in den USA, wo Public Relations als Beruf entstanden sind, kommen auf 116.000 Journalisten inzwischen 200.000 PR-Leute. Die Journalistenvereinigung „Netzwerk Recherche“ fordert seit längerem ein Zurückdrängen des PR-Einflusses. „Wird der Einfluss der PR nicht eingegrenzt, verliert der seriöse Journalismus seine Substanz und seine Glaubwürdigkeit“, sagt der Netzwerk-Gründer Thomas Leif.8 Tatsächlich meinen 54 Prozent der Befragten in einer aktuellen Studie, dass Journalisten „nicht wahrheits-gemäß" berichten, mehr als jeder Zweite vermutet Beeinflussbarkeit durch Wirtschaft und Politik9. Im Qualitätsjournalismus ist die Gefahr jedoch vermutlich gering, dass eine PR-Übermacht den Journalisten die Feder führen könnte, dazu ist der Wettbewerb der Medien untereinan-der zu heftig.

Für die unkritische Abbildung von heiler Welt halten die Medien eigene Plätze offen: ihre Unterhaltungs- und Comedy-Kanäle und natürlich die Anzeigenseiten und Werbestrecken. Und dafür verlangen sie viel Geld. Man kann Druckseiten und Sendeminuten, Bannerwerbung oder Pop-ups kaufen und deren Inhalt dann frei bestimmen. Cleveres Marketing denkt auch rechtzeitig daran, in Film und Fernsehen als Sponsor, Aus-statter oder Co-Produzent präsent zu sein – mit deutlichem Einfluss auf Texte und Bilder.

Umworbene Redakteure

Medienarbeit hingegen soll die Medienmacher überzeugen, eine Infor-mation zu übernehmen, weil sie interessant und wichtig für Leser, Hö-rer oder Zuschauer ist. Das kostet wenig und ist für Non-Profit-Organisa-tionen häufig das einzig bezahlbare PR-Instrument. Notwendigerweise bedeutet das aber, mit Journalisten und Redaktionsteams eine profes-sionelle Partnerschaft anzustreben. Das gelingt nur dem, der die Medien kennt und die Arbeitsweisen der Journalisten überblickt – und sie sich für die eigene Berufspraxis aneignet.

Wer sich mit den Medien, ihren Strukturen, Arbeitsbedingungen, Men-schen und Machern beschäftigt, wird rasch eines erkennen: Die oft be-schworene „Macht der Medien“ ist in weiten Teilen ein Mythos und wie alle Mythen auf verbreiteter Unwissenheit errichtet. Zwar ist die Arbeit in den Medien gegenüber den meisten anderen deutlich privilegiert – die vom Grundgesetz garantierte Presse- und Meinungsfreiheit hebt das Selbstbewusstsein schon des jüngsten Volontärs gegenüber „großen Tie-ren“ nicht unerheblich. Wer genauer hinschaut wird allerdings bemer-ken, dass die Medien zunächst einmal markt- und gewinnorientierte

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Unternehmen sind, die ähnlichen Wettbewerbsbedingungen unter-liegen wie andere Firmen auch. Auch der kritischste Journalist ist zu-nächst einmal angestellter Gehalts- oder freier Honorarempfänger, von dem ein Verleger, Produzent oder Intendant erwarten darf, dass seine Arbeit den Umsatz und Ertrag des Unternehmens sichert.

Die zeitgenössischen Bedingungen auf dem Medienmarkt sind alles an-dere als bequem:

• DasInternetvervielfachtdieInformationsangebote,machtsieindi-viduell verfügbar und entzieht damit den traditionellen Medien ihre Kontrollfunktion über den Informationsfluss.

• DasFernsehenprägtinzwischenmehrereGenerationendurchBild-stereotype, die für bestimmte Informationsgehalte stehen. Dagegen sinkt die Bereitschaft, sich Information durch Lesen anzueignen.

• DiezunehmendeDifferenzierungderGesellschaftspiegeltsichinei-ner immer bunteren Palette medialer Angebote: Jeder Lebensstil, jede Gruppe, jedes Interesse hat seine spezifischen Medien.

• Der wachsende Wettbewerbsdruck auf dem Medienmarkt förderteine Anpassung der Inhalte an das Gefällige: Zerstreuung, Unterhal-tung, leicht verdauliche Information und Sensationshascherei. Da-mit sinkt jedoch zugleich das Vertrauen in die Seriosität der Medien.

• „Cross media“ werden attraktive Informationsgehalte parallel aufjede erdenkliche Weise vermarktet: Film, TV, Radio, Buch, Magazin, Zeitung, Internetseiten und Soziale Medien verarbeiten ein Thema mit erheblichen Synergie-Effekten. Vom großen Plakat bis zum Dis-play des Mobiltelefons zeigen alle denkbaren Medien die gleichen Botschaften.

• DieMedienkundenwehrensichgegendieständigeReiz-undInfor-mationsüberflutung und haben Mechanismen dafür gefunden: Im besten Fall Selektion, im schlimmsten Fall Verweigerung.

• Alldaszusammen förderteineTendenz indenMedien,das Infor-mationsangebot und seine Darbietung verstärkt unter rein kommer-ziellen Gesichtspunkten zu sehen. Kritiker sprechen von „Marketing-Journalismus“.

• FürdieMedienmacherheißtdas:Siemüssenausderunüberschau-baren Vielfalt an Informationen die „markttauglichen“ herausfiltern. Wenn nötig müssen sie ihre Ware auch erst verkäuflich machen – aus nüchternen Fakten werden spannende Geschichten, aus Gerüch-ten werden Wahrheiten konstruiert. Die angestammte Chronisten-pflicht tritt dagegen in den Hintergrund.

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Medien im wandel

Die Medienwirtschaft durchlebt seit einem Allzeit-Hoch im Jahr 2000 eine Dauerkrise. War es zunächst die allgemeine wirtschaftliche Schwä-che nach dem Zusammenbruch des „Neuen Marktes“, zeigen sich heute die Folgen des veränderten Medienkonsums: Das Internet liefert kosten-lose Information in Hülle und Fülle und zieht darum immer mehr Men-schen in den Bann. Das Nachsehen haben die herkömmlichen Medien, deren Werbeeinnahmen kontinuierlich sinken: Die Anzeigenerlöse der Zeitungen und Zeitschriften sind nur noch halb so hoch wie vor 20 Jahren, die Einnahmen aus TV- und Hörfunkwerbung stagnieren seit fünf Jahren.10

Das hat Folgen: Durch zweistellige Umsatzeinbußen sind in der deut-schen Medienwirtschaft seit 2002 rund 85.000 Arbeitsplätze verloren gegangen, im Oktober 2012 waren fast 5.000 Journalisten arbeitslos ge-meldet.11 Innerhalb weniger Jahre stieg die Zahl der Freien Journalisten von 15.000 auf 23.00012 an. Das hat sowohl zu einer völlig neuen Ar-beitsmarktdynamik in den Medienberufen geführt (sinkende Einkünf-te, zunehmende Ethikkonflikte – „die Kunst geht nach Brot”) als auch zu gewaltigen Einsparbemühungen bei den Medienunternehmen.

Die Innovationsfreude in der Computertechnik hat auf die Medien be-sonders starke Auswirkungen. Wie fast überall hat der Siegeszug von Internet, Notebooks und Tablet-Computern das Arbeiten selbst ver-ändert und auch bei den Medienleuten viel Umdenken gefordert. Die neue Technik hat Arbeitsplätze gekostet, andererseits ganz neue Berufe auch innerhalb der Medienbranche geschaffen – Online-Redakteure, Content-Manager oder Webdesigner gibt es erst seit wenigen Jahren. Entscheidend für die künftige Bedeutung der herkömmlichen Medien ist das rasante Wachstum des Internets. Sich neu formierende Parallel-angebote schaffen innerhalb kurzer Zeit einen zusätzlichen Informa-tionsmarkt, der anderen Gesetzen gehorcht.

• DerOnline-Nutzerentscheidetselbst,wannereinekonkreteInfor-mation abruft.

• ErbestimmtUmfangundzeitlichenAufwand.• ErkannnachBeliebentieferindieInformationsangeboteeindringen

und muss dazu nicht das Medium wechseln.• DieneuenMediensinddialogfähigunderlauben,miteinemMini-

mum an technischem Verständnis interaktiv in die Veröffentlichun-gen einzugreifen.

• Einfachzubedienende„SocialSoftware“machtesvielenMenschen

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möglich, Sachverhalte und Meinungen zu publizieren. Durch Web-logs, Wikis, Communities etc. verlieren die traditionellen Medien ihre alleinige Deutungshoheit.

• ImmermehrInformationsangebotefinanzierensichkomplettüberWerbung und sind darum für den Nutzer kostenlos verfügbar.

Unter jungen Menschen zwischen 11 und 29 Jahren in Deutschland hat das Internet das Fernsehen längst überholt, wenn es darum geht, den alltäglichen Informationsbedarf zu decken. Der langsame Rückzug der Jugend von den Printmedien wird sich fortsetzen, so gängige Prognosen. Während sich die tägliche TV-Nutzungsdauer seit einigen Jahren kon-stant bei durchschnittlich rund 220 Minuten eingependelt hat, erhöht sich die Zeit, die Menschen im Internet verbringen von Jahr zu Jahr, und häufig kommt es zu Parallelnutzung. Bei Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren liegt das Internet im täglichen Medienkonsum mit 125 Minuten klar vor Fernsehen (114), Radio (109) und Zeitung (7). Zum Ver-gleich: bei den über 50-Jährigen steht das Fernsehen mit 300 Minuten an der Spitze, vor Radio (202), Internet und Zeitung (je 34).13 So werden die klassischen Medien in allen Altersgruppen mehr und mehr in ihren Online-Varianten wahrgenommen.

Diese Werte sagen vermutlich indirekt auch etwas über eine Änderung der Informationsansprüche, möglicherweise auch über andere Inhalte, die nachgefragt werden. Damit stehen insbesondere die Tageszeitun-gen vor einer problematischen Zukunft. Zum einen nimmt die Bevöl-kerung in den Jahrgängen der 20- bis 40-Jährigen, aus denen drei Vier-tel der Neu-Abonnenten kommen, rasch ab. Zum anderen erreichen die Zeitungen junge Leute immer schlechter. All das treibt die Printme-dien-Verleger an, sich verstärkt um crossmediale Verankerung zu be-mühen.

Diese Entwicklungen sind international und wohl nicht umkehrbar. In den Vereinigten Staaten stehen renommierte Metropolzeitungen am Abgrund: Die Auflage des Boston Globe ist auf ein Drittel der Zahlen von 2002 gefallen, der San Francisco Chronicle, die Chicago Tribune und sogar die Los Angeles Times kämpfen ums Überleben. Amerikanische Zeitungen müssen mit härteren Bedingungen leben als die deutschen, weil sie zu 75 bis 80 Prozent von ihren Werbeeinnahmen getragen werden und der Verkauf nur wenig einbringt; in Deutschland ist das Verhältnis heu-te 50:50. Dennoch stimmt eine Aussage auch hierzulande: „Mehr und mehr kristallisiert sich als größtes Problem traditioneller Medien nicht mehr die Frage heraus, wo sich die Leute ihre Informationen holen, sondern wie dafür bezahlt werden soll. Die Werbewirtschaft macht den

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Zug der Info-Konsumenten ins Internet nicht mit, Nachrichtenangebot und Werbung entkoppeln sich fundamental.“14

Bereits im März 2008 ergab eine im Auftrag des Internationalen Forums der Chefredakteure und der Nachrichtenagentur Reuters durchgeführte Umfrage15 unter 700 leitenden Journalisten, dass kaum noch einer an die gedruckte Zeitung glaubt: 86 Prozent der Befragten meinten, dass die integrierte Print- und Onlineredaktion die Norm sein wird; 83 Prozent glaubten, dass die Journalisten parallel für alle Medien arbeiten werden. Tatsächlich haben etliche Verlage ihre Redaktionen in „Newsdesks” ver-wandelt, so wie beispielsweise bei den Medien der „blauen Gruppe“ des Axel-Springer-Verlags: Welt, Welt Kompakt, Welt am Sonntag und Berliner Morgenpost bekamen eine gemeinsame redaktionelle Führung. Die über-regionale Tageszeitung, die regionale Zeitung, die Sonntagszeitung, die Kompaktausgabe, die Online-Versionen und Angebote wie Podcasts, Newsletter oder SMS-Dienste – alles wird in einer Zentralredaktion produziert: cross media heißt das dafür gefundene Schlagwort. Nachrich-ten seien mit dem neuen System bereits kurz nach Eingang online, so Springer-Vorstand Mathias Döpfner, der von dem „größten integrierten Newsroom Deutschlands und den wohl modernsten Workflow Online to Print“ spricht.

Gute Überlebenschancen haben demgegenüber die Zeitschriften, glaubt Daniel Franklin vom britischen Wirtschaftsblatt Economist: „Magazi-ne werden sich wegen ihrer Anmutung, ihrer Ästhetik und ihrer Fotos lange halten können, aber Zeitungen müssen nach neuen Wegen su-chen.“16 Ihr Angebot wird sich auf die neuen Entwicklungen einstellen müssen. Und so zählen zu den Modernisierungsversuchen der Print-titel neue Formate (z. B. Welt Kompakt, aber auch die Pocket-Ausgaben vieler Frauenzeitschriften). Vor allem Zeitungen mit handlichem Um-fang scheinen sich durchzusetzen, wobei die Meinung der Leser hierzu durchaus geteilt ist: Lediglich ein Fünftel gibt an, kleinere Formate zu bevorzugen, was wohl auch damit zu tun hat, dass 93 Prozent der Be-fragten zu Hause Zeitung lesen; dort stört ein großes Format nicht. Zwei Fünftel der Leser äußern Bedenken hinsichtlich der Lesbarkeit klein-formatiger Titel.17

Das Zeitalter des „one size fits all“ geht nach Einschätzung von Chris Anderson dem Ende zu. Der Autor des Bestsellers „The Long Tail“ sieht an seine Stelle etwas Neues treten, einen Markt der Vielfalt18. Die Digi-talisierung erlaubt die Speicherung und den Vertrieb selbst der uninter-essantesten Medieninhalte auf sehr billige Weise. Das macht es möglich, sehr viele, differenzierte Angebote zu machen und damit mehr Umsatz

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zu generieren als mit einigen wenigen Marktrennern. „Prinzipiell gilt: Alles, was digitalisierbar ist, lässt sich nach dem Prinzip des Long Tail auch erfolgreich bewirtschaften“, ist sich der Berliner Medienwissen-schaftler Norbert Bolz sicher.

Das Internet hat nach Analysen von Marketingexperten so etwas wie eine Basisdemokratie in den Medien geschaffen, da es erstmals eine Plattform für eine aktive Einbindung des Konsumenten bietet. „Für die Medienlandschaft ist allerdings ein Punkt viel beachtenswerter: Das ist die mangelnde Fähigkeit, differenziert über die Ansprüche von vielfäl-tigen Zielgruppen nachzudenken und dann entsprechende Angebote zu entwickeln“, kritisiert Michael Sander, Geschäftsführer der Lindauer Unternehmensberatung Terra Consulting Partners.19

Die Entwicklung von Print- und Onlinemedien klafft immer weiter aus-einander. Zum Beispiel ist die Reichweite der Tageszeitung Die Welt seit 2006 fast konstant geblieben und liegt heute bei 681.000 Lesern. Dage-gen hat sich die Zahl der Nutzer von Welt Online im gleichen Zeitraum um den Faktor 2,7 auf heute rund drei Millionen erhöht. Die Zahlen treffen in ähnlicher Weise auf das Gros der Medien zu. Sie belegen, dass der Digitalisierung der Medienlandschaft eine ganz neue Art der Me-diennutzung folgt: An die Stelle der täglichen Zeitungslektüre tritt die Nutzung „on demand“ – zum Teil mehrfach pro Tag und quer durch das ganze Angebot. Die breite Fülle der Ereignisse, die sich in den Arti-keln einer Zeitung spiegelt, verliert an Interesse. Im Internet abgerufen wird nur, was individuell interessiert und nutzt.

Die controller haben das Sagen

Die deutschen Medien geben jährlich rund neun Milliarden Euro für die Beschaffung von Informationen aus. Noch einmal die gleiche Summe fließt in Gehälter, Honorare und Sachkosten für Technik und Vertrieb. Die Rechnung steht noch aus, ob diese Investitionen weiterhin durch Werbeeinnahmen und Verkaufserlöse gedeckt werden können – denn die Werbewirtschaft verzeichnet seit mehreren Jahren kaum noch Zu-wächse und die Auflagen sinken. In den Verlagshäusern herrscht große Skepsis, ob in Deutschland die Menschen bereit sind, für Informations-angebote im Internet genug zu bezahlen, damit die erwartbaren Verlus-te kompensiert werden können.

Der Zeit-Verlag gründete im März 2010 ein Tochterunternehmen für Cor-porate Publishing und ist damit ein Anbieter von PR-Dienstleistungen geworden. Er folgt damit Gruner + Jahr, dem Süddeutschen Verlag und der

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Handelsblatt-Gruppe, die schon länger Instrumente für die Unternehmens-kommunikation zuliefern. Auch neue Verbreitungswege sollen das In-teresse der Leser erhöhen: E-Paper gibt es als einfache PDF-Datei oder in App-Programmierung mit multimedialer Aufbereitung für Tablet-PC und Smartphone – immer mehr Zeitungen setzen gleich auf beide Optionen. Nicht erfolgreich lief bislang der Verkauf über verlagsunab-hängige Online-Kioske. Auch der Versuch von niiu.de, den Nutzer indi-viduell zusammengestellte Zeitungen selbst produzieren zu lassen, ging zunächst schief. Zwar lag dieses Geschäftsmodell wenige Monate nach dem Start auf Eis, doch im Dezember 2012 haben die beiden Gründer das Projekt als App fürs iPad wieder aufleben lassen.

Zusätzliche Anreize, um Leser, Hörer und Zuschauer weiter an sich zu binden, sollen die Akzeptanz der herkömmlichen Medien wieder steigern. Hörversionen von gedruckten Artikeln – die Zeitungen und Zeitschriften verweisen auf sogenannte Podcasts im Internet – sind in-zwischen weit verbreitet. Als eine der ersten Tageszeitungen bot das Handelsblatt schon 2004 eine Hörversion der gedruckten Ausgabe an: Die aktuelle Zeitung des nächsten Tages konnte bereits ab Mitternacht als Audiofile gehört werden. Einen erstaunlichen Effekt konnte die Redak-tion des Magazins Geo verzeichnen: Seit Reportagen und Artikel über den Anbieter iTunes als Hörversion verbreitet werden, steigt die Zahl der Print-Abonnenten.20

Immer mehr Verlage eröffnen neue Geschäftsfelder, um eine stärkere Leserbindung anzustreben. Erfolge mit neuen Erlösquellen konnte bei-spielsweise die Süddeutsche Zeitung mit einer DVD-Filmreihe verzeichnen, die Zeit konnte mit dem Direktverkauf von zwei Lexikonreihen die Um-satzzahlen steigern. Etliche Verlage kooperieren mit Reiseveranstaltern und Hotelketten, exklusive Leserreisen, kulinarische Events und Well-ness-Wochenenden sollen die Leser-Blattbindung stärken.

Die Mehrheit der Verlage und Sendehäuser geht aber den „klassischen” Weg der Kostenreduktion. Bei der Braunschweiger Zeitung zum Beispiel wurde nach der Übernahme durch den neuen Eigentümer, die Esse-ner WAZ-Gruppe, der gesamte technische Apparat ausgegliedert und die Mitarbeiter einer eigens gegründeten Zeitarbeitsfirma unterstellt. Damit fallen sie nicht mehr unter die geltenden Tarifverträge. Einen ähn lichen Weg geht man seit dem November 2011 beim Schwarzwälder Boten.

Einen Ausweg aus dem Zwang zum Erfolg sehen viele Verlage in der Verbreiterung ihrer Basis. Viele deutsche Verleger übernehmen aus

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Kostengründen erfolgreiche Objekte, wo immer dies ohne eine Gefähr-dung des eigenen Markencharakters möglich ist. Die Verlagsimperien Holtzbrinck, Burda oder Gruner+Jahr kaufen, was immer sich anbie-tet. Der Kölner Verlag Dumont-Schauberg (Kölner Stadt-Anzeiger, Express, Mitteldeutsche Zeitung) erwarb 2007 und 2008 die Frankfurter Rundschau als überregional bedeutendes Standbein, die Berliner Zeitung als größtes Hauptstadtblatt, das Boulevardblatt Hamburger Morgenpost, eine von nur zwei Zeitungen in der Elbmetropole, und die Netzeitung als angesehe-nes Online-Medium. Mit der Anteilsmehrheit am Süddeutschen Verlag (Süddeutsche Zeitung, Frankenpost, Freies Wort) Anfang 2008 stieg Die Süd-westdeutsche Medien Holding GmbH (Stuttgarter Nachrichten, Stuttgarter Zeitung, Schwarzwälder Bote, Sonntag aktuell) zum zweitgrößten Zeitungs-konzern in Deutschland auf – ein Umstand, der die Kartellbehörden aufhorchen ließ.

Von der Globalisierung sind die deutschen Verlage bisher kaum betrof-fen – Versuche des Australiers Rupert Murdoch oder des Briten David Montgomery, ins deutsche Mediengeschäft einzusteigen, erwiesen sich nach kurzer Zeit als Flops. Anders ist die Situation im Privatfernsehen: Die Mehrheit an der Senderfamilie RTL befindet sich im Besitz der inter-nationalen Investmentbank Bruxelles Lambert, die Sendergruppe ProSie-benSat1 Media gehört den Finanzinvestoren KKR und Permira.

Das Niveau kippt

Alle diese sich jagenden Veränderungen und Neuerungen haben aller-dings auch zu einer verbreiteten Unsicherheit bei den Medienmachern und Informationsvermarktern geführt. In welcher Richtung müssen sich die klassischen Medien entwickeln, um den veränderten Informa-tionsansprüchen der Internet-Generation zu genügen? Wie müssen die einzelnen Medien agieren, damit sie im Dickicht des Angebots genü-gend auffallen? Welche Werte und Normen gelten für journalistische Qualität in den Zeiten des Informationsmarketings? Ein vernichtendes Urteil über die gegenwärtige Medienrealität fällte Hans-Jürgen Schild in einem Beitrag für das Branchenmagazin journalist:

„Um Auflage bzw. Quote und damit auch die Werbeeinnahmen zu steigern, setzen Ver-lagshäuser und Sender auf nivellierte Bedürfnisse eines Massenpublikums. Man ver-abschiedet sich vom ‚klassischen’ Journalismus und übernimmt Stilelemente aus dem Repertoire des Boulevards. Damit einher geht der Kostenabbau im harten Wettbewerb auf dem Medienmarkt. Bislang anerkannte Qualitätsstandards weichen dem, was man euphemistisch eine lebendige und rezipientenfreundliche Berichterstattung nennt […] Nicht mehr der Inhalt bestimmt die Form, sondern die Form den Inhalt, und der verliert an Bedeutung. [...] Geht dem Publikum einmal auf, dass Journalisten ihm insgeheim

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intellektuelle Fähigkeiten absprechen, wird es andere Wege der Informationsbeschaf-fung suchen, um ein adäquates Bild der Wirklichkeit zu gewinnen. Etwa im Internet. Insofern könnte sich die am kurzfristigen Erfolg orientierte Strategie von Medienunter-nehmen als ausgesprochen kurzsichtig erweisen."21

Deutlicher kann man kaum sagen, wie sehr sich der Journalismus un-serer Tage selbst in Frage stellt.

Seit mehreren Jahren existieren Modelle in den Vereinigten Staaten un-ter dem Begriff „Crowdsourcing“, wie engagierte Menschen zu Mitarbei-tern von Zeitungen und Lokalsendern werden können22. Dabei geht es um mehr als das, was hierzulande als „Freier Mitarbeiter“ bekannt ist: Blogger kommentieren Artikel, die von der Redaktion verfasst wurden; ein Exklusivbeitrag vom Geschehen hinter der Bühne eines Konzerts wird von der Redaktion nur geglättet; ein Interview mit einem Wunsch-partner verläuft möglicherweise härter und informativer als durch ein Redaktionsmitglied. Das erfüllt vielleicht nicht unbedingt die Kriterien für Qualitätsjournalismus, aber wie viele Blätter dürften ihre Leistun-gen dazu zählen?

Medienarbeit verlangt weitblick und Planung

Für die Medienarbeit von Pressestellen, PR-Stäben, Agenturen und Ge-schäftsstellen hat das unangenehme Folgen:

• DieredaktionellenHürdenfürPR-Angebotewerdenhöher23

• DasBedienenspeziellerInformationsbedürfnissewirdwichtiger• DieMedienundihreEntscheidungensindschwerereinzuschätzen

Dennoch lohnt die Mehrarbeit, denn die Präsenz in den Medien ist nach wie vor die sicherste Garantie für alle, die in unserer Gesellschaft wahr-genommen werden wollen. Erst dann ist es möglich, am Dialog teilzu-nehmen, seine Positionen darzustellen und sich zu behaupten.

Sinnvolle Medienarbeit ist immer eingebunden in eine komplexe Kon-zeption für alle kommunikativen Handlungen einer Einrichtung. Nicht erst, seit das Schlagwort „Integrierte Kommunikation“ die Runde macht, hat eine in die Gesamtheit aller kommunikativen Anstrengungen ein-gepasste Medienarbeit die besten Erfolgsaussichten. Wenn zum Beispiel die Qualität und Exklusivität eines Produkts als Verkaufsargument zur Geltung gebracht werden sollen (Marketingentscheidung), dann muss die Werbung Slogans und Bilder finden, die den hohen Wert signali-sieren und bei der anvisierten Kundenschicht die Nachfrage wecken

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(Werbeauftritt), während die Öffentlichkeitsarbeit sachlich darüber in-formiert, wodurch die Qualität zustande kommt.

In einer Pressestelle oder einem Arbeitsstab Medienarbeit liegt der Focus auf der Detailplanung und kompetenten Umsetzung konkreter Maß-nahmen, um mit Hilfe der Medien die Ziele der Kommunikationspolitik zu erreichen:

• AuswahlwichtigerundgeeigneterMedien• AufbauundPflegeguterKontaktezudenMedien• BereitstellungvonInformationeninWortundBild• OrganisationundDurchführungvonPresseveranstaltungen• Themenfindungundmöglicherweise-besetzungindenMedien• medialeBeratungundSchulungvonMitarbeiternfürdenMedien-

kontakt und ggf. für die Medienpräsenz• BeratungandererKommunikationsbereichehinsichtlichderMedien• SprecherfunktiongegenüberdenMedien• Beobachtung,quantitativeundqualitativeAuswertungderMedien• BeobachtungundWertungvonmedienrelevantenEntwicklungen• EntwicklungundBetreuungeigenerMedien

Parallel dazu hat die junge Disziplin der Public Relations-Berufe eine Fülle weiterer Instrumente, Mittel und Maßnahmen entwickelt, um den Kontakt und den Dialog mit der Öffentlichkeit zu optimieren – von der Veranstaltungsplanung über Sponsoring-Aktivitäten bis zum Business-TV. Die Reichweite der PR-Methoden spannt vom elitären Ball für internationale Gäste aus Wirtschaft, Politik und Kultur bis zur krea-tiven Erschließung neuer Geldquellen für eine Wohlfahrtseinrichtung, von der Mitgestaltung eines Filmdrehbuchs bis zum Entwurf eines Com-puterspiels, das bei jungen Menschen um deren gesellschaftliches und politisches Engagement wirbt.

Medienarbeit ist keine hilfsdisziplin von Marketing oder werbung

Das hier beschriebene Instrumentarium ähnelt in vielerlei Hinsicht den Werkzeugen von Marketing und Werbung: Veranstaltungen und Events jeglicher Art, Fundraising, Product-Placement und Ideenwerbung sind notwendige Hilfsmittel, um jedweden Kommunikationsprozess in Gang zu bringen, am Laufen zu halten oder zu steuern.

In vielen großen Unternehmen hat man jedoch erkannt, dass es ins-besondere für die Medienarbeit schädlich wäre, ihre Ziele den Vorstel-lungen des Marketing oder der Werbung unterzuordnen.

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Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied: Die Medienarbeit be-dient sich der Hilfe einer völlig anderen Berufsgruppe mit einer eige-nen beruflichen Identität, eigenständigen Regeln und Gesetzen, unter-schiedlichen Ausbildungswegen, berufsständischen Vertretungen und politischen Fürsprechern: Medienarbeit braucht die Unterstützung der Journalisten und Publizisten in Presse, Funk, Fernsehen und Online-Redaktionen.

Zwar nutzt auch die Werbung die Medien. Die Werber kaufen schlicht und einfach den Platz, den sie in den Zeitungen und Magazinen brau-chen, um ihre Annoncen zu zeigen; oder die Zeit für einen Werbespot in Radio, Fernsehen oder Kinosaal. Dafür haben sie – in den Grenzen des rechtlich Möglichen – völlige Gestaltungsfreiheit für ihre bunten Anzeigenseiten oder Werbeminuten.

Medienarbeit hingegen muss häufig kritische Journalisten davon über-zeugen, dass eine Information für ihre Leser, Hörer oder Zuschauer in-teressant genug wäre, um sie zu verbreiten. Wer das erreichen will, darf nicht wie ein Werber oder Verkaufsförderer denken und handeln, son-dern muss die Sicht- und Arbeitsweise der Journalisten verinnerlichen.

In der Fläche ist diese Einsicht noch nicht weit verbreitet. Der vernünf-tige Ansatz, Kommunikation aus einem Guss zum planen, heißt in der Praxis oft, dass Marketing- und Werbeleute darüber entscheiden, was die Medien bekommen. Im günstigsten Fall braucht es dann quälende Abstimmungsprozesse, bis ein Pressetext zustande kommt, den die Zei-tungen verwerten können. Leider setzen sich oft die Ideen der Verkaufs-förderer durch. Die Chef-Anordnung an die Pressestelle: „Lassen Sie mal einen hübschen Artikel über unser tolles Produkt schalten!“ ist häufig zu hören und belegt ein tragisches Missverständnis. Denn „schalten“ kann man nur teuer erkauften Werberaum für Anzeigen und Spots.

Die Medienleute staunen anschließend über das Selbstbewusstsein, mit dem der Autor einer Pressemitteilung die Superlative aneinander reiht und sich über alle Regeln des Journalismus hinwegsetzt. Ein Beispiel:

F1 Multilevel von Fortschritt – das Multitalent erobert den Markt

Die Insider haben einmal mehr recht behalten: das neue Komplett-Programm von Fort-schritt, F1 Multilevel, erobert den Markt. Schwungvoll und elegant, funktionell und mit einem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis erweist sich das Multitalent für immer mehr Kunden als die Ideallösung für ihre individuellen Bedürfnisse …

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Auch Veranstaltungen, die Journalisten dazu missbrauchen wollen, die Werbetrommel zu rühren, können jede ernst gemeinte Partnerschaft mit den Medienleuten langfristig ruinieren.

So kam der Hersteller eines Bodenreinigers mit Absatzproblemen auf die tolle Idee, Journalisten einzuladen und ihnen den Reiniger samt Schrubber und Wassereimer in die Hand zu drücken, damit sie sich selbst von den tadellosen Säuberungseigenschaften der Substanz überzeugen konnten.

Media Relations entwickelt sich gegenwärtig zu einer Sonderdisziplin, die nicht einmal mehr von allen PR-Leuten beherrscht wird; dazu ist die Bandbreite der geforderten Fähigkeiten und Fertigkeiten in dieser jungen Disziplin schon zu umfangreich geworden. Ein riesiger, kaum wieder gut zu machender Fehler ist es, Medienarbeit als Nebensache zu betrachten, die von irgendeinem Kommunikationsprofi zusätzlich geleistet werden kann. Das Gegenteil ist richtig.

Das Beziehungsgefüge zwischen Medien und Public Relations ist kompliziert

Bevor sich Public Relations als eigenständiges Berufsbild auszuprägen begann, gab es schon seit gut 250 Jahren Zeitungen – und die konnten lange ohne die Zuarbeit der Pressesprecher und PR-Agenten ihre Seiten füllen. Daraus speist sich bei den Journalisten ein verbreitetes Misstrau-en gegenüber der PR-Branche.

Eine Umfrage aus dem Mai 2006 bestätigte frühere Studien24, dass nach wie vor die meisten Journalisten den Leistungen der PR-Zunft misstrauen. Die Bonner Agentur „ofischer communication“ hatte rund 800 zufällig ausgesuchte Journalisten aus ganz Deutschland befragt. 70 Prozent gaben den Presseinformationen bestenfalls die Note Drei. Wichtige Informationen wie die Kontaktdaten der Ansprechpartner für Rückfragen vermisste rund ein Viertel der Befragten. Fast ein Drittel der Journalisten erwartete vergeblich hochwertiges, druckfähiges Bildmate-rial. Über 60 Prozent der Befragten bewerten die versandten PR-Fotos als „werblich“ – und nicht etwa als Fotos, die journalistischen Maßstäben genügen. Das Fazit: Sitzengeblieben.25

Die Vorbehalte der Journalisten gegenüber den PR-Leuten kommen nicht von ungefähr. Öffentlichkeitsarbeiter handeln mit ihren Informations-angeboten im Interesse ihrer Auftraggeber. Sie sind nicht unabhängig-überparteilich; das ist in einer pluralistisch verfassten Gesellschaft auch völlig legitim. Andererseits ist für Journalisten die Freiheit und Unge-bundenheit der Berichterstattung ein unverrückbares Credo und sogar