Notieren von Musik im Unterricht - didaktische und ... · PDF fileInhalt 1. Einleitung 4 2. Das Notieren von Musik in der musikpädagogischen Diskussion seit den sechziger Jahren 6

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  • Notieren von Musik im Unterricht -didaktische und methodische Aspekte

    (C) 1995-2003 byChristiane Hahn

    Nesselweg 213158 Berlin

  • Inhalt

    1. Einleitung 4

    2. Das Notieren von Musik in der musikpdagogischen Diskussion seit den sechziger Jahren 6

    2.1. Die Notation im Musikunterricht der frhen sechziger Jahre 6Beispiel Nordrhein-Westfalen

    2.2. Anstze zu einer Neubestimmung des Stellenwerts der traditionellen Notenschrift 8Gnther 1965 - Venus 1969

    2.3. Kritik und Verteidigung der traditionellen Notenschrift 11Vogelsnger 1969 - Giebeler 1969

    2.4. Produktions- und Rezeptionsnotation? 15Frisius 1973 - Koch 1973

    2.5. Graphische Notationsformen im Musikunterricht 19Finkel / Wnnenberg 1975 - Khlenthal 1976

    2.6. Zum Verhltnis von graphischer und traditioneller Notation im Musikunterricht 22Koch 1975 - Wiechell 1976 - Fischer 1976 - Groe-Jger 1977

    2.7. Neuere Stellungnahmen zur Notation in der allgemeinbildenden Schule 28Rectanus 1994 /1990 - Gnther 1991 - Kaiser 1995

    3. Allgemeine berlegungen zur Notation 33

    3.1. Notationsformen als Zeichensysteme 33

    3.2. Notation, Klang und Bedeutung 35

    3.3. Pr- und deskriptive Notation 37

    3.4. Notation und musikbezogenes Handeln 38

    3.5. Werk, Notentext und Auffhrung 39

    4. Didaktische Aspekte zum Notieren von Musik im Unterricht aus heutiger Sicht 41

    4.1. Die Bedeutung verschiedener Notationsformen fr Musik und Musikleben der Gegenwart 43

    4.2. Die (zuknftige) Bedeutung verschiedener Notationsformen fr die Schler 44

    4.3. Verschiedene Notationsformen als Mittel zu einem abgestuften Musikverstndnis 46Tonhhendarstellung / Harmonik 46 - Zeitliche Struktur /Rhythmik 48 - Klangfarbe / Artikulation / Dynamik 50 -

    Struktur / Form 51

  • 5. Methodische Aspekte zum Notieren von Musik im Unterricht 56

    5.1. Notationsbezogene Arbeitsformen im Musikunterricht 57A. Erlernen (57) Information - bung - WiederholungB. Lesen (59) Notate untersuchen - Hrvorstellungen entwickeln - Hren mit Noten - Notate zuordnen - Notiertes

    ausfhrenC. Schreiben (60): Schreibbungen - Gehrtes notieren - Komponieren - bersetzenD. Reflektieren (62)

    5.2. Notationsbezogene Medien im Musikunterricht 63Lehrbuch / Arbeitsbogen - Tafel / Overhead-Projektor - Legetafeln / Lernkarten - Keyboard / Klaviertastatur -

    Gedrucktes Material: Studienpartituren und Klavierauszge - Computer

    5.3. Zur Methodik des Erlernens der traditionellen Notation 68Methodenkonzeptionen - Anthropogene Voraussetzungen - Merkstze

    6. Literaturverzeichnis 76

  • 1 Beim Lesen notierter Musik kommt noch etwas hinzu: im Gegensatz zur Sprachschrift gengt es nicht,den Inhalt blo sachlich zu verstehen, sondern das Aufgeschriebene soll in knstlerisch berzeugenderWeise zum Klingen gebracht werden. Diese zu erwartende Eigenleistung mu aber mu bereits beimSchreiben bercksichtigt werden und ist insofern bereits ein Moment des Schreibens.

    1. Einleitung

    Die vorliegende Arbeit ist dem "Notieren von Musik im Unterricht" gewidmet. Eine solche Formulierunglt verschiedene Lesarten zu: zum einen kann es darum gehen, da Musik whrend des Unterrichts (oder,weiter gefat, im Zusammenhang mit dem Unterricht) von Schlern oder vom Lehrer (oder, stellvertre-tend, von anderen Produzenten von Unterrichtsmaterial) notiert wird; zum anderen kann das Notieren vonMusik Gegenstand des Unterrichts sein, indem verschiedene Notationsformen erlernt, angewendet unddiskutiert werden, um so eine Grundlage fr eine weitergehende Auseinandersetzung mit Musik zu schaf-fen. Die zweite Lesart ist umfassender als die erste: da Musik im Unterricht notiert wird, ist nur ein Tei-laspekt einer unterrichtlichen Beschftigung mit dem Notieren von Musik. - In jedem Fall aber steht dieTtigkeit im Vordergrund: es geht um den Vorgang des Aufschreibens von Musik, die als bereits existent -in der Vorstellung oder real - gedacht wird. Ein solcher Blickwinkel, der modern scheint, weil der Klangals das Primre gesehen wird und der Aspekt uerer Aktivitt betont wird, verfhrt jedoch zur Einseitig-keit. Etwas aufzuschreiben hat nur dann Sinn, wenn es jemanden gibt, der das Geschriebene zu lesen ver-steht, und es erscheint fragwrdig, ob man berhaupt schreiben lernen kann, ohne - vorher oder zugleich -auch lesen zu lernen.1 - Umgekehrt geht es: man kann zumindest brauchbar lesen lernen, ohne schreibenzu knnen (wenngleich sich mit dem Lesenknnen wohl meist auch das Schreibenwollen entwickelt). Diesaber - das bloe Lesen vorgegebener Notationen - wre eine einseitige Beschftigung mit dem Schriftbildder Musik, die durch die Formulierung "Notieren von Musik" ausgeschlossen wird. Im folgenden wirdallerdings um der sprachlichen Flssigkeit willen ebensogut von "Notation" oder "Notationsformen imUnterricht" gesprochen.

    Der Stellenwert der Notation im Musikunterricht der allgemeinbildenden Schule ist Gegenstand einer kon-troversen Auseinandersetzung, die seit Ende der sechziger Jahre in der musikpdagogischen Literaturgefhrt wird und keinesfalls beendet scheint. Wenn Peter Koch 1975 die Situation so beschreibt:

    Die Standpunkte innerhalb der Musikerziehung sind heute weit auseinandergezogen: Extremisten wollen auf eine Notationim normalen Klassenunterricht berhaupt verzichten; Progressive suchen eine dem kindlichen oder jugendlichen Hrer(nicht dem Komponisten oder Interpreten!) entsprechende Fixierung in Wort, Zeichen oder Graphik zu erreichen; anderewiederum gehen die alte Notenschrift grozgiger an, indem sie den Tonhhenverlauf, das rhythmische Geschehen, dieKlangfarbe usw. gewissermaen aus der Vogelperspektive betrachten, wohingegen Traditionalisten z.B. Tonikado mit allseiner tonalen Gebundenheit weiterhin bevorzugen, sei es, weil sie es so gelernt haben, sei es aus Mitrauen gegenbernoch Unklarem, Unbewhrtem, sei es aus berzeugung. (8)

    so kann man wohl sagen, da sich in den vergangenen fnfundzwanzig Jahren daran kaum etwas genderthat, auer da der Anteil der "Traditionalisten" gegenber dem der "Progressiven" stark zurckgegangensein drfte. Befragt man nmlich z.B. Musiklehrer an Gymnasien nach ihren Erfahrungen, so wird ber-einstimmend berichtet, da die Notationskenntnisse von Schlern, die von verschiedenen Grundschulenkommen, vllig unterschiedlich sind. Um eine gemeinsame Basis fr den weiteren Unterricht zu schaffen,sei man daher oft gezwungen, in der 7. Klasse noch einmal von vorn anzufangen. Dies langweilt die Sch-ler mit Vorkenntnissen und berfordert oft diejenigen, die zum ersten Mal mit Notation in Berhrungkommen. - Hieraus wird deutlich, da die Frage, in welchem Umfang das Notieren von Musik berhaupt

  • Gegenstand des Musikunterrichts an der Grundschule sein soll, bisher offenbar nicht verbindlich geklrtist, auch wenn sich hier mittlerweile eine Tendenz abzeichnet, die traditionelle Notation ausgehend voneiner graphischen "Vornotation" einzufhren. Es besteht aber keineswegs Einigkeit darber, welcherBeherrschungsgrad hier anzustreben ist und welches Gewicht den verschiedenen Notationsformenzukommt.

    Dabei ist die Frage, ob die Schler im Schulunterricht die Notenschrift erlernen sollen oder ob diese Auf-gabe den Musikschulen oder dem privaten Instrumentalunterricht vorbehalten bleiben soll, keineswegsnur von peripherer Bedeutung. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist hierbei die Glaubwrdigkeit des Schul-faches Musik. Solange Leistungskurse in Musik angeboten werden, in denen ein flssiger Umgang mit derNotenschrift vorausgesetzt wird, mu dieser Umgang in der Schule erlernbar sein. Sicherlich kann eskeinem Schler verwehrt werden, durch tgliches ben eines Instruments den im Schulunterricht abge-steckten Horizont zu erweitern: dies wre auch in anderen Fchern der Fall, wo Schler das Fach zum pri-vaten Hobby machen. Es ist auch nicht vermeidbar, da die privaten Erfahrungen den Unterricht berei-chern und womglich sein Niveau anheben. Es mu aber von den Schlern mit Recht als schikans emp-funden werden, wenn whrend des Pflichtunterrichts bis zur 10. Klasse so getan wird, als sei der Umgangmit graphischen Partituren oder elementaren Notenbildern hinreichend, dann aber im Basis- oder Profil-kurs der 11.Klasse pltzlich eine Beethoven-Sinfonie anhand des Partiturbildes analysiert werden soll. -Diese berlegungen fhren auf die folgende Alternative: entweder der Musikunterricht verzichtet im Gan-zen auf die Notenschrift, dann aber auch im Abitur; oder die Notenschrift wird ernsthaft in der Schulegelehrt, und zwar mglichst frh beginnend, bis hin zu einer Stufe, die den Anforderungen im Abitur ent-spricht.

    Um die Grundlage fr eine fundierte Stellungnahme zu schaffen, werden im dritten Kapitel einige wich-tige Aspekte des Phnomens Notation zunchst unabhngig von pdagogischen Fragestellungen beleuch-tet. Das vierte Kapitel wendet sich der Frage zu, in welchem Mae und mit welchen Schwerpunkten dieVermittlung von Notationskenntnissen im Schulunterricht berhaupt notwendig, sinnvoll und realistischerscheint. Das fnfte Kapitel schlielich soll Hilfen bei der konkreten Unterrichtsplanung bieten: hier wirdzum einen ein Repertoire von notationsbezogenen Arbeitsformen und Medien bereitgestellt und kom-mentiert; zum anderen wird ausfhrlich auf die Methodik der Einfhrung der traditionellen Notenschrifteingegangen.

    Zuvor soll jedoch folgenden Kapitel die Diskussion um die Notation im Musikunterricht vom Ende dersechziger Jahre an nachvollzogen werden, um die Argumente aus heutiger Sicht auf ihre Stichhaltigkeit zuberprfen. Die Betrachtung dieser Debatte zeigt, da eine sachliche Auseinandersetzung oft dadurcherschwert wurde, da die traditionelle Notenschrift, um die besonders erbittert gestritten wurde,anscheinend seit jeher stark emotional besetzt war - sowohl positiv als auch negativ. Zu vermuten ist, daes auch heute noch berall versteckte Ressentiments gibt. Es wre schn, wenn diese Arbeit dazu beitra-gen knnte, d