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Vom Unbehagen zur Sacharbeit Als 1972 der erste Bericht an den Club of Rome über Die Grenzen des Wachstums er- schien, löste das kritische Anfragen an den vorherrschenden Fortschrittsoptimis- mus aus, die weit über die ökonomischen und ökologischen Aspekte des Berichtes hinaus gingen. Nichtdie Fortschreibung bis- heriger Entwicklungslinien, sondern die kritischantizipiertenFolgenvonderenFort- setzung rückten in den Mittelpunkt des In- teresses und gaben damit einem längst vor- handenen Unbehagen zielgerichtete Vor- gaben.AuchdieMedizinwarsehrbalddavon betroffen. Die Folgen ihrer Erfolge wurden zum Thema gemacht. Nicht Maximierung, sondern Optimierung wurde als Herausfor- derung begriffen. Was aber ist das bonum, von dem aus beurteilt werden könnte, was als optimum geltensoll? DamitwarenFragen angesprochen, die auf der Ebene ethischer Argumentation bearbeitet sein wollten. In dieser Lage, Mitte der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts, nahmen die Evan- gelischen Akademien in der Bundesrepu- blik Deutschland, als Agenturen der Ver- mittlung zwischen Expertenwissen und ge- sellschaftlicher Rezeption und immer enga- giert für die Diskursfähigkeit unserer Ge- sellschaft, verstärkt an der öffentlichen Dis- kussion um die ethischen Fragen in Medizin und Gesundheitswesen teil. Die verantwort- lichen Studienleiter – zumeist, aber nicht ausschließlich Theologen – begannen Ab- sprachen untereinander zu treffen. Dabei ging es zunächst um Termine, Themen und Referenten. Es war nicht sinnvoll, die- selbe Sache zweimal hintereinander in Loc- cum oder Tutzing, Bad Boll oder Arnolds- hain zu verhandeln. Aber sehr schnell wur- de klar, dass es mit der Terminabstimmung nicht getan war. Es musste auch inhaltlich gearbeitet werden. So kam es 1977 zur Gründung einer vom Leiterkreis der Evan- gelischen Akademien getragenen „Arbeits- gemeinschaft für medizinische Ethik“. Die- se hat ein erstes Ergebnis ihrer Arbeit 1981 in dem Themenheft Medizinische Ethik der Zeitschrift „Evangelische Theologie“ vor- gelegt [6]. Die Arbeitsgemeinschaft umfass- te 20 ständige Mitglieder, mehrheitlich Theologen, aus den Bereichen Universitäts- theologie, Tagungsarbeit der Akademien und Klinikseelsorge. Von den Medizinern, die dazu gehörten, sind noch heute in der Akademie für Ethik in der Medizin (AEM) aktiv: Klaus Gahl, Braunschweig (damals Hannover); Friedrich Heubel, Marburg; und Hans-Heinrich Raspe, Lübeck (damals ebenfalls Hannover). 1 Unter den Theologen ist Dietrich Ritschl, Mainz (später Heidel- berg), hervorzuheben, weil er internationa- le Erfahrungen mit Unterricht in medizini- scher Ethik aus Houston/Texas und Mel- bourne/Australien mitbrachte. Einen ab- schließenden Ertrag hat die Arbeitsgemein- schaft mit dem Band Ethisches Denken in der Medizin – Ein Lehrbuch [1] vorgelegt. Ethik in der Medizin 4 · 2006 294 20 Jahre Akademie für Ethik in der Medizin Ethik Med 2006 · 18:294–302 DOI 10.1007/s00481-006-0473-3 © Springer Medizin Verlag GmbH 2006 Udo Schlaudraff · Göttingen „Nun gründen wir mal“ Zur Vor- und Frühgeschichte der Akademie für Ethik in der Medizin 1 Ein externer Expertenkreis unterstützte die Arbeit durch gastweise Teilnahmen, darunter der Jurist Erwin Deutsch, Göttingen, der Internist Fritz Hartmann, Hannover; der Medizinsoziologe Johannes Siegrist, Marburg, und Hans Töns vom Bundesverband der Ortskrankenkassen.

„Nun gründen wir mal“

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Vom Unbehagen zur Sacharbeit

Als 1972 der erste Bericht an den Club ofRome über Die Grenzen des Wachstums er-schien, löste das kritische Anfragen anden vorherrschenden Fortschrittsoptimis-mus aus, die weit über die ökonomischenund ökologischen Aspekte des Berichteshinausgingen.NichtdieFortschreibungbis-heriger Entwicklungslinien, sondern diekritischantizipiertenFolgenvonderenFort-setzung rückten in den Mittelpunkt des In-teresses und gaben damit einem längst vor-handenen Unbehagen zielgerichtete Vor-gaben.AuchdieMedizinwarsehrbalddavonbetroffen. Die Folgen ihrer Erfolge wurdenzum Thema gemacht. Nicht Maximierung,sondern Optimierung wurde als Herausfor-derung begriffen. Was aber ist das bonum,von dem aus beurteilt werden könnte, wasalsoptimumgeltensoll? DamitwarenFragenangesprochen, die auf der Ebene ethischerArgumentation bearbeitet sein wollten.

In dieser Lage, Mitte der 70er Jahre desvorigen Jahrhunderts, nahmen die Evan-gelischen Akademien in der Bundesrepu-blik Deutschland, als Agenturen der Ver-mittlung zwischen Expertenwissen und ge-sellschaftlicher Rezeption und immer enga-giert für die Diskursfähigkeit unserer Ge-sellschaft, verstärkt an der öffentlichen Dis-kussion um die ethischen Fragen in Medizinund Gesundheitswesen teil. Die verantwort-lichen Studienleiter – zumeist, aber nichtausschließlich Theologen – begannen Ab-sprachen untereinander zu treffen. Dabeiging es zunächst um Termine, Themen

und Referenten. Es war nicht sinnvoll, die-selbe Sache zweimal hintereinander in Loc-cum oder Tutzing, Bad Boll oder Arnolds-hain zu verhandeln. Aber sehr schnell wur-de klar, dass es mit der Terminabstimmungnicht getan war. Es musste auch inhaltlichgearbeitet werden. So kam es 1977 zurGründung einer vom Leiterkreis der Evan-gelischen Akademien getragenen „Arbeits-gemeinschaft für medizinische Ethik“. Die-se hat ein erstes Ergebnis ihrer Arbeit 1981in dem Themenheft Medizinische Ethik derZeitschrift „Evangelische Theologie“ vor-gelegt [6]. Die Arbeitsgemeinschaft umfass-te 20 ständige Mitglieder, mehrheitlichTheologen, aus den Bereichen Universitäts-theologie, Tagungsarbeit der Akademienund Klinikseelsorge. Von den Medizinern,die dazu gehörten, sind noch heute in derAkademie für Ethik in der Medizin (AEM)aktiv: Klaus Gahl, Braunschweig (damalsHannover); Friedrich Heubel, Marburg;und Hans-Heinrich Raspe, Lübeck (damalsebenfalls Hannover). 1 Unter den Theologenist Dietrich Ritschl, Mainz (später Heidel-berg), hervorzuheben, weil er internationa-le Erfahrungen mit Unterricht in medizini-scher Ethik aus Houston/Texas und Mel-bourne/Australien mitbrachte. Einen ab-schließenden Ertrag hat die Arbeitsgemein-schaft mit dem Band Ethisches Denken inder Medizin – Ein Lehrbuch [1] vorgelegt.

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20 Jahre Akademie für Ethik in der Medizin

Ethik Med 2006 · 18:294–302DOI 10.1007/s00481-006-0473-3© Springer Medizin Verlag GmbH 2006

Udo Schlaudraff · Göttingen

„Nun gründen wir mal“Zur Vor- und Frühgeschichte der Akademiefür Ethik in der Medizin

1 Ein externer Expertenkreis unterstützte die Arbeit durchgastweise Teilnahmen, darunter der Jurist Erwin Deutsch,Göttingen, der Internist Fritz Hartmann, Hannover; derMedizinsoziologe Johannes Siegrist, Marburg, und HansTöns vom Bundesverband der Ortskrankenkassen.

Mit Gründung der Akademie für Ethik inder Medizin löste sich diese Arbeitsgemein-schaft auf. Sie bildete einen der Stränge, diezur Vorgeschichte der AEM gehören. Es gabweitere innerhalb von Medizin, Ärzteschaftund Recht, die schließlich zur Gründung derAEM geführt haben. Davon wird im Folgen-den die Rede sein.

Die Initiative zur Institutionalisierung

Die Evangelische Akademie Loccum ludim Herbst 1985 zu einer öffentlichen Ta-gung ein, die unter dem Titel MedizinischeEthik – wie funktioniert denn das? vom 13.bis 15. Dezember 1985 stattfand. Im Aus-schreibungstext hieß es: „Die Frage „Ver-ludert die medizinische Ethik?“ – Anfangdes Jahres von einer führenden deutschenWochenzeitung pointiert gestellt – zeigtan, dass auch in der BundesrepublikDeutschland ein erheblicher Legitimati-onsbedarf im Medizinsystem entstandenist. Angesichts imposanter Grenzerweite-rungen des medizinischen Fortschritts er-weisen sich bisherige Selbstverständlich-keiten nicht mehr als konsensfähig. DerFaszination durch neue Möglichkeitensteht ein tiefsitzendes Unbehagen gegenü-ber, das sich als Verunsicherung bis in denärztlichen Alltag hinein bemerkbar macht.Forschung, Lehre und Patientenversor-gung werden nicht mehr als von einem ge-meinsamen Ethos getragen verstanden.Die Haltung wertneutraler Liberalität hatgenauso an Glaubwürdigkeit verloren wiedie Positionen normativer Ethik. Auch einForum für den notwendigen Diskurs –z. B. in Gestalt einer Zeitschrift für medizi-nische Ethik – gibt es im deutschsprachi-gen Raum nicht. Und welchen Beitrag dieallenthalben entstandenen Ethikkommis-sionen für eine neue medizinethische Kul-tur leisten können, ist noch offen. Als vor-rangig wichtig erscheint derzeit die Ver-ständigung über geregelte Verfahren dermedizinethischen Diskussion.“ 2

Diese Tagung wurde dokumentiert undmit einem Vorwort von Eduard Seidler un-ter dem Titel Ethik in der Medizin als Buchim Springer-Verlag herausgegeben [8]. Sieist zum Ausgangspunkt für weitere medi-zinethische Aktivitäten in Deutschland ge-worden.

Ein kleiner Kreis von Engagierten, so-wohl Referenten wie Teilnehmer der Ta-gung,verabredetensich,anderInstitutiona-lisierung von Ethik in der Medizin weiter zuarbeiten, ein Publikationsorgan für denmedizinethischen Diskurs in deutscherSprache zu schaffen und zu diesem Zweckeine Vereinigung zu gründen, die Träger ei-ner entsprechenden Zeitschrift sein sollte.Es war insbesondere der seinerzeit beimSpringer-Verlag tätige Toni Graf-Baumann,der auf Grund seiner Erfahrungen mit denPublikationen der bereits 1982 initiiertenDeutschen Gesellschaft für Medizinrechtimmer wieder darauf hinwies, dass eine ver-lässliche Gruppierung bestehen müsse, be-vor man eine Zeitschrift in Angriff nehmenkönne.

Von den 18 Erstunterzeichnern des Grün-dungsbeschlusses, der am 5. Dez. 1986 inGöttingen erfolgte, waren acht PersonenTeilnehmer der Loccumer Tagung vom De-zember 1985. Es gelang, diesen KreisumeineReihe von Persönlichkeiten zu erweitern,die in der Bundesrepublik Deutschland alsengagierte Verfechter für mehr Ethik inder Medizin bekannt waren. Dazu gehörtenvor allem Eduard Seidler aus Freiburg, wo esam Institut für Geschichte der Medizinebenfalls seit 1977 einen interdisziplinärenArbeitskreis „Medizinische Ethik“gab 3, so-

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2 Der Beitrag „Verludert die medizinische Ethik?“ erschienin der Wochenzeitschrift DIE ZEIT [4].

3 Zusätzlich wurde im September 1977 bei der Bezirks-stelle Nord-Württemberg der Ärztekammer der Arbeitsaus-schuss „Medizinische Ethik“ gebildet. Damit begann diefinanzielle Förderung einer medizinethischen Spezialbiblio-thek am Institut für Geschichte der Medizin in Freiburgdurch die Kammer. 1979 bewilligte die Deutsche For-schungsgemeinschaft eine Sachbeihilfe zum Aufbau einesForschungsschwerpunktes „Medizinische Ethik in der Aus-,Fort- und Weiterbildung der Heilberufe“ am Institut fürGeschichte der Medizin in Freiburg. 1983 wurde der Ar-beitsausschuss „Medizinische Ethik“ bei der Bezirksärzte-kammer zur Ethikkommission der LandesärztekammerBaden-Württemberg.

wie Herbert Viefhuesund Hans-Martin Sassaus Bochum 4.

Aber auch Ulrich Tröhler und BettinaSchöne-Seifert aus Göttingen stießen dazu.Jedenfalls konnte am 5. und 6. Juni 1986 einnicht-öffentlicher Workshop mit 21 Per-sonen in Loccum stattfinden, darunterauch der Herausgeber der Zeitschrift Arztund Christ, Wolfgang Müller-Hartburg,Wien. Eingeladen hatte ich unter dem TitelArbeitsgespräch: Ethik in der Medizin. Zielwar es nicht, den verschiedenen Ansätzenzur Förderung des ethischen Diskurses inder Medizin einen weiteren hinzuzufügen,sondern bestehende Initiativen zu bündelnund eine Organisationsform zu finden, inder die gemeinsamen Anliegen voran-gebracht und öffentlich vertreten werdenkonnten. Das Treffen wurde ermöglicht ausMitteln des Freundeskreises der Evangeli-schen Akademie Loccum, die den Versuchder Institutionalisierung des ethischenDiskurses in Medizin und Gesundheits-wesen nicht nur ideell, sondern auch fi-nanziell unterstützte. Bei diesem Work-shop kam es zur Verabredung über eineArbeitsgruppe, die einen Satzungsentwurfzur Gründung einer Institution für Ethikin der Medizin vorlegen sollte. Diese trafsich am 27. Juli 1986 in den Räumen desInstituts für Medizingeschichte in Frei-burg. 5 Sie formulierte die Tischvorlage füreine Gründungsversammlung und zwar zuden Punkten: 1.) Art und Bezeichnung derzu gründenden Institution; 2.) Aufgabe,Struktur und Ausstattung der neuen Insti-tution; 3.) Gründung einer Zeitschrift.

Im Protokoll dieser Sitzung ist nach-zulesen, welche Argumente für und gegendie Bezeichnung Akademie für Ethik in der

Medizin 6 erwogen worden sind. Aber dieVorlage schließt mit der eindeutigen Emp-fehlung, die zu gründende Institution sozu nennen. Auch im Hinblick auf ein Pu-blikationsorgan wurden verschiedene Mo-delle mit ihren Vor- und Nachteilen dis-kutiert: Jahrbuch, Monatsheft, Info-Blattals Beilage zu einer etablierten Zeitschrift(nach dem Vorbild der seit 1981 im Ärzte-blatt Baden-Württemberg erscheinendenBeilage „Medizinische Ethik“, die von Edu-ard Seidler und Gisela Bockenheimer-Lu-cius redigiert wurde). Die Vor- und Nach-

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4 In Bochum hatte sich ein interdisziplinärer Kreis vonProfessoren der Ruhr-Universität gebildet, der dieGründung eines Instituts für Medizinische Ethik anstrebte.Die Gründung erfolgte am 11. Juni 1986 als „Zentrum fürMedizinische Ethik“ [2].

5 Teilgenommen haben Illhardt (Freiburg), Piechowiak(Regensburg), Raspe (Hannover), Schlaudraff (Göttingen),Schöne-Seifert (Göttingen), Seidler (Freiburg) und Wuer-meling (Erlangen).

6 Um der historischen Genauigkeit willen ist eine Bemer-kung zu der Sprachregelung Ethik in der Medizinnötig. Die Diskussionen der siebziger und frühen acht-ziger Jahre hatten deutlich werden lassen, dass „medizi-nische Ethik“ beharrlich als „ärztliche Ethik“ missverstan-den wurde. Aus diesem Grunde hatte sich die DeutscheGesellschaft für Medizinrecht schon 1982 gegen den Ter-minus Arztrecht zur Selbstbezeichnung entschieden,sondern den Ausdruck Medizinrecht vorgezogen. Auchbei dem Wort Medizinethik – so wurde empfunden –kamen strukturelle Probleme des Medizinsystems undAspekte der Pflegeethik zu wenig in den Blick. Bio-Ethikwurde als US-amerikanischer Import verstanden, der mitVorgaben belastet war, die nicht überall geteilt wurden.Warum schließlich Ethik in der Medizin gebräuchlichgeworden ist, kann heute nicht mehr ausgemacht wer-den. Vielleicht kann man sagen, das habe „in der Luft“gelegen. Tatsache ist, dass der Ausdruck zuerst in der me-dizinethischen Literatur der DDR verwendet wurde. 1982schrieb Ernst Luther, Halle/Saale, in der Deutschen Zeit-schrift für Philosophie einen Beitrag mit dem Titel ZurEthik in der Medizin. 1983 gab er den SammelbandBeiträge zur Ethik in der Medizin heraus. 1986 er-schien im Verlag Volk und Gesundheit ein Kongress- undTagungsbericht der Martin-Luther-Universität Halle-Witten-berg mit dem Titel Ethik in der Medizin, herausgege-ben von Ernst Luther zusammen mit Günter Baust undUwe Körner (vgl. [9], S. 105–115). In einer Anmerkungzur schriftlichen Fassung seines Beitrages MedizinischeEthik im Alltag der Hochschule auf der Loccumer Ta-gung von 1985 weist Richard Toellner [10, S. 17–26] zwarauf die letztgenannte Veröffentlichung hin, aber diesekonnte während der Tagung ein Jahr zuvor noch keineRolle spielen. Sieht man den Protokollband dieser Tagungnoch einmal durch, wird man sagen müssen: Den ent-scheidenden Anstoß hat wahrscheinlich Hermann Pohl-meier gegeben, der inzwischen verstorbene Inhaber desLehrstuhls für Medizinpsychologie in Göttingen. Als beider Schlussdiskussion der Moderator um Stellungnahmenzu dem Vorschlag bittet, eine deutschsprachige Zeitschriftfür medizinethische Fragen zu gründen, meldet er sich alserster zu Wort und sagt: „Ich halte die Idee für gut. Nachdem Lernprozess dieser Tage würde ich jetzt sagen, ,Ethikin der Medizin‘ wäre ein geeigneter Titel“ ([7, S. 141]. DieAEM ist ihm darin gefolgt.

teile einer Zusammenarbeit mit der Zeit-schrift Arzt und Christ sind ausführlicherörtert worden. Schließlich erschien eineVierteljahresschrift als die beste Lösung,ohne dass es schon zu einer ausdrückli-chen Empfehlung gekommen wäre.

Dezidiert beschlossen wurde, Geld nurbei Wissenschaftseinrichtungen, Stiftun-gen oder staatlichen Stellen einzuwerben,nicht aber z. B. bei der Pharma-Industrie.Die Unabhängigkeit der neuen Institutionsollte auf keine Weise in Zweifel gezogenwerden können. Es wurde festgehalten: „DieMitglieder der Akademie sollen die laufendemedizin-ethische Forschung und die Ele-mente der praktischen Situation kennen,verfolgen und insoweit repräsentieren. DieAkademie muss jedoch offen sein für ad hoczu berufende Sachverständige sowie für Ver-treter aller Heilberufe, auch nicht akade-mischer Art.“ Der elitäre Hauch von „kleinaber fein“ findet sich auch in der Vorstel-lung, „dass hier gezielt kooptierte Mitglieder(ca. 30-50 Personen) zusammensitzen, dieüber theoretische und praktische Problemeder medizinischen Ethik nachzudenkenbereit und fähig sind“. Gleichwohl ist zu-kunftsweisend und zugleich praxisnah for-muliert worden: „Die Akademie soll wissen-schaftlich und organisatorisch frei arbeitenkönnen und keinem Auftraggeber verpflich-tet sein. Bereits bestehende Literaturbe-stände verschiedener Institute sollen aufelektronische Datenträger aufgenommenund in den Bestand der späteren zentralenDokumentation der Akademie eingegliedertwerden. Räumlich wird die Akademie vor-läufig an ein bereits bestehendes Institutoder eine Klinik mit entsprechender Infra-struktur angegliedert werden müssen. Fern-ziel muss jedoch ein eigener Sitz in geogra-phisch günstiger Lage sein.“

Die Aufgabe, die Empfehlungen dieserArbeitsgruppe in einen Satzungsentwurfnach deutschem Vereinsrecht umzusetzen,übernahm der Rechtsmediziner Hans-Bernhard Wuermeling aus Erlangen. SeinEntwurf wurde diskutiert, ergänzt, aber imKern übernommen und von den Grün-dungsmitgliedern am 5. Dez. 1986 in Göt-

tingen unterschrieben. 7 Dem ersten ge-wählten Vorstand gehörten an:

� Erster Vorsitzender (Präsident): Pro-fessor Dr. Hans-Bernhard Wuerme-ling, Erlangen

� Zweiter Vorsitzender (Vizepräsident):Professor Dr. Eduard Seidler, Freiburg

� Schriftführer: Dr. Helmut Piechowiak,Regensburg

� Schatzmeister: Professor Dr. HerbertViefhues, Bochum

� Beisitzer: Professor Dr. ChristophFuchs, Mainz; Pastor Udo Schlaudraff,Göttingen; Professor Dr. Hans-KonratWellmer, Bielefeld.

Im Anschluss an die Wahl wurde eine ver-trauliche Liste mit Namen von Personenerstellt, die auf eine Mitgliedschaft in derAEM hin angesprochen werden sollten.Noch in Göttingen, am 6. Dez. 1986, wur-den als neue Mitglieder berufen BrigitteHeerklotz vom Dezernat Wissenschaftund Forschung der Bundesärztekammer,Köln, und Wolfgang Wagner, Medizini-scher Direktor bei der Duphar-Pharma,Hannover, der schon Referent bei der vor-angegangenen Loccumer Tagung gewesenwar. Zur Berufung vorgeschlagen und aufder ersten Mitgliederversammlung am 10.März 1987 in Mainz aufgenommen wurdenIngeborg Retzlaff, Lübeck, Präsidentin derÄrztekammer Schleswig-Holstein, Hans-Martin Sass, Bochum/Washington und –für die AEM schon bald von entscheiden-der Wichtigkeit – der Göttinger JuristHans-Ludwig Schreiber, seinerzeit Staats-sekretär im Niedersächsischen Ministeri-um für Wissenschaft und Kunst in Hanno-ver. In einem ersten, noch hektographier-

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7 Kurz zuvor waren die Beratungen an einen kritischenPunkt gekommen. Es schien, als müsse der Gründungs-beschluss noch einmal verschoben werden, weil einigeVoten weiteren Klärungsbedarf angemeldet hatten. In die-ser Lage war ein Einwurf von Eduard Seidler hilfreich.Er sagte mit Ungeduld in der Stimme, aber doch ganzhumorvoll: „Nun gründen wir mal. Das andere findet sichspäter.“ Dieser „Schmetterlingsflügelschlag“ ist Grund fürden Titel dieses Beitrages.

ten Blatt zur Selbstvorstellung der Aka-demie (im Anschluss an diese MainzerVersammlung) werden die genannten fünfPersonen mit zu den Gründungsmitglie-dern gezählt.

Dem Papier war eine Presserklärungbeigefügt, in der es heißt: „In der Bundes-republik fehlt es ... bisher an einer wissen-schaftlichen Zuständigkeit, [für die Medi-zinethik] wie sie in vielen Ländern in Ge-stalt von eigenen Instituten gegeben ist,z. B. dem Hastings Center im Staat NewYork, dem Kennedy-Institute in Washing-ton D.C., oder dem Institute of Medical Et-hics in London. In der Schweiz ist dieSchweizerische Akademie der medizini-schen Wissenschaften zuständig.“

Hier wird der zweite Strang deutlich,der zur Vorgeschichte der Gründung derAEM gehört. Trotz mancher Unterschiedeund verschiedener Interessen waren sichalle Beteiligten darin einig, dass inDeutschland eine Struktur gefunden wer-den müsse, die es ermögliche, zum inter-nationalen Diskurs aufzuschließen. Dabeibestand von Anfang Einmütigkeit darüber,dass es nicht primär um eine deutsche,sondern um eine deutschsprachige Institu-tion gehen sollte.

Von der Gründung zur Etablierung

Auf der, von der Volkswagenstiftung fi-nanziell unterstützten, Gründungsver-sammlung im Dezember 1986 hat es zweiWeichenstellungen gegeben, die für dieAEM wichtig geworden sind.

1. Auf Grund entsprechender Vorverhand-lungen legte Toni Graf-Baumann einvonseiten des Springer-Verlages bereitsdurchgerechnetes Angebot für eine„Zeitschrift für Ethik in der Medizin“(ZEM) vor. Gisela Bockenheimer-Luci-us, Oberursel, Richard Toellner, Müns-ter, und Hans Jahrmärker, München,boten ihre Mitarbeit an. Eine Namens-liste für Schriftleitung und Beirat wurdeerstellt.

2. Der Inhaber des Göttinger Lehrstuhlsfür Geschichte der Medizin, UlrichTröhler, bot an, Räume seines Institutsfür die Einrichtung einer Geschäftsstel-le zu nutzen. Das Protokoll vermerktaber ausdrücklich: „Auch Mainz wurdeals möglicher Ort diskutiert.“ Entschei-dungsreif war noch nichts. Sitz derAkademie als Verein wurde Erlangen,Wohnort des ersten Präsidenten. 8

Die erste Mitgliedersammlung fand, wieschon erwähnt, am 10. März 1987 in Mainzstatt, und zwar durch Vermittlung vonChristoph Fuchs, damals Ministerialdiri-gent im Ministerium für Umwelt und Ge-sundheit Rheinland-Pfalz, in den Räumender Landeszentrale für Gesundheitserzie-hung. 9 Bei dieser Mitgliederversammlunglagen von 40 Personen, die auf eine Mit-gliedschaft in der AEM hin angesprochenworden waren, 29 Zusagen und vier Absa-gen vor. Im Oktober 1987 wies die Mit-gliederliste der AEM 48 Namen aus.

Die nächste Mitgliederversammlungfand am 11./12. Dezember 1987 in Heidel-berg statt. Tagungsort war das Internatio-nale Wissenschaftsforum der Universität.Auch bei diesem Treffen nahmen organisa-torische Probleme und Fragen des wei-teren Aufbaus und der Zukunftssicherungder Akademie einen großen Raum ein.Trotzdem kam es zu konkreten Verabre-dungen über die inhaltliche Arbeit an fol-genden vier Themenschwerpunkten:

� AG Ethik in der medizinischen Ausbil-dung (Koordination: Fuchs/Seidler)

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8 Eintragung in das Vereinsregister beim Amtsgericht Er-langen am 15. 04. 1987. Die vorläufige Bescheinigungdes Finanzamtes Erlangen wegen Förderung der Wissen-schaft als steuerbefreite Körperschaft wurde bereits am21. Jan. 1987 erteilt.

9 Vorherige Vorstandssitzungen fanden am 24. Febr. 1987und am 11. Juli 1987 jeweils in Frankfurt/M. im HotelNational statt. Die Vorstandssitzung vom 14. Sept. 1987in Mainz, wieder in der Landeszentrale für Gesundheits-erziehung.

� AG Verteilungsprobleme des medizini-schen Fortschritts (Koordination:Fuchs)

� AG Schutz des Embryo – IVF und ETund deren Konsequenzen (Koordinati-on: Schlaudraff)

� AG Genomanalyse und Autoevolution(Koordination: Schroeder-Kurth). 10

In Heidelberg wurde auch die Namenslistefür Schriftleitung, Redaktion und Beiratder zu gründenden Zeitschrift im Wesent-lichen abgeschlossen. Als Erscheinungs-termin für die erste Nummer wurde Janu-ar 1989 vorgesehen, was dann auch einge-halten werden konnte.

Satzungsgemäß stand bei dieser Mit-gliederversammlung die Wahl des Vorstan-des auf der Tagesordnung. Der amtierendeVorstand legte einen gegenüber der bishe-rigen Zusammensetzung geändertenWahlaufsatz vor. Im Laufe des Jahres hattesich abgezeichnet, dass nicht Mainz, son-dern wahrscheinlich Göttingen der anvi-sierte Sitz „in geographisch günstiger La-ge“ werden könnte. 11 In jedem Fall wurdedas Institut für Rechtsmedizin in Erlangenlängerfristig nicht als geeigneter Sitz fürdie Etablierung der AEM angesehen. Daherder Vorstandsvorschlag. Gewählt wurden:Professor Dr. E. Seidler, Freiburg, (Prä-sident) Professor Dr. H.-K. Wellmer, Bie-lefeld, (Vizepräsident), Professor Dr. H.

Viefhues, Bochum, (Schatzmeister) Profes-sor Dr. U. Tröhler, Göttingen, (Schrift-führer) sowie Professor Dr. C. Fuchs,Mainz; Pastor U. Schlaudraff, Göttingen,und Dr. jur. W. Eberbach, Bonn, als Beisit-zer.

Während dieser Heidelberger Mitglie-derversammlung konnte Henning Al-brecht, Gründungsmitglied und damalsbeim Stifterverband für die Deutsche Wis-senschaft tätig, eine Förderung durch denStifterverband in Aussicht stellen. Am 25.Jan. 1988 ging ein von Eduard Seidler for-mulierter „Antrag auf Förderung der wis-senschaftlichen Aktivität der Akademiefür Ethik in der Medizin“ an den Stifter-verband heraus. Die beantragte Summewurde mit „ca. DM 30–35000 pro Jahr“ aufdrei Jahre beziffert. Selbstverständlich wardieser Antrag durch eine Reihe von flan-kierenden Maßnahmen vorbereitet wor-den. Trotzdem war es nicht selbstverständ-lich, dass bereits drei Wochen später, zurVorstandssitzung der AEM am 12. Febr.1988 in Frankfurt/M, eine zusagende Ant-wort vorlag. Ohne das Engagement ande-rer Beteiligter zu schmälern, wird man sa-gen können, dass diese Zusage dem gutenEinvernehmen zwischen dem Präsidentender AEM, Seidler, und dem Generalsekre-tär des Stifterverbandes, Dr. Horst Nie-meyer, zu verdanken war 12. Bewilligt wur-de eine Gesamtsumme vom DM 100 000,–„für die Startphase der Akademie“, abzu-rufen zu „jährlich etwa gleichen Teilen“,ausschließlich durch den Präsidenten Seid-ler in seiner Funktion als „wissenschaftli-cher Koordinator“ der im Antrag genann-ten Projekte. Dazu musste ein „Sonderkon-to Stifterverband“ durch den Schatzmeis-ter errichtet werden. Zu diesem Zeitpunkthatte das Spenden-Konto der AEM einenStand von DM 1792,00.

Diese Startphasenfinanzierung auf dreiJahre versetzte die AEM in die Lage, län-gerfristiger zu planen und als wichtig er-

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10 Hier beginnt eine Sprachregelung, die sich innerhalbder AEM durchgesetzt hat. Die Arbeitsgruppen haben kei-nen Vorsitzenden, sondern „nur“ einen Koordinator odereine Koordinatorin.

11 Mit Unterstützung des Präsidenten der Mainzer Aka-demie der Wissenschaften und der Literatur, Professor Dr.Dr. Gerhard Thews, und des Generalsekretärs, Dr. jur.Günter Brenner, konnte die AEM in den Räumen derMainzer Akademie Vorstandssitzungen, Arbeitsgruppen-treffen, eine Mitgliederversammlung und ein öffentlichesSymposium durchführen. (Möglichkeiten und Grenzen derForschung an Embryonen, 16.–18. Nov. 1989; s. auch:www.euroethics.de/html_3.htm). Abgesehen von der akti-ven Mitarbeit der beiden Genannten haben allein schondie Adresse und das Renommee dieser Akademie derAEM in ihrer Aufbauphase geholfen, öffentlich wahr-genommen zu werden. Die Würdigung dieser Anfangs-unterstützung gehört mit zu einem Rückblick auf die ers-ten Jahre der AEM.

12 Dr. Horst Niemeyer ist am 26. Mai 2005 im Alter von76 Jahren verstorben. Die Akademie verdankt ihm die fürihre Aufbauphase entscheidende Unterstützung.

achteten Partnern verlässliche Angebotezu machen. Die AG „Ethik in der medizini-schen Ausbildung“ erstellte ein siebenseiti-ges Thesenpapier, das der Kultusminister-konferenz und dem Medizinischen Fakul-tätentag mit Unterschrift des Präsidentenund des Vizepräsidenten am 24. Mai 1988zugeschickt wurde. Eine Folge davon waru. a. eine Einladung an Präsident Seidler zueinem Gespräch im Bundesministeriumfür Jugend, Familie, Frauen und Gesund-heit in Bonn am 31. Aug. 1988. Es ging umdie Verankerung von Ethikunterrichtungin der Ausbildungsordnung für Ärzte. Dashat sich in den späteren Änderungen derApprobationsordnung niederschlagen. 13

Damit kam der dritte Motivationsstrangzum Zuge, der bei den Gründungsmitglie-dern eine wesentliche Rolle gespielt hat.Innerhalb der AEM fand dieses Engage-ment seine Fortsetzung in der Veranstal-tungsreihe „Teachers’ Training Course“,die von 1990 bis 1994 durchgeführt wurde.Eine zusammenfassende Darstellung wur-de 1995 von Winfried Kahlke und StellaReiter-Theil publiziert [5].

Am 12. Febr. 1988 fand in Frankfurt/Meine Vorstandssitzung statt, bei der ich Er-wägungen vortrug, die zwischen Staats-

sekretär Hans-Ludwig Schreiber und mirmündlich besprochen worden waren. Esging dabei darum, aus dem VW-Vorab,über das die Niedersächsische Landes-regierung als Anteilseigner der Volks-wagen AG entscheiden kann, eine An-schubfinanzierung für die Zeit nach derFörderung durch den Stifterverband zu er-reichen. Auf der folgenden Vorstandssit-zung am 1. Juli 1988 konnte ich von einemGespräch berichten, das ich im Auftragedes Vorstandes am 25. Mai 1988 im Nieder-sächsischen Ministerium für Wissenschaftund Kunst geführt hatte. An dem Gesprächnahm außer Staatssekretär Schreiber derMinisterialdirigent Dr. Christian Hodler 14

teil. Das Ergebnis war: die AEM wird er-mutigt, den Antrag auf eine einmalige, inkeinem Falle verlängerbare Anschubfinan-zierung zu stellen, und zwar auf fünf Jahre(1990 bis 1994) über eine Summe von ins-gesamt DM 600 000,–, berechnet auf derGrundlage von DM 95 000,- für Personal-kosten (1 Stelle BAT IIa/Ib für die Ge-schäftsführung plus ½ Stelle BAT VII oderVIII für eine Bürokraft) und DM 15 000,-für Sachmittel, einschließlich Reisekostenund Telefon. Räume sollen durch die Uni-versität Göttingen kostenlos zur Verfügunggestellt werden. Der Antrag kann durchden Minister bewilligt werden, muss aberdurch Kabinettsbeschluss bestätigt wer-den. (Ein Anlass für spätere Zitterpartien.)

Voraussetzung der Bewilligung war,dass die durch Satzung der Volkswagen-Stiftung vorgegebenen Belange des LandesNiedersachsen gewährleistet sein müssen,d. h. dass die Akademie ihren Sitz im LandNiedersachsen haben müsse und dassjeweils mindestens ein niedersächsischerHochschullehrer Mitglied im Vorstandsein solle. Vorgesehen war die Anglie-

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20 Jahre Akademie für Ethik in der Medizin

13 Schon auf der Loccumer Tagung vom Dezember 1985hatte Christoph Fuchs über „Erziehung zur Ethikfähigkeit.Verantwortung für die medizinische Ausbildung“ referiert[3, S. 27–33]. Er war es auch, der als Vertreter des Bun-deslandes Rheinland-Pfalz bei der Sitzung der Arbeits-gemeinschaft der Leitenden Ministerialbeamten der Län-der am 7./8. Oktober 1986 in Stuttgart den Tagungsord-nungspunkt „Stärkere Berücksichtigung der medizinischenEthik in der Ausbildung der Heil- und Heilhilfsberufe“ vor-trug. Diese Initiative wurde von der 55. Konferenz der fürdas Gesundheitswesen zuständigen Minister und Sena-toren der Länder (GMK) am 20./21. November 1986 inBerlin aufgenommen. Sie verabschiedete eine Entschlie-ßung, in der es hieß: „Die GMK appelliert . . . an den Me-dizinischen Fakultätentag und zugleich an jede medizi-nische Hochschule oder Fakultät sowie an die Ärztekam-mern, darauf hinzuwirken, dass Fragen der Ethik in derMedizin stärker Eingang und Berücksichtigung im gesam-ten Unterrichtsangebot sowie in der Fort- und Weiterbil-dung finden. Die Träger der Ausbildung für andere Berufedes Gesundheitswesens sind in gleicher Weise aufgefor-dert, im Unterricht sowie bei der Weiter- und Fortbildungvon Lehrkräften für diese Berufe medizinethische Fra-gestellungen verstärkt zu berücksichtigen.“.

14 Christian Hodler gehört zu den Personen, ohne derenEngagement und entschlossene Unterstützung die AEMihre finanzielle Absicherung in dieser Phase und bei spä-teren Schwierigkeiten nicht hätte erreichen können. Beiseinem Eintritt in den Ruhestand 1996 haben ihm zweiVorstandsmitglieder einen Abschiedsbesuch in Hannovergemacht und den Dank der AEM übermittelt.

derung an das Institut für Geschichte derMedizin in Göttingen.

Für die Erfüllung dieser Bedingungenwar eine Satzungsänderung erforderlich.Der Vorstand beschloss, die sich bietendeMöglichkeit zu ergreifen. Im Einladungs-schreiben zur Mitgliederversammlung am10. Dez. 1988 in Heidelberg heißt es zuTOP 6:

„Die Akademie wurde zunächst als steu-erbegünstigter Verein am Sitz des ersten ge-wählten Präsidenten beim Amtsgericht inErlangen eingetragen. Die Aufbauphasewurde vom Stifterverband für die DeutscheWissenschaft finanziert. Inzwischen hat dieNiedersächsische Landesregierung für dieJahre 1990–1994 Mittel zum Zwecke der Er-richtung einer Geschäftsstelle bereitgestellt,mit der Maßgabe, diese mit einer medizini-schen Einrichtung in der Georg-August-Universität Göttingen zu verbinden. DerVorstand hat dieses Angebot in seiner Sit-zung am 7. 10. 1988 im Prinzip akzeptiertund wird daher die Mitglieder zu den fol-genden Satzungsänderungen bitten:

� § 1 (Änderung)Der Verein hat seinen Sitz in Göttin-gen.

� § 6 Abs. 2 (Ergänzung)Ein Mitglied der Vorstandschaft sollHochschullehrer an einer Niedersächsi-schen Hochschule sein.“

Die Zustimmung der Mitgliederversamm-lung voraussetzend wurde der Antrag andas Niedersächsische Wissenschaftsminis-terium am 24. 10. 1988 gestellt. Die erfor-derliche Satzungsänderung wurde von derMitgliederversammlung am 10. Dez. 1988beschlossen. Am 10. März 1989 fand inHannover ein Gespräch des Präsidentender AEM (jetzt: Wellmer) und desSchriftführers (jetzt: Tröhler) mit Ministe-rialdirigent Hodler zu Detailfragen derUmsetzung des Antrages statt. Schon am15. März 1989 erging der Bescheid des Mi-nisteriums. Die Fördersumme war inzwi-schen auf DM 717 800,– berechnet worden.Allerdings erging der Bescheid unter der

Voraussetzung, dass die Anschlussfinan-zierung nach Ablauf der fünf Jahre gesi-chert sei und dass das Kuratorium derVolkswagen-Stiftung seine Zustimmunggebe. Nun bewährte sich noch einmal diegute Zusammenarbeit mit dem Stifterver-band für die deutsche Wissenschaft. Erstellte eine Zusage für die Anschlussfinan-zierung nach fünf Jahren in Aussicht. Eswurde für möglich gehalten, bis dahinGelder für eine Stiftung einzuwerben, ausderen Erträgen die AEM weiter finanziertwerden könnte. Diese Annahme erwiessich später als trügerisch. Aus Hannoveraber wurde „Grünes Licht“ gegeben undim Juni 1989 konnten die Anzeigen zur Be-setzung einer halben Sekretärinnenstelleim Göttinger Tageblatt und in der ZEITvom 13. o6. 1989 die Ausschreibung derStelle eines „Geschäftsführers als akademi-scher Mitarbeiter“[!] „zum Wintersemes-ter 1989/90 oder nach Vereinbarung“ er-scheinen. Die Mitgliederliste verzeichnetezu dieser Zeit 69 Namen. Am 10. Juli 1989erfolgte die Eintragung des Vereins mit ge-änderter Satzung in das Vereinsregisterbeim Amtsgericht Göttingen.

Am 15. Nov. 1989 konnte Frau IrmgardBorcherding ihre Arbeit als erste Sekretä-rin der AEM im Institut für Geschichte derMedizin in Göttingen beginnen. Auf dieAusschreibung der Stelle des Geschäfts-führers gingen 22 Bewerbungen ein. Dreidavon kamen in die engere Wahl. Der Vor-stand entschied sich für Frau Dr. Dipl.Psych. Stella Reiter-Theil. Am 16. Nov. 1989nahm sie als designierte Geschäftsführerinan der Vorstandssitzung teil, die in denRäumen der Mainzer Akademie der Wis-senschaften und Literatur stattfand. Im Ja-nuar 1990 begann die Arbeit der Ge-schäftsstelle in Göttingen, Humboldtalle11. Die Aufbauphase der AEM war damitabgeschlossen. Die Institutionalisierungvon Ethik in der Medizin hatte eine Formgefunden – finanziell abgesichert aller-dings nur für fünf Jahre.

Ethik in der Medizin 4 · 2006 301

AnschriftUdo Schlaudraff, Pastor i. R.

Romstr. 5237079 Göttingen

Literatur

1. Amelung E (Hrsg) (1992) Ethisches Denken in der Medizin,Springer, Berlin Heidelberg New York

2. Brenscheidt J, May AT, May B, Kohnen T, Roovers A, Sass H-M(Hrsg) (2006) Zentrum für Medizinische Ethik, Bochum1986–2006. Medizinethische Materialien, Heft 170

3. Fuchs C (1987) Erziehung zur Ethikfähigkeit. Verantwortungfür die medizinische Ausbildung In: Schlaudraff U (Hrsg) Ethikin der Medizin. Springer, Berlin Heidelberg New York, S27–33

4. Haaf G (1985) Mediziner ohne Herz – Verludert die Medizi-nische Ethik? DIE ZEIT, 15. 03. 1985

5. Kahlke W, Reiter-Theil S (Hrsg) (1995) Ethik in der Medizin.Enke, Stuttgart

6. Medizinische Ethik. Heft 6 der Zweimonatsschrift Evangeli-sche Theologie, Nov./Dez. 1981, Chr. Kaiser, München

7. Pohlmeier H (1987) Diskussionsbeitrag. In: Schlaudraff U(Hrsg) Ethik in der Medizin. Springer, Berlin Heidelberg NewYork, S 141

8. Schlaudraff U (Hrsg) (1987) Ethik in der Medizin. Springer,Berlin Heidelberg New York

9. Schubert-Lehnhardt (Hrsg) (2002) Medizin-Ethik – quo vadis?Versuch einer Antwort. Druckerei & Verlag Storbeck, Gerb-stedt

10. Toellner R (1987) Medizinische Ethik im Alltag der Hochschu-le. Erfahrungen aus der Praxis der ärztlichen Ausbildung. In:Schlaudraff U (Hrsg) Ethik in der Medizin. Springer, BerlinHeidelberg New York, S 17–26

Ethik in der Medizin 4 · 2006302

20 Jahre Akademie für Ethik in der Medizin

Ethik Med 2006 · 18:302–305© Springer Medizin Verlag GmbH 2006

Hans-Konrat Wellmer · Bielefeld

Die Akademie für Ethikin der Medizin unter derPräsidentschaftvon Hans-Konrat Wellmer(1992–1998)

Nach der Übersicht von Udo Schlaudraffüber die frühen Jahre der Akademie fürEthik in der Medizin seit ihrer Gründung,die so ganz ausgeprägt seinen persön-lichen Stempel tragen und ohne die Ev.Akademie Loccum kaum denkbar wären,ist es meine Aufgabe, die Jahre unter mei-ner Präsidentschaft, d. h. von 1992 bis 1998abzuhandeln. Dabei lässt es sich nicht ver-meiden, dass gelegentliche „Grenzüber-schreitungen“ erfolgen, um den Zusam-menhang der dargestellten Themen nichtzu stören. Die Vorstandswahlen erfolgtenüblicherweise am Jahresende (Septemberbis Dezember), doch ich war auch schonals Vizepräsident unter Präsident Seidlerstets mit allen Problemfällen vertraut.

Ich kann heute ohne Übertreibung sa-gen, dass ein wesentlicher Teil an Zeit und

Kraft der jeweiligen Vorstandsmitgliederzur Bewältigung organisatorischer und vorallem finanzieller Schwierigkeiten aufge-wandt wurde. Ich möchte gern zunächstauf diesen Problemkreis eingehen, denn esgab Vorstandssitzungen, in denen mehr-fach die Frage laut wurde, ob wir nicht ausRücksicht auf die Mitarbeiterder Geschäfts-stelle unser Scheitern eingestehen müssten.Es ist nur dem unermüdlichen Einsatz derVorstandsmitglieder und einzelner Mitglie-der der Akademie zu verdanken, dass sichimmer wieder ein Weg auftat, der den Kon-kurs vermeiden half. Die Einwerbung vonSpendengeldern half zwar hier und da, eineFinanzierungslücke zu schließen, die Spen-den waren aber in aller Regel themen- undzweckgebunden und zeitlich begrenzt.