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Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie Band 281 Dezember 1955 Heft 5-6, S. 225-328 Oberflache und katalvtische Eigenschaften von Silber- und Kupferpulvern Von G. RIENACKER, H. BREMER, S. UNGER und N. HANSEN Mit 8 Abbildungen Inhaltsubersicht Bei der Untersuchung der katalytischen Eigenschaften (HCOOH-Zerfall) von Silber- und Kupferpulver I) war auf Grund des Anstiegs des temperaturunabhangigen Gliedes der ARRHENIUS-Gleichung (log a) mit zunehmender Vorerhitzungstemperatur vermutet wor- den, daB nur ein Teil der Oberflache der Pulver aktiv ist und daR in gewissen Be- reichen mit zunehmender Frittung ein immer groSerer Teil der Oberflache aktiv wird. Diese Vermutung wird nun auf einem direkten Wege bestatigt: Auch die auf die Oberflacheneinheit des Katalysators bezogene katalytische Aktivitat (= spezifische Ak- tivitat) steigt in diesen Bereichen der Vorerhit zungstemperatur an. Dieser Anstieg der spezifischen Aktivitat ist auf die zunehmende Ausbildung geordneter Kristalloberflkchen zuriickzufiihren. Aus den1 Glied log a der ARRHENIUS-Gleichung 1aRt. sich der EinfluB der Aktivierungsenergie Q eliminieren; die erhdtenen Werte zeigen einen ahnlichen Ver- lauf mit der Vorbehandlungstemperatur wie die spezifische Aktivitat. I. Einleitung Heterogen katalysierte Reaktionen an Festkorpern verlaufen an deren Oberflache. Es ist daher erforderlich, neben den katalytischen Eigenschaften auch die OberflachengroBe des Katalysators zu bestimmen. Sicher ist die Wirksamkeit von Katalysatoren, besonders von Pulver- katalysatoren, weitgehend von ihrer durch die Art der Herstellung und Vorbehaiidlung bedingten Oberflachenentwicklung abhangig. Jedoch be- steht oft keine Proportionalitat zwischen der Dispersitat bzw. Oberfla- chengrofie von Pulvern und ihrer katalytischen Wirksamkeit. Entspre- chendes lieljen auch die Ergebnisse einer Untersuchung des Ameisensaure- dampf-Zerfalls an Kupfer- und Silberpulvern verschiedener thermischer Vorbehandlung vermuten 1). In anderen Fallen ist diese Tatsache schon langer bekannt ; sie ist ja auch eine der experimentellen Voraussetzungen fur die Hypothese TAYLORS uber die ,,aktiven Zentren", die im Grunde zwei Aussagen enthalt : Einmal wird ausgesagt, dafi nur ein Bruchteil der Oberflache von Katalysatoren katalytisch aktiv sei. In der zweiten - - 1) G. RIENACKER und H. BREMER, Z. anorg. allg. Chem. 272, 126 (1953). Z. anorg. allg. Chemie. Bd. 281. 15

Oberfläche und katalytische Eigenschaften von Silber- und Kupferpulvern

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Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie Band 281 Dezember 1955 Heft 5-6, S. 225-328

Oberflache und katalvtische Eigenschaften von Silber- und Kupferpulvern

Von G. RIENACKER, H. BREMER, S. UNGER und N. HANSEN

Mit 8 Abbildungen

Inhaltsubersicht Bei der Untersuchung der katalytischen Eigenschaften (HCOOH-Zerfall) von Silber-

und Kupferpulver I) war auf Grund des Anstiegs des temperaturunabhangigen Gliedes der ARRHENIUS-Gleichung (log a) mit zunehmender Vorerhitzungstemperatur vermutet wor- den, daB nur ein Teil der Oberflache der Pulver aktiv ist und daR in gewissen Be- reichen mit zunehmender Frittung ein immer groSerer Teil der Oberflache aktiv wird.

Diese Vermutung wird nun auf einem direkten Wege bestatigt: Auch die auf die Oberflacheneinheit des Katalysators bezogene katalytische Aktivitat (= spezifische Ak- tivitat) steigt in diesen Bereichen der Vorerhit zungstemperatur an. Dieser Anstieg der spezifischen Aktivitat ist auf die zunehmende Ausbildung geordneter Kristalloberflkchen zuriickzufiihren. Aus den1 Glied log a der ARRHENIUS-Gleichung 1aRt. sich der EinfluB der Aktivierungsenergie Q eliminieren; die erhdtenen Werte zeigen einen ahnlichen Ver- lauf mit der Vorbehandlungstemperatur wie die spezifische Aktivitat.

I. Einleitung Heterogen katalysierte Reaktionen an Festkorpern verlaufen an

deren Oberflache. Es ist daher erforderlich, neben den katalytischen Eigenschaften auch die OberflachengroBe des Katalysators zu bestimmen.

Sicher ist die Wirksamkeit von Katalysatoren, besonders von Pulver- katalysatoren, weitgehend von ihrer durch die Art der Herstellung und Vorbehaiidlung bedingten Oberflachenentwicklung abhangig. Jedoch be- steht oft keine Proportionalitat zwischen der Dispersitat bzw. Oberfla- chengrofie von Pulvern und ihrer katalytischen Wirksamkeit. Entspre- chendes lieljen auch die Ergebnisse einer Untersuchung des Ameisensaure- dampf-Zerfalls an Kupfer- und Silberpulvern verschiedener thermischer Vorbehandlung vermuten 1). In anderen Fallen ist diese Tatsache schon langer bekannt ; sie ist ja auch eine der experimentellen Voraussetzungen fur die Hypothese TAYLORS uber die ,,aktiven Zentren", die im Grunde zwei Aussagen enthalt : Einmal wird ausgesagt, dafi nur ein Bruchteil der Oberflache von Katalysatoren katalytisch aktiv sei. In der zweiten

- - 1) G. RIENACKER und H. BREMER, Z. anorg. allg. Chem. 272, 126 (1953).

Z . anorg. allg. Chemie. Bd. 281. 15

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226 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 281. 1955

Aussage werden Vorstelhngen uber diesen aktiven Bruchteil entwickelt ; und zwar wird angenommen, dalS dieser aktive Bruchteil aus gittermalJig w enig abgesattigten Gitterbausteinen bestehen soll, etwa aus heraus- ragenden Ecken-, Kanten- oder Spitzektomen.

Die fruher an Kupferpulvern und Silberpulvern vorgenommenen liatalytischen Messungen sind erganzt worden und werden nun im Zu- sammenhang mit den aus Adsorptionsisothermen von n-Butan bei 0°C berechneten OberflachengrolJen und in ihrer Beziehung zur Hypothese TAYLORS erortert.

11. Katalysatoren, Apparatives und MeBverfahren Die Herstellung und Vorbehandlung der fur die Messungen verwende-

ten Silber- und Kupferpulver ist bereits in der erwahnten Veroffentli- chung beschrieben I).

Lediglich die Trocknungsart des im folgenden als Silberpulver I11 bezeichneten Ka- talysators war von der bisher angewendeten verschieden. Wahrend die Silberpulver I und I1 nach dem Auswaschen kurze Zeit im Trockenschrank bei 100°C getrocknet wurden (= Herstellungsart A), wurde Silberpulver I11 von vornherein bei Zimmertemperatur im Vakuumexsikkator iiber Blaugel zur Trockne gebracht (= Herstellungsart B).

Von diesen Metallpulvern wurden jeweils gleiche Gewichtsmengen frischer Proben 30 Minuten bzw. 2 Stunden lang im Wasserstoffstrom bei Temperaturen zwischen 150° und 950°C getempert.

Apparatur und Methodik der katalytischen. Messungen an diesen Pulvern, fur die der nach nnlltsr Ordnung verlaufende Zerfall des HCOOH-Dampfes alsTestreaktion benutzt wurde, sind ebenfalls bereits beschriebcn worden l). Auch die fur die Adsorptionsmessun- gen benutzte Apparatur, das MeRverfahren und die Auswertung der Isothermen wurden im Zusammenhang mit Untersuchungen an Hydrierungskatalysatoren bereits beschrieben 2, 3).

Die OberflachengroBen der Silber- und Kupferpulver waren jedoch im Verhaltnis zu denen der dort vermessenen Katalysatoren sehr klein. Um die entprechend geringeren Adsorptionseffekte noch erfassen zu konnen, muBte daher der tote Ranm durch Einsetzen volumensparender Leitungen im Adsorpticnsteil so weit wie moglich verkleinert werden. Ferner wurde die sonst benhtzte Adsorptionsbirne durch eine solche mit schlankem Hals und kleinem Schliff ersetzt. Insgesamt konnte so der tote Raum fur die Messungen ohne McLEoD-Manometer um 50% verkleinert werden. Dadurch lieBen sich noch Oberflachen bis herab zu 0 , l m2/g mit der schon beschriebenen Genauigkeit bestimmen. Wegen der Schliffverbindung zwischen Adsorptionsbirne und MeBapparatur konnte die Temperatur fur die Wasserstoffnachbehandlung an der Adsorptionsapparatur und das anschlieCende Ausheizen im Vakuum nicht iiber 420°C hinaus gesteigert werden. Eventuell am Kata- lysator chemisorbiert zuruckbleibender Wassers1,off beeinflul3t die folgende physika- lische Sorption jedoch nicht und ubt deshalb auf die MeBergebnisse keinen EinfluO am4).

2) G. RIENACEER u. S. UNGER, Z. anorg. allg. Chcm. 274, 47 (1953). S. UNGER, Wiss. Zeitschr. Univ. Rostoek, Reihe MathemJNaturw. 2, 81 (1953).

4, P. H. EMMETT in ,,Advances in Catalysis", Bd. 1, Academic Press, New York, 1948, S. 81; S. BRUNAUER, ,,The Adsorption of Gases and Vapors", Princeton University Press, 1945, S. 340, 349.

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G . RIENACKER und Mitarbeiter, Eigenschaften von Silber- und Kupferpulvern 227

’ Temperatur

I

der Vor- 1 e r h i t z z

Entsprechend der mit ansteigender Vorbehandlungstemperatur (im folgenden mit VET bezejchnet) zunehmenden TeilchengroBe der Pulver war ein von Messung zu Messung vergrol3erter Einsatz an Substanz erforderlich, urn noch meBbare Adsorptionseffekte zu erhalten. Er betrug durchschnittlich 15-20 g bei der niedrigsten VET (150°C) und stei- gerte sich auf maximal 70 g fur die hochste VET (800 bzw. 850°C).

Die OberflachengroBen der bei noch hoheren Temperaturen vorerhitzten und kata- lytisch untersuchten Pulver konnten nach der Adsorptionsniethode nicht mehr bestimmt werden, da eine weitere Steigerung der Einwaage an Adsorbens zur Erhohung der Ad- sorptionseffekte uberkompensiert wird durch die hierzu notwendige VergroBerung der Adsorptionsbirne und damit des toten Raumes.

, I

log der Aktivierungs- Oberflache Spezifische Aktivitat energie log o( Aktivitat

m2’g bei 140°C bei 140°C (kcal)

111. Messungen an Katalysatoren nach einmaliger Vorerhitzung Silberpulver wurden in 3 MeBreihen untersucht, und zwar :

Silberpulver I (Herstellungsart A) nach 30 Min. Vorerhitzungsdauer, Silberpulver I1 (Herstellungsart A) nach 2 Std. Vorerhitzungsdauer, Silberpulver 111 (Herstellungsart B) nach 30 Min. Vorerhitzungsdauer.

An Kupferpulver (elektrolytisch hergestellt) wurde eine MeBreihe nach 30 Min. Vorerhitzungsdauer aufgenommen.

Die erhaltenen Ergebnhe sind in den Tabellen 1-4 und in den Abb. 1 und 2 wiedergegeben.

Tabelle 1 Zerse tzung d e r Ameisensaure a m Si lberpulver I (Herstellungsart A; Einwaage je 7 g; 30 Min. getempert)

0,65 0,58 0,53 0,46 0,40 0,36 0,31 0,27 0,24 0,21 0,18 0,15 0,13 0,lO

0,06 0,12 0,36 1 , O l 2,09 2,92 3,40 4,17 5,47 7,37 9,79

11,14 10,21 9,18 -

550 600 650 700

- 0,555 - 0,308

0,112 0,512 0,768 0,866 0,882 0,897 0,963 1,037 1,091 1,067 0,968 0,808 0,622 0,357

- 2,840

17,9 16,9 16,4 19,2 20,6 21,2 21,7 22,4 23,l 23,5 23,2 22,l 21,7 22,l 22,5 22,l 20,6

899 8,6 8 8

10,7 11,7 12,l 12,4 12,7 13,2 13,5 13,4 12,8 12,5 12,5 12,5 12 , l 8,1

15*

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228 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Cbemie. Band 281. 1956

1 Temperatur der Vor- 1 erhitt

Tabelle 2 Zerse tzung d e r Ameisensaure a m Si lberpnlver I1

(Herstellungsart A; Einwaage je 7 g ; 2 Stunden getempert)

log der Aktivitat. bei 140°C

150 200 250 1 300 1 350 400

- 0,945 0,970 0,985 0,954 1,026 1,114

Temperatur der Vor- erhi tzung

"C

Aktivierungs- energie (kcal)

I

200 300 400 500 600 700 800

log a

iktivierungs. energie (kcal)

21,2 20,7 21,5 21,6 22,3 22,3 f4,4 23,3 23,2 22,2 23,2

-

log (Y

12,2 12,o 12,4 12,4 12,9 12,9 14,l 13,5 13,3 12,l 12,2

Oberflache m2/g

0,65 0,58 0,50 0,43 0,37 0,31 0,22 0,16 0,11 0,06 -

Tabelle 3 Zerse tzung d e r Ameisensaure a m Si lberpulver I11 (Herstellungsart B; Einwaage je 2,5 g ; 30 Min. getempert)

log der Aktivi ta t bei 140°C

-

1,095 1,130 1,070 1,195 1,203 0,925 0,775

21,5 21,6 22,6 24,2 22,9 21,6 23,l

12,5 12,6 13,O 14,O 13,3 12,4 13,O

Oberflache m2/g

1,67 1,48 1,28 1,04 0,80 0,59 0,38

1 Spezifische Aktivitat bei 140'C

1,94 2,30 2,76 2,99 4,10 5,99 3.74 j

13,51 I 13,11 4,82 1 - i

Spezifische Aktivitat bei 140°C

2,99 3,62 3,19 6,05 8,00 5,70 6,25

____

Fiir Silberpulver I lagen zwei katalytische MeBreihen vor, die in der friiheren Ver- offentlichung im einzelnen dargestellt sindl). Die hier wiedergegebeneu Daten sind die (z. T. graphisch erhaltenen) Mittelwerte itus beiden MeRreihen.

Die Bnderung der OberflachengrolJe beim Tempern veranschaulicht die Abb. 3.

Die Oberflachen der nach Herstellungsart B dargestellten Silber- pulver (111) sind durchweg etwa dreimal so groB wie die der Silberpulver nach Herstellungsart A (I und 11). Die im Vergleich zum Silberpulver I ( 1/2 Std. getempert) verlangerte Vorerhitzungsdauer des Silberpulvers I1 ( 2 Std. getempert) wirkt sich erst oberhalb 300°C VET auf die Ober-

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G. RIENACKER und Mitarbeiter, Eigenschaften von Silber- und Kupferpulvern 229

Oberflache mZ'g

Tabelle 4 Zerse tzung der Ameisensaure a m K u p f e r p u l v e r

klektrolytisch hergestellt; Einwaage je 5 g ; 1/2 Stunde getempert)

Spezifische Aktivitat bei 140°C

Temperatur der Vor- erhi tzung

"C

0,78 0,68 0,50 0,34 0,22 0,17 0,16 0,15 0,05

150 200 300 400 500 600 650 750 850 950

12,oz 2,13 1,13 0.10 0,15 1,68 0,63 1,88 4,70

log der Aktivitat bei 140°C

____~ 1,671 0,859 0,449

-.0,781 - 0,794

0,155

0,150 0,070

- 0,820

- 0,300

1050 - 1,558 -

Lktivierungs energie (kcal)

20,6 15,6 12,6 16,3 17,3 14,6 17 , l 17,3 19,3 19,4 21,3

-

log a

12,6 9,1 7 3 7 3 8,4 7,9 8,7 9,3

10,3 9,5 9,7

fl8chengrofie aus. Von hier an nimmt die Oberflache des langer erhitz- ten Silberpulvers I1 starker ab als die des Silberpulvers I.

Beiin Kupferpulver ist der kontinuierliche Abfall der Oberflachen- grol3e durch eine Periode geringerer Oberflachenverkleinerung zwischen 550°C und 750°C unterbrochen. Dieser Haltepunkt ist als Obergangs- periode der Frittting in die darauf folgende Sinterung zu betrachten. Im Sinne HUTTIGS sollen dabei unter Sinterung Vorgange verstanden wer- den, bei denen ein teilweises ,, Schmelzen" eintritt, wahrend eine Wechsel- wirkung zwischen festen Teilchen ohne Stattfinden teilweiser Schmelz- bzw. Sublimationsvorgange als Frittung bezeichnet wird. Beim Silber ist dieses Obergangsintervall allerdings nicht so ausgepragt, obwohl sein Schmelzpunkt (960,5"C) um uber 120" tiefer liegt als der des Kupfers (1083°C).

MeBwerte anderer Autoren zum direkten Vergleich waren in der zuganglichen Lite- ratur nicht auffindbar. LOESER und HARK INS^) fanden fur ,,reduziertes Silber" 1,15 m2/g, wobei uber die Herstellung und Vorbehandlung des Adsorbens keine weiteren Angaben gemacht werden. Fur Kupferpulver des Handels mit einem durchschnittlichen Teilchen- durchmesser von 10--15 y und 15-20 p fanden EMMETT und CINES~) Oberflachen von 0,07 und 0,04 m2/g.

Der Quotient aus katalytischer Aktivitat und Oberflachengrofie, also die Aktivitat pro Oberflacheneinheit, ist unter der Bezeichnung ,,spezifische Akt iv i ta t" in den Tabellen und Abbildungen enthalten.

5) E. H. LOESER u. W. D. HARKINS, J. Amer. chem. Soc. 72, 3427 (1950). 6) P. H. EMMRTT u. M. CINES, J. physic. Colloid. Chem. 51, 1329 (1047).

Page 6: Oberfläche und katalytische Eigenschaften von Silber- und Kupferpulvern

230 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 281. 1955

IV. Diskussion der MeBergebnisse an Katalysatoren nach einmaliger Vorerhitzung

Die Betrachtung der katalytischen Eigenschaften der Kontakte im Zusammenhang mit den Resultaten der Oberflachenmessungen ergibt folgendes :

Beim Silberpulver I steigt die Aktivitat bis 350°C VET stark an, bleibt dann aber bis 700°C VET annahernd konstant und fallt erst bei

200 400 600 eoo 7000 hoheren Vorerhitzungs- temperaturen laiigsam und bei den hoch- sten Vorerhitzungstem- peraturen stark auf sehr kleine Werte ab. Die Oberf lachengrofien zei- gen dagegen einen kon- tinuierlichen Abfall uber den gesamten Tern- peraturbereich der'vor- erhitzung.

Schon aus diesem unterschiedlichen Ver- lauf beider Kurven er- gibt sich, dafi eine Parallelitat zwischen katalytischer Aktivitat. und Oberflachengrofie nicht besteht. Das gleiche Ergebnis zeigt auchder Vergleichdieser beiden Grofien bei den anderen Silberpulvern und beim Kupferpulver.

-4b 350'C VET zeigen die Aktivitatskurven von Silberputver I, I1 und 111 einen gleichartigen Verlauf. Unterhalb 350°C VET ist das Silberpulver I weniger aktiv als Silberpulver II und 111. Ebenso zeigen die Akti- vierungsenergie und das tem-

Abb. 1. HCOOH-Zerfal l a n S i l b e r p u l v e r v e r - s c h i e d e n e r Vorbehandlungs tampera tur .

Vorerhitzungsdauer 30 Minuten 0 - - - 0 Ag I; 0- Ag I1 ; Vorerhitzungsdauer 2 Stunden x ._._. x Ag 111; Vorerhitzungsdauer 30 Minuten peraturunabhingigc Glied der

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G . RIENACKER und Mitarbeiter, Eigenschaften von Silber- und Iiupferpnlveln 231

ARRHENruSschen Gleichung (log a) bei den verschiedenen Silberpulvern eine qualitatii ahnliche Abhangigkeit von der VET, nur das Silberpulver I unterscheidet sich wieder hei niederen Vorerhitzungstempera turen von den anderen beiden Silberpulrern.

Y~rOehun5lungstemperar~r

..\bb. 2. HCOOH-Zerfal l a n K u p f e r p u l v e r v e r - b c hi e d c 11 e r V o r be h a n d 1 i i n g s t e m pe ra t ii r (Vorcr-

hitzungsdaner 39 Minuten)

Abb. 3. Ober f l achengro l3e d e r S i l b e r - u n d K u p f e r - p u l v e r i n S b h a n g i g k e i t voii d e r V o r r r h i t z u n g s -

t e m p e r a t u r

P i sich die Unterschiede in der Aktivierungsenergie, itn log ix urid in der Aktivit l t zwischen dern Silberpulver I und 111 vornehmlich bei niederen Vorerhitzungstemperaturen zeigen, ein Unterschied in den Herstellungsbedingungen der beiden Pulver aber insofern Iiesteht, als das Silberpulver I einige Zeit im Trockenschrank bei 100"C, dss Silberpulver 111 aber airsschlieljlich bei Zimrnertemlieratur getrocknet wurde, liegt es nahe, anzurieh- men, da13 durch die Vorerhitzung auf 100°C sich schon ein stabilerer Zustand eingestellt h 2 t (Silberpulver I) als bei Zimmerteniperatur (Silberpulvcr 111). Dieser stabilere Zustand

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232 Zeitschrift fur anorganische und allgerneine Chemie. Band 281. 1955

beriot,igt n u n beini Tempern langere Zei t, bis sich der dcn hoheren Vorerhitzungstempera- ren entsprechende Zustand eingestellt hat. Dieses Verhdten dea Katalysators wird be- statigt durch Messungen, die in der Abb. 5 enthalten sind. Einee der 30 Min. bei 500°C wrerhitzten Silberpulver wurde anschlierjend 30 Min. bei 700°C getempert. Die kataly- tischen Eigenschnften hatten sich dabei wenig geandert, zeigten aber im Vergleich zu denen eines frisch eingesetzten, bei iOO'C getemperten Silberpulvers betrachtliche Unter- schiede. Als der gleiche Knt.alysat,or aber noch einmal bei 700°C - jetzt jedoch 3l/? Stun- den - getempert wurde, erreichte er die gleichen Werte wie der frisch eingesetzte.

Wesentlich aufschlufirkicher ist es, statt Oberflachengriifle und kata- Iytische Aktivitat nebeneinander zu betrachten, den Verlauf der auf die C)berflacheneinheit bezogenen katalytischen Aktivitat zu verfolgen. Dieser Quotient, die s p e z i f i s c h e A k t i v i t a t , miifite bei Proportionalitat zn-i- when Aktivitat und Oberfliichengrofie konstant sein. Eine solche Kon- stariz der spezifischen Aktivitat wurde auftreten, wenn der Kontakt, niit seiner gesaiiiten Oberflache katalytisch aktiv und die Aktivierungsenergie konstant ware. Wie aber aus den Abb. I d und 2d ersichtlich ist, hangt die spezifische Aktivitat stark \:on der VET ab. Sie steigt bei den Silber- pulvern (Abb. l d ) bis 600" bzw. 700°C VET kontinuierlich an und fallt erst bei hiiheren Vorerhitzungstemperaturen wieder ab. Auch beini Kupferpulver (Abb. 2d) zeigt die spezifische Aktivitat nach raschem Ab- fall bei niederen Vorerhitzungstemperaturen oberhalb 400" C VET eine steigende Tendenz. Das bedeutet aber, da13 in diesen Bereichen die Ober- fl8.cheneinheit mit zunehmender VET besser katalysiert. Bei konstanter Aktivierungsenergie wiirde daraus eindeutig der Schlufi zu ziehen sein (da die Griifie der katalytisch wirksamen Oberflache angestiegen ist). daB nur ein Bruchteil der Oberflache katalysiert.

Die erste Aussage der Hypothese TAVLORS trifft somit auch bei un- sereii Katalysatoren zu. Bemerkenswert ist nun aber, dafl dieser Bruch- teil beim Tempern im Wasserstoffstrom grofier wird. Wenn die Akti\-ie- rungsenergie mit zunehmender VET zahlenmaflig a b n e h ni e n wiirde. so kiinnte die spezifische Aktivitat zunehmen, ohne dafi man auf eine Ver- griiaerung der wirksamen Oberflache schliefien miil3te. Bei unseren Pul- vern s t e i g t aber die Aktivierungsenergie mit zunehmender VET in dein betrachteten Gebiet zahlenmaBig an ; trot,zdem nimmt die spezifische 41-t- _. " - illtat ZLL

Diese Beobachtungen stehen im Gegensatz zu den Erfahrungen an einer ganzen Reihe anderer Katalysatoren, an denen die katalytische Wirksamkeit bei zunehmender Sinterung (also Abnahme der Oberflache) kleiner wird. Sie nimmt oft sogar starker ab als die Oberflachengrofie (Adsorptionsfahigkeit) 5 ) . In solchen Fa,llen deutet das Verhalten der

7) H. S. TAYLOR, Proc. Roy. SOC. [London], Ser. A 1OS, 105 (1925); J. physic. Chem. 30, 115 (1926); Z. Elelitrochem. angew. physik. Chem. 35, 645 (1929).

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G. RIENACKER und Mitarbeiter, Ei-genschaften von Silber- und Kupferpulvern 233

katalytischen Wirksamkeit bei der Sinterung auf das Vorhandensein von aktiven Zentren im TAYLoRschen Sinne - also von Atomen besonders exponierter Lagen (Ecken-, Spitzen- und Kantenatomen oder Gitterstor- stellen) - hin, die beim Sintern mit zunehmender Moglichkeit eines Platzwechsels der Atome in erster Linie abgebaut werden.

Die Frage nach der Art des gro13er werdenden aktiven Bruchteils der Oberflache fuhrt auf folgende Moglichkeiten :

1. Mit zunehmender VET konnte die Zahl der therniischen Stor- stellen und die atomare Unordnung auf der Oberflache steigen (thermi- sche Auflockerung), und so nrurde sich beim Abschrecken auf tiefere Teni- pera,turen ein eingefrorener, instabiler Zustand bilden, der auf Grund seiner vermehrten TAYLOR-Zentren besser katalysiert. Oder :

2. Das auf chemischem Wege bei tiefen Temperaturen hergestellte -

Metallpulver stellt thermodynamisch ein wenig stabiles Gebilde mit un- geordneter und energiereicher Ober- flache dar. Durch die beim Tem- pern einsetzende Rekristallisation auf Grund des Platzwechsels der Atome (Diffusion) werden die expo- nierten Atome in geordnete Gitter eingebaut. Es kommt so zu einer zu- nehnienden Ausbildung von stabilen Kristallflachen, die dann die Ursache der grol3eren katalytischen Wirksam- keit, insbesondere der hoheren spezifischen Aktivitat sein muaten.

Der Fall 1 scheint bei unseren Vorerhitzungsteinperaturen schon auszuscheiden, menn man bedenkt, da13 die Rekristallisation bei etwa 130" C einsetzts) und z. B. beim ltoinpakten Silber bis 700" C zu beob- achten ist. Die experimentelle Ent- scheidung bringen Versuche an Silberpulver, die im nachsten Kapitel dargestellt sind.

8) G. TAMMANN, Lehrbuch der Metall- knnde, 4. Aufl. Leipzig 1932.

A 151 I

c log a ti i

?I I J zoo JOO 4 0 0 2 w no EOOOC

h-b@andungsrempemtur

Abb. 4. HCOOH-Zerfall a n S i l b e r - pu lver 111.

. - - _ . Jeweils neueingesetzte Pulver

. .- +- . Diese Linieu verbinden die MeBpunkte, die nach noch- inaligem Tempern erhalten murden

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2334 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 281. 1955

I -

V. Messungen am Silberpulver nach mehrmaliger Vorerhitzung Mehrere Chargen des nach Herstellungsart B erzeugten Silberpul-

\-ers I11 wurden nach Erhitzen auf die in Tabelle 3 angegebenen Vor- erhitzungstemperaturen und nach erfolgter Messung der katalytischen Eigenschaften wieder im Wasserstoffstrom in das Temperrohr zuruck- - aezogen und dort noch einmal einer Warmebehandlung unterzogen. Dieses wurde bei einigen Pulvern mehrmals durchgef uhrt. Die Ergebnisse dieser Messungen sind in Tabelle 5 und Abb. 4 wiedergegeben. In der Abb. 4

Tabelle 5 Z e r s e t z u n g d e r A m e i s e n s a u r e am S i l b e r p u l v e r 111

(Werte fur nochrnals vorerhitzte Proben)

Aktivie- 1 1 Tempe- Dauer log der i Ober- Spezif. r a t ~ ! Min. Aktivitat log 0; 1 flache Aktivitat

1 der Vorerhitzung bei 140°C (kcall 1 m2/g bei 140°C

Kata- rungs- lysator energie

sind durch gestrichelte Linien nochmals die Ergebnisse nach einmaliger Vorerhitzung und ferner die neuen Werte eingezeichnet, und zwar cerbinden die ausgezogenen Linien Vorerhitzungstemperaturen, bei dener, dasselbe Pulver noch ein oder mehrere Male erhitzt wurde; die Reihen- folge dieser Temperungen ist durch Pfeile angegeben. Die VET sowie die Zeitdauer, die auch variiert wurde, sind aus Tabelle 5 und Abb. 4 zu entnehrnen. Die aus der Aktivitat und der OberflachengroDe errechne- ten spezifischen Aktivitaten sind ebenfalls in Abb. 4 wiedergegeben.

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G . RIENACKER und Mitarbeiter, Eigenscliaften von Silber- und Kupferpul~ern 235

;. behaiidlung unterhalb ihrer Entste-

loren gehen. Waren eingefrorene lopx g. thermische Storstellen der Grund fur 14. die Zunahine des aktiven Bruchteils

steigender VET, so muI3ten diese beini Erhitzen unterhalb der ur-

ratiir wieder ,,auftauen", und die kat,alytische Wirksamkeit miiBte, einem weniger gestorteii Zustandent- sprechend, geringer werden. Das ist offenbar i i icht der Fall, so daI3 also

hungstemperatur iiicht wieder ver-

der Katalysatoroberflache bei an- 21

spriinglichen Vorerhitzungstenipe- 2s

J ::: Q,, Is.

75- 1 7 4 .

logs " 12

zaa jw 400 m 600 vo 800 ._..__. L___ __-- - -_.. -. -. -_

a. log AkfivifrJf I 140°cl

6. Aktivierungsenerqie

---- -.... ----J''., .---__. -

. , -

c. 109 (L

-.-----------4r 200 joo LOO soo 600 ?a0 800'

---=: ""'q ____J

-

(1;. RIENXCKER und Mitarbeiter, Eigenscl~aften von Silber- und Kupferpulvern 235

TI. SchluBfolgerungen a.ns den MeBergebnissen an Silberpulvern A. Die katalytisch wirksame Oberflache

Auf Grund der Versuche ist. es nun mijglich, zu Aussagen iiber die liatalytisch wirlisame Oberflache der Silberpulver zu gelangen.

Betrachtet man die Wirksarnkeit der Katalysatoren nach wieder- holteiii Tempern bei einer tieferen Temperatur (Abb. 4), so zeigt sich ein nahezu konstanter Wert der katalytischen Mel3groBen. Geringe, aber meist gleichsinnige ,4bweichungen haben ihre Ursache wohl in der Sum- mierung der Temperzeiten. Die Konstanz der Werte, vor allem der spe- zifischen Aktivita,t, zeigt, daI3 sich auf der Katalysatoroberflache gut liatalysierende und offenbar stabile und geordnete Bezirke ausgebildet haben, die auch durch eine Warme- behaiidlung unterhalb ihrer Entste- hungstemperatur iiieht wieder ver- loren gehen. Waren eingefrorene therrnische Storstellen der Grund fur die Zunahme des aktiven Bruchteils der Katalysatoroberflache bei an- steigender VET, so muI3ten diese beiiii Erhitzen unterhalb der ur- spriinglichen Vorerhitzungstenipe- ratiir wieder ,,auftauen", und die kat,alytische Wirksamkeit miiBte, einem weniger gestorteii Zustand ent- sprechend, geringer werden. Das ist offenbar n i c h t der Fall, so daI3 also die zuerst geaul3erte Hypothese als mahrscheinlich erscheint. Sie wird Abb. 5. HCOOH-Zerfal l a n S i l b e r . auch durch die in Abb. 5 dargestellte Versuchsreihe gestiitzt :

Eines der 30 Min. bei 500°C vorerhitzten Silberpulver wurde anschlieaend 30 Miri. bei ;OO"C getempert. Die katalytischen Eigenechaften ha.tten sich weiiig geandert, zeigten abor zu einem frisch eingeeetzten und bei 700°C gotemperten Pulver betrachtliche Unter- schiede. Als der gleiche Katalysator aber noch einnlal bei 700°C, jetzt aber langere Zeit get,einpert wurde, erreiclite er die gleichen Werte wie der frisch eingesetzte. Wahrschein- Iich benotigt der durch das Tempern bei 500°C hervorgerufene stabilere Zustand zur Erreichung des bei hoherer VET (700" C) vorliegenden Ordnungszustandes lingere Zei t, bis sich das der neuen 'VET entsprechende thermische ,,Gleichgewicht" eingestellt hat,. Dieser I<ata.lysa.tor wurde dann von 700°C auf 500°C wahrend einer Stunde stetig abge- kiihlt. Wihrend also sonst der Katalysator beim zweiten oder dritten Tempern 30 Min. oder auch 1 Stunde bei der tieferen Temperatur gehalten w-nrde, erfolgte jetzt ein noch- maliges Erhitzen auf die nrspriingliche VET und dann eiri kontinuierliches Senken der

p u l v e r , 111 (Erlauterung siehe T ~ ~ ~ )

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236 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 281. 1955

Temperatur iiber 200°C in einer Stunde. Auch bei diesem Verfahren blieben die liata- lytischen Meljgroljen nahezu konstant.

Die Ergebnisse sprechen also fii.r bei fortschreitender Vorerhi tzung sich mehr und mehr bildende, gut katalysierende Kristallflachen 9). Da kristallographisch verschiedene Flamehen auch verschiedene Wachstums- geschwindigkeiten haben, konnten gut katalysierende Flachen sich auch noch bevorzugt ausbilden. Fur die Beurteilung des Ganges der katalyti- schen MeBgroBen fortschreitend hoher vorerhitzter, aber jedesmal frisch eingesetzter Silberpulver ergibt sich deshalb folgendes :

In dem Interval1 von 200°C bis 500°C F7ET steigt die spezifische Aktivitat zuna.chst an, obwohl die Aktivierungsenergie zahlenma.l3ig steigt. Es ist anzunehmen, da13 die Storstellen ( T ~ ~ ~ o ~ - Z e n t r e n ) , die auf Grund der Herstellungsbedingungen auf der Oberflache vorhanden sind, niit niedriger Aktivierungsenergie kataJysieren. Diese werden mit zu- nehmender VET ausgeheilt. dagegen wachsen die gut wirksamen Kristall- flachen, die zwar mit hoherer i\ktivierungsenergie katalysieren, aber eine so grone A4usdehnung erlangen, daf3 sie die spezifische Aktivitat ver- groaern.

Die spezifische Aktivitat steigt. in deiii folgenden Intervall von 500" C bis 600°C VET noch stark an. Da jetzt aber auch die Aktivierungsenergie za,hlenmaBig stark fallt, ist nach dieser Betrachtungsweise anzunehmen, da13 die Ausbildung der katalytisch wirksamen Kristallflachen abge- schlossen ist und der Anstieg der spezifischen Aktivitat auf eine energeti- sche Verbesserung zuruckzufuhren ist. Wie diese vor sich geht, ist, un- k1a.r. Moglich ware eine Veranderung des elekt.ronischen Verhaltens des Katalysators. So ha t SUHRMANN l0j festgestellt, daf3 die Sekundarelek- tronenemission und die lichtelektrische Elekt,ronenausbeute beim Silber mit zunehmendem Ordnungsgrad (erzielt durch Tempern) abnimmt..

Ab 600 bzw. 700°C VET nimmt. die spezifische Aktivitat ab, wahr- scheinlich infolge der jetzt starkeren relativen Verkleinerung der Ober- flache bei zunehmender Sinterung, obwohl die Aktivierungsenergie poch lileinere Werte annimmt ; dies deutet auf gute W.irksamkeit der kataly- sierenden Flachen hin.

Ein ausgeheiltes, iiber 2/3 Fp (550" C) erhitztes Silberpulver zeigt also die griifite kat,alytische Wirksamkeit, die durch eine Vergrofierung der Oberflache durch Aufbringen auf Trager noch erheblich gesteigert nerden konnt,e.

9, Vorerhitzen im Vakuum statt im Wasserstoffstrom andert das Gesamtbild (Ak- tivitBt und spezifische Aktivitat) grundsatzlich nicht, so dal3 anzunehmen ist, dalj die Anwesenheit von Wasserstoff beim Tempern fur die Ausbildung der betreffenden aktiven Oberflache nicht verantwortlich gemacht werden kann. (Nach Messungen ron L. MONTZKA.)

lo) R. SUHRMANN, Z. Physik 120, 363 (1934).

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G . RIENACKER und Mitarbeiter, Eigenschaften von Silber- und Kupferpulvern 237

B. Spezifische Aktivitat und log LX

log fi und Q laufen bei den MeRreihen an Silber einigermaflen gleichsinnig und zeigen den Kompensationseffekt. Zur Priifung init Hilfe der CONSTAl3LE-CREMERSC1len Bezie- hung1') l a )

Q log n = - + const. a

wurtlen die Werte in ein log a-Q-Diagramm eingetragen (Abb. 6 ) nnd annihernd auf einer Geraden liegend g e f ~ n d e n ' ~ ) .

Wenn man in ublicher Weise log a so interpretiert, dafi diese GrolSe die Zahl der Reaktionsgelegenheiten widerspiegelt, so konnte man einen gleichsinnigen Gang der spe- zifischen Aktivitat und des loga erwarten. Das ist bei dem Kupferpulver recht gut, bei den Silberpulvern jedoch nur annahernd der Fall14) (vgl. Abb. 1 und 2 ) , beson- ders sind die ausgepragten Maxima der Kurven bei 21 22 23 24 25 allen Silbermeljreihen nicht ubereinstinimend.

- Q f kcall

Abb. G . Z u s r t m m e n h a n g log a - A k t i v i e r u n g e - e n e r g i e (fur Silberpulver 111)

C. Eliminierung des Einflusses der Aktivierungsenergie auf den Gang der Grofle log LY

Der oben gegebene Vergleich der Grolje log o( init der spezifischen Aktivitat ist aber eigentlich nur bei konstanter Aktivierungsenergie zu- lassig. Bei variierender Aktivierungsenergie wird auch log a durch diese beeinflufit. Sie kann dessen Gang derart modulieren, dafi er nicht mehr die Zahl der Reaktionsgelegenheiten widerspiegelt, sondern mehr oder weniger gleichsinnig mit Q verlauft. Auch experimentelle Tatsachen, \vie der Kompensatioiiseffekt, sprechen fur eine Abhangigkeit des log LX von der Aktivierungsenergie. Um nun aus dem log a den Anteil, der ein Mafi fur die Zahl der Reaktionsgelegenheiten im Sinne des aktiven Bruchteiles der Oberflache, also ,,geometrisch" gesehen, ist., gewisser- mallen herauszuschal2:n, wurden folgende Oberlegungen angestellt :

11) E. CREMER, Z. physik. Chem., Abt. A 144, 353 (1929). lz) E. CREMER 11. R. RALDT, Z. Elektrochem. angew. phyaik. Chem. 53, 473 (1919). 13) Entsprechendes wurde auch schon an Silberpulver I und I1 und an Kupfer-

'J) G . RIENACKER, H. BREMER 11. S. UNGER, Naturwissenschaften 39 259 (1952). pulver festgestellt l).

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238 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 281. 1955

Zunachst erscheint es sinnvoll, den auf Grund der ARRHENIUS-Glei- chung sich ergebenden log a nicht mit Hilfe von log k (log Aktivitat pro Masse), sondern mit dem log der spezifischen Aktivitat (Aktivitat pro Oberflache) zu bereehnen. Allerdings zeigt der SO erhaltene log 01' hier logu ' (siehe als Beispiel Abb. 7 ) den

gleichen Gang wie log LY. Da nun angenommen

mird, daf3 log a bzw. log a' von der Aktivierungsenergie

gange der Reaktion Elek tronen - Vorbehandlungsternperatur

ubergange sind und diese Abb. 7. Gang d e r GroOe logcc' m i t d e r V o r - be hand1 u ngs te m per a t u r (Silberpulver 111)

quantenmechanischen Ge- setzen gehorchen, wird analog den Ansiitzen von POLAFYI und WIGNER 15),

CREMER und BALDT 12) (vgl. auch PAT AT^^)) folgende uberschlagsrech- nung durchgefiihrt :

Fur die Reaktionsgeschwindigkeit gilt, wenn im Falle nullter Ord- nuiig - die hier vorliegt - die Einfliisse der Adsorptionswarme und der Konzentration c als Konstante eingehen :

12 .----.'. I1

200 jg f l 400 500- 600 700 800°C abhangt, die Elementarvor- :;

Q K = a . e RT

Q K = a . y . z . e RT

_-

--

c c = a - w . z

o( setzt sich also aus folgenden Gro13en zusammen: a ist der quantenmechanische Term, in dem die Koppelung dee log M mit der Ak-

tivierungsenergie enthalten ist. Er driickt die quantenmechanische Obergangswahrschein- lichkeit eines Elektrons durch die Energieschwelle zwischen Ausgangs- und Endzustand aus. Er ist aus der Theorie des radioaktiven Zerfalls von G A ~ o w l ~ ) entlehnt; dort, tritt eine ahnliche Abhangigkeit der Zerfallskonstante von der Zerfallsenergie auf wie bei der Abhangigkeit des log M von der Aktivierungsenergie.

Y ist ein Frequenzfaktor fur die Molekelschwingungen, er ist substratabhangig und bei gegebener Reaktion konstant; er wird zu ungefihr 1013 angenommen (vgl. auch D U S H M A N ~ ~ ) .

z ist das Glied, welches die Zahl der Reaktionsgelegenheiten enthalt. z . v = Z wiirde also ebenfalls den Gang der Zahl der Reaktionsstellei? qualitativ

widerspiegeln, der konstante Faktor v bewirkt eine Parallelverschiebung der Kurve. Folglich ist:

z = .&- ; log z = log a - iog a.

l5) M. P ~ L A N Y I u. E. WIGNER, Z. physik. Chem., Abt. A 139, 439 (1928) 16) F. PATAT, Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 63, 216 (1949). 17) G. GAMOW, Z. Physik 51, 204 (1928). 18) S. DUSHMAN, J. Amer. chem. SOC. 43, 397 (1921).

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0. IbENACI iER und Mit.arbei ter, Eigenschaften von Silber- und Kupferpulvern 2 30

-

I’ ‘\

0’ \\ ,0 - I 3’ I

I I

Der Faktor a ist rinch der GANowschen Theoric

- I . 1’t-E. , ~ . _ ~ - 4 z 2 v m c U - E l f

h . i i = e , a = e

f enthalt nur konstante Groflen, wie die Masse des Elektrons, PLANCKsches Wirkungs- quantum und ist. N 0,1, wenn U und E in kcal und r in A eingesetzt werden. Bei dieser Betrachtung, in der nur der relative Gang von Z gesucht wird, spielt der genaue Zahlen- wert keine Rolle.

E = Q = Alrtivierungaenergie. U = Hohe des trennenden Energiewalles = Akt,ivierungsenergie der Homogen-

reaktion; sie wurde in unserem Falle auf 40 kcal geschitzt. r ist die Strecke, die dn.: Elektron beim Tunneleffekt zu uberwinden hat. Zu einem groBen Q gehort ein kleiues r und umgekehrt. Absolute Werte sind wiederum nicht erforderlich, wohl aber muPJ dns Verhaltnis von rmin zu rmaX festgelegt werden. Dieses ist die eiuzige hypothetische An- nahine der Uberschlagsrechnung; allerdings wurde das Verhaltnis aus in der Literatur ofter dargestellten und wohl auch matheniatisch begriindeten Potentialwallen auf l,OO/1.27 geschatzt. Der M’ert r = 1,OO wird einem Wert von Q = 24 kca.1, r = 1,27 eineni Q = 21 kcal zugeordnet, und fur jede Aktivierungsenergie nun der entsprechende r-Wert ausgerechnet. Einem A Q = C , l entsnricht ein Ar = 0,009. E’ur nicht allzu extreme Verhaltnisse ergeben sich noch Werte, die die Ergebnisse dieser Bet,rachtungsweise nicht wesentlich verandern; z. B. 1,00/1,17 bis 1,00/1,30.

Setzt man diese Werte fiir r ein, so ergibt die Rechnung bei Silber- pulver I1 und I11 fiir log Z in Abhangigkeit von der VET die in der Abb. 8 dargestellten Kurven. Sie zeigen einen uberraschend ahnlichen Verlauf vvie die der spezifischen Aktivitat und stellen den Gang der Zahl der Reaktionsgelegenheiten dar. Z. B. ist zivischen 400°C und 500°C VET trotz energetischer Verschlechterung eine Steigerung der spezifi-

iog L 17.6

1?.5 - n 4

0- ZOO 400 600 8004C P

Vorbehnndlunqslemperntur

Abb.8. V e r g l e i c h d e r GroBe l og Z m i t d e r spez . A k t i v i t a t 0-0 Spezifische Aktivitat, o - - - o log Z

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2.10 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 281. 1955

schen Aktivitat infolge starker Vermehrung der aktiven Kristallflachen erfolgt, die bis 600°C VET anha,lt, jetzt aber rnit geringer Steigerung von log Z, aber gleichzeitig zunehmender energetischer Verbesserung. Der =\bfall der spezifischeii Aktivitat ab 600°C VET stimmt uberein rnit dem Abfall des log Z, wahrscheinlich erfolgt Sinterung und starke Verkleine- rung bzw. Zerstorung der aktiven Flachen.

Wahrend sich die Werte von log ix iiber einen Bereich von rd. 2 Zehnerpoten- zen erstrecken, liegen die Werte von log Z fast innerhalb einer halben Zehnerpotenz, was im Hinblick auf die angenomme geomet,rische (topographische) Natur dieser GroBe plausibler erscheint.

Auch beim Kupfer ahneln sich die Kurven fur log Z und fur die spezifische ,Iktivitat sehr.

D. Gesamtergebnis 1. Pulverformige Silberkatalysatoren katalysieren nur mit einem

Bruchteil ihrer Oberflache. Diese Feststellung entspricht dem ersten Teil der Aussage TAYLORS iiber die aktive Oberflache bei Katalysatoren.

2 . Dieser aktive Teil der Oberflache (spezifische Aktivitat) nimmt iii gewissen Tempera turbereichen mit steigender VET zu.

3. Es bilden sich dabei zunehmend kristallographisch geordnete, stabile und gut wirksame Bezirke (wahrscheinlich Kristallflachen).

4. Unter Berucksichtigung der quantenmechanischen ubergangs- n.ahrscheinlichkeit der Elektronen la13t sich aus dem Faktor a der ARRHE- sIus-Gleichung eine Griilje Z isolieren, die ein Ma13 fur die Zahl der Re- alitionsgelegenheiten ist. Sie zeigt einen ahnlichen Verlauf wie die spezi- fische Aktivitat.

5. Die Ergebnisse iiber die Natur der aktiven Oberflache der Silber- pulver stehen nicht im Eiiiklang mit der speziellen Aussage TAYLORS iiber den ungeordneten bzw. ungesattigten Zustand der ,,aktiven Zen-, tren".

Es ist wohl nicht zulassig, diese Ergebnisse ohne weiteres zu verall- gemeinern. Inimerhin erscheint es bemerkenswert, da13 das Vorliegen eines ungeordneten oder gestorten Zustandes der Oberflache keineswegs eine unabdingbare Voraussetzung fiir eine katalytische Aktivitat ist.

Rostock, Institut fur Katalyseforschung der Deutscheti Akademie der Wissenschufteia x u Berlin und Chemisches Institiit der Universitut ;

Berlin, I . Chemisches Institut der Humboldt- Universitcit.

Bei der Redaktion eingegangen am 30. Juni 1955.