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Die Angewandte Makromolekulare Chemie 172 (1989) 79- 85 (Nr. 2850) * Deutsches Textilforschungszentrum Nord-West e.V., Frankenring 2, D-4150 Krefeld 1 **Deutsches Wollforschungsinstitut an der RWTH Aachen, D-5 100 Aachen Oberflachenstrukturierung polymerer Fasern durch UV-Laserbestrahlung* 5. Oberflachenstrukturierung und Laserablation von Seide Dierk Knittel*, Karola Schtifer** und Eckhard Schollmeyer* (Eingegangen am 16. September 1988) ZUSAMMENFASSUNG: Durch Untersuchungen an Seide (Fibroin von Faltblattstruktur des P-Keratintyps) wird untermauert, daR neben von auRen aufgebrachten Spannungen und neben inter- nen Spannungsfeldern in Synthesefasern auch Spannungen in einer Polymerkette, die durch ihren chemischen Aufbau bedingt sind, in Zusammenwirken mit einem laserin- duzierten Temperaturfeld zur Strukturierung der FaseroberflBche fuhren konnen. Die Bedeutung der erzielten regelmBRigen Rollenstruktur an Faseroberfliichen fur Anwendungsmoglichkeiten wird diskutiert. SUMMARY: Investigations on silk (fibroin of the P-keratin type) show that besides externally created stress or intrinsic stress due to fixation of the polymer structure during manu- facturing of synthetic fibers the release of stretched configuration due to chemical structure of fibrous material leads to surface structuring by UV-laser-irradiation. These structures are believed to gain great significance in textile applications. 1. Einleitung Mehrere Arbeiten haben gezeigt dal3 synthetische Faserstoffe wie Po- lyester (PETP), Polyamide (PA) und Polyurethane (PU) durch Bearbeitung mittels Excimerlasern eine rollenartige, regelmanige Strukturierung der Fa- seroberflache erfahren. In Modellvorstellungen wurde erlautert, dal3 durch ein Zusammenspiel von Spannungsfeldern in der Faser und dem durch die eingetragene Laser- energie verursachten Temperaturfeld Fluktuationen im Festk6rper derart * Teil4 vergl. Lit.*. @ 1989 Hathig & Wepf Verlag, Basel OOO3-3146/89/$03.00 79

Oberflächenstrukturierung polymerer fasern durch UV-laserbestrahlung. 5. Oberflächenstrukturierung und laserablation von seide

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Page 1: Oberflächenstrukturierung polymerer fasern durch UV-laserbestrahlung. 5. Oberflächenstrukturierung und laserablation von seide

Die Angewandte Makromolekulare Chemie 172 (1989) 79- 85 (Nr. 2850)

* Deutsches Textilforschungszentrum Nord-West e.V., Frankenring 2, D-4150 Krefeld 1

**Deutsches Wollforschungsinstitut an der RWTH Aachen, D-5 100 Aachen

Oberflachenstrukturierung polymerer Fasern durch UV-Laserbestrahlung*

5. Oberflachenstrukturierung und Laserablation von Seide

Dierk Knittel*, Karola Schtifer** und Eckhard Schollmeyer*

(Eingegangen am 16. September 1988)

ZUSAMMENFASSUNG: Durch Untersuchungen an Seide (Fibroin von Faltblattstruktur des P-Keratintyps)

wird untermauert, daR neben von auRen aufgebrachten Spannungen und neben inter- nen Spannungsfeldern in Synthesefasern auch Spannungen in einer Polymerkette, die durch ihren chemischen Aufbau bedingt sind, in Zusammenwirken mit einem laserin- duzierten Temperaturfeld zur Strukturierung der FaseroberflBche fuhren konnen.

Die Bedeutung der erzielten regelmBRigen Rollenstruktur an Faseroberfliichen fur Anwendungsmoglichkeiten wird diskutiert.

SUMMARY: Investigations on silk (fibroin of the P-keratin type) show that besides externally

created stress or intrinsic stress due to fixation of the polymer structure during manu- facturing of synthetic fibers the release of stretched configuration due to chemical structure of fibrous material leads to surface structuring by UV-laser-irradiation. These structures are believed to gain great significance in textile applications.

1. Einleitung

Mehrere Arbeiten haben gezeigt dal3 synthetische Faserstoffe wie Po- lyester (PETP), Polyamide (PA) und Polyurethane (PU) durch Bearbeitung mittels Excimerlasern eine rollenartige, regelmanige Strukturierung der Fa- seroberflache erfahren.

In Modellvorstellungen wurde erlautert, dal3 durch ein Zusammenspiel von Spannungsfeldern in der Faser und dem durch die eingetragene Laser- energie verursachten Temperaturfeld Fluktuationen im Festk6rper derart

* Teil4 vergl. Lit.*.

@ 1989 Hathig & Wepf Verlag, Basel OOO3-3146/89/$03.00 79

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D. Knittel, K. Schafer und E. Schollmeyer

verstarkt werden, da13 eine Strukturbildung eintreten kann, wobei zuerst das Temperaturfeld als auslosende Triebkraft angesehen wurde I .

Die Spannungsfelder konnen, wie an PU-Elastomeren gezeigt wurde, ex- tern aufgebracht werden* oder sind durch die Spinnprozesse hervorgerufen und durch ein Netzwerk von Kristalliten als Vernetzungspunkte blockiert. Es ist zu beachten, da8 in Festktirpern thermomechanische Kopplungen auftre- ten, die nach Nicolis und Prigogine' bei bestimmten Schwellenbelastungen zur Verstarkung der Fluktuationen und damit zu Instabilitaten im System fuhren.

Die Ergebnisse an den Elastomeren, bei denen die Rollenbildung im we- sentlichen durch die GrBDe der aufgebrachten Spannungen bestimmt wird - veranderte Laserenergie und damit verbunden ein verandertes Temperatur- feld in der Faseroberflachenschicht sind weitgehend ohne Einflufi - unter- streichen hingegen die Bedeutung der Spannungsrelaxation als , , fuhrende Fluktuation" im Sinne Prigogines.

Veranderungen der Oberflachenstruktur bzw. -beschaffenheit eines Tex- tilgutes sind aus anwendungstechnischen Gesichtspunkten von hohem Inter- esse. Die Eigenschaften einer Faseroberflache beeinflussen wesentlich die Gebrauchs- und Verarbeitungseigenschaften des textilen Materials.

Die durch die Rollenbildung an der Oberflache bedingte Aufrauhung von Fasern lafit stark veranderte Haftungs- und Benetzungseigenschaften erwar- ten. Durch eine derartige Aufrauhung lafit sich eine bessere Haftung aufge- brachter Partikel erzielen, was auch schon fur die Feinststaubabscheidung und die Metallisierung von Geweben erfolgreich demonstriert worden ist 6, '. Es wurde daher nun versucht, auch den Bereich der Naturfaserstoffe fur die- se Behandlung zu erschliefien.

Diese Strukturierung belafit wegen ihrer geringen Behandlungstiefe den Kern der Faser und damit ihre spezifische Festigkeit praktisch unverandert (ca. 3% Veranderung der Hochstzugkraftdehnung bei PETP und PA).

2. Experimentelles

Seidengewebe (Crepe de Chine, Dicke 190 pm, Kette: 60 Fd/cm, 58 dtex, SchuB: 39 Fdlcm, 86 dtex) wurde auf einer rotierenden Trommel eingespannt und vor dem La- serstrahl vorbeigefuhrt (Excimerlaser EMG 101 MSC, Fa. Lambda Physik, Gottin- gen). Die Rotation der Trommel triggert den Laserpuls derart, dal3 jedes Flichenele- ment des Gewebes von 10 SchuB getroffen wird. Die Behandlung wurde mit einer Fre- quenz von 16 Hz im Energiebereich von 40 bis 3200 mJ/cm2 bei Wellenlangen von 193 und 248 nm durchgefuhrt. Zur Bestimmung der Ablationsschwelle wurde eine

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Oberfachenstrukturierung polymerer Fasern durch U V-Laserbestrahlung

fest montierte Probe mit 2 Hz Pulsfrequenz bestrahlt, bis ein dahinter angebrachtes Joulemeter (Fa. Gentec ED 500) den Durchschlag des Laserstrahls anzeigte.

Das Absorptionsspektrum von entbasteter Maulbeerseide (Bombyx mori) wurde nach Einbettung in Immersionsglyzerin mit Hilfe eines Scanning Mikroskop-Photo- meters 03 (Zeiss) aufgenommen.

3. Ergebnisse und Diskussion

Fur Seidengewebe wurde entsprechend der Vorgehensweise von Srini- vasan" , d. h. der Annahme der Giiltigkeit eines Beer'schen Zusammenhangs von Abtragung und der angewandten Energiedichte fur die Stoffablation, die Schwellenenergiedichte bestimmt, bei der Abtragung einsetzt. Die Resul- tate sind in Abb. 1 und Tab. 1 dargestellt.

a / 2L8nm

I /

I /

A

0 I I

2.00 2.10 2.80 3.20 3.60 logvllp in rnJ/crn2)

Abb. 1 . Laser-Atzkurven von Seide (Crepe de Chine) bei 193 nm und 248 nm. (cp: Energiedichte).

Im Zuge der Ablation ist ein leichter Schwefelgeruch feststellbar, der of- fensichtlich vom Abbau des Cystinanteils des Naturstoffs herruhrt. Im Ge- gensatz zu Polyester und synthetischen Polyamiden tritt nur eine leichte Ver- gilbung der Randzonen auf. Die Abtragungstiefe pro Puls liegt bei 193 nm

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D. Knittel, K. Schlfer und E. Schollmeyer

Tab. 1 . Schwellenenergiedichte &hr& und Absorptionskoeffiient p der Seide fiir 193 und 248 nm.

52,3 0,46 165 0,11

und 170 mJ/cm2 bei 0,9 pm, bei gleicher Energiedichte und 248 nm Wellen- lange praktisch bei 0 pm.

Abb. 2a, b zeigen rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen behandel- ter Proben von Seidengewebe. Die bei der langeren Wellenlange bestrahlten Proben weisen noch dasselbe Aussehen auf wie unbehandelte Seide (Abb. 2a), wahrend die Bestrahlung, nahe der Ablationsschwelle, bei 193 nm eine rollenartige Strukturierung der Faseroberflache senkrecht zur Faserachse ausbildet (Abb. 2b). Diese Rollen besitzen einen Abstand von Tal zu Tal von 1,02 f 0,06 pm und eine Dicke von 0,39 k 0,07 pm. Synthetisches Polya- mid (PA 66) zeigt unter ahnlichen Behandlungsbedingungen Rollen von weit grbneren AusmaBen (= 2 pm).

(a) (b)

Abb. 2. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Seide; a) nach Laserbe- handlung bei 248 nm, b) bei 193 nm (10 Pulse zu 68 mJ/cm2).

Voraussetzung fur die laserinduzierte Oberflachenstrukturierung ist, daB das Laserlicht stark von der Probe absorbiert wird. Abb. 3 zeigt hierzu das UV-VIS-Spektrum von entbasteter Seide. Es ist ersichtlich, da13 bei 248 nm die Absorption zu gering ist, urn eine ausreichende TemperaturerhBhung fur

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OberflUchenstrukturierung polymerer Fasern durch U V-Laserbestrahlung

R

0.60

R R R

0.20

0 1 230 280 330 380 130 180

(nrn)

Abb. 3. UV-Absorptionsspektrum von entbasteter Seide (Bombyx mori).

einen lokalen Schmelzvorgang an der Faseroberflache zu erreichen. Fur 193 nm ist dagegen wegen des Gehalts an aromatischen Aminosauren wie Tyro- sin (ca. 5%) eine ausreichende Absorption der Strahlung in den Oberfla- chenschichten der Probe zu erwarten.

Als Ursache fur diese Oberflachenstrukturierung mulj die Faltblattstruk- tur des Seidenfibroins (Abb. 4) diskutiert werden*.

Im Erspinnen des Seidenfadens durch die Larven (meist der Motte Bom- byx mori) wird der Peptidkette des Fibroins eine innere Spannung durch die

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Extrusion aufgepragt, die dem irregular geknauelten Molekul eine Orientie- rung in Richtung des Spinnens in Form der Faltblattstruktur @-Keratin- struktur) verleiht und sie durch Teilkristallisation (etwa 60%) verfestigt. Der Zusammenhalt zwischen benachbarten Ketten wird durch Wasserstoff- brucken gewahrleistet. Diese Struktur gilt auch fur regeneriertes Fibroin'.

Die Oberflachenstrukturierung des Seidenfibroins durch den Eintrag der gepulsten Laserenergie ergibt sich durch die Triebkraft der Freisetzung der inneren Spannung durch Aufschmelzen von Haftpunkten (Kristallite im un- geordneten Bereich, Wasserstoffbrucken) im Fibroinmolekul und einem Ubergang des Fibroins der Oberflache in starker fehlgeordnete Bereiche bei einem kurzzeitigen, laserinduzierten Schmelzvorgang. Auch bei der Bestrah- lung von Keratinfasern mit UV-Licht wird eine Zerstorung der Tertiar- und Quartarstruktur und die Bildung von amorphen bzw. weniger geordneten Proteinen beobachtet'. Ein Ubergang des P-Keratins in die helikale a-Form ist nach Zahn" auszuschlienen, da letztere als metastabil anzusehen ist und da thermische Behandlungen von P-Keratin keine Umwandlung, bestenfalls Abbau hervorrufen. Nach Bahners und Schollmeyer ' entwickelt sich durch den laserinduzierten Schmelzvorgang eine rollenartige Marangoni-Konvek- tion in der oberflachlichen Schmelzschicht. Dies ergibt letztlich einen einge- frorenen Zustand in Rollenform, da in den Pulsintervallen genugend Zeit fur eine Abkuhlung der Faseroberflache besteht.

In der vorhergehenden Arbeit2 (Teil 4) ist durch Untersuchungen an ver- schieden gedehnten Elastomerfasern gezeigt worden, da8 als treibende Kraft fur die Rollenbildung das Spannungsfeld in der Faser anzusehen ist. Das durch die absorbierte Laserenergie hervorgerufene Temperaturfeld allein ge- nugt nicht, eine Marangoni-Stromung zu induzieren. So zeigt kaum ver- strecktes Polyurethanelastomeres - mit wenig inneren Spannungen bzw. ohne Aufbringen einer auDeren Dehnung - auch keine Rollenbildung durch LaserbeschuD. Durch die Untersuchungen an der Seide ist nun sichergestellt, daD neben von aunen aufgebrachten Spannungen und neben internen Span- nungsfeldern in Synthesefasern auch Spannungen in einer Polymerkette, die durch ihren chemischen Aufbau bedingt sind, in Zusammenwirkung mit ei- nem Temperaturfeld zur Strukturierung der Faseroberflache fiihren konnen.

Wir danken dem Forschungskuratorium Gesamttextil fur die finanzielle Forderung dieses Forschungsvorhabens (AIF-Nr. 75 16), die aus Mitteln des Bundeswirtschaftsministeriums uber einen ZuschuD der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AIF) erfolgte.

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Oberfliichenstrukturierung polymerer Fasern durch U V-Laserbestrahlung

Wir bedanken uns aurjerdem beim Fonds der chemischen Industrie fur die Bereitstellung von Forschungsmitteln.

' * T. Bahners, E. Schollmeyer, Angew. Makromol. Chem. 151 (1987) 19, 39

T. Bahners, E. Schollmeyer, Angew. Makromol. Chem. 170 (1989) 203 T. Bahners, E. Schollmeyer, Makromol. Chem., Rapid Commun. 9 (1988) 115 A. Bossmann, T. Bahners, E. Schollmeyer, Melliand Textilber. 68 (1987) 136 G. Nicolis, I. Prigogine, Die Erforschung des Komplexen, Piper Verlag, Miinchen 1987 T. Bahners, E. Schollmeyer, Staub 47 (1987) 115 D. Knittel, E. Schollmeyer, Melliand Textilber. 69 (1988) 525 R. M. Robson, in Handbook of Fiber Science and Technologie, Vol. IV, M. Lewin, E. M. Pearce, (Hrsg.) Marcel Dekker, New York 1985, S. 647 K. Jisrissen, Dissertation, RWTH Aachen 1982 E. Elisd, H. Zahn, Melliand Textilber. 28 (1947) 2 R. Srinivasan, B. Braren, J. Polym. Sci., Polym. Chem. Ed. 22 (1984) 2601

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