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Dipl.-Psych. Dr. Lars Tischler · [email protected] · tischlerweb.wordpress.com ? SELEKTIVITÄT Aufmerksamkeit Was ist das überhaupt? . Oder: Warum nicht alles gleichzeitig? Bewusstheit · Willkür · Selektivität

Oder: Warum nicht alles gleichzeitig? Aufmerksamkeit ... · Stroop-Effekt Lesen erfolgt regelmäßig hochgradig automatisiert. Wenn wir ein Wort sehen, können wir nicht anders, als

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?SELEKTIVITÄT

AufmerksamkeitWas ist das überhaupt?

.Oder: Warum nicht alles gleichzeitig?

Bewusstheit · Willkür · Selektivität

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ADHSAufmerksamkeit

Was ist das überhaupt?

Ablenkung – innerer Drang – überschießende Motorik – Genetik – Neurotransmitterhaushalt

Funktion · Verhalten · Neurobiologie

Unaufmerksamkeit, Impulsivität, Hyperaktivität

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Multiaxiales Klassifikationsschema nach ICD-10-2017 GM

http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10-gm/kodesuche/onlinefassungen/htmlgm2017/block-f90-f98.htm

I. Symptomatik und Ursache

Vgl. www.awmf.org – Leitlinie ADHS

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· F90.0 Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ADHS)

· F90.1 Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens

· F98.8 Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität

· Unaufmerksamkeit — notwendig zur Diagnosestellung

· Hyperaktivität — notwendig zur Diagnosestellung

· Impulsivität — Forschungskriterium

situationsübergreifend – mindestens sechs Monate – Beginn meist < 6. Lj.

Auschlussdiagnostik

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Unaufmerksamkeit oder Impulsivität?

Unaufmerksamkeit – passiver Abzug von Aufmerksamkeit

· Aufgaben- und Tätigkeitenabbruch

· Aktivitätenwechsel durch Ablenkung (innen und außen)

Impulsivität – aktiver Ausdruck inneren Drangs

· überstürzte Reaktionen

· nicht warten können

· Expression unter Nichtbeachtung sozialer Beschränkungen

objektaleAblenkung

subjektalerAntrieb

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· Unaufmerksamkeit Aufmerksamkeitsstörung

· Hyperaktivität motorische Verhaltensstörung

· Impulsivität emotionale Verhaltensstörung

DSM-5: Disruptive, Impulse-Control and Conduct Disorders

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Diagnostic and statistical manual of mental disorders – DSM-5

ADHS als Neuroentwicklungsstörung – Neurodevelopmental Disorder, ebenfalls

· Sprech- und Sprachstörungen

· Autismusspektrumsstörung

· Intelligenzminderung

· ADHS

· umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten

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· Entwicklungsstörung

· frühe Manifestation, oftmals vor Schuleintritt

· Entwicklungsdefizit, das Beeinträchtigungen im

- persönlichen

- sozialen

- schulischen

- beruflichen ‚Funktionieren‘ verursacht.

psychosoziales Funktionsniveau„specific deficits in an individual‘s ability to perceive or process information efficiently and accurately“ (APA, 2013, S. 32)

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ADHS ist

nicht die Störung, sondern ein mögliches Symptom

einer grundlegenden, frühen Beeinträchtigung von Funktionen, die eng mit der biologischen Reifung des

zentralen Nervensystems

Symptomsondern

Störungnicht

verknüpft sind.

≠ Disruptive, Impulse-Control and Conduct Disorders

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II. Aufmerksamkeit als Funktion und Informationsverarbeitung

· Neuropsychologie Psyche als Funktionsarchitektur

· Allgemeine Psychologie Psyche als Prozesskonfiguration undkapazitätslimitiertes Informationsverarbeitungssystem

Aufmerksamkeit als neuropsychologische Funktion und

InformationsverarbeitungsprozessFunktion

allgemeinpsychologischer

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Neuropsychologische Taxonomie der Aufmerksamkeit nach Sturm

fokussierte Aufmerksamkeit geteilte Aufmerksamkeit

Distraktoren · Ablenkung parallele Reizverarbeitung

Reaktionsunterdrückung · Hemmung kognitive Flexibilität

Wahlreaktionsaufgaben

Selektive Aufmerksamkeit / Aufmerksamkeitssteuerung

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Allgemeinpsychologische InformationsverarbeitungsprozesseAufmerksamkeit ist immer Selektion / Selektivität

Selektion

Deselektion

Psyche als kapazitätslimitiertes InformationsverarbeitungssystemBroadbent, 1958 – bottleneck-theory

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Grundlagen der Flaschenhals- / Filtertheorie der Aufmerksamkeit

· Split-Span Paradigma

· Dichotisches Hören und Shadowing

· PRP-Paradigma

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Bsp: 3 – 65 – 98 – 2

11 – 8

Split-Span: früher Filter auf physikalischer Ebene

Zahlwörter werden nicht zeitlich-gepaart (3-6, 5-9 ...) gelernt, sondern nach Kanal gruppiert (3-5-8-11, 6-9-2-8)

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Dichotisches Hören

Ihnen werden zwei auditiv-verbale Reize simultan dargeboten. Bitte achten Sie nur auf den linken Kanal(Frauenstimme, Shadowing).

Wir können einen Kanal ausblenden. Wir nehmen auf diesem dann nur unerwartete Veränderungen wahr, wieetwa laute Geräusche, Veränderungen in der Tonhöhe etc. Die Verwendung von Pseudowörtern oder rückwärtsabgespielte Wörter fallen nicht auf.

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Willkürliche Ausrichtung der Aufmerksamkeit

Wir sind in der Lage, etwa auf einer Cocktailparty, unseren Aufmerksamkeitsfokus willentlich – willkürlich –von einem auf ein anderes Gespräch zu verschieben.

Die Tatsache, dass wir in einem Gemurmel unseren eigenen Namen wahrnehmen, selbst wenn wir nicht aktivdarauf gewartet haben, wird Orientierungsreaktion genannt. Diese unwillkürliche Attraktion derAufmerksamkeit sollte nicht mit der willkürlichen Aufmerksamkeitsverschiebung verwechselt werden.

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PRP-Effekt – Psychologische Refraktär-Periode

Werden in unterschiedlichen Abständen nacheinander zwei Reize präsentiert, auf die auf dieselbe Art undWeise mit Tastendruck(etwa Wahlreaktion Tastendruck links oder Tastendruck rechts) zurReaktionszeitmessung reagiert werden soll, steigt die Reaktionszeit auf den zweiten Reiz an, je kürzer derZeitabstand zur Darbietung des ersten Reizes.

Dieses Phänomen wird als PRP-Effekt bezeichnet und gilt als Beleg für die Selektivität von Aufmerksamkeit. DieReaktion auf den zweiten Reiz kann erst dann erfolgen, wenn die Reaktionsauswahl für den ersten Reizabgeschlossen ist.

Wir können zwei Reize gleichzeitig wahrnehmen, wir können gleichzeitig wahrnehmen und reagieren, wirkönnen gleichzeitig zwei Handlungen ausführen – nicht jedoch können wir zwei Entscheidungen zur selben Zeittreffen. Hier befindet sich der Bottleneck, der Verarbeitungsengpass auf der zentralen Stufe derReaktionsauswahl.Hier findet sich der Beleg für Psyche als ein kapazitätslimitiertes Informationsverarbeitungssystem.

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Wer vieles macht zur gleichen Zeit,

macht alles halb und nichts gescheit!

...daraus folgt zwangsläufig:

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HEMMUNGUnsere bewusste Psyche

stellt ein kapazitätslimitiertes Informationsverarbeitungssystem

dar, in dem Reize

seriellprozessiert werden.

Automatisierte, unbewusste Reizverarbeitungverläuft parallel.

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A BLAU ROT GRÜN GELB SCHWARZ

GRÜN SCHWARZ ROT BLAU GELB

B BLAU ROT GRÜN GELB SCHWARZ

GRÜN SCHWARZ ROT BLAU GELB

kongruente (A) und inkongruente (B) Bedingung beim Stroop-Paradigma

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Farbwort oder Wortfarbe?

Sie sehen gleich die Farbwörter GELB, ROT, GRÜN, SCHWARZ und BLAU jeweils

einzeln in zufälliger Reihenfolge in der Mitte der Leinwand.

Die Farbwörter sind in unterschiedlichen Farben geschrieben. Die Farbgebung

erfolgt ebenfalls zufällig.

Ihre Aufgabe besteht nicht darin, das Farbwort vorzulesen, sondern die

Wortfarbe – also die Farbe, in der das Wort geschrieben ist – die Schriftfarbe –

zu nennen: Bitte nennen Sie jeweils die Farbe, in der das Wort geschrieben

ist.

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Stroop-Effekt

Lesen erfolgt regelmäßig hochgradig automatisiert. Wenn wir ein Wort sehen, können wir nicht anders, als es zulesen. Wird ein Farbwort schwarz in roter Schriftfarbe dargeboten, werden wir automatisch zunächst dasFarbwort lesen, anstatt gemäß der Aufgabenstellung die Schriftfarbe zu benennen. Die Unterdrückung derautomatisierten Reaktion führt zu längeren Reaktionszeiten oder bei Misslingen zu einer Erhöhung derFehlerrate.

Mit solchen Aufgaben, wie etwa auch gemäß dem Simon-Paradigma (Simon-Effekt; Wahlreaktionsaufgaben)lässt sich die Hemmfähigkeit trainieren. Ähnliche Aufgaben finden sich entsprechend auch inneuropsychologischen Funktionstrainings zur Behandlung von Aufmerksamkeitsstörungen.

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Integratives Aufmerksamkeitsmodell · W. Prinz

Filter Relevanzfilter Signifikanzfilter Pertinenzfilter

Selektionsgrundlage aktuelle Intention permanente Disposition Situationsmodell

Selektivitätsmodus willkürlich unwillkürlich

Reiz spezifisch unspezifisch

Ablenkung

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III. Konsequenzen für die Behandlung von ADHSAnsatzpunkte

a) Funktion Training allgemeinpsychologischer Informationsverarbeitungsprozesseneuropsychologischer Funktionen

b) Verhalten Lernen neuer Verhaltensweisen

Funktionen sind angeboren – ihre Entwicklung kann unterstützend trainiert werden.

Verhalten ist erlernt – bestehendes Verhalten kann verlernt, neues Verhalten erlernt werden.

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Ziel verhaltenstherapeutischer Intervention Verstärkung

· Erhöhung der Auftretenswahrscheinlichkeit eines erwünschten Verhaltens

vorher Verstärkung nachher

Positive = +Verstärkung

Hinzufügen eines angenehmen Reizes

Negative = —Verstärkung

Entfernen eines unangenehmen Reizes

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Ein Verhalten wird erlernt (Erhöhung der Auftretenswahrscheinlichkeit), wenn regelmäßig unmittelbar nach demgezeigten Verhalten ein Zustand eintritt, der sich als angenehmer erweist als vor dem gezeigten Verhalten.

Dies kann geschehen durch Hinzufügen eines angenehmen Reizes (positive Verstärkung) oder durch Entferneneines unangenehmen Reizes (negative Verstärkung).

Ein Kind, dass seine Hausaufgaben aufschiebt (negative Verstärkung, Ausbleiben eines unangenehmen Reizes),wird durch die Zuwendung der Eltern (überreden, Nähe etc.) zusätzlich positiv verstärkt. Wenn das Kind sichsträubt (weinen, schimpfen) werden die Eltern ebenfalls verstärkt, wenn sie nicht auf der Erledigung derHausaufgaben bestehen. Negative Verstärkung: Schuldgefühle gegenüber dem Kind und Konflikt (schreiendesKind) bleiben aus; positive Verstärkung: Dankbarkeit/Zuwendung des Kindes/durch das Kind.

Verhalten sich Eltern inkonsequent (uneinheitliche Reaktion der Eltern), lernt das Kind Frustrationen auszuhaltenund ein extrem löschungsresistentes Vermeidungsverhalten wird aufgebaut. Es wird sich beim nächsten Malnoch länger Sträuben, um den Hausaufgaben aus dem Wege zu gehen. Die Reaktion der Eltern (Konsequenz)sollte unmittelbar und verlässlich (kontingent) erfolgen.

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Kontingenzmanagement und Verhaltensanalyse – SORCK

S O R C KStimulus/Reiz Organismus Reaktion Contingenz Konsequenz

PatientIn Bezugsperson

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Zusammenfassung

· ADHS ist eine Neuroentwicklungsstörung,

· grundlegende Informationsverarbeitungs-/Funktionsstörung

· In der Folge kommt es häufig zu emotionalen und Verhaltensstörungen sowie

Beeinträchtigungen in schulischen Leistungen

· Funktionstraining

· Verhaltenstherapie

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Herzlichen Dank für Ihre

Aufmerksamkeit!

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