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Über die menschlichen Skelettreste aus dem Pfahlbau am Alpenquai in Zürich. Von OTTO SCHLAGINHAUFEN. (Hiezu Tafel X1II—XV.) (Als Manuskript eingegangen am 1. Mai 1917.) Bei den Baggerarbeiten, welche die Direktion des Schweizerischen Landesmuseums im Winter 1915/16 in dem an den Alpenquai an- grenzenden Teil des Zürichsees zur Ausbeutung des dort zutage getretenen Pfahlbaus vornehmen liess, wurde, rascher als man er- warten durfte, auch anthropologisches Material gehoben.') Am 25. Februar 1916 förderte der Bagger als erstes Objekt einen ver- hältnismässig gut erhaltenen Schädel ans Tageslicht, und als Ende März die Ausgrabungen einen vorläufigen Abschluss fanden, lag bereits eine Kollektion von drei Schädeln, zehn Schädelfragmenten und sechs Extremitätenknochen vor. Absolut genommen klein, ist die Zahl dieser Objekte doch erheblich im Vergleich zu den bisher aus anderen Pfahl- bauten des Zürichsees bekannten anthropologischen Materialien; denn bisher waren nur drei nennenswerte Skelettfunde aufzuzählen: 1. eine Hirnschale aus der frühneolithischen Station von Obermeilen; 2. ein Schädeldach vom „grossen Hafner", einer in geringer Distanz vom Utoquai, etwa auf der Höhe des Stadttheaters gelegenen Pfahlbau- station der dpoque morgienne ; 3. ein besser erhaltener Schädel aus der bronzezeitlichen Pfahlbaustation „Haumesser" bei Wollishofen. Als Fundstücke, die im Gebiet des Kantons Zürich aufgedeckt wurden, gingen die Skelettreste aus dem Pfahlbau Alpenquai gemäss den Bestimmungen des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (§ 724) in den Besitz des Staates über. Sie wurden der Sammlung des Anthro- pologischen Institutes der Universität Zürich einverleibt, welchem laut dem vom Regierungsrat des Kantons Zürich erlassenen Reglement über die Behandlung der Funde von Naturkörpern das Recht zur Bearbeitung und Veröffentlichung des anthropologischen Materials zusteht. i) Ein kurzer vorläufiger Bericht erschien am 3. März 1916 in Nr. 344 der „Neue» Zürcher Zeitung".

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Über die menschlichen Skelettreste aus dem Pfahlbau am Alpenquai in Zürich.

Von

OTTO SCHLAGINHAUFEN.

(Hiezu Tafel X1II—XV.)

(Als Manuskript eingegangen am 1. Mai 1917.)

Bei den Baggerarbeiten, welche die Direktion des Schweizerischen Landesmuseums im Winter 1915/16 in dem an den Alpenquai an-grenzenden Teil des Zürichsees zur Ausbeutung des dort zutage getretenen Pfahlbaus vornehmen liess, wurde, rascher als man er-warten durfte, auch anthropologisches Material gehoben.') Am 25. Februar 1916 förderte der Bagger als erstes Objekt einen ver-hältnismässig gut erhaltenen Schädel ans Tageslicht, und als Ende März die Ausgrabungen einen vorläufigen Abschluss fanden, lag bereits eine Kollektion von drei Schädeln, zehn Schädelfragmenten und sechs Extremitätenknochen vor. Absolut genommen klein, ist die Zahl dieser Objekte doch erheblich im Vergleich zu den bisher aus anderen Pfahl-bauten des Zürichsees bekannten anthropologischen Materialien; denn bisher waren nur drei nennenswerte Skelettfunde aufzuzählen: 1. eine Hirnschale aus der frühneolithischen Station von Obermeilen; 2. ein Schädeldach vom „grossen Hafner", einer in geringer Distanz vom Utoquai, etwa auf der Höhe des Stadttheaters gelegenen Pfahlbau-station der dpoque morgienne ; 3. ein besser erhaltener Schädel aus der bronzezeitlichen Pfahlbaustation „Haumesser" bei Wollishofen.

Als Fundstücke, die im Gebiet des Kantons Zürich aufgedeckt wurden, gingen die Skelettreste aus dem Pfahlbau Alpenquai gemäss den Bestimmungen des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (§ 724) in den Besitz des Staates über. Sie wurden der Sammlung des Anthro-pologischen Institutes der Universität Zürich einverleibt, welchem laut dem vom Regierungsrat des Kantons Zürich erlassenen Reglement über die Behandlung der Funde von Naturkörpern das Recht zur Bearbeitung und Veröffentlichung des anthropologischen Materials zusteht.

i) Ein kurzer vorläufiger Bericht erschien am 3. März 1916 in Nr. 344 der „Neue» Zürcher Zeitung".

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Der Abschluss der Grabungsarbeiten des Schweizerischen Landes-museums ist, wie schon angedeutet, nur ein vorläufiger ; es sind noch weitere Arbeitsperioden ins Auge gefasst, so dass auch für die Anthro-pologie die Aussicht auf weiteren sammlerischen Gewinn besteht Heute schon eine eingehende, vergleichende und rassendiagnostische Untersuchung vornehmen zu wollen, wäre angesichts der bestehenden Hoffnungen auf mehr Material verfrüht. Eine kurze morphologische Charakteristik der vorliegenden Knochenfunde dürfte aber jetzt schon am Platze sein.

Was die allgemeine äussere Erscheinung und den Erhaltungs-zustand unserer Objekte betrifft, so sind sie durch die für Pfahl-bauknochen charakteristische braune Farbe ausgezeichnet, die in ver-schiedenen Abstufungen wiederkehrt. Die Knochensubstanz ist, im Gegensatz zu den Befunden an anderen prähistorischen Skelett-stücken, fest und widerstandsfähig und die Oberfläche mit wenigen Ausnahmen nicht verwittert. In einem Falle waren Brandspuren nachzuweisen.

1. Die Schädel.

Von den drei bis jetzt aufgefundenen Schädeln entstammen zwei Erwachsenen, einer einem Kinde. Alle drei Exemplare entbehren des Unterkiefers, wie denn überhaupt im gesamten Material Unter-kiefer oder Reste von solchen gänzlich fehlen.

a) Schädel Nr. 1.

Pfahlbau Alpenqual Zürich, 25. Februar 1916. Späte Bronzezeit. Nummer der Anthropologischen Sammlung der Universität Zürich: 4405. D. I. 53,

Calvari um. Die Schädelbasis zeigt in der Region des Foramen magnum einen grossen Defekt, der die Pars lateralis und basilaris des Occipitale links nahezu vollständig, rechts teilweise eliminiert. Die vorhandenen Teile des Gesichtsskelettes habe ich zusammen-gesetzt und der Schädelkapsel angefügt. Es fehlen die obere Hälfte des rechten Maxilare, beide Nasalia und Palatina. Mediale und untere Wand der linken. Orbita, Vorderseite des linken Maxillare und hintere Hälfte der Gaumenplatte und rechter Jochbogen zeigen grosse Defekte.

Die absolute Grösse des Schädels und das stellenweise, nament-lich in der Temporalgegend ziemlich scharf markierte Oberflächen-relief machen die Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht wahr-scheinlich. Da alle Nähte noch deutlich offen, die Zähne aber stark abgekaut sind, muss sich das Individuum im vorgeschrittenen a d ult en , aber noch nicht im maturen Stadium befunden haben. Pathologische Merkmale sind nicht zu beobachten.

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Mit einer nach - der Hirsemethode ermittelten Kapazität von 1400 cm' fällt der Schädel in die Mittelgruppe, d. h. Unter die Euen-kephalen der Klassifikation von P. und F. SARASIN. Auch die beiden feststellbaren Diameter des Hirnschädels, die grösste Länge von 184 und die grösste Breite von 142 mm sind Masszahlen von mittlerer Grösse. Zueinander in Beziehung gesetzt, ergeben sie einen Längen-breiten-Index von 77, 2 und stellen den Schädel in die Gruppe der Mesokranen, resp. an die Grenze zwischen Subdolichokephale und Mesatikephale. Die Norma verticalis besitzt einen Umriss, der der Form „Ovoides" der kranioskopischen Typen von G. SERGI am nächsten kommt, da Stirne und Hinterhaupt abgestumpft erscheinen; doch erinnert die Kontur dadurch auch an den Typus „Ellipsoides", dass die grösste Schädelbreite mehr gegen die Mitte zu, d. h. etwa an der Grenze zwischen 6. und 7. Zehntel der Längsachse, gelegen ist. In der Scheitelansicht ist die grosse relative Breite der Stirn zu er-kennen; zahlenmässig tritt dies im transversalen Fronto-parietal-Index hervor, demgemäss die auch absolut genommen ziemlich an-sehnliche kleinste Stirnbreite von 99 mm 69,7 % der grössten Schädel-breite ausmacht. Die erhebliche Breitenentwicklung ist es auch, die an dem stattlichen Horizontalumfang von 529 mm besonderen Anteil hat. Sie selbst aber hat ihre Ursache in der Sutura frontalis persistens resp. in den Momenten, die den Zustand des Metopismus herbeiführten. Die Existenz der Stirnnaht übt ihren Einfluss auch auf die Kontur der Norma lateralis auf. Es kommt in der medianen Zone des Fron-tale zu einer Kielbildung, die von der Grenze zwischen dem ersten und zweiten Viertel an bis zum Bregma läuft, und dementsprechend erscheint in der Norma lateralis die Stirn stärker vorgewölbt. Die nicht sehr starke, aber relativ weit nach aufwärts reichende Glabellar-kurve setzt sich somit deutlich gegen die kräftig ansteigende Gerard-kurve ab. Hinter dem Bregma besteht eine Einsenkung, von der aus der Parietalbogen in flacher Wölbung gegen den Lambdapunkt. hinabzieht, um dort in die wohlgerundete Hinterhauptlinie überzugehen. Der orthokrane Längen-Ohrhöhen-Index von 61,9 entspricht dem Eindruck einer mittleren Höhenentwicklung des Schädels. Der Be-trachtung der Norma occipitalis ist zu entnehmen, dass die grösste. Schädelbreite ziemlich tief, d. h. auf dem hintern Teil der Squama„ temporalis liegt, von wo aus die Kontur, aufwärts konvergierend, die wenig ausgeprägten Tubera parietalia erreicht und dann in flachem Bogen zur Scheitelhöhe emporzieht.

Die einzelnen Knochen des Gehirnschädels zeigen wenig Besonder-heiten. Am Stirnbein, dessen Metopismus schon erwähnt wurde, sind die Arcus superciliares schwach, die Tubera frontalia eher stark

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ausgebildet. Jederseits verläuft ungefähr parallel zur Linea tempo-ralis und in einer Entfernung von ca. 1 cm von ihr eine schmale, aber markante Furche und endigt in einem Foramen, das durch seine Grösse — der transversale Durchmesser beträgt rechts 2,5, links 3 mm — auffällt und rechts 22. links 15 mm über dem Ober-rand der Orbita gelegen ist. Die Linea temporalis superior ist in ihrem präcoronoidealen Teil stark, aber nicht rauh entwickelt, wäh-rend die untere Schläfenlinie sich gerade entgegengesetzt verhält. Das Planum temporale des Stirnbeins ist, namentlich linkerseits, vorgewölbt und trägt mit dazu bei, dass der Angulus sphenoidalis des Parietale (wiederum hauptsächlich links) eingesunken erscheint. Dieser Eindruck wird noch durch die Nachbarschaft der unteren Schläfenlinie verstärkt, die mit dem Überschreiten der Sutura coro-nalis kräftig Wird, im Verlauf nach hinten wieder an Stärke abnimmt, aber als rauhe .Linie bis zu ihrem. Umbiegen in die Crista supra-mastoidea verfolgbar bleibt. Nahtanomalien zeigt die Pteriongegend nicht. Der grosse Keilbeinflügel verschmälert sich nach aufwärts nicht unerheblich. Auch die. Schuppe des Schläfenbeins, die schmal und hoch gebaut ist, spitzt sich in der Richtung nach oben und vorn zu. Die allerdings etwas defekten Processus mastoidei sind von mittlerer Grösse. Das Muskelmarkenrelief der Hinterhauptschuppe hält sich in bescheidenen Grenzen. Etwas stärker treten nur •die Lineae nuchae superiores und die Crista occipitalis externa hervor. Erwähnenswert ist eine Einsenkung, die jederseits an der Convexität der oberen Nackenlinie beginnt und dann furchenförmig, aber rasch verstreichend, nach innen und oben verläuft.

Da das Gesichtsskelett aus Fragmenten zusammengesetzt und an den Hirnschädel angefügt werden musste, beanspruchen die daran genommenen Masse nicht den Grad von Verlässlichkeit wie die Hirnschädelmasse. Eine neue Rekonstruktion würde Voraussichtlich etwas veränderte Messresultate ergeben. Die Jochbogenbreite von 130 und die Obergesichtshöhe von 71 • mm - sind Masszahlen von mittlerer Grösse; der Obergesichts-Index, obschon noch als mesen zu bezeichnen, tendiert mit 54,6 zur Leptenie, d. h. der langen Form. Hochgebaut ist auch die Orbita; ihr Index, dem die vom Maxillo-frontale aus gemessene Breite zugrunde liegt, beträgt 87,2. Unter Vorbehalt gebe ich die Indexzahl wieder, die sich aus den Messungen und Berechnungen an dem defekten Nasenskelett ergab; mit 53,8 ist sie zu den chamaerhinen Ziffern zu dellen. Auch die Feststellung der Maxilloalveolarmasse war wegen des defekten Erhaltungs-zustandes des Gaumens mit Schwierigkeiten verknüpft, und wenn aus ihnen ein Index von 143,7 erhalten wurde, so muss auch hier

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49'2 Otto Schlaginhaufen.

bei erneuter Zusammenfügung mit etwas veränderten Zahlen gerechnet werden. Doch handelt es sich sicher um eine kurze, breite Gaumen-form, und der Index wird nicht über die Grenzen der brachyuranischen Gaumen hinaustreten. Von den Zähnen sind jederseits der Eckzahn und die beiden untern Molaren, rechts ausserdem die beiden Prä-molaren erhalten. Abgesehen von dem linken, nicht durchgebrochenen Weisheitszahn sind alle übrigen Zähne post mortem ausgefallen. Die vorhandenen Zähne sind, mit Ausnahme des linken zweiten Molars, so stark abgekaut, dass das Zahnbein ganz oder teilweise freiliegt.

b) Schädel 11r. 2. Pfahlbau Alpenqual Zürich, 17. Miliz 1916. Späte Bronzezeit.

Nr. der Anthropologischen Sammlung der Universität Zürich: 4400. D. I. 54.

Calv aria. Defekte finden sich in der Siebbeinplatte, an den Flügelfortsätzen und dem Körper des Keilbeins, den Condyli occi-pitales und den Processus mastoidei. Auffallend ist, dass die braune Pfahlbaufarbe nur in der rechten Hälfte des Schädeldaches eine zusammenhängende Fläche bildet; in der linken Hälfte und im Be-reich der Schädelbasis herrscht ein hellerer Ton vor.

Allgemeiner Oberflächencharakter und Stirnbildung sprechen für das weibliche Geschlecht. Das Objekt steht am Übergang von der adulten zur maturen Periode; denn nur im hinteren Teil der Sutura sagittalis und in der rechten Schläfengegend sind Anfänge der Ver-wachsung zu beobachten. Krankhafte Erscheinungen fehlen.

Der Schädelinnenraum von 1335 cm° charakterisiert den Schädel als aristenkephalen. In den Längenmassen stimmt dieser Schädel mit dem vorhergehenden fast vollkommen überein ; es beträgt die grösste Sehädellänge 185, .die Glabello -Inionlänge 168 und die Glabello-Lambdalänge 179 mm. Dagegen steht der Schädel Nr. 2 mit 131 mm grösster Schädelbreite hinter dem Exemplar Nr. 1 erheblich zurück, und dementsprechend auch hinsichtlich des Längen-breiten-Index; die Zahl 70,8 ist der Ausdruck für eine ausgesprochen langgehaute, dolichokrane Form. In der Norma verticalis erscheint der Schädel als typischer Ovoides. Die Mediansagittalkurve beginnt am Nasion mit einer sehr schwachen Pars glabellaris, steigt steil, fast senkrecht an, biegt aber bald als gerundete Linie nach hinten und oben um ; sie erreicht den höchsten Punkt ziemlich weit hinter dem Bregma, etwa an der Grenze zwischen vorderem und mittlerem Drittel des Parietalbogens und fällt dann als zusehends flacher wer-dende Linie gegen das Lambda ab, wo der kräftig und schön ge-wölbte Occipitalbogen einsetzt. Legt man der Berechnung des

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Längenhöhenverhältnisses die Basion-Bregmahöhe von 132 mm oder die Ohr-Bregmahöhe von 111 mm zugrunde, so ergibt sich in jedem Fall eine orthokrane Zahl und zwar im ersteren 71,4, im letzteren 60,0. Die Basion-Bregmahöhe übersteigt die grösste Schädelbreite um 1 mm und bildet daher mit letzterer den ausgesprochen akrokranen Index 100,8. In der Norma occipitalis präsentiert sich die Schädelkontur anders als beim ersten Objekt. Da die grösste Schädelbreite höher, d. Ih zwischen Tubera parietalia und Sutura squamosa, liegt, konver-gieren von dort an die Seitenwände nach abwärts, wenigstens bis zur Crista supramastoidea, während der obere Teil der -Umrisslinien einen einzigen zusammenhängenden vollen Bogen bildet, der über den Scheitel hinwegläuft. Es liegt somit eine schwache Ausprägung der Bombenform vor.

Von der Stirnnaht ist in einer Entfernung von 16 mm vom Nasion ein 5 mm langer unzusammenhängender Rest vorhanden. Die Orbitaldächer besitzen Cribra orbitalia. Die Lineae temporales sind trotz ihrer schwachen Ausprägung auf ihrem ganzen Weg über das Parietale leicht zu verfolgen. Im Vergleich zu Schädel Nr. 1 ist die Temporalschuppe eher niedrig und breit, und auch die Ala magna ist breiter. Zwischen ihrer hinteren Ecke, dem Parietale und dem Temporale ist ein kleiner dreieckiger Schaltknochen eingefügt. Auf dem Warzenfortsatz tritt die Crista mastoidea stark hervor. Sie erscheint als Fortsetzung der Linea nuchae superior, welche von der Medianlinie bis zur Sutura occipito-mastoidea als Leiste deutlich hervortritt. Über der oberen Nackenlinie finden sich wiederum die Einsenkungen, die in der Beschreibung des vorhergehenden Objektes namhaft gemacht worden sind. Aus den Variationen der Schädel-basis hebe ich eine Ossifikationslücke im rechten Tympanicum hervor.

c) Schädel Nr. 3. Pfahlbau Alpenquai Zürich, 25. März 1916. Späte Bronzezeit.

Nr. der Anthropologischen Sammlung der Universität Zürich: 4407. D. I. 55.

Calvarium. Der besterhaltene der drei Schädel; Defekte zeigen den linken Warzenfortsatz, die beiden Jochbogen und die mediale Wand der linken Augenhöhle. Das Individuum steht in der Über-gangszeit zwischen früher und später Kindheit; der erste Molar ist ganz durchgebrochen. Der Hirnschädel ist mit dem ansehnlichen Innenraum von 1250 cm 3 ausgestattet. Die grösste Schädellänge von 169 und die grösste Breite von 132 mm kombinieren sich zum Längenbreiten-Index von 78,1. Die Basion-Bregmahöhe vou 125 mm liegt dem Längenhöhen-Index von 74,0 und dem Breitenhöhen-Index

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von 94,7 zugrunde. Bei der Normenbetrachtung fallen die typisch kindlichen Formen ins Auge. So ist in der Norma verticalis die Rhomboides-Form unverkennbar, mit welcher der ziemlich kleine transversale Frontoparietal-Index von 65,2 in Einklang steht. In der Norma lateralis erkennt man die glabellenlose,. senkrecht auf-steigende Stirn, die verhältnismässig flache _Scheitelpartie, welche kräftig in die nach dem Lamda abfallende Linie umbiegt, um in die sich schon oberhalb vom Lambda bemerkbar machende, vorspringende Occipitalkurve überzugehen. Die Norma, occipitalis präsentiert die ausgesprochene Bombenform. Trotz der Defekte in dem Jochbogen kann die grösste Gesichtsbreite in ihrem Bereiche mit geringem wahr-scheinlichen Fehler zu 104 mm festgestellt werden. Der Obergesichts-Index von 50,9 fällt an die untere Grenze der Mesenie, der Orbital-Index Von . 87,9 in die Kategorie der Hyprikonchie und der Nasal-Index von 59,5 in diejenige der Hyperchanmerhinie. Die Berechnung des Maxilloalveolar-Index führte zu der brachyuranischen Zahl 133,3, die Ermittlung des Gaumen-Index unter Zugrundelegung der zwischen den ersten Molaren gemessenen Breite zur leptostaphylinen Ziffer 78,9.

\Ton der Sutura frontalis besteht am coronalen Ende noch ein 9 mm . langer Rest, der, wie beim Schädel Nr. l, rechts vom Bregma die Sutura coronalis verlässt. In den Dächern beider Augenhöhlen finden sich leichte Cribra orbitalia. Die beiden Pteria sind durch die Anwesenheit von je einem Schaltknochen ausgezeichnet. Rechts ist er zwischen Temporale, Parietale und Sphenoidale eingefügt, so dass die beiden letztgenannten Knochen vor ihm auf einer kurzen Strecke noch aneinander grenzen. Links dagegen liegt er zwischen Frontale, Parietale und Sphenoidale. -Die Ala magna greift als schmaler Fortsatz hinter dem Schaltknochen herauf, so dass auch hier eine schmale Sutura spheno-parietalis zustande kommt. An der Facies orbitalis des linken Os zygomaticum zieht vor der Sutura spheno-zygomatica eine tiefe Furche abwärts und fliesst mit dem unteren Ende diese Naht zusammen. Diese auf der rechten Seite wesentlich schwächer ausgeprägten Verhältnisse sind vielleicht als ein Rest der ehemals weiter herauf reichenden Kommunikation zwischen Augenhöhle und Schläfengrube aufzufassen. Wenig rechts von der Medianlinie und 4 nnn vor der Fissura spheno-occipitalis gelegen, findet sich die pharyngeale Öffnung eines Canalis pharyngeus persistens. Sein .Lumen lässt eine vorsichtig eingeführte Borste eben passieren und 14 mm weit einführen. Ob der ganze Kanal und auch die cerebrale Öffnung erhalten ist, war vorläufig nicht festzustellen.

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Die Masszahlen und Indices, die aus den metrischen, nach R. MARTIN'S Methoden ausgeführten Untersuchung der drei Schädel, resultierten, finden sich in den folgenden Tabellen zusammengestellt.

Absolute Masszahlen.

Mass-Nr. nach

H.Martin Sammlungs-Nr.

des Anthropologischen Institutes Zürich: 4405 4006 4407

1 Grösste Hirnschädellänge 184 185 169 2 Grlabello-Inionläng,e .. 168 168 • 146 3 Glabello-La.mclalänge . 180 179 166 5 Schädelbasishinge . 103 88 7 Länge des Fol.amen magnum . 31 34 8 Grösste H

Hirnscbädellänge

143 • 131 132 9 Kleinste Stirnbreite 99 95 . 86 10 Grös

Glabello-La.mdalänge

123 116 110 11 Biauricularbreite 126 108 101 12 Grösste Hinterhauptsbreite 123 101 96 13 Mastoidealbreite (100) 81 17 Basion-Bregm

Stirnhreite

132 125 20 Ohr-13reginaliölie 114 111 107 20a Kalottenhöhe — 104 108 23 Horizontalumfang über die Glabella. 529 514 470 24 Transversalbogen 312 302 291 25 Mediansagittalbogen 383 373 353 9 6 Med

Ohr-13reginahöhetalbogen

135 123 125 27 Parietalbogen 128 129 127 28 Occipitalbogen . . 120 121 101

28(1) ” Oherschuppenbogen 82 79 72 29 Med iansagi aale Frontalsehne. 116 108 106 30 Parietalsebne 117 117 111 31 Occipitalsehne . . 99 97 • 87

31 ( 1 ) ,, Oberschuppensehne 75 71 .64 38

SchädelkapaziOberschuppenbogen

1400 1335 1250 40 Gesichtslänge — — 81 43 ObergesichtsbrParietalsehne 105 102 87 44 Biorhitaibreite 97 80 45 Joch

(l)

enbreite (130) (104) 46 Mittelgesichtsbreitc — 72 48 Obergesichtshöhe ... (71) 53 49 Hintere Interorbitalbreite (27) 23 50 Vordere Interorbitalbr

Biorbitaihreite

— 21 51 Orbitalhreite vom Maxillofrontale a

Mittelgesichtsbreite

39 33 52 Orbitalhöhe 94 e9 54 Nasenbreite (28) 22

Die eingeklammerten Zahlen entsprechen denjenigen Massen, die infolge von . De

Orbitalbreite

zt oder berechnet werden mussten, oder auf die rekonstruierten Teile des Schädels gegründet sind.

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Otto Schlaginhaufen.

Mass-Nr nach

R. Martih Sammlungs-Ns.

des Anthropologischen Institutes Zürich :

3.

4405 4406 4407

55 Nasenhöhe 52 37' 57 Kleinste Breite der Nasenbeine , - 9

57(1) Grösste Breite der Nasenbeine . - (16) 60 Maxilloalveolarlänge 48 39 61 Maxilloalveolarbreite . 69 52 62 Gaumenlänge - 38 63 Gaumenbreite 48 30 72 Ganzprofilwinkel - 86 73 Nasaler Profilwinkel - 88 74 Alveolarer Profilwinkel 82 75 Profilwinkel des Nasendachs . . . . 64

75(1) . Winkel des Nasendachs mit d. Profillinie 22

Indiees. 1 Längenbreiten-Index 77,2 70,8 78,1 2 Längenhöhen-Index - 71,4 74,0 3 Breitenböhen-Index - 100,8 94,7 4 Längen-Ohrhöhen-lndex 61,9 60,0 63,3 5 Kalottenhöhen-Index - 61,9 74,0 6 Transversaler Frontal-Index . 80,5 81,9 78,2 7 Transversaler Frontparietal-Index 69,7 72,5 65,2

8Profdwinkel

Sagittaler Frontparietal-Index . 94,8 104,9 101,6 9 Frontal-Index 85.9 87,8 84,8 10 Parietal-Index 91,4 90,8 •

. 87,4

11 „ Occipital-Index 82,5 80,2 86,1 12 Krümmungs-Index der Oherschuppe 91,5 89,9 88,9 13 Obergesichts-Inde

Breitenhöhen-Index

54,6 - 50,9 14 Orbital-Index 87,2 87,9 15 Interorbital-Index - 26,3 16 Nasal-Index (53,8) 59,5

17 Maxilloalveolar-Index (143,7 133,3 18 Gaumen-Index - 78,9 19 Transversaler Craniofacial-Index 91,6 - (78,8) 20 Frontobiorbital-Index . 94,3 93,1 98,8 21 Jugofrontal-Incle 76,1 - (82,7) 22 Transversale

r

Nasenbein-Index - - (56,3)

Die eingeklammerten Zahlen entsprechen denjenigen Massen, die infolge von Defekten er-gänzt oder berechnet werden mussten, oder auf die rekonstruierten Teile des Schädels gegrttndet Sind

2. Die Schädelfragmente.

Wenig lässt sich über die Bruchstücke von Schädeln sagen, die sich vereinzelt vorfanden. Es sind ihrer zehn.

1. Nr. 4408. D. I. 56. 25. Februar 1916. Bruchstück

Jugofrontal-Inde

etale, nach vorn durch 46 mm der Sutura coronalis, nach der

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Medianen durch 65 mm der Sutura sagittalis, nach den übrigen Seiten durch unregelmässige Bruchränder begrenzt.

2. Nr. 4409. D. I. 57. 28. Februar 1916. Stirnbein mit zerstörter Nasal-, Orbital- und Supraorbitalpartie. Erhaltungszustand der Ober-fläche schlecht. Von der Facies cerebralis blättert die oberfläch-lichste, dunkelbraune Schicht ab. Kleinste Stirnbreite 103 mm. Nach dem Rest der rechten Supraorbitalgegend zu urteilen, waren die Augenbrauenbogen sehr prominent.

3. Nr. 4410. D. L 58. 17. März 1916. Bruchstück eines rechten Parietale, nach vorn durch 45 mm der Sutura coronalis, nach der Medianen durch 81 mm der teilweise defekten Sutura sagittalis, nach den übrigen Seiten durch unregelmässige Bruchwände begrenzt.

4. bis 6. Nr. 4411. D. I. 59. 25. März 1916. Drei zu einem Kinderschädel gehörige, aber nicht zusammensetzbare Knochen (beide Parietalia und die Squama occipitalis). Nach der abgerundeten Bregma-ecke der beiden Parietalia zu schliessen war die Fontanelle noch. nicht ganz geschlossen. Der mittlere Abschnitt der Sutura temporo-parietalis trägt den Charakter einer gezackten Sutura harmonia. An der Hinterhauptschuppe befindet sich jederseits ein Rest der Sutura men d osa.

7. Nr. 4412. D. I. 60. Linkes, in seiner lateralen Partie defektes Parietale im Zusammenhang mit dem angrenzenden Stück des Fron-tale. An der Facies cerebralis ist die Verwachsung der beiden Knochen schon stark fortgeschritten ; an der Aussenseite ist die Naht noch erhalten. Parietalbogen 122 mm, Parietalsehne 110, sagittaler Parietal--Index 90,2.

8. Nr. 4413. D. I. 61. Squama occipitalis. Distanz zwischen beiden Asterien 109 mm. Das Tuberculum linearum ist ein kleiner markanter Höcker. Auf der schmalen Crista occipitalis externa erhebt sich sowohl an der 'Vereinigungsstelle der oberen, als auch an derjenigen der unteren Nackenlinie ein kleiner Stachel. r 9. u. 10. Nr. 4414. D. I. 62. Zwei Fragmente eines linken Parietale. Beide grenzen vorn an die Sutura coronalis, r das mediale medialwärts an die Sutura sagittalis, das laterale lateral an die Sutura temporo-parietalis. Die geschwärzten Partien, namentlich der lateralen der beiden Bruchstücke sind als Spuren von Brandeinwirkung zu deuten.

3. Die Extremitätenknochen.

Von den sechs Extremitätenknochen, die der Pfahlbau am Alpen-quai bis jetzt zutage förderte, gehören alle den unteren Gliedmassen an. Es handelt sich um ein Hüftbeinfragment, vier Oberschenkel-knochen und ein Schienbein.

Vierteljahrssehrift cl. Naturf. Ges. Zürieh. Jahrg. 62. 1917. 22

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4913 Otto Schlaginhaufen.

a) Fragment eines Hüftbeines. Nr. 4415. D. I. 63. Es liegt ein rechtsseitiges Os coxae vor, dem

das ganze Os pubis und der Ramus inferior ossis ischii fehlt. Die Beckenhöhe beträgt 208 mm, die Darmbeinhöhe 131 mm, die Tiefe der Fossa iliaca 10 mm, die Darmbeinbreite 146 mm, die Breite der Darmbeinschaufel 86 mm, die Sitzbeinhöhe 81 mm, die wahre Höhe des kleinen Beckens 126 mm und der Sitz-Hüftbein-Index 38,9.

b) Oberschenkelknochen.

Nr. 4416-4419. Von den vier Femora fallen zwei auf die rechte, zwei auf die linke Körperseite. Alle scheinen Erwachsenen zu entstammen. Den Objekten Nr. 1, 2 und 4 fehlen proximale und distale Epiphyse, Nr. 3 nur die distale. Dieser mangelhafte Erhaltungs-zustand reduziert die Untersuchungsmöglichkeiten stark. So können nirgends die Längenmasse genommen und die Körpergrössen be

- rechnet werden. Die Messresultate finden sich in folgender Tabelle zusammengestellt:

Masse und Indices der Oberschenkelknochen.

Mass-Nr. nach

R. Martin Sammlungs-Nr.

des Anthropologischen Institutes Zürich :

1 2 4

4416 D. I.

64

4417 D. I.

65

4418 D. I.

66

4419 D. I.

67

1 —5 Längenmasse — — — 6 Sagitt. Durchmesser der Diaphysenmitte 25 24 28 26 7 Tra nsv. Durclun esser der Diaphysenmitte 26 23 25 26

Umfang der Diaphysenmitte . . . . 77 73 84 80 9 Oberer transv. Diaphysendurchmesser . 32 28 3I 33 10 Oberer sagitt. Diaphysendurchmesser . 23 21 24 23 11 Kleinster unt. sagitt. Diaphys.-Durchm. . — (25) (26) — 12 Unterer transv. Diaphysendurchmesser (47) (48) 13 Obere Epiphysenlänge — 95 14 Collumlänge — 70 15 Vertikaler Durehmesser des Collum 31 16 Sagittaler Durchmesser des Collum 28 17 Um fang des Collum 100 18 Vertikaler Durchm. des Femurkopfes . 49 19 Transvers. Durchm. des Femurkepfes 49 20 Umfang des Jemurkopfes 154

21-26 . Masse an der distalen Epiphyse . — — 27 Krümmung der Diaphyse (Radius) . 138I 965 1002 83,8 29 Collo-Diaphysen-Winkel — — 138° —

Index des Diaphys.-Querschn. der Mitte 96,2 104,4 112 100 oberen Diaphys.-Querschn. . 71,9 75 77,4 69,7 Collum-Querschnittes . — 90,3 Caput-Querschnittes . 100

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über die menschlichen Skelettreste aus dem Pfahlbau am Alpenqual in Zürich 499

c Schienbein

Nr. 4420. D. I. 68. Die einzige bis jetzt aufgefundene Tibia ist einem jugendlichen Individuum zuzuweisen. Zwar fehlen die beiden Epiphysen ; aber Teile der proximalen und distalen Fläche, denen der Knorpel der Epiphysenfuge aufgelegen, sind noch vorhanden. Der Abstand zwischen beiden Diaphysenfugen von 263 mm ist das ein-zige Längenmass, das ermittelt werden kann. Im Niveau der Tuberositas tibiae erhält man einen sagittalen Durchmesser von 33 mm und einen transversalen von 27 mm. Aus den beiden Durchmessern der Dia-physenmitte, dem sagittalen von 24 mm und dem transversalen von 16 mm, lässt sich ein Index , von 66, 7 berechnen. Verlegt man die Messebene in das Niveau des Foramen nutritium, so erhöhen sich die Masszahlen der Durchmesser auf 26 und 19 mm, die Indexziffer auf 73. Die Feststellung von Winkelmassen verbietet der fragmen-täre Zustand des Knochens.

Wie schon eingangs bemerkt, empfiehlt es sich nicht, auf Grund des bis heute aus dem Pfahlbau am Alpenquai in Zürich vorliegenden, beschränkten anthropologischen Materials schon zu eingehenden ver-gleichenden und rassendiagnostischen Arbeiten zu schreiten. Indessen ist bereits zu erkennen, dass hinsichtlich des Längenbreiten -Index des Schädels die vorstehenden Resultate sich gut in den Rahmen der bisherigen Kenntnisse von den Schädelformen der Pfahlbauer einfügen. Bekanntlich sind die Schädel aus den älteren neolithischen Pfahlbauten durch Brachykephalie ausgezeichnet. In der späteren Periode des Neolithikums erscheinen die Dolichokephalen ; sie erhalten sich in die Bronzezeit hinein, treten aber dann zahlenmässig hinter den Mesokephalen zurück.

Das stimmt mit unseren eigenen Befunden. In unserer kleinen Sammlung fehlen Brachykephale ; von den drei Schädeln sind zwei mesokephal, einer dolichokephal, und dabei ist durch den Leiter der Ausgrabungen, Herrn Dr. VIOLLIER, Vizedirektor des Schweizerischen Landesmuseums, der Nachweis geleistet worden, dass der Pfahlbau der späten Bronzezeit angehört.

Dass Reste kindlicher Individuen, wie STUDER und B ANNWARTII zeigten, einen verhältnismässig grossen Anteil an dem anthropolo-gischen Material der Pfahlbauten haben, wird durch die vorliegenden Untersuchungen bestätigt.

Im Vergleich zu früheren Pfahlbau-Fundstätten bictet die unsrige verhältnismässig viele Gliedmassenknochen. Für die Station am.

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500 Otto Schlaginhaufen.

Alpenquai ist man daher nicht genötigt, zu den Hypothesen der Schädeltrophäen und des Schädelkultus Zuflucht zu nehmen. Die hier besprochenen . Knochenreste stammen meiner Ansicht nach von verunglückten Individuen. Dass hier ein Brand im Pfahlbau wohl eine Rolle gespielt hat, scheint mir aus den Feuerspuren her-vorzugehen, die eines unserer Objekte aufweist.

Ich möchte diese Ausführungen nicht schliessen, ohne der Organe des Schweizerischen Landesmuseums, des Direktors Herrn Prof. Dr. LEHMANN, und des Vizedirektors Herrn Dr. VIOLLIER, dankbar zu gedenken, die ihre Aufmerksamkeit auch den anthropologischen Fundstücken zuwandten und so die Sammlungen um eine Anzahl wertvoller Objekte bereicherten. Möge auch über der Fortsetzung der Ausgrabungsarbeiten im Pfahlbau am Alpenquai ein guter Stern leuchten und noch manche wissenschaftliche Kostbarkeit dem Grunde des Zürichsees enthoben werden!

Figur enerklärungen,

Taf. I. Normae verticales der drei Pfahlbauschädel. Fig. 1. Schädel Nr. 1 (4405. D. I. 53). Calvarium.

2 (4400. D. I. 54.). Calvaria. 3 (4.407. D. I. 55). Calvarium, Kind,

Taf. II. Normae laterales der drei Pfahlbauschädel. Fig. 4. Schädel Nr. 1.

5. 2. 3.

Taf. HI. lg. 7. Schädel Nr. 2, Norma frontali:i.

2, occipitalis.

9. 3, froinalis.

10. occipitalis.

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