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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. BAND 9b ZEITSCHRIFT FÜR N A T U R F O R S C H U N G HEFT 9 Über die Rezeptorsubstanz für den Phagen T5 I. Extraktion und Reindarstellung aus E. coli B. Physikalische, chemische und funktionelle Charakterisierung* Von WOLFHARD WEIDEL, GEBHARD KOCH und KARL BOBOSCH Aus dem Max-Planck-Institut für Biologie, Abt. M e l c h e r s , Tübingen (Z. Naturforsdig. 9 b, 573—579 [1954]; eingegangen am 30. Juli 1954) Weak alkali extracts from the intact coli-B-cell a lipo-glycoproteid which after purification shows receptor activity against the phage T 5 only. Purification of this material is described and data are given on physicochemical, chemical and functional properties of the T 5 receptor substance as well as of receptor-inactive material extracted from B/1,5. From all the data available it is tried to form a picture of the entire structure of the coli cell wall and to connect it with the phage infection mechanism. U nsere bisherigen Versuche zur Isolierung und Charakterisierung von rezeptoraktivem Material aus Escherichia coli, Stamm B, ergaben eine enge Verknüpfung bestimmter Gruppen von Rezeptor- funktionen mit einer morphologisch selbständigen Struktur der Coli-Zelle, nämlich der Zellmebran 2 . Auch deren weitere, chemische Zerlegung führte bis- her nicht zu Fraktionen mit Rezeptoraktivität gegen- über ausschließlich einem Phagentyp. Vielmehr blei- ben hierbei immer noch bestimmte Aktivitäten in charakteristischer Weise miteinander gekoppelt er- halten, andere gehen gemeinsam verloren. Verschie- denes spricht dafür, daß die Polyvalenz eines mit chemischen Mitteln isolierten Virusrezeptor-Kom- plexes u. U. eine typische Eigenschaft desselben sein kann, daß er also grundsätzlich nicht mehr weiter in kleinere Teilkomponenten mit den entsprechenden Einzelvalenzen zerlegbar ist. Dies würde bedeuten, daß die Oberflächenstruktur eines solchen hochmole- kularen und polyvalenten Komplexes funktionell nichts anderes darstellt als ein Muster sich gegen- seitig teilweise überlappender Rezeptorareale für eine ganze Reihe von verschiedenen Phagentypen 3 ' 4 . Bei der Coli-Zelle scheint dies auf den für die Phagen T3, T 4 und T 7 gemeinsamen Rezeptorkomplex zu- zutreffen Indessen gibt es bei E. coli B auch mindestens einen hochmolekularen Univalenten Rezeptorkomplex, * Die Arbeit wurde mit Unterstützung der D e u t - schen Forschungsgemeinschaft durchgeführt. 1 W. W e i d e l , Z. Naturforschg. 6b, 251—259 [1951], 2 W. Weidel, G. Koch u. F. Lohss, Z. Natur- forschg. 9 b, 398—406 [1954], 3 W. W e i d e l , Ann. Inst. Pasteur 84, 60—65 [1953]. 4 W. W e i d e l , Cold Spring Harbor Sympos.quantitat. Biol. XVIII, 155—157 [1953], der jedoch nicht Bestandteil der Zell -Membran, son- dern der — komplizierter zusammengesetzten Zell-WancZ ist. Es handelt sich um die Rezeptorsub- stanz für den Phagen T5. Sie ist leicht aus den in- takten Zellen extrahierbar, geht dagegen bei der üblichen Präparierung der Zellmembran 1 verloren. Daß die inaktivierende Wirkung dieser Substanz auf T 5 spezifischer Natur ist, wurde wie üblich dadurch bewiesen, cjaß auf die gleiche Weise aus einer gegen T5 resistenten Colimutante (B/1,5) gewonnenes Ma- terial bei entsprechender Konzentration ohne Einfluß auf T5-Teilchen ist. Im Folgenden werden Extraktion, Reinigung und Charakterisierung der T 5 -Rezeptorsubstanz und analogen Materials aus B/1,5 beschrieben. Material und Methoden (s. auch 1. c . 2 ) Bakterien: E. coli B und die gegen T 1 und T 5 resi- stente Mutante B/1,5. B a k t e r i o p h a g e n : Sämtliche Stämme der T-Serie (T1 bis T7). K u l t u r m e d i e n : Friedlein, DIFCO, Bakteriozym. I n a k t i v i e r u n g s t e s t s : Qualitativ wie schon mehr- fach beschrieben. Quantitative Ausführung s. Text. Analytische M e t h o d e n : Wie in 1. c. 2 . Extraktion Vorproben ergaben, daß die Ausbeute an aktiver Substanz sehr stark abhängig ist von dem Kultur- medium, in dem die Bakterien gewachsen sind. Die besten Ausbeuten liefert Friedlein-Medium (Lactat als C-Quelle), mäßige Ausbeuten ergibt DZFCO-Brühe, und praktisch nichts läßt sich aus Bakteriozymkultu- ren (Hefehydrolysat) gewinnen. Der häufig beobach- tete Einfluß der Kulturbedingungen auf die Syn- these hochmolekularer Zellwandkomponenten zeigt

Über die Rezeptorsubstanz für den Phagen T5zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/9/ZNB-1954-9b-0573.pdf · BAND 9b ZEITSCHRIFT FÜR N A T U R F O R S C H U N G HEFT 9 Über die Rezeptorsubstanz

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

B A N D 9 b Z E I T S C H R I F T F Ü R N A T U R F O R S C H U N G H E F T 9

Über die Rezeptorsubstanz für den Phagen T 5 I. Extraktion und Reindarstellung aus E. coli B. Physikalische, chemische

und funktionelle Charakterisierung*

V o n W O L F H A R D W E I D E L , G E B H A R D K O C H u n d K A R L B O B O S C H

Aus dem Max-Planck-Institut für Biologie, Abt. M e l c h e r s , Tübingen (Z. Naturforsdig. 9 b, 573—579 [1954]; eingegangen am 30. Juli 1954)

Weak alkali extracts from the intact coli-B-cell a lipo-glycoproteid which after purification shows receptor activity against the phage T 5 only. Purification of this material is described and data are given on physicochemical, chemical and functional properties of the T 5 receptor substance as well as of receptor-inactive material extracted from B/1,5. From all the data available it is tried to form a picture of the entire structure of the coli cell wall and to connect it with the phage infection mechanism.

Unsere bisherigen Versuche zur Isolierung und Charakterisierung von rezeptoraktivem Material

aus Escherichia coli, Stamm B, ergaben eine enge Verknüpfung bestimmter Gruppen von Rezeptor-funktionen mit einer morphologisch selbständigen Struktur der Coli-Zelle, nämlich der Zellmebran 2. Auch deren weitere, chemische Zerlegung führte bis-her nicht zu Fraktionen mit Rezeptoraktivität gegen-über ausschließlich einem Phagentyp. Vielmehr blei-ben hierbei immer noch bestimmte Aktivitäten in charakteristischer Weise miteinander gekoppelt er-halten, andere gehen gemeinsam verloren. Verschie-denes spricht dafür, daß die Polyvalenz eines mit chemischen Mitteln isolierten Virusrezeptor-Kom-plexes u. U. eine typische Eigenschaft desselben sein kann, daß er also grundsätzlich nicht mehr weiter in kleinere Teilkomponenten mit den entsprechenden Einzelvalenzen zerlegbar ist. Dies würde bedeuten, daß die Oberflächenstruktur eines solchen hochmole-kularen und polyvalenten Komplexes funktionell nichts anderes darstellt als ein Muster sich gegen-seitig teilweise überlappender Rezeptorareale für eine ganze Reihe von verschiedenen Phagentypen3 '4 . Bei der Coli-Zelle scheint dies auf den für die Phagen T 3 , T 4 und T 7 gemeinsamen Rezeptorkomplex zu-zutreffen

Indessen gibt es bei E. coli B auch mindestens einen hochmolekularen Univalenten Rezeptorkomplex,

* Die Arbeit wurde mit Unterstützung der D e u t -s c h e n F o r s c h u n g s g e m e i n s c h a f t durchgeführt.

1 W. W e i d e l , Z. Naturforschg. 6b, 251—259 [1951], 2 W. W e i d e l , G. K o c h u. F. L o h s s , Z. Natur-

forschg. 9 b, 398—406 [1954], 3 W. W e i d e l , Ann. Inst. Pasteur 84, 60—65 [1953]. 4 W. W e i d e l , Cold Spring Harbor Sympos.quantitat.

Biol. XVIII, 155—157 [1953],

der jedoch nicht Bestandteil der Zell-Membran, son-dern der — komplizierter zusammengesetzten — Zell-WancZ ist. Es handelt sich um die Rezeptorsub-stanz für den Phagen T 5 . Sie ist leicht aus den in-takten Zellen extrahierbar, geht dagegen bei der üblichen Präparierung der Zellmembran1 verloren. Daß die inaktivierende Wirkung dieser Substanz auf T 5 spezifischer Natur ist, wurde wie üblich dadurch bewiesen, cjaß auf die gleiche Weise aus einer gegen T 5 resistenten Colimutante (B/1,5) gewonnenes Ma-terial bei entsprechender Konzentration ohne Einfluß auf T5-Te i l chen ist.

Im Folgenden werden Extraktion, Reinigung und Charakterisierung der T 5 -Rezeptorsubstanz und analogen Materials aus B/1,5 beschrieben.

Material und Methoden (s. auch 1. c . 2 )

B a k t e r i e n : E. coli B und die gegen T 1 und T 5 resi-stente Mutante B/1,5.

B a k t e r i o p h a g e n : Sämtliche Stämme der T-Serie (T1 bis T7).

K u l t u r m e d i e n : Friedlein, DIFCO, Bakteriozym. I n a k t i v i e r u n g s t e s t s : Qualitativ wie schon mehr-

fach beschrieben. Quantitative Ausführung s. Text. A n a l y t i s c h e M e t h o d e n : Wie in 1. c. 2.

Extraktion

Vorproben ergaben, daß die Ausbeute an aktiver Substanz sehr stark abhängig ist von dem Kultur-medium, in dem die Bakterien gewachsen sind. Die besten Ausbeuten liefert Friedlein-Medium (Lactat als C-Quelle), mäßige Ausbeuten ergibt DZFCO-Brühe, und praktisch nichts läßt sich aus Bakteriozymkultu-ren (Hefehydrolysat) gewinnen. Der häufig beobach-tete Einfluß der Kulturbedingungen auf die Syn-these hochmolekularer Zellwandkomponenten zeigt

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sich also auch hier. Es wurden somit in der Folge stets 10—15/-Ansätze von F-Medium benutzt.

Nachdem die Kultur bei 37° unter aktiver Belüftung gerade die lag-Phase erreicht hat (Kontrolle durch lau-fende Trübungsmessung), schleudert man die Bakterien in einer kontinuierlichen Zentrifuge ab (30—40 g feuch-tes Sediment) und resuspendiert sie in 200 ml dest. Was-ser, dem sodann unter dauerndem Schütteln tropfenweise 100 ml ?i/10-NaOH zugesetzt werden. Die ziemlich zäh-flüssig gewordene Suspension wird sofort durch kräftiges Aufblasen von CO., neutralisiert, worauf die Bakterien abzentrifugiert und ohne Verzug abermals auf die gleiche Weise extrahiert werden. Eine weitere Fortsetzung der Extraktion empfiehlt sidi nicht, obwohl auf diese Weise

Minuten — WQ 10 20 30 10 50 B0 70

8

6

5

V

3

3 &

2

1

Abb. 1. Inaktivierung von T 5 bei versdiiedenen Rezeptor-konzentrationen (Vi— Vs). Die „unverdünnte" Rezeptor-lösung (Vi) war ein Rohextrakt aus B-Zellen. Er wurde für jedes folgende Experiment um Vs weiter verdünnt. Je 2 ml Rezeptorlösung wurden mit etwa 10* T5-Tei l -chen versetzt und bei 37° gehalten. Proben der Mischung wurden zu den angegebenen Zeitpunkten zwecks Plaque-zählung nadi der üblidien Technik auf Agarplatten ge-

gossen.

höchstens 20% der insgesamt vorhandenen Rezeptor-substanz gewonnen werden. Es geht sonst zu viel in-aktives Begleitmaterial in Lösung, und die Bakterien verquellen so stark, daß sie schließlidi kaum noch ab-zuzentrifugieren sind.

Auch 5-mal extrahierte Bakterien behalten ihre Zell-membran (Phasenkontrast-Mikroskop!) und mit ihr deren typische Aktivität gegenüber T 2 , T 4 und T 6 . T 1 adsorbieren sie — wie übrigens auch die iso-lierte Zellmembran — noch reversibel. Ihre Aktivität gegenüber T 5 ist auf etwa V10 gesunken. Dies alles scheint die schon früher3 auf Grund anderer Experi-mente gemachte Annahme, daß der T5-Rezeptor-

komplex eine gegenüber der Zellmembran selbstän-dige Komponente der Zellwand ist, vollauf zu be-stätigen.

Die vereinigten Extrakte werden durch sdiarfes Zentri-fugieren (30 Min./12000 g) möglichst vollständig von Bakterienresten befreit, worauf man die Rezeptorsub-stanz mit 20-proz. Essigsäure ausfällt (pH 4). Es fällt da-bei sehr viel Desoxyribonucleinsäure mit. Der Nieder-schlag ward in 20 ml m/15-Phosphatpuffer vom pH 8 aufgenommen. Das Gesamtvolumen beträgt dann etwa 30 ml.

Die weitere Anreicherung der Rezeptorsubstanz aus diesem Rohextrakt wurde ursprünglich ziemlich umständ-lidi durch fraktionierte Ammoniumsulfatfällung, Behand-lung mit Desoxyribonuclease und andere Maßnahmen erreicht. Die dabei gesammelten Erfahrungen führten schließlich zu einem sehr viel bequemeren Reinigungs-verfahren.

Reindarstellung

1. Q u a n t i t a t i v e B e s t i m m u n g d e r R e -z e p t o r s u b s t a n z . Voraussetzung für jeden ratio-nellen Versuch zur weiteren Anreicherung des akti-ven Materials ist natürlich, daß man ein quantitatives Maß für die jeweils davon vorhandene Menge hat. Dieses Maß ergab sich für uns unmittelbar aus der Kinetik der Inaktivierung von T5-Tei lchen durch die Rezeptorsubstanz. Bei Rezeptorüberschuß ist die Inaktivierung eine pseudomonomolekulare (und ir-reversible) Reaktion (Abb. 1). Die aus der Neigung der Inaktivierungskurven berechneten Reaktionskon-

stanten ( K = — - log — ) stimmen befriedigend über-c-t p

ein.

Da also der Logarithmus des Inaktivierungsgrades

j bei im übrigen konstanten Bedingungen streng proportional zur Rezeptorkonzentration c ist, kann man zunächst willkürlich eine „Rezeptoreinheit" definieren und dann mit Hilfe der Proportionalitätsbeziehung jede unbekannte Menge Rezeptor nadi Bestimmung des da-mit unter Standardbedingungen erreichbaren Inaktivie-rungsgrades exakt in einer entsprechenden Anzahl von Einheiten ausdrücken. Für Routinebestimmungen zeidi-net man sich am besten die entsprechende Gerade auf semilogarithmisches Papier.

Als Einheit wurde die Menge Rezeptor gewählt, die, gelöst in 1 ml D/FCO-Brühe, bei 37° innerhalb von 20 Min. 50% der eingebrachten T5-Teildien (etwa 3 • 10a/ml) inaktiviert. Der Test ist zuverlässig bei In-aktivierungen zwischen 30 und 97%, entsprechend 0,5 bis 5 Einheiten/ml Testmischung. Lösungen mit höherer Rezeptorkonzentration müssen zum Test passend ver-dünnt werden.

Das Fortschreiten der Reinigung der Rezeptorsubstanz wurde am Verhalten des Quotienten Stickstoff/Einheit verfolgt, der einem Minimum zustreben muß. Die Re-

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zeptorsubstanz ist ein Proteid, also stickstoffhaltig, und ebenso enthalten offenbar alle zunächst mitgeschleppten, inaktiven Begleitstoffe Stickstoff. Jedenfalls erwies sich die Rezeptorsubstanz nach den üblichen Kriterien als ein-heitlich, nachdem der Quotient durch weitere Fraktionie-rung nicht mehr heruntergedrückt werden konnte.

2. A u f a r b e i t u n g s g a n g . Der Rohextrakt (siehe „Extraktion") enthält durchschnittlich 500 Rezeptoreinhei-ten/ml mit etwa 25 y N/Einheit. Er wird nochmals 40 Min. bei 12000 g zentrifugiert und der Überstand sodann im Dialysierschlauch 3-mal — in 24-stdg. Ab-stand — mit je 100 mg Pancreatinum absolutum Merck (vorher gelöst und klar zentrifugiert) versetzt und bei 37° gegen mit Chloroform und Toluol gesättigten m/50-Phos-phatpuffer (pu 8,2) dialysiert. Anschließend wird die Dialyse bei + 1° über 3 Tage fortgesetzt. Verluste an Rezeptor erreichen hierbei höchstens 10%.

Die ausdialysierte Rezeptorlösung wird erneut 1 Stde. bei 12000 g zentrifugiert. Dabei steigt etwas Lipoid an die Oberfläche. Es wird abgehoben, u. U. durch aber-maliges Zentrifugieren konzentriert und dann verworfen. Die Hauptmenge des Rezeptors sedimentiert nicht und wird im Überstand vom halbflüssigen Sediment vorsichtig abgehoben. Dieses Sediment besteht größtenteils aus zer-rissenen Bakterienmembranen und kann nochmals auf der Zentrifuge ausgewaschen werden. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, da sonst leicht winzige Membrantrüm-mer mitgeschleppt werden, die ihre eigene, typische Rezeptoraktivität (besonders ausgesprochen gegen T2) besitzen und im schließlich gewonnenen, hochgereinigten Präparat der T 5 - Rezeptorsubstanz eine Polyvalenz der-selben vortäuschen.

Die vereinigten Überstände werden anschließend 75 Min. bei 66 000 g zentrifugiert. Der Überstand, soweit vollkommen klar, wird verworfen. Das feste Sediment wird in 7 ml m/15-Phosphatpuffer vom pH 8,2 resuspen-diert. Steht über dem festen Sediment noch unvollständig sedimentiertes, halbflüssiges Material, wird dieses mit dem 3-fachen Volumen m/15-Phosphatpuffer verdünnt und nochmals zentrifugiert. Das hierbei entstehende Gesamt-sediment wird mit dem resuspendierten festen Sediment der ersten Zentrifugierung vereinigt. Man läßt am besten zwecks vollständiger Homogenisierung 12—24 Stdn. stehen, zentrifugiert sodann 1 Stde. bei 12000 g, verwirft das hierbei entstehende, sehr geringe Sediment und wieder-holt mit dem Überstand die gesamte Prozedur noch 2-mal.

Das zuletzt bei 66000 g erhaltene Sediment wird in nur 2 ml Puffer aufgenommen. Die Lösung enthält dann insgesamt 6000—8000 Einheiten. Die Ausbeute, berechnet auf den Rohextrakt, beträgt also 40—50%. Der Stickstoff-quotient ist jetzt auf etwa 0,7 y/Einheit heruntergegan-gen, und die stark lichtstreuende Rezeptorlösung zeigt nunmehr in der Ultrazentrifuge und bei der Elektro-phorese nur noch eine Bande. In den verworfenen Über-ständen und Sedimenten befindet sich die restliche Re-zeptorsubstanz zusammen mit schwer davon abtrennbaren Begleitstoffen. Für Routine-Aufarbeitungen kann man Roh-extrakt von mehreren Kulturen sammeln und bequem bis zu 150 ml davon auf einmal verarbeiten, natürlich unter entsprechender Erhöhung der angegebenen Pancreatin-und Puffermengen.

Die reine Rezeptorsubstanz ist in Pufferlösung bei PH 8 recht gut beständig, neigt aber in höherer Kon-zentration zu reversibler Polymerisierung, was in einem scheinbaren Aktivitätsverlust zum Ausdruck kommt. Leider verträgt sie weder Lyophilisierung noch andere Eintrocknungsverfahren ohne sehr erheb-liche irreversible Aktivitätsverluste. Dies gilt um so mehr, je reiner sie ist.

Physikalische Daten

Die elektrophoretische Beweglichkeit der T 5 - Re-zeptorsubstanz wurde mit Lösungen von 3 0 0 — 5 0 0 Einheiten/ml in M i c h a e l i s - und m/15-Phosphat-

t g 'ca tV

Abb. 2. Abhängigkeit der Sedimentationskonstanten der T 5 - Rezeptorsubstanz von deren Konzentration (Trok-kengewicht/100 ml; m/15-Phosphatpuffer pH 8,0). Die ge-strichelte Linie zeigt die Fehlerbreite der Methode an.

puffer bei konstanter Ionenstärke (p = 0,2) und ver-schiedenem pH gemessen. Zwischen pn 6 und 8,4 er-gibt sich in beiden Puffern eine gleichbleibende Be-weglichkeit von u = — 1 2 , 5 • 10"5 cm2 V"1 sec"1. Die Unveränderlichkeit der Wanderungsgeschwindigkeit in diesem pH-Bereich läßt auf das Vorhandensein relativ stark dissoziierter Säuregruppen, wahrschein-lich Carboxyl- und Phosphatgruppen, schließen. Un-terhalb pn 6 setzt rasch eine Trübung der Rezeptor-lösung ein, so daß Messungen nicht mehr exakt durch-führbar sind. Die Wanderungsgeschwindigkeit be-ginnt zu sinken. Unterhalb pH 4 wird die Rezeptor-aktivität schnell zerstört.

Die Sedimentationskonstante (extrapoliert auf c = 0, s. Abb. 2) hat den Wert s20 = 73 • 10~13 sec. Die Bandenbreite nimmt verhältnismäßig rasch zu, doch bleibt die Bande symmetrisch. Offenbar schwankt die Teilchengröße um einen Mittelwert.

Die Diffusionskonstante D 2 0 = 1 ,13-10 7 cm2 sec 1

und die spezifische Dichte d20 = 1,15. Letztere wurde

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aus mehreren Sedimentationsmessungen der Rezep-torsubstanz in Rohrzuckerlösungen von steigender Dichte ermittelt5 .

Aus den angegebenen Werten ergibt sich ein Mol.-Geiv. von 11,4 Millionen. Die Teilchen sind nahezu kugelförmig (///„ = 1,17).

„Biologische" Mol.-Gew.-Bestimmung

Es ergab sich die Möglichkeit, das Mol.-Gew. noch auf einem weiteren, unabhängigen Wege näherungs-weise zu bestimmen. Diese Bestimmung läuft auf eine Teilcheiizählung hinaus. Bringt man eine hodi-titrige T5-Suspension mit gerade so viel Rezeptor-substanz zusammen, daß nur etwa 3 0 — 7 0 % aller vorhandenen T5-Tei lchen inaktiviert werden kön-nen, d. h. daß jeweils die gesamte eingesetzte Re-zeptorsubstanz verbraucht wird, dann muß unter der Voraussetzung, daß ein Rezeptorteilchen mit nur einem T5-Tei lchen zu reagieren vermag (und um-gekehrt), die Zahl der inaktivierten T5-Tei l chen gleich sein der Zahl der Rezeptorteilchen in der im Versuch eingesetzten Anzahl von Einheiten. Tab. 1

T5-Teilchen/ml • 10 i

0 Min. 30 Min. 45 Min. 75 Min.

Kontrolle . . . 4,63 4,72 4,69 4,75 1 Einheit/ml. . 3,34 3,43 3,44 2 Einheiten/ml. 2,63 2,34 2,40 3 Einheiten/ml. 1,62 1,51 1,53

Tab. 1. Abzählung der Rezeptormoleküle/Einheit. Die Mischungen wurden bei 37° gehalten und zu den an-gegebenen Zeiten Proben für die Plaquezählung ent-nommen. Die Zahlen sind Mittelwerte aus mehreren

Platten.

zeigt ein entsprechendes Versuchsprotokoll. Man er-kennt, daß die Reaktion zwischen Rezeptor- und Phagenteilchen in jedem Ansatz nach 30 Min. prak-tisch vollständig abgelaufen ist. Die Phagensuspen-sion behält von da ab einen konstanten Titer. Aus der Differenz der T 5 - Teilchenzahl zu Beginn (Kon-trolle) und am Ende der Versudie errechnen sidi Teilchenzahlen von 1,07—1,29-101 1 pro Rezeptor-einheit. Die Übereinstimmung der Ergebnisse der drei Versuchsreihen mit steigender Rezeptorkonzen-tration ersdieint sehr befriedigend, und man darf annehmen, daß die gemachten Voraussetzungen über die Äquivalenzbeziehungen von Rezeptor- und T 5 -

5 R. W. G. W y c k o f f , J. gen. Physiol. 21, 367 [1937].

Teilchen zutreffend sind. Elektronenmikroskopische Untersuchungen, die noch fortgeführt werden, er-gaben Anhaltspunkte im gleichen Sinne.

Da das Trockengewicht einer Rezeptoreinheit zu 9,1 y bestimmt wurde, errechnet sich somit ein Re-zeptor-Mol.-Gew. von rund 42 Millionen. Der Wert bleibt also in der gleichen Größenordnung wie der auf Grund exakter physikalischer Messungen er-haltene — eine erneute Bestätigung der erwähnten Äquivalenzbeziehungen. Daß er immerhin nicht un-erheblich höher liegt, erscheint nach unseren Erfah-rungen durchaus erklärlidi, denn bei der Abzählungs-methode kommen viele Faktoren zusammen, die alle dahin wirken, das gefundene Mol.-Gew. scheinbar heraufzusetzen. Erstens müssen inaktive oder agglu-tinierte Rezeptormoleküle sowie auch gegebenenfalls vorhandene Verunreinigungen mit heterogenem Ma-terial das Trockengewicht der Rezeptoreinheit her-aufsetzen. Zweitens dürfte die Phagensuspension sehr wahrscheinlich T 5 - Teilchen enthalten, die zwar noch mit Rezeptor reagieren, aber keinen Plaque mehr bilden können. Drittens zeigte sich, daß T 5 - L y s a t e von E. coli B ein Agens enthalten, welches nicht mit T5-Te i l chen identisch ist, da es in der Zentrifuge erheblich langsamer sedimentiert als diese, das aber trotzdem spezifisch mit Rezeptor reagiert und diesen inaktiviert. Zwar wurden nach diesen Erfahrungen zu Zählversuchen nicht mehr Rohlysate, sondern nur noch gereinigte T 5 - Suspensionen verwendet, doch gibt es bis jetzt noch keine Möglichkeit, die völlige Freiheit einer T5-Suspension von diesem rezeptor-inaktivierenden Agens festzustellen. Nach vorläufigen Versuchen scheint es sich hierbei eher um einmalig mit Rezeptor reagierende Teilchen als um ein rezep-tor-verdauendes Enzym zu handeln. Vielleicht ist es Schwanzspitzen-Protein von T5-Tei lchen, das von der infizierten Zelle im Überschuß produziert wurde. Diese Befunde werden weiter verfolgt.

Übrigens läßt sich nunmehr auch die Zahl der T 5-Rezeptormoleküle pro Bakterium abschätzen: Da 10s Coli B-Zellen/ml die Aktivität einer Rezeptor-einheit aufweisen (Adsorption von 5 0 % der vor-handenen T5-Tei lchen in 20 Min. bei 37°, Rezeptor-überschuß!), folgt daraus, daß an der Zelloberfläche mindestens 1000 Rezeptorareale zugänglich sein müs-sen. Nimmt man an, daß eine Coli-Zelle ungefähr 8 -10" 8 cm 2 Oberfläche hat, dann nehmen 1000 kugel-förmige Rezeptorteilchen mit einem Querschnitt von je 7,4 • 10"1" cm2 (berechnet aus Mol.-Gew. und Dichte) nur etwa 10% der Gesamtoberfläche ein. Daraus er-klärt sidi vielleicht die für T 5 typische, geringe Ad-

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Rezeptor T5( l , 8 • 1012) T 5 + Rez. T 5 + Rez. + Ca " • T 5 erhitzt

^260 mit 0 0 0,036 0,037 0,285

Io 0 0 12,6 13 100

Tab. 2. Auslösung einer Ejektion von T 5 - Desoxyribonucleinsäure durch T5-Rezeptorsubstanz. Erklärungen siehe Text.

sorptionsgeschwindigkeit an B-Zellen, im Verhältnis zu anderen Phagen der T-Serie, denen wahrschein-lich mehr Rezeptoroberfläche zur Verfügung steht.

Mechanismus der T 5 - Inaktivierung durch T5-Rezeptor

In Anbetracht der sehr bedeutsamen Befunde von H e r s h e y und C h a s e 6 über den Infektions-mechanismus bei Phagen, der darauf hinausläuft, daß ein adsorbiertes Phagenteilchen seine Nucleinsäure in die Bakterienzelle hinein injiziert, war zu prüfen, ob es auch bei T5-Tei lchen zu einer Ausstoßung ihrer DNS — in diesem Falle ins umgebende Me-dium — kommt, wenn sie sich mit ihrer Rezeptor-substanz in vitro vereinigen. Dies ist in der Tat der Fall. Bei der Inaktivierung der T5-Tei lchen durch ihren Rezeptor wird ihre Nucleinsäure für Desoxy-ribonuclease zugänglich. Auf die DNS intakter T 5 -Teilchen wirkt das Enzym nicht ein. Es ist also ohne weiteres verständlich, warum die Reaktion zwischen T 5 und seinem Rezeptor irreversibel ist.

Zur Messung wurden gleiche Volumina der Versuchs-ansätze (Rezeptor allein, T 5 allein, T 5 mit Rezeptor und T 5 erhitzt) bei 37° inkubiert, bis mehr als 95% der T5-Teilchen in der Mischung mit Rezeptor inaktiviert waren. Danach wurde DNase zu allen Ansätzen zugege-ben und weiter bei 37° gehalten. Nachdem das Enzym einige Zeit eingewirkt hatte, wurde Protein und nicht zerlegte Nucleinsäure mit saurem Alkohol gefällt, zentri-fugiert und die Extinktion der Überstände bei 260 mu gemessen. Nur die Überstände der Ansätze mit Rezeptor-T 5 - Mischung und mit erhitzten Phagen, deren DNS bei der Erhitzung frei wird, zeigten Absorption im Ultra-violett (Tab. 2). Bezogen auf den Ansatz mit erhitzten Phagen ( = 100%) wurde in den Mischungen von T 5 mit Rezeptor eine Ejektion von bis zu 50% der insgesamt vorhandenen Phagennucleinsäure gefunden.

Die Bedingungen für maximale Ausschüttung müssen noch studiert werden. Calcium scheint kei-nen fördernden Einfluß zu haben (Tab. 2). Wenn sich dies bestätigt, dürfte die Rolle der Ca"-Ionen, von denen man weiß, daß sie auf einer sehr frühen Stufe der T 5 - Vermehrung in der Zelle einzugrei-

6 A.D. H e r s h e y u. M. C h a s e , J. gen. Physiol. 36, 39 [1952].

fen haben 7, kaum darin bestehen, die Injektion der T 5 - Nucleinsäure in die1 Zelle auszulösen. Vielmehr wäre zu schließen, daß dies der Rezeptor auch ohne ihre Mithilfe fertigbringt. Isolierte Rezeptorsubstan-zen sind für solche Untersuchungen zweifellos sehr wertvoll.

Extraktion der T 5 - resistenten Mutante B/1 ,5 Extrahiert man nach dem oben beschriebenen Ver-

fahren B/1,5-Zellen, so erhält man bei schematischer Befolgung der Aufarbeitungsvorschrift (Inaktivie-rungstests sind wegen mangelnder Rezeptoraktivität hier nicht möglich!) schließlich ebenfalls eine ein-heitliche Substanzfraktion. In ihrem physikalischen Verhalten unterscheidet sie sich nur wenig von der T 5 - Rezeptorsubstanz. Sie hat die gleiche Sedimen-tationskonstante, aber eine um 1/3 geringere elektro-phoretische Beweglichkeit (u = — 7 , 8 • 10"5 cm2 Volt -1

sec -1) zwischen pn 6,5 und 8 in m/15-Phosphatpuffer (p = 0,2). Bereits bei PH 6 beginnt sie zu agglutinie-ren. Es liegt nahe, ihre gegenüber der T 5 - Rezeptor-substanz schwächere elektrische Ladung mit ihrem Mangel an Rezeptoraktivität in Verbindung zu brin-gen. Ob dem Ladungsunterschied chemisch-analy-tische Unterschiede parallel gehen, wird z. Z. von uns untersucht.

Nachdem uns genügende Mengen dieser Substanz aus B/1,5 zur Verfügung standen, haben wir ge-prüft, ob auch bei sehr hoher Konzentration keine inaktivierende Wirkung auf T5-Tei lchen festzustel-len ist. Tatsächlich tritt bei Konzentrationen, die mengenmäßig etwa 600 Einheiten Rezeptorsub-stanz/ml entsprechen würden, eine schwache T 5 - I n -aktivierung auf. In Einheiten ausgedrückt, entspricht die bei dieser Konzentration gefundene Aktivität etwa 1,7 Rezeptoreinheiten. Es muß vorläufig dahin-gestellt bleiben, wie diese schwache Aktivität zu deuten und ob sie als spezifisch aufzufassen ist (vgl. dazu 1. c. 8).

Auf die Gefahr, bei der Aufarbeitung der T 5 -Rezeptorsubstanz (und auch des Materials aus B/1,5)

7 M . H . A d a m s , J. gen. Physiol. 32, 579 [1949]. 8 W. W e i d e l , Z. Naturforschg. 7b, 145—148 [1952].

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Membranfetzen mitzuschleppen, die eine Polyvalenz dieser Komplexe vortäusdien können, wurde bereits oben hingewiesen.

Chemisch-analytische Ergebnisse

Sowohl die Substanz aus B/1,5 als auch der T 5 -Rezeptorkomplex sind eiweißreiche Lipoglykoproteide mit einem Stickstoffgehalt von etwa 6 , 7 % . Wie die Zellmembran der Coli-Zelle - lassen sie sich mit 90-proz. Phenol vom größten Teil ihres Proteins be-freien (etwa 6 0 % der Trockensubstanz). Die Aktivi-tät des T 5 - Rezeptorkomplexes gegenüber T 5 wird dabei zerstört, so wie entsprechend die T 2- und T 6-Rezeptoren der Zellmembran bei dieser Behandlung verniditet werden. Dafür treten jedoch, ebenfalls wie bei der Zellmembran, in den phenol-unlöslichen An-teilen beider Lipoglykoproteide jetzt Rezeptoraktivi-täten gegenüber T 3 , T 4 und T 7 hervor, die offen-bar vorher vom Protein verdeckt waren.

In ihrer chemischen Zusammensetzung stimmen diese drei funktionell gleichwertigen Restkomplexe, wie kaum anders zu erwarten, weitgehend überein. Insbesondere enthalten sie die gleidien reduzieren-den Zucker: Glucose, Glucosamin und „Heptose" (letztere ist chemisdi noch nicht sicher identifiziert). Einen quantitativen Vergleich zeigt Tab. 3. Offenbar

T3,4,7-Rezeptorkomplex aus B-Mem- T5- B/1,5-branen Rezeptor Substanz

Reduz. Zucker ohne Hexosamin 11,2 16,5 16,1

Hexosamin 10,3 7,7 7,0

Lipoid 26,5 34,0 29,4

Tab. 3. Vergleidi der analytischen Zusammensetzung von Rezeptorkomplex für T3, T 4 und T7, gewonnen aus verschiedenen Komponenten der Colizellwand bzw. ver-

schiedenen Zelltypen.

wird man also in den phenol-löslichen Protein-Antei-len der B/1,5-Substanz bzw. des T 5 - Rezeptorkom-plexes nach chemisch - analytischen Unterschieden suchen müssen, in der Hoffnung, darin eine deut-bare Ursache ihres unterschiedlichen Verhaltens gegenüber dem Phagen T 5 zu finden. Entsprechende Arbeiten sind im Gange.

Diskussion

Beim — vielleidit noch verfrühten — Versuch, aus allen unseren bisherigen Ergebnissen über die

Rezeptorkomplexe der Coli B- Zelle den Aufbau ihrer Zellwand zu rekonstruieren, ergibt sich etwa folgendes Bild: Eine tiefste, die ganze Zelle um-schließende und dem Cvtoplasma wohl unmittelbar anliegende Schicht wird vom phenol-unlöslichen An-teil der Zellmembran gebildet. Die niedermoleku-laren Bestandteile dieser Schicht (Zucker, Lipoide, Phosphorsäure, Aminosäuren usw.) sind vermutlich alle durch Hauptvalenzen, die nur durch Hydrolyse gelöst werden können, netzartig miteinander ver-bunden. Dieser Lipopolysaccharid-Schicht liegt, offenbar von Lücken unterbrochen, eine Schicht aus Lipoid und Lipoproteid auf. Die Bindung zwischen beiden Schichten, die zusammen die Zellmembran bilden, ist labil gegenüber Phenol, das sie vonein-ander zu trennen gestattet. Vielleicht durch die er-wähnten Lücken hindurch sind die der Lipopoly-saccharidschicht angehörenden T 4 - Rezeptorareale für diesen Phagen hin und wieder zugänglich (die Aktivität der Zellmembran ist gegenüber T 4 nicht sehr groß), während die entsprechenden Areale für T 3 und T 7 vom Lipoid und Lipoproteid der nächst-höheren Schicht ganz zugedeckt sind und erst, zu-sammen mit weiteren Rezeptorarealen für T 4 , durch Phenolbehandlung freigelegt werden können. Im Proteid dieser nächsthöheren Schicht wiederum dürf-ten die Rezeptorareale für T 2 und T 6 zu suchen sein. Sie sind auf der Zellmembran genau wie auf der intakten Zelle für diese Phagen unmittelbar und vollständig zugänglich. Daher die im Vergleich zu T 4 größere Rezeptoraktivität der Zellmembran gegenüber T 2 und T 6 . Zur Zell-Wand vervollstän-digt wird die Zellmembran schließlich durch den T 5 - Rezeptorkomplex, der offenbar diskontinuierlich hier und da den beiden besprochenen Schichten auf-liegt oder in sie eingesprengt ist, festgehalten durch diemisdie Bindungen, die besonders leicht zu lösen sind.

Merkwürdig ist die Tatsache, daß die kugeligen Teildien des T 5 - Rezeptorkomplexes ihrerseits eben-falls 2-schiditig aufgebaut sind, wobei als protein-umhüllter Kern hier praktisch das gleiche Lipopoly-saccharid-Material zum Vorschein kommt, wie man es in der tiefsten Schicht der Zellmembran antrifft. Offenbar dient es der Zelle stets als Träger für spe-zifische Lipoproteide. Es wäre wichtig herauszufin-den, ob das Lipopolysaccharid des T5-Rezeptor-komplexes in der intakten Zellwand dieser tiefsten Sdiidit direkt angehört oder ob es von ihrem Ver-band vollkommen getrennt bleibt, wofür u. a. die leichte Extrahierbarkeit des T 5 - Rezeptorkomplexes

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— ohne gleichzeitige zwangsläufige Zerstörung der Zellmembran — spricht.

Nunmehr stellt sich die vom Standpunkt der Virusforschung wichtigste Frage: Wieviel Schichten hat ein infizierendes Phagenteilchen tatsächlich bei der Infektion der Zelle zu durchbrechen? Für T 5 sollten es mindestens zwei sein: das rezeptor-aktive Protein und das davon bedeckte, für T 5 nidit rezep-tor-aktive Lipopolysaccharid. Für T 2 und T 6 müßte genau dasselbe gelten. Wie steht es aber mit T 3 , T 4 und T 7 ? Tritt die Lipopolysaccharid-Schicht der Zellmembran mit ihren entsprechenden Rezeptor-arealen für diese Phagen in der intakten Zellwand an vielen Stellen ganz unbedeckt an die Oberfläche, so daß von T 3, T 4 oder T 7 nur sie allein zu durch-brechen wäre? Wenn dies so ist, müßte der Mangel an Aktivität gegenüber T 3 und T 7 in künstlich prä-parierten Zellmembranen nur ein Artefakt sein, her-vorgerufen durch bei der Präparierung unvermeid-liches „Zukleistern" der T 3 - und T7-Rezeptor-areale, die erst wieder frei werden, wenn die äußere, vielleicht verfließliche Lipoid- und Lipoproteidschicht durch Phenol völlig beseitigt wird. Tatsächlich ver-schwindet die Rezeptoraktivität der Coli-Zelle gegen-über T 3 und T 7 unter den verschiedensten zell-schädigenden Behandlungen sehr leicht und von allen Aktivitäten immer zuerst.

Das Problem der zu durchdringenden Zellwand-schichten kompliziert sich noch mehr, wenn man par-tiell phagen-resistente Coli-Mutanten in Betracht

zieht, z. B. B/3,4,7. Dieser Zelltyp hat nach unseren Befunden eine tiefste Wandschicht (Lipopolysac-charid-Schicht), die chemisch sehr verschieden ist von der im B-Normalstamm. Trotzdem stellt sie nur für T 3 , T 4 und T 7 eine uneinnehmbare Barrikade dar. Die andern T-Stämme können sie überwinden. Sollten vielleicht doch die Rezeptorproteine für T 2 , T 5 und T 6 wie Pfropfe durch diese Lipopolysac-charid-Schichten hindurchreichen bis direkt Zum Cytoplasma? Vorläufig scheint keine der sich an-bietenden Vorstellungen und Deutungen ganz frei von Schwierigkeiten zu sein.

Immerhin darf festgestellt werden, daß für die Coli B - Zelle nunmehr sämtliche Rezeptorkomplexe für in vitro - Untersuchungen zugänglich gemacht und auch nach chemischen Gesichtspunkten klassi-fiziert sind. Eine Ausnahme macht hier nur noch der Rezeptor für T l , dessen reversible Wirkung auf die-sen Phagen es nicht gestattet, den üblichen, ein-lachen Inaktivierungstest zu seinem Studium heran-zuziehen. Ein prinzipielles Hindernis ist dies jedoch nicht.

Wir möchten uns an dieser Stelle bei Herrn Dr. E i b l , Bundesstaatliches Serotherapeutisches Institut Wien, für die Überlassung eines Präparates von kristallisierter Des-oxyribonuclease und bei Herrn Dr. S c h ä f e r , Max-Planck-Institut für Virusforsdiung, für die Ausführung von Dif-fusionsmessungen herzlich bedanken. Bei den physika-lischen Messungen leistete uns audi Herr E. K r a m e r wertvolle Hilfe.

Über die Reinigung eines temperierten Phagen V o n G I O R G I O C A V A L L O u n d G E R H A R D SCHRAMM

Aus dem Max-Planck-Institut für Virusforschung, Tübingen (Z. Naturforschg. 9 b, 579—582 [1954]; eingegangen am 12. Juni 1954)

Es wird die Anreicherung eines Phagen aus einem lysogenen Stamm von Micrococcus pyogenes aureus beschrieben. Eine Kombination von chemischen Fällungen, Elektrophorese und Ultrazentrifugation führte zu einem verhältnismäßig reinen Präparat. Die Sedimentations-konstante des gereinigten Phagen wurde auf biologischem Wege zu 510 S bestimmt. Auf elektronenmikroskopischen Abbildungen zeigt der Phage einen runden Kopf von 70—80 m/u. Durchmesser und einen Schwanz von etwa 200 mu Länge. Zwischen temperierten und vini-lenten Phagen scheinen morphologisch keine Untersdiiede zu bestehen.

Nach L w o f f 2' 3 versteht man unter einem temperierten Phagen ein Virus, das gewisse

Bakterienzellen nicht lysiert, sondern lysogen macht.

1 A . L w o f f u. A. G u t m a n n , Ann. Inst. Pasteur 78, 711 [1950],

2 A. L w o f f , L. S i m i n o v i t c h u. N. K j e l d -g a a r d , Ann. Inst. Pasteur 79, 815 [1950].

3 A. L w o f f , Ann. Inst. Pasteur 84, 225 [1953].

Lysogene Bakterien vermehren sich normal, können aber durch äußere Einflüsse, wie z. B. durch die Be-strahlung mit UV-Licht, zur Lyse und Ausschüttung aktiver Phagen veranlaßt werden. Zum Nachweis der temperierten Phagen benötigt man einen empfäng-lichen Bakterienstamm (Indikator), der auf die In-fektion mit einer Lyse reagiert.