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Das Lesebuch des Deutschen Weininstituts REISEN & GENIESSEN WEIN AKTIV ERLEBEN WISSEN ÜBER WEIN ALLE DEUTSCHEN ANBAU- GEBIETE IM ÜBERBLICK ALLES WISSENSWERTE VOM ANBAU BIS ZIMMERTEMPERATUR TIPPS FÜR FREIZEITSPORTLER Öchsle

Öchsle - deutscheweine.de · einem beispiellosen Reservoir an Rebsorten schöpfen, zu dem heute auch viele „internationale“ Vertreter wie Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah, Chardonnay

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Das Lesebuch des Deutschen Weininstituts

REISEN &GENIESSEN

WEIN AKTIV ERLEBEN

WISSEN ÜBERWEIN

ALLE DEUTSCHEN ANBAU-

GEBIETE IM ÜBERBLICK

ALLES WISSENSWERTE VOM ANBAU

BIS ZIMMERTEMPERATUR

TIPPS FÜR

FREIZEITSPORTLER

Öchsle

Wein ist Poesie in Flaschen.Robert Louis Stevenson

Deutscher Wein ist heutzutage populär in meinem Land, wie überall in der Welt. Besonders der Riesling, der selbst in Italien als der feinste

und dauerhafteste Weißwein der Welt betrachtet wird.Gian Luca Mazella, Weinjournalist, Rom

Wein ist die Nachtigall unter den Getränken.Voltaire

Mit ihrer erfrischenden Säure und ihrem intensiven, geradlinigen Stil passen deutsche Weine – insbesondere der einzigartige Riesling und

der delikate Spätburgunder – ganz wunderbar und köstlich zu den unterschiedlichsten Speisen.

Jeannie Cho Lee, MW, Hongkong

Deutsche Weine sind die Antithese dessen, was in Amerika produziert wird ... Dankt Gott für deutsche Weine!

Paul Grieco, Restaurant Hearth, New York

Die deutschen Weine und ihre Winzer haben die Chance, mit der verblüf fenden Vielfalt an Stilen zu glänzen,

zu denen nur sie allein fähig sind.Jancis Robinson, Das Oxford Weinlexikon

In Deutschland ist ein Wunder geschehen. Vor einer Generation gab es zwar gute deutsche Weine, aber man musste unglaublich danach

suchen, um ein paar aufzutreiben. Heute gibt es sie in Hülle und Fülle in jeder Preislage.

Stuart Pigott, englischer Autor und Weinkritiker

Schade, dass man Wein nicht streicheln kann.Kurt Tucholsky

In der Tat empfinde ich tiefe Demut in Anbetracht der Größe des Rieslings und der Arbeit etlicher Generationen von Winzern, die diese

uns of fenbart haben.David Schildknecht, The Wine Advocate, USA

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5I N H A L T

Willkommen im Weinland Deutschland

Deutschlands Weingeschichte im Zeitraffer

Alle Rebsorten im Überblick

Deutschlands Weinanbaugebiete

Die Biografie des Weins

Wein macht Arbeit

Das Etikett

Deutschland prickelt

Wein aktiv erleben

Genuss mit Vergnügen

Deutsche Weine und internationale Küche

Impressum

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Inhalt

Zum Titel: Was sich hinter dem Begriff “Oechsle” verbirgt finden Sie auf Seite 82.

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Weinliebhaber auf der ganzen Welt entdecken die deutschen Weine. Entdecken heißt: eine Landkarte von weißen Flecken befreien, neues Wissen

hinzugewinnen. Und was findet der Wein-Entdecker hierzulande? Erstaunliches und Überraschendes, in jedem Falle aber viel Genussvolles. Eine Weinkultur, die ähnlich weit zurückreicht wie die anderer Länder Europas, aber doch eine eigene Prägung hat. Sie ist Teil der deutschen Kultur, nicht erst seit Goethe, der bekanntlich ein großer Weinfreund war. Sie ist vor allem gelebte Gegenwart, nicht museal. Denn deutscher Wein ist von New York über Paris und bis Tokio immer mehr „in aller Munde“. Spitzenrestaurants verweisen in ihren Weinkarten mit Stolz auf erlesene Tropfen aus deutschen Anbaugebieten. Bei vielen der beliebten Kochsendungen im Fernsehen werden auch deutsche Weine empfohlen. Der Winzerberuf kennt kaum Nachwuchsprobleme, manche Erzeuger genießen bei ihren Fans regelrechten ‚Kultstatus‘. Internationale Weinkritiker und Autoren loben die Qualität und die Vielseitigkeit der deutschen Weine. Zu jeder Küche und Speise gibt es ein passendes Gewächs! Aber in Deutschland sitzt man auch gerne mit Freunden einfach bei einem guten Glas Wein zusammen – ein typisches Kennzeichen der deutschen Genusskultur, die sich auch in den Weinstuben und Strauß- oder Besenwirtschaften der Winzer manifestiert. Weinfeste werden nicht nur in den Anbaugebieten gefeiert, sie sind ein gern genutzter Anlass für ungezwungene Geselligkeit. Übrigens sind die Deutschen Weltmeister im Schaumweinkonsum. Die Winzer haben sich darauf eingestellt: Fast jeder bietet mindestens einen nach traditioneller Methode erzeugten Sekt an.

WEINE AUS DEUTSCHEN LAGEN: KULTUR & GENUSS

ERLEBEN

Zeitgeist damals und heute:Weingut Lubentiushof in Niederfell , Mosel

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Willkommen im Weinland Deutschland

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W I L L K O M M E N I M W E I N L A N D D E U T S C H L A N DW I L L K O M M E N I M W E I N L A N D D E U T S C H L A N D

Die 13 deutschen Anbaugebiete können mit einer Reb-sortenvielfalt aufwarten, die ihresgleichen sucht. In kaum

einem Anbaugebiet der Erde werden wie in der Pfalz oder in Rheinhessen bis zu 100 verschiedene Sorten angepflanzt. Die deutschen Winzer können aus einem beispiellosen Reservoir an Rebsorten schöpfen, zu dem heute auch viele

„internationale“ Vertreter wie Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah, Chardonnay und Sauvignon Blanc zählen. Selbstverständlich spielen die Klassiker wie der Riesling oder die Burgundersorten die größte Rolle. Schließlich hat Deutsch-land die weltweit größten Anbauflächen von Riesling und Weißburgunder. Nur Italien baut mehr Grauburgunder an als die deutschen Winzer, und selbst beim Spätburgunder nimmt Deutschland mittlerweile den dritten Platz ein. Kenner wissen längst: Mit ihnen brauchen die Erzeuger keinen internationalen Vergleich zu fürchten. Das liegt auch daran, dass viele junge Winzer in anderen Regionen der Welt Erfahrungen sammeln konnten und schon die Ausbildung an den renommierten deutschen Weinbau-schulen wie die in Geisenheim andere Weinherkünfte einbezieht. Typisch für Deutschland sind auch die erfolgreichen Bemühungen der Wein-bauschulen und Forschungsanstalten um die Züchtung neuer Rebsorten. Einige von ihnen sind längst bekannte Größen im Weinbau geworden wie der Mül-ler-Thurgau, andere sind als relativ junge ‚pilzwiderstandsfähige Sorten‘ (PiWis) auch für einheimische Weinfreunde noch Neuland, doch mit großem Po-tenzial, denn gerade bei den ökologisch orientierten Verbrauchern finden diese Rebsorten großen Anklang.

VIELFALT

KLIMA, TERROIR UND WASSERLÄUFE

Schlanke, elegante Weißweine sind ein Markenzeichen der deutschen Win-zer, denn hierzulande – am nördli-chen Ende des Weltweinbaus – sind

die Bedingungen dafür ideal. In den deutschen Weinregionen haben die Trauben sehr lange Zeit zu reifen und besonders viele Aromastoffe auszubilden. Die Weine haben dadurch trotz vergleichsweise geringer Alkoholgehalte eine große geschmackliche Fülle, mit einem angeneh-men Wechselspiel von frischer Fruchtsäure und sortentypischer Aromatik. Auch bei den Rot-weinen ist die lange Reife schmeckbar. Sie profitieren auch von den steigenden Durchschnitts- temperaturen der letzten Jahre. Die deutschen Weine sind noch Gewinner des Klimawandels.Allerdings stellen die damit einhergehenden Wetterextreme wie Starkregen und Hagel oder auch eingewanderte Insekten die Winzer vor ziemliche Herausforderungen, die sie jedoch dank ihres Know-hows bestens bewältigen – wie man schmecken kann. Welche Tropfen wir in 50 Jahren trinken werden, bleibt abzuwarten. Doch sorgen müssen wir uns nicht. In seiner zwei-tausendjährigen Weinkultur hat der Weinbau hierzulande schon so manche Veränderung er-folgreich gemeistert. Weinkultur lebt eben vom Wandel.

Unverändert bleibt freilich die Grundlage der deutschen Weinkultur: Der Boden, auf dem die Reben stehen. Terroir-Prägung war schon immer ein Kennzeichen der deutschen Weine, schon vor Jahrhunderten trank man beispielsweise „Niersteiner“ oder „Hochheimer“. Dass manche Gesteinsformationen wie etwa Schiefer an Mittelrhein und Mosel, Keuper in Fran-ken oder Vulkangestein am Kaiserstuhl den Weingeschmack prägen, gehört zum Grundwis-sen eines Liebhabers deutscher Weine. Heute werden die Lagenbezeichnungen häufig nur noch dann auf den Etiketten angegeben, wenn sich mit ihnen ein bestimmter Terroir-Charakter verbinden lässt. Somit kennzeichnen sie meistens besonders hochwertige Wein-Persönlichkei-ten. Dass deutsche Weinherkünfte nicht selten die Namen von Flüssen tragen, hängt damit zusammen, dass in einem Land wie Deutschland Weinbau meist nur in Flusstälern möglich war, die durch den ausgleichenden Effekt des Wassers ein besonders ausgewogenes Klima auf-weisen. Auch dies ist ein typisches Merkmal der deutschen Weine. Die spektakulären Steil-lagen an Mosel, Rhein oder Neckar zählen zu den besonderen Sehenswürdigkeiten der deut-schen Kulturlandschaften.

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W I L L K O M M E N I M W E I N L A N D D E U T S C H L A N D W I L L K O M M E N I M W E I N L A N D D E U T S C H L A N D

Brotzeit während der WeinleseWeingüter in Deutschland

sind oftmals seit vielen Generationen in Familien- besitz. Doch dort, wo die Erbteilung praktiziert und die Rebflächen zu

gleichen Teilen an die Kinder aufgeteilt wurden, schrumpften die Betriebe über die Jahre so stark, dass es sich nicht mehr lohnte, einen eigenen Weinkeller zu betreiben. Daher rührt die Tradition der Winzergenossenschaften, in denen versierte Kellermeister aus den Trauben ihrer Mitglieder erstklassige Weine bereiten. Andere Weinbauern ohne eigene Kellerwirtschaft oder Vermarktung geben ihre sorgfältig angebauten Trauben und Weine in die Hände von Kellereien, die dafür sorgen, dass die deutschen Weine im Handel vieler Weltmärkte erhältlich sind.

Deutschlands Weinre-gionen gehören mit Fug und Recht zu den be-vorzugten Urlaubszie-

len. In ihnen verbinden sich neben den landschaftlich reizvollen Weinbergen, Flusstälern und Hügeln maleri-sche Dörfer oder Weinbergterrassen mit einer gewach-senen, abwechslungsreichen kulinarischen Tradition und gastlichen Menschen. Urlaub beim Winzer ist ein Trend geworden, die Gastgeber- und Veranstaltungsver-zeichnisse werden von Jahr zu Jahr umfangreicher. Viele bieten gemütlich eingerichtete Gästewohnungen oder

-häuser und haben stylische Vinotheken eingerichtet. So gesellt sich zur traditionellen Seite der Weinkultur eine neue Erlebniswelt, in der etwa auch junge Familien mit Kindern ihren Platz finden.

WEIN-TOURISMUS

Weingut Max Müller I, Volkach, FrankenWeingut Abril , BadenWinzerhof Gierer, Nonnenhorn, WürttembergWinzerkeller Sommerach, Franken

FAMILIEN, GENOSSEN UND

KELLEREIEN

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W I L L K O M M E N I M W E I N L A N D D E U T S C H L A N DW I L L K O M M E N I M W E I N L A N D D E U T S C H L A N D

Die tolle Weinqualität ist in Deutschland auch von jüngeren Konsu-menten längst entdeckt

worden. Sie stehen auf peppig aufgemachte Weine, tren-dige Seccos oder „Blanc de Noirs“, die insbesondere die jungen Winzer immer öfter im Angebot haben. Wein ist trendy und ein spannendes Gesprächsthema. Man kennt gute Winzer und tauscht sich darüber aus, man lädt Freun-de zum gemeinsamen Kochen und Essen ein. Zahlreiche Blogger und Weinfreunde debattieren im Internet und auf sozialen Medien über Ausbau und Qualität, immer häufiger auch über Themen wie Nachhaltigkeit und Bio-Anbau. Beides findet immer mehr Interesse bei Erzeugern und Konsumenten. Und damit es für die Weinliebhaber nicht langweilig wird, bieten die deutschen Weinregionen einen wahrhaft unerschöpflichen Vorrat an Entdeckungs-möglichkeiten und dazu mit jedem neuen Jahrgang immer wieder neuen Genuss.

WEIN MITTEN IM LEBEN

Der schönste Beruf der Welt? Winzer natürlich! Das beweisen zahlreiche Prominente, die sich irgendwann ihren Lebenstraum erfüllen und ein Weingut kaufen. Das reicht aber nicht,

um gute Weine herstellen zu können, denn das ungemein vielseitige Winzer-handwerk muss man erst lernen. Übrigens wächst die Anzahl der Winzerinnen seit Jahren. Der Beruf ist schon lange keine Männerdomäne mehr! Deutsche Weinbauschulen, die Forschungs- und Lehranstalten, haben international einen sehr guten Ruf. In vielen Weingütern der Welt sind etwa „Geisenheimer“ tätig, also Absolventen der Hochschule Geisenheim University im Rheingau. Eine andere bekannte Ausbildungsstätte ist die Hochschule Heilbronn. Die Fachhochschulen von Bingen, Kaiserslautern und Ludwigshafen bieten zusam-men mit dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Neustadt an der Weinstraße einen Studiengang „Weinbau und Oenologie“ an.

Ein Winzer in Deutschland ist heute ein Multitalent: Landwirt und Traubenanbauer, Geologe, Biologe, Mechaniker, Meteo-

rologe, Oenologe, Kellermeister, Marketingexperte, Qualitätsmanager, Jurist, Entertainer und, neuerdings, Fachmann für nachhaltiges Wirtschaften − alles in einer Person! Solch ein Winzer weiß genau, welchen Wein er machen will; viel bleibt der Natur, aber nichts dem Zufall überlassen. Seine Kenntnisse hat er oft durch Praktika in anderen Ländern erweitert. Schon während der Ausbildung pflegen die angehenden jungen Winzerinnen und Winzer den Austausch, ver-gleichen die Weine ihrer Heimat mit anderen, verkosten und tüfteln gemeinsam. Dieser Blick über den Tellerrand erweitert den Horizont und stellt die Weine in den Wettbewerb mit anderen Herkünften.

GUTE WEINE ENT-STEHEN IM KOPF

WIE WIRD MAN WINZER?

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Impressionen aus dem Weinkeller

Auch nach der Aus-bildung bleibt man in

Verbindung. Davon zeugen die zahlreichen Gruppierungen, in denen meist jun-ge Winzer ihre Weine gemeinsam entwickeln und vermarkten. Eine der ersten waren die „Leiwener Jungwinzer“, von denen einige längst die „Altersgrenze“ von 30 Jahren überschritten haben. Auch die „Fünf Freunde in der Südpfalz“ fanden viel Aufmerksamkeit in den Medien; ihre Weine wurden und werden von Kennern geschätzt. Andere Gruppierungen heißen „Message in a Bottle“, „Junges Schwaben“, „Next Generation“ oder „Südpfalz Connexion“. Viele Grup-pierungen kreieren gemeinsam einen Wein oder Weintyp wie den „Rheingau-er Leichtsinn“, einen sommerfrischen Perlwein, oder sie setzen sich für eine bestimmte Rebsorte ein wie die Gruppierung „Frank & Frei“, die in Franken dem Müller-Thurgau zu einem neuen Image verholfen hat. Unter dem Motto

„Generation Riesling“ sorgen Jungwinzerinnen und -winzer aus allen Anbauge-bieten für Furore. Sie präsentieren den neuen Jahrgang gemeinsam, treten auf Messen auf und geben den Weinen aus den deutschen Anbaugebieten − nicht nur dem Riesling − ein modernes, junges Gesicht.www.generation-riesling.de

FACEBOOK, TWITTER & CO. Längst sind die deutschen

Winzer auch in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter & Co. zu finden. Es gibt zudem eine ganze Reihe von Weinblogs, wo sich Gleichgesinnte über deut-sche Weine austauschen. Sie nehmen weltweit einen immer größeren Stellenwert in der Kommunikation für die Empfehlungen von deutschen Weinen ein.

GUTE VERBINDUNGEN

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Deutschlands Weingeschichteim Zeitraffer

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W E I N L A N D D E U T S C H L A N D

VOR DEN RÖMERN

Die alten Germanen tranken Met, Kreuzworträtselfans als „Honigwein mit drei Buchstaben“ bekannt. Wein aus Trauben: Fehlanzeige. Aber immerhin eine alkoholische Gärung! Die berauschende Wirkung war un-seren Vorfahren jedenfalls bekannt, wenn auch nicht deren genaue Ursache.

DIE RÖMER

Mit der Eroberung Germaniens kam die Rebe an die Mosel und später an den Rhein. Die Mosel ist Deutsch-lands ältestes Anbaugebiet, Trier war als Augusta Treverorum Hauptstadt des Weströmischen Reiches. Zahlrei-che Ausgrabungen von Kelteranlagen (z.B. Piesport, Brauneberg, Erden) belegen die rege Weinkultur im Moseltal.

AB 50 V. CHR.

Der älteste Weinkeller Deutschlands der Vereinigten Hospizien Trier wurde im Jahr 330 erbaut.

KARL DER GROSSE

Der Herrscher des Frankenreiches brachte den Weinbau in Schwung, der besonders durch Klöster betrieben wurde. Er soll von seinem Winterquartier, der Pfalz in Ingelheim, die Eignung der gegenüber liegenden Rheinseite für den Weinbau erkannt haben, weil an den Hängen des Rheingaus der Schnee früher als anderswo taute. Vielfach gilt er als Begründer der Straußwirtschaften. Allein das Reichs- und Königskloster Lorsch an der Hessischen Bergstraße soll um das Jahr 850 rund 900 Weinberge besessen haben.

„SEI GEGRÜSST, MOSELLA“

Der römische Konsul und Dichter Decimius Magnus Ausonius beschreibt die Mosel und ihre steilen Weinberge in 483 Hexametern: „Mosella“. Die Römer transportieren Wein auf Schiffen. Das „Neumagener Weinschiff“, das Grabmal eines Weinhändlers aus dem 3. Jahrhundert, ist im Rheinischen Landesmuseum in Trier zu sehen − und Touristen können in Neumagen-Dhron auf einem 18 Meter langen Nachbau fahren!

UM800CA.371N.CHR.

MÖNCHE, NONNEN,

KIRCHENFÜRSTEN

Klostergründungen wie die des Klosters Eberbach im Rheingau durch die Zisterzienser (1136), der Benediktinerinnenabtei St. Hildegard bei Rüdesheim durch die heilige Hildegard von Bingen oder das Augustinerinnenkloster Marienthal an der Ahr (1137) waren und sind für den Weinbau von großer Bedeutung. Die Mönche legten zahlreiche Weinberge an. Viele Lagenbezeichnungen erinnern noch heute daran, dass die Kirche Besitzer dieser Weinberge war: Prälat, Kirchenstück, Domdechaney, Abtsberg, Domprobst ...

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Der älteste noch flüssige Wein der Welt ist im Historischen Museum der Pfalz in Speyer zu sehen. Die Glasflasche mit ihrem gelblichen Inhalt wurde 1867 in einem Grab aus dem frühen 4. Jahrhundert gefunden.

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D E U T S C H L A N D S W E I N G E S C H I C H T ED E U T S C H L A N D S W E I N G E S C H I C H T E

EIN ZEICHEN DER GRÖSSE

Nie war die Rebfläche in Deutschland größer als vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648). Doch danach waren viele Weinberge verwüstet und lagen brach. Trotzdem müssen die Herrscher einen Hang zum Gigantismus gehabt haben. Wie sonst erklärt sich das Heidelberger Riesenfass? Das Exemplar von 1751 fasst rund 220.000 Liter Wein, war allerdings nur dreimal gefüllt. Touristen bestaunen es noch heute.

17.-18.JHD.

KURFÜRST CLEMENS

WENZESLAUS VON SACHSEN

Der Kurfürst und Erzbischof von Trier hat als Weinkenner das Anbaugebiet Mosel entscheidend geprägt. Er verfügte nämlich, dass zur Qualitätsverbesserung innerhalb von sieben Jahren „schlechte“ durch Rieslingreben zu ersetzen seien. So entstand eines der größten Riesling-Anbaugebiete der Welt.

DER SPÄTLESEREITER

Die Entdeckung der Spätlese war ein Zufall: Weil der Reiter mit der Leseerlaubnis des Fürstbischofs von Fulda mit 14 Tagen Verspätung zu den Mönchen auf dem Johannisberg im Rheingau zurückkehrte, konnte die Lese erst beginnen, nachdem die Beeren schon von (Edel-)Fäulnis befallen waren. „Solchen Wein habe ich noch nicht in den Mund gebracht“, staunte der Kellermeister. Warum der Bote sich verspätete, ist bis heute ungeklärt. Aber klar ist, dass die Spätlese bis heute einer der wichtigsten Weintypen des deutschen Weins ist. Übrigens geht auch die Bezeichnung Kabinett auf Mönche zurück. Die lagerten ihre besten Weine in einem Teil des Kellers, den sie Cabinet nannten.

1775 1787

GEBURTSSTUNDE DES

EISWEINS

Der Geburtsort des deutschen Eisweins ist Dromersheim, ein Stadtteil von Bingen am Rhein. Vermutlich wurde dort der erste Eiswein Deutschlands am 11. Februar 1830 aus Trauben des Jahrgangs 1829 gelesen. Die Winzer ernteten die Trauben aufgrund ihrer schlechten Qualität nicht und pflückten sie dann doch noch im Winter, um sie als Viehfutter zu verwenden. Dabei stellten die Weinbauern fest, dass die gefrorenen Trauben einen sehr süßen, schmackhaften Saft mit hohem Mostgewicht hergaben. Sie pressten die Trauben aus und der Eiswein war geboren.

1830

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D E U T S C H L A N D S W E I N G E S C H I C H T E D E U T S C H L A N D S W E I N G E S C H I C H T E

1868

EINIGKEIT MACHT STARK

Als „Winzer Verein zu Mayschoß“ bildeten 18 Ahr-Winzer die erste deutsche Winzergenossenschaft. Genossenschaften gibt es heute in allen Anbaugebieten. Sie bewirtschaften rund ein Drittel der deutschen Rebfläche. Große Bedeutung haben sie in Württemberg und Baden, wo es viele Nebenerwerbswinzer gibt.

KONTROLLE IST BESSER

Schon im Mittelalter wurden Wein-panscher mit teils drakonischen Maßnahmen bestraft: 1471 war ein Winzer wegen Beimischung von Wasser eingemauert worden. Die erste königliche Verordnung gegen das Weinfälschen stammt von 1498. 1903 schuf der damalige Regierungs-bezirk Pfalz die erste „Planstelle“ eines Sachverständigen als Wein-kontrolleur. Weinkontrolleure gibt es heute überall. Sie überwachen die Produktionsbedingungen, die Einhaltung der Vorschriften und die sensorische Qualität von Fass- und Flaschenweinen durch Stichproben in den Betrieben sowie die korrekte Kennzeichnung auf den Etiketten.

AB1872

DIE REBLAUS SCHLÄGT ZU

Der aus Nordamerika eingewanderte Schädling sorgte in ganz Europa für eine Krise im Weinbau. In Frank-reich waren schon seit 1865 große Teile der Rebflächen zerstört worden, dann tauchte die Reblaus bei Bonn, in Sachsen, Baden und an der Mosel auf. Vergebens versuchten die ver-zweifelten Winzer, den Rebenkiller mit Petroleum und anderen Mitteln zu bekämpfen. Erst 1872 stellte man fest, dass amerikanische Rebstöcke resistent waren. Seitdem werden in Europa die Reben auf amerikanische Unterlagen aufgepfropft. Nur noch wenige Weinberge in Deutschland haben „wurzelechte“ Rebstöcke. Vollständig besiegt ist die Reblaus indes nicht.

1903

KÖNIGIN FÜR DEUTSCHLAND

Elisabeth Gies, geborene Kuhn, aus Diedesfeld in der Pfalz wird 1949 zur ersten Deutschen Weinkönigin gekrönt. Diese Amtswürde ist damit genauso alt wie die Bundesrepublik. Heute ist die Deutsche Weinkönigin während ihrer einjährigen Amts-zeit eine kompetente und gefragte Botschafterin des deutschen Weins im In- und Ausland. Sie ist viel unterwegs: Mehrere hundert Termine stehen Jahr für Jahr auf ihrem Terminplan.

1949

Ebenfalls 1949 erfolgt die Gründung des Deutschen Weininstituts, damals noch unter dem Namen „Deutsche Weinwerbung GmbH“. Das DWI mit Sitz in Mainz, das auch die Website www.deutscheweine.de betreibt, hält für den Verbraucher viele nützliche Informationen von Rebsorten über Anbaugebiete bis zu aktuellen Veran-staltungen und Publikationen bereit. Auch das Auslandsmarketing gehört zum Arbeitsbereich des DWI, das weltweit viele Informationsbüros unterhält.

I N S T I T U T F Ü R D E N W E I N

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D E U T S C H L A N D S W E I N G E S C H I C H T E D E U T S C H L A N D S W E I N G E S C H I C H T E

EIN GESETZ NIMMT EINFLUSS

Das Weingesetz von 1971 schafft die Grundlage des deutschen Weinbaus, wie er sich noch heute präsentiert: Die Anbaugebiete, Lagen- und Großlagenbezeichnun-gen sind überwiegend heute noch gültig. Seitdem existieren auch klar definierte Güteklassen wie Qualitätswein und Prädikatswein. Grundlage des Gesetzes war die Schaffung der gemeinsamen Markt- organisation für Wein in der EU.

1971 1995

Der Anteil der Rotweinsorten steigt seit 1981 stetig, bis 2006 auf 36,9 Pro-zent. Grund: Bei Neupflanzungen entscheiden sich viele Winzer für Spätbur-gunder, Dornfelder & Co., weil die Deutschen immer lieber Rotwein trinken. Allerdings hat sich der Flächenanteil der roten Sorten seitdem wieder etwas verringert.

WEIN SCHLÄGT BIER

Die Deutschen geben erstmals mehr Geld für Wein aus als für Bier. Zwar nur knapp: Der Vorsprung liegt mit einem Anteil am Haushaltsbudget für alkoholische Getränke von 32,3 Prozent vor dem Anteil des Bieres (32,2 Prozent). Aber in einem Land, dessen Bierkonsum viel höher ist als der Weinverbrauch, dennoch ein historischer Moment. Mittlerweile ist der Vorsprung deutlich gewachsen.

HÖHEPUNKTE DER WEINKULTUR

Seit 2010 zeichnet das Deutsche Weininstitut „Höhepunkte der Weinkultur” aus: Orte, die Geschichte und Tradition des Weinbaus eindrucksvoll dokumentieren. Dazu gehören alte Weinbergslagen und Weinbaumuseen ebenso wie zum Beispiel historische Kelteranlagen oder traditionsreiche Weinbaugemeinden.

2001 2010

RIESLING RENAISSANCE

Dass der Riesling heute wieder als König der deutschen Weine gilt (Deutschland verfügt mit einem Anteil von über 60 Prozent über die größte Riesling-Anbaufläche der Welt), ist noch gar nicht so lange her. Die weltweit wachsende Nachfrage nach deutschem Riesling geht einher mit einem Wandel im Qualitätsden-ken und der Konsumgewohnheiten. Immer mehr Winzer setzen auf Riesling.

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wächst die Anzahl der Anbaugebiete auf dreizehn. Hinzu kommen Sachsen und Saale-Unstrut.

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Rebsorten

Riesling: der unangefochtene König

Schon das Schnuppern an einem Riesling ist ein großes Vergnügen. Apfel-, Zitrus-, Pfirsich- oder Aprikosennoten steigen in die Nase. Diese klaren

fruchtigen Aromen in Verbindung mit einem einzigar-tigen Fruchtsäurespiel machen den Riesling zu einer der ganz großen Rebsorten dieser Welt, die seit einigen Jah-ren international eine wahre Renaissance erlebt. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts zählten deutsche Rieslinge zu den teuersten Weinen der Welt!

Man darf getrost von Deutschland als der Heimat des Rieslings sprechen. Immerhin stehen mit über 22.000 Hektar rund 60 Prozent aller Rieslingreben der Welt in deutschen Weinbergen. Die Pfalz und die Mosel sind die beiden größten Riesling-Anbaugebiete der Welt. Eines der ersten verbürgten Dokumente, in denen hierzulande der Riesling-Anbau erwähnt wird, ist eine Kellereirechnung aus Rüsselsheim vom 13. März 1435 an die Grafen von Katzenelnbogen über „seczreben rießlingen in die win-garten“. Durch den klösterlichen Weinbau hat die Sorte seit dem Mittelalter weitere weinkulturelle Akzente ge-setzt. Nach dem Johannisberg im Rheingau, dem ältesten noch existierenden Riesling-Weinberg der Welt, ist der in den USA gebräuchliche Name „Johannisberg Riesling“ benannt. Er verbreitete sich schnell in die deutschen An-baugebiete – besonders in die Flusstäler, die dem Riesling wegen ihrer Wärme speichernden Fähigkeiten besonders gelegen kamen. Auch in andere Länder der Welt konnte er dank deutscher Auswanderer vordringen, so etwa Aus-tralien, die USA und Neuseeland.

Der Charakter eines Rieslings hängt wie bei kaum einer anderen Rebsorte von dem Boden ab, auf dem er wächst. Schwere Lehmböden fördern eine zitrusfruchti-ge Ausprägung, Buntsandstein bringt Aprikosenaroma in die Weine, und Schieferböden sorgen für eine prägnante mineralische Note, die mitunter an Feuerstein erinnert.

Rieslinge können wunderbar altern. Gereift zeigen sie oft einen edlen Petrolton, der dem Kenner höchsten Genuss verspricht.

Eine große Rebe wie der Riesling spielt seine Stär-ken in allen möglichen Spielarten aus: als Winzersekt, als leichter Kabinettwein, als edle Spätlese oder kostba-rer Eiswein – egal, ob trocken, halbtrocken oder edelsüß ausgebaut. Der Riesling ist in dieser Vielfalt wunderbar erfrischend und passt als Speisenbegleiter besonders gut zu Fisch- und Geflügelgerichten mit hellen Saucen oder Gemüseragouts. In der halbtrockenen Variante ist er der ideale Begleiter für die asiatische Küche. Und dann die süßen Schätze: Beerenauslesen und Trockenbeerenausle-sen. Unvergleichliche, außerordentlich haltbare Genüsse, die eines gemeinsam haben: Durch die Edelfäule (bot-rytis cinerea) erfahren die Riesling-Aromen eine weitere Vervollkommnung. Der Riesling eignet sich ganz beson-ders für diese üppigen Spielarten, da er langsam und spät reift und der edle Pilz sich so mit aller Sorgfalt auf die Trauben setzen kann. Wenn das Herbstwetter dann noch mitspielt und es weder zu kühl noch zu trocken ist, steht dem edelsüßen Vergnügen nichts mehr im Wege.

Das aus diesen mit der Hand einzeln ausgelesenen Beeren gewonnene Elixier liefert konzentrierte Aromen mit strahlender Riesling-Säure. Trockenfrüchte, Honig, reife Ananas und gelbe Pfirsiche können da in die Nase steigen. Das sind wunderbare Aperitifs oder herrliche Partner zu fruchtigen Desserts oder kräftigem Käse. Ries-ling-Hochgenuss verspricht auch der Eiswein. Eisweine sind konzentrierte, hochfeine Tropfen mit brillantem Säurespiel, strahlenden Fruchtaromen und einer Trau-bensüße, die Mostgewichte von bis zu 250° Oechsle errei-chen kann. Kein Wunder, dass Riesling-Eisweine zu den Wein-Pretiosen zu rechnen sind.

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R E B S O R T E N

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Rote Rebsorte / Weiße Rebsorte

Anteile der bestockten Rebf lächen bei 102.197 Hektar Gesamtf läche in 2013.

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Spätburgunder ist zweifellos die beste Rotweinsorte in Deutschland. Er fühlt sich nur in allerbesten La-gen wohl. Hier entwickelt er die charakteristische

komplexe Kirschfrucht, zarte Noten nach Rauch und Mandel und weitere feine, an rote Beeren erinnernde Fruchtnuancen.

Deutschland ist mit einer Rebfläche von mittlerwei-le mehr als 11.000 Hektar die weltweit drittgrößte An-baunation für Spätburgunder nach Frankreich und den USA. Während Deutschlands wichtigste weiße Rebsorte, der Riesling, weltweit Erfolge feiert, ist die bedeutendste rote Rebsorte, die auch als Pinot Noir oder Pinot Nero bekannt ist, im Ausland noch immer ein Geheimtipp. Da die Nachfrage nach deutschem Spätburgunder im Inland ungebrochen hoch ist, wird er bisher noch kaum exportiert. Selbst Kenner im Ausland sind deshalb über-rascht, dass es in Deutschland mehr Pinot Noir gibt als zum Beispiel in Australien, Neuseeland und Österreich zusammen.

Der Spätburgunder gehört zu den Rebsorten, die schon sehr lange kultiviert werden. Man sagt, dass es König Karl III. (mit dem schönen Beinamen „der Dicke“) aus dem Geschlecht der Karolinger war, der den Spät-burgunder im Jahre 884 aus Burgund an den Bodensee brachte. Von hier aus verbreitete sich die Rebsorte in den folgenden Jahrhunderten weiter nach Norden.

Spätburgunder stellt hohe Ansprüche an Klima und Boden. Einem der hervorragendsten Rotwein- Vertreter überhaupt sind die besten Lagen gerade gut genug. Als so genannte „Cool Climate“-Rebsorte

ist der Spätburgunder – wie auch der Riesling – für den Anbau in Deutschland geradezu prädestiniert. Die im Vergleich zu südlichen Weinbaunationen deutlich län-gere Vegetationsperiode sorgt in unseren Breitengraden dafür, dass diese Sorten ihr individuelles Terroir, also Bo-den und Klima, in dem sie gewachsen sind, sehr deutlich zum Ausdruck bringen. Dies macht sie so spannend für Weinliebhaber: Spätburgunder aus deutschen Anbauge-bieten sind nicht austauschbar und der Weinfreund kann erschmecken, woher der Wein kommt.

Von dem vollmundigen, meist trocken ausgebau-ten, edlen Roten gibt es zwei Hauptvarianten: den aus hochreifen Trauben gewonnenen Typ, weich, gerbstoff-mild, rubinrot und filigran, und den moderneren Typ mit mehr Tanninen, weniger Fruchtsäure und mit kräftigerer Farbe. Eine wohldosierte Fasslagerung bekommt beiden Typen ausgezeichnet. Rasch von seinen Schalen getrennt, ergibt Spätburgundermost einen „Blanc de Noirs“, der je nach Herstellung blassrosa bis weiß ausfallen kann und mit seiner pikanten, aber dennoch leichten Art wunder-bar zu Speisen aller Art passt und ein herrlicher Aperitif ist. Versektet wird aus Spätburgunder entweder ein aus-gezeichneter roter Schaumwein oder ein perlender Blanc de Noirs.

Baden baut mit rund 5.800 Hektar den meisten deut-schen Spätburgunder an. In fast jedem Anbaugebiet spielt die edle Sorte jedoch eine Rolle. Die Hauptrolle sicher an der Ahr, deren Spätburgunder auch international Furore machen.

Spätburgunder: der trendige Rote

26 R E B S O R T E N

DORNFELDER7,8 %

RIESLING22,9 %

REGENT1,9 %

KERNER2,8 %

SILVANER4,9 %

GRAUBURGUNDER5,5 %

MÜLLER-THURGAU12,5 %

TROLLINGER2,2 %

SCHWARZRIESLING2,0 %

SPÄTBURGUNDER11,5 %

WEISSBURGUNDER4,7 %

PORTUGIESER3,4 %

ELBLING0,5 %

TRAMINER0,9 %

GUTEDEL1,1 %

BACCHUS1,7 %

LEMBERGER1,8 %

SCHEUREBE1,4 %

CHARDONNAY1,6 %

SAUVIGNON BLANC0,8 %

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R E B S O R T E NR E B S O R T E N

Müller-Thurgau (Rivaner)Anfang des 20. Jahrhunderts von Professor Hermann Müller aus dem schweizerischen Thurgau in Geisenheim gezüchtet, galt lange als Kreuzung aus Riesling und Silvaner (daher „Rivaner“). Dies wurde allerdings vor einiger Zeit durch genetische Untersuchungen widerlegt: Die wahren „Eltern“ sind die Sorten Riesling und Madeleine Royale. Der Typus: unkompliziert, leicht zugänglich, milde Säure, feine Frucht mit typischer „Mus-katnote“. Die in Deutschland am zweithäufigsten angebaute, früh reifende Rebsorte liefert frische, sommerliche Tropfen, die zu jeder Gelegenheit schmecken und auch als duftige Perlweine begeistern.

DornfelderDie in den 1950er-Jahren von August Herold in Weinsberg gezüchtete Sorte liefert heute einen der beliebtesten Rotweine in Deutschland. Der leicht zugängli-che, von kirsch- und beerenfruch-tigen Aromen wie Johannisbeeren sowie Wärme, sanften Tanninen und tiefdunkelroter Farbe gekenn-zeichnete Dornfelder ist auch im Anbau unkompliziert und schon jung trinkreif. Auch als Cuvée-partner und im Barrique-Ausbau hat Dornfelder seine Stärken.

GrauburgunderStammt vom Spätburgunder ab. Er heißt in der lieblichen Variante Ruländer, wird heute aber meist trocken ausgebaut. Ein ausgezeich-neter Menüwein, dessen Aromen unter anderem an Birnen, Mandeln, Nüsse und Ananas erinnern. Ein-drucksvoll die stilistische Vielfalt:

Neben dem trockenen, frischen Grauburgunder, der auf der Ter-rasse oder beim Picknick viel Spaß macht, und dem erwähnten Rulän-der-Typ gibt es auch gehaltvolle, im Barrique ausgebaute und edelsüße Vertreter. Wie der Weißburgunder sehr gut zum Versekten geeignet.

SilvanerEntstammt einer natürlichen Kreuzung aus Traminer und Österreichisch Weiß und ist eine der ältesten Rebsorten. 1659 wurde sie hierzulande erstmals urkundlich belegt angebaut, und zwar in Castell (Franken). Franken hat heute den höchsten Silvaneran-teil der Anbaugebiete, doch die größte Silvanerfläche der Welt ist in Rheinhessen zu finden. Er kann sein Terroir fast so gut ausdrücken wie der Riesling. Die Aromen erinnern oft an Blüten und Pflanzen oder auch Melonen und Mirabellen

und Äpfel. Mit seinen zarten, erdigen und fruchtigen Tönen und bekömmlicher Säure ist der Silvaner ein ausgezeichneter Menüwein, klassisch zum Spargel. Aber pro-bieren Sie ihn auch mal zu Fisch.

WeißburgunderStammt vom Spätburgunder ab und gedeiht überall dort ausgezeich-net, wo es dem Riesling zu heiß ist. Leichtfüßig, frisch und mit seiner gut eingebundenen Säure ideal zum Essen. Duftet und schmeckt nach Zitrusfrüchten, Birnen, Melonen, grünen Nüssen. Eignet sich ebenso gut zur Versektung wie zum Ausbau im Barrique und erreicht in Spit-zenlagen eindrucksvolle Qualitäten.

PortugieserDer unkomplizierte, frische Wein wird auch gern als Weißherbst (Rosé) ausgebaut. Die gerbstoffmil-de Sorte ist die am dritthäufigsten angebaute rote Rebe in Deutsch-land. In Portugal ist der Portugieser übrigens völlig unbekannt! Wahr-scheinlich stammt die Sorte aus Österreich oder Ungarn. Typische Aromen: rote Johannisbeere, Him-beere, Erdbeere. Bei reduzierten Erträgen sind Portugieser-Rotwei-ne erstaunlich dicht und können mühelos im Barrique reifen.

KernerSäurefrisch und fruchtig ist die weiße Züchtung aus Trollinger und Riesling, die August Herold 1929

gelang. Kerner, benannt nach dem Weinsberger Dichter Justinus Ker-ner, ist ein saftiger Tropfen, gehalt-voll ausgebaut auch sehr gut zum Essen geeignet. Als süße Spätlese ein idealer Sommerwein für die Ter-rasse. Auch als Sektgrundwein und Cuvéepartner ist Kerner ideal. Die Aromen erinnern oft an grüne Äpfel, Birne und weiße Johannisbeeren.

TrollingerWürttembergs „Brot-und-Butter-Rotwein“ ist hellfarben, leicht, süffig und fruchtig. Die Herkunft der Rebsorte liegt südlich der Alpen, dort heißt sie Vernatsch. Nach Deutschland kam sie wahrschein-lich schon mit den Römern. Die duftigen Aromen erinnern an Blü-ten und Sauerkirschen. Schmeckt zur Jause oder Brotzeit (einem kräftigen Imbiss zwischen den Mahlzeiten mit Speck, Schinken und Käse) ebenso gut wie zu typi-schen Württemberger Speziali-täten. Leicht gekühlt servieren.

Schwarzriesling (Müllerrebe)Die alte Kulturrebe hat trotz ihres Namens nichts mit Riesling zu tun, sondern stammt aus der Burgun-derfamilie. Der Name Müllerrebe weist auf die feinen weißen Härchen an den Blättern hin, die wie mit Mehl bestäubt aussehen. Macht als fruchtiger Tischwein viel Spaß und erinnert, kräftig ausgebaut, in Aro-matik und Komplexität an den Spät-burgunder. Er heißt in Frankreich

Pinot Meunier und wird dort auch für die Herstellung von Champag-ner genutzt. In Deutschland findet man reinsortig ausgebaute Ver-treter, besonders in Württemberg, wo die größte Anbaufläche liegt.

RegentRebsortenzüchtung wird in Deutschland schon lange betrieben, einerseits, um Sorten zu verbessern oder neue zu kreieren, andererseits, um die Anfälligkeit für Krankheiten zu reduzieren. Natürlich sollen die daraus gewonnenen Weine auch schmecken! Beim Regent, einer Rotweinneuzüchtung aus (Silvaner x Müller-Thurgau) x Chambourcin, wird dies auf eindrucksvolle Weise erreicht. Die erst seit 1996 zugelasse-ne Sorte erbringt dunkle, fruchtige und samtige Rotweine mit Aromen von Schwarzkirsche und Johannis-beeren mit gutem Tanningerüst. Da der Regent sehr widerstandsfähig gegenüber Pilzkrankheiten ist, fin-det man ihn sehr häufig im ökolo-gischen Anbau. Seine Anbaufläche ist in nur einem Jahrzehnt von 70 auf über 2.000 Hektar gewachsen.

LembergerWahrscheinlich stammt die dort als Blaufränkisch bekannte Sorte aus Österreich und fand im 19. Jahrhundert hierzulande vor allem in Württemberg Verbreitung. Der aus Württemberg stammende Bundespräsident Theodor Heuss war ein großer Lemberger-Liebha-

Rote RebsorteWeiße Rebsorte

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ber. Der sanfte, dunkle, beeren-fruchtige Lemberger erfreut sich zunehmender Beliebtheit, vom unkomplizierten Trinkwein für jeden Tag bis zum edlen Barrique-wein für besondere Gelegenheiten. Die Aromen erinnern an reife schwarze Beeren, Pflaumen und Kirschen, je nach Typ kann er eine deutliche Tanninstruktur aufweisen.

BacchusDie Sorte wurde in den 30er Jahrenaus den Rebsorten (Silvaner x Riesling) x Müller-Thurgau gezüch- tet. 2010 waren knapp 2.000 ha der Rebfläche mit Bacchus bestockt, hauptsächlich in Rheinhessen und Franken. Bacchusweine findet man häufig im Prädikatsweinbereich mit entsprechender Restsüße. Die Wei-ne sind extraktreich, fruchtig, mit einem eigenständigen, manchmal andie Scheurebe erinnernden Bukett. Weine mit sehr hohem Mostgewicht und noch ausreichender Säure können rieslingähnlich sein, sie sind blumig mit einem dezenten Muskat-ton. Bacchus eignet sich mit seinem feinwürzigen Aroma hervorragend zur asiatischen Küche und fruch-tigen Desserts wie z. B. Obstsalat.

ChardonnayChardonnay ist eine der populärs-ten Rebsorten der Welt, auch in Deutschland nimmt ihr Anbau beständig zu. Neben dem Ausbau im Edelstahltank ist der Barrique- Ausbau bei dieser Sorte sehr ver-breitet. Der Duft von Melonen, exotischen Früchten, überreifen

Stachelbeeren oder auch nicht ganz reifen Äpfeln ist typisch für den Chardonnay. Leichte, junge Weine begleiten gut Fisch und Meeres-früchte, kräftige oder holzbeton-te Weine passen zu Gebratenem ebenso wie zu herzhaftem Käse.

ScheurebeVon Georg Scheu 1916 aus Silvaner x Riesling im rheinhessischen Alzey gezüchtet. Eine der bekanntesten Bukettsorten. Duftet charakteris-tisch und intensiv nach schwarzen Johannisbeeren (Cassis), auch nach exotischen Früchten. Wird oft edelsüß, vermehrt auch trocken ausgebaut. Zu asiatischen Gerichten und Käse perfekt, auch als anre-gender, erfrischender Aperitif- und Terrassenwein kaum zu schlagen.

GutedelDie Rebsorte wird seit rund 5000 Jahren angebaut und gilt damit als älteste Kulturrebe. In Deutschland ist sie fast nur im Markgräflerland im Süden Badens zu finden. Jen-seits der Grenze, in der Schweiz, nennt man ihn auch Chasselas. Mit seiner milden Fruchtsäure passt der Gutedel vorzüglich zu leichten Speisen und ist ein herr-licher Sommerwein. Auch Sekt lässt sich aus ihm gut erzeugen.

TraminerTraditionsreiche Bukettsorte mit charakteristischem Rosenblütenduft, ebenso sind Aromen von Akazien-blüten, Bitterorangen, exotischen Früchten und Honig zu finden.

Im pfälzischen Rhodt steht ein 400 Jahre alter Gewürztraminer-weinberg noch im Ertrag. Wird in Deutschland wieder zunehmend an- und in allen Varianten aus-gebaut. Besonders schmelzig und üppig fallen die edelsüßen Vari-anten aus, die zu den feinstenDessertweinen und Käse-begleitern gehören.

Sauvignon BlancDie Sorte hat in den letzten Jahr-zehnten einen Siegeszug um die ganze Welt angetreten und wächst in Deutschland mittlerweile auf über 800 ha. Deutsche Sauvignon Blanc-Weine überraschten in den letzten Jahren durch sehr gute Bewertungen in internationalen Verkostungen. Unverkennbares Merkmal ist das kräftige Aroma nach Gras, Kräutern, Stachelbeeren und grünen Früchten. Sauvignon Blanc passt hervorragend zu Fisch-gerichten und Meeresfrüchten oder auch zu Pasta mit Sahnesaucen.

ElblingSeit etwa 2000 Jahren in Europa zu finden und wurde von den Römern wahrscheinlich „Vitis Alba“, wei-ße Traube, genannt. Wird heute in Deutschland fast nur noch an der Mosel angebaut. Leicht, säu-refrisch und spritzig – ein Wein für den unkomplizierten Genuss, aus dem auch toller Sekt berei-tet wird. An heißen Sommerta-gen gibt es kaum etwas besseres als einen trockenen Elbling!

Deutsche Weinanbau-gebiete

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Ahr – Reich der Rotweine

Rotweinwanderweg entlang des Ahrtals

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33D E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – A H R

Die Ahr ist mit rund 560 Hektar Rebfläche eines der kleineren Anbaugebiete Deutschlands. Sei-ne Besonderheit: Mit 85 Prozent liegt der An-

teil roter Rebsorten viel höher als in allen anderen deut-schen Anbaugebieten. Vor allem Spätburgunder (Pinot Noir), Portugieser und Frühburgunder werden angebaut, bedeutendste weiße Sorte ist der Riesling.

Ihren Namen hat die Region von dem gleichnami-gen Fluss, der rund 40 Kilometer südlich der ehemali-gen Bundeshauptstadt Bonn in den Rhein fließt. Die Hänge im malerischen Ahrtal sind oft günstig nach Sü-den ausgerichtet. Es regnet selten, die jährliche Durch-schnittstemperatur ist recht niedrig. Dass es dem an-spruchsvollen Spätburgunder dennoch an der Ahr so gut gefällt, hängt wesentlich vom Boden ab. Das Ahr-tal ist Teil des Rheinischen Schiefergebirges. Und Schie-ferböden sind eine hervorragende Grundlage für Reben: Tagsüber speichern sie Wärme und geben diese nachts wieder ab − eine natürliche Fußbodenheizung! Auch der Fluss wirkt ausgleichend auf das Klima.

Marienthal ·

Bad Neuenahr-AhrweilerBad Bodendorf

Altenahr ·· Mayschoß

Bonn · Rhein

Ahr

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Rebfläche: ca. 560 ha, Rotweinanteil 85 %Wichtigste Rebsorten: Spätburgunder, Portugieser, Riesling Weitere Informationen: www.ahrwein.de

• Vinothek des Rotweinguts Jean Stodden• Mayschoß: Wiege der Winzergenossenschaften • Kloster Marienthal: Weinprobe im Gewölbekeller

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D E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – A H R

Weinfest an der Ahr

Die Ahr hat sich in zwei Millionen Jahren durch das Schiefergebirge gegraben. Eng und steil sind Tal und Hänge, besonders an der Mittelahr. Das wildromanti-sche Tal ist das botanisch artenreichste Gebiet des Rhei-nischen Schiefergebirges und Heimat seltener Tierarten. Hier sagen sich Wildkatze und Uhu gute Nacht.

REBSORTEN-STAR AN DER AHR

IST UNBESTRITTEN DER SPÄTBURGUNDER.

Blick auf den historischen Stadtkern Ahrweilers

Eine der ersten Winzergenossen-schaften der Welt und die erste in Deutschland wurde 1868 in May- schoß gegründet. Das kam so: Miss- ernten und drückende Zölle führten dazu, dass viele Winzerfamilien an der Ahr von ihrer Arbeit nicht mehr existieren konnten. Einige wanderten aus, andere schlossen sich zusam-men, um gemeinsam einen Weinkel-ler zu betreiben. Eine Idee, die bis heute – nicht nur an der Ahr – funktioniert!

Er kam allerdings erst nach dem Dreißigjährigen Krieg in die Region. Weinbau wurde dort schon von den Rö-mern seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. betrieben, aller-dings mit ganz anderen Sorten. Vielleicht wegen dieser Tradition wurde der Spätburgunder einst wie ein Weiß-wein verarbeitet. Ganz blass war er und wurde „Ahr- bleichert“ genannt. Heute sehen die Spätburgunder an-ders aus! Ahr-Rotweine sind elegant und vielschichtig und verfügen über ein gutes Lagerpotenzial.

Baden – unter südlicher Sonne

Wer meint, das Wetter in Deutschland sei oft kalt und ungemütlich, sollte nach Baden kom-men! Im Südwesten Deutschlands gelegen,

zieht sich das Anbaugebiet von Tauberfranken im Nor-den über Heidelberg den Rhein entlang bis zum Boden-see. Mit knapp 16.000 Hektar Anbaufläche ist es das drittgrößte Anbaugebiet des Landes.

Baden zeichnet sich durch ein besonders mildes Klima aus. Das liegt vor allem an der „Burgundischen Pforte“, einer Lücke zwischen den Felsformationen von Südvogesen und Jura. Durch sie strömt mediterrane Warmluft in die rheinische Ebene. Aus diesem Grund zählt Baden auch als einziges deutsches Anbaugebiet zur EU-Weinbauzone B. Diese umfasst die durchschnittlich wärmeren Gebiete Europas. Die Burgundische Pforte ist Programm: Baden ist Burgunderland, heißt es. Hier ge-deihen Spät-, Grau- und Weißburgunder ganz besonders gut.

Eine lokale Spezialität ist der roséfarbene Wein Ba-disch Rotgold, keine Rebsorte, sondern eine besondere Cuvée aus Grauburgunder und Spätburgunder (also ein

„Rotling“).

Karlsruhe ·

Reichenau

Meersburg

Heidelberg ·

· Ihringen

Stuttgart ·

Rhein

· Freiburg

Weinberge in Baden bei Durbach

37D E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – B A D E N

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Blick auf Oberbergener Weinberge

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Unter den hervorragenden Weiß-weinen Badens findet man auch den „Klingelberger“. Hinter dieser in der Ortenau üblichen Bezeich-nung verbirgt sich nichts anderes als der Riesling. Der Name kommt vom Klingelberg, einem Teil des Schlossbergs bei Durbach, wo der Markgraf Carl Friedrich von Baden, Herr über das Weingut Schloss Staufenberg, im Jahr 1782 Riesling anbauen ließ. Dass dieser Weinberg erstmals sortenrein bepflanzt wur-de, war damals eine Neuerung.

Das vielgestaltige Anbaugebiet Baden hat verschie-denste Bodenprofile zu bieten: von Muschelkalk und Keuper im Kraichgau und an der Tauber über Kalk-, Ton- und Mergelablagerungen bis zu den reichhaltigen Löss- und Lehmböden, die an Kaiserstuhl, Tuniberg und im Markgräflerland vulkanische Einsprengsel enthal-ten. Bodensee, Markgräflerland, Tuniberg, Kaiserstuhl, Breisgau, Ortenau, Kraichgau, Badische Bergstraße und Tauberfranken gliedern Baden in neun Bereiche.

IN DEUTSCHLAND SCHEINT DIE SONNE

AM HÄUFIGSTEN AUF DEN KAISERSTUHL.

Der Vulkankegel zwischen Schwarzwald und Voge-sen ist mit über 11 Grad Celsius durchschnittlicher Jahres- temperatur unbestritten einer der wärmsten Plätze des Landes. Daher sind hier eine für Deutschland unge-wöhnliche Flora und Fauna heimisch: 36 Orchideen- arten sind am Kaiserstuhl daheim, ebenso wie 729 Schmetterlingsarten, der farbenprächtige Bienenfresser, die bis zu 40 Zentimetern lange zugewanderte grüne Smaragdeidechse und Gottesanbeterinnen. Der Name Kaiserstuhl rührt übrigens von Kaiser Otto III. (980-1002) her, der im dortigen Leiselheimer Gebiet „Gestühl“ – bis heute ein Weinlagenname – seinen Gerichtssitz hatte.

Baden hat sich weit über seine Grenzen hinaus einen Namen für seine große Dichte an Gourmetrestaurants gemacht. In kaum einer anderen Region Deutschlands locken so viele Sterneköche in ihre Restaurants, was sich sogar bis ins französische Elsass herumgesprochen hat. Der kulinarische Tourismus über die Grenze, aber auch aus anderen Teilen Deutschlands und der Schweiz, nimmt immer mehr zu.

Rebfläche: ca. 16.000 ha, Weißweinanteil 56 %Wichtigste Rebsorten: Spätburgunder, Müller-Thurgau, Graubur-gunder, Weißburgunder, Riesling Weitere Informationen: www.badischerwein.de

• Weingut Abril• Der Heilig-Geist-Torkel in Meersburg• Reichenau – wo im Wasser Wein entsteht• Vulkanfelsgarten Winklerberg in Ihringen

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· KitzingenMain

· Aschaffenburg

· Würzburg

Franken – Bocksbeutelland

Rebfläche: ca. 6.100 ha, Weißweinanteil 81 %Wichtigste Rebsorten: Müller-Thurgau, SilvanerWeitere Informationen: www. frankenwein-aktuell.de

• Staatlicher Hofkeller Würzburg• Sommerach am Main: im Reich der Sinne• Weingut Brennfleck in Sulzfeld am Main• Vinothek des Weinguts Max Müller I in Volkach• Das Würzburger Weingut am Stein• Vinothek Iphofen• Staatlicher Hofkeller Würzburg• Bürgerspital zum Heiligen Geist • Das Würzburger Juliusspital • Castell und der Silvaner Es heißt „Mainfranken ist Weinfranken“, und das

zu Recht: Entlang des Mains und seiner Neben-flüsse wird der Frankenwein erzeugt. Dessen

Erkennungsmerkmal war und bleibt der Bocksbeutel, eine flache, bauchige Flasche. Weshalb ausgerechnet in Franken diese Flaschenform verwendet wurde, ist noch immer ungeklärt. Allerdings fand man im fränkischen Wenigumstadt bei Ausgrabungen eine der ältesten Flachkugelflaschen überhaupt. Sie datiert von ungefähr 1400 v. Chr. und ist keltischer Herkunft. Ob sie eine Anregung war? Jedenfalls ist der Bocksbeutel durchaus praktisch: Er rollt keinen Abhang hinunter! Gut für ein Picknick in den sanft hügeligen Flusstälern Frankens.

Franken ist das einzige deutsche Anbaugebiet, das sich komplett in Bayern befindet. Auf rund 6.100 Hekt-ar werden hier Reben kultiviert, die meisten finden sich rund um die Barockstadt Würzburg.

Der Hofkeller in Würzburg

Blick auf das idyllische Escherndorf

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D E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – H E S S I S C H E B E R G S T R A S S ED E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – F R A N K E N

Eine der berühmtesten Lagen Frankens und die älteste namentlich dokumen-tierte Weinlage Deutschlands ist der „Würzburger Stein“. „Steinwein“ war lange ein Synonym für Frankenwein. Ein 1540er Steinwein lagert noch heute im Keller des Bürgerspitals in Würzburg. Ein erklärter Liebhaber des Steinweins war Johann Wolfgang von Goethe. Der schrieb am 17. Juni 1806 an seine Frau Christiane: „Schicke mir doch einige Würzburger, denn kein anderer Wein will mir schmecken, und ich bin verdrüßlich, wenn mir mein gewohnter Lieblings-trank abgeht.“

In Franken dominieren mit 81 Prozent die weißen Rebsorten. Der Silvaner gilt als die klassische fränkische Rebsorte. In keinem Anbaugebiet ist der Anteil dieser Sorte im Rebspiegel höher. Erstmals gepflanzt wurde er am Schlossberg in Castell im April 1659. Sein Charakter wird oft mit dem der Franken selbst verglichen: ruhig und verhalten, aber von grundsolider Kraft. Er reift zwei Wochen früher als der Riesling und bringt gute Erträge, kann strengen Wintern allerdings nicht überall stand-halten. Aus diesem Grund ist er auch nicht die meistan-gebaute Rebsorte Frankens. Um eine gewisse Ertragssi-cherheit zu erreichen, wurden viele Rebberge mit dem klimaresistenteren Müller-Thurgau bestockt. Der weiße Bacchus, der vom süffigen Schoppenwein bis zur Auslese alles erbringen kann, ist den fränkischen Winzern eben-falls ans Herz gewachsen. Eine rote Spezialität aus Fran-ken ist die Rebsorte Domina.

Landschaft bei Castell

Das Klima in Weinfranken ist eher kontinental ge-prägt, doch wirkt der Main ausgleichend: Die Sommer sind warm und die Winter kalt. Die Rhön im Norden und der Spessart im Westen schützen Mainfranken vor zu starker Kälte und Nässe. Auch wenn im Sommer rund um Würzburg wenig Regen fällt: Die Luftfeuch-tigkeit ist hier relativ hoch. In den Böden konzentriert sich aufgrund des geringen Niederschlags der Minerali-engehalt. Kein Wunder, dass mineralisch-erdige Noten als Haupteigenschaft des typischen Frankenweins gelten.

Kloster Lorsch ·

· Mannheim

Rhein

Main

· Heppenheim

· Darmstadt

· Zwingenberg

Heidelberg ·

Hessische Bergstraße –Frühlingserwachen

ABER AUCH MALERISCHE STÄDTE WIE

IPHOFEN ODER CASTELL MACHEN

FRANKEN ZU EINEM URLAUBSPARADIES.

Mandelblüte an der Hessischen Bergstraße

DIE BERGSTRÄSSER ORTE HABEN MEIST ALTE

STADTKERNE MIT MALERISCHEM FLAIR.

Die 436 Hektar Rebfläche des kleinsten deutschen Anbaugebiets erstrecken sich zum größten Teil längs des Rheines an den sanften Ausläufern

des Odenwaldes. „Hier fängt Deutschland an, Italien zu werden“, jubelte Joseph II., als er im April 1766 als frisch gekrönter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deut-scher Nation von Frankfurt her über die Bergstraße reiste.

In der Tat: Der Frühling hält hier in Deutschland mit am frühesten Einzug. An der Bergstraße gedeihen Feigen und Mandeln, Forsythien und Magnolien – und natür-lich Reben. Bei klarem Wetter kann man bis zum Pfälzer Wald sehen. Das war sicher ein Grund für den Bau zahl-reicher Burgen, welche die Bergstraße säumen.

Dazu kommen die teils terrassierten Weinbergslagen − schön ist es hier nicht nur zur Obstblüte! Kennzeichnend für die Böden der Hessischen Bergstraße sind trockene, nährstoffarme, aber sich leicht erwärmende Flugsande und der feinkörnigere, tiefgründige, Wasser speichernde Löss.

„König der Bergstraße“ ist der Riesling. Er macht knapp die Hälfte der angebauten Rebsorten aus und gedeiht wegen der langen Vegetationszeiten an der Bergstraße besonders gut. Die restlichen 53 Prozent der Rebfläche an der Bergstraße teilen sich verschiedenste Sorten, vom

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Der Odenwald hat eine „Insel“, nämlich die Odenwälder Weininsel. Das ist natürlich keine wirkliche Insel, sondern eine kleine Weinbauregion etwas abseits vom Rest der Hessischen Bergstraße um die Stadt Groß-Umstadt westlich von Darmstadt. Auf knapp 62 Hektar wird hier Wein angebaut. Nicht weit liegt die hessische Metropole Frankfurt am Main. Die verfügt sogar auch über einen Weinberg, den Lohrberg. Doch der zählt erstens zum Anbaugebiet Rheingau, und zweitens haben die Frankfurter eine ausdrückliche Vorliebe für einen anderen Wein, nämlich den aus Äpfeln, auch „Ebbelwoi“ genannt.

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Blick auf Heppenheim

Rebfläche: ca. 440 ha, Weißweinanteil 79 %Wichtigste Rebsorten: Riesling, Spätburgunder, Grauburgunder Weitere Informationen: www.bergstraesser-wein.de

• Erlebnispfad „Wein und Stein“ bei Heppenheim• Kloster Lorsch und die Geschichte des Weinbaus

Heppenheimer Stemmler

Müller-Thurgau über den Gewürztraminer bis zum sel-tenen Gelben Orleans. Seit einiger Zeit werden auch zu-nehmend rote Sorten angebaut wie Spätburgunder, Früh-burgunder oder Sankt Laurent.

Möglicherweise waren die Römer die ersten Wein-bauern der Region, die das milde Klima nutzten. Für sie hieß die Bergstraße „via strata montana“ und war ein be-deutender Handelsweg. Der Geo-Naturpark Bergstraße- Odenwald ist eine von weltweit 77 von der UNESCO in das Global Network of Geoparks aufgenommenen Re-gionen. Auf 2.230 Quadratkilometern zwischen Rhein, Main und Neckar werden 500 Millionen Jahre Erdge-schichte sichtbar. Die Hessische Bergstraße mit ihrer Lage zwischen dem Oberrheingraben und dem Kristalli-nen Odenwald ist ein wichtiger Teil des Geoparks.

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Mittelrhein –Riesling und Romantik

Koblenz ·

Boppard ·

Bingen ·

Rhein

Bacherach ·

· Königswinter

· Neuwied

Lahn

D E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – M I T T E L R H E I N

Den romantischen Rhein kennt wohl jeder Tourist. Sogar mancher Tourist aus Japan oder Korea kann − im Gegensatz zu den meisten Deutschen −

Heines Lied von der Loreley fehlerlos mit sämtlichen Stro-phen singen: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten ...“Für Weinfreunde bedeutet der Mittelrhein zunächst Ries-ling. Die Anbaufläche des Mittelrheins, 456 Hektar, er-streckt sich zwischen Bingen und dem Siebengebirge über rund 110 Kilometer entlang des Rheins bis vor die Tore der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn. So kann auch das Bundesland Nordrhein-Westfalen 20 Hektar Reben sein Eigen nennen.

Wer schon einmal mit dem Zug oder dem Auto diese Strecke gefahren ist, wird neben den vielen mittelalterli-chen Burgen und malerischen Städtchen viele Weinlagen entdecken.

„Romantischer Wein“ würde es allerdings nicht ganz treffen. Die meisten Rebflächen befinden sich in Steillagen, die den Winzern schwere Arbeit abverlangen. Die Weine vom Mittelrhein lohnen die Mühe aber auch: Die vorherr-

Rebfläche: ca. 460 ha, Weißweinanteil 85%Wichtigste Rebsorten: Riesling, Spätburgunder, Müller-Thurgau Weitere Informationen: www.mittelrhein-wein.com

• Bopparder Hamm: die Weinschleife am Rhein• Bacharach: Zentrum der Rheinromantik

Romantisches Hotel in Bacharach

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EINE ROMANTISCHE STRECKE,

SEIT 2002 ZWISCHEN BINGEN UND KOBLENZ

ZUM UNESCO-WELTKULTURERBE ERKLÄRT!

Blick auf die Burg Gutenfels in Kaub

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schenden Schieferböden bringen mineralische, kernige Weine mit lebendiger Säure hervor. Der Strom sorgt für laue Lüftchen, der Hunsrück hält die kältesten Strömungen fern, dennoch sind Südlagen für die Spitzenweine unerlässlich. Sie finden sich vom Rheinknick bei Boppard bis St. Goarshausen vornehm-lich am rechten Rheinufer, nördlich davon bis Rhens an beiden Ufern und südlich bis Trechtingshausen vor allem am linken Ufer und in seinen Seitentälern. Von der Ge-samtfläche der Region sind über 300 Hektar mit Riesling bestockt. Spätburgunder, Müller-Thurgau, Blauer Por-tugieser und Kerner vom Mittelrhein werden meistens schon „vor Ort“ genossen und finden daher selten den Weg in den Handel.

Die beeindruckenden Burgen wurden einst als Ver-teidigungsbauten oder Zollstationen errichtet, verloren diese Bedeutung jedoch ab dem 15. Jahrhundert, als die Feuerwaffen aufkamen. Viele Burgen wurden verlassen. Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und im Pfälzer Erbfolgekrieg (1688-1692) wurde so manche Zerstörung angerichtet − die mittelrheinische Burgenherrlichkeit schien vorbei zu sein. Doch viele der dicken Mauern überdauerten die Jahrhunderte, wurden aus öffentlichen und/oder privaten Mitteln wieder hergerichtet und sind heute Sinnbild der Rheinromantik − zusammen mit den Rebbergen natürlich!

Der Ort Bacharach verfügt über meh-rere markante Steillagen. „Zu Bacha-rach am Rhein wächst der beste Wein“, besagt ein alter Spruch, und Papst Pius II. ließ sich jedes Jahr ein Fass Bacharacher Wein nach Rom schicken. Aber es gibt auch einen sehr flachen „Weinberg“. Der liegt auf einer 680 Me-ter langen und 150 Meter breiten Insel mitten im Rhein und trägt die Lagenbe-zeichnung „Heyles‘en Werth“ nach dem früheren Besitzer Hans Heylesen. Heute wird die Weininsel von einer Bachara-cher Winzerfamilie bewirtschaftet. Da-für braucht man nicht nur kräftige Beine wie die Steillagenwinzer, sondern auch muskulöse Arme, denn man kann die Insel nur mit dem Ruderboot erreichen.

Blick auf Pfalzgrafenstein

D E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – M O S E LD E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – M I T T E L R H E I N

Rhein

Mosel

Cochem ·

· Trier

· Traben-Trarbach·Zell

Piesport·

Bremm·

·Bernkastel-Kues

Mosel – Rasse und Klasse von der Terrasse

Steillagen in Kröv

Neben dem Rhein ist die Mosel sicher einer der bekanntesten deutschen Weinflüsse. Der präch-tig mäandernde Fluss heißt in Frankreich La

Moselle und in Luxemburg Musel, bis er bei Perl zur Mosel wird und bei Koblenz in den Rhein mündet. Die älteste deutsche Weinbauregion − schon von dem römi-schen Dichter Ausonius besungen − erstreckt sich mit insgesamt fast 9.000 Hektar Rebfläche auch auf Anbau- flächen an den Nebenflüssen Saar und Ruwer.

Der Wind kommt an der Mosel hauptsächlich aus Südwesten. Fluss und Böden speichern gleichermaßen tagsüber die Wärme, um sie nachts wieder abzugeben. Die steilen Felsen an den Moselhängen lassen die Son-ne fast senkrecht auftreffen, insbesondere am Bremmer Calmont, der steilsten Weinlage Europas. An der Mo-sel sind Tiere und Pflanzen zu finden, die ein sehr mil-des Klima brauchen und deren Auftreten nur ein paar Kilometer weiter in Eifel oder Hunsrück undenkbar wäre: Zwischen den Reben und an den Trockenmau-ern tummeln sich Apollofalter, Eisvogel und Smaragdei-dechse, wachsen Mauerpfeffer und Schriftfarn.

48 W E I N L A N D D E U T S C H L A N D

Ö c h s l e

Der bis heute teuerste Weinbergs- kauf fand im Jahre 1900 statt, als der Bürgermeister von Bernkas-tel 4.300 Quadratmeter der Lage „Doctor“ an einen gewissen Carl Wegeler verkaufte − für 100 Gold-mark pro Weinstock. Das wären nach heutigem Geld 600 bis 700 Euro pro Stock. Die Investition war jedoch lohnend; die Lage gehört heute zu den weltberühmten und besten der Region. Der eigen-tümliche Name rührt daher, dass 1630 der erkrankte Erzbischof Bohemund von Trier nach einigen Schlucken des Weines überra-schend gesundete und dem Wein-berg zum Dank den „Doctortitel“ verlieh.

Rebfläche: ca. 8.900 ha, Weißweinanteil 91 %Wichtigste Rebsorten: Riesling, Müller-Thurgau, ElblingWeitere Informationen: www.weinland-mosel.de

• Weingut Lubentiushof in Niederfell an der Mosel • Die römischen Keltern von Piesport • Weingut der Vereinigten Hospitien in Trier• Weinbergssonnenuhren an der Mosel • Traben-Trarbach• Bremmer Calmont

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Besonders prägend für die Region, besonders auch für deren Weinbau, waren die Römer. Um 50 v. Chr. zog Julius Cäsar in den Krieg gegen Gallien und kam auf dem Weg dorthin durch das Moseltal. Um 15 v. Chr. gründeten die Römer Augusta Treverorum, das heutige Trier, das im 4. Jahrhundert sogar zum Regierungssitz des Weströmischen Reiches wurde und zur größten Stadt nördlich der Alpen heranwuchs.

An der Obermosel zwischen dem deutsch-franzö-sisch-luxemburgischen Dreiländereck bis zur Einmün-dung der Saar bei Konz herrschen Muschelkalk- und Keuperböden vor, die für Burgundersorten und den hei-mischen Elbling guten Untergrund bieten. Von Schweich bis Koblenz ist der Schiefer tonangebend: Hier hat sich die Mosel langsam und ausdauernd ihren Weg durch das Rheinische Schiefergebirge gegraben. Viele Lagennamen an der Mosel enden auf -lay und zeigen damit an, dass die Reben auf Schiefer stehen: Die uralte keltische Be-zeichnung „ley“ für Schiefer hat so die Zeiten überdauert.Charakteristisch sind neben den spektakulären, oftmals terrassierten Hängen rechts und links des Flusses dessen zahlreiche Kurven und Schwünge. Auf den Schieferbö-den an Mittel- und Untermosel gedeiht vor allem der Riesling vorzüglich, der hier tief wurzeln muss und so reichlich Mineralität und Finesse aus dem kargen Un-tergrund zieht. Mineralische Eleganz, eine fast verspielte Finesse und häufig eine delikate Restsüße zeichnen Mo-selrieslinge aus.

NACHWEISLICH LIESSEN SICH BEREITS

DIE KELTEN AN DER MOSEL NIEDER.

Ö c h s l e

D E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – M O S E L

Moselschleife bei Bremm(Bremmer Calmont)

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D E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – N A H E

Nahe – facettenreicher Diamant

Rhein

Nahe

Bad Sobernheim ·

Schloß Böckelheim· Bingen

·Bad

Kreuznach

Kloster Disibodenberg

50 D E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – N A H E

Ö c h s l e

Edelsteine sind klein, aber glanzvoll. Diese Beschrei-bung passt auch auf das knapp 4.200 Hektar gro-ße Anbaugebiet Nahe, das auch schon mal als

„Schatzkästlein“ bezeichnet wird. Aber Verkleinerungs-formen braucht die Nahe nicht. Man findet hier zahl-reiche hervorragende Weine − eben keine „Weinchen“ − aus Sorten wie Riesling, Weiß- und Grauburgunder, Ker-ner, Müller-Thurgau und anderen. Nicht wenige Winzer gehören zu den deutschen Top-Erzeugern.

Der Fluss Nahe entspringt im Saarland bei Nohfel-den-Selbach und fließt bei Bingen in den Rhein. Die sechzig Flusskilometer vor der Mündung zählen zum Anbaugebiet. Dazu gehören auch die Täler der Zuflüsse Alsenz und Glan.

Der Hunsrück bietet dem ruhigen, idyllischen Gebiet Regenschutz. Die Sonne scheint hier rund 1.750 Stun-den im Jahr. Die Temperatur der steilen Felsen kann im Sommer bis zu 60 Grad Celsius erreichen − gut für die Reben, die in der Wachstumsphase gern warme Füße haben!

KEIN ANDERES ANBAUGEBIET BIETET

SO VIELE VERSCHIEDENE BODENTYPEN AUF

SO KLEINEM RAUM.

Das Anbaugebiet liegt an den Schnittstellen von Rheinischem Schiefergebirge, Mainzer Becken und dem Hügelland der Saar. Hier finden sich Vulkangestein,

Klostermühle in Odernheim

Weinberge am Rotenfels

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Auch die Nahe hat eine Wein-straße − wie fast jedes Anbau-gebiet. Aber die Nahewinzer arbeiten auch mit der Deutschen Edelsteinstraße zusammen, schließlich ist die deutsche Edel-steinhochburg Idar-Oberstein nicht weit. Jedes Jahr wird eine besondere Weinedition mit einer besonderen Schmuckflasche he-rausgegeben, der „Edelschliff“. Jede Flasche ist mit einem Edel-stein versehen (2010 war es ein Epidot) und drin ist ein flüssiges Juwel: jeweils ein ausgesuchter Wein von der Nahe!

Rebfläche: ca. 4.200 ha, Weißweinanteil 75 %Wichtigste Rebsorten: Riesling, Müller-Thurgau, Dornfelder Weitere Informationen: www. weinland-nahe.de

• Klosterruine Disibodenberg • Die Schloßböckelheimer Kupfergrube• Freilichtmuseum Bad Sobernheim

kultur“ ausgezeichnet. Hier stehen die ältesten Reben Deutschlands; der Weinbau auf dem Disibodenberg datiert bis mindestens ins 11. Jahrhundert zurück.

Die Weine von der Nahe sind früher als „Rheinwei-ne“ bezeichnet worden. Der Charakter der Rieslinge erinnert auch durchaus an Weine vom Rhein und von der Mosel, sie haben dennoch einen unverwechselbaren

„Nahe-Touch“. Als selbstständiges Anbaugebiet wurde die Nahe durch das Weingesetz von 1971 definiert.

D E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – P F A L ZD E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – N A H E

Pfalz – wo Mandelbäume blühen

· Deidesheim

Rhein

Main

·Rhodt

unter Rietburg

Ludwigshafen ·

Speyer ·

Neustadt an der Wein-

straße

Die schöne Pfalz mit ihrem sanften Klima liegt zwischen dem Pfälzerwald im Westen − der größten zusammenhängenden Waldfläche

Deutschlands −, Rheinhessen im Norden, Baden jenseits des Rheinstroms im Osten und dem Elsass im Süden. Reben stehen im Südosten dieser Region an den Aus-läufern des Pfälzerwaldes. Viele Reben: Die Pfalz ist mit einer Fläche von rund 23.500 Hektar das zweitgrößte Weinbaugebiet Deutschlands. Die 144 pfälzischen Wein-baugemeinden werden zum großen Teil von der Deut-schen Weinstraße berührt. Diese älteste deutsche Wein-touristikroute (1935 eröffnet) zieht sich über eine Länge von rund 85 Kilometer von Bockenheim im Norden nach Schweigen an der französischen Grenze, wo sie am Deutschen Weintor endet.

Von höheren Standorten aus kann man bei dem hier häufigen schönen Wetter herrliche Ausblicke in die wei-te Rheinebene bis zum Kaiserdom in Speyer und − auf der anderen Seite des Rheins − Heidelberg genießen. Das fast mediterrane Klima an der Weinstraße lässt Mandeln, Feigen, Zitronen und Oliven blühen. Der Mandelblü-te, die im Frühjahr die Weinstraße in leuchtendes Rosa taucht, gelten die ersten Feste der an Weinfesten nicht armen Region.

Schiefer, Rotliegend, Quarzit, Ton, Löss, Buntsandstein und Basalt, um nur einige zu nennen. Ein variantenrei-ches Versuchsfeld also für die Winzer − und ein breites Genussspektrum für Weinfreunde. Riesling wird hier auf rund 27 Prozent der Rebfläche angebaut. Unter den Rotweinsorten beherrschen Dornfelder und Portugieser das Feld, doch wird auch Spätburgunder angebaut. Das ist wahrhaft eine Probierstube, die ein Abbild des deut-schen Weins zeigt.

Auf dem Disibodenberg an der Nahe lebte und wirk-te Hildegard von Bingen (1098-1179). In ihrer bis heute aktuellen ganzheitlichen Heilkunde wies sie dem Wein eine wichtige Rolle zu. Der Disibodenberg wurde 2010 vom Deutschen Weininstitut als „Höhepunkt der Wein-

Rhodt unter Rietburg

Freilichtmuseum in Bad Sobernheim

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Ö c h s l e

Rebfläche:ca. 23.500 ha, Weißweinanteil: 62 %Wichtigste Rebsorten:Riesling, Dornfelder, Müller-Thurgau, Portugieser, Spätburgunder Weitere Informationen:www.pfalz.de/wein-und-genuss

• Klassische Moderne in Kindenheim • Das römische Weingut in Ungstein • Rhodt unter Rietburg• Deidesheim: kleiner Weinort – große Politik• Weinmuseum in Speyer

Weinberge in Ilbesheim

54 D E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – P F A L ZD E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – P F A L Z

DAS LIEBSTE KIND DER PFÄLZER WINZER

IST DER RIESLING, DER HIER OFT KRÄFTIG UND

SAFTIG AUSFÄLLT.

Die Pfalz besitzt die größte Riesling-Fläche der Welt mit rund 5.500 Hektar. An zweiter Stelle steht der Dorn-felder, der als süffiger Roter bekannt und beliebt ist. Daneben gedeihen viele andere Sorten. Besonders typi-sche wie Weiß-, Grau- und Spätburgunder sowie natür-lich Riesling werden, wenn ihre Weine einem vorgegebe-nen Profil entsprechen, mit der Bezeichnung DC Pfalz vermarktet, was Districtus Controllatus bedeutet. In einer solchen Flasche steckt also ein typischer, auf seine Qualität hin kontrollierter Pfälzer.

Ganz grob unterteilen lässt sich die Weinbauregion Pfalz in zwei Untergebiete: Der nördliche Teil reicht etwa von Neustadt an der Weinstraße bis ins Zellertal auf der Höhe von Worms und nennt sich Mittelhaardt. Hier sind die Böden leicht, also sehr wasserdurchlässig, die Reben müssen tief wurzeln. Riesling ist hier eine maßgebliche Sorte. An der Südlichen Weinstraße, von Neustadt bis Schweigen im Süden, gedeihen die Reben auf schwereren, lehmhaltigen Böden. Dort werden neben Riesling auch sehr gute Weine aus Burgundersorten sowie Rotweine erzeugt. Statistisch gesehen kommen in der Südpfalz auf einen Einwohner 600 Rebstöcke!

Das größte Weinfest der Welt wird übrigens in der Pfalz gefeiert: der Dürkheimer Wurstmarkt. Seit dem 15. Jahrhundert war das Fest ein Markt für Pilger. Entspre-chend der Pfälzer Gepflogenheiten wurde hier reichlich Wurst angeboten, zusammen mit Brot und Wein natür-lich. Im Jahr 1832 wurde das Fest dann erstmals offiziell

„Wurstmarkt“ genannt.

Die Deutsche Weinstraße führt durch viele typische Winzerdörfer mit Fachwerkhäusern, an denen sich Reben über die Straße ranken. Für den Durchgangsverkehr und für die Be-wohner ist das nicht immer zweckmäßig, so-dass inzwischen zahlreiche Umgehungen und Schnellstrecken existieren. Einmal im Jahr gehört die gesamte Deutsche Weinstraße den Fußgängern und Radfahrern: am Erlebnistag Deutsche Weinstraße am letzten Augustsonn-tag. Ein 80 Kilometer langes Weinfest mit über 300.000 Radlern, Wanderern und Skatern!

Ö c h s l e

Rheingau –königlicher Riesling

Kloster Eberbach

· Oestrich-Winkel

Rhein

Main

Eltville·Rüdesheim·

· Wiesbaden·

Mainz

Weinberge bei Assmannshausen

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D E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – R H E I N G A U

Der Rheingau erstreckt sich westlich von Frank-furt entlang des Rheins, der hier einer Laune der Natur folgt. Der sonst vornehmlich von Süden

nach Norden fließende Fluss macht nämlich bei Mainz, ziemlich genau am 50. nördlichen Breitengrad, einen Knick und fließt vorbei an bekannten Orten wie Eltville, Oestrich-Winkel oder Rüdesheim bis Assmannshausen von Osten nach Westen. Die Hänge des Rheingaus sind also genau nach Süden ausgerichtet und nutzen die 1.600 Sonnenstunden im Jahr optimal aus. Die Berge des Tau-nus bieten einen natürlichen Schutz vor kalten Winden aus Norden und gegen allzu heftige Niederschläge.

UNTER DEN REBSORTEN IST DER RIESLING DER

UNBESTRITTENE KÖNIG.

Die anspruchsvolle, spät reifende Sorte fühlt sich hier ganz besonders wohl, entwickelt charakteristische, mine-ralische Noten und ist von einer frischen Fruchtsäure geprägt. Der Spätburgunder gehört ebenso wie der Ries-ling zu den Edelreben und gedeiht vorzüglich bei Ass-mannshausen.

Der Rheingau ist eine touristisch sehr beliebte Reise-region, in der alte Klöster und Schlösser stimmungsvoll in die Weinlandschaft eingebettet sind. Auf 120 Kilome-tern führt die Rheingauer Riesling Route durch die male-rischen Weinorte. Unterwegs laden Gutsschänken und

57D E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – R H E I N G A U

Kloster Eberbach

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Zum Rheingau zählt auch die Gemeinde Hochheim am Main. Dieser Weinort mit seinen berühmten Weinen ist der Ursprung der in England noch immer genutzten Bezeichnung „Hock“ für Rheinwein. Der Begriff fand vermutlich seine Verbreitung, nachdem Queen Victoria im Jahr 1845 in Hochheim zu Besuch war. Wegen des guten Geschmacks der Hochheimer Weine und der ihnen zugeschriebenen Gesundheits-förderlichkeit hatte sich schnell der Aus-spruch „a good Hock keeps off the doc!“ etabliert. Weine aus dem Rheingau gehör-ten noch vor einem Jahrhundert, insbe-sondere auch in England, zu den teuersten Tropfen auf den Weinkarten der Welt.

Straußwirtschaften zur Einkehr beim Rheingauer Wein ein und kulturhistorische Sehenswürdigkeiten warten am Wegrand. So etwa der im Jahr 1744 erbaute Oestri-cher Weinkran. Er ist der letzte erhaltene seiner Art am Rhein. Mit seiner Hilfe gelangten Rheingauer Weine auf den Fluss und von dort aus in alle Welt. Wer die mar-kanten Aussichtspunkte des Rheingaus besucht, wie etwa das Niederwalddenkmal oder Schloss Johannisberg, sieht vor sich die historischen Zentren des Weinbaus liegen. Zu ihnen zählt die ehemalige Zisterzienserabtei Kloster Eberbach, eine der besterhaltenen mittelalterlichen Klos-teranlagen Deutschlands. Der Johannisberg ist nicht nur bekannt für das gleichnamige Schloss, das aus den Rui-nen einer Klosteranlage entstanden ist, sondern wein-historisch auch als der Ort, an dem die Spätlese ihren Ursprung hat.

Rheingauer Weingüter und Gastronomen bieten das ganze Jahr über weinkulinarische Erlebnisse auf hohem Niveau, wie das Gourmet- und Weinfestival im März, die Schlemmerwochen Ende April, das Rheingau Musik Festival über die Sommermonate und die Glorreichen Rheingautage im November. Ein einmaliges Erlebnis bieten auch die traditionellen Weinversteigerungen auf Kloster Eberbach.

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Rheinhessen –Wandel durch Dynamik

Nierstein ·

· Alzey

Rhein

MainBingen ·

Nahe

· Mainz

Worms ·

Blick auf Bechtolsheim

Nirgendwo ist der Aufschwung des deutschen Weins in den letzten beiden Jahrzehnten so deutlich zu spüren wie im größten deutschen

Weinbaugebiet Rheinhessen – sowohl was die Qualität, als auch das Image der Weine anbelangt. Die rund 26.500 Hektar große Weinregion gilt heute als eine der „dynamischsten“, denn die Winzer, viele von ihnen gehö-ren einer jungen, gut ausgebildeten Generation an, haben das Potenzial ihrer Weinlagen erkannt und mit viel Sach-verstand in ihre Keller und Weinberge investiert.

DIE SANFTE LANDSCHAFT RHEINHESSENS

IST ALS „LAND DER TAUSEND HÜGEL“ BEKANNT.

Zwischen Mainz, Worms, Alzey und Bingen erstreckt sich das grüne, wellige Rebenmeer, in das sich malerische Örtchen schmiegen. Rheinhessen ist wegen der starken landwirtschaftlichen Nutzung das am wenigsten bewal-dete Gebiet ganz Deutschlands.

Die Höhenzüge von Hunsrück, Taunus, Odenwald und Nordpfälzer Bergland schützen Rheinhessen vor kal-ten Winden und kräftigen Niederschlägen. Entsprechend

Rebfläche: ca 3.100 ha, Weißweinanteil: 85 %Wichtigste Rebsorten: Riesling, Spätburgunder Weitere Informationen: www. kulturland-rheingau.de

• Kloster Eberbach • Schloss Johannisberg und die Erfindung der Spätlese • Oestrich-Winkel

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zählt das Gebiet zu den trockensten und wärmsten ganz Deutschlands – gut für den Wein- und auch für den Obstanbau. In Rheinhessen finden sich Quarzit, Porphyr, Schiefer und Vulkangestein, außerdem charakteristische Ablagerungen aus dem Tertiär. Diese Bodenvielfalt wird durch das Rotliegend ergänzt, eine interessante Gesteins-formation, die weit älter ist als die Ablagerungen des Tertiärs. Es findet sich im Osten am „Roten Hang“ um Nierstein und im Westen in der Rheinhessischen Schweiz. Der Rebsortenspiegel Rheinhessens ist dank der verschie-denartigen Böden und Kleinklimata vielfältig, sodass es vorkommt, dass ein einziger Winzer 30 oder mehr ver-schiedene Weine pro Jahrgang erntet und ausbaut.

Das Verhältnis von Weiß- zu Rotweinsorten liegt bei 69 zu 31 Prozent. Die Traditionsrebsorte der Region ist der Silvaner, von dem Rheinhessen die größte Anbauflä-

che weltweit besitzt. Auch Riesling, Müller-Thurgau und Burgundersorten werden angebaut. Unter den Roten sind Dornfelder, Spätburgunder und Portugieser von Bedeu-tung. Der „Winzersekt“, ein nach strengen Kriterien in tra-ditioneller Methode erzeugter Sekt b.A., wurde vor rund 30 Jahren in Rheinhessen aus der Taufe gehoben.

In den rheinhessischen Weinbergen stehen mitun-ter Häuschen, die glauben lassen, dass man sich eher am Mittelmeer denn in Deutschland aufhält: die Trulli (Ein-zahl: Trullo). Oft sind sie strahlend geweißt, die kleinen runden Weinberghäuschen mit ihren Kuppeldächern. 30 bis 40 gibt es von ihnen in Rheinhessen. Vermutlich wurden die Häuschen schon immer als Schutzhütten für Winzer und Weinbergarbeiter benutzt. Die Zeiten über-dauerten sie, weil sie im holzarmen Rheinhessen aus Stein gebaut wurden.

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Rebfläche: ca.26.500 ha, Weißweinanteil: 69%Wichtigste Rebsorten: Müller-Thurgau, Riesling, Dornfelder, Silvaner, Portugieser, Spätburgunder Weitere Informationen: www.rheinhessen.de

• Wasems Kloster Engelthal• Das Liebfrauenstift-Kirchenstück in Worms• Die Niersteiner Glöck• Kupferberg-Besucherzentrum in Mainz

Die Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz ist zugleich die Hauptstadt Rheinhessens: Mainz. Sie ist seit 2008 stolzes Mitglied eines erlauchten Kreises, des Great Wine Capitals Global Network. Ihm gehören neun Städte in den wichtigs-ten Weinregionen der Welt an. Neben Mainz sind dies Bordeaux, Florenz, San Francisco, Christchurch, Bilbao, Mendoza, Porto und Kapstadt. Ziel der Vereinigung ist die Förderung von Tourismus und Weinkultur. Die Erde, ein Weinplanet − Deutschland und Rheinhessen gehören dazu.

Trullo bei Flonheim

Roter Hang, Nierstein

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Saale-Unstrut –ein Stück Himmel

· Weimar

Saale

Naumburg ·

Unstru

t

Freyburg·

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Im südlichen Sachsen-Anhalt um Freyburg und Naum-burg, im nördlichen Thüringen um Bad Kösen und in einem Stückchen Brandenburgs südwestlich von Ber-

lin liegen die 735 Hektar Rebflächen des Anbaugebiets Saale-Unstrut. Der rund sechs Hektar große Werderaner Wachtelberg, acht Kilometer westlich von Potsdam, ist der nördlichste Weinberg Europas, der von der EU für die Qualitätsweinbereitung zugelassen ist. Wir befinden uns dort in der Nähe des 51. nördlichen Breitengrades!

Die Flüsse Saale und Unstrut ziehen sich durch eine alte Kulturlandschaft, die von Steilterrassen, Trocken-mauern, Streuobstwiesen und Flussauen geprägt ist. Seit über 1.000 Jahren wird hier Weinbau betrieben.

Wie alt diese Kulturlandschaft ist, zeigt sich zum Bei-spiel an der 1999 gefundenen bronzezeitlichen Himmels-scheibe von Nebra. Sie gilt als die älteste Himmelsdarstel-lung der Welt.

Rebfläche: 740 ha, Weißweinanteil: 73 %Wichtigste Rebsorten: Müller-Thurgau, Weißburgunder Weitere Informationen: www. weinbauverband-saale-unstrut.de

• Die Sektkellerei Rotkäppchen in Freyburg• Die Weinbergshäuschen• Das »Steinerne Bilderbuch« bei Naumburg

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DIE SCHÖNHEIT DER LANDSCHAFT HAT ZU

ALLEN ZEITEN DIE MENSCHEN ANGEZOGEN.

Mittelalterlich: der Naumburger

DomSchloss Neuenburg, Freyburg

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Entlang der Weinstraße Saale-Unstrut verlaufen die „Straße der Romanik“ sowie die „Himmelswege“. Bur-gen und Schlösser, wie die Neuenburg oder Rudels-burg, bedeutende Bauwerke wie der Naumburger Dom sowie mystische Stätten wie der Fundort der „Him-melsscheibe von Nebra“ erzählen von der kulturellen Geschichte des Landes. Als heimliche Weinhauptstadt gilt Freyburg an der Unstrut. Alljährlich am 2. Sep-temberwochenende findet hier das größte Winzerfest der Region statt. Auf dem sehr gut ausgebauten Rad-, Wander- und Wasserwegenetz macht die Erkundung des Anbaugebiets und seiner Weine, der Weingüter, Straußwirtschaften und Gutsschänken besonders viel Spaß. Der weitaus größte Teil des Weinbaugebiets befindet sich im Naturpark Saale-Unstrut Triasland.

Der Weinbau ist an Saale und Unstrut seit 998 belegt: Es gibt eine Schenkungsurkunde des Kaisers Otto III., in der der Weinbau erwähnt wird. Die Durchschnittstem-peratur ist in der Region vergleichsweise niedrig. Der hie-sige Weinbau braucht also geschützte Lagen. Vor allem in den Flusstälern bilden sich Wärmeinseln, deren Mik-roklima die Trauben wunderbar gedeihen lässt. Die kli-matischen Bedingungen führen zu einer Art natürlicher Ertragsreduktion; die Erntemenge beträgt an Saale und Unstrut durchschnittlich nur 50 Hektoliter pro Hektar.

Müller-Thurgau ist der Hauptvertreter der Rebsorten an Saale und Unstrut. Die vergleichsweise geringen Er-träge verleihen den Weinen eine besondere Finesse, die auch Weißburgunder und Riesling, die am zweit- und dritthäufigsten angebaut werden, zugute kommt. Fein-gliedrig, spritzig, säurefrisch − diese Beschreibung kommt den feinen Weinen von Saale, Unstrut und dem Wachtel-berg am nächsten. Probieren lassen sie sich am besten vor Ort; besonders die raren Rotweine kommen kaum in den bundesweiten Handel.

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· Radebeul

Elbe

· Pirna

· Meißen

Dresden ·

Sachsen –Hoch im Osten

Nördlich und südlich von Dresden, etwa zwi-schen Meißen und Pirna, erstreckt sich das sächsische Weinbaugebiet. Mit rund 500 Hekt-

ar zählt es zu den drei kleinsten Anbauregionen Deutsch-lands und ist das nordöstlichste Anbaugebiet. Nach Polen ist es nur noch ein Katzensprung.

In Sachsen ist das Kontinentalklima bestimmend. Das bedeutet warme Sommer und kalte Winter. Der Wechsel von milden Tages- und kühlen Nachttempera-turen bekommt den Reben sehr gut. Die sächsischen Weine − vornehmlich Müller-Thurgau, Riesling und Weißburgunder − stellen das mit ihrer Feingliedrigkeit eindrucksvoll unter Beweis.

Möglicherweise war es ein Bischof namens Benno, der im elften Jahrhundert nahe Meißen erste Reben setz-te. Urkundlich erwähnt wurde der sächsische Weinbau im Jahre 1161, weshalb man 2011 in Sachsen das 850-jährige Weinbaujubiläum feierte. So ganz genau weiß man es also nicht − der sächsische Wein ist aber auf jeden Fall mehr als eine Feier wert!

Meißen

Weinstube in Freyburg

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Ö c h s l e

Was den Franken ihr Bocksbeu-tel, ist den Sachsen ihre Keule. Die eigentümliche Flasche, die an einen Bowlingkegel erinnert, wurde 1931 in der damaligen Weinbau-Versuchs- und Lehr-anstalt Hoflößnitz bei Dresden erfunden. Mit einem Museum, einer Weinstube und einem Weingut ist Hoflößnitz noch immer ein besuchenswertes Zentrum sächsischer Wein-kultur.

DAS BLAUE BAND DER ELBE ZIEHT SICH

DURCH EINE LIEBLICHE LANDSCHAFT, DIE VON

WEINBERGSTERRASSEN UND HISTORISCHEN

ORTEN GEPRÄGT WIRD.

Hof lößnitz

Schloss Wackerbarth

Dresden bildet das Zentrum des Weinbaugebiets und setzt mit seiner städtischen Schönheit das i-Tüpfel-chen. Charakteristisch für die Region sind die Trocken-mauern, die für Steillagen und Terrassen malerische Umrandungen bieten. Sie sind nicht nur hübsch, son-dern bieten auch raren Pflanzen und Tieren Lebensraum. In Sachsen werden vorwiegend weiße Rebsorten ange-baut. Das Verhältnis von weißen zu roten Sorten beträgt 81 zu 19 Prozent. Weniger als ein Prozent der gesamten deutschen Weinproduktion kommt von hier; kein Wun-der, dass sächsischer Wein im Handel selten zu finden ist. Hier gilt also einmal mehr: Am besten hinfahren und an Ort und Stelle genießen!

Besonders empfehlenswert ist eine autochthone Besonderheit: der Goldriesling, der auf 21 Hektar Reb-fläche angebaut wird. Goldriesling wird jung getrunken, ist leicht und frisch mit zart würziger Note. Sogar der Pfarrer Kneipp empfahl ihn zu seinen Gesundheitskuren. Ein Grund mehr, ihn zu probieren!

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Rebfläche: 480 ha, Weißweinanteil: 81 %Wichtigste Rebsorten: Müller-Thurgau, Riesling, WeißburgunderWeitere Informationen: www.weinbauverband-sachsen.de

• Schloss Wackerbarth: gerüttelt, nicht geschüttelt• Hoflößnitz und die Sachsenkeule

Weinbergskirche zum Heiligen Geist, Dresden-Pillnitz

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Rebfläche: 11.500 ha, Rotweinanteil: 71 %Wichtigste Rebsorten: Trollinger, Riesling, Schwarzriesling, LembergerWeitere Informationen: www.wwg.de

• Winzerhof Gierer in Nonnenhorn • Weingut Wilhelm Kern im Remstal • Sektmanufaktur Kessler in Esslingen • Burg Hornberg in Neckarzimmern• Pfedelbach und das Fürstenfass

Württemberg –Rotwein-Ländle

Heilbronn ·

Meersburg·

Rhein

Lindau

Neckar

· Neckar-zimmern

· Pfedelbach

· Esslingen

· Stuttgart

Das Bundesland Baden-Württemberg, von sei-nen Einwohnern liebevoll „Ländle“ genannt, beherbergt die beiden Anbaugebiete Baden und

Württemberg, die jeweils ihren ganz eigenen Charakter haben.

Mit rund 11.500 Hektar Rebfläche ist Württemberg das viertgrößte deutsche Anbaugebiet. Rote Reben über-wiegen: Das Verhältnis von weißen zu roten Rebsorten beträgt hier 29 zu 71 Prozent. Und das liegt nicht nur am süffigen Trollinger: Auch Schwarzriesling, Lemberger und Spätburgunder gehören zu den Favoriten der Würt-temberger Winzer. Nicht zu vergessen ist der Riesling, der auf rund 2.000 Hektar angebaut wird und die wichtigste Weißweinsorte in Württemberg ist.

Das Anbaugebiet Württemberg liegt am Neckar und an seinen Nebenflüssen Rems, Enz, Tauber, Kocher und Jagst, zwischen Reutlingen und Bad Mergentheim. Eine württembergische Wein-Enklave umfasst auch die Wein-lagen am bayerischen Bodenseeufer um Lindau.

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Lauffener Steillagen

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D E U T S C H E W E I N A N B A U G E B I E T E – W Ü R T T E M B E R G

Dass zu jedem Wein ein passendes Glas gehört, wissen Sommeliers, Weinliebhaber und die Menschen in den Anbaugebieten. In Württemberg gibt es eine besonders merkwürdige Form, das Henkelglas. Das einzige Weinglas ohne Stiel hat seitlich einen praktischen Griff und wird meistens in den volkstümlichen Besenwirtschaften eingesetzt. Aus ihm werden Trollinger & Co. gerne „geschlotzt“, wie das genussvolle, schlürfende Trinken in der Region auch genannt wird, und zwar am häufigsten als „Viertele“ (0,25 Liter).

Der vulkanische Ursprung so manchen Hügels lässt sich an seiner Kegelform ablesen. Fünf Kilometer östlich von Heilbronn liegt Weinsberg. Dort ist der Sitz der renommierten Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau. Wichtige Rebsorten wie Kerner, Dornfelder und Acolon wurden hier gezüchtet. Wein war in Württemberg lange Grundnahrungsmittel – wie andernorts das Bier. Noch bis zum Ersten Weltkrieg war das kleinste in der Wirtschaft erhältliche Weinmaß ein Schoppen, also ein halber Liter. Der größte Teil der hei-mischen Produktion wird an Ort und Stelle konsumiert, besonders gerne in den gemütlichen Besenwirtschaften, den in der Sommersaison geöffneten Winzer-Ausschän-ken.

Das Winzergenossenschaftswesen ist in Württem-berg fest verankert. Viele Winzer oder Wengerter (Wein-gärtner), wie sie hier in Württemberg genannt werden, bauen nebenberuflich Trauben an und liefern diese bei den Genossenschaften ab. Natürlich gibt es auch viele selbstvermarktende Weingüter in der Region.

Eine besondere Spezialität ist der Schillerwein. Im Gegensatz zu Weißherbsten und anderen Roséweinen wird Schillerwein aus einer Mischung von roten und weißen Trauben hergestellt, die aus einem Weinberg stammen müssen und schon vor der Gärung miteinan-der vermischt werden. Die Bezeichnung Schillerwein hat übrigens nichts mit dem großen Württemberger Fried-rich Schiller zu tun, sondern stammt wohl schon aus dem Mittelalter.

Flaschenlager im Sekthaus Kessler

Fachwerkromantik in Niedernhall

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Die Biografiedes Weins

DIE HÜGELLANDSCHAFT ENTLANG SEINER FLÜSSE

ZEUGT VON DER GEOLOGISCHEN

VERGANGENHEIT WÜRTTEMBERGS.

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72 D I E B I O G R A F I E D E S W E I N S

Jeder Gartenfreund weiß: Manche Pflanzen brauchen Sonne, andere bevorzu-gen schattige Standorte. Auch Rebsorten haben unterschiedliche Anforderun-gen an ihren Standort. In Deutschland, einem der nördlichsten Weinbaulän-der der Erde, eignen sich die Flusstäler besonders gut. Warum? Auf den meist steilen, nach Süden oder Südosten liegenden Hängen an den Ufern trifft die Sonne im optimalen Winkel auf. Das Wasser reflektiert die Strahlen und sorgt für ausgeglichene Temperaturen. Das manchmal zu Tage tretende Schiefer-gestein, etwa an der Mosel, speichert die Wärme des Tages. Dann dürfen die Nächte nicht nur ruhig kalt sein – kühle Nächte im Herbst sind sogar verant-wortlich dafür, dass sich fruchtige Aromen in den Trauben und den späteren Weinen ausprägen können.

Die Urform der Rebe war eine Waldpflanze, die sich an Bäumen empor rankte. Deshalb brauchen Reben eine Wachstumshilfe, meist Drahtspaliere oder ein-zelne Pfähle. Jedes Jahr treibt der Rebstock neu aus. Nur ein bis zwei Triebe lässt der Winzer stehen, um später nicht zu viele Trauben zu erhalten. Ent-scheidend für die Qualität des späteren Weines ist nämlich, wie viele Trauben ein Stock produzieren und damit ernähren muss. Faustregel: Je weniger, desto besser − weil sich die Kraft der Pflanze in wenigen Trauben stärker konzent-riert. Ein Rebstock liefert je nach Art der Erziehung ein bis zwei Kilogramm Trauben. Der Winzer spricht vom Ertrag, der üblicherweise in Hektolitern pro Hektar angegeben wird. Eine wichtige Größe in der Biografie des Weines, weil der Ertrag die Qualität entscheidend beeinflusst! Um den Ertrag zu reduzieren, schneiden qualitätsbewusste Winzer vor der Reife sogar überzählige Trauben heraus oder teilen sie in der Mitte durch.

Damit die Trauben gesund heranwachsen, ist viel Arbeit erforderlich. Manche Winzer lassen zwischen den Zeilen Gras oder andere Pflanzen wachsen als Erosionsschutz und natürlichen Dünger. Da jeder Weinberg eine Monokultur und damit anfälliger für Schädlinge und Krankheiten ist, sind Pflegemaß-nahmen nötig. Oft werden Schädlinge mit naturidentischen Pheromonen an der Fortpflanzung gehindert. Werden die Blätter zurückgeschnitten, kann die Luft besser zwischen den Reben zirkulieren; die Trauben trocknen schneller nach einem Regenguss und bekommen mehr Sonne ab. In einem Weinberg gibt es das ganze Jahr hindurch viel zu tun, sogar im Winter nach der Ernte − da werden die Ruten beschnitten, damit der Stock im Frühjahr neue Triebe bilden kann.

AM ANFANG WAR DER WEIN-BERG

WACHSEN WILL GELERNT SEIN

Wein und Mensch haben eine Gemeinsamkeit: Ihre Biografie macht sie zu Individuen. Nicht nur Rebsorte und geografische Herkunft − Boden und Klima am Standort der Reben −, sondern auch die Verarbeitung im Keller sind entscheidende Faktoren, die jeden Wein prägen. Um beim Bild der Biografie zu bleiben (Kenner versichern übrigens, dass Wein „lebendig“ sei!): Der Kindheit im Weinberg folgt die Jugend im Keller. Ausgewachsen landet der Wein in der Flasche beim Konsumenten und mag vielleicht noch in dessen Weinkeller zu einem Senior heranreifen. Wie sieht also der Lebenslauf eines Weines aus?

Von der Blüte im Mai oder Juni bis zur Ernte im September oder Oktober rei-fen Trauben rund 100 Tage. Im günstigsten Fall war das Wetter in dieser Zeit nicht zu heiß, nicht zu kalt, nicht zu nass und nicht zu trocken. In den reifen-den Trauben bilden sich Zucker, Säure und viele andere Inhaltsstoffe. Wich-tig ist nun der Augenblick, in dem Zucker und Säure im optimalen Verhältnis stehen. Erfahrene Winzer probieren Tag für Tag ein paar Trauben oder mes-sen mit dem Refraktometer den Zuckergehalt im Most, um diesen Moment zu bestimmen. Je nach Wetterlage kann es ganz schön spannend werden: Ris-kiert der Winzer noch ein, zwei Tage mehr Wartezeit? Der Zuckergehalt in der Traube entscheidet auch über die spätere Qualitätsstufe des Weins.

Die Weinlese selbst gehört zu den romantischen Bildern, die jeder Wein-freund im Kopf hat. In steilen Weinhängen schneiden Erntehelfer die reifen Trauben ab und schütten sie in die Bütte oder Logel, mit der ein kräftiger Mann die Trauben auf dem Rücken aus dem Weinberg trägt. In flacheren Lagen werden oft Erntemaschinen eingesetzt, die möglichst schonend die reifen Trauben von den Rebstöcken rütteln. Nun schnell zum Keller! Dort werden die Beeren von den Stängeln getrennt (entrappt) und dann gekeltert. Durch das Entrappen können die Bitterstoffe aus den Stängeln nicht in den Wein gelangen.

Warum entsteht aus „weißen“ Trauben Weißwein und aus „roten“ (meist) Rot-wein? Eigentlich sehen die Weißweintrauben grün und Rotweintrauben blau aus. Während der pure Saft bei allen farblos ist, sitzen in den Schalen der Bee-ren Farbstoffe, vor allem bei den blauen Trauben. Um die rote Farbe in den Wein zu bekommen, muss der Winzer den Saft eine Weile mit den festen Trau-benbestandteilen, der Maische, stehen lassen. Schließlich beginnt die Maische zu gären und der entstehende Alkohol löst die Farbstoffe aus den Beerenhäu-ten. Das kann bis zu mehreren Wochen dauern, danach wird abgepresst und der Rotwein in Fässern zur weiteren Reifung gelagert. Wird der Most schon nach wenigen Stunden von der Maische getrennt, erhält man einen Roséwein. Weißweintrauben werden im Gegensatz dazu sofort gepresst und von der Mai-sche getrennt. Wer mit Rotweintrauben genauso verfährt, erhält einen hellen Wein, einen Blanc de Noirs.

EIN WEINBERG WILL GEPFLEGT SEIN

ENDLICH LESEN!

WER DARF AUF DER HAUT LIEGEN?

Was ist eigentlich ein Barrique-Fass? Das traditionelle Barrique mit ei-nem Fassungsvermögen von 225 Litern stammt aus Frankreich. Es ist ein kleines Fass, meist aus Eichenholz, in dem besonders Rotweine reichere Aromen und Strukturen entwickeln. Durch die Reifung im Barrique be-kommen Weine meist auch röstige oder würzige Noten. Seit einigen Jahr-zehnten bauen viele deutsche Winzer ihre Rot- und auch Weißweine im Barrique aus und erzielen hervorragende Ergebnisse. Andere Weine wer-den in Edelstahltanks oder in den klassischen großen Holzfässern ausge-baut. Sie haben dann keine oder fast gar keine Holzprägung.

D I E B I O G R A F I E D E S W E I N S

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D I E B I O G R A F I E D E S W E I N S

Während in anderen Ländern manchmal fertig vergo-rene Jungweine noch im Erntejahr vermarktet werden (Primeur), schätzt man in vielen deutschen Anbauge-bieten sogar den noch gar nicht vollendeten Wein.Je nach Region heißt diese Spezialität Federweißer, Roter Rauscher, Sauser, Brauser oder Bitzler. Und bitzeln tut er auch, der noch trübe, gärende Most, der etwa fünf Volumenprozent Alkohol und viel natürlichen

Zucker enthält. Die Flaschen dürfen nicht verschlos-sen sein, damit das Kohlendioxidgas entweichen kann. Köstlich schmeckt so ein prickelnd-süßes Glas Feder-weißer zu warmem Zwiebelkuchen! Man kann ihn beim Winzer, aber auch in vielen Supermärkten kaufen oder bei Weinfesten am Stand genießen. Im weinreichsten Bundesland Rheinland-Pfalz werden jedes Jahr über zwei Millionen Liter Federweißer getrunken!

Nun setzt der Gärprozess ein. Hefen setzen den natürlichen Zucker im Traubenmost in Alkohol um und produzieren dabei Wärme und Kohlendioxid. Daher kommt das „Blub-bern“ gärenden Mostes! Vollzieht sich die Gärung bei niedrigen Temperaturen langsa-mer und schonender, bleiben die fruchtigen Aromen besser erhalten. Deshalb haben die meisten Gärbehälter heute eine Kühlvorrichtung zur Temperaturkontrolle. Unter den natürlich vorkommenden Hefen gibt es viele, die unerwünschte Geschmacksstoffe bil-den können. Um den Gärverlauf besser zu kontrollieren, gibt der Kellermeister in der Regel selektionierte Hefestämme zu. Manche Erzeuger verlassen sich aber wie früher auf die im Weinberg natürlich vorhandenen Hefen und lassen die Gärung von ihnen durch-führen. Solch eine Spontangärung ist riskant, weil schwer zu kontrollieren, kann jedoch charaktervolle Weine hervorbringen.

Mit der Gärung hat die Jugend des Weines begonnen. Manche Weißweine lässt der Win-zer längere Zeit auf der Hefe liegen, damit sie einen feineren Geschmack entwickeln. Die Hefe wird dann vom Wein getrennt (der „Abstich“). Nun braucht der Wein noch Zeit, um sich zu entwickeln. Manche, besonders rote Weine, werden in Holzfässer aus Eiche (Barriques) gefüllt, die ihnen im Lauf mehrerer Monate zusätzlich Struktur und gewis-se Geschmacksstoffe verleihen. Während manche Weine schon wenige Wochen nach der Ernte angeboten werden, dürfen andere viele Monate im Keller des Winzers verbringen. Jung, frisch und fruchtig die einen, komplex, ausgereift und vielschichtig die anderen.

Die Abfüllung ist der Augenblick, in dem der Winzer seinen Wein als jungen Erwach-senen in die Welt entlässt. Nun kann er nichts mehr tun! Aber Wein ist lebendig, und auch in der Flasche laufen Prozesse ab, die für eine Veränderung des Geschmacks sorgen. Vor allem Sauerstoff bewirkt diese Entwicklung (Oxidation). Deshalb soll die Flasche möglichst luftdicht verschlossen sein. Andererseits: Ein wenig Sauerstoff ist bei komple-xen Rotweinen durchaus erwünscht! Der Naturkork galt lange Zeit als idealer Verschluss, weil er beides gewährleistet: Dichtigkeit und eine gewisse Durchlässigkeit für Sauerstoff. Heute gibt es eine Reihe von Verschlusstypen wie Schraub- oder Glasverschlüsse, die absolut „dicht halten“. Die Reifung eines Weins ist eine spannende Sache, ein Jahrzehn-te alter Tropfen mit edlen Reifenoten kann ein großartiges Erlebnis sein. Aber auch die jungen Weine mit ihren frischen Fruchtaromen haben ihre Anhänger.

DIE GÄRUNG

AB IN DIE FLASCHE

EINE JUGEND IM KELLER

Wein machtArbeit

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Es kann nur einen geben: nämlich einen Weinjahrgang. Eine zweite Chance bekommt der Winzer von der Natur nicht. Damit der Wein gelingt, muss das ganze Jahr über viel Arbeit getan werden. „Die Qualität wächst im Weinberg“ − diese Winzerweisheit klingt einfach, hat es aber in sich! Im Keller kann man zwar einen guten Wein verderben, aber niemals kann man einen schlechten Wein „verbessern“.

Während im Keller die frisch gelesenen Weine gären und reifen, herrscht im Weinberg Ruhe. Ein paar Beeren hän-gen vielleicht noch und warten auf den ersten Frost, um als Eiswein geerntet zu werden. Die Reben haben ihren Wachstumszyklus beendet. Fröste machen den Rebstö-cken jetzt meist nichts aus. Im Januar beginnen die Win-zer, je nach Wetter, mit dem Beschnitt: Die alten Triebe werden abgeschnitten. Der richtige Rebschnitt entschei-det darüber, wie die Rebe später austreibt und wie hoch der Ertrag sein wird. Diese Arbeit im Weinberg kann mehrere Wochen dauern.

Die Ruten, aus denen die neuen Triebe wachsen sollen, werden gebogen und an den Drahtrahmen befestigt. Da-für muss es warm genug sein. Im April setzt meist der Austrieb ein: Die Reben bekommen erste Blätter. Der Winzer bearbeitet den Boden und sät zum Beispiel die Begrünungspflanzen zwischen den Rebzeilen aus. Im Mai wachsen die Triebe. Gefährlich sind jetzt Nachtfrös-te: Erfrierungsgefahr! Es bilden sich Blütenansätze, die Gescheine. Botanisch gesehen hat der Blütenstand die Form einer Rispe mit vielen kleinen Blüten. Erste Maß-nahmen zum Pflanzenschutz können nun notwendig werden. Überzählige Triebansätze werden entfernt.

Meistens blühen die Reben Mitte Juni, in den heu-tigen Zeiten der globalen Erwärmung manchmal auch früher. Bei ungünstiger, feuchter Witterung während der Blüte kommt es zur unzureichenden Befruchtung (Ver-rieselung). Dann bilden sich nicht alle Beeren der Traube aus. Die Blüte selbst ist wenig auffällig. Von der Blüte bis zur Ernte vergehen je nach Jahrgang 100 bis 120 Tage.

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NOVEMBER - FEBRUAR MÄRZ - JUNI

Nun ist durch „Laubarbeit“ dafür zu sorgen, dass die Laubwand die Nährstoffversorgung optimal erfüllt. Zu viel Laub ist nicht gut für die Durchlüftung der Rebzeilen, auch brauchen die reifenden Trauben Sonne. Geiztriebe, die nicht benötigt werden, werden entfernt. Bei feucht-warmem Wetter ist die Gefahr von Pilzkrankheiten hoch. Reben sind wuchskräftige Pflanzen. Die Wuchsleistung beträgt bis zu drei Meter im Jahr!Die Reifung der roten Trauben kündigt sich mit dem Farbwechsel an. Überzählige Trauben werden herausge-brochen („grüne Lese“), um die Qualität zu verbessern: Die verbliebenen Trauben profitieren von der vollen Kraft des Rebstocks. Früh reifende Sorten werden schon Ende August gelesen – oftmals auch für die Bereitung des ers-ten Federweißen des Jahres. Im September reifen die Trauben aus. Wichtig ist das op-timale Verhältnis von Süße und Säure („physiologische Reife“). Der Winzer kontrolliert täglich den Reifeverlauf. Mitte bis Ende September beginnt die Hauptlese in der Regel mit dem Müller-Thurgau. Doch auch die Vögel haben Appetit auf frische Trauben. Sie müssen verjagt werden.

Der Oktober ist Erntemonat insbesondere für Riesling und Spätburgunder! Die Blätter sind gelb oder rot ver-färbt. Nun herrscht Hochbetrieb im Keller und in den Weinbergen. Der sprichwörtliche „goldene“ (sonnige und trockene) Oktober bringt die besten Qualitäten. In man-chen Jahren muss wegen des Wetters sehr schnell gelesen werden. Wichtig: Die Trauben müssen perfekt ausgereift, gesund und trocken sein. Kranke oder faule Beeren wer-den oftmals von Hand aus der Traube herausgeschnitten oder -gelesen. Mehrere Lesedurchgänge können erfor-derlich sein. In Flachlagen kann mit der Erntemaschine gelesen werden. In Hang- und Steillagen ist meist nur Handarbeit möglich.

Die Klimaerwärmung bleibt nicht ohne Ein-fluss auf den Wein. Die Durchschnittstem-peratur während der Vegetationsperiode ist beispielsweise im Rheingau in den letzten 20 Jahren um rund ein Grad Celsius gestiegen. Bis dato zählen die deutschen Winzer noch zu den Gewinnern des Klima-wandels. Jahre, in denen sie – wie noch bis

zu den Achtzigern – um die Vollreife bangen mussten, sind vorüber. Sie können nun den optimalen Lesezeitpunkt abwarten. Insbe-sondere die Rotweine haben von den wär-meren Temperaturen profitiert. Der Gefahr, dass die Weißweine zu alkoholreich werden und ihre typische, rassige Fruchtigkeit verlieren, kann bei Bedarf durch eine geän-

derte Rebenerziehung begegnet werden. Es gibt aber auch negative Folgen der Klimaer-wärmung, wie etwa die verstärkte Einwan-derung bisher unbekannter Schädlinge aus wärmeren Regionen (z.B. Zikaden) sowie die Zunahme extremer Wetterphänomene wie Starkregen, Starkhagel und ausgepräg-te Trocken- oder Feuchtperioden.

JULI - SEPTEMBER OKTOBER - NOVEMBER

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W E I N M A C H T A R B E I T

Öko-WeinbauGenau genommen ist Öko- oder Biowein ein Wein aus ökologisch angebauten Trauben. Bei der Arbeit im Wein-berg muss der Ökowinzer strenge Auflagen beachten. So dürfen keine Mineraldünger oder bestimmte Pflanzen-schutzmittel gegen Krankheiten und Schädlinge ver-wendet werden. Erlaubt sind ausschließlich die für den Ökoweinbau zugelassenen Mittel. Die Begrünung zwi-schen den Rebzeilen, einst Erkennungsmerkmal eines Bio-Weinbergs, wird heute allerdings auch von vielen konventionell oder integriert wirtschaftenden Winzern praktiziert. Die Umstellung vom konventionellen auf den ökologischen Anbau dauert drei Jahre. Derzeit werden rund 5.000 Hektar, das entspricht etwa fünf Prozent der deutschen Rebfläche, ökologisch bewirtschaftet, Tendenz steigend!

Der größte Verband ökologisch wirtschaftender Win-zer, Ecovin, wurde 1985 gegründet und hat inzwischen über 200 Mitgliedsbetriebe, die etwa 1.200 Hektar bewirtschaften. Außerdem gibt es noch die Verbände Demeter, Naturland und Bioland. Der biologisch-dynamische Anbau (Biodynamie) ist eine besondere Form des Ökoweinbaues, die sich an den Theorien des Anthroposophen und Begründers der Waldorfpädagogik, Rudolf Steiner, orientiert. Dabei wird der Boden mit bestimmten Stär-kungs-Präparaten versehen, und der Winzer versucht, die Einflüsse des Mondes und der Planeten mit zu berücksichtigen und zu nut-zen.

Auch konventionell arbeitende Winzer versuchen, den Einsatz synthetischer Mittel ganz oder so stark wie möglich einzuschrän-ken. Dass ein gesundes Bodenleben die Re-ben widerstandsfähiger und die Weine viel-schichtiger macht, hat sich herumgesprochen. Statt auf Schädlingsbekämpfungsmittel ge-gen den gefürchteten Traubenwickler setzt die Mehrheit der Winzer mittlerweile auf die umweltschonende „Verwirrungsmetho-de“ mit Pheromonen. Ist die Konzentration dieses Sexuallockstoffs des Traubenwickler-weibchens im Weinberg zu groß, finden die Männchen ihre Weibchen nicht mehr. So kann sich der hierzulande wichtigste tieri-sche Schädling nicht mehr vermehren.

Ganz neue Wege gehen Winzer mit den so genann-ten PiWis, d.h. pilzwiderstandsfähigen Rebsorten. Das sind Züchtungen, die weniger anfällig für bestimmte Krankheiten sind und deshalb Pflanzenschutzbehand-lungen überflüssig machen. Gerade für Ökowinzer sind diese resistenten Rebsorten interessant. Die erfolgreichste dieser Neuzüchtungen ist die Rotweinsorte Regent, die heute schon auf mehr als 2.000 Hektar angepflanzt wird. Wichtige Frage der Weinliebhaber: Schmecken Ökowei-ne besser als andere? Darauf antwortet der Verband Eco-vin: „In der Regel schmecken Ecovin-Weine nicht anders als qualitativ gleichwertige Weine aus konventionellem Anbau.“ Sie erfüllen jedoch das Bedürfnis nach einem Produkt, das so weit wie möglich im Einklang mit der Natur hergestellt wurde.

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Das EtikettDie Visitenkarte des Weins

Frühlingserwachen im Weinberg

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Das Etikett verrät, was in der Flasche ist. Manchmal befinden sich Angaben auch auf dem Rückenetikett. In jedem Fall dienen die Angaben Ihrer Information und dürfen daher nicht irreführend sein. Was in welcher Form auf dem Etikett stehen darf und stehen muss, ist deshalb durch das Weinbezeichnungs-recht genau geregelt.

DIE PFLICHTANGABEN

Sie müssen auf jedem Etikett stehen! Zu ihnen gehören die Nennung der Güteklasse (Deutscher Wein, Landwein, Qualitäts- oder Prädikatswein) und gegebenenfalls die Prädikatsstufe (Kabinett, Spätlese etc.), die Angabe des Alkoholgehalts (in % Vol.) sowie des Nennvolumens. Bei Qualitäts- und Prädikatsweinen muss auch die Amtliche Prüfnummer aufgeführt sein. Bei Qualitäts- bzw. Prädikatsweinen sowie Sekten bestimmter Anbauregionen (b.A.) ist das Anbaugebiet zu nennen – bei Landweinen das entsprechende Landweingebiet. Ferner muss der Abfüller aufgeführt sein. Seit 2005 muss auch ein Hinweis auf enthaltene Sulfite auf dem Etikett stehen.

QUALITÄTSWEIN BESTIMMTER ANBAUGEBIETE

Die mit Abstand häufigste Güteklasse wird gerne als „QbA“ abgekürzt. Jeder Qualitätswein muss eine analytische und sensorische Prüfung bestehen, was durch eine amtliche Prüfnummer auf dem Etikett vermerkt wird. Die Trauben eines Qualitätsweins müssen zu 100 Prozent aus dem angegebenen Anbaugebiet stammen. Weitere Voraussetzungen, um als QbA zugelassen zu werden, betreffen das Mindestmostgewicht (siehe S. 97) bzw. den natürlichen Mindestalkoholgehalt.

Die Qualitätsweinprüfung wird in jedem Anbaugebiet von einer amtlich bestellten, unabhän-gigen Prüfkommission durch-geführt. Die Weine werden von Experten “blind” beurteilt. Sie müssen fehlerfrei, sorten- und gebietstypisch sein. Mit be-stimmter Punktzahl und dem Bestehen der chemisch-analy-tischen Untersuchung wird die Amtliche Prüfnummer erteilt. Man spricht deshalb davon, dass die „Qualität im Glase“ entscheidet, nicht etwa eine bestimmte Weinbergslage oder gar der Name des Erzeugers.

PRÄDIKATSWEIN

Erfüllt ein Wein strengere als die für die Güteklasse QbA geltenden Anfor-derungen, kann er als Prädikatswein angeboten werden. Das Prädikat ist auf dem Etikett aufgeführt und gibt Aufschluss über den Weintyp. Es wird oft in Verbindung mit einer Rebsorte genannt, z.B. in Form von „Riesling Spätlese“ oder „Müller-Thurgau Kabinett“. In aufsteigender Folge nach dem jeweils geforderten Mindestmostgewicht heißen die Prädikate:

KA

BIN

ET

TTR

OC

KE

N-

BE

ER

EN

-A

US

LES

E

5) Hocheleganter, extrem lagerfähiger Süßwein aus rosinenar-tig eingeschrumpften Beeren, sehr hoher na-türlicher Zuckergehalt; die Aromen erinnern an Honig und exotische Früchte, die Konsistenz ist oft nektarartig.

1) Leichter, eleganter Wein mit niedrigem Alkoholgehalt.

SPÄT

LESE

2) Eleganter, kräftiger Weintyp mit ausgepräg-ten Fruchtaromen, wird aus Trauben gewonnen, die später geerntet wur-den.

3) In der Regel süße, besonders feinfruch-tige Weine aus voll-reifen Trauben.

AU

SLE

SE

BE

ER

EN

-A

USL

ESE

4) Wird aus überreifen Trauben gewonnen, die durch die Edelfäule (Botrytis) eine höhere Zuckerkonzentration im Most aufweisen; Süß-wein-Typ; sehr lange haltbar. Beerenauslesen können nicht in jedem Jahr geerntet werden.

EIS

WE

IN

6) Wird aus im gefrorenen Zustand geernteten und gekelterten, idealerweise gesunden Trauben gewon-nen (Temperatur unter minus 7 Grad Celsius), sehr hoher natürlicher Zucker-gehalt. Nur in besonderen Jahren gelingt eine Eis-weinlese. Eisweine haben ein außergewöhnlich langes Lagerpotenzial und können viele Jahrzehnte reifen.

D A S E T I K E T T D A S E T I K E T T

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D A S E T I K E T T D A S E T I K E T T

Was ist eigentlich das Mostge-wicht? Je reifer die Traube, desto mehr Zucker enthält der Saft. Die Messung des Mostgewichts (des Zuckergehalts) erlaubt daher den Rückschluss auf die Reife der Trauben. Gemessen wird hierzulande in Grad Oechsle. Ein Grad Oechsle bedeutet, dass ein Liter Most 1 Gramm schwerer ist als ein Liter Wasser. In manchen Jahren haben Trockenbeerenaus-lesen mehr als 200 Grad Oechlse! Der größte Teil des natürlichen Zuckers wird bei der Gärung in Alkohol verwandelt. Je reifer die Trauben, desto mehr Alkohol kann gebildet werden. Zucker, der nach der Gärung im Wein ver-bleibt, wird Restzucker genannt. Der Name Oechsle stammt von dem aus Pforzheim stammenden Goldschmied und Erfinder Chris-tian Ferdinand Oechsle (1774-1852), der die Mostwaage zur Bestimmung des Mostgewichts entwickelte.

CLASSIC

Diese Bezeichnung wurde mit dem Jahrgang 2000 eingeführt. Bei Classic-Weinen handelt es sich um Qualitätsweine aus gebietstypischen, klassischen Rebsorten, die immer harmonisch trocken schmecken. Es befinden sich daher keine weiteren Geschmacksangaben auf dem Etikett.

ERSTES UND GROSSES GEWÄCHS

Im Anbaugebiet Rheingau findet man im Top-Segment die Bezeichnung Erstes Gewächs auf dem Etikett. Für diese Weine gelten strenge Qualitätsrichtlinien wie geringe Erträge, Handlese und Rebschnitt, zudem sind die Weinberge, aus denen Erste Gewächse kommen dürfen, parzellengenau abgegrenzt. Nur aus den Rebsorten Riesling und Spätburgunder dürfen Erste Gewächse erzeugt werden. Mit maximal 13 g/l Restzucker sind sie eher der trockenen Geschmacksrichtung zuzuordnen. Diese Weine müssen auch eine zusätzliche sensorische Prüfung bestehen. Außerhalb des Rheingaus werden diese trockenen Spitzenweine (auch aus anderen, in ihren Anbaugebieten typischen Rebsorten) nach dem Klassifikationsmodell des Verbands der Deutschen Prädikatsweingüter (VDP) als Großes Gewächs bezeichnet. Auf dem Etikett sind sie an dem Kürzel „GG“ zu erkennen.

LANDWEIN

Deutscher Landwein zählt zu den Weinen mit einer geografischen Angabe. Er ist ein umkomplizierter Wein, der typisch für seine Region ist. Landwein ist stets trocken oder halbtrocken. Seit dem 1. August 2009 sind in Deutschland insgesamt 26 Landwein-Gebiete gesetzlich festgelegt – dazu zählt seit Neuestem auch ein Schleswig-Hosteiner Landwein, denn im hohen Norden Deutschlands, wie etwa auf der Insel Sylt, wachsen mittlerweile auf rund zehn Hektar Reben.

DEUTSCHER WEIN

„Deutscher Wein“ ohne nähere Herkunftsbezeichnung darf ausschließlich aus deutschem Lesegut sowie zugelassenen Rebflächen und Rebsorten stammen. In Deutschland werden im Vergleich zu anderen Anbauländern nur kleine Mengen dieser Qualität erzeugt. Zusammen mit dem Landwein machen sie etwa fünf Prozent der deutschen Weinproduktion aus.

Es gibt etwa 2.600 Einzellagen in den deutschen Anbaugebieten. Jede von ihnen ist in einem amtlichen Kataster, der Weinbergsrolle, erfasst. Ihre Größen schwanken beträchtlich. Die kleinste Einzellage Deutschlands ist die Walporzheimer Gärkammer an der Ahr, die noch nicht einmal ein Hektar umfasst. Mit 85 Hektar ist die renommierte Lage Würzburger Stein die größte deutsche Einzellage. Aus dem La-gennamen kann der Weinkenner bisweilen bereits erste Rückschlüs-se auf die zu erwartende Typizität des Weines ziehen, gibt sie doch oft Auskunft über die Bodenart (Vulkanfelsen, Sandgrube, Kalkofen). Übrigens: der Begriff „Lay“, den man sehr oft in Lagenbezeichnungen an der Mosel findet (Rosenlay, Sonnenlay, Laurentiuslay) kommt aus dem Keltischen und bedeutet Schiefer oder Schieferfelsen. Manch-mal gibt der Lagenname auch Hinweise auf die früheren Besitzver-hältnisse (Klostergarten, Grafenberg, Kirchenstück). Eine vollständi-ge grafische Übersicht mit Luftbildern von allen Weinlagen bietet der Deutsche Weinatlas – zu beziehen über www.deutscheweine.de

ABFÜLLER UND ERZEUGER

Auf jeder Weinflasche muss der Abfüller angegeben werden. Nicht immer ist dieser identisch mit dem Erzeuger der Trauben. Kellereien kaufen Trauben oder Weine, die sie weiterverarbeiten und beispielsweise unter einem Markennamen vermarkten. Die Kellerei ist der Abfüller. Genossenschaften und Weingüter sind in der Regel Erzeuger, da sie Trauben aus eigenem Anbau verarbeiten. Manchmal jedoch kaufen auch Winzer Trauben zu.

WEITERE ANGABEN AUF DEM ETIKETT

Wonach sucht der Käufer auf dem Etikett zuerst? Wahrscheinlich nach dem Jahrgang und der Rebsorte. Beides steht fast immer auf dem Etikett, jedoch ist die Angabe des Jahrgangs und der Rebsorte nicht verpflichtend. Klar ist, dass die Trauben (zu mindestens 85 Prozent) im angegebenen Jahrgang geerntet und aus der angegebenen Rebsorte gewonnen sein müssen. Übrigens: Bei Eisweinen kann es vorkommen, dass die Trauben erst im Januar geerntet werden. Es wird dann trotzdem der Jahrgang angegeben, in dem die Trauben gereift sind.

LAGENBEZEICHNUNG

Ebenfalls erlaubt, aber nicht verpflichtend: die Angabe der Lage, in der die Trauben gewachsen sind. Heute führen Winzer die Lage meist nur dann auf dem Etikett auf, wenn der Wein ihr in besonderem Maße seine Charakteristik verdankt. Die Lagenangabe besteht aus Orts- und Lagennamen, denn Einzel-lagen gehören immer zum Gebiet einer Gemeinde, wie zum Beispiel Forster Ungeheuer oder Bernkasteler Doctor.

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Ein Stück Würfelzucker wiegt rund 3 Gramm. Unsere Zunge kann eine Konzentration von ca. 5 Gramm Zucker in einem Liter Wasser wahrnehmen (ausprobieren!). Cola enthält rund 106 Gramm Zucker pro Liter. Edelsüße Spezialitäten wie Eisweine oder Trockenbeerenausle-sen können natürliche Restzucker-gehalte von über 200 Gramm pro Liter aufweisen.

GESCHMACKSSTUFE

Die Geschmacksstufe wird bei trockenen und halbtrockenen Weinen so gut wie immer auf dem Etikett angegeben. Steht keine Geschmacksangabe auf dem Etikett, ist der Wein in der Regel lieblich bis edelsüß. Die Erzeuger können durch Steuerung der Gärung Weine in verschiedenen Geschmacksstufen anbieten. Wird die Gärung beispielsweise durch Kühlung unterbrochen, bevor der gesamte Zucker in Alkohol umgewandelt wurde, behält der Wein seine natürliche Restsüße. Die Geschmacksstufen sind hierzulande gesetzlich festgelegt:

TRO

CK

EN Trocken für Weine mit einem

Restzuckergehalt bis 4 Gramm pro Liter oder maximal 9 Gramm pro Liter, wenn die Säure höchstens 2 Gramm niedriger ist. H

ALB

-TR

OC

KE

N

Halbtrocken für Weine mit einem Restzuckergehalt bis 12 Gramm pro Liter oder maximal 18 Gramm pro Liter, wenn die Säure nicht mehr als 10 Gramm darunter liegt.

LIE

BLI

CH

Lieblich sind Weine mit einem Restzuckergehalt über dem der halb-trockenen Weine bis maximal 45 Gramm pro Liter.

SS

Süß gilt für Weine über 45 Gramm pro Liter Rest-zuckergehalt.

Deutschlandprickelt

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Wie der Wein schmeckt, kommt sehr auf den Fruchtsäuregehalt des Weines an, da die Säure die Süße geschmacklich dämpft. Deshalb können dem Restzuckergehalt nach liebliche Weine trotzdem halbtrocken schmecken. Für solche Weine hat sich die Bezeichnung feinherb eingebürgert. Oft wird der Begriff feinherb, für den keine gesetzlichen Grenzwerte definiert sind, auch als Synonym für halbtrocken benutzt.

Da Schaumweine Kohlensäure enthalten, die den Süßeeindruck ebenso dämpft wie die Fruchtsäure im Wein, liegen die Grenzwerte für die Geschmacks-stufen bei ihnen anders.

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nur Trauben aus bestimmten zugelassenen Rebsorten. Winzersekte von Weingütern oder Genossenschaften − manche „Sektmanufakturen“ haben sich sogar darauf spezialisiert − werden im Fach- und Versandhandel oder im gut sortierten Lebensmittelhandel angeboten. Oder man kauft sie direkt beim Erzeuger!

Secco und Perlwein heißen Weine mit zu-gesetzter oder eigener Kohlensäure, aber etwas geringerem Innendruck. Die Bezeichnung Secco hat sich, inspiriert vom

italienischen Prosecco, als eine Art Gattungsbegriff einge-bürgert; die offizielle Bezeichnung lautet: Deutscher Perl-wein. Perlweine oder Seccos sind sommerlich-fruchtige Erfrischungen, die viel Trinkvergnügen bereiten. Durch den Wegfall der Sektsteuer und das vereinfachte Verfah-ren sind sie in der Regel preiswerter als Sekte. Bei den Deutschen sind sie zunehmend beliebt.

Winzersekt und Secco: Die deutschen Winzer sind Spezi-alisten für schäumende Weine. Und die Deutschen sind Weltmeister im Schaumweinkonsum! Ein Glas Sekt lässt uns den Moment genießen. Nicht nur, wenn es etwas zu feiern gibt! Nirgendwo auf der Welt wird mehr Schaum-wein genossen als in Deutschland: Rund 3,9 Liter oder 5,2 Flaschen pro Kopf waren es 2009. Kein Wunder also, dass in Deutschland eine große Schaumweinvielfalt exis-tiert.

Bei der Sektherstellung werden Weine ein zwei-tes Mal vergoren. Dabei entsteht Kohlensäure, die im Produkt verbleibt und das Charakteristi-

kum des Schaumweins ausmacht. Die meisten Marken-sekte werden als Cuvées aus verschiedenen Grundweinen in großen Druckbehältern vergoren, was größere einheit-liche Partien garantiert. Die Abfüllung in Flaschen erfolgt erst nach Abschluss des Gärprozesses.

Qualitätsmerkmal für Sekt ist in erster Linie der Grundwein und in zweiter Linie das Herstellungsver-fahren. Der Winzer schätzt in der Regel kleinere, indivi-duellere Partien und wendet daher häufig die klassische Flaschengärung an. Hierbei erfolgt die zweite Gärung in der Flasche. Die einzelnen Flaschen werden so lange „ge-rüttelt“, d.h. gedreht und dabei langsam aufgerichtet, bis sich die Hefe im Flaschenhals abgesetzt hat. Dann wird die Hefe entfernt, ohne dass der Sekt die Flasche verlässt.

Winzersekt ist eine Bezeichnung für einen nach die-ser traditionellen Methode erzeugten Sekt aus eigenen, im Weingut vinifizierten Trauben eines Erzeugers. Er trägt den Zusatz b.A., wenn die Trauben aus einem be-stimmten Anbaugebiet stammen. Die Bezeichnung wur-de vor 30 Jahren in Rheinhessen kreiert. Unter bestimm-ten Voraussetzungen ist auch die Bezeichnung Crémant in Deutschland zugelassen: Ganztraubenpressung, tra-ditionelle Flaschengärung, Angabe eines Anbaugebietes,

Typisch für Deutschland ist der „Pikkolo“, eine kleine Sektflasche von 0,2 Liter Fassungsvermögen. Eigent-lich ist Pikkolo ein eingetragenes Warenzeichen der Firma Henkell aus den 1930er-Jahren für die Sektmarke Henkell trocken. Damals wurden auch junge Hotel- und Kellnerlehrlinge als Pikkolo bezeichnet, und ein gezeichne-ter „Pikkolo“ war eine Werbefigur für die Marke. Heute hat sich der Begriff auch für Mini-Sektflaschen anderer Fabrikate eingebürgert. Ein „Pikkolo“ geht immer!

SPASS MUSS SEIN:

PERLENDER SECCO

WIE KOMMEN DIE PERLEN

IN DEN SEKT?

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Wein aktiv erleben

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Die 13 deutschen Wein- anbaugebiete bieten neben hervorragenden Weinen auch äußerst abwechslungsreiche Möglichkeiten, Land und Leute zu entdecken. Wer sich direkt beim Winzer einquartiert findet beste Voraussetzungen für einen erlebnisreichen Genießerurlaub in authenti-scher Atmosphäre. Viele Erzeuger bieten hervorragende Übernachtungsmöglichkeiten an.

FAHRRAD-TOURENDie Ufer der Flüsse in allen Wein-regionen eignen sich gut für Entde-ckungstouren mit dem Fahrrad. Den Main kann der aktive Radler auf über 600 km Radweg von der Quel-le bis zur Mündung begleiten und dabei romantische Weinlandschaften kennenlernen. An der Mosel gibt es, auf über 1000 km Radwegnetz, ausgearbeitete Tourenvorschläge für Rundreisende oder Streckenfahrer – Gepäcktransport auf Wunsch in-klusive. Auch die Weinstraßen, zum Beispiel durch die idyllischen Täler von Tauber, Jagst, Kocher und Rems im Anbaugebiet Württemberg oder die Bocksbeutelstraße in Franken, bieten ganzjährig viel Abwechslung für das Auge und die Beine.

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WANDERN & KLETTERNWunderbar Wandern lässt sich fast überall, wo Reben stehen. Im Rheingau und am Mittelrhein gibt es beispielsweise den 320 km langen Rheinsteig. Insbesondere das Teil-stück von St. Goar bis Bacharach führt durch eindrucksvolle Rebhän-ge mit atemberaubenden Ausblicken auf das Rheintal. Ein Klassiker unter den Weinwanderwegen ist der Ahr-Rotweinwanderweg von Alten- ahr bis Bad Bodendorf. Kilometer-weite Wanderwege durchziehen auch den Kaiserstuhl und Tuniberg in Baden. Wer es noch sportlicher möchte, dem bieten der steilste Weinberg Europas, der 378 Meter hohe Bremmer Calmont an der Mo-sel, oder der Rotenfels an der Nahe Herausforderungen, wobei letzterer allerdings nur für geübte Kletterer geeignet ist.

IN LUFTIGEN HÖHENWer einmal abheben möchte, ist im Anbaugebiet Mittelrhein ebenfalls richtig. In Bad Ems an der Lahn kann man mit dem Gleitschirm Übungsflüge unternehmen. Über das sanft gewellte Rebenmeer Rhein-hessens erheben sich bei schönem Wetter viele Heißluftballons – ein beliebter Trendsport, der auch von der Südpfalz bis hinüber nach Baden und an die Hessische Bergstraße angeboten wird.

GOLFFür alle, die gern abschlagen, ist beispielsweise die Pfalz ein ideales Reiseziel. Auf der mitten in den Weinbergen gelegenen Golfanlage Deutsche Weinstraße bei Dacken-heim sind sogar die Spielbahnen nach Rebsorten benannt.

WASSERSPORTWer das Fahrrad lieber mit dem Boot tauschen möchte, findet an der 217 Kilometer langen „Wasserwander-route Mosel“ viele Verleih- stationen und über 60 Anlegestellen für den Landgang zwischendurch. Sogar Wasserski lässt sich auf der Mosel bei Bullay fahren, Neopren-anzug inklusive. Auch an Saale und Unstrut gibt es schöne Wasserwan-derwege. Das Nahe-Seitenflüsschen Glan eignet sich wie die Lahn bes-tens für Kanu- und Kajakfreunde.

HUFE ODER MOTORBIKEWem es in der Luft zu unsicher ist, mag den Rücken eines Pferdes bevorzugen: In der Südpfalz gibt es Touren für Reiter zwischen Wein und Wald – oder man mietet sich ei-nen Motorroller und erkundet damit die Weinberge! Geführte Biker-Tou-ren werden auch an der Mosel an-geboten, aber auch die Weinregion Baden bietet wundervolle Strecken gepaart mit kulinarischen Köstlich-keiten.

SCHIENEN & ROLLENBeschaulicher, aber auch mit Kör-pereinsatz lassen sich Anbaugebiete auf Schienen erkunden – auf Drai-sinen, die man mieten kann – eine echte Gaudi und zu haben in den Anbaugebieten Nahe und Pfalz. Inline-Skater kommen im Rheingau und Mittelrheintal bei der Aktion „Rhine-on-skates“ auf ihre Kosten: Im August wird die Bundesstraße durch das UNESCO-Weltkulturerbe auf 135 Kilometern einen Tag lang freigegeben; die Strecke geht von Rü-desheim nach Koblenz und zurück.

W E I N A K T I V E R L E B E NW E I N A K T I V E R L E B E N

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W E I N A K T I V E R L E B E NW E I N A K T I V E R L E B E N

Wenn aus dem Weingutsbesuch eine ausgedehnte Wein-probe geworden ist − Winzer beantworten immer gerne Fragen interessierter Kunden −, liegt der Gedanke nahe: Könnte man nicht noch über Nacht bleiben? Gästezim-mer oder auch Ferienwohnungen gibt es in vielen Wein-gütern, denn Urlaub beim Winzer ist beliebt geworden. Für ihre Gäste lassen sich die Winzer etwas einfallen: Kutschfahrten und geführte Wanderungen durch die Weinberge, Radtouren mit Gepäcktransport, Weinpro-ben mit zur Saison passenden kulinarischen Themen, Kochkurse, Theateraufführungen und Konzerte. Lang-weilig ist ein Urlaub beim Winzer nie.

Nicht selten werden in den Höfen während der Sommer- und Herbstmonate Tische und Bänke aufgestellt: Das Weingut wird zur Strauß-, Hecken- oder Besenwirtschaft. Diese in Deutschland und Österreich („Buschenschank“) typische Einrichtung soll auf Karl den Großen zurück-gehen, der den Winzern erlaubte, ein paar Monate im Jahr ihre eigenen Weine und kleine Speisen anzubieten. Zum Zeichen, dass die Wirtschaft geöffnet sei, wurde ein Strauß oder Besen am Tor befestigt: Der Winzer hatte

„ausgesteckt“. Der Besuch einer Straußwirtschaft ist an warmen Sommerabenden eine feine Sache und eine gute Gelegenheit, Weine aus dem breiten Angebot des Erzeu-gers zu probieren. Dazu gibt es typische Spezialitäten der Region aus frischen Produkten. Herz, was willst du mehr?

Urlaub ist kostbar. Warum also Zeit mit Suchen verlieren? In den Weinregionen gibt es über 500 weinkompetente Gästeführer, die Urlaubern eine Vielzahl von Erlebnisange-boten rund um den Wein unterbreiten – von der Weinbergs-wanderung bis zu kulinarischen Weinproben. Die meisten Gästeführer arbeiten ehrenamtlich, alle haben eine speziel-le Ausbildung absolviert und viel Freude daran, ihre Region vorzustellen. Informationen: www.tourismus.deutscheweine.de

URLAUB BEIM WINZER

ZU GAST IM WINZERHOF

Man könnte sagen: die Probierstube 2.0! In einer Riesling-Lounge können Fans Top-Weine (nicht nur Rieslinge) aus allen deutschen Anbaugebieten probieren und in lockerer Atmosphäre genießen. In verschie-denen deutschen Großstädten wurden solche Lounges mit Unterstützung des Deutschen Weininstituts eingerichtet: in Berlin (mesa Restaurant Grand Hyatt), Mainz (Hofgut Laubenheimer Höhe), München (RETTERs Feinschmecker), Frankfurt (Restaurant Zarges) und Köln (Excelsior Hotel Ernst). Eine Riesling-Lounge ist eine eigene Bar mit geschultem Personal.

WEINKAUF BEIM WINZERKaufen beim Winzer ist immer ein Erlebnis! Kein Wun-der, dass viele Winzer, Genossenschaften und Kellereien ihre Verkaufsräume ausgebaut haben: Hier empfangen sie ihre Kunden. Es sind moderne Vinotheken gewor-den, architektonisch spannend gestaltet, wahre Lounges, in denen sich Wein wunderbar entspannt genießen lässt, während das Auge immer neue bauliche Details entdeckt. Rustikale, aber unbequeme Bauernstühle oder Barhocker, Plastik-Reblaub, alte Bütten und gehäkelte Tischdecken als Deko haben längst ausgedient. Nicht wenige dieser schick gestalteten Räume sind mit einem Architektur-preis ausgezeichnet worden. Zu kaufen gibt es übrigens nicht nur Wein, sondern auch vieles mehr: Weingelees, Feinkost, Schokoladen, Traubenkernöle, Essige, Obst-brände, Liköre, Gläser und andere Accessoires.Viele Winzer bieten ihren Besuchern einen Kellerrund-gang an. Da schlägt das Herz eines jeden Weinfreundes höher. In modernen Weingütern existieren oft romanti-sche, alte Keller mit großen, verzierten Holzfässern neben beeindruckender High-Tech-Ausrüstung: pneumatische Traubenpressen, die das Lesegut besonders schonend ver-arbeiten, blitzende Edelstahltanks mit computergesteu-erter Kühlung, klimatisierte Barrique-Keller und vollau-tomatische Abfüllanlagen. Oft wird die Schwerkraft in geschickter Weise ausgenutzt, um unnötiges Pumpen und damit mechanische Belastung des Leseguts oder Mosts zu vermeiden. Die häufig beträchtlichen finan-ziellen Investitionen haben alle ein Ziel: Noch bessere Qualität und zufriedene Kunden. WAS IST

EIGENTLICH EINE RIESLING-LOUNGE?

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Genuss mit VergnügenTipps zum Umgang mit deutschen Weinen

G E N U S S M I T V E R G N Ü G E N

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G E N U S S M I T V E R G N Ü G E NG E N U S S M I T V E R G N Ü G E N

So sagt der Volksmund. Beim Wein ist es fast dasselbe, denn jeder Schluck ist eine Erfahrung mehr und erhöht Ihre Kennerschaft. Bei der Weinprobe geht es zunächst darum, ob und wie Ihnen ein Wein schmeckt oder wel-che geschmacklichen Unterschiede zwischen zwei Wei-nen bestehen. In zweiter Linie − bei Profiverkostern ein wichtiger Aspekt − soll ein Wein möglichst objektiv, also von anderen nachvollziehbar, beschrieben werden. Da-für gibt es eine Verkoster-Fachsprache („Nase“ für Duft,

„Körper“ für ein kräftiges Mundgefühl und so weiter). Auch wenn Sie diese nicht gewohnt sind, können Sie be-schreiben, wie ein Wein schmeckt − indem Sie einfach an Ähnlichkeiten denken: „Dieser Wein erinnert mich an frische Äpfel.“ Mit etwas Übung werden Sie daran Spaß haben, denn Wein ist wohl das einzige Genussmittel mit einer derart ausgefeilten „Genusssprache“. Freilich kön-nen Sie sich auf die lapidare Feststellung beschränken:

„Der Wein schmeckt mir gut!“ Aber Sie werden feststellen: Weinfreunde wollen auch wissen, was an dem Wein wie schmeckt und warum.

Tipp: Organisieren Sie für Ihre Freunde eine kleine Weinprobe. Dazu brauchen Sie vier oder fünf verschie-dene Weine. Welche? Hilfreich ist ein Thema, zum Beispiel Riesling − dann vergleichen Sie einige Ries-lingweine, vielleicht aus verschiedenen Anbaugebieten. Oder Sie vergleichen mehrere Sorten miteinander: Spätburgunder, Portugieser, Dornfelder – alle aus einem Anbaugebiet. Reizvoll kann es sein, wenn die Teilnehmer zunächst nicht wissen, welchen Wein sie verkosten. Sie können die Flasche mit etwas Alufolie umwickeln oder fertig eingeschenkte Gläser servieren. Dieses Verfahren heißt Blindprobe und ermöglicht die Konzentration auf den Wein, ohne dass das Wissen über die Herkunft, Sorte oder den Erzeuger das Urteil beeinflussen kann. Auch spannend: der Jahrgangsver-gleich. Zwei oder drei Jahrgänge des gleichen Weins eines Winzers zeigen sehr anschaulich, was Reifung bedeutet. Oft erweisen sich die gereiften Weine als die vielschichtigeren Tropfen, die den „Jungspunden“ überlegen sind! Und oft stoßen selbst die größten Weinkenner an ihre Grenzen, wenn sie plötzlich einen Wein beurteilen sollen, ohne zu wissen, was auf dem Etikett steht.

PROBIEREN GEHT ÜBER STUDIEREN

Vor das Trinken haben die Götter das Verkosten gesetzt − jedenfalls bei Weinliebhabern ist das oft so. Verkosten heißt, einen Wein zu probieren, aber nicht unbedingt zu trinken. Profi-Verkoster spucken den Probeschluck näm-lich wieder aus, nachdem sie ihn ausgiebig im Mund be-wegt haben. Nicht nur die Zunge, sondern fast alle Sinne sind beteiligt. Und so geht’s:

1. Das AugeBetrachten Sie die Farbe im Glas, möglichst bei Tages-licht und vor einem hellen Hintergrund. Farbe leuchtend und klar? Ein gutes Zeichen. Ein Wein darf nicht trüb sein. An den Rändern (Glas schräg halten) kann man manch-mal erkennen, dass ein Wein gereift ist. Reife Rotweine haben bräunliche Ränder, junge eher violette.

2. Die NaseRiechen Sie am Glas, wobei Sie den Inhalt leicht kreis-förmig schwenken können. Die Aromen verbinden sich so besser mit der Luft. Ist der Duft angenehm frisch, klar und reintönig? Erkennen Sie Fruchtaromen oder Blüten-

düfte? Junge Weißweine erinnern oft an Zitrusfrüchte, Äpfel oder Pfirsiche. Reife Weißweine können nach gel-ben Früchten oder Honig duften. Rotweine duften eher nach roten Früchten wie etwa Kirsche, Erdbeere, Brom-beeren und Pflaumen.

3. Der MundBewegen Sie den Probeschluck im Mund hin und her. Wenn Sie dabei Luft einsaugen – das bekannte „Schlür-fen“ der „Kenner“ –, werden die Aromen besser an die Riechorgane transportiert. Das Mundgefühl sollte in-tensiv, frisch, saftig und lebendig sein. Wie lange spüren Sie den Geschmack nach dem Hinunterschlucken oder Ausspucken des Probeschlucks? Je länger der „Abgang“, desto besser!

CRASH-KURS: WEIN DEGUSTIEREN

Aromen erkennen und benennen − eine vergnügliche Herausfor-derung für jeden Weinliebhaber, die jedoch einige Übung verlangt. Ein gutes Hilfsmittel ist das Aromarad. Auf diesem sind − getrennt für Weiß- und Rotweine − die typischen Aromen deutscher Weine nach Gruppen sortiert übersichtlich angeordnet. Erdbeere, Him- beere oder doch eher Litschi in der Nase? Leder, Kaffee oder vielleicht Lakritze am Gaumen? Mit dem Aromarad haben Sie den Dreh schnell heraus! Im Online-Shop unter: www.deutscheweine.de

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G E N U S S M I T V E R G N Ü G E N G E N U S S M I T V E R G N Ü G E N

Deutsche Weine verfügen über eine gute Lagerfähigkeit, die natürlich von der Rebsorte und der Machart des Weins ebenso abhängt wie vom Jahrgang. Beim Rotwein sind es die Gerbstoffe, bei Weißwein die Säure und die Süße, die den Weinen das verleihen, was der Fachmann

„Lagerpotenzial“ nennt: die Fähigkeit, sich in der Flasche über einen längeren Zeitraum positiv zu entwickeln.

Was passiert bei der Reifung? Reife Weine sind oft har-monischer und zugleich komplexer. Manche Aromen bil-den sich erst nach einiger Zeit heraus. Während der Rei-fung verbinden sich bestimmte Moleküle, auch unter dem Einfluss des Sauerstoffs in der Flasche. Dass sich ein Wein chemisch verändert, erkennt man unter anderem auch an der Farbe. Die wird bei Weißweinen intensiver, bei Rot-weinen dagegen oft etwas heller; sie kann von schwarzrot ins Bräunliche oder Ziegelfarbene wechseln.

So lagern sie richtig! Ideal ist die liegende Lagerung in einem vor Licht, Erschütterungen und starken Gerüchen geschützten Raum mit möglichst gleich bleibenden Tem-peraturen um 12 Grad Celsius. Wer keinen Keller hat,

kann seine Weine auch im Schlafzimmer lagern, wo es selten zu warm ist. Weine mit anderen Verschlüssen als Naturkorken können auch stehen, da die liegende Lage-rung lediglich verhindern soll, dass ein Korken austrock-net und luftdurchlässig wird.

Wie lange kann deutscher Wein lagern? Die meisten Weine, die im Lebensmittelhandel angeboten werden, schmecken im Jahr nach der Ernte am besten und sind nicht für eine mehrjährige Reifung gedacht. Je hochwer-tiger der Wein, desto eher ist eine Lagerung zu empfehlen. Spätlesen und Auslesen aus Riesling oder Burgundersor-ten von guten Lagen können in guten Jahrgängen ohne weiteres fünf bis acht Jahre reifen, ebenso gute Rotwei-ne. Edelsüße Weine haben ein sehr großes Potenzial, das mehrere Jahrzehnte erreichen kann. Faustregel: Je mehr Alkohol, Säure, Süße oder Tannine ein Wein enthält, des-to größer sein Reifepotenzial, denn diese vier Bestandtei-le wirken konservierend. Tipp: Zum Verschenken eines Weines – beispielsweise des Geburtsjahrgangs zur Voll-jährigkeit – eignen sich edle Trockenbeerenauslesen und Eisweine am besten. Schaumweine verbessern sich durch Lagerung nicht. Sekte und Perlweine sollten Sie deshalb direkt nach dem Kauf genießen.

AB IN DEN KELLER!

„Learning by doing“ ist gut, aber es wäre schade, bei gutem Wein Genuss zu verschenken. Mit ein paar Faustregeln haben Sie beim Weingenuss

von Anfang an das Vergnügen auf Ihrer Seite. Sie brauchen nur ...

... die richtige TemperaturDa sich aber kaum jemand die Mühe macht, tatsächlich die Temperatur des Weines zu messen, gilt die Faustregel: Sekt, Weißwein und Roséweine min-destens zwei Stunden vor dem Servie-ren in den Kühlschrank. Lieber etwas zu kühl einschenken, denn im Glas und bei Zimmertemperatur erwär-men sich die Weine sehr schnell. Bei heißen Außentemperaturen auf jeden Fall immer einen Tischkühler benut-zen. Praktisch sind Kühlmanschetten, die zuvor im Gefrierfach lagen. Da-mit können Sie sogar auch einen zu warmen Wein kühlen. Bei Rotwein ist „Zimmertemperatur“ angesagt, al-lerdings auch hier lieber etwas kühler als zu warm.

• kräftigere, gehaltvolle Rotweine: 16° bis 18° Celsius

• junge, fruchtige Rotweine: 14° bis 16° Celsius

• reifere, kräftigere Weißweine: 11° bis 13° Celsius

• Süßweine: 9° bis 11° Celsius

• junge, leichte Weißweine, Rosé: 9° bis 11° Celsius

• Schaum- und Perlwein: 8° bis 10° Celsius

... das richtige Glas Es sollte einen Stiel und einen tulpen-förmigen Kelch haben. Für Rotwei-ne sollte dieser größer und volumi-nöser sein. Es gilt: je dünnwandiger das Glas, desto eleganter und inten-siver das Geschmackserlebnis. Schen-ken Sie das Glas nur bis zur breitesten Stelle ein. So kann sich der Duft im Kelch entfalten und Sie können durch leicht kreisendes Schwenken die Aro-men besser freisetzen. Die Farbe des Weins erkennen Sie am besten, wenn das Glas ganz klar und nicht farbig ist.

... den richtigen Korkenzieher Haben Sie schon mal beim Picknick festgestellt, dass Sie den Korkenzie-her vergessen haben? Den Korken aus der Flasche zu bekommen, kann ei-ne schweißtreibende Arbeit sein, wenn man nicht das richtige Modell ver-wendet. Auch das Schweizer Taschen-messer ist nur bedingt tauglich (am besten noch als Behelf in der oben erwähnten Situation!). Einfach, aber wirkungsvoll sind so genannte Kell-nermesser, die mit Hebelwirkung ar-beiten, oder Modelle, die auf die Fla-sche aufgesetzt werden und den Kor-ken einfach herausdrehen. Gut, dass immer mehr Weine mit einem Dreh-verschluss oder einem Glasstopfen verschlossen sind. Dafür benötigen Sie kein Werkzeug!

... die passende BegleitungHier sind nicht Ihre Freunde ge-meint, obwohl die auch wichtige Ge-nuss-Faktoren sind. Zum Weingenuss gehört ein gutes Wasser, etwa Selters. Auch etwas Brot ist sinnvoll. Und na-türlich das passende Essen. Aber da-für gibt es ein eigenes Kapitel.

... etwas Zubehör je nach Situation Zum Beispiel eine Karaffe zum De-kantieren. Darunter versteht man das Umschütten eines Weines in eine Ka-raffe. Will man einen sehr reifen Rot-wein von seinem Depot (Ablagerung in der Flasche) trennen, muss man dies sehr vorsichtig tun, damit das Depot nicht aufgewühlt wird. Wenn ein Wein Luftkontakt bekommen soll, damit sich seine Aromen bes-ser entwickeln, kann man den Wein auch schnell dekantieren. Nicht jeder Wein muss dekantiert werden, aber es schadet fast nie. Übrigens: Bei Weiß-weinen finden sich manchmal klei-ne Kristalle in der Flasche, die auch ins Glas gelangen können: Weinstein. Sie bedeuten keinen Qualitätsman-gel und beeinflussen den Geschmack nicht. Sie entstehen durch die Verbin-dung von Weinsäure mit Mineralien, die im Wein enthalten sind. Eher ein Zeichen für gute Qualität!

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Deutsche Weine sind wunderbare Tropfen zum Solo-Genießen, ob‘s der „Schoppen“ beim Sommerfest ist oder das gepflegte Glas Rotwein zur winterlichen Kuschelstunde. Sie können aber auch anders. Riesling, Spätburgunder & Co. sind exzellente Begleiter

zu Gerichten der modernen Küchen der Welt.

Unsere Weine passen ausgezeichnet zur asiatischen Küche. Das ist mittlerweile fast eine Binsenweisheit. Asiatische Küche ist allerdings ein weiter Begriff − von der von Kokos-milch geprägten Thai-Küche bis zu den höllenscharfen Gerichten aus der chinesischen Provinz Szechuan, von den klaren Aromen der japanischen zu den milden bis scharfen Currys der indischen Küche ... Aber für jede Spielart findet sich unter den Weinen aus den deutschen Anbaugebieten ein passender Begleiter!

VIELE AROMEN UND SCHÄRFE

Versuchen Sie einmal trockenen Muskateller zu Gerichten mit frischem Ingwer. Oder eine aro-matische Scheurebe zu Curry mit Kokosmilch. Dazu passen übrigens auch gereifte Weine ausgezeichnet. Aber Achtung: Zu scharf sollten die Essenspartner zu kräftigen Weinen nicht sein. Alkohol wirkt auf Schärfe wie ein Verstärker, das kann dann schnell zu heftig werden. Zu schar-fen Gerichten empfehlen sich eher alkoholleichte Weine mit spürbarer Restsüße. Zucker wirkt auf Schärfe

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Deutsche Weine & internationale KücheEine Liebesheirat

besänftigend. Salzbetonte Speisen − dazu zählen auch in Sojasauce getauchte Sushi − mögen Weine mit lebhaftem Süße-Säure-Spiel, zum Beispiel Riesling.

Trockener Kabinett, halbtrockene Spätlese, Trockenbeerenauslese, Eiswein, Winzersekt, alles aus einer Rebsorte, aber viele verschiedene Weine − das lässt sich in Deutsch-land oft schon in einem einzigen Weingut finden. Kein Problem also, die Begleitung eines mehrgängigen Menüs sogar mit nur einer einzigen Rebsorte zu bestreiten, die dann ihr vielfältiges Potenzial zeigen kann. Mancher Gast wird das nicht glau-ben − so unterschiedlich können die Weine ausfallen.

KLEINER AUFWAND, GROSSER GENUSS

Wenn man gar nicht groß aufkochen will, lässt sich schnell eine Genuss-runde herrichten: Drei Käsesorten und zwei bis drei Weine: Das sind sechs bis neun Kombinationen, die jede Menge Gesprächsstoff bieten. Ein milder Weichkäse, ein pikanter Hartkäse, ein Blauschimmelkäse, dazu zum Beispiel ein Riesling und ein Spätburgunder, vielleicht noch eine Trockenbeerenauslese − und natürlich reichlich Brot!

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D E U T S C H E W E I N E & I N T E R N A T I O N A L E K Ü C H E

GEHALT / AROMA DEZENT WÜRZIG

LEICHT TROCKENE KABINETTWEINE VON:

TROCKENE BIS HALBTROCKENE KABINETTWEINE VON:

Weißburgunder • Pochierter Fisch• Hausgeflügel • Blattsalate mit Sauce • Vinaigrette • Kalbsschnitzel

Gewürztraminer • Asiatische Gerichte • Wildgeflügel • Schmorgemüse • Nudelgerichte mit aromatischen Saucen

Elbling Scheurebe

Silvaner Bacchus

Riesling Müller-Thurgau

GEHALT-VOLL

TROCKENE SPÄTLESEN/AUSLESEN VON:

TROCKENE SPÄTLESEN VON:

Silvaner • Fettreicher Süßwasserfisch• Muscheln, Hummer• Spargel mit Sauce Hollandaise• Sahnegeschnetzeltes

Dornfelder • Gans, Ente• Haarwild • Gebratenes vom Rind oder Lamm • Gehaltvoller Käse

Weißburgunder Lemberger

Elbling Spätburgunder

Riesling Grauburgunder

DEUTSCHE WEINE UND SPEISEN

WAS SÜSSES ZUM SCHLUSS

Eine Naschkatzenrunde lässt sich in einer ähnlichen Probe mit Schokolade beglücken. Faustregeln: Säurereiche Weine passen gut zu Schokoladen mit geringerem bis gar keinem Kakaogehalt (z.B. Riesling zu weißer Schokolade). Je höher der Kakaogehalt einer Schokolade, umso gerbstoffreicher darf ein Rotwein sein. Aromatisierte Schokoladen (mit Früchten oder Blüten) sind zusammen mit aromatischen Weinen (Gewürztraminer, Muskateller, Scheurebe) ein echtes Experimentierfeld: Manchmal passt es wunderbar, manchmal überhaupt nicht. Wenn Sie eine Knaller-Kombination entdecken: merken! Ein besserer Menü-Schlusspunkt lässt sich kaum denken.

FAUSTREGEL: Leichte (fettarme) Speisen zu leichten Weinen mit weniger Alkohol, zarte Aromen in den Speisen verlangen nach dezenten, elegan-ten Aromen im Wein. Zu fettreichen, schweren Speisen mit intensiven Würzungen sollten Sie dagegen gehaltvolle, kräftigere Weine mit ausge-prägten Fruchtnoten, Barrique-Ausbau oder in bestimmten Fällen auch Süße stellen. Ausgesprochene Süßweine (Beerenauslesen, Trocken-beerenauslesen, Eisweine) sind köstliche Sonderfälle. Probieren Sie sie bevorzugt zu Desserts oder kräftigem Käse (Blauschimmelkäse). So weit die Theorie! Letztlich entscheidet jedoch Ihr Geschmack!

IMPRESSUM

HERAUSGEBERDeutsches Weininstitut GmbHGutenbergplatz 3-555116 Mainzwww.deutscheweine.de

TEXTREDAKTIONwww.genuesslich.com

GESTALTUNGwww.conceptfrankfurt.de

FOTOS©Deutsches Weininstitut GmbH© S. 41: Gerd Müller, Bensheim

DRUCKDruck- und Verlagshaus Zarbock, Frankfurt am Main

Zweite AuflageOktober 2015

HERAUSGEBER:Deutsches Weininstitut GmbH

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