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Mit Internet-Volltext-Service www.BAU.beck.de der besprochenen Entscheidungen Verlag C.H.Beck München und Frankfurt a. M. ÖffBauR Monatsinformation zum Öffentlichen Baurecht Bauplanungsrecht · Bauordnungsrecht · Nachbarrecht In Zusammenarbeit mit der NVwZ herausgegeben von Rechtsanwalt Dr. Thomas Schröer, LL.M., Frankfurt a.M. B 66617 Nr. 7 • 15. Juli 2005 Inhalt Praxisbeitrag Bauaufsichtsgebührenschneiderei? 73 Bauplanungsrecht VGH Kassel: Festsetzung der Gebietsart 76 OVG Münster: Mobilfunkstation als fernmeldetechnische Nebenanlage 76 OVG Münster: Festsetzung eines Son- dergebiets 77 VGH München: Bezeichnung als „Ziel“ genügt nicht für Zielqualität i.S.d. ROG 78 OVG Hamburg: Adressat einer Nut- zungsuntersagung 79 OVG Bautzen: Keine Zulässigkeit eines Freigängerhauses im Mischgebiet 79 Bauordnungsrecht HessStGH: Kein Bestandsschutz für erneuerte Einfriedung 80 OVG Koblenz: Genehmigungspflicht bei genehmigungsfreiem Teilvorhaben 81 Nachbarrecht OVG Münster: Rücksichtnahmegebot bei gültigem Bebauungsplan 81 OVG Münster: Gebot der Rücksicht- nahme bei Doppelhausbau 82 OVG Münster: Mobilfunkstation im reinen Wohngebiet 83 OVG Münster: Rechtsschutzinteresse für Anordnung aufschiebender Wirkung 84 Redaktionsteam RA Dr. Thomas Schröer, LL.M., FAVerwR RAin Dr. Annette Rosenkötter RA Olaf Dziallas RAin Maja Brand RA Dr. Jakob Steiff, LL.M. Praxisbeitrag Bauaufsichtsgebührenschneiderei? Von Rechtsanwalt Dr. Thomas Schröer, LL.M., FAVerwR I. Einführung Bauen wird immer teurer. Dies gilt freilich nicht für die eigentlichen Baukosten, die statistisch in den letzten Jahren kaum gestiegen sind, sondern vielmehr für die baubehördlichen Gebühren. Diese Entwick- lung hängt damit zusammen, dass viele Bauaufsichtsbehörden ihre Gebührensatzungen überarbeitet haben und hierbei die Gebührensätze durchweg drastisch erhöht worden sind. Dies gilt schon für die eigent- lichen Baugenehmigungsgebühren. Üblicherweise werden hier Wert- gebühren angesetzt, deren Höhe sich nach den Baukosten bemisst. Oftmals wird hierbei indes nicht auf die tatsächlich zu erwartenden Baukosten, sondern auf landesdurchschnittliche Rohbaukosten abge- stellt, die in der Regel von den jeweiligen Ministerien allgemein be- kannt gemacht werden. Friktionen treten dann auf, wenn ein Bauherr es schafft, diese durchschnittlichen Rohbaukosten erheblich zu unter- schreiten, was in der Praxis von vielen Bauherren gegenüber behörd- lichen Gebührenbescheiden eingewendet wird. Besteht in diesen Fäl- len ein Anspruch auf Gebührenermäßigung? Gerade bei größeren Bauvorhaben, bei denen nach diesem Automa- tismus entsprechend hohe Genehmigungsgebühren anfallen, wird überdies oftmals eingewandt, der bei der Genehmigungsbehörde an- gefallene Arbeits- und Zeitaufwand stehe in keinem Verhältnis zur Höhe der Gebühr. Dem wird von Seiten der Behörden üblicherweise entgegengehalten, dass dem Bauherren auf Grund der Baugenehmi- gung ein erheblicher wirtschaftlicher Wert zugute gekommen sei, der auch Gebührensätze rechtfertige, die über den tatsächlichen Aufwand der Behörde hinausgehen. Letztlich wirft dies die Frage der Äquiva- lenz zwischen der erhobenen Gebühr und dem durch die hoheitliche Leistung bewirkten Vorteil für den Bauherrn auf. Besonders konfliktträchtig ist in diesem Zusammenhang die Höhe von Befreiungsgebühren. Oftmals bedarf es in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung – Grundflächenzahl, Geschossflächenzahl, Höhe und Lage baulicher Anlagen – der Erteilung von Befreiungen, um ein Neubauvorhaben gerade bei Existenz älterer Bebauungspläne geneh- migungsfähig zu machen. Da auf die Erteilung solcher Befreiungen regelmäßig kein Anspruch besteht, ist der Bauherr insoweit auf das

OeffBauR Heft 7 2005 - beck.de–ffBauR/OeB_07_2005.pdf · 74 ÖffBauR Heft 7, 2005 Wohlwollen der Genehmigungsbehörden angewiesen, die dann im Gegenzug hierfür eine entsprechend

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Mit Internet-Volltext-Service www.BAU.beck.de der besprochenen Entscheidungen

Verlag C.H.Beck München und Frankfurt a.M.

ÖffBauRMonatsinformation zum Öffentlichen Baurecht

Bauplanungsrecht · Bauordnungsrecht · NachbarrechtIn Zusammenarbeit mit der NVwZ herausgegeben von Rechtsanwalt Dr. Thomas Schröer, LL.M., Frankfurt a.M.

B 66617

Nr. 7 • 15. Juli 2005

Inhalt

Praxisbeitrag

Bauaufsichtsgebührenschneiderei? 73

Bauplanungsrecht

VGH Kassel: Festsetzung der Gebietsart 76OVG Münster: Mobilfunkstation alsfernmeldetechnische Nebenanlage 76OVG Münster: Festsetzung eines Son-dergebiets 77VGH München: Bezeichnung als „Ziel“genügt nicht für Zielqualität i.S.d. ROG 78OVG Hamburg: Adressat einer Nut-zungsuntersagung 79OVG Bautzen: Keine Zulässigkeit einesFreigängerhauses im Mischgebiet 79

Bauordnungsrecht

HessStGH: Kein Bestandsschutz fürerneuerte Einfriedung 80OVG Koblenz: Genehmigungspflichtbei genehmigungsfreiem Teilvorhaben 81

Nachbarrecht

OVG Münster: Rücksichtnahmegebotbei gültigem Bebauungsplan 81OVG Münster: Gebot der Rücksicht-nahme bei Doppelhausbau 82OVG Münster: Mobilfunkstation imreinen Wohngebiet 83OVG Münster: Rechtsschutzinteressefür Anordnung aufschiebender Wirkung 84

Redaktionsteam

RA Dr. Thomas Schröer, LL.M., FAVerwRRAin Dr. Annette RosenkötterRA Olaf DziallasRAin Maja BrandRA Dr. Jakob Steiff, LL.M.

Praxisbeitrag

Bauaufsichtsgebührenschneiderei?Von Rechtsanwalt Dr. Thomas Schröer, LL.M., FAVerwR

I. Einführung

Bauen wird immer teurer. Dies gilt freilich nicht für die eigentlichenBaukosten, die statistisch in den letzten Jahren kaum gestiegen sind,sondern vielmehr für die baubehördlichen Gebühren. Diese Entwick-lung hängt damit zusammen, dass viele Bauaufsichtsbehörden ihreGebührensatzungen überarbeitet haben und hierbei die Gebührensätzedurchweg drastisch erhöht worden sind. Dies gilt schon für die eigent-lichen Baugenehmigungsgebühren. Üblicherweise werden hier Wert-gebühren angesetzt, deren Höhe sich nach den Baukosten bemisst.Oftmals wird hierbei indes nicht auf die tatsächlich zu erwartendenBaukosten, sondern auf landesdurchschnittliche Rohbaukosten abge-stellt, die in der Regel von den jeweiligen Ministerien allgemein be-kannt gemacht werden. Friktionen treten dann auf, wenn ein Bauherres schafft, diese durchschnittlichen Rohbaukosten erheblich zu unter-schreiten, was in der Praxis von vielen Bauherren gegenüber behörd-lichen Gebührenbescheiden eingewendet wird. Besteht in diesen Fäl-len ein Anspruch auf Gebührenermäßigung?

Gerade bei größeren Bauvorhaben, bei denen nach diesem Automa-tismus entsprechend hohe Genehmigungsgebühren anfallen, wirdüberdies oftmals eingewandt, der bei der Genehmigungsbehörde an-gefallene Arbeits- und Zeitaufwand stehe in keinem Verhältnis zurHöhe der Gebühr. Dem wird von Seiten der Behörden üblicherweiseentgegengehalten, dass dem Bauherren auf Grund der Baugenehmi-gung ein erheblicher wirtschaftlicher Wert zugute gekommen sei, derauch Gebührensätze rechtfertige, die über den tatsächlichen Aufwandder Behörde hinausgehen. Letztlich wirft dies die Frage der Äquiva-lenz zwischen der erhobenen Gebühr und dem durch die hoheitlicheLeistung bewirkten Vorteil für den Bauherrn auf.

Besonders konfliktträchtig ist in diesem Zusammenhang die Höhevon Befreiungsgebühren. Oftmals bedarf es in Bezug auf das Maß derbaulichen Nutzung – Grundflächenzahl, Geschossflächenzahl, Höheund Lage baulicher Anlagen – der Erteilung von Befreiungen, um einNeubauvorhaben gerade bei Existenz älterer Bebauungspläne geneh-migungsfähig zu machen. Da auf die Erteilung solcher Befreiungenregelmäßig kein Anspruch besteht, ist der Bauherr insoweit auf das

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Wohlwollen der Genehmigungsbehörden angewiesen,die dann im Gegenzug hierfür eine entsprechend hoheBefreiungsgebühr erheben. Faktisch kann dies in kras-sen Fällen auf die Abschöpfung einer Bodenwertsteige-rung hinauslaufen, die mit der Erteilung solcher Befrei-ungen verbunden ist. Damit wäre der vom Gesetzgeberimmer abgelehnte Planungswertausgleich im „Gewand“der Erhebung von Befreiungsgebühren eingeführt. Mussein Bauherr dies klaglos hinnehmen?

Der nachfolgende Beitrag stellt dar, wie die Verwal-tungsgerichtsbarkeit mit diesen und anderen typischenFragestellungen zur Rechtmäßigkeit bauaufsichtlicherGebührenforderungen umgeht. Es wird versucht, diewesentlichen Grundsätze im unübersichtlichen Dickichtdes Gebührenrechts herauszuarbeiten, um auf dieseWeise eine praktische Orientierungshilfe im Umgangmit solchen Bescheiden zu geben.

II. Bemessung von Baugenehmigungsgebühren

Das Bundesverwaltungsgericht hat schon vor einigerZeit klargestellt, dass die Grenzen des Bestimmtheitsge-bots im Gebührenrecht nicht überschritten sind, wenndas Landesrecht Baugenehmigungsgebühren nach dentatsächlichen oder landesdurchschnittlichen Rohbauko-sten bemisst (BVerwG, NVwZ-RR 1999, 191). Demliegt die Auffassung zu Grunde, dass es sich hierbei umeine zulässige Pauschalierung handelt, die auch im Hin-blick auf den in Art. 3 I GG enthaltenen Gleichheitssatzden Grundsätzen der so genannten Typengerechtigkeitgenügt. Hieran ändert sich selbst dann nichts, wenn imEinzelfall feststeht, dass die tatsächlichen Rohbaukostenerheblich niedriger liegen als der pauschalierte Roh-bauwert (BVerwG, NVwZ 2000, 1302).

Nach der Rechtsprechung des VGH Kassel kann indesaus Billigkeitsgründen dann eine andere Entscheidunggerechtfertigt sein, wenn die tatsächlich im Einzelfallentstandenen Rohbaukosten den Landesdurchschnitt ummindestens die Hälfte unterschreiten. Bei derart gravie-renden Abweichungen kommt eine Ermäßigung der Ge-bühren aus Billigkeitsgründen in Betracht. Stellt der be-troffene Bauherr einen Antrag auf (teilweisen) Erlassder festgesetzten Baugenehmigungsgebühr hat die Be-hörde innerhalb der dann zu treffenden Ermessensent-scheidung darüber zu befinden, ob der Grad der Abwei-chung überhaupt eine Ermäßigung geboten erscheinenlässt und ggf. in welchem Umfang diese vorzunehmenist (NVwZ-RR 1997, 438).

Gelangt die Behörde hierbei zur Auffassung, dass in derTat eine Gebührenermäßigung dem Grunde nach ange-zeigt ist, hat dies indes keineswegs automatisch eineZugrundelegung der tatsächlich entstandenen Rohbau-kosten zur Folge. Vielmehr erfordert das Prinzip derGebührengerechtigkeit in solchen Fällen, dass der Gradder Abweichung und der Grad der Ermäßigung in einemangemessenen Verhältnis zueinander stehen. Konkretbedeutet dies, dass die Behörde einen angemessenenMittelwert zu bilden hat, der etwa darin bestehen kann,dass im Falle der 50 %igen Unterschreitung der durch-

schnittlichen Rohbaukosten ein 25 %iger Gebührener-lass erfolgt. In jedem Fall sind hierbei die konkretenUmstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

III. Äquivalenzprinzip

Das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip ist Ausflussdes verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots.Es besagt, dass die Gebühr im Zeitpunkt des Entstehensder Gebührenpflicht nicht in einem Missverhältnis zudem von der Verwaltung erbrachten Vorteil stehen darf.Das subjektiven Rechtsschutz vermittelnde Äquivalenz-prinzip ist indes erst dann verletzt, wenn eine grobeStörung des Ausgleichsverhältnisses zwischen der erho-benen Gebühr und dem durch die hoheitliche Leistungerbrachten Vorteil besteht (BVerwG, NVwZ 1986, 438[448]). Grundsätzlich ist anerkannt, dass das Äquiva-lenzprinzip auch für die Bemessung bauaufsichtlicherGebühren gilt (VGH Kassel, NVwZ-RR 1995, 109[110]).

In Bezug auf die Höhe bauaufsichtlicher Gebühren– beispielhaft ist insoweit die Baugenehmigungsgebühroder auch eine Befreiungsgebühr zu nennen – ist regel-mäßig umstritten, was genau Gegenstand der „behördli-chen Leistung“ ist. Teilweise wird hierzu die Auffas-sung vertreten, die behördliche Leistung bestehe ledig-lich in den Amtstätigkeiten, die üblicherweise mit derBearbeitung und positiven Bescheidung eines Antragsverbunden sind. Stellt man den hierfür in der Verwal-tung anfallenden Zeitaufwand zusammen und multipli-ziert ihn mit den „Stundensätzen“, die üblicherweise inden Verwaltungskostenordnungen der Bundesländer fürVerwaltungsbeamte vorgegeben sind, wird man regel-mäßig zu relativ geringen Baugenehmigungsgebührengelangen.

Zur Illustration ist darauf hinzuweisen, dass die in Hes-sen gültige Allgemeine Verwaltungskostenordnung fürBeamte des gehobenen Dienstes und vergleichbareAngestellte einen Stundensatz von 60 ������������� Eine Baugenehmigungsgebühr in Höhe von 1000 �würde damit eine knapp 17stündige Bearbeitungszeiterfordern. Nach anderer Auffassung kommt es indeskeineswegs allein auf den behördlichen Aufwand an, dermit der Erteilung eines baubehördlichen Bescheidesverbunden ist. Vielmehr ist danach bei der Bemessungder Gebühr auch der wirtschaftliche Wert zu berück-sichtigen, der mit einer Baugenehmigung bzw. einemBefreiungsbescheid notwendigerweise einhergeht. In derneueren Rechtsprechung werden erstaunlicherweise bei-de Auffassungen vertreten.

Das VG Berlin hat im Beschluss vom 13. 2. 2004 – VG19 A 204.03 – entschieden, dass eine Befreiungsgebührrechtswidrig ist, die sich nicht nur nach dem Verwal-tungsaufwand richtet, sondern auch die wirtschaftlichenVorteile des Bauherrn berücksichtigt und damit die Er-zielung von Finanzmitteln für die öffentliche Hand be-wirkt. Im zugrunde liegenden Fall hatte das Bezirksamtim Wege von Befreiungen eine GRZ von 0,79 – im Be-bauungsplan festgesetzt war eine GRZ von 0,3 – und

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eine GFZ von 6,17 – festgesetzt war der Faktor 1,5 –zugelassen. Für die Befreiung hinsichtlich der GRZhatte die Behörde eine Gebühr in Höhe von ca. 29 000 �und für die Befreiung hinsichtlich der GFZ in Höhe vonknapp 106 000 �� ����� � ���� ���������������� ���dies im Ergebnis deswegen beanstandet, weil ein grobesMissverhältnis zwischen Gebührenhöhe und den Kostendes zugrunde liegenden Verwaltungsaufwandes, die le-diglich bei ca. 5 000 �� ���� ������� ������ � ��t-scheidend war hierbei auch, dass sich nach Auffassungdes Gerichts dem einschlägigen Berliner Gebührenrechtkein Hinweis entnehmen ließ, demzufolge der Gesetz-geber auch den Gebührenzweck der Vorteilsabschöp-fung verfolgen wollte. Demgegenüber befand das OVGMünster im Beschluss vom 9. 6. 2004 – 9 A 161/02 (be-sprochen in: ÖffBauR 2004, 9 f.), dass gegen die Ausge-staltung von Gebühren für die Bauüberwachung undBauzustandsbesichtigung als Wertgebühren auf Basisder Rohbausumme keine grundsätzlichen Bedenken be-stehen würden. Ausdrücklich rechtfertigte das Gerichtdiesen Leitsatz damit, dass den besagten Amtshandlun-gen ein wirtschaftlicher Wert für den Bauherrn zukom-me, der regelmäßig mit steigender Größe oder steigen-dem Wert des Vorhabens anwachse. In diesem Fall ginges um Gebühren in Höhe von insgesamt 715 000 DM fürbehördliche Überwachungsmaßnahmen mit einer Ge-samtdauer von ca. 3 Stunden. Trotz dieses sehr geringenVerwaltungsaufwandes hat das Gericht die Höhe derGebühr nicht beanstandet, weil sowohl die behördlichenBauüberwachungen als auch die amtliche Schlussab-nahme mit erheblichen wirtschaftlichen Vorteilen fürden Bauherrn verbunden gewesen sei, der ein Groß-parkhaus mit 5 850 Stellplätzen errichtet hatte.

IV. Praktische Hinweise

Für den Bauherrn, der einen bauaufsichtlichen Gebüh-renbescheid erhalten hat, stellt sich die Frage, ob es sichlohnt, dagegen rechtlich vorzugehen. Trotz der auf denersten Blick wenig einheitlichen und klaren Rechtspre-chung, gibt es gewisse Leitlinien, die bei der Klärungdieser Frage hilfreich sind. Im ersten Schritt sollte ge-prüft werden, ob sich den jeweils einschlägigen gebüh-renrechtlichen Bestimmungen Hinweise dazu entneh-men lassen, ob der Gesetzgeber als Gebührenzweck zu-mindest auch die Abschöpfung wirtschaftlicher Vorteilebei dem begünstigten Bauherren beabsichtigt hat. Bau-aufsichtliches Gebührenrecht ist Landesrecht, weswegendiese Frage für jedes Bundesland gesondert zu prüfenist. Zumindest die neueren Gebührengesetze der Bun-desländer enthalten indes regelmäßig Hinweise auf dieZulässigkeit solcher Wertgebühren, so dass dieses Ar-gument in der Praxis eher selten zum Erfolg führendürfte.

Bestehen gegen die Abschöpfung wirtschaftlicher Vor-teile keine grundsätzlichen Bedenken, muss in einerzweiten Stufe geprüft werden, ob die jeweilige Amts-handlung denn tatsächlich mit einem wirtschaftlichenMehrwert für den Gebührenpflichtigen verbunden ist.Dies gilt sicherlich für den Bauherrn, der eine Bauge-nehmigung, einen Befreiungsbescheid oder eine amtli-

che Schlussabnahme erhalten hat. Auf der anderen Seiteist klar, dass belastende Bauordnungsverfügungen, wieetwa die Anordnung eines Baustopps, einer Nutzungs-untersagung oder gar eines Abrisses ganz sicherlichnicht mit einem Vorteil für den Betroffenen verbundensind. In diesen Fällen der Eingriffsverwaltung darf dieGebührenhöhe folglich auch nur nach dem jeweiligenVerwaltungsaufwand berechnet werden. Ist die Erhe-bung einer Wertgebühr nach Landesrecht dem Grundenach zulässig und hat der Bauherr – etwa in der Gestalteiner Baugenehmigung – von der Behörde tatsächlicheinen Vorteil erlangt, muss in einer dritten Stufe dieHöhe der festgesetzten Gebühr auf die Vereinbarkeit mitdem Äquivalenzprinzip überprüft werden. Wichtig ist,dass sich dieses Prinzip an den Gesetz- und Verord-nungsgeber wendet und diesem verbietet, materiellesGebührenrecht zu erlassen, das zu Gebührensätzenführt, die in einem groben Missverhältnis zum Wert derdamit abgegoltenen Leistung der öffentlichen Handsteht. Allerdings haben die Gerichte dem Gesetz- undVerordnungsgeber einen weiten Entscheidungs- und Ge-staltungsspielraum zugebilligt. Dies hat zur Folge, dassunter Berufung auf das Äquivalenzprinzip lediglichFälle besonders krasser Gebührenüberhöhung mit Aus-sicht auf Erfolg abgewehrt werden können. Das Äqui-valenzprinzip verbietet somit lediglich die Festsetzungeiner Gebühr völlig unabhängig von den Kosten der ge-bührenpflichtigen Leistung. Die Höhe der Gebühr darfsich also nicht völlig von den Kosten der gebühren-pflichtigen Leistung entfernen. Ob diese Voraussetzunggegeben ist, beurteilt sich nach den jeweiligen Umstän-den des Einzelfalles. Unter Berufung auf das Äquiva-lenzprinzip von der Rechtsprechung beanstandet wordenist ein Gebührenbescheid, der die tatsächlichen Kostendes Verwaltungsaufwandes um etwa das 4444-facheüberschritten hatte (BVerwG, NVwZ 2003, 1385). Auchwenn dieser Fall das Telekommunikationsgesetz betraf,können die dort aufgestellten Grundsätze durchaus aufdas Bauordnungsrecht übertragen werden.

V. Fazit

Die angespannte Haushaltslage der öffentlichen Handhat sich in den letzten Jahren auch auf die Höhe baube-hördlicher Gebühren ausgewirkt, die durchweg drastischangehoben worden sind. Zur Rechtfertigung dieser Ent-wicklung beruft sich die Verwaltung regelmäßig auf dieerheblichen wirtschaftlichen Vorteile, die etwa mit derErteilung einer Baugenehmigung oder eines Befrei-ungsbescheides verbunden sind. Stützt das jeweiligeGebührenrecht der Bundesländer die Zulässigkeit einersolchen „Vorteilsabschöpfung“, verbleibt dem Betroffe-nen regelmäßig nur noch eine Berufung auf das Äqui-valenzprinzip, um begründet gegen einen Gebührenbe-scheid vorzugehen. Dies hat in der Praxis indes nur dannAussicht auf Erfolg, wenn gesagt werden kann, dasssich die Gebührenhöhe unter Berücksichtigung allerUmstände des Einzelfalles völlig von den Kosten desVerwaltungsaufwandes gelöst hat. Der von den Gerich-ten hierbei angelegte Maßstab ist streng, weswegen dieBerufung auf das Äquivalenzprinzip nur in Fällen ex-tremer Gebührenüberhöhungen Erfolg haben wird. �

76 ÖffBauR Heft 7, 2005

Bauplanungsrecht

Festsetzung der GebietsartDie Gemeinde kann ein Dorfgebiet festsetzen mit demZiel, eine schleichende Umwandlung in ein Wohnge-biet zu verhindern. Dazu müssen jedoch im Planbe-reich noch landwirtschaftliche Nebenerwerbsbetriebevorhanden sein.

Die Antragsteller wenden sich im Wege der Normen-kontrolle gegen den Bebauungsplan Nr. 3.06, der alsFestsetzung der Art der baulichen Nutzung für ihr imPlangebiet liegendes Grundstück „Dorfgebiet“ (MD)ausweist. In dem Plangebiet sind noch landwirtschaftli-che und gewerbliche Betriebe vorhanden, jedoch nimmtdie Wohnnutzung erheblich zu. Der Beigeladene betreibteine Metzgerei mit einer Schlachtzahl von ca. 3,5 t Le-bendgewicht pro Tag an drei Tagen in der Woche. DieAntragsteller sind der Ansicht, der Charakter einesDorfgebiets könne nicht mehr erreicht werden, da dieWohnnutzung nachrücke, während gleichzeitig dielandwirtschaftlichen Betriebe zurückgingen. Der Betriebdes Beigeladenen sei im Übrigen in einem Dorfgebietnicht zulässig.

Der Bebauungsplan genügt den Anforderung des Gebotsder Erforderlichkeit nach § 1 III BauGB. Danach habendie Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobaldund soweit es für die städtebauliche Entwicklung erfor-derlich ist. An dieser Erforderlichkeit fehlt es nur dann,wenn die Bauleitplanung von keiner erkennbaren Kon-zeption getragen ist. Die Gemeinde kann eine eigene„Städtebaupolitik“ betreiben, so dass die Voraussetzun-gen an die Erforderlichkeit dann erfüllt sind, wenn derBebauungsplan nach der städtebaulichen Konzeptionder Gemeinde vernünftigerweise geboten ist. Vorliegendergibt sich aus der Begründung zum Bebauungsplan,dass sich die Entwicklung in dem Plangebiet zu einemreinen Wohnstandort vollzieht. Eine solche Entwicklungwerde nach den Ausführungen in der Planbegründungvon der Gemeinde und dem Ortsbeirat nicht als sinn-volle Entwicklung angesehen. Ziel solle danach sein, dieursprüngliche Identität des Ortskerns zu bewahren undweiterzuentwickeln. Dieser sei geprägt durch eineFunktions- und Nutzungsmischung sowie einer Vielfaltdörflicher Lebensformen, die durch die Festsetzung alsDorfgebiet gesichert werden sollen.

Die Festsetzung mangelt auch nicht deshalb an der Er-forderlichkeit, weil sie von vorneherein funktionslosgeworden ist. Nach ständiger Rechtsprechung der Ober-verwaltungsgerichte setzt die Ausweisung eines Dorf-gebiets nach § 5 BauNVO das Vorhandensein von Wirt-schaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebevoraus. Fehlen diese oder können sie auch nicht in ab-sehbarer Zeit angesiedelt werden, ist die Ausweisung alsDorfgebiet unwirksam. Nach der Rechtsprechung desBVerwG (NVwZ 2001, 1055) tritt Funktionslosigkeitein, wenn, soweit Wirtschaftsstellen land- und forstwirt-

schaftlicher Betriebe im MD-Gebiet nicht mehr vorhan-den sind, nicht die ernsthafte Möglichkeit der Errichtungsolcher Betriebe in absehbarer Zeit besteht. Vorliegendbestehen noch landwirtschaftliche Wirtschaftsstellen.Hinzu kommt, dass noch eine Reihe ehemaliger Hof-stellen zur Wiederaufnahme von Landwirtschaft im Ne-benerwerb geeignet sind.

Der Bebauungsplan leidet auch nicht an einem Abwä-gungsfehler. Die Abwägung orientiert sich an den Vor-gaben des § 5 I BauGB mit dem Ziel der Erhaltung bzw.Wiederbelebung dörflicher Strukturen. Die Gemeindehat auch das Gebäudepotential berücksichtigt, welchesgerade für eine dörfliche Nutzung konzipiert sei und inkeiner anderen Baugebietsart so je wieder entstehenkönne. Insbesondere ist auch der Betrieb des Beigelade-nen in einem Dorfgebiet zulässig. Handwerksmäßigliegt er unterhalb der Schwelle der immissionsschutz-rechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit, die bei 4 t Le-bendgewicht pro Tag liegt.

Praxishinweis: Die vorliegende Rechtsprechung lässtsich auch auf andere Festsetzungen zur Art der bauli-chen Nutzung übertragen. Generell gilt, dass eine Fest-setzung nur dann im Sinne des § 1 III BauGB erforder-lich ist, wenn tatsächlich die Möglichkeit besteht, dasssich ein Gebiet entsprechend der Festsetzung wird ent-wickeln können. Bei der Überplanung vorhandenerStrukturen ist darauf besonderes Augenmerk zu legen.

VGH Kassel, Urteil vom 15.2.2005 – 3 N 1095/03Volltext-Service www.bau.beck.de: becklink 152009 �

Mobilfunkstation als fernmelde-technische NebenanlageEine Mobilfunkbasisstation für das im Aufbau befind-liche UMTS-Netz ist regelmäßig als fernmeldetechni-sche Nebenanlage i. S. von § 14 II 2 BauNVO anzuse-hen.

Das OVG entscheidet – ebenso wie in der Parallelent-scheidung in diesem Heft – im Rahmen eines einstwei-ligen Rechtsschutzverfahrens über die Zulässigkeit einerMobilfunkanlage. Die streitgegenständliche und im We-ge einer Befreiung genehmigte Mobilfunkanlage ist alsBasisstation (Node B) für das im Aufbau befindlicheUMTS-Netz geplant. In diesem Netz ist jede Basissta-tion der Kern einer Mobilfunkzelle, wobei innerhalb derReichweite der Antenne der Basisstation Kontakt desNutzers zum Mobilfunknetz besteht. Dabei sind alleMobilfunknetze – im Gegensatz zur Festnetztelefonie –dadurch charakterisiert, dass durch die kabellose Ver-bindung zum nächstgelegenen Antennenstandort dieMöglichkeit besteht, sich frei und ohne Unterbrechungder Verbindung bewegen zu können.

Die streitgegenständliche Basisstation hat eine Reich-weite von ca. 2 Km. Entscheidend ist, dass eine einzelne

Heft 7, 2005 ÖffBauR 77

Basisstation kein unverzichtbarer Bestandteil des Mobil-funknetzes ist. Ohne die anderen Basisstationen hat siekeine eigenständige Funktion, ihr kommt lediglich eineHilfsfunktion zu. Diese Voraussetzungen genügen nachAnsicht des Gerichts, eine derartige Anlage als fernmel-detechnische Nebenanlage i. S. des § 14 II BauNVOeinzustufen. Denn eine solche Anlage liege vor, wenndie in Rede stehende Anlage bezogen auf das gesamteinfrastrukturelle Versorgungsnetz eine untergeordneteFunktion hat, mithin von ihrer Funktion und Bedeutungnicht so gewichtig ist, dass sie als eigenständige Haupt-nutzung anzusehen ist. Eine solche Funktion kommt derstreitgegenständlichen Anlage unzweifelhaft zu.

Im Gegensatz dazu komme es aber auf die Dimensioneiner solchen Anlage nur untergeordnet an. Auch wennder Verordnungsgeber ausdrücklich nur Baukörper wie„Kabinen für Fernsehumsetzer und Breitbandvertei-lungsanlagen sowie kleinere eingeschossige Fernmelde-gebäude“ genannt habe (amtl. Begründung zur Novellie-rung der BauNVO in BR-Dr. 354/89, 57), so könnehieraus nicht der Schluss gezogen werden, die Eigen-schaft einer Anlage hänge auch davon ab, welche Di-mension diese Anlage im Verhältnis zu der in ihrer Um-gebung konkret vorhandenen sonstigen baugebietskon-formen Bebauung mit Hauptnutzungen hat. Vielmehrkomme es auf die Dimension einer solchen Anlage nurdann an, wenn sie sich durch ein außergewöhnlichesErscheinungsbild auszeichne Das Gericht nennt hierunter Bezugnahme auf den VGH München (BRS 59Nr. 181) als Negativbeispiel eine 50 m hohe Sendefunk-anlage.

Als fernmeldetechnische Anlage sei das Vorhaben aberim Wege einer Ausnahme oder Befreiung genehmi-gungsfähig, wobei auch die verfassungsrechtlichen Vor-gaben des Art. 87 f I GG zu beachten seien, nach demder Bund nach Maßgabe eines zustimmungspflichtigenBundesgesetzes im Bereich des Postwesens und der Te-lekommunikation flächendeckend angemessene undausreichende Dienstleistungen gewährleistet. Gleich-wohl seien selbstverständlich neben städtebaulichenAspekten auch stets Gesichtspunkte des Nachbarschut-zes zu berücksichtigen. Im zu entscheidenden Fall sahdas Gericht jedoch keine dringlichen nachbarlichenRechte verletzt.

Praxishinweis: Vgl. zur nachbarrechtlichen Thematikvon Mobilfunkanlagen die Entscheidung des OVGMünster in diesem Heft, wobei der dortige Praxishin-weis auch hier gilt: Mit der – in der obigen Entschei-dung bestätigten – Privilegierung solcher Anlagen in§ 14 II BauNVO und der verfassungsrechtlichen Absi-cherung der Gewährleistung von Telekommunikations-dienstleistungen in Art. 87 f I GG werden diese Anlagenin allen Baugebieten weitgehend geduldet werden müs-sen, sofern nicht in offensichtlicher Weise Nachbar-rechte verletzt werden.

OVG Münster, Beschluss vom 6.5.2005 – 7 B 2752/04Volltext-Service www.bau.beck.de: becklink 152010 �

Festsetzung eines SondergebietsDie Festsetzung eines Sondergebietes für „Großflächi-ger Einzelhandel (Bau- und Heimwerkermarkt mitGartencenter/Baustoffhandel)“ duldet keine weitereFestsetzung, wonach Gewerbebetriebe aller Art gem.§ 8 II BauNVO bis zu einer Bruttogeschossfläche von3000 qm zulässig sein sollen. Die Festsetzung eineröffentlichen Verkehrsfläche auf einem Privatgrund-stück ist dann nicht zulässig, wenn ein gleichwertigesVerkehrskonzept zur Verfügung steht, das ohne einensolchen Eingriff auskommt.

Die Antragsteller sind Eigentümer eines Grundstücks,das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt undals „Sondergebiet Großflächiger Einzelhandel/Bau-stoff-handel“ ausgewiesen ist. Das Grundstück wurde in we-sentlichen Teilen als öffentliche Verkehrsfläche über-plant. Die Antragsteller wenden sich im Wege der Nor-menkontrolle erfolgreich gegen die Überplanung alsVerkehrsfläche.

Neben der Festsetzung als „Sondergebiet Einzelhandel/Baustoffhandel“ ist in den textlichen Festsetzungen be-stimmt, dass Gewerbebetriebe aller Art und Lagerhäusergem. § 8 II Nr. 1 BauNVO bis zu einer Bruttogeschoss-fläche von maximal 3000 qm ausnahmsweise zugelas-sen werden können. Nach § 11 I BauNVO kann derPlangeber einen Ausschnitt der für die typischen Bau-gebiete zulässigen Nutzungsarten zum alleinigen Ge-genstand eines Sondergebiets machen, wenn dieser Aus-schnitt gerade nicht dem generellen Gebietscharakterder Baugebietstypen entspricht. Dies ist vorliegend zu-nächst durch die Festsetzung Sondergebiet geschehen.Allerdings verliert diese Festsetzung durch die Zulas-sung von „Gewerbebetrieben aller Art“ und von beliebi-gen Zwecken dienenden „Lagerhäusern“ den Charakterihrer Zweckbestimmung. Die von dem Plangeber getrof-fene textliche Festsetzung ist daher unzulässig.

Der Senat hat auch die Abwägung für die Festsetzungder öffentlichen Verkehrsfläche auf wesentlichen Teilendes Grundstücks der Antragsteller als fehlerhaft angese-hen. Grundsätzlich ist im Rahmen der planerischen Ab-wägung das private Interesse am Erhalt bestehenderbaulicher Nutzungsrechte mit dem öffentlichen Interessean der gewollten städtebaulichen Neuordnung des Plan-gebiets abzuwägen. Nach der Rechtsprechung desBVerfG (NVwZ 2003, 727) entspricht eine Festsetzung,die als Folge des gewählten Standortes die Nutzbarkeitnur bestimmter Grundstücke empfindlich beschneidet,den Anforderungen einer gerechten Abwägung nurdann, wenn für die Festsetzung gerade an dieser Stelleeinleuchtende Gründe bestehen, etwa wenn die natürli-chen Geländeverhältnisse die planerische Lösung mehroder minder vorzeichnen.

Vorliegend hat der Plangeber eine verkehrstechnischeUntersuchung erstellen lassen, die drei gleichwertigeVarianten aufzeigt. Die Varianten bestehen jeweils fürden Fall, dass eine bestimmte, bereits bestehende Straße

78 ÖffBauR Heft 7, 2005

durch die zu erwartenden betrieblichen Veränderungenüberlastet sein wird. Welche Wahrscheinlichkeit für einesolche Überlastung der vorhandenen Straße innerhalbdes maßgeblichen Zeitraums von 10 Jahren spricht,wurde weder durch die verkehrstechnische Untersu-chung noch durch den Plangeber ermittelt. Der Plan-geber hat sich für die einzige Variante entschieden, diedie Inanspruchnahme privaten Eigentums erfordert,ohne dies jedoch ausreichend begründet zu haben. Ausder Planbegründung sind keine gewichtigen Gründeersichtlich, weshalb der gewählten Variante der Vorzuggegeben wurde. Nach den Ausführungen des Senatsrechtfertigt das Interesse an einer derartige Bevorratungvon Straßenland den Eingriff in privates Eigentum je-denfalls dann nicht, wenn – wie hier – gleichwertigeVerkehrskonzepte zur Verfügung stehen, die ohne einensolchen Eingriff auskommen.

Praxishinweis: Der Plangeber muss sich entscheiden,ob er tatsächlich ein „Sondergebiet“ festsetzen will odernur eine „abgespeckte“ Form eines anderen, in derBauNVO enthaltenen Baugebiets. Hintergrund der vor-liegend getroffenen Festsetzung war, dass bestehendeGewerbegebiete vorhanden waren, diese überplant wer-den sollten und das Brachliegen von Grundstücken beifehlender Nachfrage für großflächigen Einzelhandelverhindert werden sollte. Dieses Ziel war jedenfalls mitder gewählten Festsetzung nicht zu erreichen. Die Los-lösung von der BauNVO kann nur durch einen vor-habenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 BauGB er-reicht werden. In einem solchen Fall müsste jedoch daskonkrete Vorhaben bereits bei der Planung feststehen, daansonsten der erforderliche Durchführungsvertrag nichtabgeschlossen werden kann. Der Senat stellt auch klar,dass bei der Inanspruchnahme von privaten Grundstük-ken durch eine Planung äußerst sorgfältig die für dieInanspruchnahme sprechenden Punkte herausgearbeitetund abgewogen werden müssen.

OVG Münster, Urteil vom 10.12.2004 – 10a D 133/02Volltext-Service www.bau.beck.de: becklink 152011 �

Bezeichnung als „Ziel“ genügt nichtfür Zielqualität i. S. des ROGDie Bezeichnung als „Ziel“ in einem Landesentwick-lungsplan ist für sich genommen noch nicht ausrei-chend, einer Planvorgabe verbindliche Zielqualitäti. S. der §§ 3 Nr. 2, 4 I ROG zuzuerkennen; entschei-dend ist ihr materieller Gehalt. Gemeinden sind alsBehörden gemäß § 47 II VwGO nur antragsbefugt,soweit sie in ihrer Selbstverwaltungsfreiheit betroffenoder im Rahmen des Gesetzesvollzugs mit der ange-griffenen Vorschrift befasst sind.

Gegenstand des Normenkontrollantrags zweier Gemein-den ist die Feststellung der Nichtigkeit einer Bestim-mung in dem Landesentwicklungsprogramm Bayern

(LEP). Die als „Ziel B I 1.6.6“ bezeichnete Planvorgabelautet: „Bei ausreichender Luftverkehrsnachfrage füreinen regionalen Verkehrsflughafen im Allgäu sollen aufdem als Schwerpunkt infrage kommenden Flugplatz(Nachfolgenutzung des Militärflugplatzes Memminger-berg) Einrichtungen … zur Abwicklung des gewerbli-chen Luftverkehrs, insbesondere eines Linien- undCharterluftverkehrs, vorgehalten werden.“ Die antrag-stellenden Gemeinden, auf deren Gemeindegebiet derMilitärflugplatz liegt, begehren festzustellen, dass diegenannte Zielbestimmung nichtig sei, hilfsweise, dasssie qualitativ kein Ziel der Raumordnung darstelle.

Der Antrag wird vom VGH als unzulässig verworfen.Zwar sei der Antrag statthaft, weil das LEP als Rechts-verordnung normenkontrollfähig sei; doch fehlten denAntragstellerinnen die nach § 47 II VwGO erforderlicheAntragsbefugnis, da den angegriffenen Regelungen keinRechtsnormcharakter zukomme, sie mithin keine nor-mative Bindungen erzeugten, die die kommunale Pla-nungshoheit eingrenzen könnten.

Zwar sei die streitgegenständliche Bestimmung als Zielder Raumordnung gekennzeichnet, und den Zielen derRaumordnung komme nach § 4 I ROG Rechtsnormcha-rakter zu; entscheidend für die Frage, ob eine Planaus-sage tatsächlich die Merkmale eines Ziels der Raumord-nung aufweise und somit Außenwirkung entfalte, seijedoch der materielle Gehalt der Vorschrift, wenn auchdie Bezeichnung als Ziel der Raumordnung eine gewis-se Hinweisfunktion habe (BVerwG, Beschl. v. 7. 3. 2002,NVwZ 2002, 869 f.). Ausgehend von der gesetzlichenDefinition des § 3 Nr. 2 ROG müsse es sich um eineverbindliche und bestimmte, abschließend abgewogeneFestlegung in einem Raumordnungsplan handeln. Einederartige abschließende Festsetzung sei vorliegend er-kennbar deshalb nicht getroffen, weil die Nutzung alsFlughafen unter dem Vorbehalt einer weiteren Bedarfs-prüfung steht.

Die Antragstellerinnen seien auch nicht als Behördengemäß § 47 II 1 VwGO antragsbefugt. Auch wenn hier-für nicht zu fordern sei, dass die zu beachtende Rechts-vorschrift die Gemeinde gerade in ihrem Recht aufSelbstverwaltung konkret beeinträchtige, so ist aucheine Behörde nur antragsbefugt, wenn ihr ein Rechts-schutzbedürfnis zur Seite stehe (BVerwGE 81, 307 =NVwZ 1989, 876). Dies sei vorliegend nicht gegeben,weil die Norm weder unmittelbare Rechtswirkungenerzeuge noch die Gemeinde für ihre Durchsetzung ver-antwortlich sei.

Praxishinweis: Das – mit Nichtzulassungsbeschwerdeangegriffene – Urteil des VGH München bestätigt dieRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wo-nach die Bezeichnung als Ziel der Landesplanung zwareine gewichtige interpretationsleitende Wirkung dahinerzeuge, dass der Planungsträger die Vorgabe hat mitverbindlicher Wirkung ausstatten wollen; entscheidendbleibt aber ihr materieller Gehalt und namentlich dieVerbindlichkeit des Wortlauts im Einzelnen (grundle-

Heft 7, 2005 ÖffBauR 79

gend BVerwGE 90, 329 = NVwZ 1993, 167). Geradeder vorliegende Fall zeigt, dass eine derartige Inhalts-kontrolle unumgänglich wird, wenn der Träger der Lan-desplanung unbestimmte Vorgaben als Ziel deklariertund damit eine in sich widersprüchliche Regelungschafft.

VGH München, Urteil vom 23.2.2005 – 20 N 03.1243Volltext-Service www.bau.beck.de: becklink 152012 �

Adressat einer NutzungsuntersagungEine sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung kannermessensfehlerfrei unmittelbar an den Eigentümergerichtet werden, selbst wenn alleine der Mieter für dieplanungsrechtlich unzulässige Nutzung verantwortlichist.

Der Antragsteller ist Eigentümer eines Mehrfamilien-hauses, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplansliegt, welcher das Gebiet als Wohngebiet ausweist. Beieiner Überprüfung stellte die Antragsgegnerin fest, dasszwei ehemalige Läden in diesem Haus zum Zwecke derProstitution genutzt wurden. Daraufhin untersagte dieAntragsgegnerin dem Antragsteller unter Anordnungder sofortigen Vollziehung und Festsetzung vonZwangsmitteln, die beiden ehemaligen Läden für bor-dellartige Zwecke zu nutzen oder nutzen zu lassen undgab ihm weiterhin auf, bestehende Mietverhältnisse mitsofortiger Wirkung zu beenden.

Das erstinstanzlich mit dem Fall befasste VG gab demeinstweiligen Rechtsschutzantrag des Antragstellers stattmit der Begründung, die Nutzungsuntersagung hätte imHinblick auf die geforderte kurzfristige Beendigung derMietverhältnisse an die Mieter und nicht an den Grund-stückseigentümer ergehen müssen. Die Beschwerde derAntragsgegnerin vor dem OVG hat dagegen Erfolg.

Das OVG geht davon aus, dass die Antragsgegnerinnicht ermessensfehlerhaft gehandelt habe, indem sie dieNutzungsuntersagung an den Eigentümer gerichtet hat.Zum Einen sei nur der Eigentümer in der Lage, aufDauer die untersagte Nutzung zu unterbinden. Weiterhinwerden gerade bei milieutypischen Nutzungen die Mie-ter oftmals nicht oder nur mit unverhältnismäßigemAufwand seitens der Behörde ermittelt werden können.Schließlich könne die Antragsgegnerin die Verfügungauch selbst unter Erlass von Duldungsverfügungen ge-genüber den Mietern bzw. Nutzern vollstrecken. Damitsei die Verfügung im Ergebnis ermessensfehlerfrei.

Praxishinweis: Es entspricht weitgehend gefestigterRechtsprechung, dass zumindest bei unzulässigen bor-dellartigen bzw. vergleichbaren Nutzungen das unmit-telbare Einschreiten gegen den Eigentümer als zulässigangesehen wird (vgl. VGH Mannheim, GewArch 2003,496; OVG Berlin, GewArch 2003, 498). In übrigenFällen einer unzulässigen, durch den Mieter ausgeübtenNutzung ist es umstritten, ob die Verfügung nur gegen

den Mieter, gegen Eigentümer und Mieter zusammenoder auch nur gegen den Eigentümer erlassen werdenkann (vgl. ausführlich zum Streitstand Reichel/Schulte,Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1113). Das OVG Mün-ster beispielsweise hat es für rechtswidrig erachtet, insolchen Fällen eine Nutzungsuntersagung nur gegen denEigentümer zu richten, da der Eigentümer die Nutzungnicht ausübe (NWVBl. 1993, 232).

OVG Hamburg, Beschluss vom 10.6.2005 –2 Bs 144/05Volltext-Service www.bau.beck.de: becklink 152014 �

Keine Zulässigkeit eines Freigänger-hauses im Mischgebiet

Ein Freigängerhaus ist weder in einem allgemeinenWohngebiet noch in einem Mischgebiet bauplanungs-rechtlich zulässig, denn es ist seiner Nutzungsart nachweder Wohnnutzung oder eine Anlage für sozialeZwecke noch Anlage für Verwaltung. Dies gilt auchunter Berücksichtigung der resozialisierenden Zielset-zung einer Freigängereinrichtung.

Die Kläger wenden sich gegen eine dem Freistaat Sach-sen erteilte Zustimmung für den Umbau vorhandenerGebäude in ein sog. Freigängerhaus. Ein Bebauungsplanfür das Baugrundstück existiert nicht. Das Verwaltungs-gericht hatte die Klage eines Nachbarn hiergegen alsunbegründet abgewiesen, was nun in der Berufungsin-stanz durch das OVG revidiert wird.

Die Klägerin ist in ihrem Gebietswahrungsanspruch aus§ 34 II BauGB verletzt, da ihr Grundstück ebenso wiedas Vorhabensgrundstück in einem faktischen allgemei-nen Wohngebiet im Sinne von § 4 BauNVO oder in ei-nem faktischen Mischgebiet im Sinne von § 6 BauNVOliegt und ein Freigängerhaus in beiden Fällen nach§ 34 II BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig ist.§ 34 II BauGB ist anwendbar, da die Eigenart der nähe-ren Umgebung einem der Baugebiete der BauNVOnämlich entweder einem allgemeinem Wohngebiet odereinem Mischgebiet entspricht. Sowohl in einem fak-tischen allgemeinen Wohngebiet als auch in einemMischgebiet ist eine Freigängerhaus nicht allgemeinzulässig (§ 34 II BauGB i.V. mit § 4 BauNVO).

Es handelt sich dabei nämlich nicht um Wohnnutzung.Zum Begriff des Wohnens gehört eine auf Dauer ange-legte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushalts-führung und des häuslichen Wirkungskreises sowie dieFreiwilligkeit des Aufenthaltes. Diese Merkmale sindbei einem Freigängerhaus als einer Anstalt des Justiz-vollzuges zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe (§§ 10 I,139 141 II StVollZG) sämtlich nicht gegeben: Der Um-stand, dass ein Gefangener nur mit seiner Zustimmungin einem Freigängerhaus untergebracht werden kann,ändert hieran nichts. Denn ohne diese Zustimmung kann

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der Gefangene seinen Aufenthaltsort nicht etwa freiwählen, sondern er wird im geschlossenen Vollzug un-tergebracht.

Ein Freigängerhaus ist auch keine Anlage für sozialeZwecke nach § 4 II Nr. 3 oder § 6 II Nr. 5 BauNVO.Anlagen für soziale Zwecke im Sinne dieser Vorschriftsind solche, die – wenn ihr Zweck auch nicht auf dieVersorgung des Gebietes ausgerichtet sein muss – mitden Wohnbedürfnissen im weiteren Sinne im Zusam-menhang stehen. Ein Freigängerhaus dient dagegen derVollziehung der Freiheitsstrafe und unterscheidet sichvon Anstalten des geschlossenen Vollzuges nur dadurch,dass verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungvorgesehen sind. Dies mag auch soziale Gründe haben,der Hauptzweck bleibt jedoch die Strafvollstreckung.

Praxishinweis: Hier findet sich ein weiterer Beitrag zuder Flut von Einzelfallentscheidungen zur Frage, welcheNutzungen bei bestimmten Bebauungsplanausweisun-gen zulässig sind, oder nicht. Ähnlich wie bei den schonhäufig in der Rechtsprechung erörterten Gemeinschafts-unterkünften für Asylbewerber (vgl. z. B. VGH Mann-heim, NVwZ 1989, 977), stellt sich auch hier die Frage,was konstituierende Merkmale einer Wohnnutzung sind,wobei diese in der vorliegenden Konstellation unter Ab-stellen auf den Kontext des Strafvollzuges eindeutig zuverneinen ist.

OVG Bautzen, Urteil vom 24.3.2005 – 1 B 120/04Volltext-Service www.bau.beck.de: becklink 152015 �

Bauordnungsrecht

Kein Bestandsschutz für vollständigerneuerte EinfriedungDer verfassungsrechtlich gewährte Bestandsschutzumfasst nicht die Erhaltung einer in ihrer Substanzvollständig erneuerten Einfriedung. Die konkrete Aus-gestaltung des Bestandsschutzes ist im übrigen Aufga-be des einfachen Gesetzgebers.

Die Antragsteller wenden sich mit einer Grundrechts-klage gegen die Verwehrung einstweiligen Rechtsschut-zes gegen eine Beseitigungsverfügung durch die Verwal-tungsgerichte. Sie sind Eigentümer eines genehmigtenund seit 1959 mit einem Maschendrahtzaun eingefrie-deten Wochenendhauses. Durch die im Laufe der Jahrevorgenommenen Reparaturen wurde der Maschendrahtvollständig ersetzt und Holzpfosten ausgetauscht. DieStadt Wiesbaden plant das Gebiet als offenes Streuobst-gebiet zu entwickeln und vor diesem Hintergrund dievorhandenen Anlagen nach einem Maßnahmen- undKriterienkatalog teilweise zu dulden und teilweise derenBeseitigung anzuordnen. Die untere Naturschutzbehördegab der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen

Vollziehung auf, die gesamte Einfriedung (Pfosten undMaschendraht) innerhalb eines Monats zu beseitigen,gestützt auf einen Verstoß gegen die Landschaftsschutz-verordnung sowie auf das Vorliegen eines nicht geneh-migungsfähigen Eingriffs im Sinne von §§ 5, 6 I, 6 a IHessNatG.

Der Staatsgerichtshof, vor dem sich die Antragstellerauf eine Verletzung des aus dem Grundrecht auf Eigen-tum gemäß Art. 45 I, 2 HV resultierenden Bestand-schutzes für den Zaun beruft, weist die Klage als zuläs-sig aber unbegründet ab und begründet dies wie folgt:

Art. 45 I HV gewährleistet das Privateigentum. SeinInhalt und seine Begrenzung ergeben sich aus den Ge-setzen. Es darf nur im öffentlichen Interesse, nur aufGrund eines Gesetzes, nur in dem darin vorgesehenenVerfahren und nur gegen angemessene Entschädigungeingeschränkt oder enteignet werden. Der Schutzbereichdieser Garantie ist also normgeprägt. Die Festlegung desInhalts der Eigentumsgarantie ist nach Art. 45 I 2 HVSache des Gesetzgebers. Hiernach liegt eine Verletzungder Eigentumsgarantie – wie auch unter verfassungs-rechtlichen Gesichtspunkteen zutreffend durch die Ver-waltungsgerichte festgestellt – nicht vor. Unabhängigvon der Frage, ob der Zaun ursprünglich legal errichtetwurde oder nicht, ist der Bestandschutz jedenfalls erlo-schen. Der Bestandsschutz geht von Verfassungs wegennicht so weit, dass er auch die Erhaltung einer in ihrerSubstanz vollständig erneuerten Einfriedung abdeckt.

Eine Anpassung an die geltende Rechtsordnung kannzudem von den Betroffenen um so eher verlangt werden,je mehr sie ihnen zumutbar ist. Die durch Beseitigungs-und Duldungsanordnung verursachte Eingriffstiefe ge-genüber dem Eigentum der Antragsteller an der Ein-friedung erreicht unter Berücksichtigung der Situations-gebundenheit des gesamten Grundstücks nicht eingrundrechtlich relevantes Ausmaß. Nach Beseitigungder Einfriedung verbleibt ihnen die nahezu uneinge-schränkte Nutzung des Grundstücks. In Abwägung dergenannten Umstände ist es aus verfassungsrechtlicherSicht nicht zu beanstanden, die Grenzen des Bestands-schutzes für eine Einfriedung im Hinblick auf deren ge-ringe Bedeutung für die eigenverantwortliche Lebensge-staltung des Grundrechtsträgers eng zu fassen.

Praxishinweis: Die Entscheidung macht deutlich, dasshier – wie wohl in den meisten Fällen – der verfassungs-rechtliche Schutz nicht über die auf einfachgesetzlicherGrundlage getroffene Entscheidung hinausführt. Denndie einfachgesetzliche Regelungen, die eine bauord-nungsrechtlichen Beseitigung verlangen, sind Ausprä-gung und verlangen Berücksichtigung des grundrecht-lichen Eigentumsschutzes. Lediglich in den Fällen, indenen bei der Abwägung diese verfassungsrechtlicheKomponente zu Unrecht unbeachtet blieb, kann die Be-rufung auf den Grundrechtsschutz erfolgversprechendsein.

HessStGH, Urteil vom 13.12.2004 – P.St.1842Volltext-Service www.bau.beck.de: becklink 152016 �

Heft 7, 2005 ÖffBauR 81

Genehmigungspflicht bei genehmi-gungsfreiem TeilvorhabenBesteht ein Bauvorhaben aus einem genehmigungs-pflichtigen Teil (Wohnhaus) und einem für sich ge-nommen genehmigungsfreien, jedoch funktional inZusammenhang mit dem Hauptvorhaben stehendenTeil (Stützmauer und Aufschüttung), so ist das Vorha-ben insgesamt genehmigungspflichtig.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Genehmigungsbe-dürftigkeit einer Aufschüttung mit Stützmauer, die dieKläger bei der Errichtung eines Einfamilienhauses her-gestellt haben. Den Klägern wurde eine Baugenehmi-gung für ein Einfamilienhaus erteilt, wobei die Stütz-mauer und die dahinter liegende Aufschüttung von denAntragsunterlagen und folglich auch von der Bauge-nehmigung nicht umfasst waren. In soweit verfügte dieBeklagte eine Bauuntersagung, weil auch dieser Teilgenehmigungsbedürftig und nicht genehmigt sei.

Das Gericht hält die auf Feststellung der mangelndenGenehmigungsbedürftigkeit gerichtete Feststellungskla-ge für zulässig. Die Kläger haben ein Feststellungsinter-esse, weil nur im Wege der Feststellung eine etwaignicht vorliegende Genehmigungsbedürftigkeit zu klärensei. Eine Verpflichtungsklage sei nicht zielführend, dadiese die von den Klägern gerade in Abrede gestellte,Aufwand und Kosten nach sich ziehende Genehmi-gungsbedürftigkeit der Anlage voraussetze.

Die Klage ist aber nicht begründet. Die Kläger benöti-gen auch für Mauer und Aufschüttung die gemäß § 61LBauO Rh.-Pf. erforderliche Baugenehmigung. BeideTeile sind bauliche Anlagen i. S. von § 2 II 1 bzw. 3Nr. 1 LBauO Rh.-Pf. Der Landesbauordnung lässt sichweder für die Aufschüttung noch für die Mauer eineRegelung entnehmen, die sie von der Genehmigungs-pflicht freistellt.

Gemäß § 62 I Nr. 11 a sind nur selbständige Aufschüt-tungen genehmigungsfrei. Die hier umstrittene Auf-schüttung fällt darunter nicht, denn sie ist nicht„selbständig“. Die Kläger meinen insoweit, eine Auf-schüttung sei nur dann unselbständig und damit bau-genehmigungspflichtig, wenn sie aus tatsächlichen (z. B.statischen) oder rechtlichen Gründen für eine anderebauliche Anlage, etwa ein Gebäude, erforderlich sei,wenn also die eine bauliche Anlage nicht ohne die ande-re bestehen könne oder dürfe.

Gesetzessystematik und Normzweck sprechen jedochfür ein anderes Normverständnis. Danach sind selbstän-dige Aufschüttungen in diesem Sinne nur solche, dieeine eigene Zweckbestimmung haben und nicht imräumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit Bauar-beiten für ein anderes Vorhaben stehen. Nach diesemVerständnis sind die Geländeauffüllung und die Stütz-mauer als unselbständig zu qualifizieren. Sie stehennicht nur im räumlichen und zeitlichen, sondern auchfunktionellen Zusammenhang mit der Errichtung des

Einfamilienhauses, haben doch die Kläger das aus derBaugrube ausgehobene Erdreich verwendet, um vomGarten aus das Erdgeschoss ihres Hauses ebenerdig er-reichen zu können.

Praxishinweis: Das Urteil bestätigt die schon im Urteilvom 12. 12. 2001 (8 A 10806/01) erkennbare Linie desSenats, wonach die Genehmigungsfreistellung als Aus-nahmetatbestand zu verstehen und folglich eng ausge-legten sei. Ziel der Freistellung ist es, bei Vorhaben vongeringer bau- oder bodenrechtlicher Relevanz auf einepräventive Verwaltungskontrolle zu verzichten, umBaubehörden und Bauherren von Kosten und Aufwandzu entlasten. Dies schließt es aus, bei einem Gesamtvor-haben ein „Splitting“ zwischen den Einzelteilen durch-zuführen und die für sich betrachtet genehmigungsfreienTeile aus dem Genehmigungsverfahren herauszulösen(vgl. OVG Münster, Urt. v. 12. 9. 1974; OVG Berlin,Beschl. v. 23. 8. 1988; VGH München, Urt. v. 26. 2.1993, NVwZ-RR 1994, 246).

OVG Koblenz, Urteil vom 13.4.2005 – 8 A 12135/04Volltext-service www.bau.beck.de: becklink 152019 �

Nachbarrecht

Rücksichtnahmegebot bei gültigemBebauungsplanDas bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnah-me nach § 15 I BauNVO bietet im Geltungsbereicheines qualifizierten Bebauungsplans keine Grundlagezu einer einengenden Ergänzung sämtlicher Festset-zungen des Bebauungsplans. Ein Bauvorhaben kanndaher wegen seiner Lage oder seines Umfangs nurdann als planungsrechtlich rücksichtslos unzulässigsein, wenn die Dimensionen des Vorhabens ein so un-gewöhnliches Maß annehmen, dass die Art der bauli-chen Nutzung aus dem Rahmen fällt und hierdurcheine unzumutbare Situation entsteht.

Die Antragsteller wenden sich gegen eine dem Beigela-denen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einesangrenzenden mehrgeschossigen Wohn- und Geschäfts-hauses. Beide Grundstücke befinden sich im Geltungs-bereich eines Bebauungsplans und unterliegen der Fest-setzung als Besonderes Wohngebiet mit höchstens vierVollgeschossen. Die Antragsteller beanstanden, dass dasBauvorhaben 5 m höher ist als die Bestandsbebauungund weitere Privilegierungen mit sich bringt, wenn auchsich dies aus den Festsetzungen des rechtskräftigen Be-bauungsplans so ergibt.

Das OVG weist die Beschwerde ab. Ein nachbarlicherAbwehranspruch gegen eine mit den Planfestsetzungenübereinstimmende Baugenehmigung unter Berufung auf

82 ÖffBauR Heft 7, 2005

das Gebot der Rücksichtnahme besteht im Allgemeinennicht, weil dieses bereits in den einen rechtsgültigenBebauungsplan voraussetzenden Abwägungsvorgangeingeflossen sein muss, wodurch es gewissermaßen„aufgezehrt“ wird.

Lediglich im Einzelfall können bauliche Anlagen trotzÜbereinstimmung mit den Planfestsetzungen unzulässigsein, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweck-bestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechenoder wenn von ihnen Belästigungen oder Störungenausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebietsunzumutbar sind. Das dergestalt in § 15 I BauNVOgeregelte drittschützende Gebot der Rücksichtnahme(grundlegend hierzu BVerwG, Urt. v. 5. 8. 1983, NJW1983, 138), bietet jedoch keine Grundlage zu einer ein-engenden Ergänzung sämtlicher Festsetzungen einesBebauungsplans, sondern bezieht sich unter Ausschlussder Maßfestsetzungen lediglich auf die Art der bauli-chen Nutzung im Plangebiet.

Insoweit unterscheidet sich die Reichweite des Rück-sichtnahmegebots im Anwendungsbereich des § 30 IBauGB von seiner Anwendung im Rahmen des § 34 IBauGB. Im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebau-ungsplans kann eine die Nachbarn beeinträchtigendeLage eines Baukörpers ebenso wie ein übermäßigerUmfang nur dann als planungsrechtlich rücksichtslosunzulässig sein, wenn die quantitativen Dimensionendes Vorhabens derart aus dem Rahmen fallen, dass einein dem Baugebiet in seiner konkreten Ausgestaltungunzumutbare Qualität der Nutzung erreicht wird, etwaweil die noch zumutbare Betriebsgröße überschrittenwird oder das Vorhaben Ziel- und Quellverkehr einernicht mehr baugebietsverträglichen Intensität auslöst.Wird in einem derartigen Fall die Schwelle eines sol-chen Umschlagens von Quantität in Qualität hingegennicht überschritten, führt § 15 BauNVO nicht zur Un-zulässigkeit eines Bauvorhabens.

Gemessen an diesen Grundsätzen stellt sich das Vorha-ben des Beigeladenen nicht als planungsrechtlich rück-sichtslos dar. Denn es hält – was die Beschwerde nichtbestreitet – die Festsetzungen des Bebauungsplans zurArt der baulichen Nutzung ein.

Praxishinweis: Der Beschluss befasst sich mit der inder Praxis regelmäßig wiederkehrenden Frage der Zu-lässigkeit eines Vorhabens, das zwar den Vorgaben einesbestandskräftigen Bebauungsplans entspricht, jedoch imEinzelfall Friktionen erzeugt. Der Senat bestätigt diebewährte Grundregel, wonach nur die Art, nicht jedochdas Maß der baulichen Nutzung erneut im Rahmen eineram Gebot der Rücksichtnahme orientierten Einzelfall-prüfung überprüft werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v.16. 3. 1995, NVwZ 1995, 899 und v. 7. 12. 2000, NVwZ2001, 813).

OVG Münster, Beschluss vom 21.2.2005 –10 B 1269/04Volltext-Service www.bau.beck.de: becklink 152020 �

Gebot der Rücksichtnahme beiDoppelhausbauDas Gebot der Rücksichtnahme ist nicht zwangsläu-fig verletzt, wenn bei einer Doppelhaushälfte im Ver-gleich zu der anderen Haushälfte eine um 1 m nachhinten vorspringende grenzständige Außenwand er-richtet wird. Das Doppelhaus muss in wechselseitigverträglicher und abgestimmter Weise aneinander ge-baut werden. Erst dann, wenn ein Gebäude den Ein-druck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt, ist derzulässige Rahmen einer in offener Bauweise gestatte-ten wechselseitigen Grenzbebauung überschritten.

Die Antragsteller wenden sich im Beschwerdeverfahrengegen die Ablehnung ihres Antrags auf einstweiligeAnordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Wider-spruchs gegen eine ihrem Nachbarn erteilte Baugeneh-migung. Nach der Baugenehmigung darf der Nachbareinen Anbau errichten mit der Folge, dass die jeweiligenHaushälften der Antragsteller und des Nachbarn nichtmehr identisch, mithin deckungsgleich sind. Der Anbauführt dazu, dass die grenzständige Außenwand um 1 mnach hinten vorspringt, mithin die Haushälfte des Nach-barn insgesamt tiefer ist als die der Antragsteller. DasGrundstück liegt im unbeplanten Innenbereich. Die An-tragsteller rügen, der Anbau verletzte das Gebot dernachbarlichen Rücksichtnahme. Ebenfalls seien die Ab-standsflächen zu ihrem Grundstück nicht eingehalten.

Das in § 34 II BauGB enthaltene Gebot nachbarlicherRücksichtnahme ist nicht verletzt. Zum einen ist dasMaß der baulichen Nutzung nicht nachbarschützend.Zum anderen führt das streitige Vorhaben allenfalls zueiner zusätzlichen Beeinträchtigung der Belichtungsver-hältnisse, die jedoch nicht zu einer Verletzung desRücksichtnahmegebots führt. Die Haushälfte der An-tragsteller ist bereits deshalb vorbelastet, da sie nördlichdes Hauses des Nachbarn liegt. Zudem ist bereits einegrenzständige sog. Schamwand vorhanden, die einenaufgesetzten durchbrochenen Holzzaun enthält und be-reits zu einer zusätzlichen Verschattung des Grundstücksführt. Die Herausragung der grenzständigen Außenwandüber beide Geschosse beträgt lediglich 1 m, so dass eszu keiner unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnah-megebots erheblichen Mehrbelastung in Form einerVerminderung des Lichteinfalls führen wird.

Auch der Charakter als Doppelhaus wird durch die vor-springende grenzseitige Außenwand nicht verändert.Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG ist für einDoppelhaus erforderlich, dass die Haushälften in wech-selseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinan-der gebaut werden. Obwohl die Wohnhäuser der An-tragsteller und des Nachbarn nach dem Anbau nichtmehr vollständig deckungsgleich sein werden, bestehtkein Zweifel daran, dass sie zu einem deutlich über-wiegenden Teil aneinander gebaut bleiben und dadurchauch weiterhin die erforderliche Einheit i. S. eines Ge-samtkörpers bilden, der weiterhin den Eindruck anein-andergebauter Reihenhäuser vermittelt.

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Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen die nachbar-schützenden Abstandsflächenvorschriften vor. Nach dereinschlägigen Vorschrift des § 6 I 2 lit. b NWBauO istinnerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche eine Ab-standsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die ander Nachbargrenze errichtet werden, wenn das Gebäudenach planungsrechtlichen Vorschriften ohne Grenzab-stand gebaut werden darf und öffentlich-rechtlich gesi-chert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfallsohne Grenzabstand gebaut wird. Bei einem Doppelhausdarf insoweit an die andere Hälfte ohne Grenzabstandangebaut werden, sofern der Charakter des Doppelhau-ses noch gewahrt ist. Ein Bauherr ist danach grundsätz-lich nicht gehindert, innerhalb der überbaubaren Grund-stücksfläche seine Doppelhaushälfte grenzständig weiterals der Nachbar zu bebauen, sofern das Gesamtgebäudenoch eine bauliche Einheit bildet. Eine öffentlich-rechtliche Sicherung im Sinne des § 6 I 2 b) NWBauOliegt darin, dass die Antragsteller ebenfalls bereits ohneGrenzabstand gebaut haben. Auf eine vollständige oderjedenfalls weitgehende Deckungsgleichheit der beidenan die Grenze gebauten Häuser kommt es dafür nicht an.

Praxishinweis: Der Senat knüpft mit dieser Rechtspre-chung sowohl an die Rechtsprechung des 10. Senats alsauch an die des BVerwGs an. Der 10. Senat hat bereitsmit Urteil vom 18. 12. 2003 entschieden, dass eine dasRücksichtnahmegebot verletzende Beeinträchtigung beieinem um 1,375 m über die hintere Außenwand desNachbarhauses vorspringenden Vorhabens nicht vorliegt.Das BVerwG hat darüber hinaus in ständiger Rechtspre-chung geklärt, welche Anforderungen zu erfüllen sind,damit ein Doppelhaus i. S. des § 22 II BauNVO vor-liegt.

OVG Münster, Beschluss vom 23.12.2004 –7 B 1769/04Volltext-Service www.bau.beck.de: becklink 152021 �

Mobilfunkstation im reinen Wohn-gebietEine Mobilfunkbasisstation auf einem Wohnhausist zwar nicht als Nebenanlage i. S. von § 14 I 1BauNVO, aber gegebenenfalls als fernmeldetechni-sche Anlage i. S. von § 14 II 2 BauNVO ausnahms-weise auch im reinen Wohngebiet zulässig, soferndie nachbarlichen Interessen an der Erhaltung derGebietsart ausreichend berücksichtigt werden.

Das OVG entscheidet im Rahmen eines von den Grund-stücksnachbarn initiierten einstweiligen Rechtsschutz-verfahrens über die Zulässigkeit einer Mobilfunkanlage.Die streitgegenständliche genehmigte Mobilfunkanlagebesteht aus einem etwa 14 m hohen Antennenmast, der30 cm unterhalb der Firstlinie aus dem Dach austritt undvon dort in einer Höhe von 9,99 m zuzüglich einer40 cm langen Blitzfangstange aufragt. Der Durchmesserdes Antennenmastes beträgt etwa 20 cm. An diesemMast können zwischen drei und neun Antennen kreis-

förmig angeordnet in drei Ebenen montiert werden, wo-bei die Größe dieser Antennen durchschnittlich 1,50 min der Höhe, 20 cm in der Breite und 15 cm in der Tiefebeträgt. Angebracht werden soll die Anlage an einem4-geschossigen Wohnhaus, welches in einem faktischenreinen Wohngebiet nach § 34 BauGB, § 3 BauNVO ge-legen ist.

Das OVG weist den Antrag der Nachbarn in Überein-stimmung mit dem erstinstanzlichen Verwaltungsgerichtab. Zwar stuft das Gericht die Mobilfunkstation nicht alszulässige Nebenanlage gem. § 14 I BauNVO ein, dasie weder der Nutzungsart „Wohnen“ diene noch sichdem Wohnhaus unterordne. Es hält die Mobilfunkstationaber als fernmeldetechnische Nebenanlage nach § 14 IIBauNVO für zulässig. Als typischerweise kleinster Be-standteil eines Fernmeldenetzes sei die Mobilfunkanlagevom Wortlaut der Norm erfasst, wenngleich der Gesetz-geber nach Ansicht des Gerichts nicht unbedingt an diehier in Rede stehenden Anlagen gedacht haben mag,sondern eher an untergeordnete eingeschossige Fern-meldegebäude geringen Bauvolumens.

Durch diese Privilegierung fernmeldetechnischer Anla-gen in § 14 II 2 BauNVO habe der Verordnungsgeberentschieden, dass derartige Anlagen in allen Baugebie-ten und damit auch in reinen Wohngebieten zumindestausnahmsweise zulässig sein können. Bei der Erteilungeiner solchen Ausnahme habe die Bauaufsichtsbehördeaber die nachbarlichen Interessen ausreichend zu wür-digen. Als schutzwürdige und damit abwehrfähigeRechtspositionen nennt das Gericht insoweit die Gefahrgesundheitlicher Beeinträchtigungen durch solche Anla-gen, die bei einer Unterschreitung der in der Standortbe-scheinigung festgelegten Mindestabstände zu befürchtensind, aber auch das Interesse an der Bewahrung der Ge-bietsart. Diese Rechtspositionen verleihen dem Nach-barn unabhängig von einer tatsächlichen Beeinträchti-gung durch die Anlage ein nachbarliches Abwehrecht.

Im hier zu entscheidenden Fall sieht das Gericht aller-dings keine Anhaltspunkte, die zu einer Nachbarrechts-verletzung führen könnten. Der Sicherheitsabstand zuden Nachbargrundstücken von 5,72 m sei eingehalten,die Gebietsart als reines Wohngebiet werde durch eineeinzelne Mobilfunkanlage voraussichtlich nicht in Un-ordnung gebracht. Auch eine Beeinträchtigung desOrtsbildes sei – obgleich dies von den Nachbarn nichtgeltend gemacht werden könnte – auf Grund der zahl-reichen viergeschossigen Wohngebäude im Umfeldnicht zu befürchten. Im Ergebnis weist das OVG damitden Rechtsschutzantrag der Nachbarn ab.

Praxishinweis: Vgl. zur selben Thematik die Entschei-dung des OVG Münster in diesem Heft, in welcher dieProblematik der Einstufung von Mobilfunkanlagen alsfernmelderechtliche Nebenanlagen ausführlich themati-siert wird. Auf Grund der Notwendigkeit der Schaffungeiner flächendeckenden Versorgung mit Basisstationenzur Funktionsfähigkeit des UMTS-Netzes wird dieThematik noch längere Zeit aktuelle bleiben. Nicht nurauf Grund der Privilegierung in § 14 II BauNVO, son-

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dern auch wegen der verfassungsrechtlichen Absiche-rung der Gewährleistung von Telekommunikations-dienstleistungen in Art. 87 f I GG kann der Erbauer sol-cher Anlagen – wenngleich diese sich in den seltenstenFällen als sonderlich ästhetisch erweisen dürften – sichzumeist gegen nachbarliche Interessen durchsetzen, so-fern der Sicherheitsabstand zu den Nachbargrundstük-ken eingehalten ist.

OVG Münster, Beschluss vom 6.5.2005 – 10 B 2622/04Volltext-Service www.bau.beck.de: becklink 152022 �

Rechtsschutzinteresse für Anord-nung der aufschiebenden WirkungEs besteht kein Rechtsschutzinteresse für die Anord-nung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchsgemäß §§ 80 V, 80 a I und III VwGO gegen die Er-richtung einer Terrassenüberdachung, wenn diese be-reits am Tag nach der Antragstellung fertiggestelltwurde.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der auf-schiebenden Wirkung ihres Widerspruch gemäß §§ 80 a,80 V VwGO gegen die Errichtung einer Terassenüber-dachung. Diese wurde bereits am Tag nach der Antrag-stellung fertiggestellt. Das OVG gibt der gegen die statt-gebende Entscheidung des VG gerichtete Beschwerdestatt.

Die Aufhebung der Vollziehung würde in der vorliegen-den Konstellation die vollständige Beseitigung der Ter-rassenüberdachung bedeuten. Eine Beseitigungsanord-nung sei jedoch weder zur Sicherung der Rechte derAntragstellerin noch aus sonstigen Gründen geboten,sondern unter Berücksichtigung der konkreten Umstän-de unverhältnismäßig. Denn die leichte Konstruktion hatallenfalls eine geringe Verschattung des Nachbargrund-stücks für wenige Stunden zur Folge. Zudem hatte die

Antragstellerin einer ursprünglich vorgesehenen Kon-struktion, die nur marginal von dem verwirklichten Vor-haben abweicht, zugestimmt und sich verpflichtet, dieseZustimmung auch gegenüber dem Antragsgegner zuerklären.

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die nunmehrvorgeblich materiell baurechtswidrige Errichtung derÜberdachung im Rahmen des sich im Aufstellungsver-fahren befindlichen Bebauungsplans für das Gebiet aufGrund einer Ausweitung der überbaubaren Grund-stücksfläche zu legalisieren sein wird. Schließlich er-scheint insbesondere vor dem Hintergrund des Interes-ses der Beigeladenen, für ihren querschnittsgelähmtenSohn einen Aufenthalt im Freien zu ermöglichen, eineBeseitigungsanordnung insgesamt unangemessen.

Ebenso wenig ergibt sich ein Rechtsschutzinteresse füreine Nutzungsuntersagung für die überdachte Terrasse,da eine mögliche Beeinträchtigung der Antragstellerinallein von der Bausubstanz und nicht der Nutzung derTerrasse ausgehen kann. Denn eine einem Wohngrund-stück entsprechende Nutzung der Terrasse und die damitverbundenen Lebensäußerungen müssen durch die An-tragstellerin hingenommen werden. Es liegen darüberhinaus keine Anhaltspunkte dafür vor, dass auf Grundder Überdachung der Terrasse nun ein zulässiges Nut-zungsmaß überschritten wird.

Praxishinweis: Das Gericht lässt hier offen, ob unter„Vollzug“ im Sinne des § 80 V 1 VwGO auch das Aus-nutzen einer behördlichen Genehmigung durch denBegünstigten zu verstehen ist oder ob in diesen Fällen§ 80 III 1 i.V. mit. I Nr. 2 VwGO gilt, der nur Siche-rungsmaßnahmen vorsieht. Denn in jedem Fall wäre inder hier zu beurteilenden Konstellation die Anordnungeiner Beseitigung im vorläufigen Rechtsschutz nichtverhältnismäßig.

OVG Münster, Beschluss vom 4.4.2005 – 10 B 157/05Volltext-Service www.bau.beck.de: becklink 152023 �

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