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Öffentliche Philosophische Foren Basel

Reichtum & Armut

1. Veranstaltung

Martin Herzog www.brainworker.ch – www.diskussionsforen.chProgramm und Folien unter www.diskussionsforen.ch/programm

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3 dominante gesellschaftliche Sphären– und ihre Steuer-Mittel

• Modell I: Die drei Sphären sind unabhängig:

• Aktuelle Ideologie: Politik und Philosophie sind überflüssig, die Wirtschaft macht das schon ...

• Heute findet die neoliberale Wirtschaft, der Staat sei eigentlich völlig überflüssig, die Wirtschaft liefere alles (wofür bezahlt wird, den Nebensatz verschweigt sie), viel günstiger und effizienter als die Politik.

• Die Politiker ihrerseits träumen davon, von Macht und Wahrheit unabhängig zu sein und mit Macht regieren zu können, gleich Königen

• Auch die Wahrheitssucher haben Illusionen, wenn sie behaupten, Wahrheit sei nicht durch Macht und Geld verbogen, folge nicht den vorgegebenen Interessen. Universitäten und insbesondere FHs forschen immer mehr dort, wo Geld zur Verfügung steht, nicht dort, wo Probleme anstehen.

Das Modell der Unabhängigkeit der 3 Sphären ist also Schrott.

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Modell II: Es gibt nur eine Sphäre, also entweder nur Wirtschaft, nur Politik oder nur Wahrheit - die dominieren. Das wäre im politischen Bereich das faschistische, oder besser totalitaristische Modell, das diktatorisch alle Interessen nach einer Perspektive ausrichtet. im geistigen Bereich das fundamentalistische Modell. Im wirtschaftlichen Bereich bildet die Grundlage dazu nebst Materialismus und Utilitarismus die Produktionsgesinnung. Man könnte das Modell also auch das produktivistische Modell nennen: Produktion, Produktion über alles. Wollt ihr den totalen Wettbewerb?Das Modell der identischen 3 Sphären ist ebenfalls Schrott.

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Modell III: Die 3 Sphären überlappen sich. Hier nun ein Modell, das unseren Erfahrungen entspricht, mit reiner Machtpolitik, reiner Geldwirtschaft, reiner Wahrheit - aber auch "politischer" und "wirtschaftlicher" Wahrheit, Geldmacht, gekaufter Wahrheit, Wirtschafts-Macht und politischer Wirtschaft (nicht Miss-Wirtschaft, sondern der berühmte service public ist damit gemeint.)

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2. Definitionen 2.1 Was ist Reichtum?

• Reichtum bedeutet Distanz zur Notwendigkeit, zu Zwängen (Bourdieu), • Reichtum ist heute DAS gesellschaftliche Leitbild - Reiche die Vorbilder für die

Mehrheit (s. goldene Horde). Im Reichtumsverständnis gelangt zum Ausdruck, wie in einer bestimmten Epoche die gesellschaftlichen Interessengruppen und die Werte vermittelnden Institutionen, wie etwa die Kirche, normativ und programmatisch "gute" Gesellschaft bestimmen.

• Reichtum mehrt das Prestige - Reichtum gilt als Beweis grosser Fähigkeiten - wer arm ist hat nicht genug gearbeitet - Reichtum ist Voraussetzung, um in der "Erlebnisgesellschaft" zu überleben.

• Reichtum ist Vermögen, also Potential, das ein Maximum an Verwirklichungschancen garantiert. Vermögen bezeichnet Besitz von Ressourcen - und die Fähigkeit, diese einsetzen zu können. Reichtum ist ein Uebermass an Vermögen.

• Reichtum, also aussergewöhnliche Vermögen an Ressourcen und Kompetenzen erzeugt Macht über die Lebensgestaltung anderer.

• Reichtum bedeutet (wissenschaftlich), ein überdurchschnittliches Ausmass an Ressourcen (Gütern, Geld, Land - oder kulturellem Kapital) zu besitzen:

– 2.5 Millionen Euro: wohlhabend –  > 5 Millionen Euro: sehr wohlhabend – > 10 Millionen Euro = reich – nach Lukullus war reich, wer mit eigenen Mitteln ein Heer unterhalten kann, ein

Zustand, der in vielen Ländern mit privaten Milizen längst wieder erreicht ist. •             und hier das Problem: Reichtum hat nach oben keine Grenze - was

vermutlich der Hauptgrund ist für den hier so geschätzten Wachstumszwang.

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• "Die 300 Reichsten" die von Cash jedes Jahr im Dezember präsentiert werden, müssen über 100 Millionen Fr. besitzen, sind also als Superreiche zu bezeichnen. Reichtum schafft soziale Distanz. Reiche sind also Aussenseiter, Asoziale - weil sie

– in einer abgeschotteten Sonderwelt leben, auf "einer schönen Insel". – von der Arbeit anderer leben, – über diese verfügen können und – nie sicher sind, ob sie respektiert werden als Person oder bloss als Träger von

Reichtum

• Definition Wohlstand:Ausreichender Besitz an Ressourcen zur Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse - die

bei Armut eben immer mehr oder minder unbefriedigt bleiben.

• Wohlhabende (und Reiche natürlich) haben die Möglichkeit, Wirtschaftswachstum anzutreiben, Produktivitätsfortschritte zu erzielen und so den gesamtgesellschaftlichen Reichtum zu steigern. (so die liberale Theorie).

• Apropos Millionäre: Der Ausdruck "Millionär" taucht zum ersten Mal 1843 in den USA auf - um ein riesiges Vermögen zu beschreiben. 1999 gab es jedoch in der Schweiz bereits 120'000 Haushalte mit einem Vermögen von über einer Million. Der exklusive Status ging dem Millionär also längst verloren. Heute braucht er mindestens 100 Millionen um im Cash aufzutauchen.

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2.2 Armut • Armut ist Mittellosigkeit, Bedürftigkeit, oft auch Elend. Armut ist Dürftigkeit, Kargheit, Mangel

an angemessenem Wohnraum, Kleidung, Nahrung, Bildungschancen, sozialen

Begegnungsmöglichkeiten, Teilnahme an der Gesellschaft, Teilnahme an Politik, vor allem aber

Teilnahme an der wirtschaftlichen Produktion.

• Armut bedeutet niedere Schulabschlüsse und weniger Training/Umgang mit Sprache und

Lesestoff

• Armut ist Mangel an Verwirklichungschancen. Reichtum ist <Vermögen> (= Potential und Macht) - Armut ist Ohn-Macht.

• Armut ist nützlich, Armut wird gemacht.

• Armut ist Ungerechtigkeit

• Armut bedeutet die Scheu vor dem Theater oder Museum

• Armut bedeutet mangelndes Selbstwertgefühl.

• Armut bedeutet Unterversorgung, schlechte Wohnung, stigmatisiertes Wohnumfeld mit

vernachlässigter Infrastruktur wie Freizeitaktivitäten, Geschäfte oder Verkehrsverbindungen,

fehlende Grünanlagen - aber erhöhte Umweltverschmutzung, meist in Form von Lärm.

• Armut bedeutet schlechte Ernährung, kein Geld für frisches Obst und Gemüse, keinen

ausreichenden Schutz der Gesundheit - und minimale Versorgung bei Krankheit.

• Arme sterben schneller (patent, nicht?)

• Armut ist fehlende Fähigkeit am Markt zu bestehen

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Armut definiert anhand der Bedürfnisse:

Arme haben ein materiell derart beschränktes Freiheits- und Entwicklungspotential, dass nur noch Existenz erlaubt, aber keine Entwicklung des Seins.

Einfacher ausgedrückt:

Der Sinn des Lebens für Arme ist reduziert auf das pure Überleben. 

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2.2.1 Was bedeutet Armut? Wie kann sie in einem

reichen Land ent- und bestehen?

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Einkommen bedeutet noch lange nicht Auskommen …

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Armut in der Schweiz

In der Schweiz hatten wir bereits 2004 ca. 200'000 Arbeitslose, 300'000 IV-Bezüger (davon 50% aus psychischen Gründen, davon wiederum ein vermutlich hoher Teil auf Grund von Mobbing und anderer Schwierigkeiten am Arbeitsplatz) + 200'000 working poor. Die Profite der Schweizer Firmen stiegen 2005 um 18% - die Arbeitslosigkeit und anderen Formen des Ausschlusses blieben gleich.

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Armut ist entweder der Mangel an Ressourcen –

oder der wirtschaftlich ineffiziente Einsatz derselben. Der Markt ist als dominierendes Ordnungsprinzip der Gesellschaft problematisch, denn:

a)  beziehen Einkommen oder Reichtum nur marktfähige Güter und Dienste mit ein und

Ohne nachgefragte Güter oder Arbeitsleistungen besitzt man keine Eintrittskarte in das globale Spiel der Märkte und erscheint auch in keiner ökonomischen Einkommens- oder Armutsrechnung.

b) ist der Markt, als Instrument der Reichtumsproduktion, eben nicht "frei", sondern das Prinzip sozialer Ausgrenzung:

Als häufigster Grund für Arbeitslosigkeit und Armut wird fehlende Bildung genannt. Dies ist gleich in mehrfacher Hinsicht ein Witz, den:

1. wird Bildung heute kaum noch angeboten - und auch noch weniger geschätzt. Was heute zählt ist nicht Bildung, sondern Schulung, Schulung für präzise die Funktion für die ein Betrieb zufälligerweise gerade jemanden braucht.

2. ist Schulung (wie Bildung) von der Intelligenz abhängig, und die ist nun mal eben ungleich verteilt. Dummerweise hat, laut Definition des IQ, die Hälfte der Bevölkerung einen IQ von unter 100, lässt sich also leicht als "bildungsschwach" bezeichnen.

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Die Bürger müssen davor geschützt werden, auf Grund schulischer Beurteilung keine Arbeit finden zu können, da dies nicht bloss ihre Freiheit, sondern sogar ihre Existenz beeinträchtigt. Die Überbewertung von Bildung, von schulischen

Qualifikationen, führt also zu einem Verstoss gegen

das erste und wichtigste Menschenrecht, das Existenzrecht.

http://www.brainworker.ch/Bildung/bildung&arbeitslosig.htm

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3. Wie erfolgt die Aufspaltung in Reiche und Arme?

 3.1 Pareto Verteilung/Pareto Effizienz/Kaldor-Hicks-Kriterium Die ungleiche Verteilung ist wirtschaftlich um einiges effizienter als eine ausgeglichenere

und damit gerechtere Verteilung. Bei gleichmässig verteiltem Kapital wäre es fast unmöglich, grosse Kredite zu schaffen.

Nur wer Geld im Überfluss hat, kann relativ leicht Kredit gewähren

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Das Kaldor-Hicks-Kriterium:

Eine politische Massnahme wird nur dann als sinnvoll betrachtet, wenn allfällige Verlierer durch die Mehrerträge bei den Gewinnern entschädigt werden ... können ... Das Problemchen liegt darin, dass es meist ein bisschen Druck braucht, dass die Entschädigung wirklich stattfindet, da sich alle die Geld haben, ganz egal wie gewonnen, gegen eine Um-Verteilung natürlich wehren. Ökonomen sind halt offenbar eben doch oft hinterlistige Fotzel.

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3.2 Balassa-Samuelson- oder der Hamburger-Effekt

Begründung der reellen <relativen> Armut:

• Penn- und Balassa-Samuelson-Effekt haben zur Folge, dass man in einer wenig produktiven Gesellschaft mit weniger Geld leben kann, in einer auf Produktivität ausgerichteten aber, und das dürfte die Krux sein, viel Geld braucht - also gar nicht mehr die Wahl hat, auf Subsistenzniveau oder sonst irgendwie bescheiden zu leben.

• Penn- und Balasa_Samuelson-Effekt sind der schlagende Beweis dafür, dass "Wirtschaft" mit Freiheit nicht mehr am Hut als als die viel geschmähte Politik. Sie verfügt einfach über die viel listigeren Zwangsmittel. Penn- und Balasa_Samuelson-Effekt sind also gleichzeitig die Peitsche, mit der uns die Wirtschaft zu immer grösseren Anstrengungen zwingt und damit verhindert, die Früchte der Arbeit zu geniessen.

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Strukturelle Bedingungen die helfen, Armut zu fördern:

3.3 Wettbewerb bedeutet die Aufteilung

in Sieger und Verlierer - aber auch Ausschluss

(Spencer-Brown)

Neoliberalismus befreit die Ökonomie von den politischen Regeln (von moralischen gar nicht zu reden ...), und sieht kein zu korrigierendes Problem in der Aufspaltung in Gewinner und Verlierer. Dass eine segmentierte Gesellschaft aber bisher eigentlich immer sich dann mal in einer kriegerischen Begegnung wieder findet, scheint die Leute nicht zu interessieren. Neoliberalismus ist eine Siegertheorie. Die Verlierer haben sich "sportlich" in ihr Schicksal zu fügen.

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Ordnung und Freiheit in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft:

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Strukturelle Bedingungen die helfen, Armut zu fördern: Zentrum-Peripherie-Ausschluss

• Dominanz der Grösse• Die Dominanz der Stadt: s. insbesondere Alpenreservat gegen <global cities>• Der Kampf um Wachstum und Innovation

• Mehr Kopf- als Handarbeit: dauernd und immer raschere Umstrukturierung mit entsprechend mehr und rascher verschwindenden Berufen, d.h. entwerteter Ausbildung und Erfahrung - und dauernd steigenden Forderungen nach mehr Flexibilität, ohne Berücksichtigung der Kosten derselben. Diese Externalisierung von Restrukturierungskosten und Flexibilität ist einer der wichtigsten Faktoren der Förderung der Armut auf der einen, der Förderung von Kapitalvermehrung auf der andern Seite

• NETZWERKE

– Auch hier wurde das grösste Problem der Globalisierung übersehen: Die

flächendeckende Verantwortung wird aufgelöst. Jeder Staat hatte ein

Hoheitsrecht, und dieses war und ist an die Fläche gebunden. Es gab keine

rechtsfreien Räume und wer auf dieser Fläche präsent war, unterstand auf jeden Fall

den im Staat geltenden Regeln. Netzwerke kümmern sich nur um die Mitglieder.

Was zwischen die Maschen fällt, existiert nicht.

DAS Problem das wir zu lösen haben heisst also: Wie gestalten wir Politik ohne

Flächenhoheit, ohne Ort, ohne Zuordnung? Wie könnte Netzwerkpolitik

aussehen, d.h. erst einmal, ist Netzwerkpolitik überhaupt möglich?

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3.3.1 Unfairer Wettbewerb: Grösse statt Beteiligung

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Unfairer Wettbewerb:

<Je weniger Stellen – desto Geld>

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Vermögen vermag – Armut duldetVermögen bezeichnet Besitz von Ressourcen - und die Fähigkeit, diese

einsetzen zu können.

– Reichtum, also aussergewöhnliche Vermögen an Ressourcen und Kompetenzen erzeugt Macht über die Lebensgestaltung anderer.

• Die Offenlegung der Machtdimension ist hier entscheidend.– Wer reich ist, kann praktisch nur noch durch politische Macht in Schach gehalten

werden.

– Die politisch Mächtigen ihrerseits werden gebändigt durch diejenigen, die reich sind an Wissen.

– Geld, als Universalmedium, verleiht den Akteuren mit aussergewöhnlich hohen Geldvermögen eine unverhältnismässige und allgemeine gesellschaftliche Gestaltungsmacht.

Im Minimum ist die Frage zu stellen:

Darf das Eigentumsrecht wirklich

ein Verfügungsrecht über menschliche Schicksale beinhalten?

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4.1 Neu-Definition des Leistungsbegriffs:

Geld das "arbeitet" Der Begriff <LEISTUNG> ist entscheidend,

da sich a) die Exklusiven, die Elite, die

wirtschaftlich herrschende konservative Schicht vor allem durch <Leistung> definiert, und da

b) Die Löhne davon abhängen. Leistung leitet sich ab vom Leisten, bei

dem der Schuster bleiben soll (heute nennt man das gerne "Kernkompetenz") - und ist zudem nahe verwandt mit List, dem cleveren Verfolgen einer Spur. Hier offenbar sich die Zwiespältigkeit des Leistungsbegriff, denn die Spur muss erst gelegt worden sein, der Leisten definiert, was dazu führt, dass nur monetarisierte Leistung als solche anerkannt wird - ein Problem, auf das vor allem die Frauenbewegungen immer wieder hingewiesen haben (Hausfrauenlohn).

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Das Selbe in grün, aus Österreich:

http://www.sozialplattform.at/downloads/armut-leseheft2006.pdf

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Hier wird‘s noch klarer: Arbeiter raus + Löhne runter = Lohnquote runter

= Kapitalgewinne rauf. Arbeit & Wirtschaft http://www.arbeit-wirtschaft.at/servlet/ContentServer?pagename=X03/Page/Index&n=X03_1.a_2003_02.a&cid=1191422914169

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Das Selbe in Grau für die Schweiz

• Seit 2002 sind die Lohneinkommen in der Schweiz um 1,2 Prozent gesunken, während sich die Kapitaleinkommen fast verdoppelt haben: Ihr Anteil am Bruttosozialprodukt ist von 20,7 auf 25,7 Prozent gestiegen. Der Anteil der Lohneinkommen hat sich von 61,5 auf 57,1 Prozent stark verringert.

http://www.blick.ch/news/wirtschaft/vontobel/artikel25831

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Der Leisten wird durch andere festgelegt …

Leisten bedeutet auch be-folgen, was klar macht, warum

Arbeitslosigkeit und Armut weder durch Innovation bei den

Betroffenen noch durch Bildung, die eigenständiges Denken erlaubt

zu lösen ist, sondern bloss durch braves Folgen der Vorgaben.

Eigenverantwortlichkeit zu rufen ist also Betrug, denn

gefordert ist eigentlich bloss getreue Gefolgschaft und

Beherrschung einer bestimmten Funktion, oder mehrerer

Funktionen, so dass der/die Betreffende flexibel eingesetzt

werden kann. Allerdings darf dieses Wissen auch nicht zu hoch

sein, sonst kriegt der Chef Angst, verdrängt zu werden - das

klassische Problem der Überqualifikation.

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Setzung von Lebenszielen - Die goldene Horde

(Manieren, Luxus) – Schaffen “des Systems” Gerade die Merkmale der Distinguiertheit (= sich absetzen, unterscheiden von

andern, von oben her natürlich) werden von den Neureichen als erstes kopiert, da sie die äusseren Symbole sind, die Reichtum repräsentieren. Dazu gehörte früher vor allem Müssiggang und ostentativer Konsum - heute eher wirtschaftliche Daueraktivität und sportliches Engagement, wenn nicht gar eigene Betätigung - allerdings nur in solchen Sportarten, die Prestige verleihen, also Autorennen, Jachtsegeln, Polo, Springreiten, Fechten, Fliegen .... Der Reichtum soll zur Schau gestellt werden, allerdings nicht so offensichtlich und protzig wie von Neureichen, sondern gepflegt, kultiviert, also leicht verschleiert. Luxus ist hier weniger Genuss - als ein Zeichen dafür, dass man Geld ausgeben kann für Dinge, die eigentlich nutzlos, und im besten Falle als schön oder zumindest selten zu betrachten sind - und vor allem dazu geeignet, das Ansehen bei der Bevölkerung, oder noch eher, bei der nächst höheren Klasse der noch Reicheren, zu steigern. Was hier vor sich geht ist eigentlich recht einfach zu verstehen, denn es ist präzise das Selbe das passiert, wenn Herr Bünzli ein neues Auto braucht, einfach weil der Nachbar oder Arbeitskollege auch ein neues und schickeres (oder zumindest teureres) Modell hat.

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Manieren – ein weiteres Dressurelement der Oberen

• Etymologie Manier(en): aus dem fr. manière, Art und Weise, also eben die Art und Weise, wie ursprünglich der Hof des Königs, später die Reichen Dinge zu tun pflegen. gesittet, wohlerzogen, anständig - also gut dressiert.

• Die "Oberen" leben voll in dieser Kunstwelt, spielen das Spiel also gekonnt, während dem die Nachäffer sich dauernd blamieren und dann eben nicht maniert sondern “manieriert” benehmen: gekünstelt, unnatürlich.

• Maniertes Benehmen, <gepflegte Umgangsformen>, orientieren sich an meist überlebten soziokulturellen Standards, welche das aufstrebende Bürgertum vom Hofzeremoniell übernahm.

• Wer sich maniert benimmt, benimmt sich also so, wie es Reiche tun und von andern erwarten. Das ist das ganze Geheimnis das hinter Anzug und Krawatte steckt: Nicht der Respekt vor den Kunden - sondern die Unterordnung unter die symbolischen Normen der Reichen.

• Sich distinguiert, als "abgehoben", nicht zur Masse gehörend, also eigentlich a-sozial zu benehmen, wird seltsamerweise auch bezeichnet als "Klasse besitzen", also "von Rang sein" oder "Würde haben"; "Stil haben", also eben den Umgang mit gesellschaftlichen Gepflogenheiten, auch "Formen" genannt, spielerisch und locker zu beherrschen.

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5. Folgen der Armut

• Vor allem die Angst, aufgrund von Arbeitslosigkeit „nichts zu tun zu haben“ und damit nutzlos zu sein.

• Angst, aber noch mehr der Verlust jeglichen Sinns und Lebenszwecks führt zu stark erhöhten Selbstmorden - und Selbstmorde sind der Kernpunkt der Definition von ANOMIE. – Weltweit sterben mehr Menschen durch

Selbstmord (1 Million pro Jahr) als durch Krieg und Mord!

• Und macher Arbeitslose und Ausgeschlossene hat das Gefühl, da stecke System dahinter ...

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Armut als Antrieb

Adam Smith :Lectures on Jurisprudence::

• „Wird also eine Regierungsgewalt zu dem Zwecke eingerichtet, das

Eigentum zu sichern, so heißt das in Wirklichkeit nichts anderes, als

die Besitzenden gegen Übergriffe der Besitzlosen zu schützen.”

• August von Hayek hingegen, Grossvater des Neoliberalismus, sah gerade

in der Spanne zwischen Reich und Arm den grössten Antrieb, wirtschaftlich

tätig zu werden, die Armen um den Status der Reichen zu erreichen, die

Reichen um den vom Mittelstand immer wieder übernommenen, und so

deklassierten Vorsprung gehobenen Lebensstils immer weiter auszubauen.

Auch für den Neoliberalismus ist Armut selbstverschuldet - und kann durch

Erschliessung, Eroberung eines neuen Marktes immer behoben werden.

Exogene Faktoren, wie insbesondere der Staat und gesetzliche

Regelungen, stören hier nur.

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DIE Chance der Armen:

nihil habeo, nihil curo

ich habe nichts, mich kümmert nichts

Oder, positiver formuliert:

Wer nichts hat, hat auch nichts zu verlieren,

ist also frei.

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6. Sozialstaat und SozialarbeitArmutsbekämpfung – oder Bekämpfung der Armen

• Armut gab's immer, Konjunkturschwankungen gab's immer, Restrukturierung gab's immer - und Lösungen gab's immer - so die Meinung der meisten Konservativen, aber auch vieler Wissenschaftler. Im Prinzip ja, sprach Radio Eriwan, aber, wenn wir uns die grossen Booms und Zyklen ansehen, sieht die Sache heute doch ein klein bisschen problematischer aus:

• Armut der Bauern > Wechsel in die Industrie, Strassenbau und insbesondere zur Eisenbahn . Das waren aber Tätigkeiten die zwar hart waren, meist aber a) weniger hart als die landwirtschaftliche Tätigkeit und b) meist ohne grosse, ja oft ohne irgendwelche Anforderungen in Sachen Qualifikation.

• Ländliche Armut > Wechsel in die Stadt: Diese Bewegung findet heute noch tagtäglich statt in Entwicklungsländern. Während dem schon hierzulande diese Bewegung verhindert wurde durch die Zünfte, die Arbeitsmöglichkeiten zuteilten, und die Landbevölkerung als Untertanen ausschloss, enden heute die meisten Landflüchtigen in den Slums der Vororte.

• Industrielle Armut Wechsel zu Dienstleistungen?: Diese Bewegung, die heute die verschwindenden Arbeitsplätze in der Industrie ersetzen soll, wird

• a) behindert dadurch, dass der Dienstleistungsbereich bereits selbst in einer Restrukturierungsphase steckt, die erst durch Computer möglich wurde, und b) behindert durch oft unmässige Bildungs-Forderungen die sich am besten durch die zunehmende, oft absurde Akademisierung ausdrücken.

Die effizienteste Form der Armutsbekämpfung ist die Integration in den Arbeitsmarkt ....

so der Slogan, und zwar von links bis rechts. Radio Eriwan würde auch da antworten: Im Prinzip ja, aber ... vielleicht ist die Aussage ein bisschen verdreht formuliert ...

• vielleicht ist es ja wirklich absurd, sich an einen Arbeitsmarkt anpassen zu wollen, der gar nicht mehr da ist ...

• vielleicht müsste man ja eigentlich den Arbeitsmarkt nach den Bedürfnissen der Menschen ausrichten, statt die Menschen nach den Bedürfnissen des sog. Arbeitsmarktes, der von der Wirtschaft gestaltet wird und kein Naturprodukt ist, dass wir so nehmen müssen wie Naturgesetze.

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Aufgaben des Staates, die von der Wirtschaft noch nie wahrgenommen wurden, also mit einiger Sicherheit auch nicht

wahrgenommen werden können:

• Frieden

• Freiheit aller

• Gerechtigkeit ("für alle" ist im Begriff hier bereits enthalten) - gerechtes Regime(nt) um präzise zu sein, also                     Führung, Orientierung, Richtungsgebung ... was zumeist unterschlagen wird und ja auch nicht systematisch oder rational oder geplant oder überhaupt irgendwie vernünftig gemacht wird, sondern bloss als Resultat widerstreitender Meinungen, also des "Meinungsmarktes" zu Stande kommt. Diese Punkte sind eigentlich dominant ... und bereits sehr stark von wirtschaftlichen Interessen beherrscht. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass diese einseitige Ausrichtung sogar noch zunimmt.

• Schutz der Schwachen

• Förderung des Gemeinwohls

• Ganzheitliche, systemische Orientierung (inklusive Wertorientierung!) beim Streben nach Fortschritt.

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Die Begründung dafür, warum dies nicht möglich ist, liegt im unterschiedlichen WIR von Staat und

Wirtschaft.

Während dem die Wirtschaft auf Grund von Wettbewerb die Tatkräftigsten, Billigsten, Effizientesten, Klügsten, Produktivsten ... whatsoever ... aussuchen kann und das auch immer geschickter tut -  und sich um den Rest nicht zu kümmern braucht, und das auch nicht tut - besteht das WIR des Staates aus allen, auch aus den Ausgeschlossenen, den Unbrauchbaren, den Dummen, den Faulen, den Nutzlosen, den Querköpfen.

In der öffentlichen Argumentation um  3% Arme, 7% generation p, 10% die die Schule ohne Abschlusszeugniss verlassen ... 50% mit einem IQ unter 100 ... wird das abgetan als “Minderheitenproblem”.

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Das Paradoxon von Spezialisierung, Flexibilität und Loyalität: 

• Der Markt verlangt nach Fachwissen, also nach Spezialwissen, also nach langer und intensiver Ausbildung wie Erfahrung.

– Der Markt verlangt Flexibilität. Die Kenntnisse müssen also dauernd angepasst, ergänzt, erneuert, verändert werden.

• Der Markt verlangt loyale, karriereorientierte, strebsame, leistungsstarke Angestellte.

– Der Markt bezahlt für einige Leistungen mehr, für andere weniger, für sehr viele gar nichts ...

– Der Markt entwertet Fachwissen bei Flexibilität, weil jene die Vertiefung des Wissens behindert.

– Der Markt bewertet und belohnt Flexibilität negativ - da sie auf potentiell mangelnde Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber hinweist.

» Der Markt spinnt ... • denn, um Wissen zu erwerben braucht man Zeit und Geld. Um

Erfahrung zu erwerben braucht man Zeit, und Geld, und die Chance, sein Wissen überhaupt einsetzen zu können. Hier ist schon mal ein ziemlicher Betrug im System, denn es gibt kaum einen Angestellten, der auch nur die Hälfte des Wissens einsetzen kann, das zu erwerben er durch die Anstellungsbedingungen gezwungen war. Flexibilität kostet also einerseits enorm viel Zeit und Geld, und dies den Möchtegern-Arbeitnehmer, bringt aber wenig ein, da auch der Einsatz flexibel erfolgt, also nur noch wenn Arbeit da ist.

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Sozialstaat bedeutet „die Ausrichtung staatlichen Handelns auf die Herstellung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit

- auf die Sicherung eines sozialen Existenzminimums für alle sowie die Milderung der ökonomischen Ungleichverteilung und der sozialen (Klassen-, Schichten-, Gruppen-)Gegensätze.

Frank Nullmeier,Sozialstaat ersetzt im dt. Sprachraum weitgehend den international

verwendeten Begriff "Wohlfahrtsstaat", womit ein Gemeinwesen bezeichnet wird, das bestrebt ist, soziale Unterschiede – etwa materieller Natur – zwischen seinen Mitgliedern bis zu einem gewissen Grad auszugleichen, um die Teilhabe aller an den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen zu gewährleisten.

Der Begriff Sozialstaat ist eigentlich ein banaler Pleonasmus, denn ein Staat der sich nicht für die Lösung sozialer Probleme einsetzt ist ein Staat der bloss den herrschenden Kräften hilft, also ein überflüssiger Staat. Ein Staat, der den Reichen hilft noch reicher zu werden, und die Armen hängen lässt (eindeutig zweideutig gemeint), kann sich nur so lange auf demokratische Mehrheit stützen, als die Mehrheit sich durch die Medien an der Nase herum führen lässt.

• Die Frage, ob wir uns den Sozialstaat noch leisten können, kann so also gar nicht gestellt werden, sondern muss auch in der Form gestellt werden:

Können wir es uns leisten, auf das Soziale im Staat zu verzichten?

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Durch die Schaffung des Sozialstaates geschah dreierlei:

• Es wurde die Konkurrenz zwischen den einheimischen Unternehmen entschärft - die Solidarität zwischen den Lohnarbeitern fest institutionalisiert

• Ein Klassenkompromiss zwischen Kapital und Proletariat durch eine ihnen beiden politisch übergeordnete Macht, den Staatsapparat, wurde rechtlich garantiert.

• Das Bismarksches Sozialsystem war (und ist!) ein durch Beiträge erworbenes Recht. Kein Almosen, dass willkürlich gegeben oder unterlassen werden kann. Es besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Unterstützung - was von neoliberaler Seite heute als Ursache einer "Anspruchshaltung" beklagt wird.

• Es wurde allerdings zwischen unterstützungswürdigen

Lohnarbeitern und Nichterwerbstätigen (Paupern) unterschieden.

              Bismarcks Sozialgesetzgebung zielte darauf ab, Arbeiter

und Arme auseinanderzudividieren, bzw. gegeneinander

auszuspielen.

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 Sozialarbeit:

Dressur der Verlierer oder gerechtere Gestaltung der

Gesellschaft? • Grösstes Problem der Sozialarbeit ist die Schizophrenie, gleichzeitig

zu kontrollieren und zu helfen, good cop (helfen) & bad cop (beim Sparen helfen).

• Einerseits soll soziale Arbeit Maßnahmen der sozialen Kontrolle, der Normalisierung und Disziplinierung umsetzen.

– Andererseits und gleichzeitig soll sie Strategien des „Empowerment", also der Bemächtigung, der Hilfe zur Selbsthilfe und Selbstorganisation, entwickeln.

• Einerseits soll soziale Arbeit soziale Selbstanpassung und Handlungskonformität vermitteln.

– Andererseits soll sie die KlientInnen zu Handlungsautonomie, Selbstorganisation und Selbsthilfe erziehen.

• Einerseits soll Soziale Arbeit ethische Werthaltungen (also: Solidarität, Familienbindungen) organisieren.

– Andererseits und gleichzeitig soll sie Akzeptanz für „Creaming"-Prozesse vermitteln, in denen sozial-integrierbare von nicht mehr integrierbaren („Arbeitsunwillige") geschieden werden.

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Die neuen SKOS -Richtlinien (April 2005):

• Das Existenzminimum wurde um 10% gesenkt von 1110 auf 960 Grundbedarf pro Monat. Der Ansatz richtet sich nicht mehr wie bisher an den ärmsten 20% aus, sondern an den ärmsten 10%

• Unter das Existenzminimum darf die Unterstützung eigentlich nicht gehen - solange die Verfassung noch das Existenzrecht garantiert. Dies wird allerdings längst und dauernd unterlaufen, da bei "Nichtkooperation" (Annehmen jeden Scheissjobs der vom Amt vorgeschlagen wird, ungenügende Arbeitsbemühungen) die Leistungen um 10% gekürzt werden können, womit auch dauernd gedroht wird. (Sonst fällt den Leuten eben auch da nix ein ... )

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Selbstbedienungsmentalität

• Der Anteil der Bevölkerung der in die Sozialhilfe gedrängt wird steigt - populistisch wird das aber ins Gegenteil verkehrt:

Die Selbstbedienungsmentalität hat überhand genommen. Bereits ganz  Junge werden direkt zur Sozialhilfe erzogen. Die Aussage ist präzise richtig, allerdings sind es die Betriebe die Selbstbedienung betreiben - denn was anderes offeriert denn der Steuerwettbewerb? Hä? Und die Jungen werden darauf Dressiert anzuerkennen, dass Bewerbungen sinnlos sind, sie sich also gleich am besten einfach in einen Billigstjob schubsen lassen. _ ABER:

Solange die Sozialhilfe attraktiver ist als ein Billigjob, werden wir die Probleme nicht in den Griff bekommen. (SVP)

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Zum “unmöglichen” Auftrag der Sozialarbeit - und der

Entwicklungshilfe 1. Generell ist die Qualität der Beratung bei Sozialämtern

haarsträubend. Eigentlich ginge es bei den Jobs ja darum, den Betroffenen neue Chancen zu eröffnen, neue Hoffnung zu geben, was aber gemacht wird ist Kontrolle, Druck, Zuordnung, Verfügung. Statt als Berater arbeiten die Sozialbeamten als Sklaventreiber. Um die Qualität der Beratung zu verbessern, sollten eigentlich den Sozialhilfeabhängigen alle Möglichkeiten der Beratung offen stehen, also insbesondere diejenige, die den Arbeitslosen über RAVs angeboten wird - wie auch entsprechende Weiterbildungs- und Beschäftigungsprogramme. In der vorgeschlagenen Verfassung der EU z.B. steht das ganz klar so drin.

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• Zweitens schaffen sich hier einige Beamte ihr eigenes Willkürregime. Gegen willkürliche - aber für die zuständigen Sozialbeamten, und damit im Nachhinein für die "Geholfenen" verbindliche - Verfügungen von Institutionen wie etwa das AIZ (Arbeitsintegrationszentrum) muss sich der/die Verfügte wehren können, und zwar ohne dem Gericht erst die Gerichtskosten vorerstatten zu müssen. Hier braucht es im Minimum eine vom Amt selbst unabhängige Ombudsstelle.

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• Eigentlich hätte die Sozialarbeit, und damit die SozialarbeiterInnen einen klaren ethischen Auftrag - dummerweise erfordert dieser aber politische Aktivitäten, und es gibt keine Politik, die von Fachleuten bestimmt wird - über das Volk hinweg - was eigentlich so richtig ist. Dennoch versucht die Gesellschaft hier eigentlich einen gesellschaftlichen Gestaltungsauftrag zu erteilen, der eigentlich Aufgabe des 3. Sektors wäre ... und gar nicht delegiert werden kann.  Der Auftrag müsste hier (wie bei der Entwicklungszusammenarbeit) eigentlich so lauten, dass der Auftragnehmer dazu verpflichtet wird, die Motivation und Absicht des Auftraggebers so umzuformen, dass sie den wirklichen, im Feld bestimmten Bedürfnissen der Geholfenen entspricht. Einen solchen Auftrag gibt es aber nicht - also ist Sozialarbeit eigentlich unmöglich - ausser sie bedient sich der List.

Einen ähnlich unmöglichen Auftrag hatten allerdings die Armenärzte im 19. Jahrhundert, und es ist oft deren Einsatz zu verdanken, dass Wasserversorgung und Kanalisationen gebaut wurden.

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Fernziel: Das gute Leben - Zufriedenheit - Glück ?

Das wichtigste Problem scheint mir, dass wir eigentlich keinen blassen Dunst haben, welches Ziel wir ansteuern, wohin wir eigentlich wollen, was unter "Wohlstand" (für alle) zu verstehen wäre, und

wie eine Gesellschaft organisiert werden müsste, dass sie dies ermöglicht.

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• Das Ordnungsmodell "Wettbewerb" führt zu noch mehr Ungleichheit und zur Herrschaft des Kapitals, also nicht zu mehr Wohlstand, der eigentlich nicht bloss ein Mass für Gut-Haben sein dürfte, sondern ein Mass für Wohl-Sein. Der Gegenwärtige allgegenwärtige Trend zu immer schneller immer mehr ist bloss noch Zwang und beengt das erfüllte Leben:

• Je besser die Bedingungen für ein erfülltes Leben, desto höher die Lebensqualität

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Interessant wäre, gerade an Weihnachten, die Idee, das christliche Prinzip der Nächsten-Liebe als Ordnungsprinzip zu erwägen. Interessant insbesondere darum, weil die Liebe eigentlich bedingungslos ist, sich keiner Ordnung unterwirft, sondern, präzise wie der Mensch, nur in Freiheit gedeiht. ... aber... das war einmal ... denn heute reagieren wohl die meisten, sogar an Weihnachten, mit einem Grinsen auf eine solche Idee, denn, die Realität sieht anders aus.

Ehrlicherweise dürfte sich eine Wettbewerbsgesellschaft gar nicht christlich nennen …

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Links zu den wichtigsten Beiträgen:

• Was ist Reichtum, welche Funktion hat er und welche Verantwortung? http://www.diskussionsforen.ch/Armut/reichtum_und_armut_III.htm (google: was ist reichtum)

• Armut - Ein Katastrophengebiet - auch der Kommunikation - Arme - Die Verlierer im Wettbewerb um Wohlstandhttp://www.diskussionsforen.ch/Armut/index.htm (google: armut)

• Definition und Ursachen der Armut - und einige Lösungsansätze - Wer vertritt wie die Interessen der Armen?

http://www.diskussionsforen.ch/Armut/armut.htm

Nächste Veranstaltung 09.01.2008:

Probleme der Wirtschaftsfreiheit mit der Grösse.

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Und allen Sisyphusen:

Frohe Weihnachten und ein

gutes neues Jahr.