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Meinhard Grubert Okologie extrem adaptierter Bliiten- p flanzin tropischer Wasserfalle 1. Einleitung Die hohe Anpassungsfahigkeit von Angio- spermen an die verschiedensten Lebensraunie ist oft bewundert worden. Die Faniilic der Podostemaceae (200 Arten, 43 Gattungen) gehiirt niit zu den interessan- testen dikotylen Gcwachsen, denn ihre Ver- treter besiedeln einen aul3ergew2ihnlichen Biotop: Stromschncllcn und W,isserfalle tro- pischer Fliissc. Die Podostemaceae (sie wer- cien heutc zu den Rosales gestcllt) sinci Ver- trctcr ciner sehr altcn Familie, derm samt- liche Arten ausschliel3lich in diesem extrcmcn Biotop lcben und es dort unter cien gleichen StandortbedinSungen %ti cincr Fiille diver- gierender Formen gebracht haben. Sehr wahrscheinlich lag cier Ursprung der Familie im tropischen Amerilia. Den groflten Arten- reichtum an Podostemaceen weist der ameri- kanische Kontinent auf (140), wahrend Afrika (40 Arten) und Asien (20 Arten) deutlich armer an Vertretern dieser Familie sind. In Eui-op.1 sind bisher keine Podostemaceen ge- fundcn worden. Das Beinerkenswerte an den Podostcmaccen ist, wie schon angedeutet, der Standort. Die Pflanzen leben im Bereich der Stromschnel- len und Wasserfalle in einer von anderen Pflanzen freien Zone, direkt auf den nackten Fels gckittet. Die von ihnen besiedelten Fliisse weisen starke jahrliche Wasserstands- schwankungen auf, wobei in der Trocken- zeit die Felsen nieist vollig freigelegt werden. Den griiiiten Teil des Jahres leben die Poclo- stemaceen jedoch submers. Da die besiedel- ten Fliisse meist elektrolytarin sind, kiinnen diese Pflanzen nur dort zur Massenentwick- lung komnien, wo der COz-Vorrat stets aus dei- Luft ersetzt wird, d.h. in turbulen- tein Wasser. In stehenden oder langsam flielknden Gewassern sind ciaher keine Po- dostemaceen anzutreffen. Dieser extreme Lebensraum lafit es verstandlich eracheinen, cia13 wir hier niit den verschiedensten An- passungserschcinungen zu rechnen haben: Der Habitus dieser Pflanzen ahnelt oftmals einer Alge, einet- 1:lecIite oder eineni Moos. In det- vorliegendcn Ai-beit werden h'iupt- sachlich drei siidamerikanische Podostema- ceen naher beschrieben, wobei besonders die Anpassungserscheinitngen verschiedener Entwicklungsstadien der Pflanzen an die Gcgebenlieiten des Lebensraunies bctont werden. Okologie wird hier also hciuptsach- lich unter niorphologischcn Gesichtspunkten gesehen. 2. Das Untersuchungsgebiet Von Oktober 1972 his Mirz 1973 wurdcn Untcrsucliungcn zur Okologic dcr Podo- stemaceen hauptsichlich im Gchict dcs untc- ren Kio C'ironi dut-chgefiih t-t':.. Dci- I<io Caroni, gt-iillter rcchtsscitiger Ncbciifl~ilS dcs Rio Orinoco, ist wie vicle scincr Ncbcnflii\sc reich an St rom sch n cllcn ti n d K.it .I r.ik tc 11 . Kurz vor der Miindung in den Kio Orinoco sturzt der E'lul3 iiber zhllosc Iclcinct-e und grohre Wasserfiille und Stromschncllcn 'itif das Niveau des Orinoco her,ih. r)icscs Gehict, etwa 20 km von San Felix cntfernt, stellt ein wahres Eldorado fiir PoJostcm,iceeiistLi~lien dar, da her eine seltcn ,inzutt-effcndc Artcn- fiille vcreint ist niit einer Iieichh,~ltigl~eit 'in unterscliiedlichen Biotopcn, Jic zuclcm rccht gut crreichbar sind (Abbildung 1). Der Rio Caroni gehiit-t 7.~1 den ,,ScIiwcir/.- wasserfliissen", der %wCit- nullerst khres, jedoch durch Huminstoffe hrLiungefZrbtes Wasser fiihrt (Abbildung 2). Auffdlend ist der niedrige pH-Wert des I~l~iIlw,issers (pH = 4,8j sowie die Elcktrolytarmut (Lcitfihigkeit 9 !tS bei 28"C), die Jcr von destilliertem Wasscr (Leitfahigkeit 2 !IS bci 21 "Cj ncihc- Iconimt. Uni dicse Zahlen verstindlicher Y,LI machen, sci hicr nocli die Lcitfhhiglccit des elelctrolytreichen L.eitungsw,issci-s (M.iinzer Lcitungswasser) genannt, die bei 21 "C eincn Wert von 900 btS aufwcist. [lie W.isserten- peratur dea Iiio Caroni liegt hci 28-29"C. Das felsige Substrat, detn (tic I'odostem.iceen aufsitzen, ist gt-anitisches Gestein. Im Untersucliungsgcbiet heri-scht tropisches Klima, niit eineni jihrlichen Wcchscl von Trockenzeit (Dezembcr bis Mil-zj und lie- genzeit (Hauptrcgenzeit von J uni bis August) (Abbildung 3). Dadurch ist dcr W.isscrstmc1 des Flusses starken Schwankungcn tinter- worfen; cier FluC kann in der Ti-ockcnzeit bis auf kleinere Kinnsale austrocltnen. 3. Eigene Untersuchungen am Standort Komint man zur Zeit hohen W,isscrst.indes an die Wnsset-fallc des unteren Kio Cironi, so kann man in der tobcnden Gischt kcinc ::-D~I- Deutschen r:ol-scliungsgc~ilcitl;cllaft dankc ich fur die gcwahrte Untcrstiitzung. Ebenso bin ich cler Corpor,icicin Vcnezolma de Guayana Elcctrific,ition tiel Caroni (CVG EDELCA) f iir d ic f reu n d I ich c U n tc rstii txu ng zu Dank verpflichtet. 19

Ökologie extrem adaptierter Blütenpflanzen tropischer Wasserfälle

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Meinhard Grubert Okologie extrem adaptierter Bliiten- p flanzin tropischer Wasserfalle 1. Einleitung

Die hohe Anpassungsfahigkeit von Angio- spermen an die verschiedensten Lebensraunie ist oft bewundert worden.

D i e Faniilic der Podostemaceae (200 Arten, 43 Gattungen) gehiirt niit zu den interessan- testen dikotylen Gcwachsen, denn ihre Ver- treter besiedeln einen aul3ergew2ihnlichen Biotop: Stromschncllcn und W,isserfalle tro- pischer Fliissc. Die Podostemaceae (sie wer- cien heutc zu den Rosales gestcllt) sinci Ver- trctcr ciner sehr altcn Familie, d e r m samt- l i che Arten ausschliel3lich in diesem extrcmcn Biotop lcben und es dort unter cien gleichen StandortbedinSungen %ti cincr Fiille diver- gierender Formen gebracht haben. Sehr wahrscheinlich lag cier Ursprung der Familie im tropischen Amerilia. Den groflten Arten- reichtum an Podostemaceen weist der ameri- kanische Kontinent auf (140), wahrend Afrika (40 Arten) und Asien (20 Arten) deutlich armer an Vertretern dieser Familie sind. In Eui-op.1 sind bisher keine Podostemaceen ge- fundcn worden.

Das Beinerkenswerte an den Podostcmaccen ist, wie schon angedeutet, der Standort. Die Pflanzen leben im Bereich der Stromschnel- len und Wasserfalle in einer von anderen Pflanzen freien Zone, direkt auf den nackten Fels gckittet. Die von ihnen besiedelten Fliisse weisen starke jahrliche Wasserstands- schwankungen auf, wobei in der Trocken- zeit die Felsen nieist vollig freigelegt werden. Den griiiiten Teil des Jahres leben die Poclo- stemaceen jedoch submers. Da die besiedel- ten Fliisse meist elektrolytarin sind, kiinnen diese Pflanzen nur dort zur Massenentwick- lung komnien, wo der COz-Vorrat stets aus dei- Luft ersetzt wird, d .h . in turbulen- tein Wasser. In stehenden oder langsam flielknden Gewassern sind ciaher keine Po- dostemaceen anzutreffen. Dieser extreme Lebensraum lafit es verstandlich eracheinen, cia13 wir hier niit den verschiedensten An- passungserschcinungen zu rechnen haben: Der Habitus dieser Pflanzen ahnelt oftmals einer Alge, einet- 1:lecIite oder eineni Moos. In det- vorliegendcn Ai-beit werden h'iupt- sachlich drei siidamerikanische Podostema- ceen naher beschrieben, wobei besonders die Anpassungserscheinitngen verschiedener Entwicklungsstadien der Pflanzen an die Gcgebenlieiten des Lebensraunies bctont werden. Okologie wird hier also hciuptsach- lich unter niorphologischcn Gesichtspunkten gesehen.

2. Das Untersuchungsgebiet

Von Oktober 1972 his M i r z 1973 wurdcn Untcrsucliungcn zur Okologic dcr Podo- stemaceen hauptsichlich im Gchict dcs untc- ren Kio C'ironi dut-chgefiih t-t':.. D c i - I<io Caroni, gt-iillter rcchtsscitiger Ncbciifl~ilS dcs Rio Orinoco, ist wie vicle scincr Ncbcnflii\sc reich an St rom sch n cllcn ti n d K.it .I r.ik tc 11 . Kurz vor der Miindung i n d e n Kio Or inoco sturzt der E'lul3 iiber z h l l o s c Iclcinct-e u n d g r o h r e Wasserfiille und Stromschncllcn 'itif

das Niveau des Orinoco her,ih. r)icscs Gehict, etwa 20 km v o n San Felix cntfernt, stellt e i n

wahres Eldorado fiir PoJostcm,iceeiistLi~lien dar, da h e r eine seltcn ,inzutt-effcndc Artcn- fiille vcreint ist niit einer Iieichh,~ltigl~eit 'in

unterscliiedlichen Biotopcn, J i c zuclcm rccht gut crreichbar sind (Abbildung 1) .

Der Rio Caroni gehiit-t 7.~1 den ,,ScIiwcir/.- wasserfliissen", der %wCit- nullerst k h r e s , jedoch durch Huminstoffe hrLiungefZrbtes Wasser fiihrt (Abbildung 2). Auffd lend ist der niedrige pH-Wert d e s I~l~iIlw,issers (pH =

4,8j sowie die Elcktrolytarmut (Lcitfihigkeit 9 !tS bei 28"C), die J c r von destilliertem Wasscr (Leitfahigkeit 2 !IS bci 21 "Cj ncihc- Iconimt. Uni dicse Zahlen verstindlicher Y,LI

machen, sci hicr nocli die Lcitfhhiglccit d e s

elelctrolytreichen L.eitungsw,issci-s (M.iinzer Lcitungswasser) genannt, die bei 21 " C eincn Wert von 900 btS aufwcist. [ l ie W.isserten- peratur dea I i io Caroni liegt hci 28-29"C. Das felsige Substrat, detn (tic I'odostem.iceen aufsitzen, ist gt-anitisches Gestein.

I m Untersucliungsgcbiet heri-scht tropisches Klima, niit eineni jihrlichen Wcchscl von Trockenzeit (Dezembcr bis Mil-zj und l ie - genzeit (Hauptrcgenzeit von J uni b i s August) (Abbildung 3). Dadurch ist dcr W.isscrstmc1 des Flusses starken Schwankungcn tinter- worfen; cier FluC kann in d e r Ti-ockcnzeit bis auf kleinere Kinnsale austrocltnen.

3. Eigene Untersuchungen am Standort

Komint man zur Zeit hohen W,isscrst.indes an die Wnsset-fallc des unteren K i o C i r o n i , so kann man in der tobcnden Gischt kcinc

::-D~I- Deutschen r:ol-scliungsgc~ilcitl;cllaft dankc ich fur die gcwahrte Untcrstiitzung. Ebenso bin ich cler Corpor,icicin Vcnezolma de Guayana Elcctrific,ition t i e l Caroni (CVG E D E L C A) f iir d i c f reu n d I ich c U n tc rstii t x u ng zu Dank verpflichtet.

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Anzeichen hier lebender Pflanzen erkennen (A bbildu rig 4).

Erst bei niedrigerem Wasserstand sind die Podostemaceen zu sehen, und sie erscheinen dann in uncrwarteter Fulle, hauptsachlich in den stark sonnenbeschienenen Wasser- fallen und Stromschnellen. Wenn man einen Wasserfall dieses Gebietes bei mittlerem Wasserstand auf Podostemaceen hin unter- sucht, s o zcigt sich, da13 vor dem eigent- lichen Wasscrsturz, also dort , wo das Wasser get-adc hegintit turlhulent zu werden, im Wnsscl- gi ollblhtti-igc I’llan/.cn sichtbar wer- den. Diese Podostemacee, Mourera fluwiati- lis AUBL., besitzt ungeteilte harte Blatter, die auf der Unterseite eine deutliche Ner- vatur besitzen, wahrend auf der Blatt- oberseite derbe Eniergenzen auftreten. Die etwas an Krauskohl erinnernden Blatter konnen eine maximale Lange von 1,30 m aufweisen und sind am Rand wellig bis fransig zerteilt. Da iolche grof3en Blatter nicht der Gewalt herabsturzender Wasser- massen standhalten kiinnen, trifft man diese Podostemacee nur oberhalb des eigentlichen Wasserfalles an. Es erweist sich als sehr schwierig, cine solche I’flanze von Mourera fluviatilis ohne Beschadigung vom Fels ab- zulosen, da sic mit dem dickfleischigen, zwei- zeilig beblatterten SproC iiber Haftorgane (sogenannte Hapteren) intensiv mit der Un- terlage verbunden ist. Die Hapteren stellen zahnartige bis bandartig verbreiterte Aus- wiichse dar, die ciirekt unter der Blattansatz- stelle oder der Unterseite des Sprosses ent- springen (Abbildung 5 b). Auffallend ist, dai3 die Hapteren uniso langer werden, je weiter sic voni Substrat entfcrnt sind. Dor t etwa, wo die Basis einer Mourera-Pflanze sich uber einer L icke iin Fels befindet, kann man diese Haftstrukturen deutlich sehen. Bei Beruhrung mit dem Fels verbreitern sich die Hapteren und bedingen durch Ausbildung weiterer Haftorgane in ihrer direkten Nach- barschaft cine hervorragende Verankerung der Pflanze auf dcin nackten Fels. Wie Ab- bildung 5 a zeigt, sind an solchen noch uberfluteten Exemplaren oftmals schon junge Infloreszenzen sichtbar, die jedoch auch noch vollig untergetaucht sind.

Wenn man bci niedrigem Wasserstand den steil abfallenden Teil cines Wasserfalles in diesem Gebiet untersucht, so fallen die dich- ten Bestatide der Podostemacee Apinagia multibrarichiata (MATTH.) v. R O Y E N auf (Abbildung ha). Sic besitzt diinne, z. T . be- achtlich lange ‘I’riebe (maximale gemessene

Lange 2,20 m), die in vollem Mai3e der Ge- Walt der herabstiirzenden Wassermassen aus- gesetzt sind. Die diinnen flutenden Sprosse sind zweizeilig beblattert. Bei allen Sprossen ist der untereTeil als Haftscheibe ausgebildet. Diese ist auch hier durch innige Vereinigung zahlreicher Hapteren mit der Unterlage ent- standen. N u r dort, wo der Bodenkontakt fehlte, lassen sich die Hapteren noch erken- nen. Die Sprosse sind meist unverzweigt, nur in der Randzone des Wasserfalles treten an den flutenden Sprossen in deren unteren Bereichen Seitentriebe auf, die stark ver- zweigt sind und kiirzere Internodien auf- weisen (Abbildung 6c). Im Gegenlicht kann man an solchen seitlichen Verzweigungs- systemen die jeweils zwischen zwei Blatt- basen eingeschlossenen Blutenknospen er- kennen (Abbildung 6 b).

Wahrend bei Mourera fluviatilis keine Wur- zeln nachweisbar sind, besitzt Apinagia mul- tibranchiata viele 1-2 m m starke, den Fels netzartig hberziehende Wurzeln. An ihnen entstehen in Abstanden von einigen Zenti- metern paarweise Wurzelsprosse (Abbildung 6d) . Besonders in der Randzone des Wasser- falles wachsen die vegetativ entstandenen Pflanzchen zu kieineren, reich verzweigten Formen heran. Diese Pflanzen entsprechen im Habitus (kurze Internodien, reiche Ver- zweigung, mit noch verborgenen Bliiten- knospen) den zuvor beschriebenen basalen Verzweigungssystemen flutender Sprosse. Die Podostemacee Apinagia rnultibranchiata besitzt also einen habituellen Dimorphismus: Neben langen unverzweigten, zweizeilig be- blatterten Sprossen im stark uberfluteten Teil des Wasserfalles treten kleinere, reich ver- zweigte Formen auf, die bereits Bluten- knospen erkennen lassen und bevorzugt im Kandbereich des Wasserfalles anzutreffen sind.

Untersucht man bei diesem Wasserstand je- nen Teil des Wasserfalles, der der Wucht des aufschlagenden Wassers am starksten ausge- setzt ist, so findet man eine weitere Podoste- macee : Rhyncholacis penicillata M A T T H , (Abbildung 7a). Sie sitzt dem Fels mit einem scheibenformig verbreiterten Sprofl fest an. Vereinzelt kann man an einigen Exemplaren, die basal teilweise keinen Bodenkontakt hatten, Hapteren erkennen. Diese zahnarti- gen, der Verankerung dienenden Auswiichse werden auch hier besonders lang, wenn der Bodenkontakt erst spat erreicht wird (Ab- bildung 7b). Versucht man Pflanzen von Rhyncholacis penicillata abzulosen, so reii3en

stets nur die Blatter ab. 1m Gegensatz ZLI

den beiden zuvor beschriebenen Arten sind die Blatter dieser Podostemacee in feinste Fiedern aufgeteilt (maximale gemessene Lange 80 em). Rhyncholacis penicillata be- sitzt, entsprechend den Verhaltnissen bei Mourera fluviatilis, keine Wurzeln.

Neben diesen drei Podostemaceen treten bei fallendem Wasserstand weitere, zum Teil kleine, rasenbildende Arten auf. Die bisher geschilderte Zonierung cier Podostemaceen im Bereich des Wasserfalles gilt nur fiir die betreffenden Arten und lief3 sich besonciers deutlich im Gebiet der Wasserfalle des un- teren Rio Caroni erkennen. DaC der O r t der einzelnen Podostemaceen im Wasserfall bei Arten innerhalb einer Gattung nicht stets der gleiche ist, zeigte sich an anderen Wasserfallen. So tritt etwa in den Katarakten des Rio Carrao bei Canaima einc andere Rhyncholacis-Art bevorzugt im oberen Teil der Wasserfalle auf. Auch hier ergeben sich bei fallendem Wasserstand unerwartete An- blicke reicher I’odosteniaceenbestaii~ie,

Doch zuriick zu den Pociosteniaceen der Wasserfalle des unteren Rio Caroni. Bei wei- terem Sinken des Wasserspiegels treten diese Pflanzen noch deutlicher hervor und erfahren dabei charakteristische Veranderungen. Ani auffallendsten sind wohl die Infloreszenzen von Mourera fluviatilis, die wie rosafarbene Kerzen aus dem Wasser ragen und in abstei- gender Folge erbliihen (Abbildung 8). Die Lange der lnfloreszenzen kann zwischen 8 und 64 cm schwanken. Meist sind die Blatter der bliihenden Exemplare schon etwas aus dem Wasser herausgetreten; sie konnen jedoch auch noch vollstandig iiberflutet sein. Die einzelnen gestielten Bliiten sind hicr, wie auch bei den zwei restlichen Arten, zunachst von einer diinnen, vollig geschlossenen Hiille, der sogenannten Spathella, umgeben. Diese wird bei der Streckung des Bliitetistieles ge- sprengt. Die Bliiten aller drei, hier naher behandelten Arten sind polyandrisch, weisen radiaren Bau auf und besitzen nur noch eine reduzierte Blutenhulle. Diese besteht aus zahlreichen, bis etwa 0,5 mm langen schup- penartigen Blattchen.

Auch die Bestande der Apinagia multibrari- chiata zeigen bei weiter gefalleneni Wasser- stand Bliiten. Diese treten an den basalen seitlichen Verzweigungen der langen Sprosse auf oder entstammen den kleineren, stark verzweigten I’flanzen (Abbildung 9). Auf- fallend ist, dai3 nur in jeneni Bereich des

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Wasserfalles bliihende Exemplare auftreten, der nicht mehr konstant iiberflutet, sondern nur noch von Spritzwasser feucht gehalten wird. AuGerdem sind zum Zeitpunkt der Exposition der Bliiten die Blatter meist nur noch als Keste vorhanden. Auch die Sprosse zeigen Verfallserscheinungen, die mit dem Aufreii3en der Epidermis beginnen. Letztlich platzt die Epidermis mehr oder weniger voll- standig ab, und die Oberflache der Achse wird schmierig. Die lange zuvor schon ange- legten Bliiten werden, wenn die aui3eren Bedingungen es erlauben, in weniger als einem Tag exponiert. Die Bliihdauer der einzelnen Bliiten betragt etwa einen Tag. Die nicht mehr iiberfluteten, langen unverzweig- ten Triebe sterben ebenfalls rasch ab und hangen in Form brauner unansehnlicher Ge- bilde an den Felsen.

Am tiefgreifendsten sind die Veranderungen an den Pflanzen der Rhyncholacis penicillata bei stark fallendem Wasserstand. Im Bereich der Spritzzone sterben die Blatter rasch ab; es verbleiben dann nur noch die starkeren Stielreste an der Sproi3basis (Abbildung 10). Die Bliiten treten hier nicht einzeln oder in langgestreckten Infloreszenzen auf, sondern sind zunachst in Biindeln von etwa zehn Einzelbluten in der Achsel zweier Blatter (Stipularhiille) schiitzend geborgen. Beim Sinken des Wasserstandes wird von den sich rasch streckenden Bliitenstielen des verbor- gcnen Bliitenfascikels die schiitzende Stipu- larhiille durchbrochen und nach Sprengen der Spathella sind die Bliiten voll entfaltet. Auch hier betragt die Bliihdauer nur etwa einen Tag. Die allgemein fur die Podoste- maceen typische Gegenlaufigkeit zwischen dem Absterben der vegetativen Teile und der Bliitenentfaltung bei stark gefallenem Wasser- stand zeigt sich bei dieser Art besonders deutlich.

Noch auffalliger sind diese Verhaltnisse bei einer anderen Rhyncholacts-Art. Abbildung I l a zeigt die Stipularhiille, in der man beim offnen die noch im Knospenzustand ver- harrenden Bliiten sieht (Abbildung I lb) . Mit dem Sinken des Wasserspiegels geraten auch hier die Blatter schliefllich aus dem stromen- den Wasser und sterben ab. Wie Abbildung I l c zeigt, bliihen die Pflanzen im Bereich der Spritzzone, wobei die Blatter fast voll- koininen verf'illen sind

Wie man sieht, werden also die zuvor wah- rend des Hochwassers angelegten Bliiten der PoJostcmaceen bci Freilegung der Pflanze

exponiert. Die Frage nach dem auslosenden Reiz fur die Anlegung der Infloreszenzen und Bliiten kann hier nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Bei Mourera fluviatilis scheinen die Infloreszenzen bereits fruh- zeitig angelegt zu werden, denn es zeigte sich, dai3 selbst Pflanzen, die noch von einer etwa 50 cm starken Wasserschicht bedeckt waren, bereits mehrere Infloreszenzen ange- legt hatten (Abbildung 5 a). Auch Pflanzen der Rhyncholacis penicillata legen schon friih- zeitig Bliiten an. So wiesen bereits solche Pflanzen schon Bliitenfascikel auf, die noch von einer 20-30 cm starken schaumenden Wasserschicht bedeckt waren. Bei Apinagia multibranchiata sind in den am starksten iiberfluteten Teilen des Wasserfalles fast keine Blutenknospen an den Pflanzen vor- handen. Wie zuvor schon beschrieben, treten diese mehr oder weniger ausschliei3lich im Randbereich des Wasserfalles auf. Insgesamt konnte somit fur die Anlegung der Bliiten bei allen drei genannten Arten ein Lichtreiz verantwortlich sein; d.h. die Pflanzen legen die Bliiten bei einer gewissen sie erreichenden Lichtstarke an. Bei Apinagia multibranchiata scheint zudem noch ein Trockenreiz einzu- wirken.

Da am natiirlichen Standort die Entfaltung der angelegten Bliiten bei der Freilegung der Pflanzen bei sinkendem Wasserstand er- folgt, liegt die Vermutung nahe, man brauche die Pflanzen nur dem Wasser zu entnehmen, und durch diese Trockenlegung gelangten sie zur Bliite. Diese in der Literatur oft ge- auflerte Ansicht liefl sich aber bis auf wenige Ausnahmen nicht bestatigen, denn die plotz- lich vollkommen trockengelegten (frei auf- gehangt oder auf trockenen Stein gelegt) Pflanzen vertrockneten in kurzer Zeit, ohne die angelegten Bliiten zu entfalten. Dabei zeigte sich, dai3 die Podostemaceen keinerlei Verdunstungsschutz besitzen, denn innerhalb weniger Stunden verloren sie oftmals iiber die Halfte ihres Frischgewichtes. Wichtig fur die Entfaltung der Bliiten am natiirlichen Stand- ort ist demnach, dai3 die Freilegung der Pflan- Zen nicht plotzlich und total erfolgt. N u r die bei langsam sinkendem Wasserspiegel freige- legten Exemplare, die basal stets noch um- spiilt oder gelegentlich von Spritzwasser ge- troffen werden, gelangen zur Bliite.

Experimentell konnen die Podostemaceen unter folgenden Bedingungen zum Bliihen gebracht werden: Belai3t man die gesammel- ten Pflanzen etwa iiber Nacht in einem dicht verschlossenen Plastikbeutel, so findet man

das gesammelte Material am nachstenMorgen voll erbliiht. Durch diese Methode, Pflanzen mit angelegten Bliiten iiber Nacht in einer wasserdampfgesattigten Umgebung zu belas- sen, war es moglich, von allen gesammelten Podostemaceen bluhende Exemplare zu er- halten. An den im Beutel nufbewahrten Pflanzen traten aber nicht nur die Bliiten hervor, sondern es zeigte sich, dai3 alle dick- fleischigen Teile (Sprosse der Apinagia multi- branchiata, basale Teile der Blatter von Rhyncholacis penicillata, Blattadern bei Mou- rera fluviatilis) aufgerissen waren und aus den Liicken der gesprengten Epidermis ein wei- i3er Brei aus mazerierten Zellen heraustrat. Diese Erscheinung der Mazeration wurde bereits von Gessner und Hammer (1962) beschrieben. Wie eigene Befunde zeigen, scheint sie bei zahlreichen (vielleicht sogar allen?) Podostemaceen vorzukommen.

Doch nicht nur bei Aufbewahrung der Pflan- Zen im verschlossenen Beutel treten Mazera- tionserscheinungen und Bliitenentfaltung auf, sondern auch beim Herbarisieren dieser Pflanzen. Da zwischen den dichtgepackten Bogen der Pflanzenpresse 100 70 rel. Feuchte vorliegen diirfte, waren auch hier fur die beschriebenen Veranderungen giinstige Be- dingungen gegeben.

4. Samenverbreitung und -keimung

Wie schon zuvor gesagt, bliihen die Podoste- maceen nur kurz (etwa einen Tag lang) und wahrend nun der Flu13 weiter fallt, und die Pflanzen vollkommen trockengelegt werden, reifen die Fruchte heran. Auch hier liei3en sich diesbeziigliche Literaturangaben nicht bestatigen, denn streufahige, reife Samen lagen bei allen untersuchten Arten nicht schon nach wenigen Tagen, sondern erst nach mindestens drei Wochen vor. Da in dem Gebiet des Rio Cnroni der Wasser- stand bis Marz standig sank, waren die von Podostemacecn besiedelten Felscn iiber einen langeren Zeitraum viillig trocken und iiber- sat mit fruchtendcn Podostemacecn. Von den vegetativcn Teilen der Pflanzen sind nur noch sparliche Reste vorhmden, so daf3 die Felscn im FlulZbett ein trostloses Bild bieten. Nur in einigen Rinnen fliellt noch Wasser; dort konnte man aucli jetzt noch vegetative unct bliiliencic Podostemaceen antreffen. In den Jm hiichsten iiber dem Wasserniveau gelegenen Zonen waren schon friihzeitig reife Friichte zu finden, die zu- dem meist schon offen waren (Abbildung 1 2 ~ ) . Bei starker Sonneneinstrahlung sprin-

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gen die aerocl~~istischen (nur bei viilliger 'I'rockenhrit sich iiffnenden)Fruclite septifrag

man die Samen auf einer Glasplatte verschlei- men, so kann man nach dem vollstandigen

sich bei erneut cinsetzendeni Hochwasser hier wieder entwickeln kiinnen.

auf, wobei cturch die ini Perikarp herrschen- den Spannungen die zwei Carpellklappen sich in Lingsrichtung etwas einrollen, wah- rend die elliptische, mit unzahligen winzigen Samen ubcrsate Plazenta herabfallt. Die Sa- men werden bei der pliitzlichen Offnung der Fruchte nicht weggeschleudert; vielmehr befindet sich stets der griif3te Teil der Samen direkt unter den geiiffneten Fruchten (Abbil- dung 12 13). D.1 ein 1:erntrmsport der %men gegcn I:lief<richtung des Stromes oder zu benxhbLirtcn Flusscn sicherlich erfolgt (die einzelnen Arten sind nicht nur auf einen Wmxrf'ill eines Flusses beschrankt), so gilt die 1:rage n u n der Art und Weise, in der dieser Transport bewerkstelligt wird. Zahl- reichc Autoren (u. .I. Engler 1930) nehmen an, cia13 die Samen an den Fliissen von Vogeln weitertransportiert werden. Wahrscheinlicher (so zeigtcn es zuniindest die Beobachtungen am Standort) werden die winzigen und leich- ten Samen aber durch Winde (die in der Trockenzeit oftmals recht beachtlich waren) verbreitct.

Der Transport dcr Samen durch Luftstro- mungcn mu13 bald nach dem Offnen der Fruchte gescliehcn, d~ die Sanien durch ge- ringste Wasscrmcngen schon an der Unter- lage angeklebt werden. Diese Besonderheit geht auf die 1:ahigkeit der Podostemaceen- sanien zuruck, bei Befeuchtung eine Schleim- hiille zu bildcn, durch die sie bei anschlie- lSender Verdunstung des Wassers fest an die Untei-lnge gekittet wcrclen (Abbildung 13).

Verdunsten des Wassers die anhaftenden Samen dem scharfen Strahl der Wasserleitung aussetzen, ohne daf3 die Samen abgespult werden. Dieses Phanomen der Samenhaftung auf glatter Glasflache selbst nach erneuter Befeuchtung zeigen andere bekannte ver- schleimende Samen (Leinsamen oder Plun- tugo-Samen) nicht. Wichtig fur das Haftver- mogen der Podostemaceensamen im flieflen- den Wasser ist ferner ihre geringe Grofle, denn sie befinden sich somit z .T. im Bereich der stromungsarmeren ,,Grenzschicht".

Am naturlichen Standort sind die Samen meist schon bald nach dem Offnen der Friichte dem Felsen angekittet (zuvor be- feuchtet durch Tau oder einen gelegentlichen Schauer). Dabei ertragen nun die Samen, die auf den dunklen Felsen der prallen Sonne ausgesetzt sind, extreme Temperaturen sowie starke Austrocknung. Sie verfugen also uber einen wirksamen Verdunstungsschutz und sind geradezu dem Verhalten der vegetativen Teile der Podostemaceen gegeniiberzustellen.

N u r so ist es iiberhaupt moglich, da13 Podo- stemaceen die Trockenzeit iiberstehen und

Urn den Entwicklungskreislauf der Podoste- maceen am Standort verstehen zu konnen, mussen die Keiniung sowie damit verbun- dene autkre Bedingungen untersucht werden. Uber das Keimungsverhalten der Podoste- maceen liegen bisher erst wenige Angaben vor. Wegen der Kleinheit der Samen und den damit verbundencn Scliwierigkeiten am Standort sowie den in den noch wasserfuh- renden Rinnen wechselnden Wasserstanden wurden zunachst Keimungstests im nahegele- genen Laborausgefuhrt. Eszeigte sich namlich auch, da1S in der Trockenzeit keine Keim- pflanzen auffindbar waren, weil der Wasser- spiegel noch nicht bis an die erst auf hiiheren Stellen vorhandenen Samen heranreichte.

Zunachst wurden daher die Podostemaceen- Samen in mit FlulZwasser gefullten Petri- Schalen keimen gelassen. Dabei zeigte sich, daf3 die Samen der untersuchten Arten keine Samenruhe durchmachen (frisches Samen- material begann bereits nach 5-6 Tagen zu keimen) und obligate Lichtkeimer sind.

An den Keimpflanzen konnten nun irn Ver-

Wie fcst diese Vcrankerung ist, zeigt sich u. a. dadurch, da13 die der felsigen Unterlage an- haftenden Samen auch clurch festes Reiben mit der Fingerkuppe nicht ablosbar sind. Im Laborversuch la13t sich diese Samenhaf- tung leicht nachwciscn (Grubert 1970): Liifit

24 Aiologte in uriserer Zeit / 5 . J a h y . 1975 / Nr. I

Page 8: Ökologie extrem adaptierter Blütenpflanzen tropischer Wasserfälle

lauf der Entwicklung besondere Strukturen beobachtet werden, die zur Verankerung an der Unterlage dienen. Sobald der Embryo die Testa durchstoflen hat (eine Primar- wurzel wird nicht ausgebildet), treten am Hypocotyl zahlreiche einzellige Haare auf, die sich stark verlangern und der Unterlage anschmiegen (Abbildung 14a). So grog die morphologische Verschiedenheit der unter- suchten Podostemaceen auch ist, in den ersten Stadien der Keimung entsprechen sich die Keimpflanzen im Habitus weitgehend. Sobald die Keimpflanze sich ganz aus der Samenhiille befreit hat, ist sie ausschlieBlich mit den Hypocotylhaaren an der Unterlage befestigt (Abbildung 14 b).

Nach einiger Zeit zeigten sich an den Keim- pflanzen in der Petri-Schale weitere charak- teristische Veranderungen. Im Bereich des Hypocotyls traten seitliche Auswiichse auf, die sich bei einigen schwimmenden Keim- pflanzen betrachtlich verlangerten und sich um kleinere Gegenstande der Unterlage her- umlegen kijnnen. Goebel (1889) beobachtete diese Bildungen bei Keimpflanzen einer Rhyncholacis-Art und nannte sie, entspre- chend den Haftstrukturen erwachsenerl'flan- zen, Hapteren.

Die in den Petri-Schalen geziichteten Keim- pflanzen entwickelten sich nicht weiter und starben trotz zahlreicher Variationen der Versuchsbedingungen bald ab. Es wurden nun verschiedene Serien zur Untersuchung der Keimung am Standort ausgefiihrt. Zu- nachst wurde das Verhalten der Samen und Keimpflanzen auf einer Glaskugel, die all- seits gleichmaBig umstromt war, getestet. Im Gegensatz zum Laborversucb keimten die Samen hier bereits nach 2-3 Tagen. Es zeigte sich jedoch bald, dafl zwar fast alle Samen so- wie die leeren Samenhiillen an der glatten Kugeloberflache verankert blieben, zuletzt aber keine einzige Keimpflanze am Glas ver- blieben war. Beim Versuch, die Samen auf untergetauchten Steinen im stark stromenden Wasser zur Keimung zu bringen, iiberraschte wiederum die scblechte Haftung der Keim- pflanzen an cier Unterlage. Somit scheint die Haftung dcr Keimpflanzen mit den Hypo- cotylhciarcn in1 Entwicklungscyclus der Pflanzen der schwachste Punkt, bezogen auf die Fixierung an die Unterlage, zu sein.

Schliel3lich w ur-dc cin glcichmil3ig mit Samen ubersater Stein ins fliei3ende Wasser gebracht, so da13 er nur zur Halfte untergetaucht und zudem mehr oder weniger parallel der Stro-

mungseinwirkung ausgesetzt war. An diesem Stein war eine 2-3 cm breite Zone standig von Spritzwasser feuchtgehalten, und es zeigte sich nun, dai3 gerade in dieser Zone des schwankenden Wasserspiegels die stark- ste Entwicklung der Keimpflanzen einsetzte. Da das Wasser etwa parallel am Stein vorbei- flofl, waren auch tiefergelegene Samen zu noch haftenden, allerdings deutlich kleiner gebliebenen Keimpflanzen ausgewachsen. So- mit scheint die Zone des wechselnden Was- serspiegels der giinstigste Bereich fur eine gesicherte Keimung der Podostemaceen zu sein. Hier erhalten die Keimpflanzen die groi3te Lichtmenge, durch das bewegte Was- ser reichlich COz und 0, und sind vor dem Austrocknen geschiitzt. Wichtig ist ferner, dai3 sie hier der Gewalt des stromenden Wassers nicht direkt ausgesetzt sind, so dai3 ihre Weiterentwicklung nicht fruhzeitig be- endet wird. Sie zeigen in dieser Zone nicht die zuvor beim Laborversuch beobachteten, (bei schwimmenden Keimpflanzen beson- ders) langen Hapteren. Wie bei den erwach- senen Pflanzen, so ist auch hier die Verlange- rung der Hapteren bei Bodenkontakt gering, dafur setzt aber eine rasche intensive Ver- ankerung der jungen Pflanze ein, bedingt durch die Ausbildung zahlreicher zu einer Haftscheibe verschmelzenden Hapteren. Bei erneut steigendem Wasserstand zu Beginn der Regenzeit durften die Pflanzchen schon der Gewalt des stromenden Wassers bei vollstandiger Uberflutung standhalten. Damit ist also der Entwicklungskreislauf am Stand- ort geschlossen.

5. Schluflbetrachtung

Nach der Riickkehr aus Venezuela wurde sofort damit begonnen, aus den mitgebrach- ten Samen hier im Gewachshaus Podoste- maceen zu ziichten. Zwar war der Leitfahig- keitswert des Wassers dem des Fluawassers entsprechend, fur starke Beleuchtung, die rechte Wassertemperatur von 28" C, starke Wasserbewegung und reichliche Beliiftung gesorgt, doch waren in keinem Fall grofiere Keimpflanzen zu erhalten. Die grofiten For- men waren nicht weiter gediehen als die- jenigen, die bei den Keimungsversuchen in Petri-Schalen in Venezuela erhalten worden waren. Auf diesem Stadium blieben die mas- senhaft aufgehenden Pflanzchen stehen; durch starkes Veralgen und rasche Zunahme des Elektrolytgehaltes waren sie aber bald abge- totet. Eines der Hauptprobleme diirfte in der unzureichenden mineralischen Ernahrung zu suchen sein, doch dariiber ist bei den

Pflanzen am natiirlichen Standort aucb nichts bekannt. So ist ein weiterer Vcrsuch geschei- tert, Arten dieser eigenartigen I'flanzen- familie der Podostemaceen in Europa zu ziichten, so daB man, um die noch zahlrei- chen ungeklarten Fragen angehen zu konnen, weiterbin in tropische Gegenden fahren mug.

Literatur

Engler, A.: Podostemonales, in: Die natiir- lichen Pflanzenfamilien 18a. Leipzig, 1930.

Gessner, F., Hammer, L.: Okologisch-phy- siologische Untersuchungen an den Podoste- maceen des Caroni. Int. Revue ges. Hydro- b id . 47(4), 497-541, 1962.

Goebel, K.: Pflanzenbiologische Schilderun- gen, 1889.

Grubert, M.: Untersuchungen iiber die Ver- ankerung der Samen von Podostemaceen. Int. Revue ges. Hydrobiol. 55(1), 83-114, 1970.

Matthiesen, F.: Beitrage zur Kenntnis der Podostemaceen. Bibl. Botanica, H . 68, 1908.

Royen, P. van: The Podostemaceae of the new world. 1-111. Meded. Bot. Mus. Utrecht 107, 1-151; 115, 1-21; 119,215-263, 1951/54.

Meinhard Grubert, geb. 12.2. 1945, Studium der Biologie und Chemie (Universitat Ham- burg und Univrrsitat Mainz), 1972 Promo- tion an der Universitat Mainz, ab 1970 wiss. Mitarbeiter am Institut fCir Spezielle Botanik und Pharmakognosie dri- Universitat Mainz, seit 1972 wissenschaftlicher Assistent und seit Juli 1974 Assistenzprofessor am Fach- bereich Pharmdzie der Universitit Mainz. Arbeitsgebiete: Okologiecter Podostemaceen, Myxospermie (6kologische Bedeutung, Fein- bau der Schleimzellen von Samen und Friich- ten, Chemismus der Schleimsubstanzen).

Rcologce in unserer Zeit / li. Jahrg. 1 Y71i / Nr. 1 25