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Offene Probleme der Kosten- und Ertragstheorie 1) Yon Oskar Morgenstern, Wien Morro: ,,The maffer is such, that it is ?artie~darZy dif]w~tlt to make war not only what other people mean, but what one means oneself." Wilbiam Kingdon Clifford ~) I. Vorbereitende Bemerkungen § 1. Zweck dieser Abhandlung: Wenn es aueh ziemlich selbstverst/~ndlich ist, dal3 eine Wissenschaft sieh st/~ndig im Flusse befindet, es in ihr stets ungelSste Probleme gibt, die dann, sofern sic nur recht begriffen werden, im Mittelptmk~ der jeweiligen Auseinandersetzungen stehen, so ist es anderseits um so eher n6tig, auf diese Fragen hinzuweisen, wenn sie diese ihnen gebiihrende Aufmerksamkeit nieht erregen kSnnen. ]:)as Problem der Kosten der Produktion hat seit jeher in der Forsehung grfl3te Beaehtung gefunden und gehSrt zu der kleinen Gruppe derer, bei der tats~chlieh deutliche Fortschritte erzielt worden sind. Ohne aueh nut im geringsten lokal- patriotiseh zu sein oder sieh dogmatiseh zu gebenS), daft behauptet z) Die folgenden Ausffihrungen halten sieh eng an den ersten yon zwei Vortri~gen, die ich am 9. Januar 1930 und 7. Februar 1930 in dot ,,National- 5konomisehen Gesellsehaft" in Wien gehalten babe. Der zweite Vortrag besch~ftigte sich hauptsAchlich mit der These Pigous, laut weleher ein volkswirtsehaftliehes Produktionsoptimum nut erzielt werden k6nne, wenn man Industrien, die sinkende Ertri~ge aufweisen, besteuere und Industrien mit steigenden Ertrggen subventioniere. Auf die DarsteUung und Kritik dieser Theorie muflte bier wegen der Weitlgufigkeit des Themas zun~ehst verzichtet werden. Ieh m6ehte noeh hervorheben, da~ die Ertragstheorie Gegenstand yon ~bungen gewesen ist, die gemeinsam yon Gottfried Haberler, Friedrioh A. Hayek und Oskar Morgenstern im Wintersemester 1929/30 an der UniversitRt Wien abgehalten wurden. Beiden Herren m6ehte ieh an dieser Stelle gem fiir vielfache Anregung und Kritik danken. Die Abhandlung verleugnet nieht ihren ausgesprochen didaktischen Zweck. Sie sell in erster Linie eine D~kussionsgrundlage bieten und weitere Auseinandersetzungen fiber diese guflerst sehwierigen Probleme anregen, wozu ich selbst in absehbarer Zeit hoffe einen Beitrag liefern zu k6nnen. 2) Zitiert yon J. Schumpeter in der Vorrede zu F. Zeuthen: Problems of Monopoly. London. 1930. 8) Der Inhalt der weiteren Darlegungen wird deutlich genug ffir die Riehtigkeit dieser Einstellung zeugen. Man daft jedoeh das Festhalten an zutreffenden Erkenntnissen nieht sofort als 0rthodoxie auslegen. Zeitschr. f. t~attonal6konomie, II. Bd., 4. H. 31

Offene Probleme der Kosten- und Ertragstheorie

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Offene Probleme der Kosten- und Ertragstheorie 1) Yon

Oskar Morgenstern, Wien

Morro: ,,The maffer is such, that it is ?artie~darZy dif]w~tlt to make war not only what other people mean, but what one means oneself."

Wilbiam Kingdon Clifford ~)

I. Vorbereitende Bemerkungen § 1. Z w e c k d i e s e r A b h a n d l u n g :

Wenn es aueh ziemlich selbstverst/~ndlich ist, dal3 eine Wissenschaft sieh st/~ndig im Flusse befindet, es in ihr stets ungelSste Probleme gibt, die dann, sofern sic nur recht begriffen werden, im Mit te lp tmk~ der jeweiligen Auseinandersetzungen stehen, so ist es anderseits um so eher n6tig, auf diese Fragen hinzuweisen, wenn sie diese ihnen gebiihrende Aufmerksamkeit nieht erregen kSnnen. ]:)as Problem der Kosten der Produkt ion ha t seit jeher in der Forsehung grfl3te Beaehtung gefunden und gehSrt zu der kleinen Gruppe derer, bei der tats~chlieh deutliche Fortschrit te erzielt worden sind. Ohne aueh nut im geringsten lokal- patriotiseh zu sein oder sieh dogmatiseh zu gebenS), daft behauptet

z) Die folgenden Ausffihrungen halten sieh eng an den ersten yon zwei Vortri~gen, die ich am 9. Januar 1930 und 7. Februar 1930 in dot ,,National- 5konomisehen Gesellsehaft" in Wien gehalten babe. Der zweite Vortrag besch~ftigte sich hauptsAchlich mit der These Pigous , laut weleher ein volkswirtsehaftliehes Produktionsoptimum nut erzielt werden k6nne, wenn man Industrien, die sinkende Ertri~ge aufweisen, besteuere und Industrien mit steigenden Ertrggen subventioniere. Auf die DarsteUung und Kritik dieser Theorie muflte bier wegen der Weitlgufigkeit des Themas zun~ehst verzichtet werden.

Ieh m6ehte noeh hervorheben, da~ die Ertragstheorie Gegenstand yon ~bungen gewesen ist, die gemeinsam yon Gottfried H a b e r l e r , Friedrioh A. H a y e k und Oskar M o r g e n s t e r n im Wintersemester 1929/30 an der UniversitRt Wien abgehalten wurden. Beiden Herren m6ehte ieh an dieser Stelle gem fiir vielfache Anregung und Kritik danken.

Die Abhandlung verleugnet nieht ihren ausgesprochen didaktischen Zweck. Sie sell in erster Linie eine D~kussionsgrundlage bieten und weitere Auseinandersetzungen fiber diese guflerst sehwierigen Probleme anregen, wozu ich selbst in absehbarer Zeit hoffe einen Beitrag liefern zu k6nnen.

2) Zitiert yon J. S c h u m p e t e r in der Vorrede zu F. Z e u t h e n : Problems of Monopoly. London. 1930.

8) Der Inhalt der weiteren Darlegungen wird deutlich genug ffir die Riehtigkeit dieser Einstellung zeugen. Man daft jedoeh das Festhalten an zutreffenden Erkenntnissen nieht sofort als 0rthodoxie auslegen.

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werden, dab die entseheidende F~rderung des Kostenproblems gerade durch die Grenznutzentheorie, insbesondere dutch F. Wie s e r, erfolgte und dab das Durchsehauen des Zusammenhanges yon Kosten und Nutzen und die Fassung der ersteren als , ,Nutzentgang" in der Tat zu einer Fundamentaleinsicht geworden ist, an der zu zweifeln heute kein AnlaB bestehtl). Neben dieser grunds~tzlichen Erkenntnis sind die wiehtigen Einsich~en, die sowohl durch die Lausanner Theoretiker wie durch A. M a r s h a l l gewonnen wurden, eher als Ausarbeitungen yon Spezial- problemen zu werten, die alle mit dieser Basis vertraglich sein miissen und nur dadurch ihre Existenzberechtigung erhalten. Wie aber oft der Fall, sind die logisch untergeordneten Erkenntnisse die praktiseh bedeutsameren, wobei ,,praktisch" sowohl flare Anwendbarkeit auf kon- krete empirische Aufgaben sowie ihre Brauchbarkeit fiir die einzelnen Theoreme, wie z. B. Zins, Grundrente usw. bezeichnet. Daher ist eine Revision dieser Detaflausarbeitungen der oben erw~hnten Grund- erkenntnis yon gr~Berer Bedeutung ffir die gesamte Theorie, als auf den ersten Blick scheinen mSchte. Wir werden sogar sehen, dab die heute iibliche Weise der Konstruktion der Angebotskurve in Frage gesteUt ist, was yon groBer Bedeutung fiir die Preistheorie sein muG, deren zentrale Stellung gewiB niemand wird leugnen wollen.

DaB die Theorie der Kosten und des Ertrages gegenw~rtig wieder umstri t ten ist, riihr~ davon her, dab auf einige besehcidene Fragen, die yon ganz verschiedener Seite gestellt worden sind, eine Antwort zu geben versucht wurde, wobei sich herausstellte, dab diese Antworten gar nicht leicht gegeben werden kSnnen, weft sich dabei plStzlich tiefe Unstimmigkeiten im Geb~ude der Produktionstheorie gezeigt haben. Diese Diskussion hat sich haupts~chlich in England und Italien, und zum Tefl in Amerika abgespielt; die deutsche Litcratur weist keinen Beitrag dazu auf. Da die Literatur fiber diesen Gegenstand bereits

1) Was in der angels~tchsischeu Literatur unter ,,opportunity cost" ge- l~ufig ist, enth~lt die gleiehe Erkenntnis, abet so glficklich auch diese For- mulierung sein mag, so kann sic aUcin doch nicht geniigcn. Die Theorie warde aufgestellt yon D. J. Green: Pain Cost and 0ppor~unity Cost, Quar- terly Journal of Econ., Bd. VIII, S. 218ff. Siehe auch D a v e n p o r t : Value and Distribution. 1908; vgl. ferner noch F. H. K n i g h t : A Suggestion for Simplifyng the Statement of the General Theory of Prices. Journal of Pol. Econ., vol. X X X V I . 1928, S. 353ff., besonclers S. 360f.

Es wftrde gewiB eine l o h n e n d e Aufgab e sein, die Zusammen- h~nge ode r besser die I d e n t i t ~ t der 5 s t e r r e i c h i s c h e u For- m u l i e r u n g des K o s t e n g e s c t z e s und dcr , , o p p o r t u n i t y cost"- T h e o r i e e inmal in a l le r D e u t l i e h k e i t naehzuweisen . Hier ist n~imlich immer noch ein iiberflfissiger, sogar 5rgerlicher Differenzpunkt vorhanden. In dem Zusammenhang w~re auch zu zeigen, dab die Lehre yon den ,,real costs" in der ~blichen Formulierung zur G~nze fiber Bord geworfen gchSrt. Von den Cambridgern ist D. H. H e n d e r s o n : Angebot und Nachfrage, Berlin: J. Springer. 1924, wohl der erste gewesen, der diesen Schritt gewagt hat. Vgl. dazu die zustimmende Rezension yon E. Carman, Econ. Journal, vol. XXXII, S. 198ff. 1922.

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einen ansehnliehen Umfang gewonnen hat, m a g e s ang~ngig sein, eine zusammenfassende Darstellung der Problemlage zu versuehen. Dies ist der eigentliehe Zweck dieser Abhandiung, wenngleieh die eine oder andere kritische wie positive Bemerkung eingeflochten werden mag.

§ 2. Angebots . und N a c h f r a g e k u r v e :

Stellt man den Vorgang der Preisbildung in Form yon Gleichungen dar - - wie z.B. Wal ra s oder ibm mangelhaft nachgebfldet bei Casse l - - , so erh~lt man l~unktionen der Nachfrage und Funktionen des Angebotes. Der gleiche Sachverhalt l~Bt sich auch graphisch wiedergeben; wir erhalten dann in einem rechtwinkeligen Koordinatensystem, bei dem auf der Ordinate die Preise und auf der Abszisse die Mengen aufgetragen sind, eine yon links nach reehts steigende Linie als koUektive Angebotskurve, eine yon links naeh reehts sinkende Linie als koUektive Nachfragekurve, welche die Erfahrungstatsaehe ausdrfieken, dab bei niedrigen Preisen eine relativ grebe Menge nachgefragt und eine kleine angeboten wird und dab bei hohen Preisen das Verh~ltnis umgekehrt liegt. Diese Rela- tionen kSnnen auch - - wenn der National6konom dieser ganz oder tefl- weise mathematischen Fassung keinen Geschmack abgewinnen kann - - in etwas anderen Worten gesehildert werden, wenngleich die Beziehungen yon Mengen und Preisen Hauptthema bleiben; an dem Tatbestand wird dadurch niehts ge~ndert. Bleiben wir der Einfachheit halber bei dem graphisehen Bilde, dessen Aufzeichnung sieh hier wohl eriibrigt.

Ffir die :Erkl~rung der Preisbfldung ist der Sehnittpunkt der Kurven yon Wichtigkeit, denn er zeigt das Gleichgewicht an, das sieh auf dem Markte herausstellen mul3. Als Gleiehgewiehtspunkt gibt der Schnitt- punkt den erzielten effektiven Preis und die abgesetzte Menge an; treten keine Ver~nderungen in den Daten ein, so wird sich yon diesem Preise keine Abweiehung ergeben. Das Sinken der Gesamtnaehfragekurve kann aus einem allgemeinen Prinzip heraus erkl~rt werden: dem Prinzip des sinkenden Nutzens. Da der Naehfrage gegenfiber dem Angebot eine ,,fiihrende Rolle" (was immer das zun~chst heiBen m6ge) zugemessen wirdl), ist mit dieser Ausdeutung bereits eine wiehtige Aufgabe geleistet. Dagegen lassen sich a ln'iori fiber den Verlauf der Angebotskurve keine Aussagen machen ~); es ist reine Willkfir, dal~ wit yon einem Ansteigen der Kurve gesprochen haben. Sie kSnnte genau so gut sinken oder

1) Darfiber siehe die Werke der 5sterreiehlschen Theoretiker. Hier mlissen die Einzelheiten als bekannt vorausgesetzt werden. Vgl. insbesondere Mayer, H.: Die Weft- und Preisbfldung der Produktionsmittel, in Eeonomica Politica contemporanea, Bd. II, Padua. 1930.

2) Dies wurde vor allem hervorgehoben von Cunynghame, H.." A Geometrical Political Economy, S. 53. Oxford. 1904. Dieses Bfiehlein ist ff~r aUe diejenigen zu empfehlen, die sich mi~ dem geometriseh-graphisehen Apparat der 5konomisehen Theorie vertraut maehen wollen. Cunynghame finder die graphisehe Methode sogar ,,charming"; gewiB mit Recht, wenn sie geschiekt gehandhabt wird, wie e~wa yon ihrem Meister Barone.

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horizontal verlaufen, denn es gibt ffir sic kein wieimmer geartetes Prinzip, das dem des abnehmenden Nutzens fiir die Naetffragekurve entspr~che 1). Daraus folgt, dab der Interpretation der Angebotskurve besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muB. Es ist aueh wahrseheinlieh, dab diese Interpretation mit besonderen Sehwierigkeiten zu k~mpfen hat. In dieser Vermutung wird man nicht get~uscht.

Wird yon der Konstruktion und Ausdeutung der Angebotskurve als unserem eigentlichen Thema gesprochen, so ist zu bemerken, dal~ es sich bier nicht um irgendwelehe graphische Darstellungen handelt, die geometriseh gebfldet und erk]~rt ~ werden miiBten. Die ,,Kurven" sind nur Hi]fsmittel; uns kommt es selbstverst~ndlieh auf die ]~rkl~rung und Besehreibung der Tatsachen, der Sachverhalte an. Diese kSnnen in abstrakter Weise dutch Kurven wiedergegeben werden, so dab auch die Aussagen fiber diese Tatbest~nde die Form yon Aussagen fiber Kurven und ihren Verlauf nehmen kSnnen. Kein anderer Sinn daft daher dieser Ausdrueksweise untersehoben werden~).

§ 3. A n g e b o t s k u r v e und E r t r a g s g e s e t z e : Heute wissen wir, dab zur Konstruktion der Angebotskurve in

erster lJinle die Ertragsgesetze in Betracht kommen, denn in den letzten Jahrzehnten ist die Aufdeckung des Zusammenhanges zwischen pr0du- zierter Menge und Aufwand an Produktionsmitteln gelungen. Trotzdem die Klassiker das Gesetz des abnehmenden Ertrages kannten - - seine erste exalrt~ DarsteUung finder sich sogar bereits bei T u r g o t - - und eine mehr oder minder rage Vorstellung vom Ph~nomen der zunehmenden Er~r~ge batten, sind sic doch nicht so weir vorgedrungen, den Zusammen- hang zwischen Ertragsverlauf und Angebotskurve klarzustellen. Sic lieBen vi~lmehr die konstanten Kos~en eine iiberragende Rolle spieten. Daraus erkl~rt sich auch zwangsl~ufig, dab nach den Klassikern das Angebot bei der Preisbfldung die Nachfrage ,,fiberwiegt", also den jetzt vielfaeh geteflten Ansichten zuwiderlaufend.

Die RoUe der Ertragsgesetze lag, laut den Klassikern, in der Au~- gabe, die Rentenerscheinungen zu erkl~en; sic kamen in Betracht fi~ di~ ,,Verteilungs"theorie, fiir die noeh dazu eine heute l~ngst iiberwundene Vorstellung yore Sozialprodukt in Geltung stand. Erst sp~ verlieB man diese EinsteUung und begriff, dab man nieht yon getrennten Er- seheinungen des zunehmenden, abnehmenden und konstanten Ertrages sprechen diirfe, sondern dab sic alle drei einheitlieh als ,,Gesetze" der

1) AuBer man I~B~ die unten erw~hnte psyehisehe Sehumpe~ersehe Auffassung des Gesetzes vom Abnehmenden Ertrag gelten; dann allerdings haben wit eine a-pr/or/-Bestimmung, die freilieh keinen sinkendoa Ast der Kostenkurve zuiassen w~de.

2) Besonders klar wordon diese elementaren Zusammenh~nge gerade bei denjenigen Forsehern, die die graphisehe Methode souver~n handhaben, wie insbesondere Barone, Pantaleoni , Marshall und andere mehr. Vergl. me inen Artikel- Mathematical Economics, Encyolopaedia of the Social Sciences. New York. 1931.

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nieht proportionellen Ertr~ge aufgefaBt werden miissen. Diese Erkenntnis scheint aber noch nieht iiberall durchgedrungen zu sein, denn die Zu. ordnung der reaten Wirtschaftsabl~ufe erfolgt noeh immer ganz sche- matiseh in dem Sinne, dab erstens zwischen den Gesetzen des abnehmen- den, konstanten und zunehmenden Ertrages unterschieden wird und zweitens grobschl~chtig behaupte~ wird, die ,,Laudwirtschaft" stehe im Zeiehen des abnehmenden, das ,,Handwerk" im Zeichen des konstanten und die ,,Industrie" im Zeichen des zunehmenden Ertrages. Hierzu ist zu bemerken, dab es jedoeh zumindest verwunderlieh ist, in Wirk- liehkeit fast niemals eine sinkende Angebotskurve industrieller Produkte vorgefiihrt zu erhalten. Diese ganze Einteilung ist schematiseh und obeffl~chlieh und komm~ heute nich~ mehr in Betracht. Abet aueh diejenigen, die eine solche Dreiteilung und Zuordnung jetzt noeh vor- nehmen mSchten, fiihlen die groBen Sehwierigkeiten, die sich insonderheit um das sogenannte Gesetz des zunehmenden Ertrages lagern.

Die Brauehbarkeit der Ertragsgesetze zur Erkl~rung des Verlau:fes der Angebotskurve sehien bis in die jiingste Zeit siehergesteUt, denn die Unebenheiten, die sich beim Gesetz des zunehmenden Ertrages heraussteUten, lieBen sich zum Tell iiberbriieken durch die Annahme, dad es sich hier um eine h i s to r i sche Kurve handle, oder dab die Konkurrenz unvollkommen sei (Cournot), sowie durch die Einfiihrung des Begriffes der ,,£uBeren Ersparnisse" (external economies), yon denen beiden noch zu spreehen sein wird. DaB es sich aber um notdfirftige Verkleisterungen im Bau der Theorie handelte, sollte bald offenbar werden.

§ 4. Method i sches zur E r t r a g s t h e o r i e :

Die Behandlung der nich~proportionalen Er~r~ge muB am zweck- m~Bigsten unter der Annahme vSllig ffeier Konkurrenz sowie langer Zeitr£ume erfolgen. Die freie K o n k u r r e n z sei dann gegeben, wenn eine yon einem Anbie~enden oder Nachfragenden vorgenommene, wie immer geartete Ver~nderung seines Angebotes bzw. seiner Nachfrage keine effektive ~ n d e r u n g des Preises des betreffenden Gutes herbei- zufiihren ~mstande istl). MuB selbst das gesamte Angebot einer Unter- nehmung aus irgendeinem Grunde wegfallen, oder komm~ das Angebot einer neuen Unternehmung hinzu, so wird der Preis annahmegem~B unver~ndert bleiben~). Zeichnen wit eine Angebotskurve eines solchen

1) Wit halten es also mit Pareto, V.: Cours d'Economie politique, § 46. 1898. Es erseheint mir irrelevant, ob nut die Absich~, eine solehe ~uderung herbeizuffit~en, be~rach~e~ wird, oder das Ergebnis dieser Ab- sieht selbs~. Daher kann die etwas abweiehende Definition Pare~os, die er im Manuel, Kap. III, § 40 bis 46 gegeben hat, bier aueh verwendet werden.

~} Es sei bereits bier darauf aufmerksam gemaeht, dab dies nieht nut fftr den Preis des yon ihr augebotenen Produktes gilt, sondern aueh f~r die Preise s~mtlieher yon dieser Unternehmung naeh- gefragten P r o d u k t i o n s m i t t e l , woraus sieh dann eine Reihe wiehtiger Folgerungen ableiten lassen. Siehe III D, § 21.

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i n d i v i d u e lle n Unternehmens, so wird die dazugeh6rige Nachfragekurve eine horizontale Linie in der H6he des am Markte bestehenden Preises sein (z. B. N N ' der Abb. 4, S . 509). Die 6konomi~che Bedeutung des horizontalen Verlaufes der Naehfragekurve ist der, dab die Unter- nehmung - - im Einklang mit der eben gegebenen einzig strengen Definition der freien Konkurrenz 1) - - immer gr6Bere Mengen auf den Markt bringen k6nnte, und dab dieser bereit wgre, sie zu dem be- s t e h e n d e n Preise aufzunehmen. In dieser Abhandlung wird, falls nieht ausdriieklieh anders bemerkt, die Ann~hme der f~eien Konkurrenz gemacht; Monopol und monopoloide Z u s t ~ d e bedingen eine Reihe abweiehender Aussagen.

Die Betrachtung l a n g e r Zei t r /~ume, das Arbeiten mit dem ,,long run".Gedanken, ist n6tig, um die Theoreme m6glichst zu vereinfachen und die oft nur voriibergehenden Friktionserseheinungen auszuschalten~). Es ist gleichg~tig, ob man darunter ,stat isehe" Theorie versteht oder die Vorgangsweise anders bezeiehnen und beurteflen wills). Die Not- wendigkeit dieser ~Fassung ist z. B. begriindet in dem Begriff der ,,ad- ditiven Grenzkosten", den P i g o u geprggt hat und dessen Fruchtbarkeit sich noch zeigen wird.

SctdieBlich sei noch in Erinnerung gebraeht, dab es n6tig ist, die Rolle derErtragsgesetze sowohl unter derVoraussetzung des Geldertrages wie des p h y s i s c h e n Na tu ra l e r t r ages klarzulegen und die Frage zu beantworten, ob die gleichen Aussagen fiir beide gemacht werden k6nnen. Urspriinglich waren die Ertragsgesetze als solche des physischen Natural- ertrages gefaBt (Turgo t , A n d e r s o n , Wes t , R i e a r d o usw.), spgter ver- suchte insbesondere S c h u m p e t e r , dieser Auffassung ganz entgegen- gesetzt, nachzuweisen4), dab die physisehe Begriindung des Gesetzes yore

1) P igou definiert . . . . . conditions such, that it is to the interest of each seller to produce as much as he can, and not to restrict his output in the hope of causing that price to rise" (Econ. of Welfare, 3. Aufl., S. 215. 1929), was eben bedeutet, dab die Gesamtnachfragekurve ffir den Unternehmer eine Horizontale ist .

~) ~ber die Unterscheidung yon ,,short and long periods" vgl. Marshal l , A.: Economic Principles, 8. Aufl., V. Bueh, V. Kap., S. 363ff.; dort sind die Begriffe in der heute ffblichen Weise gefa~t. So verwenden aueh ~ sic, obwohl ]tier zwelfellos das abschlieBende Wort noch lange nicht gesproehen ist. Auch fehlt es an letzter, methodlseher Klarheit bezliglich der ,,Friktionen". Dar~tber bei anderer Crelegenheit.

s) Pers6nlieh neige ich der Ansieht zu, dab die T r e n n u n g der Theor ie in , , s t a t i sche" u n d , , dynamische" u n h a l t b a r is t und aueh gar keine Vortefle bringt. Ieh habe andeutungsweise davon gesprochen in ,,Wirtschafts- prognose", S. 47. Anm., 1928, wo ich die statisehe E in fache Wirtschaft bereits ausdr~eklich als co~rad'z~/o iN se bezeichnete. Neuerdings vergleiche den wertvollen Aufsatz yon Sehams, E.: Komparative Statik, Zeitsehr. f. National6k., Bd. II. 1930.

~) Das Wesen und der Hauptlnhalt der theoretischen National6konomie, S. 379f. 1908. ,,In der Tat, wir bedfirfen des Gesetzes yore abnehmenden Ertrage . . . . . nicht mehr. Nicht l~nger bflde~ es einen Bestandtefl unseres

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abnehmenden Ertrage zumindest iibeffliissig sei, da auf alle Fglle das Gesetz des abnehmenden Nutzens wirke, so da~ zusgtzliehe produzierte Mengen einen stets geringer werdenden (Nutz-)Ertrag liefern, selbst wenn man es mit steigenden physisehen Ertrggen zu tun habe. Eine Kurve steigenden Ertrages lgBt er iiberhaupt nur als h i s t o r i s c h e K u r v e gelten. In letzter Zeit hat S c h u m p e t e r seine Ansicht offenbar etwas verschoben und neigt dazu, die Bedeutung des physischen Ertragsverlaufes - - trotz aller (gerade yon anderen anerkannten) Schwierigkeiten, die in dem Begriff der ,,Dose" und ,,Aufwendung" liegen - - einzugestehenl). Es diirfte auch in der Tat unmSglich sein, den physischen Ertragsablauf als nur teehniaeh auBer Kalkiil zu lassen. Es ist daher zweckmgBig, yon p s y e h i s c h e n Ertrggen im obigen Sinne 2) iiberhaupt nieht zu spreehen und Aussagen fiber den Geldertrag deutlich yon denjenigen fiber die Naturalertrgge zu trennen, was sehon deshalb nStig ist, weft nur bei der Geldrechnung die Kosten reziprok fiir Ertrag gebraueht werden diirfen, wie sich ohne weiteres zeigen lgBt. ])araus folgt ferner- hin, da~ bestimmte Kostenkurven nur dann mit der Angebotskurve zu- sammenfallen kSnnen, wenn die Kosten in Form yon Geldaufwendungen gegeben sind. Versteht man dagegen unter ihnen nur Naturalaufwen- dungen, so ist diese Identifizierung nicht mSglich, da der konstante Faktor (z. B. Generalunkosten) in ihnen noeh nicht enthalten ist. E r aber beeinflul3t ebenfalls die Angebotskurve; diese Zusammenhgnge be- diirfen daher einer eingehenden Untersuchung.

§5. ] )as n e u e r e S e h r i f t t u m de r K o s t e n - u n d E r t r a g s ~ h e o r i e : Wie schon i m § 1 erwghnt, ist die Behandlung der Kostentheorie

in den letzten 50 bis 60 Jahren in den einzelnen Lgndern auf sehr ver- schiedenen Wegen vor sich gegangen. ])ie grol]en Werke der 0sterreicher Menger , W i e s e r , B 6 h m - B a w e r k sind bekannt; dagegen sei aus- driicklich auf A u s p i t z und L i e b e n verwiesen, die in ihren ,,Unter- suchungen zur Theorie des Preises" (1889) die Kostentheorie in einer

wissenschaftliehen Arsenals. Fiir uns ist es . . . lediglioh eine t e c h n i s c h e Tatsache die . . . . . ffir die reine Theorie der ~konomie aber nicht welter intcressant ist." Vgl. ferner S c h u m p e t e r s Abhandiung: Das Renten- prinzip in der Verteilungslehre. Schmollers Jahrbuch. 1907.

1) The Instability of Capitalism, Economic Journal, 1928, S. 361ff., w e er folgende Unterteflung vornimmt: a) jede Dose hat steigende Bedeutung, da sic aus einer anderen Verwendung abberufen wird; b) Vermehrung eines Faktors, wenn der andere konstant bleibt, ergibt sinkenden p h y s i s c h e n Ertrag (gilt nicht immer O. M.); c) ein sich entwickelndes Gemeinwesen muB immer geringwertigere Produktionsm6glichkeiten ausniitzen; d) R i c a rd o s Prophezeiung, dab bei steigender Bev61kerung Erfindungen die Kostenver- teuerungen aus b )und c) n i ch t aufwiegen werden, besteht zu Recht(.~).

~) Der wieder ein andercr ist, als der ,,psychische Ertrag" den L i e f m a n n im Auge hat. Darauf kann aber hier nicht eingegangen werden; vgl. aus der grollen diesbezftglichen Literatur z.B. K r o m p h a r d t , W.: Das Gesetz veto Grenznutzenniveau und L i e f m a n n s Gesetz veto Ausgleich der Konsum- Grenzer~rgge, Zeitschr. 2. National6konomie, Bd. I, S. 534ff.

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der englischen Form verwandten Art vortragen und Probleme wie z. B. die der verbundenen Kosten behandeln, die bei den ~sterreichern sonst moist nur nebenbei erw~hnt werden. M a r s h a l l ha t grundlegendes geleistet und st~ndig nach Verbesserungen und neuen Formulierungen gestrebt. Von groBer Wichtigkeit ist der hervorragende Aufsatz E d g e - w o r t h s : The laws of increasing and diminishing returns, Economic Journal 1913, jetzt leicht zug/~nglich in den ,,Papers Relating to Political Economy" (Bd. I . - - London 1925). Es wiirde n6tig sein eine viele Seiten umfassende Bibllographie zu schreiben, wollte man aueh nur die wichtigsten noch zu erw/~hnenden Schriften angeben. Eine solche Arbeit ist aber in hinl/~nglieh ausreichender Weise geleistet in dem umfang- reichen Work yon M. B y 6 : Los lois des Rendements non proportionels, leur evolution et louts formes modernes (Paris 1928), das nut den Naehtefl ha t an endlosen Wiederholungen zu leiden und einer klaren EinsteUung zu entbehren, so dab der Loser, der nicht schon selbst dureh die urspriing- liche Materie gegangen ist, aus dem Werke wird relativ wenig l~utzen ziehen k6nnen. Als Nachschlagewerk ist es jedoch sehr gut geeignet.

Aus der Anzahl der bier in Betracht kommenden jiingsten Autoren - - die Literatur fiber unseren Gegenstand f~llt fast zusammen mit dcr der reinen Theorie fiberhaupt u seien vor allem genannt: P i g o u l ) , A l l y n A. Young2) , S r a f f a s ) , R o b e r t s o n 4 ) , ShoveS), K n i g h t S ) , G r a h a m S ) , Schul tzS) , J . M. ClarkS), Fanno l0 ) , Barone11), f f anna - conel2), Cab ia t i l3 ) , Rieci l4) , U. PapilS) , Baggele) , Myrda l l~) .

~) The economies of Welfare, 3. Aufl., 1929, sowie die unten zitierten Sonderuntersuchungen. ~) P i gous Wealth and Welfare, Quarterly Journal of Economics, Bd. XXVII , S. 672ff. 1913. ~ Increasing Returns and Economic Progress, in Economic Journal. Doz. 1928. s) Sulle relazioni fra eosto e quantit~ prodotta, in Annali di Economia. Bd. II. 1925. - - The laws of Returns under Competetive conditions, Economic Journal. Bd. XXXVI. 1926.4) Those empty boxes, Economic Journal. Bd. XXXIV. 1927. - - Ferner den Beitrag im ,,Symposium", Economic Journal. Bd. XL. 1930. 6) Varying costs and marginal net produc~s, Economic Journal. Bd. XXXVII I . 1928. - - Ferner Beitrag zum obzitierten Symposium. 1930. 6) Some fallacies in the interpretation of social costs, Quarterly Journal of Economics, August 1924. - - A suggestion for simplifying the Statement of the general theory of prices, Journal of Political Economy. Bd. XXXVI. 1928. ~) Some fallacies in the interpretation of Social Costs, Quarterly Journal of Economics, 1925. s) Marginal Productivity and the general pricing process, Journal of Political Economy, Bd. XXXVII . 1929. 9) The Economies of Overhead Costs. New York. 1920. ~0) Contribute alla Teoria dell' offerta a costi congiunti. Rein. 1914. n) Grundziige der theoretisehen National6konomie, deutsch. Bonn. 1927 (mehrere ital. Aufl.) - - Ferner versehiedene Abhandiungen im Giornalc degli economisti. 1890ff. 12) It costo di Produzione. Turin. 1901. la) Per riempire alcune ,,empty boxes" finauziarie, Giornale d. EconomistL 1928. 14) Curve piane di offorta dei prodotti. Ebd., 1906. - - Elasticit~ dei bisogni, della domanda e dell' offerta. Ebd., 1924. ~6) Sul costo di produzione nci cieli eeonomiei. Rom. 1926. 18) Den aftagande oeh den tiUtagande afkastningcus lagar, Ekonomisk Tidskrlft. 1920. ~7) Prisbfldningsproblemet oeh f6r/~nderligheten, besonders Kap. X I - - X I I I . Uppsala. 1927.

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Offene Probleme der Kosten- und Ertragstheorie 489

Die deutsche Literatur der letzten 25 Jahre, die sich mit diesem Gegenstand besch/iftigt, ist ~uBerst sp~rlich, obwohl andererseits viel - - und gelegentlich Wertvoiles ( V o g e l s t e i n ) - - fiber die Ertragstheorie geschrieben worden ist. Sie bewegt sieh mit nur geringen Ausnahmen in konventionellen Bahnen, die zweigeteisig sind. E i n m a l n£mlich werden die drei Formen der Ertragsgesetze dargestellt, gelegentlich die Frage naeh einem allgemeinen Ertragsgesetz aufgeworfen, sonst aber nur Einteilungen und Zuordnungen versueht, wie z. B. bei Voge l - s t e i n . Die Autoren, die hier in erster Linie in Betraeht kommen, sind, soweit nicht schon genannt: in erster Linie F. X. Well3 (der den vor- treffliehen Artikel ,,Abnehmender Er t rag" im HandwSrterbueh der Staatswissenschaften, 4. Aufl. verfaBt hat), Dieh l , S t u e k e n , S e h m a l e n b a c h , S i l b e (dessen Buch eine sehr saubere Zusammen- fassung der wichtigeren deutschen Literatur enth/~lt). Die z w e i t e Richtung wird vertreten dutch W e d d i g e n , dessen ,,Theorie des Er- t rages" (1929) ganz eigentfimliche Wege geht und mit den engeren 5konomi- schen Problemen so gut wie gar niehts zu tun hat1). Es beleuchtet schlag- liehtartig eine Weise in der man immer noch NationalSkonomie betreibt und l~Bt aueh diese konkreten, sachlieh hSchst wichtigen Probleme in einer Flut von ,,Methodologie" untergehen, ohne dab dadureh irgend jemandem gedient w/ireS). Angesichts dieser Umst/inde werden wit - - leider - - wenig Gelegenheit haben uns mit den deutschen Beitr/igen zum Thema zu befassen.

§ 6. P l a n d i e s e r A b h a n d l u n g :

I m n~ehsten (II.) Tell soll die Diskussion C l a p h a m - - l~obe r t s o n - - P i g o u dargestellt werden, in der die G e l t u n g und R i e h t i g k e i t der Ertragsgesetze nicht bestri t ten wurde, im I I I . Teil sollen die Gesetze in ihrer Ausarbeitung vorgeffihrt werdena), wobei zu zeigen sein wird, wie man dem Problem der Tendenz zum Monopol bei sinkenden Kosten

z) Von den hier behandelten Fragen ist fiberhaupt nicht die Rede. Das Buch ist nicht zuletzt dadureh gekennzelchnet, dab keiner der obigen aus- l~ndischen ]NationalSkonomen erwiihnt wird. Ertragstheorie ohne Courno t , E d g e w o r t h , Marsha l l , P igou!

3) Man hat sieh sogar - - dies sei als Kuriosit&t festgehalten - - zu der iiber- spannten Behauptung vers~iegen, die Notwendigkeit der grunds~tzlichen Giiltigkeit des Gesetzes yore abnehmenden Ertrag sei ,,1 o gisc h d e du zie r b a r". Fiir eine Effahrungstatsache immerhin bemerkenswert i Es wird dann n~.mlich gemeint, daB, fails bei Verdopplung aller Faktoren und Unveranderlichkeit eiaes einzigen slch schon ,,rein 1ogisch" ein abnehmender Ertrag einsteIlen mtisse. Es daft ffiglieh bezwei~elt werden, ob mit einem deraxtigen grotesken Mii3braueh der deduktiven Methode irgendetwas gewonnen werden kann.

a) Es ist nbtig zu bemerken, dab ieh dabei durehaus nieht in jene Einzel- heiten eingehen kann, wie es erforderlieh w~re. Es wird auch getrachtet, die Darstellung mbgliehst leicht versbiindlieh zu halten, da ja der Haupt- zweek der ist, die Probleme fiberhaupt erst einmal mitzuteflen und - - wenn e s gelingt - - schmaekhaf~ zu machen. Daher ist es auch uavermeidlich,

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490 O. Morgenstern:

beiznkommen trachtete und sehlieBlich die interessante These auf- stellte, da$ die konstanten Kosten iiberwiegen. Dagegen kann leider der Pigousehen Forderung Industrien mit sinkenden Ertr~gen zu besteuern und solehe mit steigenden Ertr~gen zu subventionieren nicht weiter Erw~hnung getan werden, obwohl es sieh hier vielleicht um die eigenartigste Anwendung der Ertragstheorie fiir die Volkswirtschafts- politik handelt.

II. S ind die Ertragsgesetze theoret i sch r icht ig aber praktiseh unbrauchbar ?

§ 7. J. H. C l aphams These y o n den , , leeren S c h a c h t e l n " : Geltung und Formulierung der Ertragsgesetze stehen auBer Zweifel;

sic sind jedoch v611ig wertlos, da sic keinerlei praktische Anwendungen gestatten. So wird insbesondere der Pigousehe Plan der Subventionie- rung und Besteuerung zunichte, weft es nicht m6glich ist anzugeben, welehe Industrien welchen Ertragsvertau/aufweisen. Mit diesen Worten k6nnen die Ansiehten C laphams wiedergegeben werden. Der Autor ist ein hervorragender Wirtschaftshistoriker, hat aber - - wohl dank seiner Freundschaft mit Marsha l l - - , der 6konomisehen Theorie stets grebes Verst~ndnis entgegengebracht, so dab er aueh nieht in den iiblichen Fehler veffKllt, die Ertragsgesetze als ,,theoretisch richtig, aber praktisch falsch" anzusehen. Ibm handelt es sieh um ein A n w e n d u n g s p r o b l e m , um die B r a u c h b a r k e i t der Gesetze, was etwas ganz anderes ist. Er kommt mit genau derjenigen Einstetlung zum Theoretiker, die dieser immer yon den Historikern gefordert hat: C l apham wiinseht ein Hilfswerkzeug flit seine historischen Arbeiten, er will in die Lage versetzt werden, durch Anwendung der Ertragsgesetze auf das wirtschaftliehe Geschehen der letzten hundert Jahre dieses besser verstehen und zu- treffender besehreiben zu k6nnen. Wenn sich nun diese wichtigen Gesetze als unanwendbar erweisen, so ist die legitime Erwar~ung des Historikers get~useht und fiir den Theoretiker eine peinliehe Situation erwachsen.

C l aphams Argument besteht im wesentliehen darin, dab er zun~chst einmal riigt, dab weder Marsha l l noeh Pigou, denen man die meiste F6rderung unserer Einsicht in den Ertragsverlauf verdanke, niemals aueh nur die geringsten Anstrengungen gemacht haben, wirklieh anzu- geben, welche Industrien ffir die eiuzelnen Ertragsformen in Betracht

dab einige wiehtige Beitr~ge zur Kostentheorie, die zudem noch tier in deren Anwendung auf die Verteflungslehre ffihren, etwas kurz weggekommen, oder gar nicht beachtet werden k6nnen. In je gr6Berem ~IaBe diese Arbeiten der ,,h6heren Theorie" angeh6ren und besonders, wenn sic mathematiseh gehalten sind (z. B. Am ore s o: Teoria matematica della eurva di offerta, Rom. 1929), desto weniger k6nnensie hier mit geringenAusnahmen zur Geltung kommen. Das grit z. B. ~fir die Abhandlung yon Sehultz, H.: Marginal Productivity and the General Pricing Process. Journal of Political Economic vol. XXXVII. Oktober 1929, durch die auf die in der letzten Zeit etwas stiefmlitterlich behandelte Lehre yon der Grenzproduktivit~t neues Lieht geworfen wird.

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0ffene Probleme der Kosten- und Ertragstheorie 491

k~men. Diese drei Gesetze sind also bloBe Schemata, sie sind leere Schaehteln, in die man erst etwas hineintun miisse, denn vorl~ufig sei das Hant ieren mi t ihnen unter diesen B e d i ~ n g e n miiBiges Spiel. Das Vers&umnis dieser beiden Forscher eine Fiillung dieser drei Sehachteln vorzunehmen, kann auch yon anderen nieht gut gemacht werden; denn es fehlt an Fingerzeigen wie es geschehen soUel).

C l a p h a m sehildert den Besueh in einer Hutfabr ik und sein Bemiihen nun einmal festzustellen, in welehe Kategorie diese elnzelne Unternehmung, wie diese gesamte Industr ie geh6re~). Er riigt vor ahem, daB man Gesamt- industrie und Unternehmung niemals schaff trenne und will dureh Aufzeigen des komplizierten Produktionsprozesses dieser Fabr ik nach- weisen, dab das Arbeiten mi t physisehen Mengen, mi t , ,Dosen" und ,,units of resources" vSllig unm6glieh werde. Er geht die einze]nen Roh- stoffe und Produktionsmi~tel der Reihe nach durch und zeigt, dab wir nur ganz rage Ideen haben kSnnen, ob diese wieder nach den Ertrags- gesetzen gruppiert werden kSnnen odor nicht. Dazu kommt noch, dab es sich moist um verbundene Produkte handelt, wodurch die Lage immer verwickelter wird und es kaum mehr einen Ausweg gibt. So bleiben nut die breiten, abet nichtssagenden Verallgemeinerungen, mit denen nie- mandem gedient ist3). Um aber die Ertragsgesetze aus dem ,,limbo of

1) On Empty Economic Boxes, Economic Journal, vol. XXXI I . S. 312. 1922. ,,I think a good deal of harm has been done through omission to make it quite clear that the Laws of Returns have never been attached to specific industries".

g) Eine Divergenz kSnnte meines Eraehtens bei den U n t e r n e h m u n g e n nur in Hinsieht auf konstantc und steigende Kosten bestehen, denn sinkende Kosten mft~ten ja nach allgemeiner Ansicht zum Monopo l ffLhren, wofcrn keinc ,,external economics" bestehen, betreffs deren Existenz sich aber berechtigte Zweifel anmelden lassen (vgl. unter § 21). Es w~re denn, wir h~tten gerade den Zeitraum des l)berganges, also ein Zwisehenstadium, vor uus, das aber die Thcorie eigentlich nicht gesondert behandelt, da sic immer nut End-Gleichgewichtslagen betrachtet. Gewi~ ein Mangel. In tier ungleiehen Beru~cksichtigung der Zwischenstadien liegt bekanntlich ein wichtiger Unterschied zwischen der mathematischen Sehule (insbesondere des allgemeinen Gleichgewichtes) und der 5sterreiehischen Sehule. (Vgl. dazu m ein e demn~chst crscheinende Abhandiung- Haupttypen der modernen Theorie des subjcktiven Wertes, Schriften des Vereins fftr Sozialpolitik, 1931.) Und zwischen konstanten und steigenden Kosten einzelner Untcr- nehmungen dfirfte sol, on leichter unterschieden werden k~nnen. Auf dicsen Punkt ist in der Disknssion nlcht hingewiescn worden.

~) ,,Easy generalizations about the Law of Diminishing Return boeing necessarily true, because if it is not you might feed the world from a square yard, will help little in the discussion of these world problems." S. 314. Noch sehlimmer stoht es um die steigenden E r t r ~ e - - die wohl in der Tat die c r u x der Ertragstheorie bilden - - : ,,I think we should on principle avoid even the suggestion that we know that particular industries come into the ,,increasing" category, because we never can know what proportion of their efficiency is due to organisation resulting from mere size and what to in- vention" (S. 314), was zu wissen aber gerade ffir M a r s h a l l entscheidcnd war.

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492 0. Morgenstern:

the categories" zu retten, bedarf es eines groBen ,,Analytic", der allein diese Leistung vollbringen k6nne.

§ 8. P i g o u s S t e l l u n g n a h m e :

Mit diesem Analytiker war natiirlieh P i g o u gemeint, der aueh prompt auf den Plan trat , um die Sache zu rettenl). Dabei beginnt er mit dem zutreffenden aber fiir die Saehe nicht viel verspreehenden Eingest~ndnis, da6 die Anwendbaxkeit reiner Theorie iiberhaupt beschr~nkt sei2). Er h~lt es fiir unriehtig, wenn C l a p h a m die drei E r t r a g s g e s e t z e anders auffaflt denn als N e b e n p r o d u k t e des V e r s u c h e s das a l l g e m e i n e W e r t - u n d P r e i s p r o b l e m k l a r z u s t e t l e n . Ihren Nutzen h~tten diese Gesetze, wenn such C l a p h a m s Forderungen nicht erfiillt seien, schon oft erwiesen, so k6nne man z. B. naehweisen, dab ein Politiker, der behauptet, jede Steuer auf ein Produkt erhShe dessen Preis, Unreeht habe, da er nur konstante Ertr~ge voraussetze, was auch sehon eine wichtige Anwendung bedeute. Aui]erdem sei es ein Fehler C l a p h a m s das Problem des Fiillens der leeren Sehachteln nur auf die drei grol3en Schaehteln zu beziehen und nieht die vielen kleinen F~cher zu beriick- sichtigen. Die Frage diirfe eben nieht so allgemein gestellt werden, man mfisse vielmehr in Einzelheiten eingehen und sieh dabei der Hilfe der praktischen Geschiiftsleute versiehern3). So wie ftir die Nachfrage- seite eine statistische Analyse sehon gelungen sei, so werde es auch mit der Angebotsseite ergehen. Jedoch sei dazu ein neuer J e v o n s n6tig, ein Mann, der gleichzeitig die Eigenscha~ten eines grol]en Anatytikers mit denen eines schSpferischen Statistikers vereinige.

C l a p h a m fand diese Antwort wenig befriedigend und stellte zu- n~chs~ einmal in seiner Replik 4) mit Genugtuung die fiir ihn wicht4ge Tatsaehe lest, dab P i g o u eigentlieh zugegeben habe, dab die Schachteln leer seien. Er als Wirtschaftshistoriker, der die oben angeflihrten Bedenken nur aus Liebe zur Theorie ge~ul~ert habe, hat te erwartet, dal~ man yon ihm bestimmte Statistiken oder dergleiehen verlangen wiirde, s tar t dessen . . . ,,Now I am paid with a cheque drawn on the bank of an unborn Jevons. Can no one give us more current coin ?,,5).

1) Empty Economic Boxes, A Reply, Economic Journal vol. XXXII, 1922. Claphams Replik ebendort: The Economics Boxes, A Rejoinder.

3) ~ber das allgemeine Problem dcr Verifizierung hat sich P i g o u ge- ~uBert in: The Statistical Verification of Economic Theory, Sidney Ball Lecture, Oxford 1927, wo er, wie es scheint, gewisse Anwendungen der reinen Theorie - - z. B. Sir J. S t amps verunglfickten Vcrsuch dcr Vcrifikation der repr~sentativen Firms - - altzu optimistisch bcurteilen diirfte.

a) Bei dieser Forderung dfirfte er kaum die Unterstfitzung eines anderen Cambridger Theoretikers erhal~en, n~mlich Keynes ' , der einmal mein~e ,,the bus iness man: that legendary monster".

4) The Economic Boxes, A rejoinder, Economic Journal, voL XXXII, S. 500 ft.

~) A. a. 0 . , S. 562.

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Offene Probleme dot Kosten- und Ertragstheorie 493

§ 9. F o l g e n d i e s e r D i s k u s s i o n :

Die Auseinandersetzung zwischenden beidenhervorragenden Gelehrten wurde vielleicht nieht mit ganz der Sorgsamkeit gefiihrt, deren der Gegenstand wiirdig gewesen w~re. Denn dab es zu einem klaren Ergebnis gekommen w~re, l~Bt sich leider nicht behaupten. Weder ist die Be- deutung der C l a p h a m s e h e n Bedenken festgelegt worden, noch kanu yon P i g o u gesagt werden, dab er den Eindruck hervorgerufen habe, seiner Sache durchaus sicher zu sein. Dies ist um so verwunderlicher, als seine Lehre yon der relativen ~berinvestition in Industrien 'mit sinkendem Ertrag bzw. steigenden Kosten doch - - zum Teil zu- mindest - - zur Voraussetzung hat, dab der praktische Unternehmer imstande sein miisse, seine Wahl zwisehen verschiedenen Investitionen an dem Kriterium der steigenden oder sinkenden Kosten zu orientieren. K~nnte er dies iiberhaupt nicht, so miiBte ja sein Verhalten in dieser Hinsieht als g£nzlich irrational und rein zufMlig gewertet werden! Dem Theoretiker muB es natiirlieh mSglieh sein, d e n U n t e r n e h m e r so g e n a u z u b e o b a e h t e n, dab ibm dessen ganze Effahrung a uch zur Vefffigung ste h u n d e r sie in seine Beschreibung einbeziehen kann, so d a b d e r , , P r a k t i k e r " d e m , , T h e o r e t i k e r " m theoretiseh! - - n i e m a l s e t w a s v o r a u s h a b e n kann . DaB dieser naheliegende Gedankengangl), der allein bereits unabh~ngig yon den speziellen Thesen P i g o u s eindeutig die p r i n z i p i e l t e U n h a l t b a r k e i t der Behauptungen C t a p h a m s auf- zeigt - - was jedoeh nieht alle die yon ihm e r w ~ n t e n praktisehen S c h w i e r i g k e i t e n beseitigt - - , in der Diskussion nieht auftauchte, ist um so merkwiirdiger, als diese Auseinandersetzung den Ausgangspunkt fiir eine ganze Reihe yon Untersuchungen gebildet hat, die unsere Einsicht in die Ertragstheorie sehr gefSrdert haben, wenngleieh die Beitr~ge zun~chst oft negativen Charakters waren. Es bewahrheitet sieh wieder einmal die alte Erkenntnis, dab aueh eine sehiefe und unhalt- bare ~ragestellung fruehtbringend sein kann. Zu den wertvollsten und anregendsten Arbeiten, die dureh diese Auseinandersetzung angeregt sein diirfte, gehSrt eine Untersuehung yon Piero S r a f f a : SuUe relazioni fra eosto e quantit~ prodotta2), mit der wir uns nun im wesentlichen beseh~ftigen wotlen. Ihre hohen Quaht~ten sowie die der sich an sie ansehlieBenden Debatten lassen sie dafiir besonders geeignet erscheinen.

1) Vielleieht hat P igou etwas ~hnliohes mit seinem kurzen Hinweis auf den ,,business man" gemeint, aber das bleib~ unklar.

~) Annali di Eeonomia, Bd. II, S. 277ff. 1925. Ein Auszug mit einigen preistheoretisehen Erg~nzungen ersehien im Economic Journal, vol. XXXVI. 1926; The Laws of Returns under Competetive Conditions. Als erster diirfte sich G. Del Vecohio mi~ S ra f f a beseh~ftlg~ haben: I1 eosto quale elemento della teoria eeonomica. Giornale degli eeonomisti, M~rz 1926.

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494 0. Morgenstern:

III. Die These des l~berwiegens konstanter Kosten in der Produktion

A. Allgemeines

§ 10. Al lgemeines zur Termino log ie der K o s t e n t h e o r i e :

Die iibliehe, landl~'ufige Fassung der Ertragsgesetze erhielt sehon im Laufe der Ietzten Jahrzehnte manche Bedrohung, haupts~chlich durch andere Formulierung der Voraussetzungen und Tatbest~nde und zwar solcher, die trotzdem ihrem Sinne nach und in ihrem Kern unberiihrt blieben. Es ist immer eine miBliehe Sache, wenn sich heraus- stellt, dab die Richtigkeit einer Theorie weitgehend yon Formulierungen und sonstiger pers6nlicher Willktir abhiingt. W~hrend noch bei der Diskussion C l a p h a m - P i g o u die Richtigkeit der Ertragsgesetze gar nicht in Zweifel gezogen wurde, betraehten wir jetzt den ganzen Problem- komplex als zwei/elhaft, als noch im Flusse befindlich und wir werden sehen, dab es in der Tat in diesem Bereiche, der zu den gesichertesten der gesamten 6konomischen Theorie zu geh6ren seheint, ein offenes Problem neben dem anderen gibt. Es beginnt bereits mit der Termino- logie; sie geh6rt aber ganz in das Gebiet der Konvention. Gerade deswegen sei dariiber noch eine Anmerkung gestattet, damit die Ausdriicke genau festliegen und sparer nicht mehr erkl~rt zu werden brauchen. Dabei kSnnen nur wenige Kostenbegriffe ausgewAhlt werden. Entsprechend der komplexen Natur des Kostenph~nomens - - d a s ja den Hauptteil der Produktionserscheinungen ausmacht - - ist auch die Terminologie zwar kompliziert, aber sehr genau und wirdinsbesondere yon den anglo- amerikanischen Autoren mit wahrer Virtuosit~t gehandhabt, w~hrend die Begriffe bei uns oft nur den Betriebswissenschaftlern gel~ufig sind, die sie dann fiir i/are Zwecke vielfach in etwas anderem Sinn verwenden miissenl).

DaB zwisehen physischen Kosten und Geldkosten und demnach zwischen physisehen Ertr~gen und Geldertrag gesehieden werden mul~, wurde bereits i m § 4 hervorgehoben, we aueh gezeigt wurde, dab sieh die Ertragskurve nur bei Verwendung des Geldausdruekes in eine Kosten- kurve umkehren l~l]t, da man sonst des ,,konstanten Faktors" kaum Rechnung tragen kann3). Man wird sich abet den Vorteil der Umkehr-

i) Typisch fftr die gerlnge Beaehtung die die Kostentheorie fiberhaupt und ihre bier zur Diskussion stehenden neuen Probleme in Deutsehland zu erringen verm6gen ist die Stellung, die Ad. Weber diesen Fragen in seinem, in mannigfacher Hinsieht sonst ausgezeiehneten Lehrbueh ,,All- gemeine Volkswirtsehaftslehre" 1928 zuweist. Er widmet ilmen nut ganz sporadisehe Ausffthrungen auf insgesamt 500 Seiten, was bei ihm umso mehr ~berrasehen mul~, als er den Klassikern grebe Sympathien entgegen- bringS, was eo ipso bedeutet, dab er der Angebotsseite in cler Preisbildung ein ,,~bergewicht" fiber die Naehfrage zumessen mfiBte.

z) AuBer man nimmt ihn - - aufge te i l t - in eine ,,composite unit of resources" hinein, was aber einen so hohen Grad yon Abstraktion voraussetzt,

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barkeit nicht entgehen lassen, gerade well die Darstellung dadureh verein~aeht wird. Es ist dann also gleichg~tig, ob man die ganzen Dar- legungen in Ertrags- oder Kostenausdriicken fiihrt. R o b e r t s o n hat seine Stimme fiir die Bevorzugung der Kosten abgegebenl), was in dem Gebraueh des Alltages gut begriindet ist. P igou dagegcn m6chte beide Ansdriicke verschwinden sehen und hat in der Tat seine Analyse des Angebots 2) neuerdings ausschlieBlich in Ausdriicken des steigenden, konstanten und sinkenden Angebo t sp re i ses geffihrt. Diese Ausdrucks- weise hat den Vortefl gr613ter Genauigkeit fiir sieh, fiihrt aber etwas veto HerkSmrnIiehen ab. ])as w/~re kein Nachtefl. Jedoch ist Voraussetzung, dal~ fiber die Begriffe des Angebots- und Nachfragepreises v611ige Klarheit besteht; in der deutschen Literatur haben sie sich kaum eingebiirgert, w/~hrend sie jedem Marshallianer in l~leisch und Blur iibergegangen sind. Der Nachteil liegt hSchstens darin, dab leieht in e iner Hinsicht Verwechslungen unterlaufen k6nnen, denn eine Kurve des Angebots- preises ist eben eine Angebo~s- und keine - - beliebige - - bloBe Kosten- ku rye mehr, sondern eine qua l i f iz ie r te , d. h. ausgew/~hlte Kostenkurve.

Des weiteren ist zu unterscheiden: S t i i ckkos ten sollten, wie man sofort einsieht, gleichgesetzt werden den D u r c h s c h n i t t s k o s t e n , d. h. es sind die Kosten der Produktion, dividiert durch die Zahl der jeweils in einem Gleiehgewichtszustand produzierten Einheiten. Wir erg~nzen die Bestimmung dahin, da~ die g e s a m t e n in dem betreffenden Zeit- punkt aufgelaufenen Ausgaben in Betracht zu ziehen sind, nicht nur die Aufwendungen die fi~ jede einzeine produzierte Einheit gesondert gemacht werden mfissen, znsammengefaBt, was offenbar auch ein sinn- volles Ergebnis bringen muB. (Die auf diese Weise erha]tenen Stiick- kosten wollen wir jedoch iiberhaupt aus der Betrachtung ausscheiden.) Unter e in f achen Grenzkos t en shad die Kosten zu verstehen, die fiir die Produktion einer zns~tzlichen Produkteinheit aufgewendet werden miissen, wobei die Produktionsanlage als konstant zu betrachten ist. Diese Aufwendungen, die also fiir die individueUe Einheit gemacht werden miissen, ergeben, aneinandergereiht, die Kurve der speziel len A u f w e n d u n g e n (,,Curve of particular expenses"), die jede beliebige Neigung haben kann. A ~riori wird man erwarten, daft sic sich friiher oder sp~ter nach aufw~rts wendet.

Diese Kosten shad auch als p r i m a t e Kosten oder als variable zu bezeiehnen; die unver~ndert bleibenden heil3en f i x e oder s u p p I em e n t/~ r e Kosten, in ihnen sind alle Generalaufwendungen begriffen (wie z. B. Beleuchtung der Fabrik, Aufsieht, Reklame usw.). Betrachtet

dal~ mi~ den derart gewonnenen Erkenntnissen sehon im Bereiche cler reinen Theorie wenig anzufangen ist, wofiir J. B. Clark (unfreiwillig) manchen Beweis liefert.

1) Those empty boxes, a. a. 0., S. 17. 3) An Analysis of Supply, Economic Journal, Bd. XXXVIII. 1928;

dieser Aufsatz wurde erweitert aufgenommen in die dritte Auflage seiner Economies of Welfare, Tell II, Kap. XI, London, 1929 und besonders An- hang III, S. 787 ft.

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496 O. l~Iorgenstern:

man das Kostenph/~nomen im Zeitverlauf, so ist zu unterscheiden zw~chen k u r z f r i s t i g e n und l a n g f r i s t i g e n Kostenkurven. F ~ die ersteren gilt, dab die Angebotskurve unter bestimmten Umst/~nden (wie sie z. B. in M a r s h a l l s Fischerbeispiel angefiihrt sind) nur yon den p r im/~ ren Kosten gebildet wird. In dieser Abhandlung mfissen diese Erseheinungen abet auller acht gelassen werden, da offenbar zun/~chst einmal iiber die langfristigen Grundtendenzen Klarheit geschaffen werden mull. Neben den bisher angefiihrten Kosten gibt es noeh die Ph/~nomene der v e r b u n d e n e n und a s s o z i i e r t e n Kostenl). Erstere t re ten dann auf, wenn mit einem Produktionsprozell aus teehnischen Griinden ein anderer mitlaufen mul l (z. B. bei Ver- wertung yon Abf~Uen), yon den zweiten sprieht man, wenn zwei oder mehr Produktionsprozesse miteinander freiwillig verkoppelt werden, etwa um die Generalunkosten zu driicken. (Beispiel: Eine Lokomotiv- fabrik erzeugt aueh stehende Dampfmasehinen.) Dem entspreehend wird dann auch zwischen verbundenen und assoziierten P r e i s e n ge- sprochen, doeh ist dieses Gebiet noeh ziemlich unersehlossen. Reiehlich selbstverst/~ndlich ist, dall man unter den G e s a m t k o s t e n die gesamten in der Produktion aufgelaufenen Kosten versteht, ebenso gilt, dall die Gesamtkosten bei VergrSllerung der Produktion s t e t s steigen mfissen.

Die hier festgelegte Terminologie h~tte aueh in Ausdriieken desErtrages gegeben werden kSnnen, aber ohne Gewinn. I)er Rundgang dureh die gebr/~ueblichen Begriffe ist beendet, und es sel nur noch ein Wort fiber die m a t h e m a t i s c h e Fassung und Ausdrucksweise eingeschaltet.

Entsprechend dem Umstande, dall die hier behandelten Probleme ihre Pflege haupts~chli6h i n England, Amerika und Italien gefunden haben, L~nder, in denen nicht nur unsere Wissenschaft einen sehr hohen Rang hat, sondern in denen es fiberdies noch als praktiseh selbstver- st/~ndlich gilt, dall der NationatSkonom eine halbwegs genfigende mathe- matische Vorbildung besitzt - - woraus dann bei begabten ~enschen weiteres Interesse zu erwachsen pflegt - - , sind die L~sungsversuehe oft, wenn nieht sogar fiberwiegend, mathematiseh gehalten. GewShnlich ist es eine sehr einfache, leicht fallliehe Mathematik. Interessant ist, dall die erste zutreffende Begriffsbildung sowie die ersten wiehtigen Ableitungen yon C o u r n o t stammen, der bekanntlich der e r s t e war, die Grenzwertrechnung auf die NationalSkonomie anzuwenden2). Is t

1) Die in der deutsehen Literatur kaum studiert worden sin4. Hier ist besonders auf die Arbeit yon M. F a n n o : L'offerta a costi congiunti (1914) hinzuweisen. Die frfiheren, sehr bedeutsamen Untersuehungen B a r o n e s w~ren zu nennen. Ffir eine zusammenfassende Darstellung dieser Spezial- literatur, vgl. l~ ieea-Sa lerno , P.: I costi associati nell odierna organiz- zazione dell impresa. Rom. 1927, dazu meine Rezension: diese Zeitsehrift, Bd. I, S. 174.

~) Seine Lfsung (1838 i) ist folgende: es seien y die Kosten, x die produzierte Menge. Demnaeh besteht die Beziehung y = ~p (x) und die drei Kostengesetze sind anzusehreiben: ~'" (x )>0 . Zutreffender kann der Sachverhalt heute,

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Offene Probleme der Kosten- und Ertragstheorie 497

das bloBer Zufall ? Gewill nicht. Anfang dieses Jahrhunder ts war es noch nStig, f i i r die Verwendung der Mathematik eine Lanze zu brechen, sogar oftmalig, eigentlieh bei jeder wichtigeren Gelegenheit. Die Lage hat sich seither griindlich ge/~ndert. Die wenigen NationalSkonomen, die sich noeh heute gegen ihre prinzipielle Verwendung str~uben, wiirden besser fahren, einer mSglichen Hypertrophie der Mathematik in unserer Wissenschaft entgegenzutreten (so sehr ist ihre Position verschoben!), aber dazu gehf r t eine v S l l i g e Vertrautheit mi t den bisherigen - - auch neuesten - - LeistungenZ), die nur einige Kri t iker aufbringen.

§ 11. I d e n t i t / ~ t d e r G e s e t z e v o m a b n e h m e n d e n u n d zu- n e h m e n d e n E r t r a g ?

Es ist v611ig gleichgiiltig, ob wir mit dem Gesetz yore abnehmenden oder yore zunehmenden Er t rag beginnen, denn die Schwierigkeiten setzen sofort ein, wenn man unter die Oberfl/~che stSBt. Das Gesetz yore abnehmenden Er t rag gehSrt seit langem zum eisernen Vorrat der iiblichen Lehrbiieher und daher ist es besonders peinlieh, clal~ aueh hier etwas nieht s t immt, besonders aber, dab vieles yon dem ,,Gesetzes"- charakter auf Willkiir der Annahmen beruhen soll.

Der erste exakte Hinweis auf die MSgliehkeiten einer solchen Willkiir dfirfte yon E d g e w o r t h s tammen, der den Nachweis zu ffihren suehte, dab es lediglich yon der Wahl der G r S S e d e r D o s e n , die auf einen konstanten Fak tor angewendet werden, abh~nge, damit man ausschlieBlich f a l l e n d e Ertriige e r h a l t e . Es sei nut nStig, geniigend g roBe D o s e n anzunehmen, Da auf diese Weise abnehmende Ertrage iiberall auftreten kSnnen, miisse man auch dem betreffenden Gesetz gegeniiber den anderen Gesetzen eine V0rzugsstellung einr/~umen~). Dieser Ansieht h/~lt S r a f f a mit Reeht entgegen, dall die vermeintliehe Vorzugsstellung reine Willkiir

naeh fast 100 gahren, in solcher Karze aueh nieht besehrieben werden. Vgl. A. A. C o u r n o t : Researches into the Mathematical Principles etc., ferner ~ r eine ausffihrliehe Behandiung: A. L. Bowley : Mathematical Groundwork of Economies, S. 33 ft., S. 58 ft. Oxford. 1924.

1) Gcwisse andere Kostenbegriffe kSnnen ~berhaupt nut mathematiech geraint und angegeben werden, so z. B. der Begriff der , , r e l a t i ven K o s t e n " , den H. L. Moore entwiekelt hat (Synthetic Economies, S. 76ff. New York.

1929). Sie sind definiert als: u = ~ (x) ' und der Unternehmer mull wissen,

ob x > 1 wird, d.h. er will wissen, ob die relative Erhfhung der Gesamt. kosten grSiler, gleich oder kleiner ist als die relative Ausdehnung der Pro- dul~ion. Der reziproke Ausdruek ergibt to oder die ,,relative Effizienz der Produktion". Man kSnnte diesen Faktor to vielleieht als Mall der ,,internal economies" ansehen, die in der betreffenden Unternehmung wirksam sind. Vgl. Moore: A. a. 0., S. 78 bis 87, ffir cine besonders klare Darstellung des Gesetzes yore Angebot. Diese ,,relativen Kosten" sind nieht z u verweehseln mit denen, die z. B. L. W o l l e m b o r g versteht: Intorno al eosto relativo di produzione come norma per la determinazione del valore. Bologna. 1882.

s) E d g e w o r t h : A. a. 0., Papers, Bd. I., S. 65. Zeitschr. f. Nationalfkonomie, II. Bd., 4. H. 32

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498 O. Morgenstern:

sei. Man brauche n~mlich nut geniigend k l e i n e D o s e n einem konstanten l~aktor hinzufiigen, um immer s t e i g e n d e Ertrgge zu erhalten, weswegen aueh P i g o u s absolute I~egierung des Bestehens eines a l l g e m e i n e n Gesetzes yore zunehmenden Ertrag nieht zu Recht bestehel). Mit beiden Behauptungen ist aber - - zumindest in dieser einfachen Fassung kaum etwas Positives anzufangen, da offenkundig ist, dab die Wahl der einen oder anderen Dosengr6Be reine Geschmacksache wgre, ganz abgesehen davon, dab man hier einen typischeu Fall dafiir vor sieh hgtte, in dem man sich hie darfiber einigen k6nnte, wann Dosen noch ,,klein" und wann sie schon ,,groB" w~ren; wie es z. B. aueh fiir die ,,kurzen" und ,,langen" Zeitperioden gilt2).

Dagegen lehren diese beiden Beweise (auf deren Einzelheiten hier nieht eingegangen zu werden braucht) folgendes: Zweifellos handelt es sich um genau das gleiehe R e a l p h g n o m e n ; es wird auf zweifache Weise betrachtet und in zweifaeher Weise eingereiht; die Aussagen dariiber stehen also v611ig im Belieben des Aussagenden: Z u n e h m e n d e u n d a b n e h m e n d e E r t r g g e k S n n e n a l so g e n a u die g l e i c h e S a e h e sein. Man wird bei diesem Gedankengang, gerade weil er ganz unanfechtbar ist, etliehes Unbehagen empfinden, besonders wenn man weiB, dab ~hnliehes wiederum fiir die Beziehung dieser beiden ,,Gesetze" zu jenem der konstanten Ertrgge gilt und dab die Kalamitgt dann aueh fiir praktisehe Zwecke akut wird.

B. Abnehmender Ertrag

§ 12. S c h w i e r i g k e i t e n de r e x a k t e n F a s s u n g des , ,G e se t z e s v o m a b n e h m e n d e n E r t r a g " :

Die iibliche Definition lautet etwa folgendermaBen: Werden in einer Kombination yon Produktionsfaktoren einige Faktoren vermehrt, wghrend andere konstant gelassen werden, so ergibt sich zun~chst eine Vermehrung des Gesamtproduktes, die yon einem gewissen Punkt an hinter dem AusmaBe der Vermehrung relativ zuriiekbleibt. Um zu vereinfachen geht man in der Untersuchung der Naturalertrgge yon nur e i n e m konstanten Faktor, z. B. dem Boden, aus, den man mit ,,Dosen", zusammengesetzt aus Kapit~l plus Arbeit, kombinierta).

1) Sra f fa : A. a. 0., S. 285ff. S r a f f a vermag jedoeh nicht n~her zu begriinden, warum man, was wenig wahrscheinlich ist, ad in/init~m steigende Ertrgge erhalte. Der Punkt ist aber yon untergeordneter Wichtigkeit.

~) S ra f f a erwghnt noch a. a. 0., S. 321, dab auch ein verschieden- artiges Einsetzen des Z e i t f a k t o r s verschiedene Ergebnisse liefert. Es wiirde sich z. B. fftr ku rze Zeitr~ume abnehmender Ertrag einstellen, weft die nStigen UmsteUungen auf vergnderte Produk~onsbedingungen nicht sofor~ gelingen, wogegen sieh bei genfigend langen Zeitperiodeu steigende Ertrage als wahrscheinlicher anlassen. Diese Erseheinungen sind noeh ganz ungenttgend untersueh~; vgl. die Andeutungen des § 22.

s) Die Probleme, die mit diesen ,,Dosen" zusammenh~ngen, seien hier ganz aufler aeht gelasseu. Es sei nut bemerkt, dab sie im allgemeinen

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Offene Probleme der Kosten- und Ertragstheorie 499

Im allgemeinen wird der , ,konstante" Faktor dahin festgelegt und interpretiert, dab er nicht v e r m e h r t werden kann, also in diesem Sinne fix gegeben ist. An genau diesem Punkte setzt S r a f f a ein: es sei wohl richtig, daB er nach oben hin begrenzt sei, aber man miisse annehmen, daB er nach unten t e i l b a r sei, wodurch sofort das Ge- kiinstelte der stillschweigenden Voraussetzung, laut welcher immer der ge s a m t e Faktor verwendet werden miisse, aufhelle. L~Bt man sie fallen - - und man hat allen Grund dazu - - , so muB die landl~ufige Vorstellung und Formulierung des Gesetzes veto abnehmenden Ertrag fallen oder sie muB zumindest erheblich abge~nder~ werden. Das l~Bt sich am leichtesten an der S r a f f a schen Figur zeigen, die hier wiedergegeben ist.

Es seien auf einem Acker bestimmter Gr6Be eine namhafte Zahl Dosen yon Kapital und Arbeit aufzuwenden. Der Ertragsverlauf l~Bt sieh dann dutch zwei Kurven kennzeichnen: jede zus~tzliehe Dose wird einen yon dem yon der vorhergehenden verschiedenen Ertrag abwerfen; der Gesamtverlau/ist daxgestellt dureh OAPG, die Kurve der (einfaehen) G r e n z e r t r ~ g e . Der Gesamtertrag, dividiert durch die Zahl der jeweils aufgewendeten Dosen, ergibt OPD, die Kurve der D u r e h s c h n i t t s - e r t r ~ g e . Da die Grenzertr~ge be- felts sinken, wenn die Durchschnitts- ertr~ge noch zunehmen miissen, liegt auf der Hand, dab der Gleich- gewichtspunkt sich im Schnittpunkt der beiden Kurven (P) befinden

Yl ,A U ~ , ,% ,0_ .

T G ~ D

0 5 H x Abb. 1

muB. Erst vom P angefangen, d. h. yon dem Punkte der o p t i m a l e n Kombination des konstanten Faktors mit Dosen yon Kapital und Arbeit, beginnt das Ph~nomen des abnehmenden Ertrages in engerem Sinne. U n t e r G l e i c h g e w i c h t s v e r h & I t n i s s e n i s t d i e se s P h & n o m e n a b e r g ~ n z l i c h u n i n t e r e s s a n t , da d ie P r o d u k t i o n e b e n un- m i t t e l b a r v o r h e r , in P, a b g e b r o c h e n wird . Ist die Zahl der Dosen, die auf den Acker angewendet werden muB, bekannt und tats~ehlich vorhanden, u m das maximale Produkt OEPM zu ergeben, so k6nnte der tats~chliche Verlauf der Durchschnitts- und Grenzertragskurve gleichgiiltig sein, da eben kein Problem mehr zu 16sen ist. Sind aber weniger Dosen vefffigbar, so ist die Saehlage wesentlieh anders: jetzt ist der Landwirt vor eine W a h l gestellt, entweder (1) die eine verffigbare Dose auf den g a n z e n Acker zu verwenden und dafiir z. B. das Ergebnis OTRS

in ihrer Zusammensetzung als gleiehbleibend, w~hrend des ganzen Produktions- prozesses anzusehen sind. J. B. Clark bfldet eine wiehtige Ausnahme, da sieh beiihm die Zusammensetzung yon Dose zu Dose ~ndern kann, da sie z. B. den verschiedenen Gr6i3en der Produktion angepa•t werden. Der Haupt- grund daffir liegt in seinem abs~rakten Kapitalbegriff, der bier seine F01gen ftir die Grenzprodulr~ivit~tmtheorie zeig~. Des weiteren ware in gewissem Sinne A. C. P igou mit seinen ,,additiven Grenzkosten" zu erw~hnen. Darfiber siehe jedoch unten, § 15, S. 508.

32*

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500 0. Morgenstern:

zu erhalten, oder (2) die Aekerfl~iche nieht als starr zu betrachten, sondern die Dose auf jenen Tell anzuwenden, der ein dem obigen op t ima len Fa l le p ropo r t i ona l e s R e s u l t a t l iefer t . Die kle'mere Fl~che wird sieh erst dureh Experiment finden lassen; aus dem Schema kann jedoeh geschlossen werden, dab sic sieh zur Gesamtfl'~che verhalten muB, wie OS:OM1). Start nut OTRS l~Bt sich also mit den gle iehen Mitteln der wesentlieh grSBere Ertrag OEUS erzielen. Es ist klar, dab die Methode (2) vorgezogen wird. Kommen nun zu der ersten Dose der Reihe naeh (in der Zeit) weitere hinzu, so wird nic h t die Ausgangsfliiehe festgehalten, sondern sic wird, um das Optimum zu halten, relativ zur Vermehrung der Dosenerweitert,und zwarin der Form, dab die Ertr~ge entlang der LinieEU P k o ns t an t gehalten werden, bis sehlieBlieh bei P der ganze bisher pseudo- konstante Faktor unvermehrbar ist und die Produktion abgebrochen wird. Es g ib t also bis z u m P u n k t e P k e i n e n s t e i g e n d e n E r t r a g s v e r l a u f .

Ob fiber diesen kritisehen Punkt hinaus mit dem yon nun an wirklieh konstanten Faktor weitergearbeitet wird, setzt zur Beantwortung die Erledigung zumindest einer questio/acti voraus: Ist ffir den einzelnen der Neuerwerb yon Land mSglieh oder nieht ? Hier wird ffir die Be- antwortung nStig sein, streng zu unterscheiden zwischen der Situation fiir einen einzelnen Betrieb und fiir die gesamte landwirtsehaftliche Industrie. Im ersten Faile wird man eine bejahende, im zweiten eine verneinende Antwort a priori erwarten. Die Erledigung dieser wiehtigen Frage kann aber erst sparer effolgen, bis einige Zwisehenfragen gekl£rt sind, weswegen in § 21 darauf zuriiekgekommen werden soll.

§ 13. Die B i tdung der J~ol lekt iven A n g e b o t s k u r v e bei f a l l enden E r t r ~ g e n (s te igenden Kos ten) :

Es wurde oben in § 2 ausgeffihrt, dab die wiehtigste Aufgabe der Ertragstheorie darin besteht, zu erkl~ren, nach welehen Prinzipien sieh die Angebo t sp re i s e riehten. Dabei ist s~reng zu unterseheiden zwisehen der Kurve der individuellen Angebo~spreise und der kollektiven Angebotskurve. Der SchluB liegt nahe, bier ebenso zu verfahren wie bei den individuellen und kollektiven N a c h f r a g e k u r v e n : bei diesen ist es nur nStig, die indivldueUen Kurven, die auf bekannte Weise leieht erhalten werden, zu addieren, d. h. man summiert die einze]nen Nach- fragen tats~chlleh entlang der Abszisse und erh~lt auf diese Weise ein vollkommen einwandfreies und sinnvolles Ergebnis, das man in der Preistheorie gut verwenden kann.

Die i n d i v i d u e l l e A n g e b o t s k u r v e ist aber yon Fall zu Fall ve r s ch i edenen Kostenkurven gleiehzusetzen, so daft wir ein Wort fiber sie einfiigen mfissen. Haben wir steigende Kosten (~-abnehmenden Ertrag), so erhalten wir, als den Produktionsverlauf charakterisierend, zwei Kurven: (1) die Kurve der Grenzkosten SG, die ausdrfickt, daB jede zus~tzliche Einheit an Produkt einen grSBeren Aufwand erfordert als die vorhergehende; (2) die Kurve der Durehsehnittskosten SD,

1) S r a f f a : A. a. 0 . , S. 283 bis 285.

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Offene Probleme der Kosten- und Ertragstheorie 501

die selbstverst~ndlich ebenfalls, aber viel langsamer, steigt als die Grenz- kostenkurve. Der Beweis daffir ist auf eine ein~aehe arithmetisehe RegeI zuriiekzuffihren mad erfibrigt sich. Man sieht leicht ein, dab es hier keinen Gleichgewichtspunkt in dem Sinne gibt, dab ein Einzelunternehmen bis zu einem bestimmten Punkt produzieren wiirde, fiber den es nieht hinausginge, well ihm darfiber hinaus kein Vorteil mehr, son- dern Nachtefl bzw. ein relativ sich ver. s kleinernder Vortefl entstfinde. Vielmehr wird die Nachfragekurve in H6he des Marktpreises als Horizontale einzutragen 0 sein. Der Sehnittpunkt der Grenzkosten. kurve bestimmt das Produktionsvolumen

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/" N P.'"

bl ~/, Abb. 2

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der betreffenden Unternehmung; in diesem Falle ist es gleich OM.

Es sei hier einschaltend eine Bemerkung fiber den Zusammenhang zwisehen dem Grade der K o n k u r r e n z und dem P r o d u k t i o n s v o l u m e n gemacht: (1) Besteht im oben streng gefal~ten Sinne ffeier Wettbewerb, so ist das Produktionsvolumen der e inze lnen Unternehmung durch den Sehnittpunkt der - - dann wieder horizontal verlaufenden - - Nachfragekurve mit der Grenzkostenkurve eindeutig gegeben (Abb. 2). Dieses Volumen schafft ffir den Produzenten einen Gewinn, da n~mlieh jede Einheit in HShe der Kosten des Grenzproduktes bezahlt wird, die anderen dem Unternehmer jedoch billiger zu stehen kommen; der Gewinn ist SPR. (2) Stellt Abb. 3 ein Monopolunternehmen dar, so gilt das gleiehe. Der Preis P ist aber anders zu interpretieren: die Nachfragekurve schneider nieht horizontal, und der yore Mono- polisten gew£htte Preis bestimmt die seiner maximdlisierten Rente korrelierte Produktionsmengel). (3) Haben wit b e s e h r ~ n k t e Konkur - renz, d. h. ist der Produktions- umfang einer einzigen Unterneh- mung yon direktem, unmittelbar spfirbarem Einflu6 auf die Preis- hShe, so ergibt sich eine Unbe-

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Abb. 3

stimmtheit des Problems. Wieder ist die Naehfragekurve als yon links nach rechts gegen die Abszisse leicht abfallend anzunehmen. Es gibt nun zwei Sehnittpunkte, die yon Bedeutung werden

1) Die Annahme ist aber fiir den allgemeinen Fall des Monopols zu einfaeh; es muB vielmehr davon ausgegangen werden, dab die Kosten zuerst sinken und dann steigen. Vgl. dazu z. B. E. Barone: Grundzfige der theo- retischen National6konomie, S. 173, Anm. 1. 1927.

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502 O. Morgenstcrn:

kSnnen: Naehfragekurve mit Grenzkosten- wie Durehsehnittskosten- kurve. HaL der Produzent ein Interesse, bei konstant bleibender oder sehr unelas~iseher Naehfrage sein Angebot auszudehnen, um seine zus~tzliehe Produktion einem kleineren Konkurrentmn zu entziehen, so wird sein Angebot bis OM' ausgedehnt werden kSnnen, ohne dal~ er einen positiven Verlust erlitte. Es geht ibm die Rente SPR verloren, aber gleiehzeRig sinkt der Preis yon P a u f P'. Die Mehrkosten der fiber M hinausproduzierten Einheiten zehren einen Tefl oder sogar die gesamte Rente auf, wie aus Abb. 3 sofort abgelesen werden kann. Das Angebot k a n n also zwisehen M und M' (dem Punkt, wo diese Gesam~aufzehrung eintritt) sehwanken, die abgesetzte Menge ist inner- halb dieser Grenzen indeterminiert. Die Verniehtung der Rente wider- sprieht dabei keinem wirtsehaftliehen Prinzip, insbesondere wenn man beriicksiehtigt, da~ es sieh um vor i ibergehende Erseheinungen handelt; wir haben es bier yon M a n g e f a n g e n eindeutig mR kurz- fristigen Angebotskurven zu tun. Endzweek bleibt, dureh die zeit- weilige Opferung dieser Rente und die damit verbundene Senkung des Preises sieh des Angebotes kleinerer und sehw~eherer Firmen zu bem~ehtigen, um dann dureh die grSBere Marktbeeinflussung neue Vor- teile zu erringen. Im iibrigen wird diese Absicht selten verwirkliehbar sein, abet die Absicht allein genfigt bereitsl).

Dasselbe Prinzip der A d d i t i o n der i n d i v i d u a l e n Kurven , das sieh vorzfiglich zur Konstruktion der koUektiven Naehfragekurve eignet, wird aueh auf die Angebotskur~en angewendet. ])as klassische Beispiel daffir liefert A. Marshal l , naeh dem die ganze Industrie, die ein be- stimmtes Gut herstellt, als Einheit zu fassen ist und yon ihr angenommen werden muG, dab sic den gesamten ,,konstanten Faktor" verwendet, auf den fortlaufend nach dem alten Schema Aufwendungen gemacht werden~). Daraus resultiert eine kollektive Angebotskurve, deren Sehnitt- punkt mit der Gesamtnaehfragekurve den Preis ergibt. Da die Angebots. kurve bei abnehmenden Ertr~gen die Kurve der Grenzkosten ist, muB dies offenbar aueh ffir die Gesamtkurve gelten, die also derart als k o l l e k t i v e G r e n z k o s t e n k u r v e bestimmt ist.

Gegen diese fibliehe Darstellung - - mit der cl~ Problem als er- ledigt angesehen wird - - erhebt S ra f fa einige wiehtige Bedenken: Das Ph~nomen der steigenden Kosten ffir die Eir~elunternehmung (deren Kostenkurve zu denen der anderen hinzuzuz~hlen ist) tritt nut dann in Erseheinung, wenn der konstante Faktor eben wirklieb konstant ist. Das trifft abet nur fiir die gesamte Industrie zu3), die abnehmen-

~} ~ber die hiermit zusammenh~ngende Verteflung der Kos~n und Ertr~ge in der Zeit wird in dieser Abhandlung nicht gesproehcn. Auf diese sehr verwickelten Probleme soll bei anderer Gelegenheit zurtiek- gekommen werden; sic effordern ein Aufrotlen wlchtiger, abet fiir den hiesigen Zweek etwas abseits liegender Fragen tier allgemeinen Theorie.

8) A. Marshall, Principles of Economics, 8. Aufl., V. Buch. a) Inwicweit diese Annahme empirisch haltbar is~, wird noch zu p~fen

sein. Vgl. § 21.

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Offene Probleme der Kosten. und Ertragstheorie 503

den Ertrag als ganze aufweisen kann~ w/~hrend einzelne Unternehmungen ihren ,,konstanten" Faktor auf Kosten anderer Unternehmungen der gleichen Industrie vermehren kSnnen. Es ist also denkbar, dab sich die eine Firma ausdehnt und dabei konstante (oder ,,proportionale") Kosten ffir !hre gesteigerte Produktion hut (nicht zu verwechseln mit den , ,fixen' Kosten), ja sogar wegen ~bergang zur GroBproduktion soge- narrate ,,interne Ersparnisse" macht und mit sinkenden Kosten arbeitet, was be/den die kollektive Angebotskurve nicht berfihren dfirfte, so paradox dies auch klingen mag. Aber man kann sie unter solehen Be- dingungen nicht durch Addition erhalten, das Resultat w~re ,,absurd" (S. 301). Um eine Summierung vornehmen zu k6rmen, mfissen ganz bestimmte Annahmen eingeffihrt werden: die Zahl der Unternehmungen ist als fix anzusehen und die yon ihnen verwendete Menge des ,,kon- stanten Faktors" ist auch als ffir jede einzelne Unternehmung starr gegeben zu betrachten. Nur dann ist die Addition sinnhaft.

Soweit Sraffa , dem man in dieser Argumentation wird zustimmen miissen. Man wird aber aueh zu bemerken haben, dab diese beiden zuletzt erw/~hnten Zusatzannahmen die ganzen Aussagen fiber die fallen- den Ertriige noeh gekfinstelter erscheinen lassen, als sic es ohnehin schon sind, wie § 12 gezeigt hat. Da nun das Gesetz vom abnehmenden Ertrag im Vergleich zu dem bislang noeh nieht gefundenen des zunehmenden Ertrages ats gesiehert und einfach angesehen wird, karm man den Sehwierigkeiten, die sich der Erkl~rung der Angebotskurve bei sinkenden Kosten entgegenstellen mfissen, nur mit Schreeken entgegensehen. Man fragt sich auch, wie denn die bisherige Preistheorie hat bestehen und genfigen k6nnen, wenn sic diese komplizierten Dinge in ein h6ehst simples Schema gepreBt hat, um dessen Lebenswahrheit es bedenklieh bestetlt ist, ganz zu schweigen yon den M6glichkeiten, die sieh einer immanenten Kritik er6ffnen und den Widersprfichen, die sieh anderen Theorien gegenfiber (Kapitaltheorie!) herausstellen.

C. Zunehmender Ertrag

§ 14. H a u p t a u f g a b e n e ine rTheor i e des z u n e h m e n d e n E r t r a g e s :

Selbst wenn man, wie der Verfasser, gegen die iibliehe Unterteilung der Theorie in eine ,,statisehe" und ,,dyn~mische" ernste Bedenken hegt, kann an die Spitze jeder ErSrterung fiber die zunehmenden Ertr~ge der bekannte Ausspruch Marsha l l s gesetzt wcrden: ,,The statical Theory of equilibrium is only an introduction to economic studies; and it is barely even an introduction to the study of the progress and development of industries which show a tendency to increasing return"1).

So wie beim abnehmenden Ertrag yon einem ,,Gesetz" gesprochen wird, so auch hier. Es lautet in Marsha l l s Definition: ,,An increase of labour and capital leads generally to improved organization, which

1) Principles, S. 461. Vgl. aueh App. H.: Limitations of the Use of statical assumptions in regard to increasing return.

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504 O. Morgenstern:

increases the efficiency of labour and capital"l). Eine konkretere Fassung gibt z. B. H. Mayer: ,,Liegen . . . die konkreten Voraussetzungen, sei es in der landwirtschaftlichen oder industriellen Produktion so, dab eines oder mehrere Produktionsmitte] in geringerer Menge vcrfiigbar sind, ats der optimaIen Kombination mit dem absolut oder relativ konstanten Produktionsfaktor entspr~che, dann tritt mit sukzessiver Vermehrung dieser Produktionsmittel um gleiche Betr~ge stets steigende VergrSferung der naturalen Ertragszuw~chse ein, bis die optimale Kombination erreicht ist: es gilt dann das ,Gesetz des zunehmenden Ertrages'." (Art. Produktion, HandwSrterbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl. Bd. VI, S. 1119.) Es ist klar, daf es sich hier um das Phi~nomen handelt, das in Abb. 1 durch die Kurvcn OAG und OPD beschriebcn ist.

Es wird nun etwas genauer zu untersuchen sein, in welcher Weise sich die Produktion sowohl der Einzelunternehmung wie aueh der ge- samten Industrie gestaltet, wenn die urspriingliche, gekiinstelte An- nahme, daft yon Anbcginn jede zus~tzliche Einhcit des Produktes zu hSheren Kosten erzcugt wird, zu Fall kommt. Eine solche rcalistische Abstellung des Ertragsproblems effordert die Einfiihrung einer ganzen Reihe yon Hilfsbegriffen, die heute noch sehr umstritten sind. Der Kampf, der um sic gefiihrt wird, spiegelt aber nur die Diskussion um die grSferen Probleme wider. Diese Hilfsbegriffe sind nur Mittel zum Zweck. Es handelt sich bier in erster Linie um die drei Begriffe der ,,repr~sentativen Firma", der ,:inneren" und der ,,~ul3eren" Ersparnisse, Begriffe, die s~mtlieh yon Marsha l l gepr~gt worden sind~). Da gar kein Zweifel dariibcr bestehen kann, dab man ohne diese Hilfstheorien das Ph~nomen des zunehmenden Ertrages fiberhaupt nicht behandeln kann - - Umformungen u. dgl. sind natiirlich denkbar -- , so bietet die Tatsache, daf diese (oder ~hnlich bezeiehnete) Konstnfl~ionen in der deutschen Literatur vergebens gesucht werden, einen neuen Beweis fiir die eingangs beklagte Vernachl~ssigung der bier besprochenen Pro- bleme in Deutschland. Daher wird es nStig sein, die Dinge etwas breiter zu behandeln, als dies etwa dort erforderlich w~re, wo die Marshal l- schen Lehren tiefere Spuren gezeichnet haben. Eigentiimlich ist nur, dab auch die drei groBen 0sterreicher den Problemen der sinkenden Kosten keine Aufmerksamkeit geschenkt haben, sondern offenbar mcinten, es dabei lediglich mit einem supplement~ren Faktor in dem Prozef der Preisbildung zu tun zu haben. Der Grund fiir diese Vernachl~ssigung diirfte wohl mit darin zu suchen sein, daf die Preistheorie in erster Linie

1) A. a. 0., S. 318. Die Fassung des Vergleiehes yon iu/wand und Erfolg in Form yon Verh~ltniszahlen, siehe S. 319. Dazu: M. Tappan- Hollond, Marshall on Ren~, Economic Journal, September 1930.

~) Heute sprieht man gem yon der ,,equilibrium firm"; der Vorschlag geht auf Pigou zurfick: An Analysis of Supply, Economic Journal, and Economies of Welfare, 3. Aufl, S. 217 uncl 788ff. 1929. Zu~ Kritik Marshalls vgl. den ausgezeichneten, unten besproehenen Aufsatz yon L. Robbins, Juni 1928, sowie als Entgegnung D. H. Robertsons Beitrag zum ,,Sym- posium".

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Offene Probleme der Kosten- und Ertragstheorie 505

yon der Nachfrageseite her aufgebaut wird, und dab die Darstellung der Nachfrage analog dem Angebot in einzelne Gebote zerleg~ wird u einzelue virtueUe Angebotspreise angesetzt werden - - und ein kollek- rives Angebot nieht deutUeh in Erscheinung tr i t t l ) .

I n einem unlgngst erschienenen Aufsatz hat Hans M a y e r nicht nur die Gleichberechtigung der Angebotskurve mi t der Nachfragekurve bestr i t ten, sondern behauptet , dab es sich bei ihr um ein nur relativ unabh~ngiges Ph~nomen handier). M a y e r erweitert also die bisher yon den ~sterreichischen Theoretikern stets vertretene Lehre, dab die Nach- frage gegeniiber dem Angebot eine logiseh prim~re Rolle spiele3); insbe- sondere en~wiekelt er die Ansicht, dab eine ~mderung in der Nachfrage- kurve wohl die Angebotskurve ver~ndert, weft dutch Ver~nderung der Produktpreise eine Xnderung der Produktionsmittelpreise, d. h. aber

1) Das ist besondcrs dcutlieh bei Menger und B 6 h m - B a w e r k ; bei W i e s e r vermag der Ausdruek ,,Angebotsfigur" nieht darfiber hinweg- zut~usehen, dab aueh er auf eine eigentliehe Analyse des Angebo~es ver- zichtet hat; vgl. Theorie der gesellschaftlichen Wirtsehaft, 2. Aufl., S. 125ff., 142 ft.

Leider haben die bekannten Ausfffllrungen B S h m - B a w e r k s fiber die ,,Mehrergiebigkei~ der Produktionsumwege" in England und Amerika die in Frage stehende Diskussion nieht beein/lu~t, obwohl doeh zumindest die ersf~ Auflage der ,,Positiven Theorie" aueh engliseh vorliegt. Eine Ausnahme bildet A. A. Y o u n g, der in seiner Abhandlung fiber zunehmenden Ertrag (Economic Journal, 1928) ausdriieklich yon den Produktionsumwegen ausgeht. Es w~re eine dankenswerte Aufgabe, den Zusammenhang zwischen Ertragsgesetzen und dem yon B S h m - B a w e r k besehriebenen Ph~nomen klarzustellen; aueh bier ein offenes Problem, das abet ziemlieh lelcht zu l~sen ist. Jedenfa~s ist genau zu unterseheiden zwisehen der st~ndig geringer werdenden Produkt- zunahme bei Wahl immer l~ngerer Umwege (bei gleiehem Produktions- mittelvorrat) und den Er~ragsvariationen, die sieh dureh Ver~nderung der Anzahl der Produktionsmitteleinheiten bei einem und demselben Produktions- umweg ergeben und die entweder steigend oder sinkend sein kSnnen. Man macht sieh diese Zusammenh~nge am leiehtesten graphiseh klar oder mit Hilfe einfaeher Tabellen. Vgl. zu dem Problem z. T. aueh R. v a n G e n e c h t e n : Ober das Verh~Itnis zwisehen .der Produktivit~t des Kapitals, den L6hnen und Zinsen. Zeitsehr. f. National6konomie, Bd. II , S. 200 ft. 1930.

2) Die Wert- und Preisbildung der Produktivmit;tel, in Eeonomia Politiea Contemporanea, Bd. II , S. lff. Padua, 1930. ,,Es finder sich auf der Angebotsseite auger der als unzureichend erkannten Disutility kein selbst~ndiger Bestimmungsgrund ffir die Ableitung der Angebotskurve." (S. 8.) ,,Die Angebotskurve is~ naeh ihrem Bildungsgesetz keine selbst~ndige, sondern aus der Nachfragekurve und den ~echnisehen Gesetzen der Produktion hervorgegangene Kurve". (8. 9.)

a) Die These, dab die Angebotskurve nur eine umgekebrte Naehfrage- kurve ist, wurde erstmalig mit aller nur wfmsehenswerten Klarheit ent- wiekelt yon Ph. Wieks t eed , in seinem leider viel zu wenig bekanntem Werk ,,The eommonsense of political economy", London 1907, S. 493---526, worauf auch S r a f f a Bezug nimm~. In jfmgster Zeit hat L. Robb ins , in seiner bio- graphisehen Abhandlung fiber W i e k s t e e d in der ]~conomiea, Dezember 1930, neuerlich darauf hlngewiesen, wie auch auf Davenport.

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506 O. Morgenstern:

der Angebotspreise, eintritt. Anderseits vermSge eine Ver~nderung der Angebotskurve die Nachfragekurve nieht zu beriihren, da die beiden Kon- stituenten: Bediirfnisse und Kaufkraft der K o n s u m e n t e n - die er als yon .der Angebotsseite unabh~ngige Elemente zu betrachten scheint - - dadureh nieht beriihrt wiirden (S. 10). Der Meinung, es l~ge eine Umgehung des Problems und ein ZirkelsehluB vor, ,,wenn man bei der Untersuchung des e l e m e n t a r e n B i ldungsgese t ze s der Angebots- kurve sagen woUte, die in Form der Produkte zu bestimmten Nach- fragepreisen angebotenen Mengen dieser nicht auf Arbeitsaufwand zuriiekzufiihrenden Produktionsmittel bestimmen sich naeh ihren Kosten, denn damit w~re ja dasjenige, dessen Bfldungsgesetz abzuleiten ist, die die Angebotskurve kons~ituierenden Preise der Produktionsmi~tel, als bereits gegeben vorausgesetz~" (S. 7), wird man in diesem aUgemeinen Sinn zustimmen miissen. Allein es sind zwei Bemerkungen zu machen: (1) Die Analyse einer einzeln~n kollektiven Angebotskurve ist ein typisches Beispiel for die Verwendung der Methode des p a r t i e l l e n Gleichge. wiehtes; daher richter sich Mayers Einwand auch gegen diese Methode selbst, die wir hier allerdings nicht zur Diskussion stellen wollen, sondern vorl~ufig a]s sinnhaft gelten lassen. Fiir diese Pa r tialbetraehtung gilt der Einwand der Problemumgehung und des Zirkelschlusses n ieht , was ganz offenkundig ist. (2) Die weiteren Ausfiihrungen, insbeSondere die Sraffasehe These veto Dominieren der konstanten Kosten, zeigen sofort, dab im Rahmen der bisherigen Angebotsanalysen die Be. sehr~nkungen dieser Methode erkannt werden muBten, woraus sieh dann das grol3e Dilemma ergab, um dessen Beseitigung sich im Augenblick so viele hervorragende KSpfe bemiihenl). :Es zeigt sieh abermals, dab die Zeit reff ist for eine Synthese zwisehen diesen sieh auf viele Gebiete der reinen Theorie erstreekenden Differenzen zwisehen Wien, Cambridge und Lausanne, deren gelegentlieh unnStig schaffe Form tiefere Un- stimmigkeiten vort~useht, als wirklieh vorhanden sind.

Die beiden eingangs dieses Paragraphen zitierten Definitionen Marsha l l s und Mayers scheinen einander vSllig auszusehlieBen, sieh nieh~ nur dureh scheinbare Verschwommenheit und Exakthei$ zu unter- scheiden. Dem ist jedoch nicht so: Marsha l l faBt das Problem lediglich weiter, indem er sein Augenmerk yon Alffang an auf die gesamte In- dustrie wendet, wogegen die andere Fassung nur for die einzeluen Unter- nehmungen verwendbar ist. Daher wird die Reihenfolge der ErSrterung wieder umzukehren sein: zun£ehst muB die individuelle Angebotskurve erkl~rt werden, dann die kollektive, die ersf die eigentlichen Schwierig-

1) Sraffa fiihrt den Nachweis, daI3 die Grundvoraussetzung for das Studium des Wettbewerbs zwar die Bfldung yon ,,Teflgleiehgewiehten" sei, daI3 sieh aber sehr bald die Grenzen einer solehen Isolierung zeigen, denn nieht oft gilt, dal] kleine Ver~nderungen der produzierten Menge weder den Preis dieses noeh eines anderen Gutes herbeffiihren. Gerade bei tier Ertragstheorie kommt es in erster Linie auf die verbundenen Wirkungen an. ,,The Laws of Returns under Competetive Conditions." Economic Journal, vol. XXXVI, S. 538/39. Dezember 1926.

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Offene Probleme tier Kosten- und Ertragstheorie 507

keiten enthglt. Letztere Aufgabe ist es, deren versuchte LSsung sofort aus dem Bereiche der sogenannten statisehen Theorie zwangsnotwendig herausffihrt, denn es is~ nieht nur eine Auseinandersetzung mit dem Problem der Monopolisierung nStig, sondern auch mit den groBen ~ragen des w i r t s c h a f t l i c h e n F o r t s c h r i t t e s , der hier natfirlieh in einer viel exakteren Weise gemeint ist, als bei den iibliehen Wirtsehafts- philosophien der Fall ist, die nur mehr oder minder verschwommene ,,Tendenzen" kennen und melst in unbeweisbare Prophezeiungen aus- arten.

§ 15. Die i n d i v i d u e l l e A n g e b o t s k u r v e bei s i n k e n d e n K o s t e n :

Ehe der Verlauf der Angebotskurve bestimmt werden kann, mug fiber die beiden Kostenkurven und ihren Sinn volle Klarheit bestehen. Da die Dinge hier wesentlieh verwickelter liegen, mu6 vorsichtig vor- gegangen werden, zumal die unvermeidliehe Einffihrung einiger neuer Kostenbegriffe die M6glichkeiten yon MiBverstgndnissen erhSht.

Der gekiinstelte Charakter der Annahme aussehlieBlich steigen- der Kosten beim individuellen Produktionsverlauf drgngt sieh in erster Linie dem Laien auf, der die allgemeine Erfahrung anfiihren kann, dab Erweiterungen der Produktion zu einer Verbilligung der erzeugten Einheiten ffihren. An diese Normalerfahrung ist hier anzu- kniipfen. Dabei sind sofort zwei F~lle zu unterscheiden: (1) die wie begreiflieh unerl~Bliche - - Produktionsausdehnung erfolgt in Form der Vermehrung eines oder einiger Produktionsfaktoren, wghrend e iner k o n s t a n t gehalten wird, oder (2) sie gesehieht dutch Vermehrung al ler Faktoren in der Art, da~ die zwischen ihnen bestehende Proportion (der Mengen) unver£ndert bleibt. Bei (1) wird also die Proportion der Faktoren durch den Zuwachs einiger verbessert, w~hrend sie bei (2) aufreeht bleibt und sieh nut das absolute Volumen vergndert; bei (2) ist demnach yon Anbeginn eine optimale Kombination Ausgangspunkt. Der Fall (1) impliziert eine besondere Voraussetzung: Man wird sieh ngmlieh fragen, warum nieh~ sofort die optimale Kombination gewghlt wird, aueh bei einem geringeren Produktionsvolumen. Die Antwort kann nur sein, dab der bei der Ausdehnung nicht vermehrte Faktor start gegeben ist, also auch fiir ein geringeres Gesamtvolumen; er hat dann fiir letzteres eine n e g a t i v e Produkt i~r i tg t l ) , indem er zu Beginn bereits die Bfldung der optimalen Kombination verhindert und daher einen ungiinstigen EinfluB auf das Produktionsergebnis ausiibt. In dem friiheren Beispiel wgre der Acker aus irgendwelehen beliebigen Griinden nieht unterteilbar, so dab der Produktionseffolg bei der ersten Dose nicht OSEU, sondern nur OSRT wgre (vgl. Abb. 1). Dies ist hin- lgnglich klar.

Je nachdem, ob es sich um (1) oder (2) handelt, ergeben sich bei dem Verlauf der Grenz- und Durchsehnittskosten verschiedene Resultate:

1) Sraffa: A. a. 0., S. 302.

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508 O. Morgenstern:

a) eine Ausdehnung der Produktion unter Annahme (I) senkt in erster Linie die (einfachen) Grenzkos t en und demzufolge a u c h die D u r c h s c h n i t t s k o s t e n ; letzteres beruht auf einer elementaren arith- metischen Regel;

b) e'me Produktionserweiterung nach (2) senkt n u r die D u r c h - s c h n i t t s k o s t e n ; der Grund fiir ihre Senkung is t darin zu sehen, dab die Generalunkosten innerhalb weiter Grenzen unver~ndert bleiben, also yore Produktionsumfang unabh~ngig sind und sich nun auf eine grSBere Anzahl yon Einheiten verteflen, was den Durchschnitt herab- drfickt.

Die Grenzkos tenkurve wird jetzt aber nicht I~nger in dem ein- fachen, bisher gebr~ueblichen Sinne zu verwenden sein; es sind also nich~ l~nger die speziellen, partikul~ren Kosten der jeweils l e t z t e n produzierten Einheit darunter zu verstehen. Vielmehr betrachten wir bei Vermehrung der Produktion um eine Einheit (z. B. a x ) die Produk- tionsausrfistung A, die der Erzeugung yon x Einheiten entspricht, mit derjenigenA', die x ~ a x Einheiten entspricht. Die D i f f e r e n z zwisehen den beiden Kosten ergibt die , , a d d i t i v e n G r e n z k o s t e n " l ) .

Um die Sache etwas n~her zu erkl~ren: Wit h~tten folgendes Schema:

Produktionsausr iistung Menge Gesamtkosten A x y

x + a x y - F a y x - { - 2 A x y + 2 A y

A" x + A x y" x T 2 a x y ' + a y " x + 3 A x y ' + 2 A y"

A'" x + 2 5 x y'" x + 3 A ~ y" + A y'" x + 4 A x y'" + 2 A y'"

wobci allgemein gelte: y ' > y < (y-{- Ay); y " > y ' < ( y ' - ~ - Ay') < ( y + 2 A y ) . . . . usw.;

i) Schlie~lich sind noch P igous ,,marginal substitute costs" zu er- w~hnen, die P igou schlechthin als Grenzkosten bezeichnet. Sic sind die- ienigen Kosten, die auflaufen, wenn ein Unternehmen seine Produktion um so viele Einhciten vermehr~, als sich die Produktion der anderen Unter- nehmungen dieser gleichen Industrie verringert. Die Gesamtproduktion der Industric bleibt also konstant. Der mathematlsche Ausdruck lautet:

O'Fr(Xr" Y) wobei y die Gesamtproduk~on der Industrie darsteltt, xr die axr "

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0ffene Probleme der Kosten- und Ertragstheorie 509

mit anderen Worten: Es besteht die Mfgliehkeit, das Produktions- volumen steigen zu lassen (1) bei unver/~nderter fixer Produktions- ausriismng, oder (2) sie mit jeder Variation (A, A', A " . . . ) derart zu ver/~ndern, dall das Optimum (y, y', y " . . . ) erhalten bleibt. Natiirlich ist es nicht nStig, diese Ver/~nderungen r ea l i t e r vorzunehmen, die Kurve kann vielmehr aus einzelnen k a l k u l i e r t e n , rechnerisch ge- wonnenen Punkten bestimmt werden.

Der Begriff der additiven Grenzkosten stammt yon Pigou und hat in die englische Literatur sofort Eingang gefunden. Er setzt ,,long run", Betrachtung za~' ~ o ~ v voraus und verlangt die weitere Annahme, dall sieh die produzierten l~Iengen der anderen Unternehmungen nicht /~ndernZ). Dadureh wird man sofort zu den um die Gleichgewiehts- unternehmung gelagerten Problemen geffihrt (vgh § 16).

Wir sind nun so weir, um den Verlauf der beiden Kostenkurven graphiseh darzustellen und die Kurve der Angebotspreise zu bestimmen:

Es s~i SD die Grenzkostenkurve; dann mull die Durehschnitts- kostenkurve SG bis zu einem gewissen Punkt P fiber ihr und dann erst unter ihr liegen. Die Durch- sehnittskostenkurve f/~hrt noch fort zu sinken, aueh nachdem die Kurve der Grenzkosten bereits ihren Tief- punkt erreicht und iibersehritten hat, wofiir man den Beweis an irgendeinem beliebigen arithmeti- schen Beispiel ohne Schwierigkeit ableiten kann; hier braucht er je- denfalls nieht gegeben zu werden. Aus gleiehen algebraischen Grfin- den ergibt sich, dab das Minimum der Grenzkostenkurve bei einem

Y

A b b . 4

geringeren Produktionsvolumen liegt als dasjenige, das dem Minimum der I)urehsehnittskostenkurve entspricht. ~VN' stellt die Nachfragekurve dar, die der Annahme freier Konkurrenz entsprechend, wie in friiheren F/fllen, horizontal verlaufen mull. Sie tangiert die Durchsehnittskosten- kurve in deren Sehnittpunkt P mit der Grenzkostenkurve; dadurch ist sowohl der Preis M P bestimmt und die produzierte Menge mit OM gegeben.

Wenn zun~chst yon der N~hfragekurve abgesehen wird, I/~Bt sieh fiber die A n g e b o t s k u r v e aussagen, dall sie bis zum Punkte P offenbar mit SG identisch sein mull. Der Produzent kann keinesfalls unter seinen durehschnittllchen Gestehungskosten verkaufen; bis .4 erzielt er keinerlei Gewinn oder Rente. Von A angefangen gelten aber die

Produktion der Gleichgewichtsfirma und :Fr (xr, y) die Gesamtkosten der Gleichgewichtsfirma.

1) Mathematiseh lautet die Beziehung: ?m=~(xA- A x ) - -~(x) . Ffir eine weitere Ableitung siehe A. L. B o w l e y : A. a. 0 . , § 7, S. 34.

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510 O. 3iorgenstern:

Theoreme fiber steigende Kosten; mit anderen Worten wird yon diesem Punkt an die Grenzkostenkurve mit der Angebotskurve zusammen- fallen, so dab letztere einen scharfen Knick aufweisen mfiBte; Grenz. kosten und Durchschnittskosten sind nur in e i n e m e i n z i g e n P u n k t e , n~mlich dem Schnittpunkte dcr beiden Kurven, i d e n t i s c h . Da hier auBerdem die Naehfragekurve tangiert, werden einige Probleme auf- gewoffen, die es zu untersuchen gilt. Von dicsen ist das wichtigste, ob es - - bei freier Konkurrenz! - - stets zutreffen muB, dab die Nach- fragekurve gerade in diesem Punkte fiir a l l e Unternehmungen tangieren muB, mit anderen Worten, ob be i f r e i e r K o n k u r r e n z f i i r a l l e U n t e r . n e h m u n g e n G r e n z k o s t e n u n d D u r c h s c h n i t t s k o s t e n i d e n ~ i s c h se in mi i ssen l ) . Is t dies der Fall, so arbeiten s/~mtliche Unternehmungen zu gleichen Kosten, was auf den ersten Augenschein ziemlich absurd klingt. Ihre verschieden gfinstige Position wiirde dann nur in der Menge zum Ausdruck kommen, die sie zu diesen Kosten herzustellen imstande sind. Die Figuren fiir die einzelnen Firmen wiirden sich dann dureh die Neigung der Kurven unterseheiden: die kr~ftigsten Unternehmungen miiBten langsam abfaUende Kurven haben, wodureh der Punkt B bzw. A welt nach rechts hinausgesehoben wiirde. Daraus folgt aueh, d a b d ie A n g e b o t s k u r v e n u r m i t d e r D u r c h s c h n i t t s k o s t e n k u r v e z u s a m m e n f / ~ l l t und der eben erw&hnte Knick keine Bedeutung hat. Bei Monopol sowie bei beschr&nkter Konkurrenz - - dem theoretiseh schwierigeren und praktiseh bedeutsameren Zustand - - ist der Fall allerdings yon Interesse; aber damit haben wit uns in dieser Abhandlung nicht auseinanderzusetzen.

Akzeptiert man die W a l r a s - P a r e t o s c h e Definition der Kon. kurrenz, so ergibt sich z w i n g e n d folgendes: Es is~ ein notwendiges Charakteristikum des freien Wettbewerbes, dab die Unternehmer in diesem Zustande weder Gewinne machen, noch Verluste erleiden; sie miissen vielmehr glatt herauskommen. Daher ist evident, dab fiir a l l e Unternehmungen die Nachfragekurve im Punkte P tangiert. W~re dies nicht der Fall, so wiirde ein Unternehmen entweder eine Rente beziehen oder Verluste erleiden, was ex de~initione unzul~issig ist ~). (Vgl. auch §21.)

1) Dieses Theorem wird yon einigen Autoren entsehieden abgelehnt. Zu ihnen gehSrt F. A. t t a y e k (vgl. die Rezensionen yon Barone , Zeitsehr. fiir die gesamte Staatswissensehaft, Bd. 85, S. 180. 1929). Zahllose Dis- kusslonen ~ber diesen Punkt haben bisher leider zu keiner Vereinigung unserer Ansiehten geffthrt; der Grand diirfte in der Fassung des Konkurrenz- begriffes zu suehen sein sowie in dem Problem der ex~ernen Ersparnisse. Den obigen $tandpunkt teilen u. a. S ra f fa , F lux , Barone , Viner, sowie Haberler , K. Schles inger , Sehams.

~) Es w~re verfehlt, bier den Einwand zu machen, dab es sieh lediglieh um eine definitorisehe Angelegenheit handle und man einer T a u t o l o g i e zum Opfer gefaUen sei, obwohl sich gerade der letz~ere Einwand einiger Beliebthei~ effreut. Das hieBe erstens den Sinn der ganzen ~berlegung mil3verstehen und zweitens eine unzutreffende Ansieht yon dem logischen Charakter der Tautologien zu hegen. Vielmehr w~re - - in der Absicht eine

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Offene Probleme der Kosten. und Ertragstheorie 511

Es w~re nun zu untersuchen, was geschieht, wenn sich des Produktions- volumen der gesamten Industrie ~ndert. Besteht diese aus mehreren Unternehmungen, so sind drei F~lle denkbar: 1. Es ~ndert sich die Z a h l der Unternehmungen, vor ahem wenn keine externen Ersparnisse (vgl. § 17) vorliegen, 2. es ~ndert sich das Volumen j e d e r einzelnen Unternehmung, 3. es ~ndert sich das Volumen eines oder weniger Unternehmungenl) . Diese Ausffihrungen setzen abet voraus, dal] der Begriff der ,,repr~sentativen F i rma" oder der ,,Gleichgewichtsfirma" (in der neuen Bezeichnungsweise P i g o u s ) klargestellt ist, weswegen kurz auf ihn eingegangen sei. AnschlieBend mull ebenfaUs ergRnzend iiber die internen und externen Ersparnisse gehandelt werden.

§ 16. D ie H i l f s b e g r i f f e . a) D ie r e p r e s e n t a t i v e F i r m a n ) :

Diese typiseh ~ I a r s h a l l s c h e Theorie figuriert nicht in anderen Lehrgeb~uden. Es bleibt daher zun~chst often, ob diese anderen - - wie z. B. die 5sterreiehische Sehule - - die Theoreme gar nieht aufstellen k S n n e n , fiir die der Begriff in der englisehen Theorie verwendet wird, oder ob sie ihn sehaffen mi l l ] t en , falls sie sich der gleiehen Aufgabe zuwenden. Beides daft fiiglich bezweifelt werden, denn die Krit ik, die kiirzlieh R o b b i n s vorgebraeht hat3),

Widerlegung zu bieten - - nachzuweisen, a) dal3 die Konstruktion eines solehen ~ a l r a s s e h e n Zustandes unm~glieh ist und (oder) b) daB ein Trug. sehluB enthalten sei.

1) Vorher w ~ e aueh zu zeigen, wel¢he Folgen sich einstellen miissen, wenn die Gesamtpreduktion der Industrie gleiehbleibt, aber des Preduktions- volumen einer oder mehrerer Firmen Sehwankungen mitmacht. Diese Variationen gehen dann auf Kosten (ocler zu Nutzen) anderer Unternehmungen. Hieriiber siehe P i g o u (a. a. 0., App. I I I , S. 790f.), der exakte mathematische Ableitungen bietet, auf deren Wiedergabe wir bier verzichten. In diesem Problemkreis wird die Notwendigkeit des Begriffes der oben schon erw~hnten , ,ma rg ina l s u b s t i t u t e e o s t s " offenbar; unter diesen sind jene Kosten zu verstehen, die auflaufen, wenn der Produktionsentfall in der gesamten Industrie wettgemacht wird dutch die - - vielleicht verschiedenen - - Kosten einer Produktionsausdehnung bei der Gleichgewichtsfirma. Es ist klar, dab dieser Begriff nieht verwechselt werden daft mit dem ibm sehr ver- wandten, oben ange~r~en der ,marginal additive costs", der zur Erkl~rung der Grenz- und Dureh~ehnittskostenkurve j e d e r Unternehmung unter ganz b e l i e b i g e n Voraussetzungen zu verwenden ist.

a) Der Begriff stammt bekanntlieh yon Marsha l l ; vgl. Principles Buch IV; wir stellen die Lehre nieht dar, da ihre Kenntnis vorausgesetzt werden daft. Es handelt sich vielmehr um die gegenw~rtige Lage der Proble- matik: L. R o b b i n s : The representative firm, Economic Journal, vol. XXXVIII , September 1928. R o b e r t s o n - S r a f f a - S h o v e : Increasing returns and the representative firm, A Symposium, ebd., vol. XV, M~rz 1930.

8) Sie kulminiert in folgender treffender Behauptung: ,,There is no more need for us to assume a representative firm or representative producer, than there is for us ~o assume a representative piece of land, a representative machine, or a representative worker". A.a .O. , S. 393 lim Original kursiv).

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512 O. Morgenstern:

seheint trotz des yon R o b e r t s o n unternommenen Rettungsversuehes stichh~ltig. Die wichtigste Funktion sollte der Begriff offenbar bei AufsteUung und Begrfindung der Theorie der sinkenden Kosten ausiiben. M a r s h a l l ist hierin nicht so eindeutig wie P igou , der die Umpr~gung in eine ,,Gleichgewichtsfirma" ausdrfieklieh in Hinbliekauf die Angebotserkl~rung vornimmt. Bei P i g o u verschwindet die Marsha l l - sehe Interpretation, nach tier es sich um eine ,,durchschnittliche", ,,nor- male" Firma handelt, die sowohl fiir ihre Produktion wie fiir ihr Alter im echten Sinne ,,repr~sentativ" istl). An ihre SteUe t r i t t ein wesentlieh exakterer Begriff, denn die Gleichgewichtsfirma wird dahin bestimmt ,,that there c a n exist some one firm, which, whenever the industry as a whole is in equilibrium, in the sense that it is producing a regular output y in response to a normal supply price p, will itself also be in equilibrium with a regular output xr" (Economics of Welfare, 3. Aufl., S. 788). Daraus folgt welter, d a b de r A n g e b o t s p r e i s d i e se r F i r m a z u s a m m e n f a l l e n muB m i t d e m der g e s a m t e n I n d u s t r i e , ebenso wie letztere der Tendenz steigender, sinkender und konstanter Kosten gehorcht, je nachdem, was ffir die Gleiehgewichtsfirma gilt. Die Sehliissig. keit dieser ~)berlegung wird klar, wenn man annimmt, dab die Industrie nur ans einer einzigen Unternehmung besteht. Dieser Fall (xr=y), wie der sehr vieler Firmen (xr sehr klein im Vergleich zu y), wird yon Pi g o u behandelt; der praktiseh wichtige einiger weniger Unternehmungen bleibt dagegen unerSrtert. Hier ]iegt eine groBe Aufgabe, die sich wiirdig an die des unvollst~ndigen Monopols reiht.

Zweifellos muB zugestanden werden, daB dieser Begriff einen viel hSheren Grad yon Exaktheit hat und vor allen Dingen yon den vagen Ideen des ,,normalen", ,,durchschnittlichen", ,,optimalen", ,,repr~sen- tat iven" befreit ist. Ob er trotzdem nStig ist, die Erscheinungen der sinkenden Kosten aufzuhellen, wird sich noch zeigen miissen. Auf alle F~lle mull jetzt aber ganz klar gewordcn sein, daB der Angebotspreis jeder beliebigen Industrie gleich sein muB den Durchschni t t s -und Grenzkosten, womit die These des § 15 eine neue Stiitze gefunden hat.

§ 17. Die H i l f s b e g r i f f e . b) I n t e r n e u n d e x t e r n e E r s p a r u n g e n u n d die T e n d e n z z u m Monopo l :

Haben wir eine Industrie, bestehend aus vielen Unternehmungen vor uns, yon denen eine mit dem besonders gliicklichen Vorzug ans-

i) Von den - - wenigen - - Kritikern dieser Marshallsehen Theorie ist meines Wissens nicht hervorgehoben worden, dab sie eigentlich ~ilweise im Widersprueh steht zur Gleiehgewichtsidee, denn der Untersehied der einzelnen (nicht typisehen) Firmen besteht darin, dab es sich um solche verschiedenen Al ters handelt. Sie besitzen ungleiehe ,,Efficiency" aus mehr oder minder gelungener bzw. beendeter (!) Anpassung heraus. Hier wird plStzlich die long-run-Betrach~ng, die den iibrigen Kostentheoremen expressis verbis zugrlmde gelegt wird, aufgegeben. Vielleicht ist dies die Folge davon, da~ Marshal l in seinem ganzen Werk die Unterseheidung yon long and short run nicht hlnreichend pr~zise faBt.

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Offene Probleme der Kosten- und Ertragstheorie 513

gestattet ist, mit fortlaufend sinkenden Durchschnittskosten arbeiten zu k6nnen, so liegt auf der Hand, dab es hier schwerlieh zu einem stabilen Gleichgewicht kommen wird. Denn das betreffende Unter- nehmen wird seine Produktion st/~ndig ausdehnen, bald diejenige Pro- duktionsmenge erreiehen, die den Angebots- und Marktpreis der be- treffenden Ware direkt beeinflul~t und daher werden andere Unter- nehmungen ansseheiden. Wie weit dieser Prozel] gehen kann, h/ingt yon der Gestalt der Angebotskurve dieser begiinstigten Unternehmung ab. GewiB ist nut, dab der Zustand, der der P a r e t o s c h e n Kon- kurrenzbestimmung entsprieht, nicht aufrecht bleiben kann. Demnach w/iren s i n k e n d e K o s t e n m i t f r e i e m W e t t b e w e r b i i b e r h a u p t u n v e r e i n b a r l ) ; jedoeh ist zu pr'dfen, ob die Erscheinung der soge- nannten ,,externen Ersparnisse" nieht trotzdem eine MSglichkeit often 1/£Bt und die daher zun/~chst zu bespreehen ist.

Abermals ist an M a r s h a l l anzukniipfen: I n t e r n e Ersparnisse sind solehe, die bei einer Produktionserweiterung in dem sieh vergrSgern- den Unternehmen erzielt werden k51men und die ans den versehieden- artigsten Griinden entstehen kSnnen. ])er vergrSBerte Betrieb gestattet z. B. weitergehende Arbeitsteilung, es verringern sich die Reklamekosten, usw. Diese Erscheinung ist verh~Itnism/~Big leicht zu beschreiben; viel schwieriger ist es um die e x t e r n e n Ersparnisse bestellt, die intern fiir die g a n z e betreffende Industrie sein sollen, extern nur fiir die einzelnen Unternehmungen. Diese Forderung verengt die Mfglich- keiten stark und 1/~llt eigentlich den sofort anzufiihrenden ersten Fall M a e G r e g o r s schon ausscheiden. Wie yon R o b b i n s zutreffend hervor- gehoben, findet sich die aueh heute noeh beste Diskussion dieses Themas bei D. H. MacGregor2 ) , der folgende drei F/~lle unterscheidet und eingehend er f r te r t :

1. Externe :Ersparnisse, die auf der allgemeinen wirtsehaftliehen und sozialen Organisation beruhen (Verkehrsmittel, Teldphon usw.) und die einen einheitlichen Markt sehaffen.

2. Solche, die aueh auf der Organisation der betreffenden speziellen Industrie beruhen ~ (z. B. Vorzugsfrachts~tze, Kammern, Insti tute usw.). Die Indnstrie schreitet zur Organisation des Arbeitsmarktes, die Firmen helfen sich gegenseitig.

3. Solehe, die zwar noch externer Natur sind, aber bereits den Weg bahnen zu Kombinationen und Vertrnstungen. Es werden hierher z. B. die Vorteile vorziiglichen Standortes gerechnet; in diesem Stadium h/~ngen die Kosten der einzelnen Unternehmung bereits yon denen

1) Hier wogt der Streit der Meinungen noeh heftig; Co u rn o t verneint die obige These, wie anfiinglich auch Marshal l , der aber bald die heute am weitesten verbreltete Lehre aufsteUte. Wir lassen aber die ~Itere Dogmen- geschichte auch hier beiseite. Courno t s Ansicht mSge abet nicht ohne weiteres als fiberholt betrachtet werden, wie dies aUzu raseh beim Fall des unvollst~ndigen Monopols geschah.

3) Industrial Combination, S. 19ff. London. 1906. Zeitschr. f. NsttionalSkonomte, I I . Bd., i . H . 33

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514 O. Morgenstern :

(d. i. dem Produktionsvolumen) der anderen ab. Dieser dritte Fall bildet das Haupt thema der weiteren Untersuchungen Mac Grego r s l ) .

Wie aus dieser Gegeniiberstellung hervorgeht, besteht der Unter- scbied darin, dab die intemen Ersparnisse dem einen konkreten Unter- nehmen vorbehalten sind, wogegen die externen a l l e n zur Verfiigung stehen. Daher ist es denkbar, dab fiir eine Industrie die Gesamtangebots- kurve sink~ und tro~zdem der freie We~tbewerb aufrecht erhalten bleibt, vorausgesetzt, dab die Griinde der individuellen Kostensenkung auBer- h a l b des Einzelunternehmens liegen und allen Unternehmungen often stehen. Wir haben damit die Grundgedanken dieser wichtigen Lehre skizziert, ohne auf kritische Punkte einzugehen, da diese noch in be- sonderem Zusammenhang aufgezeigt werden sollen.

Um die Bedeutung der externen Ersparnisse fiir die Aufrechterhaltung der freien Konkurrenz zu zeigen, sei die Marktlage bei sinkenden Kosten an der nebenstehenden Abbildung illustriert. Dabei wird vorausgesetzt, dab die Konstruktion einer kollektiven Angebotskurve fiir diesen Fall gelungen sei.

Wit haben hier zwei sinkende Angebotskurven S 1 S' 1 und S~ S'2, die beide die Nachfragekurve N N ' im ngmlichen Punkte P schneiden,

o x M

A b b . 5

womit die dann abgesetzte Menge mit OM gegeben ist. Die Kurve S 1 S" 1 s c h n e i d e r die Nachfragekurve wie irgendwelche steigende Angebotskurven y o n u n t e n , obwohl sie auch sinkend verlguft. Sie bie~et kein Problem, denn die Kostensenkung geht nach Er- reiehung des Punktes P zu langsam vor sich, als dab die Naehfrage gewillt wgre, eine grS~ere Menge als O M zu den versehiedenen Angebotspreisen ab- zunehmen. Anders ist es mit S 2 S'2: diese Kurve s c h n e i d e r y o n o b e n

und der Punkt P ist k e i n G l e i c h g e w i c h t s p u n k t : die Angebots- preise fiir weitere Mengen liegen u n t e r den Nachfragepreisen, wes- wegen - - wie sofort ersiehtlich - - das Angebot stgndig ausgedehnt werden wird. Es gibt kein Gleichgewicht; das w~re erst erzielt, wenn das ganze Angebot monopolisiert ist, womit natiirlich die Angebots- kurve S~ S'~ wieder zu einer gewShnlichen Kostenkurve wird und das Angebot sich nach anderen Regeln bestimmt. Naeh der Lehre yon den externen Ersparnissen gilt diese Aussage nur, wenn die sinkende kollektive Kostenkurve hervorgerufen ist durch das Sinken der Kosten bei e i n e r

1) Das Gegenstfick geben die sogenannten in~ernen und externen ,,dis- economies" ab. Sie besagen, dal~ yon einem gewissenPunkte anErs.chwerungen der Produktion eintreten, wie z. B. Verstopfung der Eisenbahnen, Uberlastung der Sehlffahrt und ~hnliehes, die beide wieder internen und externen Ver- h&ltnissen entspringen kSnnen.

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Offene Probleme der Kosten- und Ertragstheorie 515

U n t e r n e h m u n g . Das heiBt aber die Frage nach der MSglichkeit der Konstrukt ion einer solchen kollek~iven Kurve aufwerfen. Wir haben nun wieder Gelegenheit im folgenden an ~berlegungen S r a f f a s anzukniipfen z).

§ 18. D ie k o l l e k t i v e A n g e b o t s k u r v e be i s i n k e n d e n K o s t e n

Es steht yon vornherein zu erwarten, dab sieh diese Konstrukt ion nur unter grSBeren Sehwierigkeiten vornehmen l~Bt als im Falle steigender Kosten (§ 13). Es ist davon auszugehen, dab sieh fiir jeden Wert yon y ( = Produktion der gesamten Industrie) ein anderes Kurvenpaar ergibt. Geht man yon Abb. 4 aus und sehichtet alle diese Kurvenpaare im Raume entlang einer normal zur X- und Y-Achse stehenden Z-Aehse, so erh~lt man eine neue (r~umliehe) Kurve mit drei Ordinaten. Sic stellt die Variation der Kosten der Produktion der Unternehmung X 1 als Funkt ion sowohl yon x z wie y dar. Diese Operation muB nun fiir alle Unternehmungen dieser Industr ie gemaeht werden; addiert man analog dem friiheren Beispiel alle diese Raumkurven, so erh~lt man die ge- suehte Kollektivkostenkurve. J e d e r Punkt auf dieser ist ex de]initione gleieh den D u r e h s e h n i t t s k o s t e n , die aber wiederum gleieh sind den i n d i v i d u e l l e n G r e n z k o s t e n 2 ) . Diese kollektive Durehschnittskosten- kurve SS' wird nun yon der Gesamtnaehfragekurve NN' geschnitten, wie aus Abb. 7 hervorgeht. Da es sich hier um eine Kurve aus Dureh- sehnittskosten handelt, mug es, wie sofort ersiehtlieh, aueh eine zuge- hSrige Grenzkostenkurvegeben, die danndiejenige der k o 1 le k t iv e nGr e n z- k o s t e n sein miiBte. Man kann sie rein reehneriseh ableiten. Diese Kurve hat zun~ehst keine praktisehe Bedeutung; dagegen illustriert sie die e x t e r n e n Ersparnisse aus folgendem Grund: sie zeigt, dab die k o l l e k - r i v e n G r e n z k o s t e n g e r i n g e r a l s d ie i n d i v i d u e l l e n , n~mlich des- halb, weft der Unternehmer bei einer Produktionsvermehrung zwar die Verbflllgung veransehlagt, die dadurch fiir ihn selbst eintritt, nieht aber die, welehe auf diese Weise automatiseh ohne sein bewuBtes Zutun, bei den anderen hervorgerufen wird, also anderswo die Kosten senken wird. Das ist aber gerade ein typisehes Beispiel fiir die externen Er- sparnisse in dieser Industrie, womit der 5konomisehe Beweis ftir die

~) Es sei noch erw~hnt, dab eine sinkende Kostenkurve die Naehfragekurve mehrfaeh sehneiden \ ! kann, wie es in Abb. 6 darges~ellt ist. P ist dann ~. ein Punkt l a b i l e n Gleiehgewiehtes und es h~ngt yon ~uBeren Umst~nden ab, ob es verlassen wird oder n~cht; geschieht ersteres, so ergibt sieh ers~ in P2 mit der viel grSBeren abgesetzten Menge OM' ein s t a b i l e s Gleichgewieht. Es ist aueh denkbar, dal3 Abb. 6 die Kurve nach P~ noehmals yon oben s~hneidet usw. Auf diese reizvollen Einzelheiten kann bier leider nieht eingegangen werden.

~) Dieses Ph~nomen ist sogar unabh~ngig yon der oben besproehenen ,,Tangentenhypothese", da der Preis M P (Abb. 4) offenbar immer al le Grenzkosten a l l e r U n t e r n e h m e n deoken m u l l

33*

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516 O. Morgenstern:

obige mathematische Regel der Existenz dieser Grenzkostenkurve ge- liefert ist 1).

Nun zeigt sich, dab die Naehfragekurve NN' mit dieser Kurve in P ' schneider, so dab dann bei dem niedrigeren Preis P ' die grSBere

Menge OM' abgesetzt wiirde. Dieser Aus-

S N

5.

A b b . 7

einanderfall yon P und P ' - - hervorge- rufen dureh einen Widerstreit zwisehen Privat- und Allgemeininteresse - - ist Gegenstand eindringlieher Untersuchungen in der jiingsten Zeit gewesen, naehdem M a r s h a l l auf ihn bereits Aufmerksamkeit gelenkt hat. Insbesondere vertr i t t P i g o u die Ansicht - - die bei anderer Gelegenheit eingehender behandelt werden soil - - , es ginge daraus hervor, dab der freie Wett- bewerb kein s o z i a l e s N u ~ z e n m a x i m u m gew~hre, denn dieses sei erst in P' gegeben,

obwohl dann der Unternehmer einen kleinen privatwirtschaftlichen Verlust erleidet. Diesen sollte man ihm eben in Form einer Subvention abnehmen, um ihm zu veranlassen, seine Produktion wirklieh bis M' auszudehnen. Es ist je tz t leider nicht mSglich, mehr zu tun, als die Behauptung anzufiihren ~).

§ 19. S i n k e n d e K o s t e n u n d w i r t s c h a f t l i c h e r F o r t s c h r i t t :

Zwisehen dem allgemeinen wirtschaftlichen Fortschritt , einen Begriff, der jeder exakten Fassung zu spotten scheint, und den sinkenden Kosten bestehen die intimsten Zusammenh~nge. Die fibliehe Auffassung geht dahin, die sinkenden Kostenkurven als h i s t o r i s c h e aufzufassen, derart n~mlieh, da~ nur das Gesetz yore abnehmenden Ert rag gelten gelassen wird. Da jedoch die t e c h n i s c h e K e n n t n i s sieh zeitweilig ~ndert, wird die sinkende Ertragskurve sozusagen plStzlich arretiert, und der auf die Einfiihrung der Erfindung folgende Ertragspunkt liegt hSher als der vorhergehende, unter Umst~nden sogar hSher Ms der Ausgangs- punkt. Dann beginnt die Kurve wieder zu fallen, bis sie abermals hinauf- gestoBen wird, usw. Man kanu nun die jeweiligen Spitzenpunkte allein aufzeichnen und erh~lt auf diese Weise eine Kurve steigender Ertr~ge.

1) Nebenbei sei angemerkt, dab es sich hier um einen typisehen Fall haudelt, bei dem sieh die Niitzliehkeit der mathematisehen und graphi- sehen Methode enthfi~t: ohne deren Anwendung wfixe man kaum auf die oben erw~hnte Diskrepanz und die darfiber entwickelten Theoreme gekommen. Ein einziger soleher Fall mf~te geniigen, eine mSglicherweise vorhandene psyehisehe Hemmung ihr gegenfibex - - die meist ganz eindeutige Wurzelu hat - - zu iiberwinden zu trachten.

2) Der Leser sei verwiesen vornehmlich auf P igou: A.a. 0., Part. II, Ch. X, S. 215ff. sowie Shove, G. F.: Varying Costs etc. a. a. O. sowie eventuell auf die Darstellung bei By~ a. a. 0.

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Offene Probleme der Kosten- und Ertrragstheorie 517

Gegen diese Darstellung ist formal wenig einzuwenden, aber es ist klar, dab sie an dem tieferen Problem vorbeigeht. Letzteres wurde jiingst vor ahem yon dem leider viel zu fifth verstorbenen A. A. Young gestelltl), und zwar in einer Weise, die besonderes Interesse deshalb verdient, weil Young eigentlieh den ganzen komplizierten Apparat der Kostentheorie (zu dessen Ausbildung er selbst nicht wenig beigetragen hat) zur Seite schiebt und auf Gedankenvorg~nge zuriiekgreift, die Adam S m i t h entwickelt hat. Young zeigt n~mlich die innigen Be- ziehungen zwischen dem AusmaB der Arbeitsteilung in einer Industrie, den dazugeh6rigen M~rkten und der durch jede Vergr6Berung dieser beiden Faktoren hervorgerufenen vermehrten Arbeitsteflung bei a n d ere n Industrien. Aus diesem Grund k6nne man dem Problem der sinkenden Kosten fiberhaupt nicht beikommen, wenn man nur e inze lne Unter- nehmungen betraehtet; auBerdem verf~llt man dann in den ,,common error", aus sinkenden Kosten eine zwangsl~ufige Tendenz zum Monopol ableiten zu wollen. Young scheint der Ansieht zu sein, dab es irrelevant ist, ob der AnstoB einmal yon einer st~rkeren Spezialisierung der Arbeit und das anderc Mal yon einem Waehstum der NI~rkte herriihrt.

Es besteht kein Zweifel, da~ wir es hier mit einer der schwierigsten Fragen aus diesem Problemkomplex zu tun haben, die ein weites Aus- holen erfordern wiirde. Nur eine Warnung sei gestattet: Young hat triftige Griinde, die bisherige Behandlung des Themas fallen zu lassen, aber er w~re der letzte gewcsen, dies zu tun, ohne sieh vorher vSllig mit ibm vertraut zu machen, und es w~re ein Verh~ngnis, wollte man seinen Ansatz dazu benutzen, um dieses Gebiet mit Wirtsehafts- philosophien und sonstigen Phantasien zu verseuehen. Im Gegenteil muBf eine Reinigung yon der exakten Kostentheorie her erfolgen.

D. Konstanter (Proportionaler) Ertrag

§ 20. U n z u l ~ n g l i c h k e i t e n in der v o r h e r g e h e n d e n Kos t en - a r g u m e n t a t i o n :

Die bisherigen Darlegungen werden gewiB mannigfache Schw~ehen der Theorie aufgcdeekt haben, zum Teil Widerspriiche, zum Teil Willkiir der Annahmen, wobei gleichzeitig gezeigt werden konnte, dab sich bei anderen - - f r e i s t ehenden- Annahmen andere, gleiehermal~en plausible Ergebnisse einstellen. Fiir die Konstruktion der Kurve steigender An- gebotspreise muBten ebensolche gekiinstelte Annahmen gemacht werden wie fiir die yon vielen iiberhaupt nur historiseh gefaBte Kurve sinkender Angebotspreise. Diese Umst~nde sind wegen der Preistheorie iiberaus peinlich. Dabei ist yon gewissen Dingen hier gar nicht die Rede gewesen~ wie etwa yon dem Problem, inwiefern ~mderungen des Angebotes zu- sammenh~ngen mit Versehiebungen der Naehfrage, i nwiewe i t also die A n g e b o t s k u r v e yon e iner ganz b e s t i m m t e n S t r u k t u r

1) Economic Journal 1928. Dazu Kendall , W. L.: Large Scale Pro- duction, Note on Professor Youngs Article on increasing returns and Economic Progress. Economic Journal, Bd. 39, S. 291ff.

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518 O. Morgenstern:

der N a e h f r a g e k u r v e abh/~ngig is~l). Die Antwort darauf kann nur im Rahmen der allgemeinen Preistheorie gegeben werden, wie iiber- haupt betont werden muB, dab es eine selbst/~ndige ,,Theorie des Ertrages" od. dgl. gar nicht geben kann. Sie ist vielmehr nut Bes~andteil der Theorie der Produktion im weiteren Sinne. Ihre gegenw/~rtige Be- handlung scheint aber den Kontakt etwas verloren zu haben, und es ist bemerkenswert, dab die preistheoretischen Folgerungen, die Sra~fa aus seinen Ergebnissen gezogen hat, meines Wissens keine Beaehtung fanden, wogegen man sich mit dem engeren Thema eingehend befaBte, obwohl diese Folgerungen in dem in engllseher Spraehe erschienenen Aufsatz gezogen wurden~).

§ 21. Die Ana lyse der k o n s t a n t e n K o s t e n d u t c h P igou und Sra f fa :

Bekanntlich ist fiir die konstanten Kosten in der neueren Literatur nur eine sp~rliche Rolle iibrig geblieben. Marsha l l (der hier wieder als Muster genommen werden kann) l~6t sie nur in den seltensten F/~llen gelten und auch dann - - wie S idgwick und viele andere - - nur als Resultat des zuf~lligen Kompensierens der beiden anderen Kosten- formen, gewi6 eine h6chst unwahrscheinliche Angelegenheit. Ob, wie S ra f fa behauptet, den konstanten Kosten eine so geringe Aufmerk- samkeit gesehenkt wurde, weil ihr Vorhandensein die Symmetrie yon Angebot und Nachfrage st6re (bei Marshall) - - man miiBte erg/~nzen: den Vorrang der l~achfrage bedrohe (bei den 0sterreiehern)--, bleibe dahingestellt. Ein Motiv w/~re jedoch gefunden.

Nur ganz kurz sei die Pigousche Fassung konstanter Kosten be- trachtet, der S ra f fa /ibrigens zustimmt, da sie nur einen engeren An- wendungsbereieh hat, denn sie ist an ganz spezifisehe Voraussetzungen gekniipft. Besteht eine Mehrheit yon Unternehmungen und liegt freie Konkurrenz vor, so kann eine Produktionsausdehnung der gesamten Industrie bei Vorhandensein oder in Ermanglung externer Ersparnisse vor sich gehen. Die Begleiterscheinungen sind dann versehieden: Sind externe Ersparnisse n i c h t vorhanden, mit anderen Worten ist das Produktionsvolumen yon dem der gesamten Industrie unabh~ngig , so geseh ieh t die A u s d e h n u n g des P r o d u k t i o n s v o l u m e n s der I n d u s t r i e l ed ig l ieh du reh V e r m e h r u n g der Zahl der Unter- nehmungen . Der Grund dafiir ist einfach der, dab die einze]ne Unternehmung aus einer Ausdehnung des eigenen Produktionsvolumens keine Vorteile zu ziehen vermag, da sich der Verlauf der typischen Kurven nicht ~ndern wiirde; die zus~tzliche Produktion mu6 also yon neuen Einheiten iibernommen werden. Diese ver/~ndert aber

1) Dazu vgl. Mayer, H.. Die Weft. und Preisbildung usw. a.a.O. sowie zum Tefl die oben S. 505 zitierte Abhandlung yon Wleksteed.

3) Wenn auch wit hier nicht darauf eingehen, so nur um den Umfang dieser Abhandlung nicht ins Ungebf~krliohe ansehwellen zu lassen. AuBerdem wird sich dazu in dem felgenden Aufsatz Gelegenheit ergeben.

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durch ihr Hinzutreten nicht im mindesten die Kostenkurven, sondern diese werden bei ihnen identisch sein mit denen der bisherigen Unternehmungen. D a h e r a r b e i t e t d i e I n d u s t r i e m i t k o n s t a n t e n K o s t e n l ) . Damit ist d e r e x a k t e B e w e i s f t i r die o b i g e , , T a n g e n t e n - h y p o t h e s e " (S. 510) gegeben. Das graphisehe Bild w~re das einer zur X-Aehse parallelen Geraden (soweit nicht vorher sinkende oder steigende Kosten herrschten), in der sowohl die individuelle wie die kollektive Angebotskurve zusammenfielen, jede wieder gleiehzeitig Grenz- und Durchschnittskosten iiberdeokend. Damit ist aber kein stabiles Gleich- gewicht gegeben.

Neben diese elementare Ableitung - - eines Spezialfalles, wie man einr~umen muB - - t r i t t die vie] weiterreiehende S r a f f a s , die gr6Bte Aufmerksamkeit verdient. Dazu noch eine methodologisehe Bemerkung: Voraussetzung dieser ganzen kostentheoretisehen Ausfiihrungen war immer, dab die Bildung eines T e i l g l e i e h g e w i c h t e s m6glieh sei. N[it anderen Worten, es wird die Grundannahme gemaeht, dab geringe Ver~nderungen der betrachteten Menge keinerlei Ver~nderungen der betreffenden Preise hervorrufen. Dies geh6rt eng zu de r Beschr~nkung, die ganz allgemein den Kurven auferlegt werden muB: sie gelten immer nur in n~chster Naehbarsehaft der betraehteten Punkte, sowohl was die Theorie der Elastizit~t anbelangt, wir irgend eine andere wesentliehe Aussage2). Man kSnnte geradezu formulieren, dab die Existenz yon Tei]gleiehgewiehten ein MaB unserer Ignoranz darstelle, denn die meisten so gewonnenen Erkenntnisse verflfiehtigen in der formalen Ode des allgemeinen Gleichgewichtes. Es ist also immer gef~hrlieh zu letzterem iibergehen zu miissen, weft sich m6glicher Weise eine bestimmte Theorie als ein bloBer Spezialfall entpuppt. So ist es offenbar nach S r a f f a bei den Kostengesetzen, denn es ist unerl~Blieh, auf die v e r b u n d e n e n Wirkungen einzugehen. Es stellt eine Anomalie dar, bei den Ertrags- gesetzen diese Wirkungen vernachl~ssigen zu wollen. Ihre Untersuchung mach~ den positiven Gehalt der S r a f f a se h e n Gedankeng~nge aus.

An anderer Stelle wurde bereits auf die arbitr~ren Elemente hin- gewiesen, die in den einfaehsten Formulierungen der Kosten steeken; weitere tauehen auf, sobald man sieh fragt, was denn eine , , I n d u s t r i e " sei. Sie ist definiert entweder:

.F, (x,) 1) In der sehon erkl~rtei1 Symbolik P igous : - - - - F ' r (xr). Da xr

eben die Kosten der Einzelfirma yon der gesam~en produzierten Menge unabh~ngig sind, s~eht start Er (Xr, y) nur /~r (xr). Beide Ausdrfmke der Gleichung sind abet yon y unabh~ngig, woraus folgt, dab die Kosten yon der produziert~n Gesam~menge aueh vSllig unabh~ngig slnd, also k o n s t a n t bleiben (Pigou: a. a. 0., § 10, S. 793).

~) Dies wird immer noch of~ yon vielen extrapolationsfreudigen Statistikern fibersehen, wodureh sich manehe moderne Kardinalfehler ergeben. Vgl. die Abhandiungen yon U. Ricei fiber Moore und Sehul tz , Zeitsehr. f. National6k., Bd. I u. II.

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520 O. Morgonstern:

a) als ausschliefllicher V e r b r a u c h e r eines bestimmten Produktions- faktors. Dieser wiirde dann im Sinne W i e s e r s fast die Rolle eines ,,spezifischen" Produktionsmittels inne haben und dadurch den ,,kon- stanten" Faktor im friiher festgelegten Sinne darstellen. Variiert man a u f ihn die anderen Produktionsmittel, so erh~lt man wahrscheinlich abnehmende Ertr~ge.

oder: b) nach dem spezifisch anzugebenden Endprodukt. In diesem Falle sind steigende Ertr~ge zu vermuten, da sehr leicht das absolute Volumen der yon vornherein bestehenden optimalen Proportion gesteigert werden kann, was, wie oben besproehen, einen Hauptgrund fiir dieses Ph~nomen abgibt.

Diese beiden Einteilungen stehen noeh unter der Annahme partiellen Gleichgewichtes, die jedoeh sofort fallen muff, wenn die , , I n d u s t r i e " etwas n~her bestimmt wirdl), was nach den M e n g e n eines Faktors zu geschehen hat, die eine so gefaflte Industrie verwendet. Demnaeh kann die Industrie A yon x (dem ,,konstanten" Faktor) einen relativ g r o B e n Betrag verwenden. Nun wird eine Produktionssteigerung bei A die Kosten bei den Industrien B, C, D . . . . . die X auch verwenden, erhShen und zwar proportional zu den yon X in Gebraueh stehenden Mengen. Mit dieser Erkenntnis ist die Methode des partiellen Gleieh- gewiehtes bereits gesprengt.

(2) Die Industrie verwendet yon X nur wenig; S r a f f a l~l~t dieser Voraussetzung als typisch besondere Bedeutung zukommen. Offenbar handelt es sich um eine questio/acti; fiir die freie Konkurrenz im strengen Sinne - - mit welcher Annahme hier gearbeitet wird - - trifft S r a f f a s Behauptung zu, so dab fiir uns die daraus sich ableitenden Folgerungen relevant werden. Es ergibt sieh, dab eine Steigerung der Produktion in aller Regel durch Vermehrung des Faktors X vor sieh geht. Die zu- s~tzliche Menge wird aus anderen Verwendungen abberufen, es gibt keine st~rkere Ausniitzung der bereits vorhandenen Mengen. Daraus resultiert eine leichte Kostensteigerung fiir alle~). Diese muB aber so gering~gig sein, dab sie praktisch vernachl~sigt werden kann und yon k o n s t a n t e n Kosten zu sprechen ist. Aber aueh fiir den Fall (1) kann eine steigende Angebotskurve nicht in Betracht kommen, auBer man zieht in zweck|oser Weise alle X verwendenden Industrien zusammen.

Damit seheidet die MSglichkeit einer (kollektiven) Kurve steigender Angebotspreise aus; aber auch mit den fallenden geht es nicht, und z w a r - - laut S r a f f a - - aus fotgenden Grfinden:

(1) I n t e r n e E r s p a r n i s s e (als Entstehungsursaehe) scheiden aus, da dureh die Tendenz zum Monopol dann der Ausgangszustand und das Erkenntnisobjekt der freien Konkurrenz aufgehoben w~den . Hier

1) Dabei lassen wit jetzt das Z e i t m o m e n t - - urn Komplikationen zu vermeiden - - auiler aeht. Oder sagen wir, es handle sieh um eine ,,long run".Betraehtung, tier eine solehe AuBeraehtlassung faktiseh gleiehkommt - - dariiber sollte man sieh doeh keiner Tausehung hingeben.

") Wofern die ganze Industrie und nieht blo13 ein Unternehmen die Produktion erh~ht.

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w~re lediglieh anzumerken, da~ die Frage noch immer nieht eindeutig entsehieden ist, obwohl die oben angefiihrten Argumente in diesem Sinne zu sprechen seheinen.

(2) E x t e r n e E r spa rn i s s e lassen sich in dem geforderten Sinn (sie sollen intern fiir eine Industrie sein) nieht aufzeigen. Ihr Vorhanden- sein wird nicht geleugnet, aber sie umfassen Industriegruppen, oder Ortschaften (Verkehr) usw., oder stehen zum Teil in Widerspruch mit der Bedingung der freien Konkurrenz. ])as wesentliche Hindernis, mit ihrer Hilfe eine Kurve fallender Angebotspreise zu finden, liegt darin, dal3 diese Kurven nur fiber ganz geringe Teilstrecken Bedeutung haben, jedoch derart geringe Ver~nderungen wieder keine externen Ersparnisse herbeiffihren kSnnen.

Daraus folgert nun S ra f fa das Vorwiegen k o n s t a n t e r K o s t e n bei f re iem Wet tbewerb . Diese These, die nur unter dem Zwang zum Aufbrechen des Systems der Teilgleiehgewiehte formuliert werden konnte, hat eine groi]e W a h r s e h e i n l i c h k e i t ffir sich. Ihr Erkenntnis- gehalt h~ngt ausschliel~lich yon den empirischen Voraussetzungen ab, die in der Tat - - bei freier Konkurrenz - - so gestaltet sein diirften, dub der Sraffaschen Analyse groBer Wert zukommt. Ihre eigentliehe Bedeutung kann abet erst erkannt werden, wenn der Einbau dieser Ergebnisse in die allgemeine Preistheorie vorgenommen wird, was bisher kaum versucht worden ist, obwohl sieh gewifl bedeutsame Ergebnisse mfissen erzielen lassen.

IV. Schlufl § 22. K o n s t r u k t i v e Aufgaben der K o s t e n t h e o r i e :

Zum AbsehluB dieser Ausfiihrungen sei gestattet noeh eine, zwar programmatisehe, aber rhapsodisehe Bemerkung fiber die weitere Ge- staltung der Kostentheorie zu machen. Es ist beabsiehtigt, in einer folgenden Abhandlung diese Probleme aufzugreifen und zu versuehen, sie einer LSsung etwas n~her zu fiihren. DuB es sieh immer noeh um ,,offene" Probleme handelt, geht wohl aus den vorhergehenden Seiten zur Genfige hervor, wenn auch nicht jeder einzelne kritische Punkt gesondert angezeigt wurdel). Ieh besehr~nke reich darauf, einige Thesen zu formulieren - - Forderungen meistens --, ohne reich auf n~here Be- grfindung und Erkl~rung einzulassen:

(1) Es gehSrt zu den Hauptm~ngeln der bisherigen Kostentheorie, dab diese in allzu lockerem Zusammenhang mit der a l l geme inen P r o d u k t i o n s t h e o r i e im eigentliehen Sinne behandelt wurde. Damit ist gemeint, dab vSllige Einsieht nut gewonnen werden kann, wenn stets ein klares Bild yon dem Gesamtaufbau der Produktion, aus der Anordnung der einzelnen Produktionsstufen (sei es in der individual-

1) Denn es sollte ja gelten: , ,Verum animo satis haec vestigia parva sagaci Sunt per quae possis cognoscere tute."

Y_~retius

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522 O. Morgenstern: Offene Probleme der Kosten- und Ertragstheorie

wirtschaftlichen, sei es - - besonders - - der volkswirtschaftlichen) vor- schwebt. Den Anfang hat S ra f fa gemacht, indem er Industr iegruppen behandelt und man sieh~ sofort, welch wichtige Ableitungen sich ergeben haben. Von gr6Bter Bedeutung ist es aber, sieh fiber die Proportion zwisehen den einzelnen Gfiterarten - - nicht nur der groBen Gruppen der Konsum- und Produktivgfiter - - Rechensehaft zu geben, welche Proportion ein Faktor yon entscheidender Bedeutung fiir (2) wird.

(2) Der P r o d u k t i o n s a u f b a u ist vollkommen, wenn die Produktion zur G~nze synchronisiert ist; nur dann herrscht ein Gleichgewicht in der Zeit. Dieser statische Zustand kann abet nur den Ausgangspunkt bflden; jede Abweiehung yon ihm wird relevant ffir die Kostengestaltung aueh der vielleicht nieht unmittelbar betroffenen Industriestufen. Es kommt darauf an, die ungle iehe V a r i a t i o n s f ~ h i g k e i t des Pro- d u k t i o n s v o l u m e n s in den e inze lnen S tad ien des Produk- t i o n s a u f b a u e s zu berfieksichtigen und als Kostenfaktor in die Rechnung einzusetzen. Damit ist aber die Forderung erhoben

(3) die ze i t l i che G e s t a l t u n g und Ver t e i l ung der K o s t e n in die Theorie einzuordnen. Die Kosten einer Produk~ion verteilen sich ungleichm~Big fiber die einzelnen Wirtschaftsperioden, wofiir sich eine Unzahl praktischer Beispiele linden lassen. Auch kommt hier das Ab- schreibungsproblem in seinem roUen Umfang zur Geltung. Die Dynamik der Kosten, d. h. ihre Verteilung in der Zeit, l~Bt auBerdem den Gegensatz zu dem bisher mit ,,historisehen" Kurven behandelten Problemkreis in neuem Licht erscheinen.

(4) Nut unter gleiehzeitiger Berficksichtigung der angeffihrten drei Punkte daft an das Problem des w i r t s e h a f t l i c h e n F o r t s c h r i t t e s herangegangen werden, da sich zeigt, dab es dutch die jetzige Fassung des Ph~nomens der sinkenden Kosten nicht hinl~nglich ausgesch6pft wird.