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274 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 321. 1963 Offene und latente Aktivitat eines heterogenen Redox-Katalysators im H,O,-Zerfall 400. Mitteilung Inlialtsiibersicht Die H,O,-zemetzende Wirkung des T1,0, kommt bei einer nicht ausreichenden Xenge des letzteren zum Stillstand. Verringert man $ie Tl,O,-Menge noch weiter, so bcobachtet man ein Wiederaufleben des H,O,-Zerfalls, dessen Geschnindigkeit in samtlichen Fallen einer Rcaktion I. Ordnung entspricht. Sumniary The catalytic activity of T1,0, on the decomposition of H,O, (first-order reaction) has B minimum at about -5 mg T1,0,/150 ml 0.3% H,O, (37 "C). Der im heterogenen Systeni arbeitende Redox-Katalysator zeigt in der Regel eine mengenbedingte Aktivitiit, inctem mit abnehmender Katalysator- menge der Substratumsatz sich schrittw-eise 1-erringert, bis schlieBlich bei einer bestimmten unteren Grenzkonzentration des betreffenden Kataly- sators der ,,Kullwert" erreicht wird, der mit dem der Blindprobe zusaminen- fallt. Mitunter treteri aber auch Sbweichungen von dieser Regel auf, die in der heterogenen Katalyse als Snomalien bekannt sind und des ofteren auf diesem Gebiet angetroffen werden l). So wurde bei gewissen Katalysatoren heobachtet, daB nach ocler sogar schon vor Errcichung des ..Nullwertes" eine Heinmungswirkung einsetzt, die erst beim weiteren Absinken der Kata- lysatormenge allmahlich abklingt. Diese Erscheinungeri bezieheii sich sowohl auf die katalatischen als auch auf die peroxydatischen Eigenschaften voii heterogenen Redos-Katalysatoreri. die zuletzt am Liberzeugendsten am Rei- spiel des TJ,O,-Einstoffkatalysators beobachtet wurden "). Letzterer ist eiii ausgezeichnetes Peroxydasemodell rmd beschleunigt ganz au?erordent,lich die Indigocarniinentfarbuiig mit H,O, bei 37", was schon bei Yerwendunp l) A. KRAUSE, Bull. SOC. Amis Sci. Poznan, Ser. B 15, 43 (1'360). 2, Vgl. M. BLAWACKA, Dissertation Poznan 7 962.

Offene und latente Aktivität eines heterogenen Redox-Katalysators im H2O2-Zerfall

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274 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 321. 1963

Offene und latente Aktivitat eines heterogenen Redox-Katalysators im H,O,-Zerfall

400. Mitteilung

Inlialtsiibersicht Die H,O,-zemetzende Wirkung des T1,0, kommt bei einer nicht ausreichenden Xenge des

letzteren zum Stillstand. Verringert man $ie Tl,O,-Menge noch weiter, so bcobachtet man ein Wiederaufleben des H,O,-Zerfalls, dessen Geschnindigkeit in samtlichen Fallen einer Rcaktion I. Ordnung entspricht.

Sumniary The catalytic activity of T1,0, on the decomposition of H,O, (first-order reaction) has B

minimum at about -5 mg T1,0,/150 ml 0.3% H,O, (37 "C).

Der im heterogenen Systeni arbeitende Redox-Katalysator zeigt in der Regel eine mengenbedingte Aktivitiit, inctem mit abnehmender Katalysator- menge der Substratumsatz sich schrittw-eise 1-erringert, bis schlieBlich bei einer bestimmten unteren Grenzkonzentration des betreffenden Kataly- sators der ,,Kullwert" erreicht wird, der mit dem der Blindprobe zusaminen- fallt. Mitunter treteri aber auch Sbweichungen von dieser Regel auf, die in der heterogenen Katalyse als Snomalien bekannt sind und des ofteren auf diesem Gebiet angetroffen werden l). So wurde bei gewissen Katalysatoren heobachtet, daB nach ocler sogar schon vor Errcichung des ..Nullwertes" eine Heinmungswirkung einsetzt, die erst beim weiteren Absinken der Kata- lysatormenge allmahlich abklingt. Diese Erscheinungeri bezieheii sich sowohl auf die katalatischen als auch auf die peroxydatischen Eigenschaften voii heterogenen Redos-Katalysatoreri. die zuletzt am Liberzeugendsten am Rei- spiel des TJ,O,-Einstoffkatalysators beobachtet wurden "). Letzterer ist eiii ausgezeichnetes Peroxydasemodell rmd beschleunigt ganz au?erordent,lich die Indigocarniinentfarbuiig mit H,O, bei 37", was schon bei Yerwendunp

l) A. KRAUSE, Bull. SOC. Amis Sci. Poznan, Ser. B 15, 43 (1'360). 2, Vgl. M. BLAWACKA, Dissertation Poznan 7 962.

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A. KRAUSE u. M. B~,AWACEA, Aktivitlt eines heterogenen Redox-Katalysators 275

von SIilligramrnengen (> 3 nig) des T1,0, geschieht. Bei etwa 3 mg liegt bei eineiii Substratvolumen von 50 em3 H,O,-Losung (0,6proz.) + 10 em3 Indigocarminlosang ( = 3.3 mg Farbstoff) die uiiterste Grenze seiner Aktivi- tat, die von dem Wert der Bliiidprobe sich kaurn iioch unterscheidet. Unter- schreitet, man die 3-mg-Grenze, so macht sicli eiiie sehr starke Heiniiiungs- mirkurig in der Iiidigocarrninentfarbung geltend, die bei 1,5 iiig ihr Hochst- ilia6 erreicht und nicht eher als bei 0,l mg sich dern ,,KuIlwertcL der Blind- probe wiecler angleicht 3). Diese Xrgebnisse veranlabten uiis, auch die kata- latischen Eigeiischaften des T1,0, in diesem Siniie zu prufen. Dabei wurdc die unerwartete Beobachtung gemacht, da6 weit unterhalb der inaktiveri Greiizkonzentration des Katalysators die H,O,-Zersetzung am T1,0, iioch eiiimal aufiebt, woru ber in1 folgenclen berichtet wird.

Beschrcihiing der Trrsuche Dns fur die Versuche erforderliche Thallium(II1)-oxid wurde aus Thallium(I)-~litratlOsung

ria& Verset,zen derselhen mit iiberschussigem Ammoniak urid iiberschiissiger H,O,-Losung (25proz.) als tiefbrauner Niederschlag bei 18' geflllt, anschlieaend sorgfaltig ausgenaschen, an der Luft bei Raumtemperatur getrocknet, und sodann diirch Nylongaze (Porendurch- messer 0,12 mm) gesiebt. Der Wassergehalt eines solchen Praparats betragt nur 1,60/;, H,O. womit es gewissermal3en an die Oxide der Edelmetalle erinnert.

Zwecks Priifung der H,O,-zersetzenden Wirkung versetzt man einc bestimmte TI&- 31enge mit 160 em3 H,O,-Losung (- 0,3proz.) bei 37" und laiat, das Beaktionsgemisch nach einnialigem griindlichen Umschwenken im Wasserthermost,aten bei 37" bis zum AbschluR der 3lessungen ruhig stehen. In bestinimten Zeitabstanden entnahmen wir aus der iiber dem Boden- korper befindlichen Liisung 30-cm3-Proben, urn die jeweils vorhandene H,O,-Konzent,ration manganomet,risch zu bestimmen.

Tabelle 1 H,O,-Zerfall (160 cmd 0,Bproz. Ihsung) an T1,0, (Kt) be1 3 i "

Die Zahleniverte peben den Verbrauch an 0,1 n-KMnO, fur je 10 em3 Reaktionslosung an

Zeit in 100mgl 50mg 30mg 10mg 5mg ' 3mg 2mg ' 1 , 2 i 1 mg I U.jmg 0,2 mgl H,O, Kt Kt , Kt , allein Min. K t Kt Kt K t 1 K t Kt 1 K t

1% 11,4 1 13,G 14,9 1 16,6

13,5 I 16,4

I 1,0 ' O,25

17.6 17,5 17.4 15,4 15.3 17.3 15.2

~~

0.06 -~~

3, A. KRAUSE u. &I. BL~wvACli.4, Natur~~isseI?nschaften 104 (1962)

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Ergehnisse Wie aus deli in Tab. 1 gemachten Angaben liervorgeht, ist das Tl,O, eiii

recht guter Katalysator vom Katalasetypus, der natiirlicherweise uin so scliwacher wirkt, je geringer die verwendete Katalysatormenge ist. Aller- dings wird schon hei 10 mg TI,O, der H,O,-Zerfall so schwach, daB er sicli kaum noch von dem der Blindprobe tinterscheidet. An diesem Sachverhalt dndert sich nichts, wenn man die TI,O,-Meiige bis auf 3 mg eniiedrigt. Bei 2 mg wird aber das T1,0, von neuern aktiv. Diese Aktivitkt verstiirkt sicli merkwiirdigerweise noch mehr, je weiter desseii Menge absinkt. Das ist die niierwartete latente Xktivitat, die bei 1,6 mg T1,0, ilir Optimum erreicht, das aiich bei 1 nig T1,0, nocli vorlianden ist. Erst uiiterhalb dieser Xenge wird der H,O,-Zerfall schmacher und steuert allm&hlich dem .,Nullwert" zu, der mit dem der Blindprobe schliel3lich bei 0,2 mg Tl,O, praktisch zu- saminenfallt. Die Geschwindigkeit der H,O,-Zersetzung entspricht in siinit- lichen Fallen eirier Reaktion T. Ordnnng (Tab. 1). Xbgesehen davon treten in dem vorliegeiiden System deutliche Anomalien auf, die z. B. darin ihren h s d r u c k finden, daB verschiedene T1,O ,-Mengen den H,O,-Zerfall mit der qleicheii Geschwjndigkeit katalysieren konnen. Ferrier last sich mi t einer geringeren Katalpsatornienge unter Vmstanden eiii hoherer Tmsatz erzieleii als bei Verwendurig einer griiljeren Neiige T1,0, (Tab. I )

Diese Versuche sind reproduzierbar und fuhren zu ubereinstimnienden Birgebnissen. Auch das Tl,O,, das im regularen System (1) 5,, Mn,O,-Typus) kristallisiert, wurde noch zusatzlich uberpriift und zeigte irach spektralana- lytischem imd rontgenographischem Befund einen hohen Reinheitsgrad.

Zwecks Erkliirung des Mechanismus der katalytischen H,O,-Zersetzung geht man am besten voii der Annahme aus, daB die aktiveii Zentreii der Oxidoberfache ails K =T1-Donatorradikalen rnit quasifreien Elektronen iind R =T1-0-Akzeptorradikalen niit Hlektronenliicken bestehen 4), an denen die H,O,-Zersetzung als Akzeptor- oder Donatorkatalyse in Gestalt einer Reaktionskette ausgelost wird :

,' P f R=TI- + H,O, + R=TI-OH ' HO; HO A HL02 + H,O KO2;

f P HO, + H,O, + H,O + 0, + HO 11s~ .

Das dabei entstehende OberflSichenhydroxid R =TI-OH kann 1-011 sich aus, d. h. an seinen OH-Wirkgruppen die Zersetzung von H,O,-Molekeln nach deren Chemisorptioii und Deformation veranlassen. wobei die redu-

ziereiiden H+Q 10-lHT1-Molekeln zunachst in die osydierenden 000-2-Mole- H+1

Hfl

4) A. KRACSE, Z. physik. Chem. [N. F.] 30, 233 (1961).

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A. KRACSE u. 31. UEAWACKA, Aktivitgt eines hetemgenm Redox-Katalj-sators 277

keln umgelagert werden 5 , : H

R-TI-OH - HOOH + R- TIPOH. 00 H

Sclion die blof3e Anwesenheit der reduzierenden und oxydierenden H,O,- Molekeln im Wirkungsbereich des Katalysators macht den Zerfall derselben unwiderruflich, was so lange aktuell ist, wie der Katalysator im Besitz von aktiven Zentren ist. Falls dessen Menge aber sehr klein wird, so schwinden auch die aktiven Zentren, und dann haben die HOOH-Molekeln, da sie von der katalytischen Zersetzung verschont bleiben, Zeit genug, uni das Tl,O, reduktiv anzugreifen, das - ahnlich wie die Oxide der Edelmetalle - solchen Veranderungen ubrigens leicht zuganglich ist. Die Bedingungen dafiir diirften allerdings nur dann aussichtsreich sein. weizri im Vergleich zu T1,0, die HOOH-Konzentration ubermaBig grof3 ist. Das trifft offenbar optimal fur 1 bis 1,5 mg T1,0, zu. Unter diesen Umstlinden werden durch einen rein chemischeiz Eingriff der Substratmolekeln neue aktive Zentren (die latenten) erschlossen, woriiber folgende (schematische) Gleiclzung Auskunft gibt :

O=TI-O-TI=O + HOOH - H,O + 0, - O=TI-0-TI-.

Da nun die aktiven Zentren (die Radikale) wieder Zuni Vorschein kom- men, so kommt auch die katalytische H,O,-Zersetzung abermals in Gang, wobei gleichzeitig der zuvor reduzierte Katalysator Linter Zwischenbildung von 0 =T1-O-Tl--OH regeneriert (aufoxydiert) wird. Man vergleiche Iiierzu weiter die oben angegebenen Gleichungen betreffend H,O,-Zerfall.

Ahschliel3end sei noch bemerkt, da13 an der gleichen Stelle, wo die H,O,- zersetzende Wirkung bei 1,5 nig T1,0,3 wieder auflebt, gerade die starkste Hemmungswirkung der peroxydatischen Ind igocarminentfiirbung beob- achtet wird. Hierbei wird namlich das Tl,O,, das iiach spektrophotometri- schem Befund den Farbstoff stark adsorbiert 3) . durch diesen sow-eit ge- schutzt, daf3 eine etwaige Reduktionswirkung seitens der HOOH-Molekeln und derngemaR auch die ErschlieWnng neuer (lat'enter) Zentren verhindert wird. Da nun der sorbierte Farbstoff vie1 schwieriger oxydierbar ist als der in der Losung noch vorhandene, so wird in diesem Fall die Indigocarmin- entfiirbung im Vergleich mit der Blindprobe bedeutend verzogert3).

5, Vgl. 9. KRAVSE, Z . anorg. allg. Chem. 307, 229 (1961).

Poznal i (Polen) , Inst,itut fiir aizorganische Chemie der Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 23. Mai 1962.