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3 Punkte sammeln auf: springermedizin.de/ eAkademie Teilnahmemöglichkeiten Diese Fortbildungseinheit steht Ihnen  als e.CME und e.Tutorial in der Springer  Medizin e.Akademie zur Verfügung.  –   e.CME: kostenfreie Teilnahme im  Rahmen des jeweiligen Zeitschriften- abonnements –   e.Tutorial: Teilnahme im Rahmen des  e.Med-Abonnements Zertifizierung Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CME- Punkten zertifiziert von der Landesärzte- kammer Hessen und der Nord  rheinischen  Akademie für Ärztliche Fort- und Weiter- bildung und damit auch für   andere Ärzte- kammern anerkennungsfähig.   Hinweis für Leser aus Österreich Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Pro- gramm (DFP) der Österreichischen Ärzte- kammer werden die in der e.Akademie erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische Fortbildung anerkannt. Kontakt und weitere Informationen Springer-Verlag GmbH Springer Medizin Kundenservice Tel. 0800 77 80 777 E-Mail: [email protected] Diabetologe 2014 · 10:239–248 DOI 10.1007/s11428-014-1214-8 Online publiziert: 8. Mai 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 N. Avetisyan · J. Lautermann Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Plastische  Operationen, Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau, Halle (Saale) Ohrerkrankungen und  Diabetes mellitus Zusammenfassung In der Literatur finden sich kaum systematische Darstellungen über die Bedeutung von Dia- betes mellitus bei Erkrankungen des Ohres. In diesem Beitrag wird daher ein Überblick über den Zusammenhang zwischen endokrinologischen und otologischen Problemen bei Patien- ten mit Erkrankungen des Ohres und vorbestehendem Diabetes mellitus im klinischen All- tag vermittelt. Im Einzelnen wird auf die Bedeutung von Diabetes mellitus bei Otitis exter- na, Otitis externa maligna, Otitis media und idiopathischem Hörsturz sowie langsam progre- dienter Innenohrschwerhörigkeit eingegangen. Schlüsselwörter Diabetische Komplikationen · Otitis externa · Otitis media · Hörsturz · Innenohr CME  Zertifizierte Fortbildung © Klaus Rüschhoff, Springer Medizin Redaktion R. Landgraf, München 239 Der Diabetologe 3 · 2014|

Ohrerkrankungen und Diabetes mellitus; Ear diseases and diabetes mellitus;

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Page 1: Ohrerkrankungen und Diabetes mellitus; Ear diseases and diabetes mellitus;

3 Punkte sammeln auf:

springermedizin.de/eAkademieTeilnahmemöglichkeitenDiese Fortbildungseinheit steht Ihnen als e.CME und e.Tutorial in der Springer Medizin e.Akademie zur Verfügung. –  e.CME: kostenfreie Teilnahme im 

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–  e.Tutorial: Teilnahme im Rahmen des e.Med-Abonnements

ZertifizierungDiese Fortbildungseinheit ist mit 3 CME-Punkten zertifiziert von der Landesärzte-kammer Hessen und der Nord rheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiter-bildung und damit auch für  andere Ärzte-kammern anerkennungsfähig.  

Hinweis für Leser aus ÖsterreichGemäß dem Diplom-Fortbildungs-Pro-gramm (DFP) der Österreichischen Ärzte-kammer werden die in der e.Akademieerworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 alsfachspezifische Fortbildung anerkannt.

Kontakt und weitere InformationenSpringer-Verlag GmbHSpringer Medizin KundenserviceTel. 0800 77 80 777E-Mail: [email protected]

Diabetologe 2014 · 10:239–248DOI 10.1007/s11428-014-1214-8Online publiziert: 8. Mai 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

N. Avetisyan · J. LautermannKlinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Plastische Operationen, Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau, Halle (Saale)

Ohrerkrankungen und Diabetes mellitusZusammenfassungIn der Literatur finden sich kaum systematische Darstellungen über die Bedeutung von Dia-betes mellitus bei Erkrankungen des Ohres. In diesem Beitrag wird daher ein Überblick über den Zusammenhang zwischen endokrinologischen und otologischen Problemen bei Patien-ten mit Erkrankungen des Ohres und vorbestehendem Diabetes mellitus im klinischen All-tag vermittelt. Im Einzelnen wird auf die Bedeutung von Diabetes mellitus bei Otitis exter-na, Otitis externa maligna, Otitis media und idiopathischem Hörsturz sowie langsam progre-dienter Innenohrschwerhörigkeit eingegangen.

SchlüsselwörterDiabetische Komplikationen · Otitis externa · Otitis media · Hörsturz · Innenohr

CME  Zertifizierte Fortbildung

© K

laus

Rüs

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ff, Sp

ringe

r Med

izin

RedaktionR. Landgraf, München

239Der Diabetologe 3 · 2014  | 

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CME

Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags …F  können Sie beschreiben, welche Rolle der Diabetes mellitus für die Entstehung und den

Verlauf von otologischen Erkrankungen spielt.F  kennen Sie die Bedeutung der optimalen Diabeteseinstellung bei Patienten mit otolo-

gischen Erkrankungen.F  wissen Sie, wie wichtig der Ansatz der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen

Hausärzten, Diabeteologen und HNO-Ärzten mit dem Ziel der frühzeitigen Erkennung von Ohrproblemen für Diabetespatienten ist.

F sind Sie für otologische Probleme bei Ihren Diabetespatienten sensibilisiert.

Otitis externa und Otitis externa maligna

Die Otitis externa (Entzündung des äußeren Gehörgangs) ist eine der häufigsten Erkrankungen im Kopf-Hals-Bereich. Es finden sich eine Rötung und schmerzhafte Schwellung im Bereich des äußeren Gehörgangs (. Abb. 1, 2). Die Erkrankung wird durch folgende Bakterien (Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus, Proteus mirabilis, Streptococcus pyogenes, Escherichia coli, Enterococcus species) und Pilze (Aspergillus species) hervorgerufen. Standardmäßig erfolgt eine  lokale Therapie mithilfe von Ohrentropfen und Salbenstreifen (Antibiotika, Antimykotika und Kortikoide). Solange der Ohr-knorpel nicht mitbefallen ist (Perichondritis), ist die systemische Antibiotikagabe nicht indiziert.

In der Literatur finden sich keine Hinweise auf eine erhöhte Inzidenz der unkomplizierten Otitis externa bei Patienten mit vorbestehendem Diabetes mellitus. Anders verhält es sich mit einer Kom-plikation der Gehörgangsentzündung: der Otitis externa maligna. Aus diesem Grund wird im Fol-genden ausführlicher auf dieses Krankheitsbild eingegangen.

Definition

Bei der Otitis externa maligna handelt es sich um eine Osteomyelitis des Felsenbeins als Folge einer Otitis externa. Das klinische Bild des Gehörgangs unterscheidet sich nicht von der unkomplizierten Otitis externa (. Abb. 3). Der Zusatz „maligna“ bezeichnet den  schweren Verlauf der Erkrankung, histologisch ohne Hinweis auf ein Malignom.

Ätiologie/Pathogenese

Die Otitis externa maligna entsteht aus einer Otitis externa diffusa. Erreger ist meist Pseudomonas ae-ruginosa, der durch selbst produzierte Enzyme zur Zellschädigung und letztlich zur Knochenentzün-dung und -zerstörung des Felsenbeins (Pars petrosa ossis temporalis) führt. Auch ein  bilaterales Auf-treten ist möglich. Bei Durchbruch der Entzündung entlang der Santorini-Spalten ( Knorpelspalten

Die Otitis externa wird durch Bakte-rien und Pilze hervorgerufen

Als Folge einer Otitis externa ent-wickelt sich bei der Otitis  externa maligna eine Osteomyelitis des  Felsenbeins

Erreger ist meist Pseudomonas ae-ruginosa

Ear diseases and diabetes mellitus

AbstractIn the literature there is very little information about the importance of diabetes mellitus for ear diseases. Therefore, this article gives an overview about contact points between endocrinological and otological problems in patients with diseases of the ear and pre-existing diabetes mellitus. In particu-lar the focus is on the impact of diabetes mellitus on patients with external otitis, malignant external otitis, otitis media, sudden sensorineural hearing loss and slowly progressive hearing loss. Diseases, such as osteomyelitis of the lateral skull base, sudden and slowly progressive hearing loss are also dis-cussed in detail.

KeywordsDiabetes complications · Otitis externa · Otitis media · Hearing loss, sudden · Inner ear

240 |  Der Diabetologe 3 · 2014

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CME

im Bereich der medialen und lateralen Gehörgangs-wand) erfolgt die Ausbreitung in das periaurikuläre Gewebe und die Glandula parotidea.

Epidemiologie

Etwa 10% der Gesamtbevölkerung erkranken im Verlauf ihres Lebens mindestens einmal an einer Otitis externa [1]. Dabei kann vorwiegend bei älteren Diabetespatien-ten sowie immunsupprimierten Patienten die äußerst seltene Komplikation einer Otitis externa maligna resultieren.

Diagnose

Die Otitis externa maligna wird am häufigsten bei äl-teren Menschen mit Diabetes und immunsupprimier-ten Patienten diagnostiziert. Im Laborbefund fällt meist ein  schlecht eingestellter Diabetes (hoher HbA1c-Wert

und eine schwere Hyperglykämie) auf. Die Patienten können eine ein- oder beidseitige Otalgie, fötide Otorrhö, Hörminderung und Schwindel beklagen. Begleitend können eine Kieferklemme, prä- und retroaurikuläre Schwellung oder Rötung sowie Lymphknotenschwellungen und ein reduzierter Allge-meinzustand auftreten. Charakteristisches Zeichen des „malignen“ Verlaufs ist der frühzeitige Ausfall von Hirnnerven, insbesondere der Nn. facialis und trigeminus, aber auch der kaudalen Hirnnerven (Nn. glossopharyngeus, vagus, accessorius). Daraus können folgende Symptome resultieren:F  Lähmung des Gesichtsnervs (der N. facialis verläuft durch das Mittelohr und Mastoid),F  Gefühlsstörungen des Gesichts (N. trigeminus),F  Heiserkeit und Schluckstörungen (N. vagus),F  Verschiebung der Rachenhinterwand (Kulissenphänomen; N. glossopharyngeus),F  Armheberschwäche (N. accessorius).

Neu aufgetretene Ausfälle der Hirnnerven bei nichtausheilender Otitis externa sind verdächtig auf eine  Osteomyelitis der Otobasis. Otoskopisch können sich das typische Bild einer unkomplizierten Otitis externa mit Weichteilschwellung im Gehörgang, aber auch eitrige Granulationen und freilie-gender Knochen im Gehörgang zeigen. Der klinische Verdacht erhärtet sich durch eine Computerto-mographie (CT) des Felsenbeins, in der Knochenarrosionen und -destruktionen festgestellt werden können. Bei unklarem Befund sollte eine  Knochenszintigraphie durchgeführt werden. Ein  mikro-

Etwa 10% der Gesamtbevölkerung erkranken im Verlauf ihres Lebens mindestens einmal an einer Otitis externa

Die Otitis externa maligna wird am häufigsten bei immunsupprimier-ten Patienten diagnostiziert

Charakteristisches Zeichen des „ma-lignen“ Verlaufs ist der frühzeitige Ausfall von Hirnnerven

In der Computertomographie des Felsenbeins können Knochenarro-sionen und -destruktionen festge-stellt werden

Abb. 1 8 Otitis externa: geschwollener, geröteter Gehörgang Abb. 2 8 Endoskopisches Bild einer Otitis externa nach Eröffnung des Ge-hörgangeingangs

Abb. 3 8 Entzündliche Verschwellung des Ge-hörgangs mit begleitender Rötung des Trom-melfells

241Der Diabetologe 3 · 2014  | 

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CME

biologischer Erregernachweis durch Abstrich sollte er-folgen.

Differenzialdiagnose

Differenzialdiagnostisch sind zu erwägen:F  malignes Geschehen (Gehörgangskarzinom) oderF  Gehörgangscholesteatom (Einwachsen vom Platten-

epithel unter die Gehörgangshaut mit Entwicklung einer chronischen Entzündung und konsekutiven Knochendestruktion; . Abb. 4).

Aus diesem Grund muss zur Diagnosestellung eine  Biopsie durchgeführt werden.

Therapie

Die Optimierung der Blutzuckerwerte bei Diabetes steht im Vordergrund der Therapie. Lokal soll-ten der Gehörgang gereinigt und  topische Antibiotika (Tropfen oder Salbe) appliziert werden. Sys-temisch erfolgt bis zum Vorliegen des Ergebnisses der Abstrichuntersuchung und der Resistenzlage eine Therapie mit einem Antibiotikum, das gegen Pseudomonas aeruginosa wirksam ist. Die Behand-lung sollte anfänglich als hochdosierte i.v.-Antibiotika-Therapie erfolgen und wird als orale Thera-pie über mehrere Wochen fortgesetzt. Die Dauer der Behandlung kann vom klinischen Verlauf, dem CT-Befund sowie den Entzündungsparametern abhängig gemacht werden. Mehrfache Abstriche zur frühzeitigen Erkennung von  Resistenzen sollten entnommen werden.

Bei umschriebenen Knochendestruktionen sollte eine Operation mit Entfernung des befallenen Knochens, meist als Felsenbeinteilresektion erwogen werden. Ausgedehnte Resektionen bei fortge-schrittenen Prozessen verbessern die Prognose nicht und sollten vermieden werden. Die  Schmerz-therapie wird begleitend durchgeführt.

Bei besonders schweren Verlaufsformen wird eine  hyperbare Sauerstofftherapie empfohlen. Es existieren jedoch keine evidenzbasierten Studien, da ein prospektiv kontrolliertes Studiendesign aufgrund der Seltenheit der Erkrankung nicht realisierbar ist, sodass in der Literatur hauptsächlich retrospektive Studien und Einzelfallberichte zu finden sind [2].

Prognose

In fortgeschrittenen Stadien kann die Letalität (durch Hirnnervenausfälle, Thrombose des Sinus sigmoideus, Sepsis und Meningitis) bei Otitis externa maligna 70% betragen. Die frühzeitige Diag-nose ist deshalb besonders wichtig. Eine therapieresistente Otitis externa kann immer und besonders bei älteren Diabetespatienten auf eine Otitis externa maligna hindeuten.

Otitis media

Bei einer akuten Otitis media wird eine Infektion meist vom Nasenrachen über die Tuba Eustachii in das Mittelohr fortgeleitet. Die Patienten beklagen typischerweise Ohrenschmerzen wie bei einer Otitis externa. Das  Trommelfell ist anfänglich rötlich injiziert, später rötlich entdifferenziert. Bei Zunahme des Drucks durch seröse Flüssigkeit und Eiter im Mittelohr kann das Trommelfell an umschriebener Stelle rupturieren, und der Schmerz lässt nach. Typische Keime sind Streptokokken, Staphylokokken und Haemophilus influenzae. Viral bedingte Mittelohrentzündungen mit einem oft blanderen Ver-lauf können zunächst mit abschwellenden Nasentropfen und Schmerzmedikation behandelt werden; bei stärkeren Beschwerden ist eine Antibiotikatherapie, z. B. mit Aminopenicillinen, zu empfehlen.

In der Literatur finden sich keine Hinweise auf ein vermehrtes Auftreten der Otitis media bei Dia-betes mellitus.

Die Optimierung der Blutzucker-werte bei Diabetes steht im Vorder-grund der Therapie

Die Pseudomonas-aeruginosa-Be-handlung sollte anfänglich als hoch-dosierte i.v.-Antibiotika-Therapie er-folgen

Bei umschriebenen Knochendes-truktionen sollte eine Operation mit Entfernung des befallenen Kno-chens erwogen werden

Bei Otitis externa maligna kann die die Letalität 70% betragen

Meist wird eine Infektion vom Na-senrachen über die Tuba Eustachii in das Mittelohr fortgeleitet

Bei stärkeren Beschwerden ist eine Antibiotikatherapie zu empfehlen

Abb. 4 8 Intraoperative Aufnahme eines Gehör-gangscholesteatoms

242 |  Der Diabetologe 3 · 2014

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Wundheilungsstörungen

Wundheilungsstörungen treten bei Patienten mit Diabetes mellitus häufiger auf als in der Normal-bevölkerung. Ursachen sind u. a. Durchblutungsprobleme bei  Mikroangiopathien, aber auch ver-schiedenste molekulare Mechanismen [3]. Auch nach Ohroperationen ist die Rate von postoperati-ven Komplikationen erhöht, v. a. bei schlecht eingestellten Blutzuckerwerten, lange bestehendem Dia-betes mellitus und zusätzlichen vaskulären Risikofaktoren wie Nikotinabusus. Bei diesen Patienten müssen vermehrte  postoperative Kontrollen erfolgen, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen.

Hörsturz

Definition

Eine plötzlich auftretende, meist einseitige  Schallempfindungsschwerhörigkeit ohne erkennbare Ursache bezeichnet man als Hörsturz (akuter idiopathischer sensorineuraler Hörverlust).

Ätiologie

Vaskuläre und rheologische Störungen, lokale Infektionen und zelluläre Regulationsstörungen so-wie im Einzelfall eine Ruptur des runden Fensters des Innenohrs werden als vermutete Ursache eines Hörsturzes diskutiert [4].

Klassifikation

Es werden 5 Formen der Innenohrschwerhörigkeit, die mithilfe des  Audiogramms objektiviert wer-den können, unterschieden:

Nach Ohroperationen bei Diabetes-patienten ist die Rate von postope-rativen Komplikationen erhöht

0,125 0,250 0,5 1 2 3 4 6 8 10

Frequenz (kHz)

Weber Rechts Tinnitus LinksSignal

FrequenzdB

Rinne

-10

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

120

130Rechtes Ohr Linkes OhrHV 0% (Rö73)

0% (Rö80)HV 10% (Rö73)

0% (Rö80)

Hör

pege

l (dB

)

Frequenz (kHz)

Hör

pege

l (dB

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0,125 0,250 0,5 1 2 3 4 6 8 10-10

0

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40

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Ø

ØØ

Abb. 5 8 Linksseitige Hochtoninnenohrschwerhörigkeit

243Der Diabetologe 3 · 2014  | 

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F  Hochtoninnenohrschwerhörigkeit (. Abb. 5),F  Tieftoninnenohrschwerhörigkeit,F  Mitteltoninnenohrschwerhörigkeit,F  pantonale Innenohrschwerhörigkeit (. Abb. 6),F  Taubheit oder an Taubheit grenzende Innenohrschwerhörigkeit.

Diagnose

Die Patienten klagen über eine einseitige – oder selten beidseitige – Hörminderung bis hin zur  Er-taubung. Außerdem klagen manche Patienten zusätzlich über Tinnitus und Schwindel. Bei der Oto-skopie zeigt sich ein unauffälliger Trommelfellbefund (. Abb. 7).

Otoskopisch und mithilfe des Hörtests kann der Hörsturz vom häufigen Cerumen obturans oder einer Schallübertragungsschwerhörigkeit abgegrenzt werden. Beim Stimmgabelversuch nach Weber (Stimmgabel wird auf die Stirn aufgesetzt) wird beim Vorliegen eines Hörsturzes der Ton ins gesunde, kontralaterale Ohr lateralisiert. Der  Stimmgabelversuch nach Rinne bleibt positiv. (Der Ton der Stimmgabel wird vor der Ohrmuschel lauter empfunden als beim Aufsetzen auf das Mastoid.)

Im Audiogramm lässt sich das Ausmaß der Innenohrschwerhörigkeit quantifizieren.

Therapie

Die Therapieoptionen sind teilweise eher empirisch als wissenschaftlich bewiesen. Trotz hoher  Spon-tanremissionsrate v. a. bei leichtgradigem Hörsturz und bis jetzt noch häufig unklaren Ursachen des Hörsturzes wird eine Therapie empfohlen. Folgende Möglichkeiten kommen hier zur Anwen-dung [4]:F  Verabreichen von Rheologika (oral oder Infusionstherapie),F  hochdosierte Glukokortikoidgabe,

Beim Stimmgabelversuch nach We-ber wird der Ton ins gesunde Ohr  lateralisiert

0,125 0,250 0,5 1 2 3 4 6 8 10

Frequenz (kHz)

Weber Rechts Tinnitus LinksSignal

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-10

0

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130Rechtes Ohr Linkes OhrHV 12% (Rö73)

0% (Rö80)HV

59% (Rö73)50% (Rö80)

Hör

pege

l (dB

)

0,125 0,250 0,5 1 2 3 4 6 8 10

Frequenz (kHz)

-10

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Hör

pege

l (dB

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ØØ

Ø

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?

? ?

Abb. 6 8 Linksseitige pantonale Innenohrschwerhörigkeit

244 |  Der Diabetologe 3 · 2014

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F  intratympanale Injektion von Glukokortikoiden (bei hochgradiger Innenohrschwerhörigkeit oder erfolgsloser systemischer Therapie).

Die Therapie erfolgt unter täglicher Blutdruck- und Blutzuckertagesprofilkontrolle. Diagnostik und Therapie des Hörsturzes gelten als  Eilfall, jedoch nicht als Notfall.

Prognose

Der hochgradige Hörsturz hat eine schlechtere Prognose als der leichtgradige Hörsturz. Das gleich-zeitige Auftreten  vestibulärer Symptome verschlechtert die Prognose [4].

Hörsturz und Diabetes mellitus

In der Literatur wird ein erhöhtes Auftreten des Hörsturzes bei Diabetes mellitus beschrieben [5]. Die bekannte Mikroangiopathie bei Diabetes mellitus kann die Theorie einer vaskulären Ursache des Hörsturzes unterstützen. An histologischen Schnitten post mortem entnommener Felsenbeine wurde eine kochleäre Mikroangiopathie bestätigt. Zusätzlich findet sich eine Degeneration der Stria vascularis des Innenohrs (verantwortlich für den Elektrolytausgleich im Innenohr, [6, 10]).

Bei Menschen korreliert der  Plasmaglucosespiegel mit Hörstürzen mit einem Maximum im mittleren Frequenzbereich [7]. Bei Patienten mit Typ-1-Diabetes zeigten sich jedoch keine signifi-kanten Verschlechterungen im Hörtest [8].

Langsam progrediente Innenohrschwerhörigkeit

Presbyakusis

Ab dem Zeitpunkt der Geburt nimmt mit fortschreitendem Alter bei jedem Menschen die Zahl der Hörzellen im Innenohr ab. Ab dem 50. Lebensjahr nennt man diese physiologische Hörminderung Presbyakusis (Altersschwerhörigkeit). Liegt die Hörminderung über der Altersnorm, entspricht dies einer pathologischen Innenohrschwerhörigkeit.

In Metaanalysen [9, 10] wird bei Diabetespatienten ein stärkerer Hörverlust als bei Menschen ohne Diabetes mellitus beschrieben. In einer Metaanalyse [9] wird eine Prävalenz einer Innen-ohrschwerhörigkeit größer als 25 dB von 44–70% der Menschen mit  Typ-2-Diabetes angegeben; diese Häufigkeit sei größer als bei nichtdiabetischen Kontrollpersonen. Bei Typ-2-Diabetes besteht daher eine erhöhte Inzidenz einer zumindest geringen Innenohrschwerhörigkeit, die insbesondere im  Hochfrequenzbereich zwischen 6 und 8 kHz ausgeprägt ist. Wichtige Rollen bei der Ausprägung des Hörverlusts spielen [9]:F  Patientenalter undF  Dauer der Diabeteserkrankung.

Die Therapie erfolgt unter täglicher Blutdruck- und Blutzuckertagespro-filkontrolle

An histologischen Schnitten post mortem entnommener Felsenbeine wurde eine kochleäre Mikroangio-pathie bestätigt

Presbyakusis ist die physiologische Hörminderung ab dem 50. Lebens-jahr

Bei Diabetespatienten wird ein stär-kerer Hörverlust als bei Menschen ohne Diabetes beschrieben

Abb. 7 7 Normaler Trommelfellbe-fund (grau, spiegelnd, intakt, trans-

parent)

245Der Diabetologe 3 · 2014  | 

Page 8: Ohrerkrankungen und Diabetes mellitus; Ear diseases and diabetes mellitus;

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Während als Ursache vieler Hörminderungen v. a. ein Verlust der Sinneszellen im Innenohr (Haar-zellen) angenommen wird, könnte eine Verlängerung der Wellen in der Hirnstammaudiometrie bei Menschen mit Diabetes nach Akinpelu et al. [9] auf eine retrokochleäre Schädigung (Ursache im Hörnerv) hinweisen.

Therapie

Bei stärkerer Innenohrschwerhörigkeit ist die Versorgung mit einem konventionellen  Luftleitungs-hörgerät indiziert. Die Indikation erstellt der HNO-Arzt nach dem Ergebnis des Ton- und Sprach-audiogramms und erteilt anschließend eine Hörgeräteverordnung. In Einzelfällen, bei denen ein Hörgerät aus medizinischen Gründen nicht getragen werden kann, bietet sich auch ein implan-tierbares Hörgerät an. Bei hochgradigen Schwerhörigkeiten oder Ertaubungen, die nicht mehr mit Hörgeräten kompensiert werden können, kann auch die Versorgung mit einem  Cochlea-Implant erfolgen ( Innenohrhörprothese, bei der der Hörnerv direkt stimuliert wird).

Fazit

F  Der Diabetes mellitus spielt für die Entstehung und den Verlauf von otologischen Erkrankungen eine wichtige Rolle. Die interdisziplinäre Behandlung der Patienten ist notwendig.

F  Bei Diabetespatienten mit therapieresistenter Otitis externa und zusätzlichen Hirnnervenaus-fällen muss das Vorliegen einer Schädelbasisosteomyelitis in Betracht gezogen und unbedingt ein HNO-Arzt konsultiert werden.

F  Hörstürze treten häufiger bei Diabetespatienten als in der Normalbevölkerung auf. Da der  nichterkannte Hörsturz u. a. auch juristische Konsequenzen nach sich ziehen kann, sollten bei Angabe einer Hörminderung eine Otoskopie und ein Hörtest durchgeführt werden. Auch lang-sam progrediente Hörminderungen treten häufiger bei Diabetespatienten auf. Bei Kommuni-kationsproblemen und entsprechenden Voraussetzungen in der Ton- und Sprachaudiometrie  wäre hier eine Hörgeräteversorgung zu erwägen.

Korrespondenzadresse

Dr. N. AvetisyanKlinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Plastische Operationen, Krankenhaus Martha-Maria Halle-DölauRöntgenstr. 1, 06120 Halle (Saale)[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  N. Avetisyan und J. Lautermann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Der Beitrag enthält keine Stu-dien an Menschen oder Tieren.

Verlängerte Wellen in der Hirn-stammaudiometrie könnten bei Diabetespatienten auf eine retro-kochleäre Schädigung hinweisen

Die Versorgung mit einem implan-tierbaren Hörgerät bietet sich in Ein-zelfällen an

Literatur

  1.  Neher A, Nagl M, Scholtz AW (2008) Otitis externa. HNO 56:1067–1080

  2.  Sandner A, Henze D, Neumann K, Kösling S (2009) Value of hyperbaric oxygen in the treatment of advan-ced skull base osteomyelitis. Laryn-gorhinootologie 88:641–646

  3.  Tsourdi E, Barthel A, Rietzsch H et al (2013) Current aspects in the pathophysiology and treat-ment of chronic wounds in dia-betes mellitus. J Biomed Res Int. doi:10.1155/2013/385641

  4.  AWMF online, Leitlinien der Dt. Ges. f. Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf-und Hals-Chirurgie, Hörsturz (Akuter idiopathischer sensorineura-ler Hörverlust) 01.06.2010 (in Über-arbeitung), gültig bis 31.12.2013

  5.  Weng SF, Chen YS, Hsu CJ, Tseng FY (2005) Clinical features of sudden sensorineural hearing loss in diabetic patients. Laryngoscope 115:1676–1680

  6.  Fukushima H, Cureoglu S, Schachern PA et al (2006) Effects of type 2 dia-betes mellitus on cochlear structure in humans. Arch Otolaryngol Head Neck Surg 132:934–938

  7.  Lin S-W, Lin Y-S, Wenig S-F, Chou C-W (2012) Risk of developing sudden sensorineural hearing loss in diabetic patients: a population-based cohort study. Otol Neurotol 33:1482–1488

  8.  Klagenberg KF, Zeigelboim BS, Jur-kiewicz AL, Martins-Bassetto J (2007) Vestibulocochlear manifestations in patients with type I diabetes melli-tus. Braz J Otorhinolaryngol 73:353–358

  9.  Akinpelu OV, Mujica-Mota M, Da-niel SJ (2013) Is type 2 diabetes mel-litus associated with alterations in hearing?: A systematic review and meta-analysis. J Laryngoscope. doi:10.1002/lary.24354 (online 14. August)

10.  Horikawa C, Kodama S, Tanaka S et al (2013) Diabetes and risk of hearing impairment in adults: a meta-analy-sis. J Clin Endocrinol Metab 98:51–58

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 ?Ein 30-jähriger Mann hat Ohrenschmer-zen und eine rechtsseitige Hörmin-derung nach dem Badeurlaub. Kein Schwindel, kein Tinnitus. Bei der Otos-kopie zeigen sich eine Schwellung und Rötung des Gehörgangs. Um welche Er-krankung handelt es sich am ehesten?

 Otitis externa  Hörsturz  Otitis externa maligna  Cholesteatom  Cerumen obturans

 ?Eine 80-jährige Frau mit einem schlecht eingestellten Diabetes mellitus wird von einem HNO-Arzt seit 3 Wochen  wegen Otitis externa mit Ohrentrop-fen  behandelt. Seit dem gestrigen Tag ist den Schwestern im Pflegeheim eine Asymmetrie des Gesichts aufgefallen. An was denken Sie am ehesten?

 Otitis externa maligna  Gehörgangkarzinom  Cholesteatom  Bell-Parese  Hörsturz

 ?Welche Aussage zur Otitis externa  maligna trifft zu?

 Die klinische Diagnose genügt.  Sie tritt am häufigsten nach Badeurlaub 

auf.  Daran erkranken etwa 10% der 

 Bevölkerung im Verlauf des Lebens.  Sie sollte lokal antibiotisch behandelt 

 werden.  Der häufigste Erreger ist Pseudomonas

aeruginosa.

 ?Mit welchen Nervenausfällen kann bei Otitis externa maligna (Felsenbeinosteo-myelitis) am ehesten gerechnet werden?

 Nn. occulomotorius, abducens  N. phrenicus  Nn. facialis, vagus, glossopharyngeus  N. suralis  Nn. trigeminus, olfactorius, opticus

 ?Eine 35-jährige Lehrerin klagt über  eine plötzlich aufgetretene einseitige Hör-minderung mit Tinnitus. Bei der HNO-Untersuchung zeigt sich ein unauffäl-liger Trommelfellbefund. Sie finden im Audiogramm eine Tieftoninnenohr-schwerhörigkeit. Welchem Krankheits-bild  entspricht die Symptomatik?

 Hörsturz  Otitis externa  Neuropathia vestibularis  Otitis media mesotympanalis  Cholesteatom

 ?Welche Aussage zum Krankheitsbild  Otitis externa maligna ist richtig?

 Die Diagnosesicherung sollte durch eine Probeentnahme bestätigt werden.

 Eine ausgedehnte Felsenbeinresektion verbessert  die Prognose.

 Die Otitis externa maligna tritt gehäuft bei Patienten mit Cholesteatom auf.

 Die Spontanremissionsrate ist sehr hoch.  Eine langfristige Therapie mit lokalen Anti-

biotika sollte eingeleitet werden.

 ?Der idiopathische Hörsturz …  tritt bei Diabetespatienten und Menschen 

ohne Diabetes gleich häufig auf.  braucht nicht behandelt zu werden.  wird zumeist durch Borrelien ausgelöst.  bleibt in seiner Ursache häufig unklar.  geht meist mit Schmerzen einher.

 ?Langsam progrediente Hörstörungen …  treten bei Diabetespatienten unabhängig 

vom Alter auf.  müssen therapeutisch infundiert werden.  korrelieren kaum mit der Länge der Diabe-

teserkrankung.  werden durch ein Hörgerät versorgt.  treten beim Gesunden erst ab dem 60. Le-

bensjahr auf.

 ?Welche Aussage zur Otitis externa trifft zu?

 Die Otitis externa maligna ist ein Karzi-nom des äußeren Gehörgangs.

 Die Otitis externa maligna ist eine häufige Erkrankung.

 Die unkomplizierte Otitis externa wird sys-temisch mit Antibiotika behandelt.

 Die unkomplizierte Otitis externa wird lo-kal mit Antibiotika behandelt.

 Die hyperbare Sauerstofftherapie ist bei der Otitis externa maligna evidenzbasiert wirksam.

CME-FragebogenBitte beachten Sie:• Teilnahme nur online unter: springermedizin.de/eAkademie • Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt.• Es ist immer nur eine Antwort möglich.

           Für Zeitschriftenabonnenten ist die Teilnahme am e.CME kostenfreiD

springermedizin.de/eAkademie

Page 10: Ohrerkrankungen und Diabetes mellitus; Ear diseases and diabetes mellitus;

CME-Fragebogen

 ?Welche Aussage zum Hörsturz ist richtig?  Typisch ist die einseitige Schallleitungsstö-

rung.  Tritt zusätzlich zur Hörminderung Schwin-

del auf, verschlechtert sich die Prognose.  Eine Glukokortikoidtherapie bei Diabetes-

patienten mit Hörsturz ist streng kontrain-diziert.

 Vom Lokalbefund kann eine Otitis externa maligna wie eine unkomplizierte Entzün-dung des äußeren Gehörgangs imponie-ren.

 Der mittel- bis hochgradige Hörsturz wird wegen der hohen Spontanremissionsrate nicht sofort therapiert.

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