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276 Ernst, Osmose und Quellung und ihre biologische Bedeutung [ Kolloid- ]_Zeitschrift Aus dem Institut far medizinische Physik tier Universitdt Pdcs, Ungarn. Osmose und Quellung und ihre biologische Bedeutung. VolrJ ]~. ~,rElSt~ P~CS. (Eingegangen am 22. April 1939) ,,Im Prinzip kSnnte man den osmotischen Druck innerhalb einer viJllig starren Zelle auch rein manometrisch messen"; diese Behauptung Euckens il) kann als die letzte Konsequenz der van't Hoff'schen Lehre vonder Osmose be- trachtet werden. Das Bestreben, die LSsungen gleich den Gasen einer exakten Behandlung zu unterziehen, land eine ausgezeichnete Unter- st~itzung in Pfeffers Megergebnissen bezfiglich osrnotischer Drucke, deren Zahlenwerte van't Hoff als mit jenen Druckwerten identisch er- kannte, welche durch den gelSsten Stoff im Gas- zustande -- im selben Volurnen -- ausgetibt worden w/iren. Diese t(onzeption ftihrte dann einerseits zu dem bekannten grogartigen Auf- schwung in der Bearbeitung tier LSsungen, setzte aber anderseits der weiteren Erkenntnis Schran- ken, die sich heute noch teilweise als sehr wirk- sam zeigen. Denn diese Auffassung stellte die gelSste Substanz in den Vordergrund, w~ihrend das Lbsungsrnittel -- infolge der Analogie rnit den Gasen -- als leerer Raurn behandelt wurde. Nichtsdestoweniger verbreitete sich die Erkennt- nis in imrner weiteren Kreisen, dab tier osrnotische Druck nicht durch die Kinetik des gelSsten Stoffes, welcher die Membran nicht passiert, be- dingt wird, sondern irn Gegenteil dutch das frei permeierende LSsungsrnittel. Lieg man dernent- sprechend die Gasdruck-Analogie der Osmose fallen, dann mulgte auch der osrnotische Druck seine zentrale Stellung unter den tibrigen Er- scheinungen der L6sungen einbfil3en; so bedeutet die Bemerkung in Lewis-Randall's Thermo- dynamik (2): ..... tier osmotische Druck stellt keine Erscheinung yon prirn/irer Bedeutung vor..." meines Erachtens die endgfiltige Ab- wendung yon fibertriebenen Behauptungen. I. Die Betrachtung, welche die klassische Theorie tier Osmose zurtickzudrfingen berufen war, fand durch Findlay (3) einen treffenden Ausdruck: ,,Ganz allgemein ausgedrfickt, liegt die Ursache tier Osmose in der Differenz zwischen tier freien Energie oc!er Aktivit~it des reinen und der freien Energie des in der LSsung befindlichen LSsungsrnittels". Dies bedeutet natfirlich ein LoslSsen yon dem Standpunkt, welcher den os- motischen Druck nur als durch die Wfirmebe- wegung cler gelSsten Molekfile bedingt anzusehen verrnochte; es mug jedoch auch darauf hinge- wiesen werden, dab das Loswerden yon der ,,kinetischen Theorie der Osmose" auf Grund yon Ostwald's Arbeiten (4) seit 1911 ebenfalls erreicht werden konnte. Wo. Ostwald war n/irnlich rneines Wissens der erste, der ,,die enge Verwandschaft zwischen Solosrnose und Gel- quellung" erkannte, und eben auf Orund dieser Betrachtung lfigt es sich sehr anschaulich zeigen, dab die Osrnose in der klassischen Theorie fiber- haupt nicht entsprechend behandelt wurde. Denn wird ein quellf/ihiger KSrper rnit einer grob durch- 15cherten Platte von der Quellungsfl~issigkeit ,,getrennt" -- wie z. B. in Reinke's Versuchen --, so ~bt die eindringende Queltflfissigkeit einen Druck, den Quellungsdruck aus. Die engste Verwandschaft dieser Erscheinung rnit der Os- rnose bedarf keiner nfiheren Beschreibung, umso- weniger, da ja der Druck in beiden Ffillen durch dieselbe Funktion der Darnpfdruck- verrninderungder Flfissigkeit dargestellt wird. Eine kinetische Deutung des Druckes -- bezogen ant den quellenden KSrper -- wfire aber ein Unsinn, da einerseits die Gastheorie ffr den festen K6rper und die durchl6cherte Platte na- tfirlich versagt, anderseits ein groger Druck aus- gefibt wird, wenn z. B. 10 g feste Substanz rnit 1 ccrn Flfissigkeit quillt, so dab die Betrachtung des leeren Raurnes hier ebenfalls nicht in Frage komrnen kann. Das wichtige Moment im Zustandekornrnen des Druckes ist vielrnehr der Urnstand, dab yon den beiden Stoffen der eine, der quellende K5r- per, verhindert ist, sich gleichm~iNg zu verteilen, wfihrend der andere, die Quellflfissigkeit Irei wandert. Es ist nun bekannt, dab die Quell- flfissigkeit der freien gegentiber eine Dampf- druckerniedrigung erf~ihrt; diese Darnpfdruck- erniedrigung nirnrnt die zentrale Stelle in dern ganzen Erscheinungskornplex ein; durch ihren Zahlenwert werden die einzelnen Teilerschei- nungen der Quellung quantitativ bestirnmt, unter diesen auch der Quellungsdruck, welcher also keine ffihrende Rolle irn Erscheinungskornplex spielt. Eine gewisse Sonderstellung besitzt je- doch der Druck; wfihrend n~irnlich die fibrigen Erscheinungen der Quellung ohne jeden beson- deren technischen Eingriff auftreten, ist ein Druck nur in dern Falle zu beobachten, wenn die Quellung rnit einer gewissen Kraft verhindert wird. Durch diesen Widerstand wird der Quel- lungsvorgang dazu gebracht, urn rnechanischq

Osmose und Quellung und ihre biologische Bedeutung

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Page 1: Osmose und Quellung und ihre biologische Bedeutung

276 Ernst, Osmose und Quellung und ihre biologische Bedeutung [ Kolloid- ]_Zeitschrift

Aus dem Institut far medizinische Physik tier Universitdt Pdcs, Ungarn.

Osmose und Quellung und ihre biologische Bedeutung. VolrJ ]~. ~,rElSt~ P~CS. (E ingegangen am 22. April 1939)

,,Im Prinzip kSnnte man den osmotischen Druck innerhalb einer viJllig starren Zelle auch rein manometrisch messen"; diese Behauptung E u c k e n s il) kann als die letzte Konsequenz der v a n ' t Hoff 'schen Lehre v o n d e r Osmose be- trachtet werden. Das Bestreben, die LSsungen gleich den Gasen einer exakten Behandlung zu unterziehen, land eine ausgezeichnete Unter- st~itzung in P f e f f e r s Megergebnissen bezfiglich osrnotischer Drucke, deren Zahlenwerte v a n ' t Hof f als mit jenen Druckwerten identisch er- kannte, welche durch den gelSsten Stoff im Gas- zustande - - im selben Volurnen - - ausgetibt worden w/iren. Diese t(onzeption ftihrte dann einerseits zu dem bekannten grogartigen Auf- schwung in der Bearbeitung tier LSsungen, setzte aber anderseits der weiteren Erkenntnis Schran- ken, die sich heute noch teilweise als sehr wirk- sam zeigen. Denn diese Auffassung stellte die gelSste Substanz in den Vordergrund, w~ihrend das Lbsungsrnittel - - infolge der Analogie rnit den Gasen - - als leerer Raurn behandelt wurde. Nichtsdestoweniger verbreitete sich die Erkennt- nis in imrner weiteren Kreisen, dab tier osrnotische Druck nicht durch die Kinetik des gelSsten Stoffes, welcher die Membran nicht passiert, be- dingt wird, sondern irn Gegenteil dutch das frei permeierende LSsungsrnittel. Lieg man dernent- sprechend die Gasdruck-Analogie der Osmose fallen, dann mulgte auch der osrnotische Druck seine zentrale Stellung unter den tibrigen Er- scheinungen der L6sungen einbfil3en; so bedeutet die Bemerkung in L e w i s - R a n d a l l ' s Thermo- dynamik (2): . . . . . tier osmotische Druck stellt keine Erscheinung yon prirn/irer Bedeutung v o r . . . " meines Erachtens die endgfiltige Ab- wendung yon fibertriebenen Behauptungen.

I. Die Betrachtung, welche die klassische Theorie tier Osmose zurtickzudrfingen berufen war, fand durch F i n d l a y (3) einen treffenden Ausdruck: ,,Ganz allgemein ausgedrfickt, liegt die Ursache tier Osmose in der Differenz zwischen tier freien Energie oc!er Aktivit~it des reinen und der freien Energie des in der LSsung befindlichen LSsungsrnittels". Dies bedeutet natfirlich ein LoslSsen yon dem Standpunkt, welcher den os- motischen Druck nur als durch die Wfirmebe- wegung cler gelSsten Molekfile bedingt anzusehen verrnochte; es mug jedoch auch darauf hinge- wiesen werden, dab das Loswerden yon der

,,kinetischen Theorie der Osmose" auf Grund yon Ostwald ' s Arbeiten (4) seit 1911 ebenfalls erreicht werden konnte. Wo. Os twa ld war n/irnlich rneines Wissens der erste, der ,,die enge Verwandschaft zwischen Solosrnose und Gel- quellung" erkannte, und eben auf Orund dieser Betrachtung lfigt es sich sehr anschaulich zeigen, dab die Osrnose in der klassischen Theorie fiber- haupt nicht entsprechend behandelt wurde. Denn wird ein quellf/ihiger KSrper rnit einer grob durch- 15cherten Platte von der Quellungsfl~issigkeit ,,getrennt" - - wie z. B. in Reinke ' s Versuchen -- , so ~bt die eindringende Queltflfissigkeit einen Druck, den Quellungsdruck aus. Die engste Verwandschaft dieser Erscheinung rnit der Os- rnose bedarf keiner nfiheren Beschreibung, umso- weniger, da ja der D ru ck in be iden Ffil len d u rch d i e se lbe F u n k t i o n der D a r n p f d r u c k - v e r r n i n d e r u n g d e r F l f i s s igke i t d a r g e s t e l l t wird. Eine kinetische Deutung des Druckes - - bezogen ant den quellenden KSrper - - wfire aber ein Unsinn, da einerseits die Gastheorie f f r den festen K6rper und die durchl6cherte Platte na- tfirlich versagt, anderseits ein groger Druck aus- gefibt wird, wenn z. B. 10 g feste Substanz rnit 1 ccrn Flfissigkeit quillt, so dab die Betrachtung des leeren Raurnes hier ebenfalls nicht in Frage komrnen kann.

Das wichtige Moment im Zustandekornrnen des Druckes ist vielrnehr der Urnstand, dab yon den beiden Stoffen der eine, der quellende K5r- per, verhindert ist, sich gleichm~iNg zu verteilen, wfihrend der andere, die Quellflfissigkeit Irei wandert. Es ist nun bekannt, dab die Quell- flfissigkeit der freien gegentiber eine Dampf- druckerniedrigung erf~ihrt; diese Darnpfdruck- erniedrigung nirnrnt die zentrale Stelle in dern ganzen Erscheinungskornplex ein; durch ihren Zahlenwert werden die einzelnen Teilerschei- nungen der Quellung quantitativ bestirnmt, unter diesen auch der Quellungsdruck, welcher also keine ffihrende Rolle irn Erscheinungskornplex spielt. Eine gewisse Sonderstellung besitzt je- doch der Druck; wfihrend n~irnlich die fibrigen Erscheinungen der Quellung ohne jeden beson- deren technischen Eingriff auftreten, ist ein Druck nur in dern Falle zu beobachten, wenn die Quellung rnit einer gewissen Kraft verhindert wird. Durch diesen Widerstand wird der Quel- lungsvorgang dazu gebracht, urn rnechanischq

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Band 87 "] ErnSt, Osmose und Quellung und ihre biologische Bedeutung 277 Heft 3 (1939)J

Wirkung - - den Quellnngsdruck - - auszufiben und auch Arbeit zu leisten (wenn tier Widerstand bewegt wird). Dieser Umstand bildet aber einen ganz allgemeinen Zug jedes Vorganges, da zum Arbeitsgewinn immer gewisse Systembedingun- gen vorhanden sein massen, jeder Prozeg kann nur in einer adfiquaten Struktur Arbeit leisten. (So ist z. B. der Kalorienwert von Brennstoffen ohne Zweifel das Wesentliche - - die ,,Ursache" - - bei Bet~itigung der Maschinen, die W~rme des verbrennenden Benzins kann jedoch bekanntlich z. B. nut mittels tier Kolbenstruktur des Auto- mobils eine Arbeit leisten.) Wir fassen also die Quellung in der Weise auf, dab die Energiequelle des Vorganges dutch die Dampfdruckdifferenz zwischen der freien und tier Quellflfissigkeit ge- liefert wird, wfihrend die Systembedingungen tier mechanischen Leistung darin bestehen, dab nut die Quellflfissigkeit sich frei bewegen kann, der quellende K~rper hingegen unf~ihig ist, sich gleich- mfil3ig zu verteilen.

Auf Grund dieser Betrachtung lfigt sich auch die Osmose leicht formulieren; zu diesem Zwecke wollen wir von folgendem Beispiel ausgehen: es sei eine Alkohol--Wasser-L6sung gegeben, welche 72 Gew.-Proz. Alkohol enthfilt; der Mol-Bruch ffir beide Komponenten betr/igt 0,5. Wollte man die Erscheinung der Osmose an diesem System im Sinne tier klassischen Theorie beschreiben, so kiJnnte man nicht einmal den ersten Schritt machen, da es ja keinen Sinn hat, bier einen Unterschied zwischen geRistem Stoff bzw. L6- sungsmittel zu machen, oder den einen Stoff als Gas, den anderen als leeren Raum zu betrach- ten. Aber abgesehen yon allen derartigen Ge- sichtspunkten ki3nnte sich jedenfalls ffir den os- motischen Druck nur ein einziger Wert ergeben, da die Konzentration ffir beide Stoffe die gleiche ist. Dem ist aber nicht so!

In Anbetracht dessert, dab die Entdeckung der Osmose durch No l l e t gerade am Alkohol-- Wasser-System gemacht wurde, erscheint es vielleicht als gerechtfertigt, die Erscheinung an diesem Beispiel zu analysieren. Wird nun eine solche LiJsung einem osmotischen Versuch unter- worfen, so kbnnen sich vier verschiedene Werte ffir den osmotischen Druck ergeben, entsprechend den folgenden vier M6glichkeiten. 1. Die Mem- bran ist ffir Wasser semipermeabel, und a) be- finder sich augerhalb des Osmometers reines Wasser, so diffundiert es hinein zur LiJsung; b) wird das Osmometer in reinen Alkohol getaucht, so wandert das Wasser yon innen nach augen. 2. Die Membran ist f~ir Alkohol semipermeabel, und c) taucht die osmotische Zelle in Wasser,

so kommt Alkohol von innen nach augen; d) befindet sich aber augen Alkohol, so wandert er nach innen.

An tier Hand dieses Beispiels ist es also ein Leichtes einzusehen, dag in der allgemeinen Be- schreibung tier Osmose die klassische Theorie versagt, w/ihrend die Erscheinung in folgender Form vollkommen erfal3t werden kann. Bei Mischung ~ndert sich die Aktivitfit der Kompo- nenten ; diese gnderung ist die ,,Ursache" der Erz scheinungen, unter denselben auch der osmo- tischen Fl0ssigkeitswanderung mit Drucklei- stung, wfihrend die maschinellen Systembedin- gungen der letzteren dadurch geliefert werden, dab die eine yon den Komponenten durch die semipermeable Wand an der gleichm/il3igen Ver- teilung verhindert ist, gegenfiber tier anderen, welche frei permeiert. Wir u n t e r s c h e i d e n d a h e r u n t e r den K o m p o n e n t e n des Sy- s t ems die f re i p e r m e i e r e n d e y o n der n i ch t p e r m e i e r e n d e n (anstatt yore LiJsungs- mittel bzw. geli3stem Stoff zu sprechen) und s c h r e i b e n die z e n t r a l e S te l l e der D a m p f - d r u c k d i f f e r e n z d e r f r e i b e w e g l i c h e n K o m - p o n e n t e zu.

II. Es k/Jnnte nun mit v a n ' t Hof f bemerkt werden, dab eine Debatte fiber die Ursache der Osmose fruchtlos sei, und datum dfirften auch obige Ausfahrungen als ziemlich 0berflflssig er- scheinen, um so eher, da die Beschreibung der Os- mose mittels der Dampfdruckverminderung des Ltisungsmittels yon Anfang an zur vollen Gfiltig- keit gelangte neben derjenigen mittels tier Kine- tik des Gel~sten. Es wurden also die beiden Be- schreibungsarten schon seit langer Zeit als gleich- berechtigt anerkannt, und es geht auch aus der Literatur der letzten Jahre klar hervor (5--13), wie fief eingewurzelt die Betrachtung ist, welehe die Osmose mit dem gas~ihnlichen Verhalten des gelbsten Stoffes erklfiren will. Wir haben nun oben versucht an einem Beispiel zu zeigen, dab die klassische Theorie - - , die Beschreibungs- weise mittels tier Gasanalogie-- versagt.

Es ergibt sich nun die Frage, ob eine Ent- scheidung zwischen den beiden Auffassungen ex- perimentell erbracht werden kann? Wir wollen folgendes Experiment ~berlegen: innerhalb und augerhalb einer semipermeablen Zelle befindet sich die gleiche L6sung (yon derselben Konzen- tration) im Gleichgewicht; nun soll eine konstante Temperaturdifferenz zwischen den beiden Seiten der Membran gesetzt werden, z. B. so, dab die inhere Ltisung fortdauernd gek~ihlt, die ~iugere hingegen fortdauernd gew~rmt wird. Was for eine Wirkung ist yon dieser konstanten Tern-

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278 Ernst, Osmose und Quellung und ihre biologische Bedeutung F Kolloid- lZeitschrift

peraturdifferenz, welche also zwischen den gleich- konzentrierten L~isungen innerhalb bzw. aul3er- halb der Membran besteht, zu erwarten? 1. Im Sinne der klassischen Theorie sollte tier ,,Gas- druck" des geltisten Stoffes an tier wfirmeren SeRe griJger sein, somit h/itten wir eine Fltissig- keitswanderung vonder k~ilteren Seite nach der w~irmeren - - yon der Stelle geringeren osmoti- schen Drucks nach der des griJgeren - - zu er- warren. 2. Im Sinne der Auffassung, laut welcher die Dampfdruckdifferenz tier frei permeierenden Komponente der ausschlaggebende Faktor ist, haben wit eine Fltissigkeitsbewegung entgegen- gesetzter Richtung zu erwarten, und zwar von der w~irmeren Seite zu der k~ilteren, da ja der Dampfdruck in der ersteren grtiger ist, und so die Flfissigkeit von dieser Seite nach derjenigen niedrigeren Dampfdrucks hinfibergehen mug.

Die Versuche, welche diesbezfiglich ausge- ffihrt wurden (13), lieferten Ergebnisse, die der neueren Auffassung entsprechen. Bei diesen Ver- suchen spielt die Art tier Membran eine hervor- ragende Rolle, und zwar haupts~ichlich von dem Gesichtspunkt aus, ob sie aus einer zusammen- h~ingenden Schicht (z. B. Lipoid, EiweilS) be- steht, oder aber eine sogenannte Niederschlags- membran darstellt; die ausffihrliche Besprechung dieser Frage gehi3rt jedoch nicht in den Rahmen vorliegender Mitteilung. Hier sei nur die Tat- sache hervorgehoben, dag die experimentelle Prfifung tier Theorien tier Osmose zu dem Re- sultat ffihrte, dab yon zwei g l e i chkonzen - t r i e r t e n Lt i sungen die w~rmere an die k~iltere F l t i s s igke i t abgeben kann , wo- durch s i e k o n z e n t r i e r t e r , d i e k f i l t e r e h i n - gegen v e r d f i n n t e r wird.

Dieser neue experimentelle Befund steht zwar in schroffem Gegensatz zu dem, was man auf firund der klassischen Theorie erwartet h/itte, es dfirfte jedoch nicht unerw~ihnt bleiben, dag der fiedanke, die - - infotge des Ltisungsvorganges eingetretene - - Dampfdruckerniedrigung durch Temperatursteigerung zu kompensieren, schon vor langer Zeit auftauchte, ohne jedoch meines Wissens zu einem tats~ichlichen Ergebnis geffihrt zu haben (14, 15).

III. Auf Grund obiger Uberlegungen und Ver- suchsergebnisse miJchten wir also als begrtindet ansehen, dag ffir die Beschreibung der Osmose die ,,kinetische" Theorie verlassen und die neuere Auffassung in der obigen Formulierung angenom- men wird. Wenn nun der Kfirze halber vonder Dampfdrucktheorie der Osmose gesprochen und die kinetische Theorie derselben zurtickgewiesen wird, so will dies natfirlich keine Stellungsnahme

etwa in der Frage der kinetischen Theorie der Materie bedeuten, wie es scheinbar yon einigen Seiten migverstanden wurde. Unser Einwand be- trifft also nur die Anschauung, welche den ge- 16sten Stoff als ein Gas und das L6sungsmittel als den leeren Raum ftirs Gas betrachtet. Wie stark aber der Geist der Forscher durch diese Betrachtung ergriffen wurde, erhellt daraus, daft v a n ' t Hoff , der tibrigens rich yon seiner gltin- zenden Idee nicht irreftihren liel~, mittels der- selben das Ludwig-Sore t ' sche Phtinomen er- kltiren wollte. Die Richtigkeif des Zusammen-

hanges T1 C2 T~ C1 wtirde tatstichlich darauf hin-

weisen, dab der geltiste Stoff sich im Li~sungs- mittel verteilt, wie wenn das letztere nur den leeren Raum for die gasartige Bewegung des Ge- Itisten abgeben wtirde. Die Literatur dieser Frage zeugt aber gar nicht ftir die Gesetzlichkeit einer derartigen Verteilung, wie es aus den Arbeiten yon Were ide (16) und yon Ch ipman (17) be- sonders klar hervorgeht*); es l~ifit rich somit gar nicht dartiber sprechen, dal~ durch das Lud- wig-Soret 'sche Ph~inomen eine experimentelle Sttitze ftir die Gasanalogie des Gelt~sten geliefert worden wtire.

Wir wollen anderseits nur diese Analogie negieren, d. h. wir verwerfen nut die u n m i t t e l - bare Bedingtheit der Osmose durch die gas- artige Bewegung der gel~sten Teilchen, nehmen aber hier yon einer Theorie der Lbsungen oder einem Erkltirungsversuch, wie die Dampfdruck- /inderung tier L/Jsungskomponenten zustande kommt, Abstand. So besch~ftigen wir uns hier weder mit den Ausffihrungen Fr e d e n h a g e n's (5), noch betrifft unsere Stellungnahme z.B. die Ar- beit yon Meyer und L t i h d e m a n n (18), in welcher far die Erkl/irung der Dampfdruck- erniedrigung die Kinetik des fieltisten in Anspruch genommen wird. Von uns wird nur die Auffas- sung betont, dag zur Erkl~irung der osmotischen Fltissigkeitsbewegung jede besondere Hypothese tiberfltissig ist, da sie allein in der Tatsache der Dampfdruckabnahme der frei permeierenden Komponente eine vtillige, quantitativ fagbare Erkl~irung finder.

Aus diesem fiesichtspunkt wfiren ausffihr- Iiche Ergebnisse osmotischer Versuche mit jenen Systemen sehr interessant, die yon Ullm an n (19) bzw. yon BakJer (20) beschrieben wurden und in welchen der Dampfdruck des L~sungsmittels eine Z u n a h m e aufwies.

*) Vgl. die Ergebnisse des modernen ,,Trennrohr"- Verfahrens.

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Band 87 -] Ernst, Osrnose und Quellung und ih re biologisehe B e d e u t u n g 279 Heft 3 (1939)_I

IV. Die ni~tige strukturelle (maschinelle) Ein- richtung der Osmose wird - - laut den obigen - - darin erblickt, dab ein fl/issiges System in 2 Bezirke geteilt wird, und zwar mittels ether Wand, welche f/ir die einzelnen Komponenten des Systems ver- schiedene Permeabilit~it aufweist; die energe- tische Grundlage der Erscheinung wird durch die Aktivit~itsdifferenz geliefert, welche die perme- ierende Komponente aulSerhalb bzw. innerhalb der Wand besitzt. Somit ist die Beschreibung der ganzen Erscheinungsgruppe auf die experimen- tell melSbaren Werte der Aktivitliten zur/ick- gef/ihrt, und wir wollen im folgenden einige Ge- sichtspunkte kurz erw~ihnen, die den Vorteil dieser Formulierung demonstrieren sollen.

1, Es d/irfte der didaktische Gesichtspunkt erw/ihnt werden, dab es kaum je jemandem ge- lungen ist, der H~irerschaft greifbar zu erkl/iren, wie die osmotische F1/issigkeitswanderung durch die Kinetik der geli~sten Molekfile unmittetbar hervorgerufen werden kann, geschweige denn, wie darln die Quellung motiviert sein k~nnte? Aber auch desseriungeachtet, nachdem die Fl/is- sigkeitswanderung mit der Kinetik des Gel~sten erkl~irt wurde, muBte man doch die Dampfdruck- grtilSe des Ltisungsmittels in Anwendung bringerl, um die Siedepunktserhtihung bzw. Gefrierpunkts- erniedrigung erkl~iren und mathematisch formu- lieren zu k~innen. Es machte sich somit auch eine Zwiespaltigkeit in der Erkl~irung der verschie- denen Teilerscheinungen der Ltisungen ffihlbar; demgegenfiber werden in der neueren Fassung nut die Werte der Dampfdruck~inderungen be- n~itigt, um den Druck, die Gefrierpunksernied- rigung und Siedepunktserhtihung einheitlich er- kl~iren und quantitativ angeben zu k/~nnen, wie dies an anderer Stelle gezeigt wurde (13).

2. F/it die Richtigkeit der Ostwald'schen Betrachtung, niimlich der vereinigfen Behand- lung yon Osmose und Quellung - - beide sind haupts/ichlich biologische Erscheinungen! - - soll als Beispiel das Verhalten der Lebewesen gegen niedrige Temperatur angef/ihrt werden. Wtirden die leberlden Gewebe bloB eine w/isserige Ltisung yon Kristalloiden darstellen, so m/iBten sie bet tieferen Temperaturen zugrundegehen; denn bet fortschreitender Abkfihlung unter 0 ~ C w/irde mehr und mehr Wasser ausfrieren, und z.B. auch die konzentrierteste NaCI-L~sung w/irde unter ~ 2 2 ~ alles Wasser dem Aus- frieren/iberlassen. Die quellenden Systeme zeigen nun zwar, solange sie einen hohen Wassergehalt besitzen, zu den L~isungen ~ihnliche Verh/iltnisse, enthalten sie aber nur noch wenig Wasser (50 Proz. und weniger), so wird dieses mit ether

gewaltig zunehmenden Kraft zur/ickgehalten, so dab es kaum noch eine Entweichungstendenz auf- weist. Dadurch also, dab die lebenden fiewebe neben Ltisurlgswasser auch Quellungswasser ent- halten, sirld sie gegen K~ilte viel ausgiebiger ge- sch/itzt [vgl. Ernst urld Fr icker (21)].

3. Es wurde oben unserer Versuche Er- w~ihnung getan, nach welchen L~isungsmittel yon der w~irmeren Ltisurlg an die k~iltere gleich- konzentrierte abgegeben werden kann, indem die erstere konzentrierter und die k/iltere verdfinnter wird. Die groBe biologische Bedeutung dieses Versuchsergebnisses kann nut ermessen werden, wenn man die un/ibersehbare Literatur einiger- maBen kennt, welche sich mit dem Problem be- sch~iftigt, wie die lebenden Systeme f/ihig sind, Flfissigkeit dem Konzentrations- oder Druck- get,tile entgegerl zu mobilisieren. Durch unsere Versuchsresultate wird nun eine plausible Er- kl~irungsmtiglichkeit dieser Frage geliefert, laut welcher die Lebewesen sich dieses osmotischen Mechanismus bedienen, indem sie auf Kosterl ihrer W~irmebildung die Arbeit tier Fl/issigkeits- mobilisation verrichten.

Diese Annahme konnte bisher nat/irlich nicht ~als Erkl&irung dienen, da man einerseits diesen osmotischen Mechanismus nicht kannte, ja auf Grund der herrschenden Auffassung das ent- gegengesetzte glaubte, dab n/imlich die Fl/issig- keitswanderung von der k~ilteren Seite nach tier w/irmeren erfolgt [vgl. z. B. M/inch (22)]. Anderseits galt es und gilt es auch heute noch in der Biologie als ein Axiom, dab die W~irme irn Organismus keine Erlergiequelle representiert, da ja der lebende Organismus im groBen und ganzen als ein isothermes System angesehen wird, in dem die W/irme infolge Mangel an einem Gef~ille kettle Arbeit leisten kann. Aus den oben referierten Versuchen ergab es sich abet, dab eine mirlimale Temperaturdifferenz (zehntel Grade) zwischen den Ltisungerl auBerhalb bzw. innerhalb der Mere- bran bereits gen/igt, damit der bisher unbekannte osmotische Mechanismus in Aktion trete; dab nun eine derartig kleine Temperaturdifferenz zwischen den Zellen oder zwischen den verschie- denen T~itigkeitsorten eirler Zelle vorkommt, kann ruhig als Tatsache arlgesehen werderl, es ist ja bekannt, dab jede T/itigkeit mit Steigerung des Stoffwechsels einhergeht. Es liegt eberlfalls auf der Hand, anzunehmen, dab die Zellen, oder die verschiedenen T~itigkeitsorte ether Zelle, mit mehr oder mirlder semipermeablen Membranen voneinander getrennt sind; man ki3nnte weiterhin als histologisches Anzeichen der osmotischen T[itigkeit die Vakuolen ansehen, d~ in den fl/is-

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280' Ernst, Osmose und Quellung u n d i h r e biologische Redeutung F Kolloid~ k Z e i t s c h r l f t

sigkeitsmobilisierenden Zellen in der Zeit der Tfitigkeit erscheinen. W~ihrend also die erwfihnte Flfissigkeitsmobilisation in der Biologie bisher unverstfindlich dastand, dfirften unsere Versuchs- resultate eine experirnentell begrfindete einfache Erkl/irungsm~Jgtichkeit liefern.

4. Zuletzt mSge noch eine Frage kurz ge- streift werden. Abgesehen davon, dab in unserer Forrnulierung der ganze Erscheinungskornplex einfach und einheitlich beschrieben wird, ist es yon weiterer Bedeutung, dab wir die semiperme- able Wand und den durch sie bedingten Zwang, welcher auf die nicht permeierende Komponente (auf das ,,GelSste") ausgefibt wird, als eine Sy- stembedingung, als einen Teil der maschinellen Struktur auffassen. Es ist n~imlich bekannt, dab im Sinne des II. Hauptsatzes der Therrnodynamik die ungeordnete Wfirmebewegung der Molekfile eines K6rpers sich - - ohne/iuBere Einwirkung - - zu einer geordneten Bewegung nicht urnwandeln kann; anderseits hat H e l r n h o l t z (23) ganz aus- dr~icklich betont, dab diese Umwandlung in biologischen Systemen wohl vorkornmen kann. Betrachten wit nun die osrnotische Fl~ssigkeits- wanderung, so ist die Auffassung naheliegend, dab es durch die Systernbedingungen der semi- permeablen Wand bzw. des durch sie auf das Gelbste ausgefibten Zwanges erreicht wird, dab aus bloBer ungeordneter W/irrnebewegung der LSsungsmittelrnolekfile dasselbe Resultat sich ergibt, als wenn ein grSBerer Teil der Molek/ile geordnete Bewegung aufgenornmen h~itte, ]ener Tell nfimlich, welcher auf die andere Seite fiber- ging. Dieses Resultat als Wirkung der Systern- bedingungen kSnnte also mit dem Ergebnis der Tfitigkeit yon Maxwel l ' s D~imon verglichen werden. Die weitere Ausffihrung dieses Punktes mSchten wir jedoch - - ~hnlich den abrigen bier nut kurz angedeuteten Fragen - - auf die Zukunft verschieben.

Z u s a m r n e n f a s s u n g . Es wurde Osrnose und Quellung einheitlich

und einfach beschrieben und an einigen Bei- spielen der Vorteil dieser neuen Formulierung zu zeigen versucht.

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Aus dem Laboratorium for physikalische Chemie des chem. Univ.-Institutes Klausenburg (Clu]), Rumdnien.

Paraehor, Desorptionsisotherme und Molekularradius. V o n F l f i o r R~dulescfi, K1ausenburg. 1) ( E i n g e g a n g e n a m 29, M ~ r z 1939)

I. B e z i e h u n g e n z w i s c h e n dem P a r a c h o r und der D e s o r p t i o n s i s o t h e r r n e .

Bekanntlich dfirfte die Molekularrefraktion M n 2 - 1

] ~ M ~ - - D n 2 + 2

dem wahren Volurnen ~ der kugelfSrmig ge-

l) Deutsch bearbeitet von W.Mischke (Leipzig).

dachten Molekfile entsprechen. Die Art der Ab- leitung und vor allem die Anwendung der Forrnel far kurze Wellenlfingen ist theoretisch bean- stander worden, und nicht rnit Unrecht. Urn so bernerkenswerter ist aber, dab in vielen F/illen der aus # errechnete Molekularradius nach der Gleichung ~/i RM

= t' 4 , ~ N (1)