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Europa-Universität Viadrina Frankfurt(Oder) Zeitung der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) Nr. 31 August 2001 [ UNI on ] FOTO: PATRICK PLEUL [ Nationalpreis] Der diesjährige National- preis wurde in einer festli- che Veranstaltung der Deutschen Nationalstiftung an der Viadrina an Mazo- wiecki und Rovan verlie- hen. Seite 3 [ Hoher Besuch ] Besuch von Polens Mini- sterpräsident Jerzy Buzek und Bundeskanzler Gerhard Schröder am 18. Juni in Frankfurt (Oder) – zehn Jahre nach dem Deutsch- Polnischen Nachbarschafts- vertrag. Seite 2 [ Diskussionen] Zahlreiche Veranstaltungen im Sommersemester befass- ten sich mit Chancen und Ri- siken der EU-Osterweiterung. Seiten 15/16 [ Sie lebe hoch!] Ein Feuerwerk über dem Hauptge- bäude läutete den 10. Geburtstag der Viadrina ein. Mit einem großen Festprogramm aus Tagungen, Geschichtsvorträ- gen, Kolloquien, Treffen, Unter- haltung und einer Festveranstal- tung wurde der erste runde Geburtstag grenzüberschreitend begangen. Immer dabei: warnen- de Worte, die innovative Uni- gründung nicht kaputt zu sparen. [ Preis an Grass] Den Viadrina-Preis 2001 erhielt Literaturnobelpreis- träger Günter Grass und machte einen ungewöhnli- chen Vorschlag – ein Muse- um für Beutekunst über der Oder. Seiten 4 und 5

OTO F Schröder am 18. Juni in · 2019. 4. 15. · Buzek und Bundeskanzler Gerhard Schröder am 18. Juni in Frankfurt (Oder) – zehn Jahre nach dem Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrag

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E u r o p a - U n i v e r s i t ä t V i a d r i n a F r a n k f u r t ( O d e r )

Zeitung derEuropa-Universität ViadrinaFrankfurt (Oder)

Nr. 31August 2001

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[Nationalpreis]Der diesjährige National-preis wurde in einer festli-che Veranstaltung derDeutschen Nationalstiftungan der Viadrina an Mazo-wiecki und Rovan verlie-hen. Seite 3

[Hoher Besuch ]Besuch von Polens Mini-sterpräsident Jerzy Buzekund Bundeskanzler GerhardSchröder am 18. Juni inFrankfurt (Oder) – zehnJahre nach dem Deutsch-Polnischen Nachbarschafts-vertrag. Seite 2

[Diskussionen]Zahlreiche Veranstaltungenim Sommersemester befass-ten sich mit Chancen und Ri-siken der EU-Osterweiterung.

Seiten 15/16

[Sie lebe hoch!]Ein Feuerwerk über dem Hauptge-bäude läutete den 10. Geburtstagder Viadrina ein. Mit einem großen Festprogrammaus Tagungen, Geschichtsvorträ-gen, Kolloquien, Treffen, Unter-haltung und einer Festveranstal-tung wurde der erste rundeGeburtstag grenzüberschreitendbegangen. Immer dabei: warnen-de Worte, die innovative Uni-gründung nicht kaputt zu sparen.

[Preis an Grass]Den Viadrina-Preis 2001erhielt Literaturnobelpreis-träger Günter Grass undmachte einen ungewöhnli-chen Vorschlag – ein Muse-um für Beutekunst über derOder. Seiten 4 und 5

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[UNION] UNI-Forum2

Den Besuch von Polens Ministerpräsident JerzyBuzek und Bundeskanzler Gerhard Schröder am18. Juni in Frankfurt (Oder) – zehn Jahre nachdem Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrag –nutzten Studierende der Viadrina, um auf dieakute Geldnot ihrer Universität, an der ein Drittelder Studierenden junge Polen sind, aufmerksamzu machen. Der Bundeskanzler, herzlich begrüßtim Foyer des Hauptgebäudes und ebenso herzlichverabschiedet nach einer gemeinsamen Diskussi-on mit deutschen und polnischen Jugendlichen imSenatssaal der Universität, verwies darauf, dassdies Ländersache sei, versprach aber gleichzeitig,das Thema bei Brandenburgs MinisterpräsidentManfred Stolpe anzusprechen und dann einerneutes Gespräch mit den Studierenden zuführen (das nun im Oktober stattfinden soll). In den Gesprächen der Politiker ging es vorrangigum die deutsch-polnischen Beziehungen undkonkrete Projekte der Zusammenarbeit sowie umden bevorstehenden EU-Beitritt Polens. Für einesdieser konkreten Beispiele – das Collegium Poloni-cum in S‡ubice als Gemeinschaftsprojekt der Via-drina mit der Poznaner Universität – wurde amRande der Gespräche das lang erwartete Abkom-men zwischen der Ministerin für Wissenschaft,Forschung und Kultur des Landes Brandenburgund dem Minister für nationale Bildung der Repu-blik Polen paraphiert – ein wichtiger Schritt zurendgültigen Unterzeichnung. Mit am Tisch saßendeswegen auch einige der „Mütter und Väter“des Abkommens, über das nun knapp zehn Jahreverhandelt wurde: Präsidentin Gesine Schwan,Prof. Dr. Roland Wittmann und Dr. KrzysztofWojciechowski. Prof. Schwan bezeichnete dasCollegium Polonicum als sichtbares Zeichengelebter guter Nachbarschaft – das Thema des

Tages und des Besuchs der beiden Staatsmänner.Uneins waren sich Buzek und Schröder bei derDiskussion um den EU-Beitritt Polens und not-wendige Fristen. Schröder sagte bei demGespräch mit den Jugendlichen, man müsse dieÄngste der Bevölkerung in Deutschland vor wei-ter steigender Arbeitslosigkeit bei zu früher Arbeit-nehmerfreizügigkeit ernst nehmen, sonst laufeman Gefahr, dass ein gemeinsames Europa nichtvon der Mehrheit der Menschen unterstützt wird.Buzek sagte, er könne die Ängste der Deutschennachvollziehen, teile sie jedoch nicht. Er sei aber

optimistisch, dass sich die unterschiedlichenAnsichten noch annähern werden. Beide Staatsmänner betonten, dass die Viadrinaein guter Ort für deutsch-polnische Gespräche sei,begegneten sich doch hier täglich Deutsche undPolen. Auch wenn die junge Generation an dieZukunft denke, sei es wichtig, sich der Geschichtezu stellen und Lehren daraus zu ziehen, mahnteBuzek. Schröder ergänzte: „Man kann dieGegenwart nur bewältigen und die Zukunftgewinnen, wenn man sich mit der Geschichteauseinandersetzt.“ ANNETTE BAUER

Spitzentreffen und gelebte NachbarschaftBuzek und Schröder an der Viadrina – 10 Jahre Nachbarschaftsvertrag

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Ihr „letztes Hemd“ verschenkten Viadrina-Studenten an Kanzler Schröder und machten in einerfriedlichen Protestaktion ihre Sorge um den Ausbau der Viadrina deutlich.

Am Rande des Treffens kam es zur lang ersehnten Paraphierung des Abkommens zwischen dem LandBrandenburg und der Polnischen Regierung über das Collegium Polonicum. Links im Bild ReferatsleiterStefan Brandt vom Brandenburger MWFK, rechts Tadeusz Poplonski vom polnischen Bildungsministerium.

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[UNION] UNI-Forum3

Erstmals in der Geschichte der deutschen Natio-nalstiftung – gegründet 1993 von HelmutSchmidt, Kurt Biedenkopf, Reimar Lüst und KurtMasur – wurde der Deutsche Nationalpreis anzwei verdiente Europäer für ihren besonderenEinsatz für den Dialog zwischen Polen, Frank-reich und Deutschland verliehen: TadeuszMazowiecki (Warschau) und Joseph Rovan(Paris). Die Festveranstaltung fand am 14. Juni2001 im Beisein hochrangiger Persönlichkeitenaus Politik und Wissenschaft an der Viadrinastatt. In seiner Laudatio bezeichnete Prof. Dr.Fritz Stern (New York) „den neuen Geist, dieneue Wirklichkeit Europas, als kaum vorstellbareErrungenschaften“. Diese seien von einzelnenMenschen erkämpft worden, von Persönlichkei-ten wie den beiden Preisträgern. Joseph Rovanbeschrieb er als „unermüdlichen Aufklärer, dersich stets mit Energie und Scharfsinn für dasFundament des neuen Europa“ eingesetzt habe.Tadeusz Mazowiecki und seine Streitgenossenhätten ihrer Nation den Weg zur Selbstbefreiungermöglicht und damit dem geteilten Europa,dem geteilten Deutschland, eine Chance gebo-ten. „Die freie Gesellschaft braucht Vorbilderpolitischer Vernunft, unbeugsamen Anstandsund gemeinnütziger Tatkraft“, betonte Stern.„Dass es heute ein Europa gibt, in dem Kriegezwischen Großmächten unvorstellbar sind – diesist ein Novum in der Geschichte Europas, dasman nicht als Selbstverständlichkeit betrachtendarf“, mahnte er. Es bedürfe auch des künftigentatkräftigen Einsatzes.Altbundeskanzler Helmut Schmidt verwies in sei-ner Begrüßungsrede auf den Sinn der Stiftung:Sie wurde von Patrioten gegründet, die ausAnlass der Vereinigung der beiden deutschenNachkriegsstaaten die Notwendigkeit erkannten,einerseits dazu beizutragen, dass wieder einegemeinsame kulturelle, politische und ökonomi-sche Identität aller Deutschen entsteht, undandererseits dazu beizutragen, dass „wir verei-nigten Deutschen von vornherein unsere natio-nale Identität einbetten in das Prinzip dereuropäischen Integration“. Polen und Frankreichbezeichnete er als Deutschlands wichtigsteNachbarn, „auf deren gute Nachbarschaft undVerständnis wir Deutschen weit stärker ange-wiesen waren, als diese Nachbarn auf uns“.Tadeusz Mazowiecki, geboren 1927 in P‡ock,gehörte zu den bedeutendsten Vertretern derkatholischen Opposition im kommunistischenPolen, wurde 1981 interniert, 1987 Chefberaterdes im Untergrund tätigen Nationalen Exekutiv-Ausschusses der Solidarnosc. 1989 wurde er dererste nichtkommunistische MinisterpräsidentPolens.Joseph Rovan, geboren 1918 in München, warvon 1941 bis 1944 im Widerstand, wurde 1945von der Gestapo ins KZ Dachau gebracht. Erging nach Paris und wurde dort Professor fürdeutsche Geschichte und Politik – „ein Franzose,der einmal ein Deutscher war“ – so der Titel sei-nes zuletzt erschienenen Buches.

ANNETTE BAUER

Symbolfiguren des deutsch-europäischen DialogsDeutscher Nationalpreis 2001 an Mazowiecki und Rovan verliehen

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In großer Runde große Persönlichkeiten: die Ehrengäste des Tages (Foto oben). Vor der Festveranstaltung ein internes Gespräch zwischen Lord Dahrendorf, AltbundeskanzlerHelmut Schmidt, Tadeusz Mazowiecki und Kurt Biedenkopf (v.l.n.r. Foto unten).

Tadeusz Mazowiecki und Prof. Dr. Dr. h. c. Joseph Rovan (v.l.n.r.) nehmen die Ehrung aus denHänden von Prof. Dr. Dr. h. c. Richard Schröder (r.) entgegen.

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[UNION] Im Blickpunkt4

Mit dem Viadrina-Preis 2001 der Europa-Uni-versität Frankfurt (Oder) wurde am 13. Juli derSchriftsteller und LiteraturnobelpreisträgerGünter Grass geehrt. Diese Auftaktveranstal-tung zu den Feierlichkeiten der Viadrinaanlässlich ihres 10. Geburtstages wurde zueinem bewegenden Appell des Geehrten unddes Laudators Adam Michnik, die deutsch-polnischen Beziehungen immer im geschichtli-chen Kontext mit Blick in die Zukunft zuleben.

Der vom ehemaligen Herausgeber und Chefre-dakteur der „Märkischen Oderzeitung“, ClausDetjen, dem Vorsitzenden des Kuratoriums desFörderkreises der Universität, gestiftete Preiswird an herausragende Persönlichkeiten fürbesondere Verdienste um die deutsch-polni-sche Verständigung vergeben. Günter Grass istnach Karl Dedecius und Adam Michnik derdritte Preisträger. Eingangs hatte Uni-Präsidentin Prof. GesineSchwan darauf verwiesen, dass trotz allenEngagements selbst an der Viadrina diedeutsch-polnische und europäische Gemein-samkeit nicht immer und zu allen Zeiten so vor-bildlich gelebt werden, wie man sich das wün-sche und als Ziel vor Augen habe. „Die Kraft,die geistige Anstrengung und der lange Atem,den wir dafür brauchen – sie werden uns durchZeremonien wie diese Preisverleihunggeschenkt …“ Sie dankte Grass für die Annah-me des Preises. Angesichts der großen Preise,mit denen Grass bereits geehrt worden sei, hät-te es die Universität kaum gewagt anzufragen,wäre es nicht um der Sache willen, für die dieseUniversität steht, gewesen, betonte sie. Preis-

stifter Claus Detjen dankte Grass im Namendes Kuratoriums des Förderkreises. „DieEhrung ist hier an der Grenze, die noch gepan-zert ist mit Vorbehalten und Wahrnehmungs-verwirrungen, ein Dank an Sie. Denn die Öff-nung der Grenze für die Erweiterung derEuropäischen Union wäre nicht möglich, wennnicht schon viele Jahre zuvor Günter Grass inPolen Köpfe bewegt und Sinne geöffnet hätte.Die Viadrina als wichtigsten Ort gemeinsamen

Lebens und Lernens junger Deutscher undPolen gäbe es nicht, wenn nicht die Viadrina-Preisträger Karl Dedecius, Adam Michnik undGünter Grass geistige Mauern aufgebrochenhätten, lange bevor die Mauer in Berlin fiel.“In der Laudatio zurPreisverleihungbetonte AdamMichnik, Historiker,Publizist undChefredakteur der„Gazeta Wybor-cza: „Diese Uni-versität, dieFrankfurt an der Oder mit S‡ubice verbindet,ist ein Ort des Wunders. Ab jetzt sollten wirauch das Wunder an der Oder feiern. DerOrt, der über Jahrzehnte mit einem Stachel-draht geteilt war, ist heute ein Symbol derAnnäherung.“ Auch Grass, der große deut-sche Schriftsteller, Vertriebener aus Danzig,sei ein symbolischer Preisträger. Er sei ein …Kosmopolit, der jede Form des engen Natio-nalismus verachte. „Die Haltung von Grass,eines ohne Erwiderung in das eigene Volk ver-liebten Schriftstellers, eines barmherzigenAutors gnadenloser Kritik am Nazismus, einesunerbittlichen Kämpfers für den Frieden, eineskompromisslosen Anwalts der Philosophie desKompromisses in der Politik, eines besessenenVerfolgers totalitärer Obsessionen – ist mirsehr nah“, so Michnik. Er wünsche sich sehr,dass Polen und Deutsche die Bücher vonGrass sorgfältig lesen. Sie seien eine großeLektion des Humanismus und der Selbstironie,des gesunden Menschenverstandes und desmoralischen Nonkonformismus.

Verleihung des 3. Viadrina-PreisesAnnäherung von Deutschen und Polen durch Brückenschläge,

Innige Umarmung von Günter Grass und Adam Michnik …

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Dem Preisträger (3.v.r.) gratulierten Uni-Präsidentin Gesine Schwan, Claus Detjen und LaudatorAdam Michnik, der den Preis im vergangenen Jahr erhielt.

[Geistige Mauernfielen

lange vor demFall der

Berliner Mauer]

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[UNION] Im Blickpunkt5

an Literaturnobelpreisträger Günter Grassdie nicht nur aus rhetorischem Stützwerk bestehen

Bereits am Vorabend der Preisverleihung warGünter Grass im überfüllten Hörsaal der Uni-versität nach einer öffentlichen Lesung aus„Mein Jahrhundert“ mit lang anhaltendemApplaus gefeiert worden.

Günter Grass ging in seiner Dankesrede aufseine Herkunft als Kind einer kaschubischenMutter und eines deutschstämmigen Vatersein, auf Stationen seines Lebensund geschichtliche Ereignisse,die das deutsch-polnische Ver-hältnis beeinflussten. „Das erwünschte gutnachbarli-che Verhältnis wird sich nichtallein durch wohlmeinendeReden beschwören lassen. Esverlangt Tatkraft und Brücken-schläge, die nicht nur aus rhetorischem Stütz-werk bestehen. Zum Beispiel wird sich dashässliche Wort ‘Beutekunst’ nur dann ent-kräften lassen, wenn Deutsche und Polenbereit sind, von nationalen Besitzansprüchenabzusehen und gemeinsam – um konkret zuwerden – ein Museum bauen, in dem dieumstrittenen Bilder, Skulpturen … ihren blei-benden Ort finden.“ Grass schlug vor, einsolches Museum in Grenznähe, womöglichbeiderseits der Oder und – warum nicht –den Fluss überbrückend, Gestalt annehmen

zu lassen. Die Viadrina, ihre Professoren undStudenten könnten an einem solch brücken-schlagenden Objekt mit bauen, so Grass. „Ein

kühner Entwurf ist gefragt! Ichsehe das Bauwerk vor mir: dengroßen Bogen über den Fluss. Sostellt sich ein Stück zukünftigesEuropa dar.“ Er käme mit Freudezur Einweihung dieses den Grenz-fluss überwölbenden Brücken-schlags.

ANNETTE BAUER

Anmerkung der Redaktion:

Aus der Euroregion „Pro Europa Viadrina“erreichte uns wenige Tage später eine Infor-mation, dass unlängst ein junger S‡ubicereinen Entwurf für ein die Oder überspannen-des Bauwerk vorgelegt hat. Wir drucken die-sen kühnen Entwurf ab. Die wichtigstenInformationen dazu lesen Sie im unten ste-henden Kasten.

QUELLE: Euroregion

[Ein kühnerEntwurf für ein

Museum über der Oderist gefragt!]

Zum Kaffeetrinken auf die Grenzbrücke

„Die zwei Städte haben mit der Brückedie Gelegenheit, unwiederholbare Kon-takte miteinander zu knüpfen", ist einArgument Mizerskis. Hauptaspekt seinerPlanung: Der lärmende, stinkende Auto-verkehr verschwindet ganz von derBrücke. Statt dessen kursiert in Ebene 1eine S-Bahn. Eine Etage darüber ist fürFußgänger reserviert, die entweder aufdie andere Seite gehen wollen, oder aufder Brücke in kleinen Geschäften einkau-fen, in Cafés etwas trinken wollen. ImObergeschoss sind nach dem Plan desStettiner Studenten Galerien und Ausstel-lungen vorgesehen.

Dass sein Projekt eine Utopie ist, weiß derjunge Mann. Aber es entstehe die Vision,ein integratives öffentliches Gebiet überdie Teilungen hinweg zu errichten.

ANKE PAPENBROCK

Dem Stettiner Architekturstudenten AdamMizerski geht es in seiner Diplomarbeit um eineinteraktive Brücke. Wie jetzt im polnischenInformationsblatt der Euroregion „Pro EuropaViadrina“ vorgestellt, hat der 27-jährige Archi-tekturstudent eine Brücke mit drei Ebenen pro-jektiert, auf denen sich Deutsche und Polen wieselbstverständlich begegnen.

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Die Viadrina feierte ihren 10. GeburtstagBilanz, Rückblick und Diskussionen über ein Jahrzehnt und die ZukunftIhren 10. Geburtstag feierte die Europa-Universität Viadrina Frank-furt (Oder) ganz entsprechend ihrem Konzept: international undgrenzüberschreitend. In einer Tagung des Gründungssenats, der 1991 in nur neun Mona-ten in einer Denkschrift niederlegte, was in Frankfurt an der Oderund an der deutsch-polnischen Grenze für eine Universität entstehensoll, mit dem Senat und Studierenden wurde über Erfolge, Bilanz undnächste Aufgaben mit Wissenschaftsministerin Johanna Wanka dis-kutiert. Immer wieder kam die Forderung, die Viadrina auf sichereBeine zu stellen. Gründungsrektor Knut Ipsen und der erste Rektorder Viadrina, Hans N. Weiler, verwiesen dabei nachdrücklich auf ihreForderung der Gründungsjahre, das besondere Konzept auch finanzi-ell zu untermauern.

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Im Uni-Hauptgebäudegab es einen Sektemp-fang der Präsidentin fürdie Partneruniversitätenund alle Geburtstags-gäste.

Am Samstagnachmittagtrafen sich Absolventenaller Fakultäten im Col-legium Polonicum undtauschten aus, wie esihnen inzwischen ergan-gen ist. Das Gruppen-bild entstand in S‡ubice.

Am Abend wurde WissenschaftsministerinJohanna Wanka durch Präsidentin Schwanbei der Geburtstagsfeier in der Marienkir-che herzlich begrüßt.

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[UNION] Im Blickpunkt7

Treffen, Trubel, Tradition und TanzTausende kamen zum abendlichen Fest und zum Feuerwerk

Zum abendlichen Fest in die Marienkirche, den Ehrenhof und dieRegierungsstraße, das von „antenne brandenburg“ gesponsert wurde,kamen Tausende, um mit der Viadrina zu feiern, die KUWI-Stars, SalsaVentura, weitere studentische Tänzer und Sänger zu bewundern odersich über die ersten Erfolge der Initiative „Fremde werden Freunde“ zuinformieren.

Außerdem wurde von acht Viadrina-Absolventen einAbsolventenverein gegründet, der nun nach Mitstreitern sucht, wieAbsolvent und erfolgreicher Jungunternehmer Samir Azzawi verkünde-te (Foto rechts).

Frankfurts Oberbürgermeister Wolfgang Pohl (3.v.l.) übergab denInnovationspreis 2001 an Christina Jahn und Kerstin Wunderlich, diesich in einer Arbeit mit der „Positionierungsstrategie für das Kleist-Forum Frankfurt (Oder)“ befassten. Anerkennungen erhielten Anja

Gelegenheit, ihre Ziele und Aktivitäten vorzustellen, hattenStudenteninitiativen der Viadrina auf einer gemeinsamen Tagung mitdem Förderkreis der Universität am Vortag des 10. Uni-Geburtstages.An Informationsständen der einzelnen Initiativen sowie in einer kurzenVorstellung vor den Gästen, unter ihnen der Vorsitzende desFörderkreises, Frankfurts Oberbürgermeister Wolfgang Pohl, berichte-ten die Studierenden über bereits abgeschlossene sowie geplanteProjekte, von denen nicht wenige auch durch die Unterstützung desFörderkreises ermöglicht wurden. Förderkreis-Schatzmeisterin Ursula Jung-Friedrich freute sich, die stu-dentischen Initiatoren auch einmal persönlich treffen zu können, kann-te sie die meisten bisher doch nur von eingereichten Förderanträgen.

Kurator Claus Detjen übergab den Förderpreis zum Viadrina-Preis 2001an die aktive Gruppe „literaria“ (Foto unten).

Das farbenfrohe mitternächtliche Feuerwerk gestaltete Prof. Dr.Wolfgang Spyra von der BTU Cottbus mit seinen Studenten.

Herzlichen Dank!

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[UNION] Im Blickpunkt8

Der offizielle Festakt zum 10. wurde am Sonn-tag, 15. Juli 2001, in der Konzerthalle in Anwe-senheit von Ministerpräsident Manfred Stolpegefeiert, der Universität und Stadt die herzlich-sten Glückwünsche überbrachte und den Ruf

der Viadrina als inter-nationale Lehr- undForschungsstätte undBegegnungsuniver-sität hervorhob, dievor 10 Jahren „gegenviel Widerstand undmit erheblicher Kraft-anstrengung“gegründet wurde,um „dem unaus-weichlichen Struktur-wandel in Branden-burg Schub zugeben“. Er unter-

strich die Rolle des Collegium Polonicum am pol-nischen Oderufer, das als Gemeinschaftsprojektder Viadrina mit der Universität PoznanModellcharakter trage.

Auch der stellvertretende polnischeBildungsminister Jerzy Zdrada,Frankfurts OberbürgermeisterWolfgang Pohl und der PoznanerRektor Stefan Jurga hieltenGrußworte und unterstrichen dieBedeutung der Viadrina für diedeutsch-polnische Zusammenar-beit, für Stadt und Region. Pohlüberreichte Präsidentin Schwan ein Luftbild vonFrankfurt (Oder), auf dem nur Schönwetterwol-ken über der Viadrina zu sehen sind, undwünschte, dass dies immer so sei.

Präsidentin Gesine Schwan unterstrich, dass wie

damals die Gründung auch dieser Tag vongroßen Hoffnungen und großer Skepsis beglei-tet sei. Allein die Idee, die die Viadrina trage –Avantgarde eines zukünftigen Europas zu sein –lohne jede Alltagsmühe.

In die Reihe der Gratulanten reihte sich auchGründungsrektor Knut Ipsen ein, der den Mutzur Wagnis in den Gründerjahren und dengroßen Entwurf für eine völlig neue, wirklicheuropäische Universität hervorhob und forderte,dass das Land auch in schwierigen Haushaltssi-tuationen zu dieser mutigen Idee stehen müsse.

Deutliche Kritik an Land und Bund übte der ersteRektor der Viadrina, der Amerikaner Prof. Dr.Hans N. Weiler, der die Viadrina von 1993 bis1999 leitete. Die Viadrina wachse, blühe undgedeihe – dies wäre der richtige Wunsch zumGeburtstag, davon könne jedoch leider keineRede sein angesichts „brutal über diese kleineUniversität hereinbrechender Hiobsbotschaf-ten“, konstatierte er. „Hier in Frankfurt ist –allen Unkenrufen zum Trotz – ein solides, weit

über Brandenburg hinaus aner-kanntes Fundament entstanden,und genau jetzt, wo auf diesemFundament weiter gebaut werdenmüsste, wird die Viadrina aufSparflamme gesetzt, wie ein gargekochtes Suppenhuhn, das mannur noch warm halten müsste.Zu einem Zeitpunkt, an dem sichdie Universität, um ihrem

Anspruch wirklich gerecht zu werden, neue wis-senschaftliche Grenzen erschließen müsste, istnicht einmal mehr die kritische Masse für dieBestellung des bisherigen kleinen Ackers sicher;und zu einem Zeitpunkt, an dem auch die letz-ten Spatzen es von den Dächern pfeifen und die

OECD es Ihnen allen schriftlich gibt, dass näm-lich Deutschland, und Brandenburg wohl erstrecht, mehr und mehr wissenschaftlich ausgebil-dete Menschen braucht – genau zu diesem Zeit-punkt wird die interessanteste und hochschulpo-litisch mutigste Neugründung der letzten zehnJahre einer Abmagerungskur unterzogen.“ Dochdies sei nicht allein eine Landesveranstaltung.„Hier an der Stelle, an der wie kaum irgendwosonst das neue Deutschland dem neuen Europabegegnet, hat die Bundesrepublik Deutschlandein Gesicht zu wahren und ein Gesicht zu verlie-ren. „Denn das aus all dem, was hier entstandenist, nun am Ende doch nicht mehr als provinziel-les Mittelmaß werden soll, das darf nicht sein“,so Weiler. Das hätte die Viadrina nicht verdient,das hätten die jungen Europäer von diesseitsund jenseits der Oder, die hier zusammen stu-dieren, nicht verdient. Er sehe noch eine Chance,dass Brandenburg Hochschulgeschichte nichtnur ankündige, sondern erfolgreich zu Endeschreibe, und er sehe eine Chance für Deutsch-land, an seiner wichtigsten Grenze eine wirklicheEuropa-Universität möglich zu machen.Der Kuratoriumsvorsitzende des Förderkreises,Claus Detjen, spielte in Form einer fiktiven Kurz-geschichte auf die Besorgnis um die Zukunft derViadrina an, doch er zeigte sich überzeugt, dasses eine Rettung geben werde.Auch AStA-Vorsitzender Robert Suligowski gingauf die Finanznöte ein. „Was auch nach 10 Jah-ren fehlt, ist eine gesicherte Basis. Es muss einAusweg gefunden werden aus der finanziellenMisere der Viadrina und der anderen branden-burgischen Hochschulen. Kein Land kann es sichleisten, die Bildung hintanzustellen. Und geradeein Grenzland wie Brandenburg braucht Brückender Integration“, als die sich auch die Viadrinaverstehe. ANNETTE BAUER

Erfolgsstory Viadrina und ZukunftsängsteFestakt in der Konzerthalle mit Erfolgsbilanz und kritischen Worten

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Anstoßen auf ein Jahrzehnt Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) mit schmackhaftemFrankfurter Pilsner. Vorn: Rektor a.D. Hans Weiler, Oberbürgermeister Wolfgang Pohl, Grün-dungsrektor Knut Ipsen, Präsidentin Gesine Schwan, Ministerpräsident Manfred Stolpe und derPoznaner Rektor Stefan Jurga (v.l.n.r.), dahinter Prof. Jan C. Joerden, Janine Nuyken und Prof.Ulrich Knefelkamp – im Hintergrund die Frankfurt und S‡ubice verbindende Oderbrücke.

Der Festakt in der Konzerthalle „CarlPhilipp Emanuel Bach“.

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[Die interessantesteNeugründung

nicht kaputt sparen!]

Ministerpräsident Manfred Stolpe

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[UNION] Im Blickpunkt9

Die von Karl Dedecius, Direktor a. D. desdeutschen Poleninstituts Darmstadt sowiebekannter Übersetzer, der Europa-UniversitätViadrina übergebene Sammlung hat ihrenPlatz im Collegium Polonicum in S‡ubicegefunden. Am 15. Juli 2001 wurde dieSammlung in Anwesenheit von Karl Dedeciusals Dauerleihgabe der Viadrina an die Adam-Mickiewicz-Universität Poznan übergeben.Das umfangreiche Archiv umfasst ca. 150Ordner mit Korrespondenzen, Manuskriptenund Typoskripten, Entwürfen und Notizen zuabgeschlossenen und geplanten Projektensowie Gegenstände und Dokumente zu dendeutsch-polnischen Kulturbeziehungen, wiebeispielsweise Medaillen, Urkunden undEhrungsschreiben. Eine Literatursammlungmit ca. 500 Bänden, teilweise mit Autogra-phen und Widmungen versehen, gehörtebenso zum Archiv wie eine Zeitungsaus-schnittssammlung und ein Radioarchiv.

„Bei aller kultureller Offenheit und Vielseitig-keit, für die Karl Dedecius bekannt ist, konnteer wohl die überraschende Pointe seines Bildesvom Übersetzen über den Fluss nicht voraus-sehen, die er selbst mit der Übergabe seinesArchives an die Viadrina gesetzthat. Die Vermittlung zwischenden Kulturen, vor allem dasBestreben, die weithin unbekann-te polnische Literatur nachDeutschland hineinzuholen,bestimmte die Route des Fähr-manns”, so Prof. Dr. ChristaEbert in ihrer Festrede zur Eröff-nung des Archivs. Dedecius hattedie Aufgaben eines Übersetzerseinmal selbst mit denen einesFährmanns, der über einen trennenden Flusssetzt, verglichen. In diesem Sinne scheint dasCollegium Polonicum ein nahezu idealer Auf-bewahrungsort für sein kostbares Archiv.

Viadrina-PräsidentinGesineSchwanund derRektor derAdam-Mickie-wicz-Uni-versitätPoznan,Stefan Jur-ga, zeigtensich dank-bar für dasentgegen-gebrachteVertrauen.„Wirfühlen uns

geehrt, das Lebenswerk Karl Dedecius´ bewah-ren und weiterentwickeln zu dürfen”, so Jur-

ga. Schwan bezeichnete es alseinen Genuss, als kleine, jungeUniversität der ehrwürdigen,großen Poznaner Uni eine sol-che Leihgabe übergeben zukönnen. Für die Bearbeitung des Archivskonnten zwei von der Deut-schen Forschungsgemeinschaftgeförderte Personalstellen fürzunächst ein Jahr eingerichtetwerden, mit deren Hilfe die

Bestandsaufnahme und Regis-trierung derSammlung erfolgen soll. Einen ersten Eindruckvom Umfang des Archivs können Besucher ineiner von Viadrina-Absolvent Przemys‡awChojnowski vorbereiteten Ausstellung„Lebenslauf aus Büchern und Blättern”, diein der Bibliothek des Collegium Polonicum zusehen ist, gewinnen. Neben Informationen zuKarl Dedecius´ Leben und Schaffen werdenGeschenke, Auszeichnungen und Ehrenur-kunden sowie Bilder und Graphiken, die er imLaufe seines Lebens erhalten hat, gezeigt.Neben der Dokumentationsarbeit sei es abervor allem wichtig, geeignete institutionelleFormen zu finden, die eine kontinuierlichewissenschaftliche Arbeit auf der Grundlagedes Dedecius-Archives ermöglichen, forderteChrista Ebert. „In all dem liegt das Potenzialfür ein reichhaltiges und vielfältiges For-schungsprogramm, das im Dedecius-Archivangesiedelt werden kann ... Eine solche Formkönnte z. B. die Einrichtung eines jährlichtagenden Dedecius-Kolloqiums sein.” EinForum für den wissenschaftlichen Nach-

wuchs, wo junge Forscher aus aller Weltzusammenkommen, um neue Methoden undZugänge der interdisziplinären Forschungkomplexer Kulturthemen zu erproben, soEbert weiter.

Dass dies auch im Sinne von Karl Dedeciusist, bestätigte er selbst in seiner Ansprache:„Ich will jungen Leuten Mut machen, auchunter schwierigen Voraussetzungen ihreneigenen Weg zu finden.” Er freue sich, sein„Kind” einem doppelten und zudem nochbilingualen und bilateralen Matriarchatanvertrauen zu können und so der europäi-schen Jugend für eine gemeinsame Zukunftnutzbar zu machen. CHRISTINE JESSE

Grenzüberschreitend lehren und feiernIm Collegium Polonicum wurde das Dedecius-Archiv feierlich eröffnet

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Nach dem Festakt in der Konzerthalle trafen sich die Geburtstagsgäste auf der Oderbrücke mitden polnischen Gastgebern des Nachmittags im Collegium Polonicum.

Prof. Schwan übergab Prof. Jurga eine Urkundezur Eröffnung des Dedecius-Archivs amCollegium Polonicum. Der Stifter – KarlDedecius (linkes Foto) – nahm an denFeierlichkeiten teil.

[Archiv setzteüber den Fluss

wie der vonDedecius

beschriebeneFährmann]

Karl Dedecius.

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[UNION] Im Blickpunkt10

Dass die Viadrina einen wachsenden Rückhalt in der Region und treue Freunde hat, machtedie große Resonanz deutlich, die auf unsere Bitte um Unterstützung des 10. Geburtstages zuspüren war. Wir danken allen Sponsoren, die uns durch Sachleistungen und Geldspenden dieFeierlichkeiten zum 10. Jahrestag ermöglichten: Axel Springer Verlag AG,Hamburg

Bader, Judith

Backstage Hein & Jonscher GmbH & Co. KGFrankfurt (Oder)

Bankhaus Lampe KGBerlin

Bauer, MartinFrankfurt (Oder)

Becker & Armbrust GmbHFrankfurt (Oder)

Blumengalerie ButryFrankfurt (Oder)

Brandenburgischer VersicherungsserviceFrankfurt (Oder)

BRVZ (Bau- Rechen- und Verwaltungszentrum)für SGS ScharmützelseeBad Saarow

Buchwald GmbHFrankfurt (Oder)

City-Park-HotelFrankfurt (Oder)

CommerzbankFrankfurt (Oder)

Deutsche Telekom AGFrankfurt (Oder)

Dresdner Bank AGFrankfurt (Oder)

EKO Stahl GmbHEisenhüttenstadt

Fahrenkamp, Hans-Henning,HonorarkonsulFrankfurt (Oder)

Franzke, FrankFrankfurt (Oder)

Grünberg Dr., Jürgen, Frankfurt (Oder)

HandwerkskammerFrankfurt (Oder)

Haniel-StiftungDuisburg

Hans-Böckler-StiftungDüsseldorf

Hardenberg, Astrid Gräfin von Berlin

Hilsberg, Stephan (MdB)

InvestitionsBank des LandesBrandenburg, Potsdam

Jakob, GerhardFrankfurt (Oder)

Karney, DetlefFrankfurt (Oder)

Leffmann, ElseSelters

Mante, Winfried (MdB)Frankfurt (Oder)

Ministerium für Landwirtschaft,Umweltschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg

Multi Media GmbHFrankfurt (Oder)

NOSTRO OderturmFrankfurt (Oder)

Oderland-Brauerei GmbHFrankfurt (Oder)

OderspeicherFrankfurt (Oder)

Ostdeutscher Rundfunk/ antenne brandenburg

PCK Raffinerie GmbHSchwedt (Oder)

Ramada-Treff-HotelFrankfurt (Oder)

Richthofen Dr., Hermann Freiherr von, Berlin

Sälzer, Evelyn, Berlin

Schuhmacher, Lutz

SGS Scharmützelsee Golfhotel & Sportanlagen GmbHBad Saarow

Spectrum Innenausstattung GmbHFrankfurt (Oder)

Stadtwerke Frankfurt (Oder) GmbHFrankfurt (Oder)

Stanford University(USA)

Studentenwerk Frankfurt (Oder)

Süß, KatrinHamburg

Thews & Partner OHGFrankfurt (Oder)

Vermessungsbüro MoehringFrankfurt (Oder)

Weiler Prof. Dr., Hans N.Stanford

Wein- und Kunsthandlung „Alte Schmiede“Frankfurt (Oder)

Winkler ElektroakustikFrankfurt (Oder)

Wohnungswirtschaft Frankfurt (Oder) GmbHFrankfurt (Oder)

und natürlich dem

Förderkreis der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) für seinegroßzügige Unterstützung!

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[UNION] Geschichte11

Zu einem runden Geburtstag gehört ein run-des Programm – und das hatte die Viadrina zubieten. Neben drei wissenschaftlichen Tagun-gen (bitte lesen Sie die Folgeseiten) wurde dieÖffentlichkeit im Sommersemester zu einerReihe von Geschichtsvorträgen eingeladen.Den Auftakt machte der Historiker Prof. KarlSchlögel mit seinem viel beachteten Vortrag„10 Jahre Stadt und Universität“. Es folgteder Jurist Prof. Roland Wittmann, der sich mitJohann Gottlieb Heineccius – einem Repräsen-tanten der gemeinsamen europäischen Wis-senschaftstradition an der Viadrina – befasste.Prof. Evamaria Engel von der FU Berlin refe-rierte zu Frankfurt (Oder) im Mittelalter undProf. Anselm Haverkamp zu Alexander Gott-lieb Baumgartens Begründung der Kulturwis-senschaften in Frankfurt an der Oder. KarlSchlögels zweiter Vortrag stellte die AktualitätHumboldts in den Mittelpunkt, Prof. KarlHeinrich Kaufhold von der Universität Göttin-gen befasste sich mit „Finanzwesen undKameralwissenschaft in Preußen im 18. Jahr-hundert“, und Prof. Rolf Winau von der FUBerlin gab einen Einblick in die Medizin an deralten Viadrina. So wurde der Bogen zwischender Europa-Universität und ihrer berühmtenVorgängerin geschlagen. Dies tut auch eineAusstellung im Museum Viadrina – dem ehe-maligen Junkerhaus – mit dem Titel „Die Via-drina – eine preußische Universität im 18.Jahrhundert“, die am 8. Juni im Beisein vonWissenschaftsministerin Johanna Wanka feier-lich eröffnet wurde.„Das Junkerhaus wird heute nach über 16Jahren umfassender Rekonstruktion erstmalswieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.Über 230 Exponate zur Entwicklung der altenUniversität aus dem Bestand des Museums,aber auch Leihgaben aus Archiven undMuseen – u.a. aus dem Museum der Univer-sität Breslau – veranschaulichen die Bildungs-landschaft in Preußen zu Beginn des 18. Jahr-hunderts und erinnern an Absolventen der Universität Frankfurt, die zu den Wegberei-

tern preußischer Reformen gehörte“, unter-strich die Ministerin. Die Alma Mater Viadrinawar 1506 als erste brandenburgische Lan-desuniversität gegründet worden. Im Zeit-raum 1790 - 1818 wurden über 20 Univer-sitäten im deutschsprachigen Raum geschlos-sen oder verlegt. Die Viadrina zog 1811 nachBreslau. So entstand die Ausstellung auch inZusammenarbeit mit der Viadrina und derUniversität Breslau, deren Vertreter herzlicheGrüße überbrachten. Vom Pressereferat derEuropa-Universität wurde ein ergänzenderAusstellungsteil zur jungen zehnjährigenGeschichte der neuen Viadrina gestaltet. DieAusstellung – Teil der gemeinsamen Landes-ausstellung von Berlin und Brandenburg„Preußen 2001“ – lockte in den Sommermo-naten hunderte Besucher an und ist noch bis14. Oktober zu sehen.

Alles Wissenswerte aus dem ersten Jahrzehntder Europa-Universität ist nachzulesen in

einem von Prof. Dr. Dr. Ulrich Knefelkampherausgegebenen Jahrbuch mit dem Titel„‘Blütenträume’ und ‘Wolkenkuckucksheim’in ‘Timbuktu‘ – 10 Jahre Europa-UniversitätViadrina“, das vom Uni-Pressereferat inKooperation mit dem skripvaz-Verlag Berlingestaltet wurde. Es ist zum Preis von 6 DM imPressereferat erhältlich und umfasst nebenErinnerungen der Gründer und Studierendeneine Chronologie der Entwicklung.

ANNETTE BAUER

Zum 10.: Ausstellung, Jahrbuch, Vorträge …

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Ministerin Prof. Johanna Wanka.

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[UNION] Tagungen12

Internationalisierung is beautiful …Workshop ging Frage der Internationalisierung von Universitäten nach„Wozu und auf welche Weise Internationa-lisierung von Universitäten?“ war das The-ma eines Workshops am 26. und 27. Juni2001 – einer von drei großen wissenschaft-lichen Veranstaltungen aus Anlass deszehnjährigen Bestehens der Viadrina.Beginnend mit einem öffentlichen Vortragvon Prof. Dr. Ulrich Teichler (Kassel) am 26.Juni zum Thema „Historische und systema-tische Aspekte der Internationalisierung inder zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“diskutierten Wissenschaftler aus Deutsch-land, Belgien und den USA über Ziele undWege einer Internationalisierung im welt-weiten Wettbewerb.

Teichler sprach von Internationalisierung alsTrend: „Immer mehr Hochschulen nennensich ‘international’. Internationalisierung isbeautiful.” Der Stand der Internationalisie-rung an deutschen Hochschulen lasse sichjedoch nicht so leicht messen. Sie sei als zen-trales Element der Hochschulorganisationlängst Alltag. Institutionen wie AkademischeAuslandsämter, Vizepräsidenten und Refe-renten für internationale Beziehungengehören fast selbstverständlich zu jeder Uni-versität, so Teichler. Die Mobilität deutscherStudierender und Wissenschaftler stehejedoch im Ungleichgewicht zum Anteil aus-ländischer Gaststudenten an deutschen Uni-versitäten. Dies sei zwar nicht nur inDeutschland der Fall. Trotzdem müssten Bar-rieren, wie beispielsweise die kaum existente

Institutionalisierung der Doktorandenausbil-dung oder das System von Hochschulab-schlüssen, die ausländische Interessentenmöglicherweise abschrecken, abgebaut wer-den. Abgesehen von aktuellen Trend-Strömungensei Internationalisierung von Universitätennämlich unerlässlich für eine grenzüber-schreitende Wissenschaft, die von Hoch-schulen als „Global Players” selbst bestimmtwird. Eine Herausforderung auch für die Via-drina.

Fortgesetzt wurde die Tagung am folgendenTag mit Vorträgen und Diskussionen unterdem Themenschwerpunkt „Wozu Interna-

tionalität?“. Auf einführende Vorträge zuden Themen „Vorbereitung auf einen inter-nationalen Arbeitsmarkt“ von MichaelZuberbier (Commerzbank Frankfurt/Oder)und „Internationale politische und interkul-turelle Verständigung durch Eliten“ vonProf. Dr. Michael Minkenberg folgte eineDiskussionsrunde. Fortgesetzt wurde derWorkshop mit Vorträgen von Prof. Dr. PaulMichael Lützeler (Washington University)zum Thema „Wissenschaftlicher Fortschrittdurch Internationalität und Interkulturalität“sowie von Prof. Dr. Robert Picht (Europa-Kolleg Brügge) mit dem Thema „Wahrungund Verbreitung kultureller Vielfalt“.

Gegenstand des zweiten Workshop-Teilswaren folgende Themen: „InstitutionellePerspektiven für eine strategische Internatio-nalisierung der Viadrina“ und „Gibt es einenParadigmenwechsel von der internationalenMobilität zur strukturellen und curriculareninternationalen Vermischung?“. Hierzu refe-rierte Prof. Dr. Robert Picht (Europa-KollegBrügge). Nach weiteren Vorträgen von Prof.Teichler – „Die Auswirkungen von Sokrates:Von der persönlichen Verantwortung zurinstitutionell initiierten Mobilität“ – sowieDr. Konrad Schily (Witten) – „Campus Euro-pa – Die europäische Dimension der Bildungim Zeitalter der Globalisierung“ – wurden ineiner abschließenden Diskussion Schlussfol-gerungen für die künftige Entwicklung derUniversitäten gezogen. CHRISTINE JESSE

Den Einführungsvortrag hielt Prof. Dr.Ulrich Teichler aus Kassel.

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Workshop hatte Interdisziplinarität im FokusDen Auftakt der wissenschaftlichenVeranstaltungen anlässlich des 10. Via-drina-Geburtstages bildete am 30. Maiein Workshop zur Interdisziplinaritätunter Leitung von Prof. Dr. RolandWittman, der an der Juristischen Fakul-tät den Lehrstuhl für BürgerlichesRecht, Rechtsphilosophie, RömischesRecht und Europäische Rechtsgeschich-te innehat. Nach einem Vortrag vonProf. Dr. Mirchev aus Sofia zum Thema„Interdisziplinarität und Transdiszipli-narität der Cultural Studies“ referierteProf. Dr. Trevor Pinch zum Thema„Teaching in an interdisziplinaryDepartment in the US“.

Interdisziplinarität in Lehre und For-schung durchzusetzen ist Anliegen derdrei Fakultäten der Viadrina und soll

dazu beitragen, neben der Vermittlungvon Fachwissen aus der eigenen Diszi-plin den Blick über den Tellerrand zuschärfen. Dies machten die anschließenden Vor-träge deutlich, die sich mit Interdiszi-plinärer Ethik (Prof. Dr. Jan C. Joerden,Interdisziplinäres Zentrum für Ethik)und interdisziplinären Gegenständen(Prof. Wittmann) sowie Interdisziplina-rität in der Konsumentenverhaltensfor-schung (Prof. Dr. Andrea Gröppel-Klein, WirtschaftswissenschaftlicheFakultät) beschäftigten.Prof. Dr. Axer aus Warschau widmeteseinen Vortrag dem Thema „Die Inter-disziplinarität in der antiken Traditionund die Perspektiven polnisch-deut-scher wissenschaftlicher Zusammenar-beit“. B.

Prof. Dr. Roland Wittmann von derJuristischen Fakultät der Viadrina.

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[UNION] Tagungen13

VON FELIX ACKERMANN

STUDENT DER KULTURWISSENSCHAFTEN

Eine wissenschaftliche Konferenz zum Bei-trag der ostmitteleuropäischen Staaten zurEU-Osterweiterung fand am 13. und 14. Julian der Viadrina statt. Renommierte europäi-sche Wissenschaftler, Politiker und Diploma-ten wurden eingeladen, um sich öffentlichmit drei Fragenkomplexen auseinanderzuset-zen: Ostmitteleuropa – eine andere Kultur?Ostmitteleuropa – ein neuer Politikstil in derEU? Und: Ostmitteleuropa: wirtschaftlicherPflegefall, Konkurrent oder Partner?

Der Einladung folgten viele europäische Intel-lektuelle. Unter ihnen Eva Karadi, Herausge-berin von Lettre International Budapest,Wlodzimierz Borodziej, Historiker an der War-schauer Universität, und Karl Schlögel, der inFrankfurt (Oder) osteuropäische Geschichtelehrt. Eine ganze Reihe von Botschafternaußer Dienst erschien, so Frantisek Cerny ausPrag, Graf Luigi Vittorio Ferraris aus Rom undAndrzej Byrt aus Warschau. Nur aus Frankfurt(Oder) und S‡ubice war kaum jemand gekom-men. Die Professoren der Europa-Universitätwaren zahlreich vertreten, aber aus der Stadt,für die Polens EU-Beitritt eine konkrete He-rausforderung darstellt, kamen nur wenigeInteressierte.

Von Anfang an wurde deutlich, wie schwer esden Spezialisten für europäische Fragen fällt,über Europa zu reden. Selbst an der Europa-Universität scheint unklar zu sein, welchesEuropa man eigentlich meint. Zu widersprüch-lich war die Definition des Gegenstandes, dieEbenen überlagerten sich: die Versuche, denSubkontinent in geographischen, historischenoder politischen Kategorien zu beschreiben,scheitern an seiner Vielfältigkeit, die einerseitszum Hauptmerkmal europäischer Identitätgehört und andererseits eine feste Definitiondieser ausschließt.

Definition ohne Definition – begrifflicheSchwierigkeiten als Symptom

Im Laufe der Konferenz wurden verschiedeneVersuche unternommen, zu beschreiben, wel-che Länder eigentlich gemeint seien, aber zueiner Einigung unter den Referenten kam esnicht. So waren es mal die aktuellen Beitritts-kandidaten, mal das Mittelosteuropa derMaastricher Beitrittsbürokratie, mal zählte dieTürkei mit dazu, Bulgarien und Rumänientauchten auf, um wieder in der Bedeutungslo-sigkeit zu verschwinden, Begriffe der EU-Osterweiterungsideologie vermischten sichmit der Rhetorik des kalten Krieges. Vom Ost-block war die Rede, Polen gehörte plötzlich zuOsteuropa, Deutschland lag wie selbstver-ständlich in Westeuropa. Einen Moment lang

schien die Oder tatsächlich die Grenze zwi-schen zwei längst vergessen geglaubtenHemisphärenhälften zu markieren.

Sichtliches Bemühen um deneuropäischen Einigungsprozess

Dabei waren sich alle Referenten darin einig,dass es gute Gründe gibt, die PerspektivenEuropas positiv zu bewerten. Und in der Sorgeum den Weg in diese lichte Zukunft tauschtensie in erster Linie Gedanken über Probleme,Schwierigkeiten und Ängste aus. Dabei kamendie Auswüchse der EU-Bürokratie genauso zurSprache, wie die Schwierigkeiten, Europa alsGanzes zu denken. Mehrmals war von derBevölkerung die Rede – man machte sich ernst-hafte Gedanken um deren Unterstützung. Inseinem abschließenden Vortrag forderte Prof.Dr. Hagen Schulze vom Londoner GermanHistorical Institute, dass Europa statt ausSpießbürgern aus Staatsbürgern bestehen müs-se. Zuvor forderte der Ökonom Prof. Starbattyein Europa der Herzen. Prof. Schlögel mahnte die Neugründung Euro-pas an, das nach dem Ende des Kalten Kriegesnoch immer geschwächt und zerstückelt darnie-der liege. Dr. Andrzej Byrt, bis vor kurzem polni-scher Botschafter in Berlin, erinnerte daran, wieviel sich schon zum Besseren gewendet hätte,seit er 1972 mit seinem ersten Polski Fiat zumHamstern nach Frankfurt (Oder) gekommenwar. Frantisek Cerny bemerkte, dass dennochder Begriff des Beitritts ungeeignet sei, um dieSituation zu beschreiben. Er schlug vor, vielmehrvon einem Einigungsprozess auszugehen, beidem sich zwei gleichberechtigte Partner zu einerneuen Gemeinschaft zusammenschließen. Krzy-

sztof Wojciechowski, Verwaltungsdirektor desCollegium Polonicum in S‡ubice, verglich dieSituation mit einem Abendessen bei einer gut-bürgerlichen deutschen Familie, der bei dieserGelegenheit die zukünftige Schwiegertochteraus Polen vorgestellt wird. „Und was bringst Dumit in die Ehe ein?", fragen die Eltern des Bräu-tigams. Um den dabei entstehenden Frustratio-nen vorzubeugen, schlug Wojciechowski vor,zu begreifen, dass eine Ehe vielmehr die Verbin-dung beider Familien mit sich bringt. So werdendie Probleme der Braut zu denen der Familiedes Angetrauten und umgekehrt.

Vielfalt der Erfahrungen als Kapital für die Zukunft

Die Moderatoren der Diskussionsrundenwaren sichtlich bemüht, ihre Redner immerwieder an die aufgeworfene Frage nach demBeitrag der ostmitteleuropäischen Staaten zuerinnern. So gelang es, einige Punkte heraus-zuarbeiten: In erster Linie würden die Länderzum Beitritt sich selbst mitbringen. Ihre Spra-che, Literatur, Geschichte und ihre Erfahrun-gen. Zu diesen gehört – darin waren sich dieReferenten einig – ein routinierter Umgangmit Diktaturen. Eva Karadi bestand darauf,dass die Völker Ostmitteleuropas dadurchselbst gegen heutige westliche Ideologienimmun seien. Wlodziemierz Borodziej stelltedie polnischen Strukturprobleme und die ent-sprechenden Lösungsstrategien als das polni-sche nationale Kapital für die Gemeinschaftdar. So würden die Polen im Osten schonheute spüren, dass sie erfolgreich sind, und imWesten merken, wie flexibel sie sind.

FORTSETZUNG NÄCHSTE SEITE

In erster Linie bringen sie sich selbst mit …Konferenz zum Beitrag der MOE-Staaten zur EU-Osterweiterung

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Die Podiumsgäste der ersten Diskussionsrunde v.r.n.l. Eva Karadi, WlodzimierzBorodzej, Moderator Werner Schiffauer, Ivaylo Znepolski, Karl Schlögel und CathérineColliot Thélèn.

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[UNION] Tagungen14

Vom 10. bis 12. Mai 2001 fand an der Via-drina auf Einladung von Prof. Jan C. Joer-den (Interdisziplinäres Zentrum für Ethik)und Prof. Josef N. Neumann (Institut fürGeschichte und Ethik der Medizin der Mar-tin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)die vierte Jahrestagung des interdiszi-plinären Arbeitskreises für Ethik und Wis-senschaftstheorie der Medizin inOstmitteleuropa statt.Eine Reihe von Beiträgen befasste sich mitProblemen der Humangenetik. Zum Auf-takt führte Laszlo Boda (Budapest) eineReihe von Argumenten zur Unterstützungseiner entschiedenen Ablehnung der Klo-nierung von Menschen an. Melanie Ranft(Halle) stellte ihr Forschungsprojekt vor, indem die Auswirkungen von Problemen derinternationalen Gerechtigkeit auf eine mög-liche international einheitliche Regelung derHumangenetik untersucht werden sollen.Georg Lohmann (Magdeburg) machtedeutlich, dass die eigentlichen Herausforde-rungen der Ethik durch die gentechnologi-schen Möglichkeiten in der Klärung undErarbeitung eines verbindlichen Welt- undMenschenbildes bestehen, das als Grundla-ge für ethische Entscheidungen dienenkann. Mit dem Umgang mit Arzneimitteln befas-sten sich Andrzej Górski (Wroc‡aw) undValdar Parve (Tartu). Górski fragte nachden Auswirkungen finanzieller Interessen-konflikte auf die pharmakologische For-schung, Parve analysierte die im estländi-schen Gesundheitssystem gegebenen Mög-lichkeiten, das Bedürfnis nach einem Medi-kament zu befriedigen. Die Problematik der Sterbehilfe in Polenwurde unter verschiedenen Aspektenbeleuchtet. Während Andrzej M. Kaniowski

(Lódz) die zu diesem Thema in der Öffent-lichkeit und in Fachkreisen geführte Diskus-sion analysierte, gab MalgorzataSzeroczynska (Warschau) einen Überblicküber die rechtliche Regelung. Mit grundlegenden Prinzipien der Medizin-ethik befassten sich ebenfalls mehrereBeiträge. Jacek Holówka (Warschau) wiesauf die – beispielsweise gegenüber demAutonomieprinzip – nachrangige Bedeu-tung des Prinzips der Wohltätigkeit hin.Grzegorz Chojnacki (S‡ubice) analysiertedas der Moraltheologie entstammendePrinzip der doppelten Wirkung, wobei er zudem Ergebnis kam, dass dieses durch dieMinimierung schlechter Folgen die jeweilsbestmögliche Lösung erlaube.

Maria Mojzesova (Bratislava) gab einenÜberblick über die sehr dynamische undvon großem öffentlichen Interesse begleite-te Entwicklung der Bioethik in der Slowakei.Jan C. Joerden legte ein Referat vor, in demanhand aktueller bioethischer Fragestellun-gen untersucht wurde, unter welchen Vo-raussetzungen nicht nur Individuen, son-dern auch Gruppen von Individuen Rechtegeltend machen können, wobei sich dieKonstituierung der Gruppe als juristischePerson als Grundvoraussetzung erwies.

Die Tagungsbeiträge erscheinen in den„Studien zur Ethik in Ostmitteleuropa“,Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main.

JUDITH BADER

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Renata Fritsch-Bournazel vom I.E.P. de Parisnahm an, die östlichen Beitrittskandidatenkönnten in die Gemeinschaft neben ihrenErfahrungen vor allem etwas mehr Enthusias-mus einbringen, als bei den selbst erklärtenWesteuropäern derzeit vorrätig ist. Luigi Vit-totio Ferraris ging davon aus, dass sie in politi-scher Hinsicht zur Demokratisierung des EU-Europas beitragen können. Prof. Starbattymachte deutlich, dass es aus Perspektive derMakroökonomie keine Zweifel gebe: eineErweiterung der Union würde vor allem denMarkt vergrößern, wovon langfristig alle Vor-teile hätten. Dennoch: Dieser Ertrag warmager im Vergleich zur Einsicht, dass die

sogenannte Ost-Erweiterung das Selbstver-ständnis der EU erschüttert, dass der Beitragder Beitrittskandidaten darin bestünde, dieseszu hinterfragen, es vor eine neue Herausfor-derung zu stellen. Nun stehen Länder voreiner imaginären Tür, die in kultureller, politi-scher und wirtschaftlicher Hinsicht anders zusein scheinen als die bisherigen Einwohner desgemeinsamen Hauses, die sich, von einigenStreitigkeiten um die Finanzierung des Dachesund anderen Detailfragen abgesehen, mehroder minder gemütlich eingerichtet hatten.Doch die Zeit des trauten Beisammenseinsscheint zu Ende zu gehen. Solange kein klarespolitisches Ziel für ein gemeinsames Europaformuliert sei, solange man sich nicht für einesder möglichen Modelle eines Bundesstaates

bzw. einer Union von Nationalstaaten ent-scheide, wird das Grundproblem nicht gelöst,dass im Mangel einer gemeinsamen politi-schen Vision besteht – so der Tenor derReden.

Zwischen Gleichgültigkeit und Neubeginn

Hagen Schulze betonte in seinem Abschluss-vortrag „Was heißt eigentlich Europa?“, dassein gemeinsamer Markt zur Schaffung eineshandlungsfähigen und selbstständigen Europanicht genügen würde. Als größte Gefahr saher die Gleichgültigkeit an. Die Tagung konnte keine Antworten geben,sie hat in erster Linie Fragen aufgeworfen.

Jahrestagung des Arbeitskreises für Ethik und Wissenschaftstheorie der Medizin in Osteuropa

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Prof. Jan C. Joerden, Prof. Josef N. Neumann und Arnd Wasserloos (v.l.n.r.).

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[UNION] Tagungen15

Mit den Auswirkungen der EU-Erweiterungund der künftigen Mitgliedschaft Polens inder Europäischen Union befassten sich am16. Mai die Mitglieder des Europa-Aus-schusses des Deutschen Bundestages ineiner Diskussionsveranstaltung mit denMitgliedern des Ausschusses für Europäi-sche Integration des polnischen Sejm imCollegium Polonicum in S‡ubice. Zu dreiThemenschwerpunkten – Arbeitnehmerfrei-zügigkeit, wirtschaftliche Lage im Grenzge-biet und grenzüberschreitende Kooperation,innere Sicherheit – fand eine angeregte,zuweilen kontroverse, Diskussion unter Lei-tung des früheren polnischen Ministerprä-sidenten Tadeusz Mazowiecki und des Aus-schussvorsitzenden, Dr. Friedbert Pflüger,statt.

Pflüger betonte zu Beginn, dass dies dieerste gemeinsame Sitzung und somit einehistorische Begegnung sei. Die Viadrina unddas Collegium Polonicum seien der richtigeOrt, würden doch hier die zukünftigen Mitt-ler zwischen Ost und West ausgebildet.Dass die EU-Erweiterung mit Chancen, aberauch mit Ängsten verbunden ist,widerspiegelte die an-schließende Diskussion. Heißdiskutiert wurde vor allem dasProblem der Arbeitnehmerfrei-zügigkeit. Die von Bundeskanz-ler Schröder geforderte sieben-jährige Übergangsfrist nach dem Beitrittstößt bei der polnischen Seite auf Ableh-nung, fühlte sich doch damit die polnischeBevölkerung bis zum Jahr 2011 als „EU-Bür-ger zweiter Klasse“. Die Angst der deutschenBevölkerung, dass nach dem Beitritt Polenseine Flut polnischer Arbeitnehmer einsetzt –und das bei ohnehin vier Millionen Arbeitslo-sen – ist eine ernst zu nehmende Sorge, abereine zu entkräftende. Von Politikern mehre-rer Parteien wurde darauf verwiesen, dassmit einer gewaltigen Zuwanderung aus demOsten nicht zu rechnen sei.

Der Frankfurter DGB-Chef Volker Kulle,einer von sechs eingeladenen Vertretern ausder Grenzregion, wies nachdrücklich auf dieArbeitslosenproblematik in Deutschland hinund sprach sich für Beschränkungen aus, dader Arbeitsmarkt gar nicht aufnahmefähigsei. Er machte deutlich, dass ein größeresProblem als in der Zuwanderung in denGrenzpendlern liege, die unter Tarif in derGrenzregion arbeiteten. Er forderte vomBundestagsausschuss, sich für gesetzlicheRegelungen stark zu machen, die garantier-ten, dass staatliche Aufträge nur an Firmengehen, die Mindestlöhne zahlen und keineillegalen Beschäftigten haben.

„In Grenzregionen, die aufgrund großerUnterschiede bei Einkommen und Preisenbesondere Probleme im Handwerks- undDienstleistungsbereich zu erwarten haben,sind grenzüberschreitende Strukturprogram-me und flankierende Fördermaßnahmen zufinanzieren“, so Kulle. Die europäischeIntergation bedürfe zudem der praktiziertenNachbarschaft, deshalb sei manmit den Gewerkschaftskollegenin Polen im Gespräch über die-se Probleme.

Tadeusz Mazowiecki machteklar, dass die Polen Deutschlandimmer als ihren Anwalt füreinen raschen EU-Beitritt gese-hen hätten und nun in der Bevölkerung derVerdacht aufkäme, Deutschland werde zumVerzögerer des Beitritts. Friedbert Pflügerwies den Eindruck zurück, dass es sich beiden Übergangsfristen um Maßnahmen han-dele, mit denen der Beitritt verzögert undPolen diskriminiert werden solle. Man müsseauch sehen, dass die deutschen Politiker dieÄngste ihrer Bevölkerung ernst nehmen und

dementsprechend handelnmüssen.

Die Staatssekretärin im War-schauer Arbeitsministerium,Irena Boruta, machteschließlich einen anderen

Vorschlag: Schutzklauseln statt fester Über-gangsfristen! Dies ermögliche ein flexiblesReagieren auf die Stärke der Arbeitnehmer-ströme, die Freizügigkeit bliebe erhalten. Für

sie sei das ein gutes Instrument und eingangbarer Weg. Friedbert Pflüger veranlass-te dieser Vorschlag zu der Bemerkung, dassman durchaus noch einmal über flexibleArbeitsmarktregeln nachdenken müsse. Vor allem käme es auf einen raschen EU-Beitritt Polens an, durch den die Polen einePerspektive im eigenen Land sähen. „Wer

zu Hause eine Perspektivefür sich und seine Familiesieht, der geht nicht für einpaar Mark ins Ausland“,zeigte er sich überzeugt.

Deutlich wurde in der Dis-kussion, dass es in SachenMigration eine Übersensibili-

sierung gibt und derzeit keine objektivenKriterien oder sachlichen Prognosen. Trotzder „Wolken am Himmel der Erweiterung“müsse man nach vorne schauen – so derTenor.

Dr. Peter Hintze (CDU/CSU) sprach seinenDank an Tadeusz Mazowiecki für dessenpolitisches Lebenswerk aus. Durch solche„historischen Persönlichkeiten“ sei man erstso weit gekommen, dass der Osten wiederim europäischen Blick ist. Jetzt müsse manRegelungen finden, mit denen flexibel auftatsächliche Gegebenheiten reagiert werdenkönne. „Der Übergang muss so gestaltetwerden, dass er von allen Beteiligten getra-gen werden kann“, betonte Hintze. Undman müsse bei der Bevölkerung werben,dass die Einheit ein wirklicher Gewinn ist.

ANNETTE BAUER

Polen als EU-Mitglied zweiter Klasse?Europa-Ausschuss des Bundestages beriet mit Amtskollegen des Sejm

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Die Mitglieder des Europa-Ausschusses auf ihrem Weg zum Collegium Polonicum über dieGrenzbrücke, die bald keine mehr sein wird.

[Schutzklauselnstatt

Übergangsfristen?]

[Wer zu Hause eine Perspektivesieht, geht nichtfür ein paar Mark

ins Ausland]

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[UNION] Tagungen16

Podiumsdiskussion zur Osterweiterung der EU:

Übergangsregelungen und „Ethnocoaching“?Eine Podiumsdiskussion zum Thema „Oster-weiterung der EU – Chancen und Risiken fürBrandenburg und die deutsch-polnische Grenz-region” fand Anfang Mai 2001 an der Europa-Universität statt. Die mit finanzieller Unterstüt-zung des Europäischen Parlaments von derEuropa-Universität, der Europäischen Kommis-sion, Vertretung der Bundesrepublik Deutsch-land in Berlin, dem Tagesspiegel Berlin sowievon der Landesregierung Brandenburg gemein-schaftlich durchgeführte Veranstaltung war einBeitrag zur Europa-Woche des Landes Bran-denburg.Nicht zum ersten Mal war die Europa-Univer-sität Gastgeber und Organisator einer Veran-staltung zum Thema der EU-Osterweiterung,und dies nicht ohne Grund: Präsidentin Prof. Dr.Gesine Schwan verwies zu Beginn der Veran-staltung auf die im Gründungsauftrag veranker-te Brückenfunktion der Viadrina zwischenDeutschland und Polen und die sich darausergebende besondere Rolle im Prozess derErweiterung der EU. Einwänden, die Diskussionzu Chancen und Risiken der EU-Osterweiterungsei längst überholt und nicht mehr aktuell,begegnete Hans-Georg Gerstenlauer, stellver-tretender Leiter der EU-Kommission, Vertretungder Bundesrepublik Deutschland in Berlin, in sei-nen Begrüßungsworten. Gerade jetzt, wo derBeitritt der neuen Mitgliedsländer direkt bevor-stehe, seien Veranstaltungen wie diese beson-ders wichtig, um aufkommender Nervosität undÄngsten in der Bevölkerung mit sachlicher Auf-klärung entgegenzutreten. In zwei Diskussionsblöcken bezogen Vertreterverschiedener Ebenen und Einrichtungen kri-tisch Stellung zu aktuellem Stand, zukünftigenEntwicklungen sowie Vor- und Nachteilen derOsterweiterung. Unter der Moderation von

Klaus Bachmann vom Warschauer Büro desTagesspiegels diskutierten Viadrina-Professorenund Vertreter der EU-Kommission, Vertretungder Bundesrepublik Deutschland, sowie derLandesregierung im ersten Veranstaltungsblockzum Thema „Stand und Perspektiven derOsterweiterung”. Prof. Dr. Hans-Jürgen Wagener von der Wirt-schaftswissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität, äußerte in seinem Eingangsstate-ment Kritik am bisherigen Verlauf des Beitritts-prozesses. Durch einen fehlenden Beitrittszeit-plan verzögere sich die geplante Erweiterung,wodurch u. a. die Verunsicherung in denbetroffenen Ländern steige. Um diesen Länderneine Perspektive zu geben, forderte Wagenereine genaue Strategie der EU, aus der ein Zeit-plan mit einzelnen Etappen des zu vollziehen-den Beitritts ersichtlich werde. Gleichzeitigäußerte er Zweifel an der Schutzfunktion vonÜbergangsregelungen für die Grenzregion. Die-se beträfen nur die Arbeitnehmerfreizügigkeit.Problematisch für den regionalen Markt seienjedoch eher die Gewerbe- und Dienstleistungs-freiheit, für die keine solche Übergangsregelun-gen geplant seien. Auf Wageners Kritik hin-sichtlich einer fehlenden EU-Strategie für denBeitritt erwiderte Hans-Georg Gerstenlauer,eine Strategie der EU sei sehr wohl vorhanden.Nur mache es keinen Sinn, einen genauen Zeit-plan festzulegen, wenn das Beitrittsdatum vomFortschritt der Verhandlungen zu Übergangsfri-sten u. ä. abhinge. Jedoch sei mit der Festle-gung eines Zeitfensters von zwei Jahren für denbevorstehenden Beitritt eine klare Perspektivefür die betroffenen Länder gegeben. Die Auswirkungen der Osterweiterung auf dendeutschen Arbeitsmarkt beschrieb Prof. Dr. GertG. Wagner, Europa-Universität Viadrina, als

mittel- und langfristig positiv. Er räumte jedochein, dass nicht jeder in gleichem Maße profitie-ren werde. Auf die Frage von Viadrina-Präsi-dentin Prof. Dr. Gesine Schwan nach wirklichvorhersehbaren Problem-Aspekten, mit denendie Region Frankfurt (Oder) im Zuge der EU-Osterweiterung konfrontiert werde, und derNotwendigkeit von Übergangsfristen verwiesWagner auf eine „Faustregel” die besagt, dassVorteile der Osterweiterung mit höherer Quali-fikation der Arbeitnehmer und mit größerer Ent-fernung zur Grenzregion steigen. GrenznaheRegionen seien somit besonders von etwaigennegativen Auswirkungen der Osterweiterungauf den Arbeitsmarkt betroffen. Um dem regio-nalen Arbeitsmarkt die Möglichkeit zu geben,sich auf den zu erwartenden Pendlerstrom ein-zustellen, seien, so Wagner, Übergangsfristenfür die Arbeitnehmerfreizügigkeit sachlichgerechtfertigt. Hans-Georg Gerstenlauer beton-te, dass diese „Faustregel” differenziert zubetrachten sei. Die Grenzregion könne, wennsie ihr Potenzial ausschöpfe, in besonderemMaße von der Osterweiterung profitieren. Hierliege jedoch eine große Herausforderung für dieInformations- und Kommunikationsarbeit, umden regionalen Unternehmungen diese Chancezu verdeutlichen.Die Osterweiterung sei noch nicht gut genugvorbereitet, räumte Gustav-Adolf Stange,Staatssekretär im Ministerium der Justiz und fürJustizangelegenheiten des Landes Brandenburg,ein. Bislang sei zu wenig für die Aufklärung derBevölkerung getan worden, was dringendnachgeholt werden müsse. „Wie weit kannman aber vorbereiten, wenn derart stark veran-kerte Vorurteile existieren, wie sie sich derzeit inder Region Frankfurt (Oder) zeigen?” fragteGesine Schwan. Scheinbar bestünden auf bei-den Seiten der Grenze starke Vorurteile, so dassniemand bereit sei, auf den anderen zuzugehen.Hans-Georg Gerstenlauer stimmte hier zu. Eineuropäisches Problembewusstsein existierenicht. „Das Gefühl für die Probleme der ande-ren ist noch nicht genug ausgeprägt. Dies istjedoch eine wichtige Voraussetzung für einZusammenleben in einer Gemeinschaft.” UmVorurteilen zu begegnen und diese abzubauen,habe die Kommission die Durchführung einerInformations- und Kommunikationskampagnebeschlossen, die demnächst beginnen werde.Dass gerade die Kommunikation zwischenDeutschen und Polen, die entscheidend für denAbbau von Vorurteilen ist, ausbaufähig sei,stellte ein Zuhörer aus dem Publikum fest undfragte, wieso, wenn über die EU-Osterweite-rung geredet wird, kein polnischer Diskussions-teilnehmer im Podium sitzt. Veranstaltungsor-ganisatorin Bettina Morhard räumte ein, dassdies eine berechtigte Kritik sei. Es sei selbstver-ständlich versucht worden, polnischeGesprächspartner zu gewinnen. Leider hättendiese jedoch nicht an der Veranstaltung teilneh-men können.

FORTSETZUNG NÄCHSTE SEITEDiskutierten in der ersten Runde im Podium: Prof. Dr. Gert G. Wagner, Klaus Bachmann, Prof. Dr.Gesine Schwan, Hans-Georg Gerstenlauer und Prof. Dr. Hans-Jürgen Wagener (v.l.n.r.).

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[UNION] Tagungen17

Seit rund einem Jahr kooperierenHochschullehrer der Europa-UniversitätViadrina, der Staatlichen Universität St.Petersburg und der FernUniversitätHagen im Rahmen eines Projekts zumProblemkreis Umweltmanagement undUmweltökonomie. DieVolkswagenstiftung fördert dieseVorhaben. Neben dem gemeinsamenErarbeiten von zwei Lehrbüchern für denrussischen Leser und der Übersetzungeines weiteren deutschen Werkes beiEinbeziehung russischerNachwuchswissenschaftler ist bis 2003auch die Durchführung von dreiWorkshops an den Standorten St.Petersburg, Wolgograd und Ekaterinburgvorgesehen.

Der erste Workshop fand am 29. und 30.Mai an der Ökonomischen Fakultät derStaatlichen Universität St. Petersburgstatt. In 25 Fachvorträgen wurden theo-retische, praktische und lehrmethodischeFragen von Umweltmanagement undUmweltökonomie vor 40 Teilnehmern ausRussland, Belarus und Deutschland be-handelt. Die anwesenden deutschenGäste, insbesondere Professor AlfredEndres (FernUniversität Hagen), ProfessorKnut Richter und Stephan Haensch(Viadrina), stellten neuere Entwicklungenin Forschung und Praxis vor. Olga Haensch (Viadrina) übersetzte viele

der Beiträge und managte das vielfältigeKonferenzgeschehen.

Die Teilnehmer der Workshops, viele da-von aus St. Petersburg, jedoch auch ausMoskau, Kasan, Ekaterinburg,Archangelsk, Kaliningrad, Marij-El, Minsku. a., berichteten mehr von ihrenBemühungen unter den schwierigenBedingungen der dortigen Hochschulen –seit Jahren überlässt der Staat dieHochschulen in finanzieller Sicht faktischihrem Schicksal. Um so mehr waren sieerfreut, ein erstes Lehrbuch zu diesemFachgebiet in russischer Sprache in denKonferenzunterlagen zu finden, das diedeutschen Teilnehmer zusammen mit derSt. Petersburger Professorin NadeshdaPachomova verfasst und in St. Petersburgveröffentlicht haben. Übereinstimmendbefanden die Teilnehmer, dass ihnen da-mit jetzt das modernste russischeLehrbuch für die Überarbeitung derVorlesungen zur Verfügung steht. Dieangereisten Gäste waren auch dankbarfür die Finanzierung ihrer Reisekostendurch die Volkswagenstiftung und hobenhervor – wenn auch mit gewisserWehmut –, dass heute fast nur ausländi-sche Stiftungen den für Wissenschaftlerso notwendigen Erfahrungsaustausch inRussland ermöglichen.

KNUT RICHTER

FORTSETZUNG VON SEITE 16

Auswirkungen der bevorstehenden Osterwei-terung auf die Region wurden im zweitenBlock der Veranstaltung zum Thema „Chan-cen und Risiken der Osterweiterung für Bran-denburg und die deutsch polnische Grenzregi-on” erörtert. Gustav-Adolf Stange hob die inder Landesverfassung verankerte besondereVerpflichtung Brandenburgs gegenüber Polenhervor, was auch bedeute, dass die EU-Oster-weiterung unbedingt als ein weiterer großerSchritt in der deutsch-polnischen Annäherunggenutzt werden müsse. Aufgrund strukturellerDefizite im Land Brandenburg sei es aber fürkleine und mittelständische Unternehmerschwer, neue Märkte zu erschließen. Hier seidie Eigeninitiative der Länder gefordert, um inder Bevölkerung für Aufklärung und ausrei-chende Bildung zu sorgen. So erweise sichbeispielsweise die Sprachbarierre als entschei-dendes Hemmniss bei der Zusammenarbeitmit Polen. Prof. Dr. Hermann Ribhegge, Wirt-schaftswissenschaftliche Fakultät der Viadrina,schloss sich dieser Meinung an. Die entschei-dende Frage sei: „Wie wird Ostdeutschland fitfür die Osterweiterung?”.

Elisabeth Schrödter, MdEP (Grüne Fraktion),plädierte für eine Regelung auf europäischerEbene, die die geplante EU-Osterweiterungum fünf Jahre verschiebe, so dass Zeit für einegründlichere Vorbereitung der einzelnen Län-der bliebe. Die fehlende Vorbereitungszeit fürdie ansässige Wirtschaft bezeichnete auchKlaus Kröpelin, Geschäftsfeldleiter für Regio-nale Wirtschaftsentwicklung der IHK Frankfurt(Oder), als entscheidendes Defizit der Region.Im Unterschied zu westdeutschen Firmenwürden die hiesigen mittelständischen Unter-nehmen noch nicht über die finanzielle Sicher-heit verfügen, die sie für die bevorstehendenHerausforderungen der Osterweiterung benö-tigen. Die bereits angesprochene Struktur-schwäche Ostdeutschlands sei das eigentlicheProblem. Jürgen Watzlaw, Hauptgeschäfts-führer der Handwerkskammer Frankfurt(Oder), forderte eine schnelle Regelung mög-licher Übergangsfristen für Arbeitnehmer- undDienstleistungsfreizügigkeit, auf deren Grund-lage sich brandenburgische Firmen auf diebevorstehende Integration des Arbeitsmarktesvorbereiten können. Auf eine weitere große Schwäche der Grenz-region verwies Prof. Ribhegge. Neben der

mangelhaften Ausstattung mit Realkapital lei-de die Region unter ihrem geringen Sozialka-pital. Dabei bezog sich Ribhegge besondersauf die mentale Einstellung und Defizite in derBildung. Dies führe dazu, dass bestehendesPotenzial nicht genutzt würde. So sprächebeispielsweise das Angebot des brandenburgi-schen Einzelhandels polnische Kunden wenigan, weil sprachliche Barrieren bestünden. Umdie Grenzregion in Zukunft wettbewerbsfähigzu halten, forderte Ribhegge eine gezielteAusbildungsförderung, um die angesproche-nen Defizite im Sozialkapital auszugleichen.Auch Rainer Barcikowski, Arbeitsdirektor derEKO Stahl GmbH, betonte die Bedeutung dersogenannten „weichen” Faktoren für denErfolg der EU-Osterweiterung. Durch gezielteAusbildung, wie z. B. „Ethnocoaching”, müs-se die kulturelle Kompetenz der Beteiligtenerhöht werden. Neben der wirtschaftlichenKooperation sei die wissenschaftliche Koope-ration mit den zukünftigen EU-Partnerlän-dern, insbesondere mit Polen, entscheidendfür das Gelingen der Osterweiterung. Die Via-drina sei an dieser Stelle Vorreiter mit Vorbild-funktion für die Grenzregion.

CHRISTINE JESSE

Umweltmanagement-Workshop –Neues Lehrbuch für Hochschulen

[UNIon]-Herausgeber:Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)Präsidentin Prof. Dr. Gesine SchwanISSN 0948-2903

Redaktion, Layout:Referat Presse- und ÖffentlichkeitsarbeitANNETTE BAUER

Mitarbeit: CHRISTINE JESSE

Fotos: HEIDE FEST

Texterfassung: KATRIN NOACK

Redaktionsanschrift:Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der EUVGroße Scharrnstraße 5915230 Frankfurt (Oder)

Telefon 0335 · 55 34 515, 5534 50955 34 368, 55 34 601

Fax 0335 · 55 34 354, 55 34 600

E-Mail: [email protected]

WWW:http://www.euv-frankfurt-o.de/~presse

Redaktionsschluss für diese Ausgabe:15. Juli 2001

Druck: Fürstenberger Druck und Verlag GmbHEisenhüttenstadt

Auflage: 6 000 Exemplare[UNIon] erscheint vierteljährlich und wird kostenlos abgegeben.

Die Redaktion behält sich vor, Beiträgeund Leserbriefe sinnwahrend zu kürzen.

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[UNION] Tagungen18

In Kooperation mit dem Warschauer Büro derFriedrich-Ebert-Stiftung veranstaltete derLehrstuhl für Vergleichende Mitteleuropastu-dien am 31. Mai/1. Juni 2001 das 2. Europa-Treffen am Collegium Polonicum. Bei dieserim vergangenen Jahr ins Leben gerufenenVeranstaltungsreihe geht es darum, die Aus-wirkungen der Implementierung westlicherStandards besonders auf die Lebenswirklich-keit von Frauen in den Beitrittsstaaten Ost-mitteleuropas zu beleuchten. Des Weiterenist es ein wichtiges Anliegen der Europa-Treffen, Vertreter von Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen aus Ost und Westan einen Tisch zu bringen, um das gegensei-tige Verständnis zu verbessern.

Der thematische Schwerpunkt lag diesmal aufden Auswirkungen der Reform des polnischenGesundheitswesens des Jahres 1999. Im Zugedieser Reform wurde in Polen ein duales Sys-tem der medizinischen Versorgung eingeführt,bestehend aus einer staatlich finanziertenGrundversorgung und einem zusätzlichen pri-vaten Sektor. Die Tragweite dieses Schrittesbeschrieb eine Journalistin der „GazetaWyborcza", Elzbieta Cichocka, mit den Wor-ten: „Am Tag der Einführung der Reformerwachte man in einem anderen Land.“ Dasgrößte Ärgernis bildete für alle Beteiligtenzunächst ein absolutes „Informationschaos“,welches mit der neuen Rechtslage einherging.Dies lag zum einen daran, dass das Gesetzviele Lücken bzw. Ungereimtheiten aufwies,der Klärungsbedarf also ziemlich hoch war.Zum anderen konstatierte Frau Cichocka fürPolen das Fehlen einer Tradition der sachli-chen Information; regierungsamtliche Stellenwollen nicht informieren, sondern überzeu-gen, wodurch Sachverhalte von Anbeginntendenziös und verfälscht in die öffentlicheDiskussion gelangen.

Wie ein roter Faden zog sich durch die meis-ten Referate und Diskussionen das Span-nungsverhältnis zwischen der zunehmendenKommerzialisierung des Gesundheitssektorsund den Bedürfnissen der Patienten. KrzysztofTeodoruk, Vorsitzender des Gesundheitsaus-schusses des polnischen Städtetages, wies aufden Kompetenzzuwachs der Kommunendurch die Reform hin und stellte die Frage, obdie kommunalen Gesundheitszentrengrundsätzlich nur kassenärztliche Leistungenzur Verfügung stellen dürfen oder auch priva-ten Dienstleistern Raum geben dürfen. DerUnterstaatssekretär aus dem polnischenGesundheitsministerium, Andrzej Rys, wiesdarauf hin, dass mit der Übernahme des aquiscommunautaire der EU durch Polen (ca. 500Rechtsakte im Gesundheitsbereich) keingrundsätzliches Problem gelöst wird, da eskein einheitliches europäischesGesundheitssystem gibt und jedes Land wei-

terhin seinen eigenen Weg finden muss. In seinem Vergleich der polnischen und derdeutschen Reformen im Gesundheitswesenverwies der Leiter des medizinischen Control-lings im Klinikum Frankfurt (Oder), KrzysztofKaêmierczak, darauf, dass Ärzte in beidenLändern tendenziell zu Managern ihrer selbstwerden, dabei den Erfordernisse der Verwal-tung immer mehr Priorität einräumen (müs-sen), wodurch die Bedürfnisse des Patientenin den Hintergrund gedrängt werden. Aufeine polnische Besonderheit machte der ehe-malige polnische Gesundheitsminister und jet-zige Direktor des Warschauer Bielany-Kran-kenhauses, Marek Balicki, aufmerksam, als erberichtete, dass statistisch jeder Pole noch ein-mal 40 Prozent der Summe, die pro Kopf fürdas öffentliche Gesundheitswesen aufge-wendet werden, privat für Medikamente undmedizinische Dienstleistungen ausgibt. Damitnimmt Polen bei diesen sogenannten „out ofpocket“- Ausgaben einen europäischen Spit-zenplatz ein.

Zu einem besonders heiklen Thema im polni-schen Gesundheitswesen, nämlich dem desZugangs zur legalen Abtreibung, sprach Alek-sandra Solik von der Föderation für Frauenund Familienplanung in Warschau. Zwar ent-spricht die Gesetzeslage in diesem Bereichdurchaus den Standards der WHO (medizi-sche Indikation bei gesundheitlicher Gefähr-dung der Schwangeren, Schäden am Fötusoder bei Vergewaltigung), jedoch ist es aufGrund des vor allem durch die katholische Kir-che erzeugten gesellschaftlichen Klimas fastunmöglich, einen Arzt zu finden, der einensolchen legalen Eingriff vornimmt. So werdenviele Frauen in die Illegalität getrieben, wohin-gegen die offizielle Statistik für das Jahr 2000lediglich 190 legale Abtreibungen in Polenausweist. Dass Frau Soliks Vortrag selbst beiden anwesenden polnischen Ärzten undGesundheitsfunktionären Überraschung undBetroffenheit auslöste, zeigt, wie tabubehaftetdieses Thema in Polen ist.

Einen Tagungsbeitrag mit Lokalkolorit leistetedie in der Bibliothek des Collegium Polonicumangestellte Jolanta Gambus, die eine von ihrmitinitiierte Umfrage zur Patientenzufrieden-heit in S‡ubice präsentierte. Auch dieseUmfrage belegt, dass das polnische Gesund-heitswesen momentan von einer allseitigenÜberforderung geprägt ist. Zwar haben sichdie Standards der medizinischen Versorgungseit der Reform verbessert, sind jedoch meistnur im privaten Sektor zu erhalten. VieleFachärzte behandeln nur noch privat undhaben keine Verträge mit den Krankenkassen,was für Kassenpatienten oft weite Reisen zumnächsten Kassenarzt nach sich zieht. Die Pati-enten, die vor 1999 unentgeltlich so vieleArztbesuche machen durften, wie sie wollten,

fühlen sich heute durch die Krankenkassengegängelt, vor allem durch die Einführung dessogenannten „Arztes des ersten Kontakts",der etwa dem deutschen Hausarzt entspricht.An diesen muss der Patient sich wenden, umgegebenenfalls zu einem Spezialisten über-wiesen zu werden. Da aber diese „Ärzte desersten Kontakts" aus ökonomischen Gründenhäufig von einer Überweisung absehen undselbst Behandlungen vornehmen, für die sienicht ausreichend qualifiziert oder ausgestat-tet sind, sorgt dieses System für Unmut unterden Patienten. Teil der Umfrage war auch die Ermittlung desbeliebtesten Arztes und der beliebtesten Kran-kenschwester S‡ubices. Gewonnen haben denTitel der Internist Zbigniew Moszczuk und dieKrankenschwester Dorota Górecka, die dafürbeim Europa-Treffen geehrt wurden. Beidearbeiten im Krankenhaus von S‡ubice und eswurde ihnen von Patientenseite nebenFreundlichkeit und Kompetenz explizit auchEhrlichkeit attestiert; ein Zeichen dafür, dassdiese Tugend in Zeiten der Kommerzialisie-rung des Gesundheitswesens keine Selbstver-ständlichkeit mehr ist und der zunehmendeVertrauensschwund zwischen Arzt und Pati-ent einen der Negativeffekte der Reformendarstellt. ULRICH RÄTHER

2. Europa-Treffen am Collegium Polonicum:Patientenärger durch Reform des Gesundheitswesens

Zählen zu den beliebtesten Medizinern S‡ubi-ces: Dorata Górecka und Dr. ZbigniewMoszczuk.

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[UNION] Aktion19

Eine AStA-Satire zur finanziellen Situation derbrandenburgischen Hochschulen im Allgemei-nen und der Viadrina im Besonderen sorgteAnfang Juli in der Öffentlichkeit für Verwirrung.In einer Pressemitteilung hatte der AStA mitge-teilt: „Letzte Meldung: das Schicksal der Viadri-na von 1811 steht ihr erneut bevor: Die Europa-Universität ist pleite. Wegen nicht eingelösterZahlungsversprechen seitens des Landes Bran-denburg ist unsere Universität in Zahlungsrück-stand geraten. Ihre Gläubiger haben nun denPfändungsbeschluss erwirkt. Sie hoffen, auf die-se Weise ihren nicht durchsetzbaren Bildungsan-spruch wenigstens durch materielle Werte aus-zugleichen … So endet nach nur zehn Jahrender Traum von einem Unternehmen für Euro-pa“. Die Meldung ging durch alle Medien. Ver-zweifelte Anrufe von Studenten, Müttern, Fir-men folgten.Präsidentin Prof. Gesine Schwan stellte klar: DieViadrina ist nicht „pleite“, Forschung und Lehregehen weiter, aber die Universität ist drastischunterfinanziert und braucht für ihren speziellenAuftrag eine breitere finanzielle Basis, um die siesich gemeinsam mit WissenschaftsministerinProf. Johanna Wanka bemüht.

Der AStA brachte inder Folgewocheeinen „Kuckuck“ an,um auf den dringen-den Finanzbedarf derUniversität aufmerk-sam zu machen, undversteigerte in eineroriginellen Aktion –fast alles …

A. BAUER

„Viadrina gepfändet und öffentlich versteigert?Satirische AStA-Aktion sorgte für Wirbel in der Medienlandschaft

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Voll in Aktion: Armin Rothermund (Mitte) alsAuktionator mit Mateusz Hartwich. VomBrandenburgischen Landesrecht von 1992 über einenKartoffelsalat aus der Mensa bis hin zu VizepräsidentinJanine Nuyken und Vizepräsident Prof. HermannRibhegge wurde alles versteigert, was greifbar war,„um noch etwas Geld zusammenzukratzen“. DieMedien waren wieder dabei, bei dieser Aktion für dieViadrina.

Uni-Förderkreis wählte neuen VorstandBei seiner Jahresmitgliederversammlungwählte der Förderkreis der Europa-Univer-sität, dem inzwischen rund 150 Mitgliederangehören, einen neuen Vorstand:

- Dr. Wolfgang Denda, Stadtwerke Frankfurt (Oder)

- Heidrun Förster, IHP Frankfurt (Oder)- Ursula Jung-Friedrich,

Rechtsanwältin Frankfurt (Oder)- Edgar Most, Deutsche Bank Berlin- Dr. Thomas Schneider, Sparkasse Frankfurt (Oder)

- Michael Zuberbier, Commerzbank Frankfurt (Oder)

Zudem gehören dem Vorstand kraft ihresAmtes Uni-Präsidentin Gesine Schwan undKanzler Peter Stahl, AStA-Vorsitzender RobertSuligowski und die Bürgermeister von Frank-furt und S‡ubice, Wolfgang Pohl undStanis‡aw Ciecierski, an.

Während der Mitgliederversammlung gab diePräsidentin einen Bericht zur prekären finanzi-ellen Situation und zur Entwicklung der Via-drina. Sie informierte über steigende Bewer-berzahlen, internationale Konferenzen undBesuche und die Gründung einer Medienaka-demie in Sofia gemeinsam mit der SofioterUniversität. Um die internationalen Kontakteauszubauen, führte die Präsidentin in den

zurückliegenden Monaten Gespräche inMinsk, Wroc‡aw, New York und Berkeley.Nach der Mitgliederversammlung gab eseinen gemeinsamen Empfang des Förderkrei-ses mit den INTERSTUDIS.Der Förderkreis unterstützt das Stipendienpro-gramm der Universität für osteuropäische Stu-dierende. Er fördert deutsch-polnische undinternationale Projekte von Studierenden und

Wissenschaftlern sowie das regionale Wirkender Viadrina. Alljährlich im November lädt derFörderkreis zum Universitätsball „GaudeamusIgitur“ ein.Geschäftsführer ist Dr. Jürgen Grünberg, beidem Informationen zum Förderkreis sowieMitgliedsanträge erhältlich sind. Auskünfteunter Tel.: 0335 5534 235.

ANNETTE BAUER

Ursula Jung-Friedrich, Dr. Jürgen Grünberg, Dr. Wolfgang Denda, Prof. Gesine Schwan, KanzlerPeter Stahl und AStA-Vorsitzender Robert Suligowski während der Jahresversammlung.

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[UNION] Studium20

Der postgraduale Master-Studiengang„Schutz europäischer Kulturgüter" (SEK) derKulturwissenschaftlichen Fakultät, der seiteinigen Semestern mit sehr gutem Erfolg undständig zunehmenden Studentenzahlen amCollegium Polonicum angeboten wird, wirdvoraussichtlich im kommenden Herbst dieersten Absolventen entlassen.Neben Lehrangeboten zum Kulturgüterschutzaus einschlägigen Wissensgebieten der Kul-tur-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaftensind zwei mindestens vierwöchige Praktikaein wesentlicher Bestandteil des weiterbil-denden dreisemestrigen Studiums.

Die Praktika dienen einerseits dazu, den Stu-dierenden einen Einblick in die Arbeitsweisevon kulturgutschützenden Institutionen im In-und Ausland zu vermitteln, andererseits sindsie natürlich auch hervorragend dazu geeig-net, Kontakte zu knüpfen, aus denen sichinteressante Perspektiven für das weitereBerufsleben ergeben können. Die Praktikums-plätze werden größtenteils zwar durch dieArbeitsgruppe SEK am CP vermittelt, aber esist ebenfalls möglich, dass die Studierendenselbst eine interessante Praktikumsstelle aus-wählen. Inzwischen haben die meisten Teil-nehmer der ersten Gruppe diese Praktika inden verschiedensten Institutionen und Län-dern absolviert. Einige interessante Praktikumsplätze im Inlandsind z. B. bei einem der wichtigsten Koopera-tionspartner des Studiengangs, dem Branden-burgischen Landesamt für Denkmalpflege inWünsdorf. In den verschiedensten Zuständig-keitsbereichen, also sowohl im denkmalpfle-gerischen wie im restauratori-schen Bereich als auch in derRechtsabteilung, kann gearbeitetwerden. Weitere Plätze in dernäheren Region gibt es imzuständigen Referat des Wissen-schaftsministeriums sowie imMuseum für Alltagskultur derDDR (DoK) in Eisenhüttenstadt.Beispielsweise macht im Augen-blick ein berufstätiger Teilnehmer, KrystianSkoczowski, der selbst akademisch ausgebil-deter Kirchenmusiker ist, ein Praktikum an derForschungsstelle für Orgeldokumentation derTU Berlin, Fachbereich „Angewandte Infor-matik“. Er ist damit betraut, für eine Doku-mentation alle relevanten Daten der Orgeln inkatholischen Kirchen in Berlin zusammenzu-tragen, was für ihn selbst eine Bereicherungdes eigenen Fachwissens, für den Projektbe-treiber angesichts der Berufserfahrung vonHerrn Skoczowski aber auch eine höchst will-kommene kompetente Mitarbeit ist.

Eine zweite Praktikantin, Grietje Suhr, nachihrer ersten Ausbildung Archäologin, arbeitetz.Zt. in Baltimore, Maryland. Sie macht einesihrer Praktika im Museum der Maryland

Historical Society, das sich mit der GeschichteMarylands vor dem Hintergrund der Einwan-derungen aus Europa beschäftigt. Sie arbeitetdort im Gallery Department und hilft bei denVorbereitungen für eine große Ausstellungüber den Stadtbrand von 1904, bei dem diegesamte Innenstadt von Baltimore vernichtetwurde. Zuvor hatte Frau Suhr ihr erstes Prakti-kum in Estland absolviert, und zwar im Con-servation Center „Kanut“ in Tallinn. DirektorTannar Ruben war zuvor als Gastdozent am

Collegium Polonicum und hattedort in der Blockphase Januar2001 eine interessante Seminar-reihe über Denkmalpflege undrestauratorische Problemstellun-gen im Baltikum angeboten.

Der Historiker Thomas Jägerabsolvierte sein Praktikum beimWelterbezentrum der UNESCO

(United Nations Educational Scientific andCultural Organization) in Paris. Auch dessenGründungsdirektor, Dr. Bernd von Droste,war bereits als Gastdozent am Collegium.

Ein Praktikumsplatz bei der UNESCO in Parisgehört natürlich zu den „Traumstellen", bieteter doch die Möglichkeit, neben Einblicken inArbeits- und Funktionsweise einer internatio-nalen Organisation mit internationalen Spit-zenmanagern des Kulturgüterschutzes zusam-menzuarbeiten.

Ein weiteres Highlight unter den SEK-Prakti-kumsplätzen befindet sich in Ägypten: In derislamischen Altstadt von Kairo hat Mariethe-res Arvay, ausgebildete Kunstgeschichtlerinund Restauratorin aus Graz, ihr Praktikumabsolviert. Die für SEK-Studierende exklusive

Arbeitsmöglichkeit ist beim „ConservationProject of Bab Zuwayla" eingerichtet. Daskonservatorische Großprojekt unter der Lei-tung von Dr. Nairy Hampikian wird von deramerikanischen USAID (United States Agencyfor International Development) in Zusammen-arbeit mit der obersten ägyptischen Antiken-behörde in Kairo (Restoration and Preservati-on of Egyptian Antiquities Project, ARCE-EAP)finanziert. Das riesige Gebäude Bab Zuwayla (11. Jh.)war einst das prächtige südliche Stadttor inder teilweise heute noch erhaltenen Stadt-mauer des mittelalterlichen Kairo. Heute mit-ten in der Stadt am Fuße der berühmten Zita-delle des Ayyubidenherrschers Salah-ed-Dingelegen, wird es von allen Touristen besucht.Unter doch sehr fremden und ungewohntenBedingungen arbeitete Frau Arvay an derKonservierung von Inschriften aus dem 15. Jh.sowie Wandgemäldefragmenten aus dem 14.und 18. Jh. Gerade jene historischen Wissenschaften, diefür den Kulturgüterschutz von überragenderBedeutung sind, haben nicht zuletzt hier anägyptischen Kulturzeugnissen ihren Ausganggenommen bzw. haben wie die Ägyptologieihre spezifische Ausprägung gefunden. Unddeshalb hatte Marietheres Arvay neben IhrerArbeit natürlich auch ausreichend Zeit, denKontakt zu Fachkollegen aus all den Ländern,die konservatorische Projekte in Kairo betreu-en, herzustellen und sich über die Denkmal-pflegetradition des Landes zu informierensowie über die jahrhundertealte Tradition derArbeit ausländischer kulturgutschützenderStiftungen, Forschungs- und Wissenschaftsin-stitutionen.Auch in Zukunft wird Dr. Hampikian, dieneben Großprojekten in Ägypten auch solchein Armenien verantwortet, wieder gern Prakti-kanten des EUV-Studiengangs aufnehmen.Der Kulturgüterschutz, so sagt sie, der jaschließlich für das Gedächtnis der Menschheitunabdingbar sei, brauche künftig mehr undmehr Experten, die ihre beruflichen Fähigkei-ten und ihr Fachwissen mit Improvisationsbe-reitschaft und dem Blick für das Machbareunter ökonomisch und technisch schwierigenBedingungen umsetzen können. Der Master-Studiengang am fernen Collegium Polonicumwerde diesem Bedarf in idealer Weise gerecht.

Einzigartige Praktikumsplätze wird die Arbeits-stelle SEK auch künftig bereitstellen können.Inzwischen konnte ein dichtes internationalesNetzwerk zu Wissenschaftlern und Konserva-toren geknüpft werden, so dass SEK-Studie-rende künftig auch für Praktika nach Sofia(städtische Denkmalschutzbehörde), Palermo(regionale Denkmalschutzbehörde), Sevilla(archäologische Kampagnen zur islamischenGeschichte Spaniens) oder Paris (Ecole duLouvre) vermittelt werden können.

MONIKA CYRAN

Fachleute mit Improvisationstalent im EinsatzPraktika des Masterstudiengangs „Schutz europäischer Kulturgüter“

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Marietheres Arvay bei der Arbeit

[Traumstellen in

Paris, Kairo,

Baltimore …]

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[UNION] Gäste21

Vom 6. bis 16. Juni 2001 waren 24 belarus-sische StudentInnen in Frankfurt zu Gast,womit der AStA als Träger des Projekts auchin diesem Jahr eine seit langem bestehendeTradition fortsetzte. Dennoch war dieses Malvieles anders. Neben den Studierenden derVeterinärmedizinischen Akademie Witebskwurden erstmals auch Delegationen derEuropäischen Humanitären Universität Minsk(EHU) sowie der Staatlichen LinguistischenUniversität Minsk (GLU) in das Austausch-programm aufgenommen, womit der AStAden Versuch unternahm, die von Seiten derPräsidentin bzw. des Russischlektoratsbereits bestehenden Verbindungen zu dengenannten Minsker Universitäten auch aufstudentischer Ebene mit Leben zu füllen. DieGäste wurden privat bei Viadrina-StudentIn-nen untergebracht und hauptsächlich vomAStA mit Unterstützung von egy – einer stu-dentischen Belarus-Initiative an der Europa-Universität – betreut. Das Programmumfasste die Teilnahme am Uni-Sommerfest,Stadtführungen durch Frankfurt, S‡ubice undBerlin, ein Wochenende am Helenesee,gemütliche Abende in geselliger Runde undnatürlich Parties, was durch die freundlicheUnterstützung des Akademischen Auslands-amtes, des Russisch-Lektorats, der Grotte,der KuFa, des Viadrina-Museums, des Kuwi-und Jura-Fachschaftsrates erheblich erleich-tert wurde. Einen besonderen Schwerpunkt des Pro-gramms bildeten jedoch die zahlreichen Dis-kussionen, für die bewusst Freiräumegeschaffen wurden. Insbesondere ein Sym-posium zum Thema „Belarus zwischen Isola-tion und Annäherung – Perspektiven derKooperation mit einer ost-erweiterten EU“,das am 8. Juni im CP von AStA und egy aus-gerichtet wurde, machtedeutlich, wie groß derDiskussionsbedarf nichtnur zwischen hiesigenund belarussischen Stu-dierenden, sondern auchunter den BelarussInnenselbst ist, denen in ihrerHeimat aufgrund der bri-santen politischen Situati-on angesichts der repres-siven und antifreiheitlichen Politik des dikta-torischen Präsidenten Alexandr Lukaschenkoeine freie Meinungsbildung und offene Stel-lungnahme kaum möglich ist. Einer derMinsker Studenten fragte: „Warum musstenwir eigentlich so weit bis an die deutsch-pol-nische Grenze kommen, um so eine offeneDiskussion über unser Leben führen zu kön-nen?“

Das Symposium wurde von Präsidentin Gesi-ne Schwan eröffnet und von der Politikwis-

senschaftlerin Dr. Barbara Christophe mode-riert, der es nicht leicht fiel, die gegensätzli-chen Positionen auf dem Podium zu versöh-nen, das mit dem Rektor der EHU MinskProf. Dr. Anatoly Mikhailov, dem belarussi-schen Botschaftsrat Edward Birilo, dem nie-dersächsischen Landtagsabgeordneten undGrünen-Fraktionssprecher für Bundes- undEuropaangelegenheiten, Stefan Wenzel,sowie dem freien Journalisten Holger Kulick,der zwei für das deutsche Fernsehen produ-zierte Dokumentationen über die demokrati-sche Opposition in Belarus vorstellte, besetztwar. Während Edward Birilo nur Positivesüber die Entwicklung seines Landes zuberichten hatte und den EU-Beitritt schon in

Sichtweite wähnte, machteStefan Wenzel deutlich,dass die diplomatischenBeziehungen der EU zurbelarussischen Regierungauf Eis l iegen würden,solange dort ein „zweiterMilosevic“ die Menschen-rechte und Regeln derDemokratie mit Füßen tritt.

Spätestens nach der Präsentation der Film-beiträge von Holger Kulick fühlte sich dieDelegation der GLU dann so weit provoziert,dass sie Ihrem Ärger über eine solch einsei-tig-negative Darstellung der Situation inihrem Land Luft machte und dann ihrerseitsWiderspruch aus den Reihen der EHU erfah-ren musste, während Witebsk schwieg – esschien, als würden die Schatten der sie be-obachtenden Administration die Gäste bis andie Oder verfolgen …

DANIEL REICHELT

Eine offene Diskussion über die Heimat fernabder Heimat – weissrussische Studis zu Gast

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Angeregte Diskussion im Collegium Polonicum.

Mexikaner ander Viadrina

Anfang Juni besuchte eine Gruppevon Studierenden des TEC Monterry(Mexiko) im Rahmen eines DAAD-Aufenthaltes die Viadrina und wurdevon Petra Weber von der Wirtschafts-wissenschaftlichen Fakultät mit eineminteressanten Programm willkommengeheißen: Vorlesungen zu Handel,Finanzen und Transformation,Gespräche und Besichtigungen.

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[UNION] Ehrungen22

Best-Paper-Award an WirtschaftsinformatikerProf. Dr. Karl Kurbel und Dr. Iouri Loutchkovom Lehrstuhl für Wirschaftsinformatik erhiel-ten den Best-Paper-Award für ihren Beitrag„Towards Multi-Agent ElectronicMarketplaces: What is There and What isMissing?” auf der internationalen Konferenz„ISI 2001 - Information Science Innovations”,die vom 17. bis 21. März an der AmericanUniversity in Dubai stattfand.

Der ausgezeichnete Beitrag entstand imRahmen eines DFG-Forschungsprojektes mitdem langen Titel „Soft-Computing-Technologien zur Berücksichtigung vonUnsicherheiten und Präferenzen beimAufeinandertreffen von Angebot undNachfrage auf agentenbasierten Marktplätzenim WWW”. Gegenstand dieses Projekts istdie Verbesserung von elektronischenMarktplätzen (z. B. elektronischenAuktionen), auf denen Software-Agenten (d.h. intelligente Computerprogramme) imAuftrag der Marktteilnehmer Geschäfte an-bahnen, Informationen beschaffen undAngebot und Nachfrage zusammenführen.Aufgrund technischer Grenzen fehlt den heu-tigen Marktplatzagenten die Fähigkeit, mitungenauen, „weichen” Informationen umzu-gehen und unsicheres Wissen zu verarbeiten.Verhandlungsvorgaben, Strategien undPräferenzen der Marktteilnehmer könnenhäufig aber nur unscharf ausgedrückt werden.

Ziel des Projektes, das voraussichtlich im Juni

2002 abgeschlossen wird, ist die Entwicklungvon Verfahren, die es einem intelligentenAgenten erlauben, dieses unsichere Wissen zuverarbeiten, um Marktteilnehmern zufrieden-stellende Verhandlungsergebnisse zu garan-tieren. Die ausgezeichnete Arbeit kann als ei-ne Art Zwischenbilanz angesehen werden, dieden bisherigen Stand der weltweiten

Forschung zu diesem Thema durchleuchtetund analysiert. Für den weiteren Verlauf desForschungsvorhabens zeigte sich Prof. Dr.Karl Kurbel optimistisch: „Der ‘Best-Paper-Award’ ist eine Bestätigung für unsere bishergeleistete Arbeit und eine zusätzlicheMotivation für unsere eigenen Beiträge zudiesem Forschungsgebiet.”

Prof. Dr. Karl Kurbel (rechts) und Dr. Iouri Loutchko.

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[UNION] Tagungen23

Linguisten-Jahrestagung

CACES-Abschlusskonferenz 2001: Fellowprogramm befasste sich mitMedientransformationsprozessen

Vom 4. bis zum 8. April war die Euro-pa-Universität Gastgeber der 25. Jah-restagung der Internationalen Gesell-schaft für Funktionelle Linguistik(Société Internationale de LinguistiqueFonctionnelle). Knapp 100 Wissenschaftler aus 20 Län-dern, darunter viele Teilnehmer ausMittel- und Osteuropa, aber auch ausAfrika, Nord- und Mittelamerika sowieWesteuropa, trafen sich in Frankfurt(Oder), um sich über aktuelle Problemeund Entwicklungen im Bereich Lingui-stik zu informieren und darüber zu dis-kutieren.

Organisiert wurde die Tagung vomLehrstuhl Sprachwissenschaft I von Prof.Dr. Harald Weydt. Dank der Hilfe der Deutschen For-s chungsge -meinschaft undder Robert-Bosch-Stiftungwar es möglich,die Teilnehmeraus Mittel- undOsteuropafinanziell zuunterstützen.Im Mittelpunktder Debattenstanden dreiThemenkom-plexe: Spra-chenpolitik,Standard und Dialekte, Semantik undStilistik. Des Weiteren gab es einenWorkshop zum Fremdsprachenlernenund -lehren sowie mehrere Einzelvorträ-ge.

Am Donnerstag, dem 5. April, fandenalle Veranstaltungen und Vorträge aufpolnischer Seite im Collegium Polonicumstatt. Um den Teilnehmern einen Ein-druck von Land und Leuten zu vermit-teln, gab es am zweiten Tag eine Exkur-sion in die landschaftlich schöne Umge-bung.

Den krönenden Abschluss der Tagungs-woche bildete ein Gala-Dinner in denRäumen der Mensa im Flachbau. Einvielbejubelter Auftritt der „Kuwi-Stars",eine einmalige und völlig neue Form desDeutschunterrichts und ein vorzüglichesFestmahl trugen dazu bei, diesen Abendfür alle zu einem unvergesslichen Erleb-nis werden zu lassen.

ANNETT ZINGLER

Prof. Dr. HaraldWeydt begrüßte die

Gäste.

Medientransformationsprozesse, Gesell-schaftlicher Wandel und Demokratisierungin Südosteuropa von 1989 bis 2000 standenim Mittelpunkt der Abschlusskonferenz desdiesjährigen Doktorandenprogramms desCenter for Advanced Central European Stu-dies (CACES) der Europa-Universität Viadri-na. In den Tagen vom 16. bis 18. Mai 2001luden die acht Fellows aus Albanien, Bulga-rien, Rumänien, Serbien und der Ukraine zuröffentlichen Präsentation ihrer Forschungs-ergebnisse aus den vergangenen Monaten.Darüber hinaus hatten die Fellows zahlreicheSüdosteuropa-Experten aus den BereichenMedien und Wissenschaft eingeladen, die inForm von Vorträgen jeweils kurze und bril-lante Einblicke in ihr Arbeitsgebiet boten.Der Diskussionsrahmen erweiterte sich aufdiese Weise umfassend auf zahlreiche weite-re Staaten Ost- und Südosteuropas wieMazedonien, Slowenien, Polen und Rus-sland. Um einen deutlichen Themenschwer-punkt zum Medium Fernsehen gruppiertensich Analysen zur Situation der Printmediensowie der Rolle des Internet in den Transitions-ländern. Den empirischen Berichten standenzugleich vergleichsweise theoretische Diskus-sionen wie beispielsweise zur Möglichkeit inter-kultureller Kommunikation durch die Medienund zur Rolle der Idee einer Zivilgesellschaft imTransformationsprozess gegenüber.

Zur Eröffnung der Konferenz konnten Vize-präsidentin der Europa-Universität, JanineNuyken, und Prof. Dr. Hartmut Schröder alswissenschaftlicher Leiter des diesjährigen Fel-lowprogramms zahlreiche Ehrengäste aus

der Region Südosteuropa begrüßen: Dr.Reinhard Haßenpflug, Kulturattaché derdeutschen Botschaft in Sofia, beehrte dieKonferenzgäste mit einem offiziellenGrußwort. Dr. Hristo Todorov und Dr. StilianYotov vertraten mit ihren Vorträgen die phi-losophische Fakultät der St.-Kliment-Ohrids-ki-Universität Sofia, die gemeinsam mit derEuropa-Universität das SüdosteuropäischeMedienzentrum sowie den postgradualenStudiengang „Medien und interkulturelleKommunikation“ ins Lebens gerufen hat.Ein kulturelles Rahmenprogramm am Abenddes zweiten Konferenztages komplementier-te die Beiträge zum Themenbereich Südost-europa um einen künstlerischen Aspekt: Diebulgarische Schriftstellerin Dr. Tzveta Sofro-nieva-Rötschke stellte in ihrer Lesung Aus-schnitte aus ihrer Lyrik und Prosa vor. ImAnschluss lud das musikalische Trio Mood toEast unter der Leitung von Dr. Cathrin Alischzu einer folkloristischen Reise durch die Bal-kanregionen.

Bereits in den Wochen vor der Konferenzhatten sich die Fellows bei Experten unter-schiedlicher Disziplinen im Rahmen zahlrei-cher Workshops über bereits vorliegendeForschungsergebnisse und Herangehenswei-sen zur Beschreibung und Analyse der Trans-formationsprozesse in Südosteuropa infor-miert. Im Rahmen einer Pressekonferenz inden Räumen der Heinrich-Böll-Stiftung prä-sentierten die Fellows vorab ihr Statementzur europäischen Integration der Balkanstaa-ten der Berliner Presse in den HackeschenHöfen: Sie selbst haben während der ver-gangenen acht Monate ihrer Fellowshipgemeinsam im Internationalen Begegnungs-zentrum (IBZ) der Europa-Universität gelebt,gearbeitet und sich so der schwierigen He-rausforderung interkultureller Kommunikati-on täglich aufs Neue gestellt.Das Graduiertenprogramm „Center forAdvanced Central European Studies“(CACES) ist eine Einrichtung der Europa-Uni-versität Viadrina. Dank der großzügigenUnterstützung der Otto-Wolff-Stiftung,Köln, widmen sich in diesem Rahmen jährlichacht Fellows unterschiedlichen Forschungsar-beiten im Bereich der Mitteleuropastudien.Das Programm wurde seit seiner Gründungim Jahre 1998 bereits zweimal durchgeführtund stand in diesem Jahr unter der wissen-schaftlichen Leitung von Prof. Dr. HartmutSchröder, Inhaber des Lehrstuhls für Sprach-wissenschaft II, insbesondere Fremdspra-chendidaktik, und wissenschaftlicher Leiterdes Sprachenzentrums der Europa-Univer-sität.

DOMINIC BUSCH

Leitete das Fellow-Programm 2001: Prof. Dr.Hartmut Schröder von derKulturwissenschaftlichen Fakultät.

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[UNION] Aktion24

Reger Andrang beim „Tag der offenen Tür“:

Seit Jahren ein bewährtes Team: Prof. Kaspar Frey, Prof.Stephan Kudert und Janine Nuyken (v.l.n.r.) informiertenüber die Studiengänge der drei Fakultäten Rechts-, Wirt-schafts- und Kulturwissenschaften. Studienberatung und Stu-dentenwerk gaben Tipps zum Studieren und Wohnen, zu denneuen BAföG-Regelungen, zu Fristen und Kosten. Das Spra-chenzentrum informierte über die Fremdsprachenausbildung.Beim großen Info-Markt präsentierten sich studentische Grup-pen und Vereinigungen. Was an der Viadrina in der Freizeit soabgeht, konnte man am Nachmittag im Ehrenhof ahnen, wounter anderem die Viaphoniker und der neugegründete Uni-Chor auftraten (Foto rechte Seite).

Die beiden Studierenden infor-mierten über die Arbeit von elsaund viele fragten an den Ständennach Betätigungsmöglichkeiten.

Dr. Krzysztof Wojciechowski, Britta Baum, Prof. Dieter Martiny, Dr.Stefanie Diekmann, Dirk Höhner, Dr. Carmen Thiele (v.l.n.r.).

Teresa Delgado, Dariusz Lipinski, Dr. Alexander Kritikos, Torsten Lorenz,Prof. Uwe Scheffler, Niklas Görlitz (v.l.n.r.).

Prof. Jan Winiecki, Dr. Uwe Müller, Dr. Bettina Morhard, Prof. HelgaSchultz, Dr. Kristof Dascher, Olaf Müller (v.l.n.r.).

Beatrix Eckert (l.)vom Immatrikula-tionsamt undKerstin Richter vonder Studienbera-tung standen fürNachfragen allerArt bereit undgaben Hinweise zuden Bewerbungen.

Vorträge über Virtual College, Mythos,Weltanschauung, Sprachen und Big Brother – die Referenten:

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[UNION] Aktion25

Vorträge, Gesprächsrunden, Infos zum StudiumBlick von oben in denEhrenhof desHauptgebäudes, indem am Nachmittagein Info-Markt statt-fand. Unterhaltungund Diskussionsrundenstanden auf demProgramm und gastro-nomische Angebotezur Stärkung.

An den beidenFolgetagen hatten dieStudieninteressentenGelegenheit zumSchnupperstudium undzum Wohnen mittenim prallenStudentenleben – inden Wohnheimen desF r a n k f u r t e rStudentenwerkes.

A. BAUER

„Kann die Schule noch erziehen?“ – diese provokante Frage stellte eineDiskussionsrunde, an der sich neben Frankfurter Lehrern auch Prof. Wal-demar Pfeiffer (l.), Prof. Gesine Schwan, Prof. Hermann Ribhegge und dieStudentin Anna Klein (r.) beteiligten.

„Preußen – wiederentdeckte Tugenden und historische Lasten“ warGegenstand einer Podiumsdiskussion, die Prof. Stefan Kowal (Pozn-an), Dr. Uwe Müller, Dr. Rita Aldenhoff-Hübinger und Prof. KarlSchlögel (v.l.n.r.) führten.

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[UNION] Internationales26

Diskussion: Europäische Visionen – Frankfurter Realitäten nach 10 Jahren„Europäische Visionen – Frankfurter Realitä-ten“ – unter diesem Titel fand am 4. Juli2001 eine öffentliche Podiumsdiskussion desDeutschlandfunks mit Uni-Präsidentin Prof.Dr. Gesine Schwan, dem Verwaltungsdirektordes Collegium Polonicum, Dr. Krzysztof Woj-ciechowski, Karin Wolff, freie Übersetzerinpolnischer Literatur, und Felix Ackermann,Student der Viadrina, statt. Gegenstand dervon Martin Sander moderierten Diskussionwar eine kritische Bilanz: Wie weit ist mander Vision einer europäischen Universität –zehn Jahre nach Gründung der Viadrina –näher gekommen, die diesen Namen auchverdient? Ist es in Forschung und Lehregelungen, neue Wege zu beschreiten, unddie Nachteile einer eher provinziellen Rand-lage in die Vorteile einer interkulturellenGrenzlage zu verwandeln? Inwieweit könnenFrankfurt und S‡ubice wirtschaftlich und kul-turell von der Hochschule profitieren? DieDiskussion wurde aufgezeichnet und in derReihe „Forum Kultur“ des Deutschlandfunksam 13. Juli 2001 ausgestrahlt.

Ausgehend von dem selbst auferlegtenAnspruch der Viadrina auf ihren grenzüber-schreitenden Charakter bezogen die Diskussi-onsteilnehmer Stellung zur Situation der Via-drina heute. Hauptgegenstand der Diskussionwar der Stand der deutsch-polnischen Zusam-menarbeit, der sehr unterschiedlich einge-schätzt wurde. Auf ein erreichtes „Minimum”des angestrebten optimalen deutsch-polni-sches Zusammenseins verwies Krzysztof Woj-ciechowski. Analog der möglichen Betrach-tungsperspektiven für eine Flasche Wodka –halb voll oder halb leer – sei dies, optimistischbetrachtet, schon sehr viel. „Der äußere Rah-men, vor allem das freundliche Verhältnis zwi-schen Polen und Deutschen, ist notwendigeBedingung für ein Miteinander, was auf dieserBasis früher oder später erreicht werden

kann.” Dass ein konfliktfreier Umgang einedeutsch-polnische Verständigung nicht auto-matisch herbeiführt, gaben andere Diskussi-onsteilnehmer zu bedenken. „Ich finde es ver-dächtig, dass es keine Konflikte zwischenDeutschen und Polen gibt”, merkte FelixAckermann an. Die Verwirklichung desAnspruchs der Viadrina sei vor allem Angele-genheit jedes Einzelnen: „Entscheidend ist,dass der Einzelne, Student wie Mitarbeiter,versucht, tatsächlich Kontakte herzustellen,selbst Brücken zu bauen”, so Ackermann. Dis-kussionsteilnehmer aus dem Publikum, wiez.B. Vizepräsidentin Janine Nuyken, stimmtenzu: „Der größte Feind der Uni ist die politi-sche Korrektheit. Deutsche und Polen müssensich richtig streiten können. Das ist ein Zei-chen, dass man sich gegenseitig ernstnimmt.” Dass dies nicht immer der Fall ist,bestätigten weitere Stimmen aus dem Publi-kum: Mateusz Hartwich, Student an der Via-drina, sieht das so: „Studenten wollen sichnicht kennenlernen. Sie sind gleichgültiggegenüber der Uni und gegenüber der Stadt.Diese Gleichgültigkeit ist zwar nicht ausge-prägter als anderswo, an einer Uni mit Aufga-ben, die viel Engagement fordern, ist siejedoch ein echtes Problem.” Karin Wolf mein-te, dass sich vor allem auch die Stadt besserauf die studentischen Bedürfnisse einstellenmüsse.Bilanz nach 10 Jahren Europa-Universität Via-drina: „Europa konkret ist schwieriger alsEuropa in der Rhetorik”, bestätigte GesineSchwan. Trotzdem könne die Viadrina stolzauf bisher Erreichtes zurückblicken. Als Visionund zugleich Wunsch für die Viadrina derZukunft beschrieb Schwan einen kleinen,lebendigen, in die Stadt eingebundenen Cam-pus. Die Europa-Universität soll „Normalität”werden: „Vor allem wünsche ich mir, dassnicht mehr andauernd gefragt wird: ‘Gefälltes Dir in Frankfurt?’.” CHRISTINE JESSE

Im Forum Felix Ackermann, Karin Wolff, Martin Sander als Moderator, Gesine Schwanund Krzysztof Wojciechowski (v.l.n.r.).

Angesichts knapper Haushaltskassen nimmt dieLobbyarbeit für die Viadrina in Brüssel einenwichtigen Stellenwert ein. Diese Gelegenheitnutzte Präsidentin Prof. Gesine Schwan zusam-men mit Dr. Bettina Morhard, InternationalesReferat, in einem zweitägigen, intensivenBesuchsprogramm mit 13 Besuchsterminen. Eswurde vom Büro des Landes Brandenburg beider EU, Büroleiter Herrn Balint und seiner Stell-vertreterin Frau Krüger, in ausgezeichneterWeise zusammengestellt und begleitet. ImKabinett des deutschen EU-Kommissars Ver-heugen informierte Frau Dr. Erler über denaktuellen Stand der Erweiterungsfortschritte.Sie machte Hoffnungen auf einen INTERREG-III-Einsatz im polnischen Teil des Grenzgebietesab 2004 – vorausgesetzt, dass Polen vorher derEU beitreten würde. Derzeit kommen PHARE-CBC-Mittel im polnischen Teil der Grenze zumEinsatz und INTERREG III-Mittel nur im deut-schen Teil der Grenzregion, was die Antragstel-ler immer wieder vor unüberwindbare Hürdenstellt. Die EU-Grenzlandförderung war auchGesprächsthema in der „GeneraldirektionErweiterung“ sowie der „GeneraldirektionRegionalpolitik“ der EU-Kommission, die denkomplizierten Prozess der gemeinsamen unddoch getrennten Finanzierungsmemorandenfür den Grenzraum darzulegen versuchte. Esstanden aber auch andere EU-Förderprogram-me auf der Tagesordnung: In der „Generaldi-rektion Bildung und Kultur“ informierte HerrGirelli über die neue Flexibilität im Tempus-Pro-gramm (an dem die Viadrina bereits partizi-piert); im „Technical Office Sokrates“ erfuhrman, dass der neue Sokrates-Antrag wiederbewilligt worden sei und dass die Viadrina hierin der Bundesrepublik Deutschland einen Spit-zenplatz bei der Auslastung von Sokrates-Plät-zen einnehme; der deutsche Generaldirektor inder „DG Forschung“, Herr Gerold, kannte dieViadrina und das Collegium Polonicum bereitsals Austragungsorte der letzten „KOWI-Tagung der EU-Referenten“ und informierteüber die Probleme bei der Umsetzung des 5.und 6. Forschungsrahmenprogramms der EU,insbesondere in der Zusammenarbeit mit denassoziierten MOE-Staaten. Zu diesem Themagab es auch eine Unterredung mit Frau Fried-richs im Kabinett von EU-Forschungs-Kommis-sar Busquin, dem Forschungsattaché der Missi-on Polens bei der EU, Herrn Rokosz, und derStändigen Vertretung der BundesrepublikDeutschland bei der EU-Kommission, HerrnMetzger, Leiter des Referates Forschung undBildung. Der langjährige Berater der Viadrina,Dr. Martin Grabert, der auch gleichzeitig mit sei-nem KOWI-Büro in Brüssel (und Bonn) der Lob-byist der deutschen Wissenschaft vor Ort ist,informierte ausführlich zu Strategien derAntragstellung und schlug vor, eine Seminarrei-he zum EU-Forschungsrahmenprogramm, inZusammenarbeit mit der EU-Kommission undSpezialisten aus den MOEL, mit und an der Via-drina zu veranstalten. Auch mit Honorarprofessorvon Ameln und den zwei Brandenburger MdEPs,Norbert Glante (SPD) und Anne-Karin Glase(CDU), kam es zu Gesprächen. M.

Brüsseler Gespräche

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[UNION] Internationales27

„Das deutsch-polnische Verhältnis und dieEU-Osterweiterung" war der Titel einerExkursion, die eine Gruppe von Studierendendes Institut d’Etudes Politiques de Paris (IEP)nach Berlin und Brandenburg führte. Ein jah-relanger Zyklus von Begegnungen zwischenVertretern der renommierten französischenHochschule und der Freien Universität inBerlin wurde in diesem Jahr zum ersten Malauf Besuche außerhalb von Berlin undPotsdam ausgeweitet. Harald Schraeder,Deutschlektor am IEP, kam es insbesonderedarauf an, das Thema des deutsch-polnischenVerhältnisses weniger theoretisch zu vermit-teln.

Plastisches Bild von deutsch-polnischer Grenze vermitteln

In Gesprächen mit deutschen und polnischenStudierenden sollten sich die 14ExkursionsteilnehmerInnen ein möglichst pla-stisches Bild von den Verhältnissen an derdeutsch-polnischen Grenze verschaffen. Wassollte da näher liegen als ein Besuch inFrankfurt (Oder) mit Begegnungen vonStudierenden der Viadrina und des CollegiumPolonicum? Nach einem vollen Programm in Berlin undPotsdam, das neben Terminen beimMinisterium für Justiz undEuropaangelegenheiten, bei der PolnischenBotschaft und beim Polnischen Sozialrat auchkulturelle Höhepunkte wie das Treffen mitOlga Tokarczuk enthielt, reiste die Gruppenach Frankfurt (Oder). Etwas wehmütig, diedeutsche Hauptstadt so früh verlassen zu ha-ben, kamen die französischen Studierendenauf dem Frankfurter Bahnhof an, waren abergleich nach den ersten Eindrücken neugierigauf die „deutsch-polnische Universität“. Umso mehr verwunderte es sie, dass die Viadrinatrotz ihres hohen Anteils polnischerStudierender eine deutsche Universität geblie-ben ist, an der nur eine geringe Anzahl polni-scher Professoren lehrt. Schon während des Vortrags von BettinaMorhard, Referentin für InternationaleBeziehungen, die über die „Europa-UniversitätViadrina Frankfurt (Oder) als grenzüberschrei-tender Akteur in der deutsch-polnischenGrenzregion" referierte, hielten sich die fort-geschrittenen PolitikwissenschaftlerInnen, dieüber sehr gute Deutschkenntnisse verfügen,mit Fragen und Kommentaren nicht zurück.Neben der Finanzierung des „ProjektesEuropa-Universität" durch europäische Mittelund die Unterstützung der Wirtschaft interes-sierte vor allem die Implementierung eines eu-ropäischen Profils. Im anschließendenGespräch mit Janine Nuyken, Vizepräsidentinder Europa-Universität, wurde deutlich, dassdie Viadrina, ähnlich wie das IEP in Paris,großen Wert auf eine interdisziplinäreAusbildung legt, aber das sie dabei viel weni-ger, als es in Paris üblich ist, auf eine berufs-

nahe Ausbildung ausgerichtet ist. Die französi-schen Gäste, die sich zum großen Teil auf eu-ropäische Berufsfelder im diplomatischenDienst vorbereiten, mussten somit ihreErwartung relativieren, an der Europa-Universität Viadrina würden in erster LinieSpezialisten der politischen und wirtschaftli-chen Situation Deutschlands und Polens aus-gebildet. Kritisch erwähnt wurde die deutscheJuristenausbildung, die den deutschenStudierenden wenig Freiraum lässt und für ei-ne geringe Motivation sorgt, sich ein interna-tionales Profil aufzubauen. Trotz mancherKritik erkannten die Studierenden des IEP einegroße Chance in der Vorbildfunktion derViadrina. Man war sich einig, dass es einensolchen internationalen und interdisziplinärenAnsatz an mehreren Universitäten inDeutschland und anderen Ländern geben soll-te. Jakub Semrau, der im vierten Jahr am IEPstudiert, gebürtiger Pole ist und eine langeZeit in den Vereinigten Staaten verbracht hat-te, lud seine jüngere Schwester aus Poznanzum Treffen an der Viadrina ein. Beide warenvon den Studienmöglichkeiten an derdeutsch-polnischen Grenze begeistert undJakub war sich sicher, falls er noch mal vor derWahl stünde, würde er sich für das Studiuman der Viadrina entscheiden. Elsa Tulmets, dieeine Doktorarbeit im Bereich der internationa-len Beziehungen zum deutsch-polnischenVerhältnis verfasst, hat sich vorgenommen,nach dem Studienbesuch zuRecherchezwecken nach Frankfurt (Oder) undS‡ubice wiederzukommen.Ein reger Austausch zwischen denStudierenden des IEP und zehn deutschen,polnischen sowie weiteren ausländischenStudierenden der Viadrina begann nach einergemeinsamen Mensapause im CollegiumPolonicum. Nach einer Führung mit Bernd

Schünow waren die französischen Gäste einwenig irritiert, weshalb solche hervorragendenRäumlichkeiten nicht viel stärker mitStudierenden bevölkert seien. Sie zeigten we-nig Verständnis für Studierende der Viadrina,die nur selten oder gar nicht über die Grenzezum CP gingen. Bedauernd wurde festgestellt,dass ein persönlich motiviertesZusammentreffen von Studierenden verschie-dener Nationen und Fakultäten, so wie es andiesem Tag der Fall war, noch lange nicht dieRegel ist. Ulrich Räther, wissenschaftlicher Mitarbeiterfür Vergleichende Mitteleuropastudien, nahmsich viel Zeit, um Fragen zur Entstehung undStruktur des CP zu erläutern. Anschließendwar man sich einig: Deutsche Studierende undausländische Besucher müssten viel häufigerden Schritt in die polnische Grenzstadt wagen.So trafen sich alle Programmteilnehmerabends im „Koliba“ in S‡ubice. Auch an denfolgenden zwei Tagen, die die französischenBesucher in der Frankfurter Stadtverwaltungund bei der Euroregion Pro Europa Viadrinasowie in Kostrzyn verbrachten, trafen sich dieStudierenden abends zum Feiern beziehungs-weise zum gemeinsamen Abendessen inS‡ubice .

Kennenlernen im direkten Dialog

Somit hat sich die Hoffnung Harald Schrae-ders aus Paris erfüllt, das meiste über dieSituation an der deutsch-polnischen Grenzeim Dialog mit Studierenden herauszufinden.Auch die Studierenden der Viadrina zeigtensich zufrieden, die französischen Gäste ken-nengelernt zu haben und einige von ihnenhoffen nun, schon bald einen Austauschplatzam IEP in Paris belegen zu können.

KATHARINA STANKIEWICZ/JANA ZACHAROVA

Gäste des IEP Paris in Frankfurt und S‡ubice – Neue Anregungen für den deutsch-französischen Austausch

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Den Aufenthalt dieser Studentengruppe des IEP organisierte Studentin KatharinaStankiewicz gemeinsam mit dem Leiter der Gruppe, Harald Schraeder.

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[UNION] Personalien28

[Geblieben]Prof. Dr. Stephan Kudert, Lehrstuhl für Allge-meine Betriebswirtschaftslehre, insbesondereBetriebswirtschaftliche Steuerlehre und Wirt-schaftsprüfung, an der Wirtschaftswissen-schaftlichen Fakultät hat einen Ruf an dasInstitut für Internationales und AusländischesSteuerwesen der Universität Hamburg abge-lehnt. Seinen Entschluss, weiter an der Via-drina zu lehren und zuforschen, begründeteder 39-jährige Wissen-schaftler, der sichintensiv auch mit dempolnischen Steuer-recht befasst und engmit polnischen Kolle-gen kooperiert, vorallem mit dem beson-deren Profil seinerArbeit: „Insbesondere das deutsch-polnischeProjekt ist mir zu wertvoll, als dass ich das bis-her Aufgebaute ad acta legen könnte.“ Aufdie schwierige Finanzsituation hinweisendbetonte Kudert: „In den nächsten Jahren wer-de ich somit versuchen, meinen Anteil beizu-tragen, dass das Projekt Europa-Universität ineiner schwierigen Phase nicht scheitert.“

[Gratuliert] [Berufen]

[Begrüßt]

Seinen 60. Geburts-tag feierte am 13.Juni Prof. Dr. Ale-xander von Brünn-eck, Dekan der Juri-stischen FakultätInhaber des Lehr-stuhls für Öffentli-ches Recht, insbe-sondere Staatsrechtund Verfassungsge-schichte. Herzlichen Glückwunsch!

Zum neuen Direktorder Universitätsbi-bliothek wurde Dr.Hans-Gerd Happelernannt. Der 42-jährige gebür-tige Marburger ar-beitet seit 1995 ander Viadrina und trittnun die Nachfolgevon Dr. Ulrike Eichan.

Ein herzliches Dankeschön und ein Glück-wunsch gehen an den Berliner JournalistenMatthias Frickel (32), der für seinen Deut-sche-Welle-Beitrag über die Europa-Uni-versität „Ein Traum an der Oder“ mit demdiesjährigen Deutsch-Polnischen Journalis-tenpreis geehrt wurde. Der mit 1 250 Eurodotierte Preis wurde in Wroc‡aw überge-ben.

Um drei Jahre verlän-gert wurde im Junidas Mandat vonProf. Dr. HermannRibhegge als Ver-trauensdozent derHans-Böckler-Stif-tung. Die Stiftungdankte im Namendes Vorstandes undder Stipendiaten fürdie engagierte Unterstützung im Bereich derStudien- und Promotionsförderung.

Den Elias-Canetti-Lehrstuhl für interkulturel-le Südosteuropastudien an der Viadrina wer-den ab dem Wintersemester zwei Wissen-schaftler der St.-Kliment-Ohridski-Univer-sität Sofia innehaben: Dr. Stilian Yotoy (l.)und Prof. Dr. Christo Todorov (r.).

Im Rahmen von SOKRATES hielt im Som-mersemester Prof. Roy Boyne von der Uni-versity of Durham einen Gastvortrag undwurde von Prof. Dr. Gangolf Hübinger (l.)von der Kulturwissenschaftlichen Fakultätherzlich begrüßt.

[Geehrt]Mit dem diesjährigen DATEV-Preis wurdenan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakul-tät geehrt:

Tomas Drasar für eine Seminararbeit zumThema „Steuerliche Optimierung deutscherDirektinvestitionen in Tschechien“,

Diplomkulturwissenschaftlerin Renata Nabia-lek für eine Seminararbeit zum Thema „Diepolnische Steuer von zivilrechtlichen Verträ-gen und ähnlichen Rechtsgeschäften“,

Diplomkaufmann Stefan Schmidt für seineDiplomarbeit zum Thema „Steuerliche undbilanzielle Probleme bei Stock Options“.

Ein Stipendium der Studienstiftung des deut-schen Volkes erhielt jetzt Piotr Piasta, Stu-dent an der Kulturwissenschaftlichen Fakul-tät.

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!

[Betrachtet]

Prof. Heinz Dieter Kittsteiner von der Kul-turwissenschaftlichen Fakultät übermittelteder Redaktion folgenden Vorschlag: Oftgehe ich in der Kleinen Oderstraße an dieserSkulpturengruppe von Peter Fritsche ausFreital vorbei. Wie die Plastik ursprünglichheisst, weiss ich nicht. Ich würde aber vor-schlagen, eine vergrößerte Replik vor derUniversität aufzustellen. Zur Namensgebunghätte ich zwei Vorschläge zu machen: 1. Drittmitteleinwerber2. Die Idee der deutschen Universität.

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[UNION] Personalien29

[Bestanden]

[Betreut]

Erfolgreich schlossen die öffentliche Dispu-tation im Promotionsverfahren ab:Erika M. Bovenizer (Kulturwissenschaften)mit dem Thema „Using Lacuna Theory toDetect Cultural Differences in American andGerman Automotive Advertising”

Frank Steffen (Kulturwissenschaften) mit demThema „‘Polnische Patrioten’? Untersuchun-gen zum Polenbild indigener Deutscher im 17.und 18. Jahrhundert”

Jantje Röller (Kulturwissenschaften) mit demThema „‘Teufel auch!’ - Engelambivalenz undUrteilsverfahren in Texten Heinrich vonKleists”

Tae-Kang Roh (Kulturwissenschaften) mitdem Thema „Nationalstaat und regionaleIntegration in der Zeit der Globalisierung -Bedingungen, Chancen und Grenzen supra-nationaler wirtschaftlicher und politischerInstitutionenbildung im westeuropäischen undasiatisch-pazifischen Raum”

Helen Müller (Kulturwissenschaften) mit demThema „Strukturwandel im wissenschaftlichenVerlagswesen um 1900. Das Verlagsunter-nehmen Walter de Gruyter im literarischenFeld der Jahrhundertwende”

Ursula Wrobel (Kulturwissenschaften) mitdem Thema „Andere Länder – Andere Sites.Online Produktwerbung in Zusammenhangmit Tabuthemen: Eine qualitative Inhaltsana-lyse US-amerikanischer und deutscher Web-sites im Kontext interkultureller und werbli-cher Kommunikation”

Sabine Krajewski (Kulturwissenschaften) mitdem Thema „Life goes on. And sometimes it

doesn’t. A comparative study of medical dra-ma in the US, Great Britain and Germany”

Susanne Blazejewski (Kulturwissenschaften)mit dem Thema „Photographie und Autobio-graphie. Marguerite Duras’ ‘L’ Amant’ undMichael Ondaatjes ‘Running in the Family’”

Andrea Lasselle (Kulturwissenschaften) mitdem Thema „Hysterie lesen - Psychoanalyseübersetzen. Transfers und Translationen inSigmund Freuds ‘Bruchstück einer Hysterie-Analyse’ und Helene Cixous’ ‘Portrait deDora’”

Normann Witzleb (Rechtswissenschaft) mitdem Thema „Geldansprüche bei Persönlich-keitsverletzungen durch Medien – Ein Ver-gleich des deutschen und englischen Rechts”

Philip Bierbach (Rechtswissenschaft) mit demThema „Benchmarking – Rechtliche Einord-nung und kartellrechtliche Zulässigkeit”

Claudia Wyes-Scheel (Rechtswissenschaft)mit dem Thema „Die Gründung der Aktien-gesellschaft nach russischem Recht”

Heiner Pollert (Rechtswissenschaft) mit demThema „Die Entstellung von Filmwerken undihren vorbestehenden Werken”.

Habilitation:

Dr. Hans Günther Ruß (Kulturwissenschaf-ten) mit dem Thema „Das Problem aktiverSterbehilfe. Kritische Anmerkungen zu einigenphilosophischen Ungereimtheiten in der aktu-ellen Debatte über Euthanasie”.

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!

JJEELLEENNAA KKLLIIMMOOWWAA

Mein Studium an der Viadrina

Als Stipendiatin des Stipendienprogramms„Russland-Fonds der deutschen Wirtschaft",das vom DAAD betreut wird, habe ich vonJanuar bis Juli an der Viadrina studiert. DasStipendium war eine einmalige und schöneMöglichkeit für mich, an der deutschen Hoch-schule studieren zu können und Land und Leu-te näher kennen zu lernen.

Ich belegte die Fächer BetriebswirtschaftlicheOptimierung, Logistik und Umweltmanage-ment und absolvierte die Prüfungen erfolg-reich. Auch die deutsche Sprachprüfung fürausländische Studierende (DSH) schloss ich ab.Im Sommersemester 2001 erweitere ich meineKenntnisse im Bereich der Umweltökonomie,der Produktionswirtschaft und der Entschei-dungstheorie. Ich habe ausgerechnet dieseFächer gewählt, weil diese Probleme, undbesonders die, die mit den Umweltfragen ver-bunden sind, im Rahmen russischer Hoch-schulbildung nach wie vor oft vernachlässigtbleiben. Und ich denke, dass die erworbenenKenntnisse mir in meinem Berufsleben helfenkönnen.Im März/April konnte ich ein Praktikum beider Degussa AG in der KER-Abteilung absolvie-ren.

Was Universitätserlebnisse betrifft, so muss ichehrlich sagen, dass ich von der Viadrina begeis-tert bin. Ich habe früher nichts von dieser Unigehört, und ich konnte es mir nicht vorstellen,dass die Universität an der deutsch-polnischenGrenze so viele interessante Studien- und Frei-zeitmöglichkeiten bietet. Ein großer Vorteilliegt darin, dass die Uni nicht gerade groß ist,also sind alle Professoren und wissenschaftli-chen Mitarbeiter immer zu sprechen und hilfs-bereit.

Das Hochschulsystem in Deutschland weisteine Reihe von Unterschieden zu dem in Russ-land auf: Vor allem können hier die Studentenviel selbstständiger arbeiten. Das finde ichanstrengend, aber das trägt auch dazu bei, dassdie Leute durchsetzungsfähiger werden.

Ich habe auch die freie Zeit in Frankfurt (Oder)gut genutzt und mir zudem einige interessanteStädte in Deutschland und in Polen angesehen.Ich fand hier gute Freunde aus Deutschland,Polen, Frankreich und anderen Ländern, zudenen ich weiter Kontakt halten werde. InRussland hatte ich überhaupt keine Gelegen-heit, solche internationalen Kontakte zu knüp-fen.

Ich freue mich, dass ich dieses Jahr in Deutsch-land und an der Viadrina verbringen konnteund werde davon in meiner Heimat berichten. Sie stehen den neu ankommenden Gaststudenten mit Rat und Tat zur Seite: die INTER-

STUDIS. Und sie suchen ständig neue Mitstreiter: [email protected]

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[UNION] Internationales30

Eine Delegation des TransatlantischenGesprächskreises besuchte Mitte Mai dieEuropa-Universität. Auf Einladung von ClausDetjen, ehemaliger Herausgeber undChefredakteur der MOZ, verbrachte dieGruppe einen Tag in Frankfurt (Oder), an demsie unter anderem das Collegium Polonicum

und Einrichtungen der Europa-Universität be-suchte. In Gesprächsrunden mit Uni-PräsidentinProf Dr. Gesine Schwan und Professoren derViadrina hatten die Gäste Gelegenheit, Fragenzur Entwicklung der Universität zu stellen. Wie Jürgen Graf, Vorsitzender der RIAS-Berlin-Kommission und Leiter der Delegation, berich-tete, wollte die Gruppe einen Eindruck von derdeutsch-polnischen Zusammenarbeit an derViadrina erhalten, um diese Erfahrungen in dieArbeit des Transatlantischen Gesprächskreiseseinfließen zu lassen. Dabei interessierten sichdie Gäste vor allem für die Realisierung bzw.Realisierbarkeit des „Projektes Viadrina“.„Schreiben Sie hier eine Erfolgsstory?”, dieseFrage diskutierte Alexander Longolius von derCheckpoint-Charlie-Stiftung Berlin, dieViadrina-Professoren Prof. Dr. Alfred Kötzle,Prof. Dr. Karl Schlögel, Prof. Dr. RolandWittmann, Prof. Dr. Jan C. Joerden, Prof. Dr.Werner Schiffauer und Prof. Dr. Detlef Pollack.Kritische Fragen zum Verhältnis der deutschenund polnischen bzw. der ost- und westdeut-schen Studierenden untereinander, zurAkzeptanz der Universität in der Stadt, aberauch zur Arbeit und dem Engagement derUniversitätsmitarbeiter bestimmten dasGespräch. Gleichzeitig signalisierten dieVertreter renommierter Stiftungen undVereinigungen Verständnis für aktuelleProbleme der Europa-Universität sowieUnterstützung z. B. bei der Kontaktaufnahmezu amerikanischen Bildungseinrichtungen undStiftungen.

Die Gäste vom TransatlantischenGesprächskreis bekräftigten, positive und inter-essante Eindrücke von der Arbeit an derEuropa-Universität gewonnen zu haben. JürgenGraf dankte der Viadrina-Präsidentin und denanwesenden Professoren für das aufschlussrei-che Gespräch und stellte abschließend fest:

„Die gegenseitige Information hat sich ge-lohnt.”

Die Teilnehmer der Delegation:Jürgen Graf,

Vorsitzender der RIAS Kommission BerlinRainer Hasters,

Verwaltungsdirektor RIAS Kommission BerlinDr. Beate Lindemann,

Geschäftsführende Stellvertretende VorsitzendeAtlantik-Brücke BerlinAlexander Longolius,

Checkpoint-Charlie-Stiftung BerlinDr. Andrea Mehrländer,

Geschäftsführerin Checkpoint-Charlie-Stiftung Berlin

Alfons Schöps, Director of European Operations

State Legislative Leaders Foundation BerlinLeopold Bill von Bredow,

Botschafter a.D., Aspen Institute Berlin.

Der Transatlantische Gesprächskreis ist ein vier-teljährlich stattfindendes Treffen verschiedenerPersönlichkeiten mit transatlantischen Bezügen.Das Ziel des Gesprächskreises besteht in derDiskussion aktueller Probleme und Perspektivender transatlantischen Beziehungen und in derVernetzung der transatlantischen Gemeinschaftin Berlin. Gegenstand der Gespräche sind aktuelle undkontroverse Fragen, die ein breites Spektrumpolitischer, wirtschaftlicher und sicherheitspoli-tischer Aspekte der transatlantischenBeziehungen umfassen. CHRISTINE JESSE

Transatlantischer Gesprächs-kreis zu Gast an Viadrina

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Die Gäste besuchten Frankfurt (Oder) in Begleitung des Vorsitzenden des Kuratoriumsdes Uni-Förderkreises, Claus Detjen (r.).

GermanyToday in FFO

Eine Gruppe hochrangiger amerika-nischer und kanadischer Führungs-kräfte besuchte im Rahmen des vonder Universität Bonn organisiertenProgramms „Germany Today” am25. Juni 2001 die Viadrina.

Unter dem diesjährigen Themen-schwerpunkt „Germany and theCitizen´s Europe: Labor, Social andEducation Policies in Germany andin Europe” erhielten die Gäste durchBesuche und Gespräche in zahlrei-chen Institutionen und Organisatio-nen Einblicke in aktuelle deutscheund europäische Entwicklungen.Neben der Europa-Universitätbesuchte die Gruppe bei ihremzweiwöchigen Aufenthalt inDeutschland und anderen europäi-schen Ländern u. a. das EuropäischeParlament, den Deutschen Bundes-tag, verschiedene Bundesministeri-en, Rundfunk- und Fernsehanstaltensowie die Adam-Mickiewicz-Uni-versität Poznan. Das Programmendete mit einem Empfang bei Bun-despräsident Johannes Rau im Berli-ner Schloss Bellevue.

Bei einem Round-Table-Gesprächzum Thema „Social Policies in Ger-many – Impact on the Citizen´s Livesin Eastern Germany” trafen dieGäste auf Uni-Präsidentin Prof. Dr.Gesine Schwan, Prof. Dr. MichaelMinkenberg, Prof. Dr. Hans-JürgenWagener sowie Prof. Dr. Detlef Pol-lack. Auf Vorträge der Viadrina-Pro-fessoren zur wirtschaftlichen Situati-on in den neuen und alten Bundes-ländern, politischen und sozialenEinstellungen sowie der Problematikdes Rechtsradikalismus folgte eineangeregte Diskussion. Fragen nachpositiven und negativen Erfahrun-gen, die im Zuge der Wiedervereini-gung gewonnen wurden, standenhier ebenso im Mittelpunkt wieErkundigungen nach der Situationder Studierenden und Mitarbeiterder Viadrina.

Nach einem gemeinsamen Mittages-sen im Fontanesaal der Mensa stat-teten die Gäste der benachbartenGrenzstadt S‡ubice einen Besuchab, führten Gespräche mit demBundesgrenzschutz und später imFrankfurter Rathaus.

CHRISTINE JESSE

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[UNION] Internationales31

Einen realistischen Einblick in das Deutschlandvon heute wollte eine Gruppe junger US-Journalisten während ihres vom Institut fürAuslandsbeziehungen in Stuttgart organisier-ten Aufenthalts in Deutschland gewinnen. Zudiesem Zweck besuchte sie neben verschiede-nen Organisationen, Einrichtungen undSehenswürdigkeiten, wie beispielsweise denReichstag, das Hauptstadtstudio der ARD, denAxel-Springer-Verlag oder das JüdischeMuseum, dann Ende Mai auch die Europa-Universität Viadrina.

Die angehenden Journalisten, die alsGewinner eines Journalistenwettbewerbs mitdem vom Bundespresseamt geförderten

Aufenthalt in Deutschland ausgezeichnet wor-den waren, begrüßte Uni-Präsidentin Prof. Dr.Gesine Schwan an der Viadrina. In einem an-schließenden Gespräch mit Dr. Peter Krause,persönlicher Referent der Präsidentin, zeigtensich die Gäste speziell interessiert am innovati-ven Konzept der Europa-Universität: „Wie istdie Zusammenarbeit mit Polen entstanden?”oder „Warum kommt ein westdeutscherAbiturient den weiten Weg an die Oder? –Was ist hier so besonders?” oder „Wie funk-tioniert die Integration ausländischerStudierender?” waren nur einige von zahlrei-chen Fragen zum Studium an der Europa-Universität. Offen wurde auch über Problemeder Viadrina, wie die prekäre finanzielle

Situation der Universität oder die Gefahr vonRechtsradikalismus in Frankfurt (Oder), ge-sprochen. Im Anschluss an das Gespräch be-sichtigte die Gruppe die Universitätsbibliothekund besuchte anschließend das CollegiumPolonicum in S‡ubice.

Am Ende ihres Deutschlandaufenthaltes le-gen die jungen Journalisten einen Recherche-Bericht vor und werden in Universitäts- undLokalzeitungen in ihrem Heimatland auchüber ihre Eindrücke von der Europa-Universität berichten.

CHRISTINE

JESSE

Angehende US-Journalisten interessiert am Alltag

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Informationen aus erster Hand gab Uni-Präsidentin Gesine Schwan im Senatssaal der Universität.

Berliner Rotarier auf

Frankfurt-TourGehört und gelesen hatten sie schon vonder Neugründung Europa-Universität –nun wollten sie sich selbst ein Bild vondieser Hochschule machen und kamen füreinen Wochenendtrip nach Frankfurt(Oder) – eine Gruppe Berliner Rotarier mitihren Ehepartnern. Die älteren Damenund Herren folgten gespannt denAusführungen von Vizepräsidentin JanineNuyken, fragten nach den Studienkostenfür junge Osteuropäer, nach Förderungenfür Bedürftige, nach Sprachproblemenund machten sich ein Bild vomStudentenleben in den Grenzstädten.

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[UNION] Praxis32

Mit einem Stipendium der Sparkasse Frank-furt wird Viadrina-Absolventin Anna Czar-nocka eine Promotion ermöglicht. Die sym-bolische Scheckübergabe fand an dem Ortstatt, der Gegenstand ihrer Forschungen ist:im Hauptsitz der Sparkasse. Anna Czarnockabefasst sich mit der „Qualitätsmessung ininternen Bereichen der Kreditinstitute“.Schwerpunkt in dieser Arbeit sind die inter-nen Kunden-Lieferanten-Beziehungen sowiedie Entwicklung eines adäquaten computer-gestützten Messinstruments.Mit anderen Worten: Die Doktorandin unter-sucht, wie die Mitarbeiter eines Bereiches mitdenen anderer Bereiche zusammenarbeiten,ob und wie die Kooperation klappt, welcherTon herrscht und wie effektiv gearbeitet wird.Die Mitarbeiter beurteilen sich untereinander,es gibt Noten und schließlich ein Gesamtbild.Ziel sind die Verbesserung der Dienstlei-stungsqualität, die Erhöhung der Effizienzinterner Abläufe und im Endeffekt eine höhe-re Kundenzufriedenheit. Das Projekt hat sichinzwischen als interessant und lohnend her-umgesprochen, auch andere Sparkassenver-bände zeigten schon Interesse. ANNETTE BAUER

Ein Projekt, von dem alle Seiten profitierenSparkasse fördert Promotion einer Viadrina-Absolventin

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„Ein Projekt, von dem alle Seiten profitieren“, meinte SparkassenvorstandsvorsitzenderDr. Thomas Schneider (l.), der den Scheck an Anna Czarnocka im Beisein von Uni-Präsidentin Gesine Schwan, Vorstandsmitglied Harald Schmidt und Prof. EberhardStickel (v.l.n.r.) übergab.

EU-Diskussion: Chancen und Risiken auf den Tisch!An einer Veranstaltung zur EU- Osterweite-rung mit den Professoren Dr. Stephan Kudertvom Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirt-schaftslehre und Dr. Hermann Ribhegge vomLehrstuhl für Volkswirtschaftslehre der Viadri-na nahm am 14. Juni Potsdams Oberbürger-meister Matthias Platzeck teil. Moderiert wur-de die teilweise recht kontroverse Debatte vonHenning Hagen von BB-Radio, Studio Oder-land. In die Europa-Universität eingeladen hatte andiesem Nachmittag die Juso-Hochschulgrup-pe, um allen Teilnehmern die Möglichkeit zubieten, sich von der geplanten EU-Osterweite-rung ein genaueres Bild machen zu können,und um zu erfahren, welche Risiken undChancen eine größere EU mit sich bringt.Matthias Platzeck warf bei einer kurzen Ein-führung zur Thematik jedoch zunächst die Fra-ge auf, inwieweit die derzeitig bestehendenOrganisationsstrukturen für die jetzige Größeder EU überhaupt vernünftig sind. Sinnvollersei es, die Verantwortung für einzelne Res-sorts, wie z.B. die Landwirtschaft, bei den ein-zelnen Nationalstaaten zu belassen. Ein anderes großes Problem sei die Skepsis derjetzigen EU-Bürgerinnen und Bürger, diebefürchten, dass durch eine Osterweiterungder Zustrom an billigen Arbeitskräften nachDeutschland wachsen wird, was ihre eigenenArbeitsplätze gefährden würde. Allen voranwäre hier die Bauwirtschaft zu nennen. „Die

zukünftigen Beitrittsstaaten brauchen abergerade jetzt den Anschluss an die EU, um sichselbst auf wirtschaftlicher Ebene weiterent-wickeln zu können", betonte Platzeck. Zögereman einen Beitritt noch länger hinaus, bestün-de die Gefahr, dass sich die wirtschaftlicheSituation der angehenden Mitgliedsstaatenverschlechtere, was auch die deutsche Wirt-schaft treffen würde. Stephan Kudert beleuchtete in seinem Beitraghierbei insbesondere die Situation in Frankfurt.Er sieht derzeit einen Verdrängungswettbe-werb zwischen Händlern der deutschen undder polnischen Seite entstehen, dem nur ent-gegen gewirkt werden kann, wenn jede Regi-on ihre besonderen Vorteile stärker heraus-hebt. „Insbesondere müssen vor der Erweite-rung die EU-Strukturen verbessert werden",mahnte Kudert, z. B. durch eine dringendbenötigte Agrarmarktreform. Weiterhin warf Kudert die Frage auf, ob esnicht besser wäre, ausländische Studentennach Abschluss ihres Studiums dazu zu bewe-gen, hier in Deutschland zu arbeiten.Hermann Ribhegge lehnte dies jedoch ab,denn seiner Ansicht nach brauchen die osteu-ropäischen Staaten in Westeuropa ausgebilde-te Arbeitskräfte, die den wirtschaftlichen Auf-schwung in ihrem Land vorantreiben und mit-gestalten können.Ribhegge sieht das größte Problem Frankfurtsund der Grenzregion aber ebenfalls im entste-

henden Verdrängungswettbewerb, wie z. B. inder Lebensmittelindustrie. „Die Verbraucherwerden aber auf jeden Fall die Gewinnersein“, stellte Ribhegge fest, denn die Preisefür Lebensmittel würden nach einer Erweite-rung drastisch sinken. Einige Sektoren aber,wie die Kohle- und Stahlproduktion, dürftengerade in Osteuropa nach einer Erweiterungkurz vor dem Aus stehen, wodurch dort viel-fach Schließungen zu erwarten wären. Proble-matisch dürfte dort vor allem auch die Umset-zung der EU-Richtlinien des Umwelt- undWettbewerbsrechts werden. Abschließend warnte Platzeck davor, nur diepositiven Seiten der Osterweiterung aufzu-zeigen, denn es müssten auch gerade dienegativen Seiten genügend dargestellt unddiskutiert werden. „Unsicherheit wird von denMenschen als Bedrohung empfunden, daherist es die Aufgabe der Politik, diese Unsicher-heit zu beseitigen. Die künftigen EU-Bürgerin-nen und -Bürger werden von der Erweiterungenttäuscht sein, wenn sie nicht im Vorfeldbereits offen und ehrlich über alle Chancenund Risiken aufgeklärt werden. Die nötigeAkzeptanz für eine Erweiterung wird aber umso höher sein, wenn die Menschen wirklichwissen, was auf sie zukommt." Um diese Akzeptanz zu erhöhen, sei es fürunsere Region unerlässlich, die Kontakte zwi-schen Deutschen und Polen auszubauen undzu intensivieren. O. ROSSOW/B. NIESCHALK

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[UNION] Praxis33

Viadukt ’01 – das Deutsch-Polnische Fir-men- und Studentenforum – fand am 7.Juni 2001 bereits zum zweitenMal an der Europa-UniversitätViadrina statt. Die von AIESECorganisierte Veranstaltung botden Rahmen für eine Reihevon Fachvorträgen und Work-shops. Hauptattraktion warenjedoch Standpräsentationenvon Firmen, in denen FirmenvertreterFragen zu Praktika, Diplomarbeiten unddem Berufseinstieg beantworteten,sowie zahlreiche Möglichkeiten zu Ein-zelgesprächen zwischen Studierendenund interessierten Firmen.

Viele Viadrina-Studenten nutzten dieGelegenheit, erste Kontakte auf demWeg in ihre berufli-che Zukunft zuknüpfen. Über 260Interessenten hat-ten sich fürGespräche mit Fir-menvertreternbeworben. MaciejKolasa, BWL-Stu-dent im 7. Semes-ter, war einer der81 Glücklichen, die von Firmen zuGesprächen eingeladen wurden. „Ichmöchte meine Diplomarbeit bei einerdeutschen Firma in Polen schreiben, umspäter vielleicht in ein Trainee-Programmeinzusteigen.” Der „gegenseitige Informationsaus-tausch” mit Vertretern von Eko-Stahl undBeiersdorf-Lechia SA hat sich gelohnt:„Ich habe nun konkrete Ansprechpartnerfür meine Diplomarbeit und auch einPraktikum bei Beiersdorf-Lechia wurdemir angeboten.”

Dass besonders die polnischen Viadrina-Studenten bei den Firmen hoch im Kursstehen, berichtet Denis Hiebsch, Mitglieddes Viadukt-Organisationsteams. „DieFirmen sind vor allem an engagiertenexamensnahen Studenten mit gutenFremdsprachenkenntnissen – vor allemPolnisch und Russisch – und Auslandser-fahrung interessiert.” Das heißt abernicht, dass sich die Veranstaltung nur anpolnische Studierende richtete. „Viaduktist ein Forum für alle Studenten allerFakultäten!”, hob Denis Hiebsch hervor.

Wer keine Einladung zu Einzelgesprächenerhalten hatte, konnte sich trotzdem anden 14 Informationsständen namhafterFirmen wie Deutsche Bank, Ernst &

Young, Pricewaterhouse Coopers oderRobert Bosch Fahrzeugelektrik über

Berufseinstiegsmöglichkei-ten informieren. Aber auchdie anwesenden Unterneh-men zeigten sich sehr inte-ressiert, hochqualifizierteViadrina-Studenten für sichzu gewinnen. So schätzt z.B. Eko-Stahl die Sprach-

fähigkeit und interkulturelle Kompetenzvon Viadrina-Absolventen. „Wir suchenAbsolventen mit sehr guten Deutsch- undPolnischkenntnissen für eine neue Kombi-Anlage in Polen”, erläutert Karin Schmidt,Personalentwicklerin bei Eko-Stahl, denGrund für die Teilnahme an der Jobbörse.

Fachwissen in theo-retischer, aber des-halb nicht minderinteressanter Formboten eine Reihevon Fachvorträgenvon Viadrina-Profes-soren zu aktuellen politischen, gesell-schaftlichen und wirtschaftlichen Ent-wicklungen. Gelegenheit, mit Expertenins Gespräch zu kommen, hatten die Teil-nehmer von zwei Workshops zu den The-men „Die Zusammenarbeit technologie-

orientierter und innovativer Unternehmenaus Brandenburg und der RepublikPolen” sowie „‘Janus lässt grüßen’: inter-kulturelle Kompetenz in der Koordinationinternationaler Unternehmensprojekte”.

Bei der Fülle attraktiver Veranstaltungenwar es erstaunlich, dass nicht noch mehrViadrina-Studenten das Angebot zur Vor-bereitung für den Berufsstart nutzten.Simone Rosso, AIESEC-Mitarbeiterin ausBrasilien, wunderte sich über das ver-gleichsweise geringe Interesse der Viadri-na-Studenten. „In Brasilien würden dieStudenten Schlange stehen, um so eineChance zur Berufsinformation zu erhal-ten.”

Trotzdem zeigte sich das Viadrina-Organisationsteam mit dem Ver-lauf von Viadukt ´01 zufrieden:„Die Studenten, die anGesprächen oder Workshops teil-genommen haben, waren begeis-tert und auch die Firmen waren

mit ihrer Stippvisite an der Viadrina sehrzufrieden.” Die lange Vorbereitung hat sich alsogelohnt!

CHRISTINE JESSE

VIADUKT ‘01 – Brücke in den BerufDeutsch-Polnisches Firmen- und Studentenforum an der Viadrina

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Simone Rosso von AIESEC Brasilien im Gespräch mit den Eko-Stahl-VertreterinnenKarin Schmidt und Silke Behrens.

[Firmen suchenengagierte

Absolventen mitSprachkenntnissen]

[InterkulturelleKompetenz ist gefragt]

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[UNION] Forschung & Lehre34

Mit einem kleinen Empfang begrüßte die Juristi-sche Fakultät die Studenten des Sokrates-Aus-tauschprogramms an der Viadrina. Dekan Prof.Dr. Alexander von Brünneck wünschte den Stu-dierenden aus Bulgarien, Spanien, Polen, Litau-en, Slowenien und Tschechien einen erfolgrei-chen Aufenthalt an der Europa-Universität,betonte aber vor allem die Bedeutung des Aus-landsstudiums als „soziales Ereignis”. Zum Aus-landsstudium gehöre nicht nur das Lesen vonBüchern: „Probieren Sie viel aus. Sehen Sie sichum und nutzen sie die Nähe zu Polen und Berlinfür Ausflüge”, so von Brünnecks Empfehlung andie Studenten.Um den gerade in Frankfurt angekommenenGästen den Einstieg in ihr Studium an der Euro-pa-Universität zu erleichtern, übernahm je einMitarbeiter der Juristischen Fakultät eine Paten-schaft für einen der Sokrates-Studenten. Gele-genheit zu einem ersten Kennenlernen bot sichwährend des Empfangs im Dekanat der Juristi-schen Fakultät. Die durch die Einweihung des Südosteuropäi-schen Medienzentrums in Sofia im April gefes-tigte enge Verbindung der Europa-UniversitätViadrina und der St.-Kliment-Ohridski-Univer-sität Sofia zeigt sich auch am großen Interessebulgarischer Studenten an einem Studium an derOder. Dr. Carmen Thiele, Koordinatorin desAustauschprogramms, hob hervor, dass allein

vier der neun Austausch-Plätze an bulgarischeStudierende vergeben wurden. Die Sofioter Stu-denten sind, wie Angel Naidenow berichtete,durch gezielte Fachsprachenausbildung für ihrenStudienaufenthalt an der Viadrina bestens vor-bereitet. CHRISTINE JESSE

Ein Willkommensgruß für Sokrates-Studenten

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Der Dekan der Juristischen Fakultät, Professor Alexander von Brünneck (3.v.r.), be-grüßte die Gäste aufs Herzlichste.

Neuer StudienschwerpunktMedienrecht ab Herbst

VW-Stiftung fördertForschungsprojektEin Forschungsprojekt von Prof. Dr. HelgaSchultz von der KulturwissenschaftlichenFakultät mit dem Thema „Wirtschaftsna-tionalismus in Ostmitteleuropa – Polenund die Tschechoslowakei im Vergleichvon der Mitte des 19. bis zum Ende des20. Jahrhunderts” wird über drei Jahre vonder Volkswagen-Stiftung mit einem Betragvon insgesamt 374 400 Euro gefördert. Mit dem Phänomen des Wirtschaftsnatio-nalismus ist wirtschaftliches Handelngemeint, das von außerökonomischen,politischen Vorgaben bestimmt ist undzuvorderst auf die Einheit, Unabhängigkeitund Stärke einer Nation zielt. In der unter-suchten Region zeigt der Wirtschaftsnatio-nalismus ein ganz eigenes Gesicht –bedingt durch das Zusammenspiel dreiercharakteristischer Einflussfaktoren: derFremdbestimmung in einem großen Staa-tenbund unter einer dominanten Groß-macht, der wirtschaftlichen Rückständig-keit sowie einer ethnisch sehr heterogenenBevölkerung. Beide Länder besitzen darü-ber hinaus einerseits eine Fülle historischerGemeinsamkeiten bis zur Mitte des 20.Jahrhunderts, sind zum anderen aber auchdurch ein unterschiedliches Niveau in ihrerwirtschaftlichen Entwicklung und der Inte-gration in den Weltmarkt charakterisiert. Mit Hilfe des Forschungsvorhabens sollgeklärt werden, ob sich dieses – bei allenGemeinsamkeiten – unterschiedliche Aus-maß an „Rückständigkeit” auf die Ent-wicklung des Wirtschaftsnationalismusauswirkt.

CHRISTINE JESSE

Mit einem neuen Studienschwerpunkt „Medien-recht“ wartet die Juristische Fakultät ab demkommenden Wintersemester auf. Der Studien-schwerpunkt Medienrecht ist ein Zusatzangebotim Rahmen der rechtswissenschaftlichen Ausbil-dung und wird mit einem Universitätszertifikatabgeschlossen. Zweck des Studienschwerpunk-tes ist es, die Studierenden bereits während ihrerAusbildung mit Problemlagen des Medienrechtsin Theorie und Praxis vertraut zu machen und siedadurch auf eine mögliche spätere praktischeTätigkeit in diesem Bereich vorzubereiten. Daszweisemestrige Zusatzangebot setzt sich auseiner medienrechtlichen Vorlesung, einemmedienrechtlichen Seminar mit Abschlussarbeitsowie einem Praktikum bei einem Medienunter-nehmen oder einer einschlägig spezialisiertenAnwaltskanzlei zusammen. Die Einrichtung desStudienschwerpunktes „Medienrecht" wirddurch die finanzielle Unterstützung der in Frank-furt (Oder) erscheinenden Tageszeitung „Märki-sche Oderzeitung" ermöglicht. Die Lehrveranstaltungen im Studienschwerpunktwird Rechtsanwalt Dr. Johannes Weberling ausBerlin, derzeit auch Justitiar der „MärkischenOderzeitung“, halten. Weberling sammelte inden 90er Jahren umfangreiche berufliche Erfah-rungen in verschiedenen Verlagen und erhieltbereits mehrfach Lehraufträge in der Journalis-

tenausbildung. Seit 1995 ist er außerdem stell-vertretender Vorsitzender der Arbeitsgemein-schaft der Verlagsjustitiare. Weberling: „Einerder bedeutendsten Wachstumsbereiche wirdauch in der Zukunft die Medienwirtschaft sein -trotz der gegenwärtigen wirtschaftlichen Flaute.Gegenstand des neuen StudienschwerpunktesMedienrecht an der Viadrina wird daher eineEinführung in das gesamte Medienrecht sein.Behandelt werden neben den verfassungsrechtli-chen Grundlagen alle klassischen medienrechtli-chen Vorschriften und Verfahrenstypen, dasRecht am eigenen Bild sowie die spezifischenVorschriften des Urheber-, des Anzeigen-, desVertriebs- und des Arbeitsrechts jeweils unterbesonderer Berücksichtigung des Einflusses derneuen Medien auf diese Rechtsgebiete.“In der Vorlesung zu Beginn des Studienschwer-punktes im Wintersemester soll insbesondereanhand von praktischen Beispielen die Strukturund das Funktionieren der medienrechtlichenGrundordnung in der Bundesrepublik Deutsch-land deutlich gemacht werden. Wegen der fürdiese Gebiete nötigen Vorkenntnisse ist die Vor-lesung erst für Studierende ab dem 5. Fachse-mester geeignet.

Nähere Informationen: Juristische FakultätProf. Dr. Wolff Heintschel von Heinegg

Tel.: 0335 / 5534 914

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[UNION] Geschichte35

Auf der abgedruckten Ansicht aus dem Jahr1793 bietet sich dem Betrachter ein romanti-scher Blick auf die noch zweitürmigeMarienkirche (1) und der unweit davon begin-nenden Gubener Vorstadt mit dem großenAnger. Am Ende der Vorstadt – auf demGelände des heutigen Stadions – lag das derUniversität gehörige und von ihr verpachteteeinstige Karthäuserkloster, wozu unter ande-rem eine Ziegelei, ein großer Garten, eineBäckerei und eine Brauerei gehörten. Das dortgebraute Weizenbier wurde weit in die Markausgeführt und selbst an der königlichen Tafelgetrunken. Es besaß einen weinartigenGeschmack, den die hiesigen Brauer vergeb-lich nachzuahmen suchten. Dieses Bier soll derGesundheit sehr dienlich gewesen sein, be-sonders für jene, „die eine sitzende Lebensartführten“. Den Weg zum Kloster entlang dem Anger ließdie Universität im Jahre 1679 mit einer vierfa-chen Reihe Linden bepflanzen. Diese vonProf. J. C. Beckmann angeregte und langeZeit auch von der Universität unterhalteneAllee von Linden gab der späteren Straßeihren Namen (umbenannt dann in Stalinallee,danach Oderallee, heute wiederLindenstraße).Nach 1700 begann man, entlang dieser AlleeHäuser zu errichten, welche die kleinenLehmbauten der ärmeren Vorstädter ver-drängten. Dem ersten Haus 1705 folgten bisetwa 1785 fast 20 freistehende, zumeist zwei-stöckige, massive Landhäuser wohlhabenderBürger der Stadt und Universität. Als einer derletzten beschloss Prof. Peter ImmanuelHartmann hier zu bauen. Sein heute nochvorhandenes und sorgfältig restauriertes Haus– Lindenstraße 28 – sollte eines der markante-sten Häuser an dieser Allee werden (2 –Ansicht von der Rückseite). Hartmann, gebo-ren am 7. Juli 1727 in Halle, war nachStudium, praktischer und Lehrtätigkeit in Hallesowie dann in Helmstedt im Jahre 1763 als or-dentlicher Lehrer der Pathologie, Therapie,Materia medica, Chemie und Botanik an dieFrankfurter Universität berufen worden. Hiersollte er fast 30 Jahre als „Arzt, Lehrer undSchriftsteller segensreich“ wirken. Dreimalführte er das Rektorat der Viadrina. Von denvon ihm betreuten zahlreichen, alle Zweigeder Medizin betreffenden Dissertationen be-finden sich heute noch mehr als 50 Drucke inder Stadtarchivbibliothek. Er war Mitgliedzahlreicher wissenschaftlicher Vereinigungenund gehörte 1766 zu denGründungsmitgliedern der Frankfurter„Gelehrten Gesellschaft zum Nutzen derKünste und Wissenschaften“. Trotz seinerLeistungen in der Chemie – mehrere chemi-sche Präparate wurden nach ihm benannt –,in der Botanik und der Medizingeschichte fin-det sich der Name von Prof. Hartmann nichtin den biographischen Standardwerken wieder Allgemeinen Deutschen Biographie oder

Neuen Deutschen Biographie verzeichnet.Sein Haus ließ Prof. Hartmann durch einenuns unbekannten Baumeister bis 1785 an derStelle eines „theils wüsten, theils mit einemblos lemernen Hause von einer Stube“ errich-ten. Der Bau kostete die enorme Summe vonüber 8 200 Talern. Zur Gesamtanlage gehörten das Hauptgebäude mit dem dreigeschossi-gen, vorgezogenen und geschwungenenMittelteil, sowie zwei Pavillons, von denen ei-ner in der Front des Hauptgebäudes errichtetwurde. Im heute noch das Mansardendach be-krönenden Türmchen ließ sich der auch mitAstronomie beschäftigende Hartmann einObservatorium „zum besten hiesiger akademi-scher astronomischer Wahrnehmungen" ein-richten. Neben diesem „Observatorium astro-nomicum“, der ersten Frankfurter Sternwarte,richtete sich Hartmann im Haus noch ein che-misches Labor ein und hatte hier endlich Platzfür seine umfangreiche Bibliothek.Nur wenige Jahre nach der Fertigstellung sei-nes Hauses verstarb Prof. Hartmann. Nach sei-nem Tod am 1. Dezember 1791 übernahm,zuerst als Vormund der unmündigen Kinderund dann ab 1808 als neuer Eigentümer, Prof.theol. C. F. Elsner das Haus. Seinen Klagen zu-folge hatte er mit diesem Haus jedoch nur we-nig Freude. Waren die Professoren lange vonder Einquartierungspflicht befreit, musstenauch sie jetzt die Einquartierung über sich er-gehen lassen. Trotz heftigen Protestes vonElsner wohnten von 1806 bis 1808 Offiziereder Napoleonischen Armee in diesem Haus.Elsner hatte vorerst die Kosten zu tragen. Esgelang ihm nicht, Landrat von Schoening, demer das Haus vermietete, zur Übernahme we-nigstens eines Teiles der Kosten zu bewegen.Die neue Städte-Ordnung von 1809, nach derauch die hausbesitzendenUniversitätsangehörigen das städtischeBürgerrecht erwerben mussten, brachte neueBelastungen. Da Elsner vorerst den Erwerb des

städtischen Bürgerrechtes ablehnte, fordertedie Stadt ihn zum Verkauf seiner Häuser auf.Jedoch das „Turmhaus“, wie es zu dieser Zeitschon bezeichnet wurde, konnte „ohne einedurchgängige Reparatur nicht einmal angebo-ten werden“. Wie Prof. Elsner 1812 an denMagistrat schrieb, fand sich kein Käufer, „weilauch in dem gegenwärtigen Zeitpunkte nie-mand so leicht hier Häuser kaufen will“. Derfranzösische Marschall Michel Ney hatte seinHauptquartier in der Stadt errichtet. Täglichwaren bis zu 8 000 Mann unterzubringen.Erneut musste auch Prof. Elsner wiederEinquartierungen über sich ergehen lassen. Objedoch, wie später behauptet werden sollte,Napoleon I. im Türmchenhaus wohnte, wirdbezweifelt. In den vollständig vorhandenenEinquartierungs- und Verpflegungsakten fandsich bislang kein Hinweis auf NapoleonsAnwesenheit in der Stadt.Nach dem Ableben von Prof. Elsner 1822wechselte das Haus immer wieder die Besitzer.Denkbar ist, dass ein späterer Besitzer dieLegende von Napoleon erfand, um das Hausfür die Vermietung besonders anMilitärangehörige attraktiv zu machen. Durch die Universität und manch ihrerAngehörigen war in Frankfurts GubenerVorstadt eine von der Sonne durchflutete Alleemit prachtvollen Häusern und schönen Gärtenentstanden, welche auch die Besucher derStadt begeisterte. Auszug aus einemReisetagebuch aus dem Jahr 1779: „Die ange-nehmsten Spaziergänge bey der Stadt sind dieLindenallee vor dem Gubener Thore. Sie liegtan einem großen Anger, nimmt bald vor demThore, gleich hinterm Kirchhofe ihren Anfangund gehet beinahe bis an das berühmteKarthaus fort. An beiden Seiten dieser Alleesieht man wohlangelegte Gärten und mankann die Allee die Berliner Lindenallee im klei-nen nennen“.

Spuren der alten Viadrina in der Gubener Vorstadt

Die zweitürmige Marienkirche (1) und das Türmchenhaus (2) in der Gubener Vorstadt.QUELLE: STADTARCHIV FRANKFURT (ODER)

VON STADTARCHIVAR

RALF-RÜDIGER TARGIEL

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Wir laden ein zur Eröffnung des 10. akademischen Jahres der Viadrina

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VII. FRANKFURTER UNIVERSITÄTSBALL

„„GGAAUUDDEE AAMMUUSS IIGG II TT UURR““am 16. November 2001

IM RAMADA-TREFF-HOTEL (EHEM. HOLIDAY INN) FRANKFURT (ODER)BEGINN: 20 UHR / EINLASS AB 19.00 UHR

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in der Konzerthalle „Carl Philipp Emanuel Bach“ in Frankfurt (Oder)

Begrüßung durch die Präsidentin

GrußworteEhrungen

Festvortrag:

„Freiheit der Wissenschaft – Verantwortung der Wissenschaft heute“

Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin (Bundesministerin der Justiz, MdB)

Musikalische Begleitung: Deutsch-Polnisches Jugendorchester

und zu dem im Anschluss im Foyer des Hauptgebäudes der Universität, Große Scharrnstraße 59, stattfindenden Empfang

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